Die Deutsche Gewerbe-Ordnung für die Praxis in der Preußischen Monarchie: Mit Kommentar und einem Anhange enthaltend die Gesetze zur Ergänzung der Gewerbe-Ordnung ..., sowie die Preussischen Gewerbesteuergesetze und das Gesetz betreffend die Einführung der Gewerbe-Ordnung in Elsass-Lothringen [Vervollst. Ausg. der 6. Aufl. Reprint 2018] 9783111495552, 9783111129334

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Die Deutsche Gewerbe-Ordnung für die Praxis in der Preußischen Monarchie: Mit Kommentar und einem Anhange enthaltend die Gesetze zur Ergänzung der Gewerbe-Ordnung ..., sowie die Preussischen Gewerbesteuergesetze und das Gesetz betreffend die Einführung der Gewerbe-Ordnung in Elsass-Lothringen [Vervollst. Ausg. der 6. Aufl. Reprint 2018]
 9783111495552, 9783111129334

Table of contents :
Vorrede zur sechsten Auflage
Inhalt
Einleitung
Chronologisches Inhaltsverzeichnis
Titel I. Allgemeine Bestimmungen
Titel II. Stehender Gewerbebetrieb
Titel III. Gewerbebetrieb im Umherziehen
Titel IV. Marktverkehr
Titel V. Zaren
Titel VI. Innungen von Gewerbetreibenden
Titel VII. Gewerbliche Arbeiter (Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter).
Titel VIII. Gewerbliche Hülfskassen
Titel IX. Statutarische Bestimmungen
Titel X. Strafbestimmungen
Anhang. Reichs-, Landes-Gesetze, Verordnungen und Bekanntmachungen zur Ergänzung der Gewerbe-Ordnung
I. Reichs-, Landes-Gesetze, Verordnungen und Bekanntmachungen zur Ergänzung der Gewerbe-Ordnung
1-19
20–38
II. Reichsgesetz betreffend die Abänderung der Gewerbe- Ordnung vom 26. Juli 1897
III. Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896
IV. Die Preußischen Gesetze, betreffend die Besteuerung der stehenden Gewerbe und des Gewerbebetriebes im Umherziehen
V. Gesetz, betreffend die Einführung der Gewerbe-Ordnung in Elsatz-Lothringen vom 27. Februar 1888
Alphabetisches Sachregister
Erklärung -er Abkürzungen

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Die Deutsche

Gewerbe-Ordnung für die

Prags in der Preußischen Monarchie mit Kommentar und

einem Anhange enthaltend

bic Gesetze zur Ergänzung der Gewerbe-Ordnung (eingeschriebene Hülfskaffen, Werkehr mit Nahrungsmitteln, Gebrauch von Sprengstoffen, Gewerbegerichte, Novelle zum Berggesetz, Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs) sämmtlich mit Kommentar, sowie die Preußischen Gewerbesteuergesetze und das Gesetz betireffend die Einführung der Gewerbe-Ordnung in Elsaß-Lothringen, endlich die Novelle zur Gewerbe-Ordnung vom 26. Juli 1897 mit Erläuterungen von

£. Marcinowski, Geheimem Ober-Finanzrath und vortragendem Rath im Finanzministerium.

Vervollständigte Ausgabe der

sechste« Auflage.

Berlin.

Druck und Verlag von Georg Reimer. 1898.

Vorrede zur sechsten Auflage. Die neue Bearbeitung des Kommentars der Reichs-Gewerbe-Ordnung hat sich in gleicher Weise wie bei den früheren Auflagen die Ausgabe gestellt, den Anforderungen des praktischen Gebrauchs nach Möglichkeit gerecht zu werden. Demgemäß ist das inzwischen auf dem Gebiet der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung reichlich angesammelte Material an geeigneter Stelle eingefügt und durch entstehende Erläute­ rungen dem Zwecke des Werkes nutzbar gemacht. Der Grundsatz er­ schöpfender Vollständigkeit und übersichtlicher Anordnung und Darstellung ist hierbei in vollstem Umfange zur Anwendung gebracht. Die Kommentirung der älteren Ergänzungsgesetze: des Reichsgesetzes vom 7. April 1876 (eingeschriebene Hülfskassen), des Reichsgesetzes vom 14. Mai 1876 (Verkehr mit Nahrungsmitteln) und des Reichsgesetzes vom 9. Juni 1884 (Gebrauch von Spreng­ stoffen) ist ausgiebig vervollständigt. Die wichtigen und umfasienden neu hinzugetretenen Gesetze: das Reichsgesetz vom 29. Juli 1890 bezw. das Landesgesetz vom 11. Juli 1891 (Gewerbegerichte) und das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 (Arbeiterschutz) sind mit den die richtige Auslegung vermittelnden Erläuterungen ausgestattet. Ins­ besondere ist auch das für das Bergwesen höchst bedeutsame Gesetz vom 24. Juni 1892 in vollständiger Fassung unter die Ergänzungsgesetze des Anhanges aufgenommen. Diese der praktischen Brauchbarkeit des Werkes förderliche Behand­ lung des umfangreichen Stoffes hat in den betheiligten Kreisen bisher die vollste Zustimmung gefunden und dürfte dem Werke wohl auch ferner­ hin eine wohlwollende Aufnahme sichern. Dem Gewerbesteuergesetz vom 24. Juni 1891 sind die durch die beiden Gesetze vom 14. Juli 1893, betreffend die Aufhebung direkter Staatssteuern und die Regelung der Kommunalabgaben, eingetretenen Aenderungen eingefügt. Der von beachtenswerther Stelle gegebenen Anregung entsprechend, sind zum Zweck der besseren Uebersicht des Textes der Reichs-Gewerbe-Ordnung die ergänzenden Gesetze und Bekannt­ machungen größtentheils in den Anhang verwiesen.

IV

Vorrede zur 6. Auflage.

Durch die Güte eines Mitgliedes des Oberverwaltungsgerichts ist mir die ungedruckte Sammlung der Entscheidungen dieses Gerichtshofes zugänglich gemacht, welche ihrem Hauptinhalt nach in dem Kommentar ausgenommen sind. Es sind dieses diejenigen Erkenntnisse, bei welchen das betreffende Sammelwerk nicht besonders angegeben ist. Diese Ver­ vollständigung des Kommentars wird für die praktische Handhabung desselben besonders werthvoll sein. In Berücksichtigung des Umstandes, daß die fünfte Auflage schon seit längerer Zeit vergriffen ist, die Herausgabe der neuen Auflage daher nicht weiter ausgesetzt werden durfte, konnte die Erledigung der dem Reichstage 1895/96 gemachten, in das Gebiet der Reichs-GewerbeOrdnung hineingreifenden Vorlagen nicht abgewartet werden. Für den Fall, daß dieselben in der gegenwärtigen Tagung des Reichstages durchberathen und demnächst Gesetzeskraft erlangen sollten, werden indeß die betreffenden Reichsgesetze nebst den erforderlichen Erläuterungen den­ jenigen Abnehmern der neuen Auflage des Kommentars, welche den­ selben im Laufe des Jahres 1896 bestellt haben werden, in einem be­ sonderen Ergänzungsheft unentgeltlich nachgeliefert werden. Berlin, im Dezember 1895. Die neue Ausgabe der fechsten Auflage ist durch das Bedürfniß hervorgerufen, den Kommentar durch Einfügung der gesetzgeberischen Vorgänge der beiden letzten Jahre insbesondere durch die Bearbeitung der letzten Novellen zur Reichs-Gewerbe-Ordnung vom 6. August 1896 (R.G.BI. S. 685) und vom 26. Juli 1897 (R.G.Bl. S. 663) zu vervoll­ ständigen. Das erstere Gesetz ist mit den erforderlichen Erläuterungen in den Haupttheil eingeschaltet, das letztere im Hinblick daraus, daß erst ein Theil der betreffenden Bestimmungen mit dem 1. April 1898 in Kraft tritt, im Anhang wiedergegeben und in geeigneter Weise erläutert. Die am 1. März d. I. ergangene Anweisung zur Ausführung des gedachten Gesetzes so wie die vom Bundesrath beschlossenen Entwürfe des Statuts einer freien und einer Zwangsinnung sowie der Entwurf eines Beschlusses der Jnnungsversammlung betreffend Vorschriften zur Regelung des Lehrlingswesens sind gleichfalls angeschlossen. Gleichzeitig ist das Buch durch Aufnahme des Reichsgesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896 (RGBl. S. 145) mit Kommentar so wie durch Einfügung der in den Jahren 1896 und 1897 ergangenen Bekanntmachungen, Erlasse und Entscheidungen, insbesondere auch durch den Abdruck der Gebührenordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896 in zweckmäßiger Weise ergänzt worden. Berlin, im Mai 1898. Der Verfasser.

Inhalt. Seite

Einleitung........................................................................................................ Geschichtliche Entwickelung derReichs-Gewerbe-Ordnung und derErgänzungsgesehe. (Maß-> Gewichtsordnung, Aichungsordnung, Schuh des Urheber­ rechtes gewerblicher Leistungen.)

1*

Gewerbe-Ordnung vom 21. Juni 1869. (Fassung des Reichsgesehes vom 1. Juli 1883.) Titel I. Allgemeine Bestimmungen. Gewerbebetrieb §§ 1—4..................................................................................... Geltungsbereich der Gewerbe-Ordnung, Zuständigkeit. Centralinstanz. Volks­ wirthschaftsrath (Verordnung vom 17. November 1886). Begriff des Gewerbes. Gleichzeitiger Betrieb verschiedener Gewerbe. Zünfte und Korporationen. Beschränkungen des Gewerbebetriebes durch Zoll-, Steuer- und Postgesehe § 5 Postwesen. Telegraphenwesen. Zollgesetze. Preßgewerbe. R.Ges. über den Feingehalt der Gold- und Silberwaaren vom 16. Juli 1884. Anhang S. 508. R.Ges. betreffend die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen vom 19. Mai 1891. Anhang S. 510. Verkehr mit Nahrungsmitteln u. s. w. Gewerbe, auf welche die Gewerbe-Ordnung keine Verwendung findet § 6 . . . Heilkunde; Verkehr mit Arzeneimitteln (Verordnung vom 27.Ja­ nuar 1890). Anhang S. 512. Verkehr mit Honigpräparaten. Verkehr mit künstlichem Mineralwasser. Aufhebung von Landesgesehen § 7................................................................... Abgaben. Gewerbesteuer. Abdeckereigewerbe. Gesetze vom 17. Januar 1845 und vom 17. Dezember 1872. Aufhebung und Ablösung der gewerblichen Berechtigungen in den neuerworbenen Pro­ vinzen (Gesetz vom 17. März 1868). Anhang S. 520. Ablösung von Gewerberechten § 8................................................................... Streitigkeiten über Aufhebung oder Ablösbarkeit. Berechtigungen § 9 . . . . Erwerbung bezw. Begründung von Gewerberechten § 10.......................... Gewerberecht der Frauen § 11 ....... .........................................

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VI

Inhalt. Seite

Gewerbebetrieb der juristischen Personen des Auslandes § 12........................ Gewerbebetrieb der Personen des Soldaten- und Beamtenstandes. Einfluß des Bürgerrechtes § 13................................................................... Titel II. Stehender Gewerbebetrieb. I. Allgemeine Erfordernisse. Anzeige des Gewerbebetriebes § 14 . ...................... ... ................................... Polizeiliche Verhinderung der Fortsetzung des Gewerbebetriebes §15 . . . . Zuständigkeit. Jnstanzenzug. Beschwerden. II. Erforderniß besonderer Genehmigung. 1. Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen (§§ 16-29). Bezeichnung der Anlagen § 16....................................................................... Zuständigkeit für die Genehmigung. Verfahren. Begriff der Anlage. Erfordernisse des Antrages auf Genehmigung § 17....................................... Prüfung durch die Behörde § 18.............................................. .................... Einwendungen §19..................................................................................... Rekurs § 20................................................................................................... Behörden und Verfahren § 21....................................................................... Kosten § 22..................... Stauanlagen. Oeffentliche Schlachthäuser (Gesetz vom 18. März 1868). Anhang S. 534. Oertliche Beschränkungen § 23 ................................................................ Anlegung von Dampfkesseln § 24................................................................... Allgemeine polizeiliche Bestimmungen. (Bekanntmachung vom 29. Mai 1871 und 5. August 1890.) Anhang S. 534. Dauer der Genehmigung der Anlage, Veränderungen im Betriebe § 25 . . . Privatklage § 26............................................................................................ Anlagen mit ungewöhnlichem Geräusch § 27................................................. Durch Wind bewegte Triebwerke § 28............................................................

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2. Gewerbetreibende, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen (§§ 29-41). Approbation der Apotheker und Aerzte § 29......................... ........................ 75 Bekanntmachungen, betreffend die ärztliche Prüfung bezw. die ärztliche Vor­ prüfung; ferner betreffend die Prüfung der Zahnärzte, Thierärzte und Apo­ theker, sowie der Apothekergehülfen. Verfahren bei Entziehung einer ertheilten Approbation. (Anhang S. 534sgde.) Unternehmer von Privat-Entbindungs-, Kranken- und Irrenanstalten. Hebeammen §30.......................................................................................................... 83 Verfahren bei Versagung der Genehmigung. Zuständigkeit. Betrieb des Hufbeschlaggewerbes § 30a. Gesetz vom 18. Juni 1884 (Anhang S. 584)......................................................................................................87 Seeschiffer, Seesteuerleute,Maschinisten der Seedampfschiffe und Lootsen § 31 . 87 Bekanntmachungen, betreffend die Prüfung der Seeschiffer und Seesteuer­ leute. (Anhang S. 593 fgde.) Schauspielunternehmer §32 .. ......................................................................... 90 Gastwirthschaft. Schankwirthschaft, Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus §33

Inhalt.

VII Seite

Begriff des Branntweins. Konsumvereine. Kleinhandel (Begriff). Schankwirthschaft (Begriff). Persönliche und lokale Erfordernisse). Gast- und Speisewirthschaft. Verfahren. Schankgefäße. Gesetz vom 20. Juli 1881. Singspiele, Gesangs- und deklamatorische Vorträge, Schaustellungen von Per­ sonen. Theatralische Vorstellungen § 33 a, b.............................................. 117 Abhaltung von Tanzlustbarkeiten § 33 c ......................................................... 122 Pfandleiher. Handel mit Giften. Betrieb des Lootsengewerbes. Markscheider § 34 123 Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht. Betrieb von Badeanstalten; Trödelhandel. Kleinhandel mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Baumwolle oder Leinen. Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen. Be­ sorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Agenten. Stellenvermittler. Auktiona­ toren § 35.............. ... ..................... ........................................................ 125 Feldmesser. Auktionatoren. Güterbestätiger. Schaffner. Wäger. Messer. Packer. Schauer. Stauer u. s. w. § 36................................................................... 131 Straßengewerbe § 37 . . .............................................................................. 133 Geschäftsbetrieb der Pfandleiher. (Gesetz, betreffend das Pfandleihgewerbe vom 17. März 1881 mit Kommentar, Anhang, S. 621) § 38 . . . . 135 Schornsteinfeger § 39......................................................................................... 137 Mt der Ertheilung der Approbationen und Genehmigungen § 40..................138 III. Umfang, Ausübung und Verlust der Gewerbebefugnisse (§§ 41—55). Befugniß zur Annahme und Beschäftigung von Gesellen, Gehülfen, Arbeitern, Lehrlingen §§ 41 und 41a...............................................................................138 Betrieb außerhalb des Gemeindebezirks der gewerblichen Niederlassung § 42 . 139 Beschränkungen des Betriebes von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten §§ 42 a, b.................. 140 Besondere Vorschriften wegen des Betriebes von Druckschriften, anderen Schriften oder Bildwerken § 43......................................................................................144 Aufkauf von Waaren bezw. Aufsuchen von Bestellungen beim stehenden Gewerbe §44 146 Legitimationskarten für den vorbezeichneten Gewerbebetrieb. Versagung derselben. Verfahren § 44 ............................................................................................... 149 Stellvertretung beim stehenden Gewerbebetriebe § 45........................................152 Stellvertretung nach dem Tode eines Gewerbetreibenden § 46..................... 153 Stellvertretung für konzessionirte oder angestellte Personen § 47..................154 Übertragung von Realberechtigungen §48......................................................155 Fristbestimmung für den Beginn. Die Ausführung einer Anlage oder eines Unternehmens bezw. für den Anfang eines Gewerbebetriebes §§ 49, 50 . . 155 Untersagung der ferneren Benutzung einer gewerblichen Anlage §§ 51, 52 . . 158 Zurücknahme von Approbationen, Genehmigungen und Bestallungen § 53 . . 160 Verfahren und Behörden in den Fällen §§ 51, 35, 33 a, 53. — § 54 ... . 166 Titel III. Gewerbebetriebe im Umherziehen. Charakterisirung des Hausirgewerbes. Gewerbliche Niederlassung. Wanderlager­ betrieb. Begriff der Waare. Waarenaufkauf, künstlerische Leistungen, Grund­ sätze bei Ausstellung von Wandergewerbescheinen, für Gesellschaften, welche Musikvorstellungen öffentlich darbieten wollen § 55................................... 166 Sonntagsruhe § 55 a......................................................................................... 184 Beschränkungen des Hausirgewerbes. Ausgeschlossene Gegenstände. Besondere Vorschriften wegen des Betriebes von Druckschriften u. s. w. § 56 . . . . . 185

VIII

Inhalt. Seite

Ausübung der Heilkunde. Vermittelung von DarlehnS- und Rückkaufsgeschästen. Aufsuchungen von Bestellungen auf Branntwein und Spiritus §56a . . . 202 Befugnisse des Bundesraths, des Reichstags und der Landesregierungen § 56b 202 Versteigerung, Glücksspiel oder Ausspielung; öffentliche Ankündigung des GeWerbebetriebes, insbesondere bei den Wanderlagern § 56 c.............................. 203 Haustrbetrieb der Ausländer (Bekanntmachung des Bundesraths). CirkularReskript vom 26. Oktober 1881. Formulare für Wandergewerbescheine § 56d 205 Versagung des Wandergewerbescheines §§ 57, 57a, b...........................................212 Zurücknehmen des Wandergewerbescheines § 58.......................................................216 Fälle, in denen es eines Wandergewerbescheines nicht bedarf § 59................. 216 Untersagung des Gewerbebetriebes in Fällen des § 59 Nr. 1—3, tz 59a 219 Dauer des Wandergewerbescheines. Räumliche Begrenzung. Formular § 60 . 221 Betrieb der Gewerbe tz 55 Nr. 4 von Haus zu Haus oder an öffentlichen Orten §60a............................................................................................................................... 224 Zulassung minderjähriger Personen § 60b................................................................224 Verpflichtungen des Inhabers des Wandergewerbescheines § 60c..................... 225 Uebertragbarkeit des Wandergewerbescheines. Gemeinsame Wandergewerbescheine. Umherziehende Schauspielergesellschaften § 60d...................................................226 Behörden für Ertheilung und Zurücknahme der Wandergewerbescheine § 61 . . 228 Begleiter beim Haustrbetrieb § 62 ............................................................................ 228 Verfahren bei Versagung oder Zurücknahme deS Wandergewerbescheines tz 63 . 231 Titel IV. Marktverkehr. Marktverkehr im Allgemeinen; Vertrieb von Handwerkerwaaren; Marktverkehr der Ausländer tz 64 .... -............................................................................ 232 Zahl, Zeit und Dauer der Märtte tz 65 .................................................................... 235 Gegenstände des Wochenmarktverkehrs tz 66 ........................................................... 236 Gegenstände des Jahrmarktverkehrs tz 67 ................................................................ 236 Abgaben für den Marktverkehr, Gesetz, betreffend die Abgaben von Marktstandsgeldern vom 26. April 1872 — § 68 .................................. 237 Marktordnung tz 69 ..................................................................................................... 238 Besondere Märkte, Befugniß der Erweiterung des Marktverkehrs tz 70 . . . . 239 Beschränkungen deS Marttverkehrs tz 71....................................................................239 Titel V. Taxen. Polizeiliche Taxen im Allgemeinen § 72 ................................................................ Verkauf von Backwaaren (Angabe von Preis und Gewicht, Bereitstellung einer Waage) tztz 73. 74 ...................................................................................................... Gastwirthe, Berzeichniß der Preise tz 75 .................................................................... Taxen für Lohnbediente und andere Personen, welche öffentlich ihre Dienste oder Transportmittel anbieten tz 76 ................................................................................. Taxen für Schornsteinfeger tz 77 ................................................................................. Taxen für Gewerbetreibende des tz 36 der Gew.O. tz 78 ................................... Zulässigkeit der Ermäßigung der Preise und Taxen § 79 ...................................... Taxen für Apotheker und Aerzte. Verordnung vom 4. November 1874. Gesetz vom 9. März 1872, betreffend die den Medicinalbeamten für die amtlichen Geschäfte zu gewährenden Vergütungen tz 80 .

240 240 241 241 242 242 242

243

Inhalt.

H Seite

Titel VI. Innungen von Gewerbetreibenden. I. Bestehende Innungen. Statuten derselben § 81....................................................................................... 247 Zulässigkeit des Austritts § 82 ........................................................................ 247 Ausschließung vom Eintritt § 83 ..................................................................... 247 Prüfung, Prüfungszeugniß %84 ....................................................................... 248 Austrittsgelder, Zulässigkeit der Theilnahme an anderen Innungen § 85 . . . 249 Entziehung einzelner Rechte des Jnnungsverbandes § 86 ............................. 249 Verhältnisse bei eintretendem Tode eines Jnnungsgenossen § 87 .................. 250 Vorstand der Innung § 88 .............................................................................. 250 Fälle, in welchen es der Genehmigung von Rechtshandlungen der Innungen bedarf § 89 ............................................................... 250 Zahlungen aus der Jnnungskasse § 90 .......................................................... 251 Beitreibung der Jnnungsbeiträge § 91 .. ........................................................ 251 Abänderungen des Statuts § 92 .................................................................... 251 Auflösung der Innung §§ 93, 94 ..................................................................... 251 Aufsicht über die Innungen § 95 ..................................................................... 253 Beschränkung des Aufsichtsrathes § 96 ............................................................ 253 II. Neue Innungen. Voraussetzung und Aufgabe der neuen Innungen. (Anweisung vom 2. März 1882. Bek. v. 11. Januar 1882.) Musterstatut (Anhang S. 630) § 97 . . 254 Ausdehnung der Wirksamkeit der Innungen (Fachschulen für Lehrlinge, Ver­ anstaltung von Gesellen- und Meisterprüfungen, gemeinschaftlicher Geschäfts­ betrieb, Unterstützung der Jnnungsmitglieder, Schiedsgerichte) § 97 a . . . . 257 Abgrenzung des Bezirks, Benennung der Innung § 98 ................................. 258 Erfordernisse des Jnnungsstatuts §98a..............................................................259 Thätigkeit der Verwaltungsbehörde, Versagung der Genehmigung bezw. der Ab­ änderung des Statuts § 98b......................................................................... 261 Nebenstatuten § 98c...........................................................................................263 Rechtsfähigkeit der Innung § 99 ..................................................................... 265 Persönliche Voraussetzungen für die Aufnahmefähigkeit § 100 .......................... 265 Rechte der von den Jnnungsmitgliedern beschäftigten Gesellen tz 100a ... . 267 Unzulässigkeit der Überschreitung des Jnnungszweckes. Einziehung der Beiträge und Ordnungsstrafen § 100b......................................................................... 267 Rechnungslegung. Besondere Vorschriften für Krankenkassen der Innungen § 100c 268 Schiedsgerichte § 100d....................................................................................... 268 Besondere Vorschriften für Innungen, deren Thätigkeit sich auf dem Gebiete des Lehrlingswesens bewährt hat §100 e................................................................269 Heranziehung von Arbeitgebern, welche nicht Jnnungsmitglieder sind § 100f . 271 Einrichtungen, zu welchen Beiträge erhoben werden können § 100g...............271 Veröffentlichung der Verfügungen §100h.......................................................... 272 Recht der Benutzung der Einrichtungen. Schiedsgericht § 100 i...................... 272 Beiträge § 100k.................................................................................................. 273 Rechnungslegung § 1001............................................................................... 273 Befreiung von der Beitragspflicht §100m........................................................... 273 Zusammensetzung und Legitimation des JnnungsvorstandeS § 101 ............... 274 Bildung eines gemeinsamen Jnnungsausschusses § 102 ................................. 275

X

Inhalt. Seile

Schließung einer Innung oder eines Jnnungsausschusses § 103..........................276 Auflösung der Innung, Verwendung des Jnnungsvermögens § 103 a .... 278 Aufsichtsbehörde der Innungen § 104 ........................................................................ 278 Bildung von Znnungsverbänden § 104 a................................................................281 Erfordernisse des Statuts § 104b............................................................................ 282 Genehmigung des Statuts. Aenderungen desselben § 104c..............................282 Pflichten des Verbandsvorstandes gegenüber der Aufsichtsbehörde § 104 d . . . 283 .................................................................................283 Versammlungen § 104 e ... Befugniß der Verbandsvorstände zu Berichten, Anträgen und Gutachten § 104 f 284 Auflösung von Znnungsverbänden (R.Ges. v. 18. Juli 1881) § 104g .... 285 Juristische Persönlichkeit der Jnnungsverbände § 104h...................................... 286 Legitimation der Vertretung derselben § 1041 .................................. - - 287 Aufgaben der JnnungSverbände. Nebenstatuten § 104k...................................... 287 Auffichtsrecht der höheren Verwaltungsbehörde § 1041 .......................................... 288 Auflösung im Falle des Konkurses § 104m........................................................... 288 Abwickelung der Geschäfte § 104n, ............................................................................ 288 Titel VII. Gewerbliche Arbeiter (Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter I. Allgemeine Verhältnisse. Vertragsverhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Arbeiten an (Bonn* und Festtagen §§ 105, 105a bis 1...................................................289 Beschränkung der Gewerbetreibenden, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte ab­ erkannt sind § 106......................................................................................................305 Arbeitsbücher §§ 107-112 ......................................................................................... 306 Zeugnisse § 113....................................................................................................................313 Kosten der Arbeitsbücher und Zeugnisse § 114.......................................................314 Auszahlung der Löhne (Gesetz vom 21. Juni 1869, betreffend die Be­ schlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes) §§115, 115a ... 314 Folgen einer vorschriftswidrigen Art der Löhnung § 116...................................... 322 Zulässigkeit von Verträgen und Verabredungen in Betreff der Art der Löhnung § 117................................................................................................................................322 Kreditirung von Waarenforderungen in Anrechnung auf den Lohn § 118 . . . 323 Bezeichnung derjenigen Personen, auf welche §§ 115—118 Anwendung finden §§ 119 und 119 b...........................................................................................................323 Lohneinbehaltungen. StatutarischeBestimmungen § 119a.........................................324 Beschäftigung von Arbeitern unter 18 Jahren .(Reichsgesetz vom 7. Juni 1871, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersatz fürdiebei dem Betriebe von Eisenbahnen rc. herbeigeführten Tödtungen und Verletzungen) § 120 ..................................................................................... 325 Schutzeinrichtungen § 120a bis ........................................................................................ 339

II. Verhältnisse der Gesellen und Gehülfen. Pflichten der Gesellen und Gehülfen § 121................................................................344 Kündigung des Arbeitsverhältnisses §122 ................................................................ 345 Entlassung von Gesellen und Gehülfen ohne Kündigung § 123 .......................... 345 Zulässigkeit des Verlassens der Arbeit ohne Kündigung § 124, 124a, b ... 346 Folgen der Verleitung zur vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses § 125...........................................................................................................................

Inhalt.

XI Seite

III. Lehrlingsverhältnisse. Pflichten des Lehrherrn § 126 ..................................................................................... 348 Pflichten des Lehrlings § 127 ..................................................................................... 349 Dauer des Lehrverhältnisses § 128 ............................................................................ 349 Zeugnisse und Lehrbriefe § 129 ..................................................................................... 350 Folgen des vorzeitigen Verlassens des Lehrherrn seitens des Lehrlings § 130 . 351 Auflösung des Lehrverhältnisses während der Lehrzeit § 131.............................. 351 Eutschädigungsforderungen aus dem Lehrverhältniß §§ 132, 133 ...................... 351 lila. Verhältnisse der Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker § 133a bis e .

353

IV. Verhältnisse der Fabrikarbeiter. Anwendung der §§ 121—133 § 134 ......................................................................... 355 Arbeitsordnungen § 134a btd h.................................................................................358 Beschäftigung von Kindern, jungen Leuten von 14—16 Jahren u. Wöchnerinnen § 135 364 Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter § 136 ........................................................ 366 Arbeitskarten für Beschäftigung von Kindern in Fabriken § 137 .......................... 367 Anzeige bei Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern in Fabriken § 138, 138 a 369 Ausnahmen der Beschränkungen des § 135 Abs. 2—4 und § 136 in dringenden Fällen §§ 139, 139a...................................................................................................... 382 Verwendung von jugendlichen Arbeitern sowie Arbeiterinnen für gewisse Fabrikationszweige. (Nachtarbeit, Arbeit der Kinder.) Besondere Bestimmungen für die Steinkohlenbergwerke, Zink- und Bleierzbergwerke, Kokereien, Zucker­ fabriken, Hechelräume, Drahtziehereien, Cichorienfabriken, Cigarrenfabriken, Walz- und Hammerwerke, Glashütten und Spinnereien § 139 a..................... 383 V. Aufsicht über die Fabriken. Gewerberäthe. Dienstanweisung für dieselben vom 24. Mai 1870 und 23. März 1892, Anhang - § 139b..............................................................................................387 Titel VIII. Gewerbliche Hülfskassen. Allgemeine Bestimmungen § 140 ................................................................................. 391 Bildung von Hülfskassen. Stellung der Gemeindebehörde § 141 ...*.. 392 Betheiligung an Hülfskassen §§141a, 141b.................................................................. 392 Zulässigkeit des Vorschusses von Beiträgen, der Leistung von Zuschüsien seitens der Fabrikinhaber. Verpflichtung der Anmeldung seitens des Arbeitgebers § 141c..................................'........................................................................................ 393 Verjährung der Forderungen der Kasse § 141 d....................................................... 393 Zulässigkeit der Anordnung von Hülfskassen seitens größerer Kommunalverbände § 141 e............................................................................................................................... 393 Besondere Bestimmungen fsir Bergwerke, Aufbereitungsanstalten, Brüche und Gruben § 141 f...............................................................................................................394

Zite IX. Statutarische Bestimmungen. Zulässigkeit und Genehmigung derselben § 142 .......................................................

394

Titel X. Strafbestimmungen. Entziehung der Berechtigung zum Gewerbebetriebe § 143 .................................. Zuwiderhandlungen der Gewerbetreibenden gegen ihre Berufspflichten § 144 .

395 396

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Mindestmaß der Strafen im Verhältniß von Geldstrafe zur Freiheitsstrafe. Ver­ jährung § 145 ............................................................................................................... 397 Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen §§ 115, 134, 136, 137, 139, 139a Gew.O. — §§ 146, 146a......................................................................................... 398 Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften, gegen Konzessionen, Approbationen, Bestallungen, ferner gegen §§ 16, 24, 120 Gew.O. — § 147 400 Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen §§ 14, 33b, 35, 42a—44a, 44a, 55, 56 Abs. 1. 2 Nr. 1-5, 7-9 Abs. 3. 56a, 56b, 56c, 56d, 59 Nr. 1-3, 59a, 60 Abs. 1, 60a, 60b, 60c Abs. 2, 3, 60d Abs. 3, 100e Nr. 2, 131 Abs. 2 — § 148 .......................................................................................................... 407 Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen §§ 42 b, 43, 44 a Abs. 2, 56 letzter Abs.. 60 Abs. 1, 138, 130 b Gew.O. — § 149 ................................................... 409 Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen §§ 106—112, 146 Nr. 3, und wegen vorsätzlicher Beschädigung oder Vernichtung eines Arbeitsbuches § 150 . . . 411 Strafbarkeit der Stellvertreter § 151............................................................................. 411 Verabredungen und Vereinigungen zur Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeits­ bedingungen § 152........................................................................................................... 414 Bestrafung des Zwanges zur Theilnahme oder Befolgung derartiger Ver­ abredungen § 153...........................................................................................................414 Schlußbestimmungen. Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken und Handelsgeschäften. Verhältnisse der Arbeitgeber und Arbeiter in Werkstätten mit regelmäßiger Benutzung der Dampfkraft, sowie in Hüttenwerken, Bauhöfen und Werften; Arbeitsverhält, nisie in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen oder Gruben §§ 154, 154 a...............................................................................................................415 Verordnungen und Behörden § 155....................................................... ................... 418

Einleitung. In Preußen bestand bis zum Anfange des neunzehnten Jahrhunderts eine Verfaffung des Gewerbewesens, welche den Handwerks- und Handelsbetrieb vorzugsweise auf die Städte beschränkte und auch dort der Regel nach nur den Mitgliedem der Zünfte, Gilden und Innungen frei stellte. Die Gewerbeberechtigungen privilegirter Korporationen und einzelner Personen waren vorherrschend, und selbst diese vielfach noch vom Grundbesitz abhängig und durch Zwangs- und Bannrechte begünstigt. Das Edikt vom 2. November 1810 über die Ein­ führung einer allgemeinen Gewerbesteuer beseitigte zuvörderst in Bezug auf den Gewerbebetrieb den bisherigen Unterschied zwischen Stadt und Land, sowie alle bis dahin den Zünften und Innungen oder einzelnen Privatpersonen zugestan­ denen, oder mit dem Besitz von Grundstücken verbundenen Vorrechte. Das Edikt vom 7. September 1811 betreffend die polizeilichen Verhältniffe der Gewerbe traf bezüglich der aus polizeilichen Gründen nothwendigen Beschränkungen der Gewerbefteiheit nähere Bestimmungen, welche indeß zunächst noch nicht auf die im Jahre 1815 neu erworbenen Provinzen übertragen wurden. Das Gesetz vom 30. Mai 1820 wegen Entrichtung der Gewerbesteuer stellte die Revision der verschiedenen Gesetze über die Berechtigung zum Gewerbebetriebe in Aussicht. Das Ergebniß der diesfälligen legislatorischen Arbeitm war die allgemeine Gewerbe-Ordnung vom 17. Januar 1845 und das Entschädigungs­ gesetz von demselben Datum. Die neue Gewerbe-Ordnung stellte sich die Aufgabe, neben dem weiteren Ausbau der Gewerbefteiheit die Ordnung des Ge­ werbebetriebes durch geeignete polizeiliche Vorschriften festzustellen. Sie hob die damals in einzelnen Landestheilen noch bestehenden Beschränkungen des freien Gewerbebetriebes auf und normirte gleichzeitig die Beschränkungen und Be­ dingungen für solche gewerbliche Anlagen, bei beten Betrieb Gefahren oder Nachtheile für andere Personen in Betracht kommen konnten, sowie für solche Gewerbe, bei denen technische Qualifikation oder besondere Zuverlässigkeit von Wichtigkeit erschienen. Das Gesetz enthielt ferner Anordnungen über dm Um­ fang, die Ausübung und den Verlust der Gewerbebefugniffe, über den Markt­ verkehr, die polizeilichen Taxen und über die Jnnungsverhältniffe. Die weitere Reform der Gewerbegesetzgebung wurde bereits im Jahre 1849 wieder aufgenommen. Die Verordnung vom 9. Februar 1849 betreffend die Errichtung von Gewerberäthm und verschiedme Abänderungm der allgemeinm

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Einleitung.

Gewerbe-Ordmmg schuf das Institut der Gewerberäthe, machte bei fast allen Gattungen des Handwerks den Beginn des selbstständigen Gewerbebetriebes von dem Beitritt zu einer Innung nach vorgängigem Nachweise der Befähigung be­ ziehungsweise nach bestandener Prüfung abhängig, grenzte die Arbeitsbefugniffe und Beschästigungsgebiete der Handwerke ab, regelte die Verhältnisse der Lehr­ linge und Gesellen hinfichtlich dee Arbeitsperiode und der erforderlichen Prüfung und ordnete die Errichtung von gewerblichen Unterstützungs- und ähnlichen Kaffen an. Das Gesetz vom 22. Juni 1861 erleichterte die Bestimmungen über das polizeiliche Konzesfionswesen, während das Gesetz vom 1. Juli 1861 die Vor­ schriften betreffend die Errichtung gewerblicher Anlagen theils genauer präzifirte, cheilS das Verfahren über die polizeiliche Genehmigung derselben zum Gegen­ stand anderweiter Regelung machte.

In den im Jahre 1866 neu erworbenen

Landestheilen wurde durch die beiden Verordnungen vom 29. März 1867 betreffend den Betrieb stehender Gewerbe im vormaligen Königreich Hannover, fern« durch die Verordnung vom 9. August 1867 betreffend den Betrieb stehender Gewerbe im Amtsbezirk Homburg, endlich durch die Verordnung vom 23. September 1867 betreffend den Betrieb stehender Gewerbe in den Herzogthümern Schleswig und Holstein das den Zünften und Innungen zu­ stehende Recht, Andere von dem Betrieb eines Gewerbes auszuschließen oder in diesem Betriebe zu beschränken, aufgehoben, auch eine Anzahl anderer in diesen Landestheilen gdtenber Beschränkungen, namentlich in Bezug auf den Betrieb einzelner Gewerbszweige auf dem Lande, ferner in Betreff des Gewerbebetriebes der Handwerker und der Befugniß der Gewerbetreibenden zur Haltung von Ge­ sellen, Gehülfen, Lehrlingen und Arbeitern, und des Rechts der Gesellen in der Wahl ihrer Meister beseitigt, endlich auch die Konzesfionspflicht für den Betrieb verschiedener Gewerbe anderweit geregelt.

Durch das Gesetz vom 17. März

1868 betreffend die Aufhebung und Ablösung gewerblicher Berechtigungen wurden demnächst für alle im Jahre 1866 mit Preußen vereinigten Landestheile, mit Ausnahme der vormals Königlich Bayerischen Enklave Kaulsdorf und des vor­ mals Heffen-Homburgischen Oberamtes Meisenheim — in diese Bezirke waren bereits früher durch besondere Verordnungen die bezüglichen preußischen Gesetze eingeführt —, die mit dem Gewerbebetriebe verbundenen Berechtigungen, Andern den Betrieb eines Gewerbes zu untersagen seitigt, und die mit dm ausschließlichen

oder ste darin zu beschränken, be­

Gewerbeberechtigungen

verbundenen

Zwangs- und Bannrechte, sowie alle sonst noch bestehenden Zwangs- und Bann­ rechte, cheils ohne Entschädigung aufgehoben, theils für ablösbar erklärt, mdlich alle Berechtigungen zur Konzesfionsertheilung für gewerbliche Anlagen oder zum Betriebe von Gewerben in Wegfall gebracht. Durch die Bestimmung des Art. 3 der Verfassung des Norddeutschen Bundes, wonach für den ganzen Umfang des Bundesgebietes ein gemeinsames Jndigmat eingeführt wurde, welches den Angehörigen eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaate unter denselben Voraussetzungen wie den Ein­ heimischen den Gewerbebetrieb gestattete, und durch das Gesetz über die Freizügigkeit vom 1. November 1867, welches jedem Bundesangehörigen das Recht zubilligte, innerhalb des Bundesgebietes sowohl umherziehend als an dem Orte seines Aufenthaltes bezw. der Niederlaffung Gewerbe aller Art unter den

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für die Einheimischen geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu Betreiben, und jedem Bundesangehörigen dafür Gewähr leistete, daß er in der Ausübung dieser Be­ fugnisse weder dmch die Obrigkeit seiner Heimach noch durch die Obrigkeit des Ortes, in welchem er sich aufhaltm oder niederlassen will, gehindert oder durch lästige Bedingungen beschränkt und auch weder um des Glaubensbekenntnisses willen, noch wegen mangelnder Landes- oder Gemeindeangehörigkeit in der Aus­ übung des Gewerbebetriebes beeinträchtigt »erben solle, wurde eine weitere legis­ latorische Umgestaltung des Gewerbewesens inaugurirt. Dieselbe konnte fich mit Rücksicht auf die in Art. 4 Nr. 1 der Bundesverfassung vorgesehenen Bestimmung, welche die Vorschriften über den Gewerbebetrieb der Gesetzgebung des Bundes unterstellte, nur auf dem Gebiet des gesammtm Reichsoerbandes vollziehen. In der Sitzung vom 21. Oktober 1867 beschloß der Reichstag des Nord­ deutschen Bundes, dm Bundeskanzler aufzufordem, dem nächstm Reichstage eine allgemeine, auf dem Prinzipe der Gewerbefreiheit beruhende Gewerbe-Ordnung vorzulegen. In Folge dessen wurde dem Reichstage unterm 7. April 1868 ein unter Benutzung der bezüglichm Vorarbeiten der Preußischm Staatsregierung festgestellter Entwurf einer Gewerbe-Ordnung für dm Norddeutschen Bund vom Bundespräfidium vorgelegt. Dieser Entwurf fand schon in der mit der Vorberathung betrauten Kommission in verschiedenen wesentlichm Punktm Widerspmch. Mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit der Reichstagssesfion wurde daher ein von dm Abgeordneten Laster und Mquel eingebrachter Gesetzentwurf be­ treffend den Betrieb der stehmden Gewerbe angenommen, welcher unter Vor­ behalt einer vollkommen durchgearbeitetm deutschen Gewerbe-Ordnung, zunächst die Hauptgrundsätze derselben regelte. Dieser Gesetzentwurf wmde nach erlangter Zustimmung des Bundesraths als Bundesgesetz vom 8. Juli 1868, be­ treffend den Betrieb der stehenden Gewerbe publizirt. Durch dieses Gesetz wurde 1. das den Zünften und kaufmännischen Korporationen zustehende Recht, Andere vom Betriebe eines Gewerbes auszuschließen, aufgehobm; 2. der für den Betrieb von Gewerben erforderliche Befähigungsnachweis mit Ausnahme der diesfälligm, auf den Gewerbebetrieb der Aerzte, Apotheker, Hebammen, Advokaten, Notare, Seeschiffer, Seestmerlmte und Lootsm bezüglichen Vorschristm beseitigt; 3. die Unterscheidung zwischen Stadt und Land in Bezug auf dm Gewerbebetrieb und dessen Ausdehnung sowie die Beschränkung der Hand­ werker aus den Verkauf der selbstverfertigten Waarm in Wegfall ge­ bracht; 4. der gleichzeitige Betrieb verschiedmer Gewerbe sowie deffelben Gewerbes in mehreren Betriebs- oder Verkaufslokalen sowie das Halten von Gesellen, Gehülfen, Lehrlingen und Arbeitem jeder Art und in beliebiger Anzahl gestattet; ferner wurden 5. die Beschränkungen der Gesellm und Gehülfen in der Wahl ihrer Meister oder Arbeitgeber aufgehoben; endlich wurde auch 6. festgesetzt, daß der Betrieb eines Gewerbes, zu dessen Beginn nach Maßgabe der bestehenden Landesgesetze eine polizeiliche Genehmigung nicht erforderlich war, fortan nur im Wege der BundeSgesetzgehung von einer solchen Gmehmigung abhängig gemacht »erben dürfe.

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Einleitung.

Schon am 4. März 1869 wurde dem Reichstage des Norddeutschen Bundes ein anderweiter Entwurf einer Gewerbe-Ordnung für den Norddeutschen Bund zm Beschlußfassung vorgelegt mtb nach erfolgter Verständigung über ver­ schiedene Disferenzpunkte am 21. Juni 1869, unter Aufhebung des vorhin citirtm Gesetzes vom 8. Juli 1868, publizirt. Die Gewerbe-Ordnung verfolgt den ausgesprochenm Zweck, die Gewerbe­ gesetzgebung im Sinne der Durchführung der gewerblichen Freizügigkeit und der Herstellung gleichmäßiger Grundsätze für das gesammte Bundesgebiet namentlich auch hinsichtlich des Gewerbebetriebes im Umherziehen zu regeln. Ihr Geltungs­ bereich umfaßte zunächst nur das Gebiet des Norddeutschen Bundes. In dem südlich des MainS belegenen Theil des Großherzogthums Hessen wurde sie erst auf Grund der Vereinbanmg über Gründung des Deutschen Bundes und An­ nahme der BundeSverfaffung vom 15. November 1870 (B G Bl. S. 650) als Bundesgesetz eingeführt. Die Berfassungsurkunde des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 hat die auf die Begründung eines gemeinsamen Jndigenats bezüglichen Bestimmungen der Derfaffungsurkunde für den Norddeutschen Bund übernommen, auch die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung für die Rege­ lung des Gewerbebetriebes anstecht erhalten. In Württemberg und Baden wurde die Gewerbe-Ordnung durch das Gesetz vom 10. November 1871 (R G Bl. S. 392) mit Geltungskraft vom 1. Januar 1872 eingeführt. In Bayern ist sie dmch das Gesetz vom 12. Juni 1872 (RGBl S. 170) bezüglich der Vorschriften in § 29 und § 147 Ziffer 3 vom 1. Juli 1872 ab, bezüglich der übrigm Bestimmungen vom 1. Juli 1873 ab mit der Maßgabe in Kraft gesetzt, daß es, soweit dort bisher der Betrieb der Gast- und Schankwirthschaft oder des Kleinhandels mit geistigen Getränken und der Ausschank der eigenen Erzeugniffe an Getränken ohne polizeiliche Erlaubniß statthast war, dabei auch in der Folge sein Bewenden behalten sollte, die Einstellung eines solchen Geschäftsbetriebes aber nach § 53 Abs. 2 mtb § 54 der Gewerbe-Ordnung verfügt werdm kann, wenn Thatsachen vorliegen, auf Grund deren gemäß § 33 der Gewerbe-Ordnung die Erlaubniß zum Betriebe eines der daselbst bezeichneten Gewerbe versagt werdm darf. In Elsaß-Lothringen ist die Gewerbe-Ordnung bisher nur insoweit eingeführt, als die Wirksamkeit des § 29 Gew.O. durch Landesgesetz vom 15. Juli 1872 auf die Reichslande ausgedehnt und dieses Gesetz der Novelle vom 1. Juli 1883 entsprechend durch Landesgesetz vom 17. März 1884 ergänzt ist. In gleicher Weise find die Vorschriften über das Aufsuchen von Waarenbestellungen und den Gewerbebetrieb im Umherziehen und den Klein­ handel mtt Branntwein durch die Landesgesetze vom 14. bezw. 16. Mai 1877 und 14. März 1884 inhaltlich übernommen. Mit dem 1. Januar 1889 tritt indeß die Gewerbe-Ordnung in vollem Umfange mit der Maßgabe in Kraft, daß die Landesgesetze für dm Gewerbebetrieb, welcher die Herstellung, dm Umsatz und die Verbreitung von Schriften, Drucksachen und bild­ lichen Darstellungen sowie die Abhaltung von öffentlichen Versteige­ rungen zum Gegenstände haben, unberührt bleiben, die auf die Theaterpolizei bezüglichen Bestimmungen der Landesgesetze neben dm Vorschriften der Gewerbe-Ordnung Gülttgkeit behalten, die Schließung von Wirthschaften

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auch fernerhin in den landesgesetzlich vorgesehenen Fällen erfolgen kann und die Bestimmungen über die Anlegung von Dampfkesseln der landesgesetzlichen Regelung überlassen bleiben. Hinsichtlich der Beschäftigung jugendlicher Arbeiter ist der § 135 Gew.O. erst mit dem 1. Januar 1891 in vollem Um­ fange in Kraft getreten. Das Reichsgesetz vom 27. Februar 1888 (R G Bl. S. 57) ist im Anhange Seite 867 abgedruckt. Die Gewerbe-Ordnung vom 21. Juni 1869 gilt demnächst als Reichsgesetz für das ganze Gebiet des Deutschen Reiches, geht sonach gemäß Art. 2 der Reichsverfasiung den betreffenden Landesgesetzen überall vor, wo nicht durch eine entsprechende Bestimmung den letzteren freier Spielraum gelaffen ist. Das Berhältniß der Reichs-Gewerbe-Ordnung zum Bundesrathe ist ein unklares, da dieselbe nichts über die Auftechterhaltung und Beseitignng der mit ihr konkurrirenden gewerbepolizeilichen Vorschriften der Einzelstaaten bestimmt hat. Die Preußi­ sche Ausführungs-Anweisung vom 4. September 1869 geht von der Voraus­ setzung aus, daß zwar die Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung in erster Reihe für die Ordnung des GewerbewefenS maßgebend find, und daß die Vorschriften des bisherigen Rechts insoweit ihre Kraft verloren haben, als sie damit nicht ver­ einbar find, daß dagegen diejenigen landesrechtlichen Bestimmungen, welche neben der Gewerbe-Ordnung bestehen können, noch in Kraft geblieben find. Wo in der Reichs-Gewerbe-Ordnung auf die Landesgesetze verwiesen ist, find unter diesen gemäß § 155 Gew O, auch die verfaffungs- oder gesetzmäßig er­ lassenen Verordnungen zu verstehen, wozu auch die Verfügungen der zuständigen Central-Verwaltungsbehörden gezählt werden dürfen. Für alle einer einheit­ lichen Regelung bedürfenden Gegenstände ist indeß ausschließlich die Reichs­ gesetzgebung zuständig. Zur Gewerbe-Ordnung find seit ihrer Emanation folgende ergänzende beziehungsweise abändernde Gesetze erlaffen. I. Das Reichsgesetz vom 12. Juni 1872 betreffend die Einführung der Gewerbe-Ordnung des Norddeutschen Bundes vom 21. Juni 1869 in Bayern und die Abänderung einiger Strafbestimmungen der GewerbeOrdnung. Der Inhalt des ersten Theils dieses Gesetzes ist bereits vorhin erörtert worden. Die Aenderung der Strafvorschriften beschränkte sich auf eine, den Bestimmungen des Reichsstrafgesetzbuchs vom 15. Mai 1871 angepaßte Fassung der §§ 145, 146, 147, 148, 149 und 150 der Gewerbe-Ordnung, welche bei der Redaktion des Reichsgesetzes vom 17. Juli 1878 (VI) entsprechende Berück­ sichtigung gefunden hat. II. Das Reichsgesetz vom 2. März 1874 betreffend die einer besonderen Genehmigung bedürfenden gewerblichen Anlagen. Daffelbe ist in den Text des § 16 der Gewerbe-Ordnung übernommen. III. Das Reichsgesetz vom 7. April 1876 über die eingeschriebenen Hülfskaffen. Daffelbe ist in kommentirter Form im Anhang abgedmckt. Der Erlaß dieses Gesetzes ist durch die ungleiche Entwickelung veranlaßt worden, welche die zum Schutze der arbeitenden Klaffe gegen die mit dem Eintritt von Krankheit, Alter oder Tod verbundenen Bedrängnisse organifirten Kaffen geMareiuow-kl, Deutsche Qcvcrfct-CTbsutg. 6. Auflage.

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ttontmett hatte«. Obwohl das Bedürfniß einer gesetzlichen Organisation der Krankenkassen hauptsächlich in den Kreisen des gewerblichen Lebens hervortrat, hat daS Gesetz doch nicht lediglich die sogenannten „gewerblichen" Hülfskassm, sondern alle auf dem Grundsätze der Gegenseitigkeit bemhenden Sofien gleicher Art ohne Rücksicht auf die Kreise, in welchen sie vorwiegend wirken, ins Auge gefaßt. Außer den Sofien, welche der freien Initiative der Bethetligten ihr Be­ stehen verdanken, sind auch diejenigen Kassen der gesetzlichen Regelung unterstellt, deren Mitglieder sämmtlich oder zum Theil nur deshalb zu ihnen gehören, weil fie in Ermangelung der Mitgliedschaft einer anderen Kasse zum Eintritte verpstichtet find, also diejenigen Kassen, deren Bestand wesentlich auf einem Orts­ statute oder der Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde beruht. Keine Kasse kann genöthigt werden, sich den Bestimmungm des Gesetzes zu unterstellen. Der Anreiz wird nm indirekt durch die Vortheile gegeben, welche denjenigen Kassen gewährt »erben sollen, die dm Anfordemngen des Gesetzes mtsprechm. Diese Vortheile bestehen einerseits darin, daß die Verpflichtung zum Eintritt in dir HülfSkafie nur mittelst des Eintritts in eine, dm Anforderungen des GesetzeS genügende Kaffe erffiUi werden kann, andrerseits darin, daß diese Soffen manche Erleichterungen in ihrer Organisation und, ohne besondere Verleihung, die Rechtsfähigkeit gemimten. Die an die Sofien zu stellenden Anforderungen find auf dasjenige beschräntt, was vom Standpunkte des öffmtlichm Interesses unbedingt nothwendig erschien. Sie find weniger an die erste Einrichtung der Sofien als an die lausende Verwaltung geknüpft. In Ansehung der Einrichtung enthält das Gesetz nur wenige Bestimmungm, welche thells dem GefichtSpuntt des Femhaltens ftemdarttger Zwecke theils der Absicht mtsprechm sollen, die Sofien durch die Höhe ihrer Leistungen auf den Standpunkt korretter Erfüllung ihrer Aufgabe zu stellen und die Mtglieder gegen eine ungleiche, mit dem Prinzip der Gegensettigkeit un­ vereinbare Behandlung, gegen ungerechtfertigte Anforderungen seitens der Ver­ waltung der Kasse und soweit möglich gegm eine Verkürzung ihrer eigenen An­ sprüche in Folge einer nicht vorgesehenen Erschöpfung der Kassmmittel sicher zu stellen. In Bettest der Verwaltung der Soffen hat sich das Gesetz auf wmige Vorschristm beschräntt. Im Interesse der Gewährung eines bestimmten Ein­ flusses der Kassmmitglieder auf die Verwaltung begnügt sich das Gesetz damit, die Organe zu bezeichnen, welche jede Kasse befitzm soll, die Befugnisse zu bestimmm, welche ihnm zustehen sollen, und zum Schutze gegen etwaige Umgehungm des Gesetzes die Grenze zu ziehm, innerhalb deren neben ihnen noch andere Organe geschaffen werden dürfen. Erschöpfmder als die Verwaltung der Soffen ist das Aufsichtsrecht der Behörden geregelt, um einerseits zu verhüten, daß Soffen die gesetzlichen Vorrechte genießm, welche nur dem Scheine nach bestehm, andererseits aber auch um eine ordnungsmäßige Fühnmg der Ver­ waltungsgeschäfte sicher zu stellen und dem Mißbrauch der Kassen zu irgend welchm ihrer Bestimmung fern liegenden Zwecken vorzubeugen. Gleichzeitig mit dieser gesetzlichen Regelung des HülfSkassenwesens ist IV. durch das Reichsgesetz vom 8. April 1876 mit der Abänderung des Tit. VIII der Gewerbe-Ordnung vorgegangm. Die unbefriedigende Entwickelung, welche das gewerbliche HülfSkafimwesm unter dem durch die Gewerbe-Ordnung

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geschaffenen Rechtszustande genommen hatte, machte es nothwendig, die Grenzen, in denen für die Arbeiter die Pflicht zm Verficherung bei einer Hülfskaffe auf­ recht erhalten werden sollte, durch geeignete Bestimmungen fest und gleichmäßig zu normiren. Das Gesetz hat über diese Abgrenzung des Verficherungszwanges, ferner über die Wege, auf welchen derselbe in Zukunft zur Anwendung gelangen soll, und über die durch die Verhältniffe gebotenen Maßgaben, unter welchm die bestehenden, auf amtlicher Anordnung bemhenden Hülsskaffen die aus den Grundsätzen der neuen Gesetzgebung sich ergebende Umgestaltung zu bewerkstelligen haben, bestimmte Festsetzungen getroffen. V. Das Reichsgesetz vom 11. Juni 1878 betreffend den Gewerbebetrieb der Maschinisten auf Seedampfschiffen. Dasselbe überträgt die Bestimmungen, welche in der Gewerbe-Ordnung und in dem Gesetz betreffend die Untersuchung von Seeunfällen vom 27. Juli 1877 (R G Bl. S. 649) in Bezug auf See­ steuerleute getroffen find, auf die Maschinisten auf Seedampffchiffen. Vgl. § 31 der Gew O. VI. Das Reichsgesetz vom 17. Juli 1878 betreffend die Abänderung der Gewerbe-Ordnung, durch welches die Bestimmungen des Ttt. VII der Gew O, in wesentlichen Punkte» -modifizirt find, und die Vorschriften in Ttt. X, sowie die Schlußbestimmungen Aenderungen erfahren haben. Die neue Fassung ist in den Text der Gewerbe-Ordnung aufgenommen. Ein gleichzeitig von der Retchsregiemng eingebrachter Gesetzentwurf betreffend die Gewerbegerichte fand nicht die Zustimmung des Reichstages. Eine Revifion desjenigen Theils der Gewerbe-Ordnung, welcher die Be­ ziehungen der Arbeitgeber und Arbeiter im Groß- und Kleingewerbe zum Gegenftande hat, war bereits in den Jahren 1873 und 1874 von der Reichsregierung eingeleitet worden. Der dem Reichstage unterm 18. Juni 1873 vorgelegte Ge­ setzentwurf betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Gewerbe-Ord­ nung war auf eine solche Revifion gerichtet, wenngleich er nur diejenigen Be­ stimmungen auS dem gedachten Theile des Gesetzes, welche nach dem damaligen Stande der wirthschastlichen und sozialen Verhältniffe einer Abänderung beson­ ders bedürftig erschienen, durch neue Vorschriften ersetzen sollte. Obwohl dieser Entwurf im Reichstage auf lebhaften Widerspruch stieß und in Folge dessen nicht zur vollständigen Durchberathung gelangte, wurde doch allseittg anerkannt, daß der bezügliche Theil der Gewerbe-Ordnung den thatsächlichen Bedürfnissen nur unzureichend gerecht wird. Namentllch wurde von verschiedenen Seiten dar­ auf hingedrängt, die Einführung der schriftlichen Form für de» Lehrvertrag, einer Probezeit zu Anfang der Lehre, der Erschwerung des Verlaffens der Lehre sei­ tens der Lehrlinge sowie die Zulässigkeit der zwangsweisen Zurückführung der Lehrlinge, welche die Lehre unbefugt verlassen, gesetzlich festzustellen. Aus diesen Erörtemngen ist demnächst das Gesetz vom 17. Juli 1878 hervorgegangen. Durch dasselbe soll den nothwendigsten Bedürfnissen auf dem Gebiete der Revifion des Tit. VII der Gewerbe-Ordnung Abhülfe verschafft werden, und zwar 1. durch eine größere Sicherung der Betheiligten gegen die Verletzung der durch den Arbeitsvertrag eingegangene» Verpflichtungen, 2. durch eine strengere Ordnung des LehrlingSverhältniffeS, b*

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Einleitung.

3. durch eine den besonderen Verhältnissen der verschiedenen Industrie­ zweige entsprechende Regelung der Beschäftigung jugendlicher Arbeiter, In Ansehung aller übrigen grundsätzlichen Bestimmungm des hier in Frage kommenden Theils der Gewerbe-Ordnung ist eine Abänderung theils überhaupt nicht für erforderlich, theils noch nicht für zeitgemäß erachtet. In dem ersten Abschnitt des Artikels I des Gesetzes find die gemeinsamen Bestimmungm zur gleichmäßigm Regelung der Verhältnisse der gewerblichm Arbeiter zusammen­ gefaßt. Der zweite Abschnitt regelt die Verhältniffe der Gesellm und Gehülfm. Der dritte Abschnitt umfaßt das Lehrlingswesm. Im letztm Abschnitt find die BettiebSverhältniffe der Fabrikm, nammtlich in Rückficht auf die Heranziehung jugmdlicher Arbetter zu der Fabrikarbeit, geordnet. Im ersten Abschnitt ist die Gesetzgebung gegenüber dm mtsprechmdm Be­ stimmungm deS bezüglichm Abschnitts der Gewerbe-Ordnung mit einer erheb­ lichen Erweitemng des Kreises der für alle gewerblichm Arbeitm gemeinsamen Bestimmungm, und zwar nach drei Richtungen, vorgegangm. 1. Die Vorschrift der Gewerbe-Ordnung, durch welche dm Gewerbetreibendm unter gewiffm Voraussetzungen die Beschäftigung von Lehr­ lingen unter 18 Jahren untersagt wird, soll mit einigen Modifika­ tionen auch auf denjmigm Theil der gewerblichm Jugmd Anwmdung finden, welcher nicht in einem Lehrlingsverhältniß steht, wohl aber noch der Ausbildung in dm Arbeitm des Gewerbes bedürftig und durch dieses Bedürfniß auf die stetige Anleitung durch einen erfahrenen Gewerbsgenoffm angewiesm ist. 2. Eine Reihe neuer, für alle gewerblichen Arbeiter anzuwmdmdm Be­ stimmungen ist im Anschluß an die Einführung der Arbeitsbücher vorgesehm. DaS Gesetz hält zwar an dem Grundsatz der GewerbeOrdnung, wonach die Regelung der Verhältniffe zwischen Arbeitgeber und Arbeiter Gegmstand freiet Uebereinkunst sein soll, fest, trägt aber dem Bedürfniß Rechnung, die vermöge freier Uebereinkunst begründeten Rechte und Pflichten der verttagschließenden Theile gegen einseitige Willkürhandlungen der Betheiligtm wirksamer zu schützm, als dieses bisher der Fall war. Ein solcher Schutz soll einerseits durch eine unzweidmttge Feststellung des VerttagSverhältniffes, andererseits durch eine Verschärfung der nachtheiligen Folgm, welche die Verletzung des ArbeitSverttages nach sich zieht, begründet werden. In ersterer Be­ ziehung ist namentlich daS Institut der Arbeitsbücher in zweckentsprechen­ der Weise verwerthet, dm Arbeitern auch die gesetzliche Befugniß bei­ gelegt, ein Zeugniß über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung be­ ziehungsweise über ihre Fühmng beanspmchm zu dürfm. 3. Die Dorschristm, welche die Gewerbe-Ordnung in den §§ 134 bis 139 zum Schutze der Fabrikarbeiter in Beziehung auf die Art und Weise der Lohnauszahlung gettoffen hat, find auf dm gesummten gewerb­ lichen Arbeiterstand übertragen. Der zweite Abschnitt mtspricht in seinem Haupttnhalte den Vorschriften der §§ 109fgde. der Gewerbe-Ordnung über die Verhältnisse der Gesellen und Gehülfen.

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Der dritte Abschnitt behandelt daS Lehrlingswesen. Er enthält mehr­ fache durchgreifende Aenderungen des bestehenden Rechts. Das Gesetz hat sich hier die Aufgabe gestellt, der in den Beziehungen zwischen Lehrherrn und Lehr­ ling herrschenden Unficherheit entgegen zu wirken. Die Erreichung dieses Zwecks soll durch die gesetzliche Begünstigung der schriftlichen Form des Lehrvertrages, durch eine genauere, dm thatsächlichen Verhältniffen mehr entsprechmde Bestim­ mung der Rechte und Pflichten des Lehrherrn und Lehrlings, und eine strengere strafrechtliche Verantwortlichkeit deS Lehrherrn und mdlich durch die Möglichkeit eines schnellm und strengen Einschreitms gegen solche Lehrlinge, welche sich un­ befugt dm übemommmm Pflichten entziehen, vermittelt werden. Die gesetzliche Anerkmnung des LehrverhältniffeS ist zwar nicht von der Schriftlichkeit des Lehrvertrages abhängig gemacht, indeß find Bestimmungm getroffen, welche die Bethetligtm veranlassen sollen, diese Form für ihre Vereinbarungen zu wählm. Es sollm gewisse wichtige Ansprüche des einen Theils gegen dm andern nur geltmd gemacht werdm dürfm, wmn der Lehrvertrag schriftlich geschlossm ist. DaS eigene Interesse soll jeden Theil dahin führen, aus die schriftliche Form zu haltm. Der vierte Abschnitt über die Verhältnisse der Fabrikarbeiter giebt zunächst den wesentlichm Inhalt der §§ 127 bis 133 der Gewerbe-Ordnuug, welche fich fast ausschließlich mit dm ArbeitSverhältnissm der jugendlichm Fabrik­ arbeiter befassen. Die allgemeinm Beschränkungen, welchm die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabrikm bezüglich der Dauer und der Verthetlung der Arbeitszeit damach unterliegt, find nicht wesentlich verschärft, weil fich einersettS in dm Verhältnissen des Fabrikwesens bisher Mißstände, welche die körperliche und geistige Entwickelung der jugendlichm Fabrikarbeiter in einem zu größeren Einschränkungen allgemeiner Art nöthigendm Grade bedrohm, nicht gezeigt hattm, andererseits auch die Verwaltung bisher nicht im Stande gewesm war, auch nur dmjenigen Beschränkungen volle Anerkmnung zu verschaffen, welche das geltende Gesetz dem Fabrikbetriebe auferlegte. Hieran schließm fich Bestimmungen über Arbeiterinnen und über die Regelung der Auffichtsführung. Hinfichtlich der Sttafbestimmungen ist nammtlich die Gleichstellung und Sttafverschärfung der in dm Vorschriften der §§ 146 und 150 der GewerbeOrdnung behandelten Vergehen aus dem Gmnde herbeigeführt, weil beide Fälle eine in gewinnsüchttger Abficht unternommene, gesetzwidrige Ausbeutung der Ar­ beiter behandeln. Es ist ferner dem Standpunkte des Reichsstrafgesetzbuchs entsprechend die besondere Berücksichtigung der Wiederholung einer strafbaren Hand­ lung (§§ 146, 150 Gew O.) aufgegeben. Die Bestimmung des § 154 Abs. 1 der Gewerbe-Ordnung ist aus gesundheits- und fittenpolizeilichen Rücksichten auf die Beschäftigung von Bergarbeiterinnen unter Tage ausgedehnt. Endlich ist auch der Versuch gemacht, das Gebiet für die Anwendung der Bestimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter im Fabrikgewerbe näher zu begrenzen. VII. Das Reichsgesetz vom 23. Juli 1879 betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung. Durch dasselbe find die Vor­ schriften der §§ 6, 30, 33, 34, 35 und 38 der Gewerbe-Ordnung geändert. Be­ reits in der zweitm Session der Legislaturperiode des Reichstages vom Jahre 1878 war eine auf die Abänderung der gedachten Vorschristm gerichtete Vorlage

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eingebracht, welche indeß nicht zur Berathung im Reichstage gelangte. Die in der letzten Session des Reichstages von Neuem gemachte Vorlage ist Gesetz ge­ worden. Die Novelle ist auS dem Bedürfniß hervorgegangen, von dem Standpuntt der in Anwendung des bestehenden Rechts gemachten Erfahrungen die Beseitigung der in den bethetltgten Kreisen schwer empfundenen Uebelstände dmch eine der Abhülfe der vorhandmen Mßstände entsprechende Beschränkung der in Frage stehmdm Gewerbe herbeizuführen. In Betreff des § 30 Abs. l der Gewerbe-Ordnung (Konzessionsertheilung für Privat-Kranken-, Entbindung-- und Irrenanstalten) kam eS einerseits darauf an, die Zweifel zu beseitigen, welche darüber bestanden, ob unter der von dem Gesetz gefordertm Zuverlässigkeit lediglich die bürgerliche Unbescholtmheit oder auch solche persönliche Eigenschastm zu verstehm seien, welche eine sachgemäße Leitung und Verwaltung der Anstalten gewährleisten, andererfetts stellte sich die Nothwendigkeit heraus, das Auffichtsrrcht zu präzifirm und zweckentsprechmd zu verschärfm. Die Amderung des letzten Absatzes des § 33 der Gewerbe-Ordnung (Er­ laubniß zum AuSschank von Branntwein und zum Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus) ist wesentlich durch die Wahmehmung ver­ anlaßt, daß sich die Zahl der Wirthschaften, welche sich mit dem Ausschank gei­ stiger Getränke befaffm, in einer unverhältnißmäßigen Zmahme befand und vielfach der Mißbrauch hervorgetreten war, daß der Gastwirthschastsbetrieb nur die Form abgab, um einen Ausschank für geistige Getränke und nammtlich für Branntwein einzurichtm. Das neue Gesetz sucht das Mittel zm Beseitigung der vorhandenm Mßstände in einer Erschwemng der Vorbedingungm für die Erlaubniß zum Wirthschaftöbetriebe und zwar in der Art, daß dm Behörden in gewiffem Umfange die Entscheidung darüber anheimgegebm wird, ob ein Bedürfniß zur Vermehrung der Wirthschaftsuntemehmungm vorhanden ist. Die Erlaubniß zum Wirthschastsbetrieb soll indeß nicht unbedingt von der Bedürfnißftage abhängig gemacht, sondern zunächst daran festgehalten werden, daß die Prüfung des Bedürsniffes nur da Platz greifen darf, wo die Landesregierungen dieses für nothwmdig erachtm. Diese Prüfung ist auch der Regel nach auf Orte mit geringerer Einwohnerzahl beschränkt. Die Grenze zwischm dm kleineren Ortschastm, für welche die in Aussicht genommene Beschränkung generell ein­ geführt werdm kann, und dmjenigm größeren Ortschastm, welche jener Beschränkung nur unter Zustimmung der Gemeindm selbst unterworfm werdm sollm, hat das Gesetz in der Zahl von 15 000 Einwohnern normtrt. Die Bestimmung in § 35 Abs. 2 der Gewerbe-Ordnung, wonach das Ge­ schäft deS Pfandleihers ohne besondere Erlaubniß betrieben und nur dem­ jenigen untersagt werdm durste, welcher wegen auS Gewinnsucht begangener Verbrechen oder Vergehen gegen das Eigenthum bestraft war, ist endlich mit Rücksicht auf die bei der Ausübung dieses Gewerbes hervorgetretmen mannig­ fachen Mißstände dahin geändert wordm, daß auch der Betrieb dieses Gewerbes von der Ertheilung der Erlaubniß, unter Umständen sogar von dem Nachweis eines vorhandenm Bedürsniffes, abhängig sein soll/ Auch wird den Centralbehördm die Befugniß eingeräumt, dm Geschäftsbetrieb und die Kontrole über den Umfang und die Art des Geschäftsbetriebes zu regeln.

Einleitung.

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Die Reformgesetzgebung der Jahre 1880, 1881 und 1883 umfaßt den Ge­ werbebetrieb der Schauspielunternehmer, die Regelung des Pfandleih­ gewerbes und die Umgestaltung des Jnnungswesens. Bezüglich der Schauspielunternehmer find die Voraussetzungen und der Modus der Erlaubniß zum Gewerbebetriebe durch das Reichsgesetz vom 15. Juli 1880 unter Abände­ rung der Vorschrift des § 32 der Gewerbe-Ordnung anderweit geordnet. Hin­ sichtlich des Pfandleihgewerbes hat das preußische Landesgesetz vom 17. März 1881 im Anschluß bezw. in Ausführung der Bestimmungen in §§ 34 und 38 der Gewerbe-Ordnung ans dem bat Landesregierungen überlassenen Ge­ biete über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen der Betheiligten, sowie über den Geschäftsbetrieb der Pfandleiher und RückkaufShändler Anordnung getroffen. Endlich hat das Reichsgesetz vom 18. Juli 1881 eine eingehmde und umfassende Rekonstmktion erfahren. DaS Reichsgesetz vom 15. Juli 1880 ist aus einem von dem ReichStagSabgeordneten v. Seydewitz und Genoffm in der ReichStagSseffion deS Jahres 1880 angebrachten Antrage hervorgegangen, welcher von dem Reichstage einer Kommission überwiesen, von dieser zu einem formulirten Gesetzentwurf umge­ arbeitet, in der vorgeschlagenen Fassung vom Reichstage angenommen wurde, auch die Zustimmung des Bundesraths und der Reichsregierung gefunden hat. AIS Motiv ist der Umstand geltend gemacht, daß die Theaterfreihett, wie sie die Gewerbe-Ordnung eingeführt hat, zu großem Nachtheile der deutschen Bühne ausgeschlagen, und es demgemäß geboten sei, hinsichtlich der Zuver­ lässigkeit der Unternehmer eine dem Jntereffe der Gesammtheit wie dem Intereffe der betheiligten Kreise erwünschte Ausdehnung der Vorschrift des § 32 der Gewerbe-Ordnung vorzunehmen. Für die Voraussetzungen der Zuverlässig­ keit in sittlicher Beziehung hat man an den Anforderungen der GewerbeOrdnung festgehalten. Unter Zuverlässigkeit in artistischer Beziehung ist die Geschäststüchtigkeit und intellektuelle Befähigung zu dem Theaterunternehmen zu verstehen. Hinsichtlich der Regelung des Pfandleihgewerbes ist Folgendes zu bemerken: Durch Artikel 4 des Reichsgesetzes vom 23. Juli 1879 (RGBl. S. 267) find die §§ 34 und 38 der Gewerbe-Ordnung vom 21. Juni 1869 dahin abgeändert worden, daß das Gewerbe der Pfandleiher der Konzessionspfiicht unterworfen, der gewerbsmäßige Rückkaufshandel als Pfand­ gewerbe erklärt und den Centralbehörden die Befugniß beigelegt worden ist, über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen, sowie über den Ge­ schäftsbetrieb der Pfandleiher und Rückkaufshändler, soweit darüber die Landesgesetze nicht Bestimmungen treffen, Vorschriften zu erlaffen. In Preußen galten in dieser Beziehung zur Zeit der Emanation des zitirten Reichsgesetzes in bat einzelnen Landestheilen die verschiedensten Gesetze und Verordnungen. In bat altländischen Provinzen war das noch als Gesetz erlassene Pfandleih. Reglemmt vom 13. März 1787 und die dasselbe ergänzende Deklaration vom 4. April 1803 in Kraft, während in der Provinz Hannover die in Ausführung der Hannoverschen Gewerbe-Ordnung vom 1. August 1847 mit gesetzlicher Kraft erlaffene Ministerial - Bekanntmachung vom 15. Oktober 1847 bestand, und in

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den Provinzen Hessen-Nassau und Schleswig-Holstein, sowie in dem ftanzöfischrechüichm Theile der Rheinprovinz über den Betrieb des Pfandleihgewerbes durch Privatpersonen nur polizeiliche Verordnungen vorhanden waren. Die Beseitigung dieses verschiedenartigen Rechtsznstandes erschien um so mehr geboten, als die bestehenden Vorschriften theils ungmügend, theils veraltet waren und dem öffentlichen Jntereffe nicht mehr entsprachen. Dieser Mißstand hat in Preußen Veranlassung zu einer gleichmäßigen gesetzlichen Regelung der ein­ schlagenden Verhältnisse gegeben, wobei namentlich daraus Bedacht genommen ist, 1. die Vorschriften über die Höhe der Zinsen, welche von dem Pfand­ leiher erhoben werden dürfen; 2. die Vorschristm, welche sich auf das besondere Verfahren bei Ver­ äußerungen der dem Pfandleiher verpfändeten Gegenstände beziehen; 3. die Vorschristm, welche dm Abschluß des Pfandleihvertrages zum Gegmstande habm, durch Gesetz festzustellm. Die Regelung deS ZnnungswesenS hat folgmdm Entwickelungsgang genommen. Der Entwurf der Gewerbe-Ordnung vom 21. Juni 1869 beruhte auf dem Grundgedanken, daß dm Jnnungm als Instituten gewerblicher SelbstVerwaltung eine gesetzliche Stellung gegeben und zugleich dafür gesorgt werden müsse, daß sie einerseits nicht dm Charakter der Exklusivität annehmm und daß andererseits ihr Vermögm nicht seinen gemeinnützigm Zweckm mtftemdet würde. Der Reichstag behielt zwar das Prinzip bei, änderte aber den Entwurf dahin ab, daß an Stelle der Spezialbestimmungen, welche den Jnnungm eine nähere Anleitung zur Erreichung ihrer Aufgaben geben sollten, nur allgemeine Gesichtspunkte festgestellt wurden. Die Gewerbe-Ordnung ließ demgemäß die vorhandenen Innungen mit Korporationsrechtm fortbestehen und gestattete jeder neuen Vereinigung von Genossen desselben oder eines ver­ wandten Handwerks, sich als Innung mit Korporationsrechtm zu konstituirm und in dm erleichtemden gönnen, welche die letzteren gewähren, für die Förde­ rung aller gemeinsamen gewerblichen Interessen thätig zu sein. Dabei überließ sie indeß die Festsetzung der Aufnahmebedingungen fast ganz dem freien Ermessen der Betheiligten und die Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheitm mit sehr geringen Einschränkungen der Selbstbestimmung der Jnnungsgenoffm. Sie beschränkte die Jnnungm jedoch nicht auf den Bezirk einer einzelnm Gemeinde und hinderte sie auch nicht, zur Fördemng gemeinsamer Interessen in eine ge­ meinsame Aktion mit anderm Innungen zu treten. Die auf die Reform deS Jnnungswesms gerichteten Anträge deS Reichs­ tagsabgeordneten v. Seydewitz und Genossen führten unterm 5. Mai 1880 zu einer Resolution des Reichstages, in welcher das im Handwerkerstande hervorgetretene Streben, den Innungen wieder eine entscheidende Bedeutung für die Ordnung des Handwerks zu geben, als berechtigt anerkannt wurde. Dieser Vorgang gab dm Anstoß zu weiteren legislativm Maßnahmen, welche von dem Gedanken ausgingen, daß das angestrebte Ziel nur durch eine Abände­ rung der betreffenden Vorschriften der Gewerbe-Ordnung (Tit. IV. Abschnitt II. Neue Jnnungm §§ 97 bis 105) zu erreichen sei.

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In der Begründung der demnächst dem Reichstage in der letztverfloffenen Session gemachten Gesetzvorlage wurde die unbefriedigende Lage des Handwerker­ standes wesentlich auf zwei Uebelstände zurückgeführt: bis; Lockerung und Ver­ kümmerung des Gesellen-und Lehrlingsverhältnisses, und die Kon­ kurrenz, welche dem Handwerk durch den Großbetrieb von der einen, durch das sogenannte Pfuscherthum von der anderen Seite erwächst Dem ersteren Uebelstande hätte man zwar schon durch die im Gesetze vom 17. Juli 1878 enthaltenen strengeren Bestimmungen abzuhelfen gesucht, dieselben könnten aber nur dann zur vollen Wirksamkeit gelangen, wenn ihre Durchführung nicht lediglich der unzureichenden Thätigkeit der Polizeibehörden überlaffen bliebe, sondern von kräftigen und gut geleiteten Innungen in die Hand genommen und durch zweckmäßige genossenschaftliche Einrichtungen ergänzt würde. Die Beseiti­ gung des zweiten Uebelstandes könnten die Innungen gleichfalls insofem wirksam vermitteln, als sie sich der Vervollkommnung der Technik des Kleingewerbes an­ nehmen, auch durch Herstellung günstigerer Produktionsbedingungen im Wege der Vereinigung der Kräfte der Jnnungsgenoffen die Lage deS Handwerks­ betriebes zu verbessern vermöchten. Die Gesetzesvorlage beruht in wesentlicher Uebereinstimmung mit der vorhin eiterten Resolution des Reichstags auf der Auffassung, daß die Innungen zu dem angedeuteten Zwecke als Organe der gewerblichen Selbstverwaltung für das Handwerk in Thätigkeit und in Stand gesetzt werden sollen, dmch die Förderungen der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder und durch Pflege des Gemeingeistes und des Standesbewußssetns eine wirtschaftliche und sittliche Hebung des Handwerkerstandes anzubahnen. Es soll ihnm durch Gewährung möglichst freier Selbstbestimmung über die Vor­ aussetzungen der Aufnahme und der Ausschließung von Mitgliedern ermöglicht werden, unehrenhafte, unfähige und unsolide Elemente von sich fern zu halten. Auch sollen ihre Zwecke dergestalt bemessen werden, daß ihnen ein ausgiebiges, die Gesammtheit der gewerblichen Interessen des Handwerks umfassendes Feld der korporattven Thättgkeit eröffnet wird, und es sollen ihnen Rechte eingeräumt werden, deren sie bedürfen, um nicht nur die statutarischen Vorschriften den ein­ zelnen Mitgliedem gegenüber zur Geltung zu bringen, sondern auch für ihren Kreis im Wege der Selbstverwaltung einen Theil der Funkttonen übernehmen zu können, welche im Uebrigen zur Durchführung gewerbegesetzlicher Bestimmungen von den Organen des Staates wahrzunehmen find. Daneben soll ihnen eine Mitwirkung bei der Bildung weiterer gewerblicher Verttetungen sowie bei an­ deren zur Förderung des Gewerbes bestimmten öffentlichen Einrichtungen ein­ geräumt werden. An die Stelle der §§ 97 bis 104 der Gewerbe-Ordnung, welche über die neuen Innungen nur wenige selbständige Vorschriften enthielten, im Wesent­ lichen aber auf die über die bestehenden Innungen erlassenen Vorschriften verwiesen, ist demgemäß eine Reihe neuer Bestimmungen gesetzt, durch welche das künftige Recht der neuen Innungen erschöpfend und im übersichtlichen Zu­ sammenhang geregelt wird, und eine neue bezw. erneuerte im öffentlichen Inter­ esse zu pflegende Organisation angebahnt werden soll. Der Artikel 1 des Gesetzes enthält die dispositiven Vorschriften. Die §§ 97 und 97 a handeln von der Bestimmung der neuen Innungen, die §§ 98 bis 98 c

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von ihrer Errichtung, der §§ 99 von ihrer Rechtspersönlichkeit, die §§ 100 und 100a von den Mitgliederverhältnissen, die §§ 100b bis 100d von den Setwal* tungSeinrichtungen zur Erfüllung der Aufgaben der Innung, der § 100« von den besonderen Rechten, welche bot Innungen unter gewissen Voraussetzungen beigelegt werden können, der § 101 von dem Vorstände der Innung, der § 102 von den Ausschüssen, welche Innungen deffelbm Auffichtsbezirks zur gemeinsamen Thätigkeit errichten können, die §§ 103 und 103 a von der Schließung und Auf­ lösung der Innung, der § 104 von der Beaufsichtigung der Innungen und die §1104a bis 104g von den weiteren Jnnungsverbänden. Artikel 2 des Gesetzes enthält die erforderlichen Abänderungen und Ergänzungen der Strafbestimmungen der Gewerbe'Ordmwg. Durch da» Reichsgesetz vom 1. Juli 1883 (RGBl. S. 159) wurde die Reform der Gewerbe-Ordnung zum vorläufigen Abschluß gebracht. Dieselbe umfaßt die Vorschristm der §§ 6, 21, 30, 33, 35, 40, 42, 43, 44, 53, 54, 55 btS 63, 108, 143, 148, 149 und 154. Die §§ 6, 40, 54 der Gewerbe-Ordnung haben wesentlich nur redaktionelle Aenderungen erfahren. Die Bestimmungen über das Verfahren find durch ein« den Ausschluß der Oeffentlichkeit der Sitzungen betreffende Vorschrift vervoll­ ständigt (§ 21 Gew.O ). Dem tz 30 ist eine den Betrieb des Hufbeschlaggewerbes regelnde Bestimmung hinzugefügt. Dem § 33 find als §§ 33a b c ergänzende Vorschriften angeschlossen, welche die einheitliche Ordnung der ge­ werbsmäßigen Veranstaltung von Musikaufsührungen, Schaustellun­ gen, theatralischen Vorstellungen und sonstigen Lustbarkeiten, bei denen ein höheres Jntereffe der Kunst und Wissenschaft nicht obwaltet, zum Gegenstände haben. Im tz 35 wird die Erthetlung von Tanz-, Turn-, Schwimmunterricht, der Betrieb von Badeanstalten, der TrödelHandel, der Kleinhandel mit Garnabfällen u. s. w., der Handel mit Dynamit und anbeten Sprengstoffen, die gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und sonstiger bei Behörden wahrzunehmender Geschäfte, der Geschäftsbetrieb der Vermittelungsagenten für Jmmobiliarverträge, Darlehen und Heirathen, ferner das Gewerbe der Gefindevermiether, Stellenvermittler und Auktionatoren, dmch anderweite Regelung und Anzeigepflicht und durch Zulaffung der Untersagung deS Gewerbebetriebes einer strengeren Kontrole unterstellt. Der Artikel 6 des Gesetzes (§§ 42, 42 a, 42 b) enthält Anordnungen hin­ sichtlich des stehenden Gewerbebetriebes, insbesondere hinsichtlich des Verkehrs auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen bezw. von Haus zu HauS. Im Artikel 7 ist der § 43 der Gewerbe-Ordnung durch eine den GeWerbebetrieb mit Druckschriften u. s. w. auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten betreffende Vorschrift ergänzt. Arttkel 8 regelt den Geschäftsbetrieb der Handlungsreisenden (§ 44 Gew O). Artikel 9 ergänzt die Bestimmungen bezüglich der Approbationen der Aerzte und Apotheker, sowie die Vorschriften wegen der Kontrole des Gewerbebetriebes der Pfandleiher.

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Die durchgreifendste Aenderung hat der Titel III der Gewerbe-Ordnung (Gewerbebetrieb im Umherziehen) erfahren. Eine Revision dieses Titels wurde von fast allen Bundesregierungen, vom Bundesrath und auch vom Reichstage schon in früherer Zeit als nothwendig anerkannt. Unter den ersteren hatten sich namentlich die Regienmgen der Königreiche Preußen, Baiem, Sachsen und Würtemberg für das Bedürfniß der Revision ausgesprochen. Auch der Bundesrath hatte bereits in seiner Sitzung vom 27. März 1879 durch einen zustimmenden Beschluß zu den Anträgen seines AusschuffeS für Handel und Verkehr, welcher eine strengere Behandlung des Wanderlagerverkehrs vorläufig im Verwaltungswege herbeigeführt wtsim wollte, eine gleiche Anschauung zu er­ kennen gegeben. Im Reichstage kam dieselbe Auffassung bei den Verhand­ lungen über den Antrag des Abgeordneten von Seydewitz und Genoffen vom 27. Februar 1879 zur Geltung, und umrbe auch bei der Erörterung der wieder­ holten Anträge derselben Abgeordneten im Jahre 1880 von verschiedenen Seiten auf das Bedürfniß der Revision der bezüglichen Bestimmungen der GewerbeOrdnung hingewiesen. Die Gesichtspunkte, unter denen nunmehr dieselbe gefolgt ist, find folgmde: 1. Einschränkung des Kreises der Gegenstände, welche im Umher­ ziehen angekauft und fellgeboten, und der Leistungen, welche im Umherziehen dargeboten werden dürfen: beides unter der in dieser Hinsicht allein maßgebenden Rücksicht auf die Anforderungen der öffentlichen Sicherheit, Gesundheüspflege, Sittlichkeit und Ordnung; 2. aus eben derselben Rücksicht einerseits die Verschärfung der auf die persönliche Zulassung zum Gewerbebetriebe im Umherziehen bezüglichen Bestimmungen und andererseits die Eröffnung der Mög­ lichkeit, zum Gewerbebettiebe bereits zugelaffenen Personen die Fortsetzung des Betriebes zu untersagen; 3. Behandlung der Wanderlager als Gewerbebetrieb im Umherziehen, Ausschluß der Wander-Derloosungen u. s. w. Verbot der Wander-Auktionen, sofern nicht im einzelnen Falle besondere Mo­ mente deren Zulaffung rechtferttgen; 4. Einführung beschränkender Bestimmungen in Bettest des gewerb­ lichen Umherziehens minderjähriger Personen beiderlei Geschlechts, in Bettest des Betretens fremder Häuser, Gehöfte und Woh­ nungen und in Bettest des Gewerbebetriebes umherziehender Schauspieler-Gesellschaften u. s. w.; o. Aufstellung unzweideutiger und dabei in gewiffer Weise einschränken­ der Bestimmungen bezüglich des Mitführens von Begleitern und Kindern; 6. Regelung der Zuständigkeits-Verhältniffe und des Verfahrens; 7. Ergänzung einiger lückenhaften Strafbestimmungen. Die einschränkenden Vorschriften treffen vornehmlich die übel beleumundeten und unzuverlässigen Elemente, während in die Geschäftssphäre der unbescholtenen, ehrlichen Gewerbetreibenden nur insofern eingegriffen wird, als die Rücksicht aus die Eigenart des Gewerbebettiebes im Umherziehen dies unumgänglich nothwmdig macht. Auf der anderen Seite bietet das Gesetz nicht unerhebliche Er-

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leichterungen, indem es ganze Kategorieen kleiner Gewerbetreibender von der Lösung des Wandergewerbescheins befreit. Die §§ 83 und 86 der Gewerbe-Ordnung find durch Bestimmungen ersetzt, wonach vom Eintritt in eine Innung diejenigen auSgeschloffen werden, welche fich nicht im Befitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, oder in Folge gericht­ licher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögm beschränkt sind. Unter denselben Voraussetzungen soll es der Innung auch freistehen, die Ausübung des Stimmrechts sowie der Ehrenrechte innerhalb der Innung auszuschließen. Die Vorschriften wegen Ausstellung der Arbeitsbücher (§ 108 und 137 der Gewerbe-Ordnung) find in einzelnen Punkten ergänzt und abgeändert. Durch Artikel 16 der Novelle ist der Reichskanzler ermächtigt, den Text der Gewerbe» Ordnung, wie er fich aus den Aenderungen ergiebt, welche seit ihrer Emanation dmch Gesetze, beziehungsweise dmch die vom Reichstage genehmigten Beschlüffe des BundeSratheS, ergangen find, dmch das Reichsgesetzblatt bekannt zu machen. Dieses ist durch die in der Nummer 15 des Reichsgesetzblattes er­ folgte Bekanntmachung des neuredigirten Textes geschehen. Die Krankenversicherung der Arbeiter ist durch ein besonderes Reichsgesetz vom 15. Juni 1883 (R G Bl S. 73) geregelt. 3m Zahre 1884 würbe die bis zm Emanation des KrankenverficherungsgesetzeS vom 15. Juni 1883 ausgesetzte Revision des Gesetzes über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 zur Ausführung gebracht und find demgemäß durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1884 (RGBl. S. 54) die Vorschriften der §§ 9, 11, 14, 21 (Abs. 3) und 23 vollständig auf» gehoben, die Bestimmungen in §§ 1, 2 (Nr. 3, 5, 6), § 4 (Abs. 3, 4), § 6 (Abs. 1), §§ 7, 8, 10, 12, 13, 16, 20, 21, 22, 25, 26, 27, 28, 29, 33 und 34 abgeändert bezw. durch neue Bestimmungen ersetzt. In Zusatzbestimmungen find die Verhältniffe der örtlichen Verwaltungsstellen (§ 3 Nr. 6a, § 19a, b, c, d), die Schließung der Kaffen (§ 29 Nr. 5 a) und die Gebühren- und Stempelfreihett (§ 35a) geregelt. Durch das Reichsgesetz vom 8. Dezember 1884 (R G Bl. S. 255) ist dem § lOOe ber Gewerbe-Ordnung eine Bestimmung des Inhalts eingefügt, daß Arbeitgeber der unter Nr. 1 bezeichneten Art von einem bestimmten Zeitpunkte an Lehrlinge nicht mehr annehmen dürfen. Durch das Reichsgesetz vom 23. April 1886 (R.G.Bl. S. 125) ist die juristische Persönlichkekt der Jnnungsverbände derart geregelt, daß denselben namentlich hinsichtlich des Fortbildungsschulwesens und der HülfSkaffen eine freiere und nachhaltige Wirksamkeit gefichert wird. Fernere wichttge Bestimmungen find hin­ fichtlich der Jnnungsverhältniffe durch das Reichsgesetz vom 6. Juli 1887 (R G Bl. S. 281) vorgesehen und als §§ 100f bis 100m in den betreffenden Abschnitt der Gewerbe-Ordnung eingeschaltet. Die Gewerbe-Ordnung und in deren Weiterbildung die Novelle vom 18. Juli 1881 gehen davon aus, daß die Bildung und Wirksamkeit der Innungen mit der gesunden, freien Bewegung auf dem Gebiete der gewerblichen Thättgkeit nicht in grundsätzlichen Widerspruch treten darf. Sie haben deshalb die Bildung der Innungen der freien Jnittattve der Betheiligten überlaffen, die Innungen selbst aber in gerechter Würdigung der Bedeutung des Handwerks für das wirthschastliche und soziale Leben mit öffentlichen Rechten und Pstichten ausgestattet, um fie dadurch als öffentlich-

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rechtliche Korporationen zu Trägern der gewerblichen Selbstverwaltung zu er­ heben. Es stellte sich indeß im Laufe der Zeit heraus, daß die Innungen, so lange fie einer Erweiterung ihrer Befugniffe nach der Richtung hin entbehren, daß fie als Organe gewerblicher Selbstverwaltung auch denjenigen Berufsgmoffm gegenüber wirksam werden können, welche, obgleich an sich aufnahme­ fähig, fich von der Innung fern halten, derselben keine hinlängliche Anziehungs­ kraft für die betheiligten Kreise bieten. Diesem Mangel sucht die GesetzesNovellc abzuhelfen. Die den Jnnungm zugewiesenen Aufgaben, insbesondere die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen, die Fürsorge für das Herbergswesen der Gesellen und für die Nachweisung von Gesellenarbeit, sowie die Regelung des Lehrlingswesens, find für das gesummte Handwerk von weitgreifendster Bedeutung und lassen fich in befriedigender Weise nur lösen, wenn fie für die Gesammtheit der Berufsgenoffen in Angriff genommen werden.. Die Möglichkeit eines entsprechenden Einflusses über den Kreis ihrer Mitglieder hinaus gewährte aber das Gesetz der Innungen bisher nur auf dem Gebiete des Lehrlingswesens. Eine Erweiterung dieses Einflusses erschien daher im Hinblick auf die den Innungen obliegenden, dem Interesse des gesammten Handwerks dienenden Pflichten wünschenswerth und entsprach über­ dies den Grundsätzen der Billigkeit, da die bezeichneten Einrichtungen der Innung unmittelbar oder mittelbar auch solchen Berufsgenoffen zum Vortheil ge­ reichen, welche es vorziehen, der Innung nicht beizutteten. Von diesem GefichtSpuntt aus konnte fich die Gesetzgebung der Aufgabe nicht entziehen, der Innung die Möglichkeit zu gewähren, für diesen Theil ihrer Thättgkeit, mit welchem fie dem Interesse des gesammten Handwerks zu dienen berufen ist, auch die Mtwirkung derjenigen Berufsgenoffen, welche fich von ihr fern halten, in Anspruch zu nehmm. Auf diesen Erwägungm beruht die Gesetzes-Novelle, welche eine den all­ gemeinen Interessen und der Billigkeit entsprechende Stärkung des Innungs­ wesens vermöge einer Weiterbildung des im § 100 e der Gewerbe-Ordnung zur Geltung gekommenen Grundsatzes herbeiführen will. Zur Hebung der bezeichne­ ten Uebelstände sollen zu den Kosten gewisser von den Innungen getroffenen Einrichtungen unter näher festzusetzenden Voraussetzungen auch die in dem In­ nungsbezirke wohnenden Berufsgenoffen, welche der Innung nicht beigetteten find, sowie deren Gesellen beizuttagen verpflichtet sein. Die grundsätzliche Formulirung der entsprechenden Vorschrift findet fich im § 100k; während die §§ 100 g bis 100 m über die Voraussetzungen, unter welchen die Ausdehnung der Beittagspflicht stattfinden soll (§ 100g), die Form der Veröffentlichung für die zu erlassende Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde (§ 100h), die den beittagenden Nichttnnungsmitgliedern und deren Gesellen von den Innungen zu gewährende Gegenleistung (§ lOOi), die Erhebung der Beittäge und Ver­ fahren bei entstehenden Stteittgkeiten (§ 100k), die Verwaltung und das Rech­ nungslegung bezüglich solcher Einrichtungen, für welche die im § 100 k be­ zeichnete Bestimmung getroffen ist (§ 100 J), sowie endlich über die erforderlichen Ausnahmen von der Beittagspfiicht (§ 100m) die erforderlichen Bestimmungen treffen. In den letzten Jahren hat die Reichs-Gesetzgebung nach zwei Richtungen

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eine durchgreifende Aenderung der Bestimmungm der Reichs-Gewerbe-Ordnung herbeigeführt: 1. Zunächst wurde durch das Reichsgesetz vom 29: Juli 1890 (R G Bl. S. 141) in weiterer Ausgestaltung des § 120a Gew O, für die im gewerblichen Verkehr aus dem Verhältniß zwischen Arbeitgebern und Arbeitem entfpringenben Streitigkeiten die Einrichtung besonderer Ge­ werbegerichte vorgesehen. 2. Sodann erfolgte durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 (R-G.Bl. S. 261) eine den berechtigten Anforderungen entsprechende eingehende Revifion der übrigen Bestimmungen des Titel VII Gew.O., welche namentlich in den Vorschriften über die Sonntagsruhe, die ArbettsOrdnungen und dm Schutzmaßregeln ihrm Ausgangspunkt gefundm hat. 3n Ergänzung des erstgedachten Gesetzes wurde durch das Gesetz vom 11. Juli 1891 (Ges.S. S. 311) die Reform der Gewerbegerichte in der Rhein­ provinz in Angriff genommen, ingleichen durch das Gesetz vom 24. Juni 1892 der betreffende Abschnitt des Allgemeinm Berggesetzes vom 24. Juni 1865 durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 entsprechenden neuen Ordnung der ArbeiterVerhältniße angepaßt. In Betreff der allgemeinm Begründung der vorhin erwähntm Reichs­ gesetze und des Landesgesetzes vom ll. Juli 1891 darf auf die an betreffen» der Stelle des Kommmtars gegebenen einleitenden Bemerkungen Bezug gmommm »erben. Hinsichtlich des Gesetzes vom 24. Juni 1892 ist Folgendes her­ vorzuheben. Die Landesgesetzgebung mußte darauf Bedacht nehmm, daß die ArbeitsOrdnungen beim Bergbau eine deutliche, Mißverständnisse nach Möglichkeit auSschließmde und die Einzelheitm des Arbeitsvertrages klarlegende Faffung erhieltm, daß dadurch dm Betheiligtm der Umfang ihrer gegenseitigen Berech­ tigungen und Verpflichtungen in nicht abzuweisender Form vor Angen geführt wird, und Arbeitgeber und Arbeiter die Arbeitsordnung als Grundlage des ArbeitsverhältniffeS betrachten lernen. Außerdem lag eine Veranlassung zur Abänderung einzelner Bestimmungm deS Berggesetzes in der gegenwärtigen Faffung eines Theils der Vorschriften des Tit. VII der Gew O. vor. Schon aus formalen Gründen erschien es angezeigt, unter Ausscheidung der durch die Reichs-Gewerbe-Ordnung außer Kraft gesetzten Bestimmungm des Allgemeinm Berggesetzes dm betreffenben Vorschriften eine anderwette Fassung zu gebm. Dazu trat der weitere Umstand, daß eine Anzahl der nicht für den Bergbau geltmdm Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung ein­ zelne Gegenstände des Arbettsverhältniffes der gewerblichm Arbetter in einer von dm für dm Bergbau geltmdm Vorschriften derart abweichendm Weise regelte, daß es wünschmswerth erscheinen mußte, die letzteren — soweit die Eigen­ art deS Bergbaues nicht Ausnahmen erforderlich machte — dm ersteren anzu­ reihen oder, soweit eö sich um Bestimmungen handelte, welche für dm Bergbau noch nicht gaüm, die Einfühmng berfeiben ins Auge zu soffen. Aus dm betreffenden Amdemngm sowie aus Anlaß der gelegentlich der Arbeiterausstände gemachtm Erfahrungm ergab sich zugleich die Nothwendigkeit,

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die Vorschriften über die Zuständigkeit der Bergbehörden abzuändem bezw. zu ergänzen. Durch das Reichsgesetz v. 6. August 1896 (R.G.Bl. S. 685) haben die §§ 30. 32. 33. 41a. 42b. 44. 44a. 56a. b. c. 57. 57a. b. 60b. 105b. und 148 Gew.O. in verschiedenen Punkten eine Abänderung erfahren. Dasselbe ist mit dem 1. Ja­ nuar 1897 in Kraft getreten. Bon einschneidender Bedeutung ist das Reichs­ gesetz vom 26. Juli 1897 (R.G.Bl. S. 663), welches eine Reform des JnnungsWesens und wichtige Bestimmungen für die Regelung und Förderung des Hand­ werks ins Auge gefaßt hat. Die Erfahrung hat gezeigt, daß es auf der Grundlage der bisherigen Be­ stimmungen nicht möglich gewesen ist, die Innungen zu kräftigen und die Hand­ werker vor Vereinzelung zu bewahren. Ebensowenig ist eS möglich gewesen, mit Hülfe der Vorschriften über das Lehrlings- und Gesellenwesen eine Besserung der auf diesen Gebieten im Handwerkerstande hervorgetretenen Mißstände herbei­ zuführen. Das Gesetz vom 18. Juli 1881 verfolgte den Zweck, die Innungen wieder zu Organen der gewerblichen Selbstverwaltung werden zu lassen, welche im Stande seien, einerseits durch die Förderung der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder und durch die Pflege des Gemeingeistes und deS StandeSbewußtseinS eine wirthschoftliche und fittliche Hebung des Handwerkerstandes anzubahnen und andrerseits dem Staate geeignete Organe für die Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gewerbeverwaltung darzubieten. Diesem Gedanken entsprechend wurden auch die gesetzlichen Grundlagen für die Bildung weiterer gewerblicher Verbindungen, der Jnnungsausschüffe und Jnnungsverbände geschaffen, auch die Möglichkeit vorgesehen, solchen Innungen, welche in der Regelung deS Lehrlingswesens deftiedigende Erfolge erzielen würden, die Befugniß einzuräumen, die von ihnen auf diesem Gebiete geschaffenen Anordnungen auch denjenigen Handwerkern des gleichen Gewerkes gegenüber zur Geltung zu bringen, welch« der Innung nicht beitrete» würden. Die Reichsgesetze vom 18. Dezember 1884 , 23. April 1886 und 6. Juli 1887 sind auf diesem Wege weiter fortgeschritten. Die Annahme, daß man auf diese Weise zu einer Gesundung der Verhältnisse des Handwerks gelangen könne, hat sich indeß als irrig erwiesen. Den Innungen ist es nicht gelungen, den größeren Theil der Handwerker in sich zu vereinen. Vielfach hat sich nur ein kleiner Bmchtheil zum Anschlüsse an sie bereit finden lassen. Hienach lag es nahe, die zwangsweise Zusammenfassung in Erwägung zu nehmen, wobei indeß darauf Bedacht genommen wurde, solche Organisationen nur da ins Auge zu fassen, wo in der bereiten Mitwirkung der Handwerker eine Gewähr für die Leistungs- und Lebensfähigkeit derartiger Körperschaften zu finden war. Die Beibehaltung der fakultativen Innungen hat nun aber auch eine ent­ sprechende Aenderung der bezüglichen Vorschriften der Gewerbe-Ordnung nothwendig gemacht, um beide Gruppen der gleichmäßigen Entwickelung zuzuführen. ES ist nun ferner für die Vertretung und Selbstverwaltung deS Handwerks ein besonderes Centralorgan, die Handwerkskammer, ins Leben gerufen, in welcher den Gesellen zwar keine unmittelbare Betheiligung, jedoch in beschränktem Maaße die Wahrung ihrer Interessen durch Zuziehung in geeigneten Fällen gesichert ist.

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Einleitung. Durch die Handwerkerkammern werden die Handwerker mit den Staatsor­

ganen in enge und ständige Fühlung gebracht.

Durch die Bestellung eine-

besonderen Kommissars wird nicht nur die Leistungsfähigkeit der Handwerker­ kammern und dadurch die Bedeutung ihrer Stellung gestärkt, sondem auch zu­ gleich eine erwünschte Gewähr für die sachgemäße Behandlung der Geschäfte geboten. Die Jnnungsverbände werden uunmehr, soweit es sich um die den Hand­ werkerkammem überwiesm Aufgaben handelt, auf eine anregende, berathende und begutachtende Thätigkeit beschränkt sein. Durch die neue Organisation wird nicht nur der Handwerkerstand eine geordnete Vertretung sondem auch das genossenschaftliche Leben auf denjenigen Gebieten,

wo die Reformen im Handwerk in erster Lienie einzusetzen haben,

einen frischen und kräftigen Antrieb erhalten.

Es erschien ferner als ein drin­

gendes Bedürfniß, sowohl die aus dem Lehmertrage dem Lehrhemn erwachsende Verpflichtung und Verantwortlichkeit, namentlich hinsichtlich des Schutze- der Lehrlinge gegen Gefährdung ihres körperlichen Wohles so wie des Besuches der Fach- und Fortbildungsschule durch den Lehrling, schärfer zu bestimmen als auch durch den künftig in allen Fällen schriftlich abzuschließenden Lehmertrag mehr zum Bewußtsein zu bringen. Auch mußte Fürsorge getroffen »erben, daß Personen, welche nicht die erforderliche Gewähr für eine ordnungsmäßige Er­ ziehung und Ausbildung deö gewerblichen Nachwuchses bieten, von dem Halten und Anleiten von Lehrlingen ausgeschlossen werden sönnen. die Dauer der Lehrzeit angemessen geregelt.

Außerdem ist auch

Wegen der Führung des Meistertitels find gleichfalls Bestimmungen getroffen. DaS Reichsgesetz vom 26. Juli 1897 ist durch die kaiserliche Verordnung vom 14. März 1898 (R.G.Bl. S. 37) hinsichtlich der Bestimmungen der §§ 81

,

bis 102, 104 biS 104n des Artikels 1 §§126 bis 128 deS Artikels 2 und der darauf bezüglichen Bestimmungen der Art. 3 bis 7 nach dem l. April 1898 in Kraft gesetzt. ____________

Auf dem Gebiete der Unfall- und Krankenversicherung der Ar­ beiter wurde schon im Jahre 1884 im Anschluß an daS ReichSgefetz vom 15. Juni 1883 betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (R.G.Bl. 5. 73) durch die Emanation des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 (R G Bl. S. 69) ein fernerer bedeutungsvoller Schritt gethan. Hieran schloffen sich im Jahre 1885 das Reichsgesetz über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung vom 28. Mai 1885 (R.G.Bl. S. 159) sowie die Verordnungen vom 5. August und 2. November 1885 be­ treffend die Formen des Verfahrens und ben Geschäftsgang des Reichsverficherungs-Amts bezw. das Verfahren vor den auf Grund des Unfallverficherungs» gesetzeS errichteten Schiedsgerichten (R.G.Bl. S. 255. 279). Im Jahre 1886 wurde die Regelung der Gesetzgebung auf diesem Gebiete durch das Reichs­ gesetz vom 15. März 1886 (R.G.BI. S. 53) betreffend die Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in Folge von Betriebs­ unfällen, ferner durch das Reichsgesetz vom 5. Mai 1886 (R.G.Bl. S. 132) betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirth-

Einleitung.

21*

schaftlichen Betrieben beschäftigten Personen fortgesetzt*). Das Jahr 1887 hat endlich den weiteren Ausbau dieses Zweiges der Gesetzgebung durch folgende Gesetz gesördert: 1. das preußische Gesetz vom 20. Mai 1887 (G S- S. 189) über die Abgrenzung und Organisation der Berufsgenossenschaften auf Grund des § 110 des Reichsgesetzes vom 5. Mai 1886; 2. das preußische Gesetz vom 18. Juni 1887 betreffend die Fürsorge für Beamte in Folge von Betriebsunfällen (G.S. S. 282); 3. das Reichsgesetz vom 11. Juli 1887 betreffend die Unfallver­ sicherung der bei Bauten beschäftigten Personen (R.G.BI. S. 287); 4. das Reichsgesetz vom 13. Juli 1887 betreffend die Unfallver­ sicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschifffahrt be­ theiligten Personen (R.G.Bl. S. 329). Das Krankenversicherungsgesetz vom 15. Juni 1883 ist durch das Reichsgesetz vom 10. April 1892 (R.G.BI. S. 379) in wesentlichen Punkten modifizirt**), während das Unfallversicherungsgesetz vom 8. Juli 1884 und das Reichsgesetz betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der land- und forstwirthschaftlichen Betriebe vom 5. Mai 1886 nur in wenigen Bestimmungen (§ 87 bezw. § 95) durch das Reichsgesetz vom 16. Mai 1892 (R.G.Bl. S. 665) geändert find. Eine weitere bedeutsame Phase in der Entwickelung der ReichSverficherungsGesetzgebung trat durch die Emanation deS mit dem 1. Januar 1891 seinem vollen Umfange nach in Kraft gesetztm Reichsgesetzes vom 22. Juni 1889 (RGBl.) S. 97) betreffend die Jnvaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter in die Erscheinung, welches bisher nur durch das Reichsgesetz vom 8. Juni 1891 (R G Bl. S. 337) eine Abänderung (§ 157) erfahren hat. Die Bekanntmachung vom 24. Dezember 1891 (R.G.Bl. S. 399) regelt die Durchführung dieses Gesetzes. Durch die Verordnung vom 1. Dezember 1890 (R.G.Bl. S. 193) ist das Verfahren von den auf Grund deS gedachten Gesetzes errichteten Schiedsgerichten geordnet, durch die Bekanntmachung vom 16. Dezember 1891 (R.G.Bl. S. 395) ausgedehnt. Die Verordnung vom 20. Dezember 1890 (R.G.Bl. S. 209) hat die Formen des Verfahrens und deS Geschäftsganges des Reichsversicherungs­ amts in Angelegenheiten der Jnvaliditäts- und Altersversicherung normirt. Durch ein Reichsgesetz vom 27. Mai 1896 (R.G.Bl. S. 145) ist der un­ lautere Wettbewerb unter Strafe gestellt. Hinsichtlich des Verkehrs mit Nahrungs-, Genußmitteln und Ge­ brauchsgegenständen, ingleichen wegen des Gebrauchs von Spreng­ stoffen sind gleichfalls wichtige gesetzliche Bestimmungen getroffen, welche im Anhang nebst den entsprechenden Erläuterungen zum Abdruck gebracht sind. •) Durch Reichsgesetz v. 16. Mai 1892 (R.G.Bl. S. 665) haben einzelne Borschristen der Reichsgesetze v. 6. Mai 1884 und v. 5. Mai 1886 Abänderungen erfahren. **) Bgl. auch die Reichsgesetze v. 14. Dezbr. 1892 (R.G.Bl. S. 1049) und vom 14. April 1893 (R.G.Bl. S. 417).

Einleitung.

22*

Fast gleichzeitig mit der Gewerbe-Ordnung ist auch die Normimng der auf die Maaße und Gewichte bezüglichen Verhältnisse von der deutschen Reichs­ regierung durchgeführt. Die bezügliche Regelung ist erfolgt: I. durch die Maaß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 (B.G.Bl. S. 473) und folgende ergänzende Bestimmungen: 1. die Bekanntmachung betreffend die äußersten Grenzen der im öffent­ lichen Verkehr noch zu duldenden Abweichungen der Maaße, Gewichte und Waagen von der absoluten Richtigkeit vom 6. Dezember 1869 (B.G.Bl. S. 687); 2. die Bekanntmachung vom 23. Februar 1870 betreffend die vom 1. Januar 1872 ab innerhalb des Norddeutschen Bundes unzulässigen älteren Gewichte B.G.Bl. Anl. zu Nr. 29); 3. das Gesetz vom 10. März 1870 wegen Ergänzung der Maaß- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund (B.G.Bl. S. 46); 4. die Anweisung vom 6. Mai 1871 die Medicinalgewichte betreffend (Beil. zu Nr. 23 B.G.BI.); 5. die Bekanntmachung vom 16. August 1871 betreffend die bei Maaßen und Meßwerkzeugen für Brennmaterialien u. s. w. und bei Hökerwaagen im öffentlichen Verkehr noch zu duldenden Abweichungen von der Richtigkeit (B-G-Bl. S. 328); 6. daS Gesetz vom 26. November 1871 betreffend die Einführung der Maaß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 in Bayem (R.G.Bl. 5. 397); 7. die Bekanntmachung vom 1. Mai 1872 betreffend die Anwendung von Präzisionswaagen in den Offizinen der Apotheker (R.G.Bl. Beil. zu Nr. 14); 8. das Gesetz vom 7. Dezember 1873 betreffend die Abänderung der Maaß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 (R.G.Bl. S. 377); 9. das Gesetz vom 19. Dezember 1874 betreffend die Einführung der Maaß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 in Elsaß-Lothringen (R.G.Bl. p. 1875 S. 1); 10. die Bekanntmachung vom 2b. Juli 1875 betreffend die Abänderung der Vorschriften über die im Verkehr zulässige Fehlergrenze bei cylindrischen Hohlmaaßen (R.G.Bl. S. 257); II. das Reichögesetz betreffend die Abänderung der Maaß- und Ge­ wichtsordnung (Artikel 1, 3, 6, 14) vom 11. Juli 1884 (R.G.Bl. 6. 115);

12. die Bekanntmachung vom 30. Oktober 1884 betreffend die Ausfühmng der Bestimmung deS Gesetzes zu 11; 13. die Bekanntmachung vom 27. Juli 1885 betreffend die äußersten Grenzen der im öffentlichen Verkehr noch zu duldenden Abweichungen der Maaße und Meßwerkzeuge, Gewichte und Waagen von der ab­ soluten Richtigkeit (R.G.Bl. S. 263); 14. das Reichögesetz vom 26. April 1893 betreffend die Abänderung der Maaß- und Gewichtsordnung. R.G.BI. S. 151.

Einleitung.

23*

Wegen des Gebrauchs ausländischer Maaße und Gewichte vgl. C.R. d. H.M. u. M. d. I. v. 29. Dezbr. 1887. 6.81. Nr. 3. II. Durch die Aich-Ordnung vom 27. Dezember 1884 (R.G.Bl. 1885 Beil. zu Nr. 5) und durch die nachstehenden Bestimmungen: 1. die Aichgebührentaxe vom 28. Dezember 1884 (R.G.Bl. 1885 Beil. zu Nr. 5); 2. das preußische Gesetz vom 26. November 1869 betreffend die AichungSbehörden (G.S. S. 1165); 3. die Bekanntmachung vom 30. Dezember 1884 betreffend die Zu­ lassungsfristen für ältere Maaße, Meßwerkzeuge, Gewichte und Waagen (R.G.Bl. 1885 Beil. zu Nr. 5); 4. die Bekanntmachung vom 26. Januar 1887 betreffend die Aichung von Gasmeffern (Beil. zu Nr. 4 R.G.BI. 1887). Die Aichordnung und die Aichgebührentaxe find durch die Bekanntmachung vom 4. Mai 1888 (Beilage zu Nr. 24 R.G.Bl.) in verschiedenen Bestimmungen abgeändert.*) III. Den Schutz des Urheberrechts gewerblicher Leistungen regeln folgende Bestimmungen: A. Das Gesetz vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken (B.G.Bl. S. 339), welches durch das Gesetz vom 27.Januar 1873 auch in Elsaß-Lothringen eingeführt ist (R.G.Bl. S.432). Wegen des gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugniffen und Werken der Kunst ist mit Frankreich unterm 19. April 1883 (R.G.Bl. S.269), mit Italien unterm 20. Januar 1884, mit der Schweiz unterm 23. Mai 1881 eine Uebereinkunft getroffen. B. Das Gesetz vom 30. November 1874 über Markenschutz (R.G.BI. S. 143). In Betriff des gegenseitigen Schutzes der Muster, der Marken und der Waarenbezeichnungen find Vereinbarungen getroffen: a) mit Schweden und Norwegen (Bekanntmachung vom 11. Juli 1872 R.G.Bl. S. 293); b) mit Rußland (Bekanntmachung vom 18. August 1873. R.G.Bl. S. 337); c) mit Italien (Bekanntmachung vom 20.April 1875, betreffend den Schutz deutscher Waarenzeichen, Namen und Firmen. R.G.Bl. S. 200)**); *) Dgl. auch die Bek. v. 14. u. 15. Mai 1891 (Beilage zu Nr. 16 und S-115 R.G.Bl.), die Bek. v. 4. Mai 1888 (Beilage zu Nr. 24 R.G.Bl.), die Bek. v. 23. Dezbr. 1891 (R.G.B1. S. 402), die Bek. v. 6. Mai 1892 (Beil. zu Nr. 33 RGLl). die Bek. v. 14. Januar und 26. Juli 1893 (R.G.BI. S. 6 und 237) und v. 8. Mai 1894 (R.G.Bl. S. 461). Bek. v. 8. April 1896 (R.G.Bl. S. 16), und vom 8. Januar und 2. Juli 1897 (R.G.Bl. S. 1 u. 31). **) Vgl. auch das Uebereinkommen über den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 18. Januar 1892 (R.G.Bl. S. 293) und v. 21. Juli 1892 (R.G.Bl. 1893. S. 317).

24

Einleitung.

d) mit Oesterreich-Ungarn (Bekanntmachung vom 2V. August 1875. R.G.Bl. 6.259)*); e) mitBelgien(Bekanntmachungvom 13.6eptember 1875.RGBl. S. 301); f) mit Luxemburg (Bekanntmachung vom 23. Mai 1870. R.G.Bl. 6.169 und vom 2. August 1883. R.G.Bl. 6.268); g) mit Frankreich (Vertrag vom 12. Oktober 1871. R GBl. 6.363 und Deklaration von 8. Oktober 1873. R.G.Bl. 6.365); h) mit den Niederlanden (Bekanntmachung vom 19. Januar 1882. R.G.Bl. 6.5); i) mit «Spanien (Vertrag vom 30. März 1868. B G Bl. 6.325); k) mit Portugal (Vertrag vom 2. März 1872. R.G.Bl. 6.258); l) mit der «Schweiz wegen der Namen und Firmen (Vertrag vom 13. Mai 1869. B.G.BI. 6.606) und 31. Januar 1892 (R.G.Bl. 6.304)**); m) mit Großbritannien (Vertrag vom 14. April 1875. R.G.Bl. 6.198); n) mit Nordamerika (Vertrag vom ii. Dezember 1871. R.G.Bl. 6.106); o) mit Brasilien (Bekanntmachung vom 28. Februar 1877. R.G.Bl. 6.406); p) mit Dänemark (Bekanntmachung vom 4. April 1879. R.G.Bl. 6.123); q) mit Rumänien (Bekanntmachung vom 27. Januar 1882. R.G.Bl. 6.7) und vom 21. Oktober 1893 (R.G.Bl. 1894, 6.1); r) mit den Vereinigten 6taaten von Venezuela (Bek. v. 8. Dezbr. 1883. R G Bl. 6. 339); s) mit «Serbien wegen gegenseitigen Markenschutzes (Bek. v. 7. Juni 1886. R G Bl S. 231) und wegen gegenseitigen 6chutzeS gewerb­ licher Muster und Modelle (Uebereinkunft vom 3. Juli 1886. R G Bl. 6.151). Vgl. auch Handelsvertrag vom 21. Juli 1892 (R.G.Bl. 1893, 6. 269. 317). t) mit Egypten Handelsvertrag vom 19. Juli 1892 (R.G.Bl. 1893 6. 17). C. DaS Gesetz vom 9. Januar 1876 betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste (R.G.Bl. 6.4). v. DaS Gesetz vom 10. Januar 1876 betreffend den «Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung (R.G.Bl. 6.8). E. Das Gesetz vom ll. Januar 1876 betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen (R.G.Bl. 6. 11)***). *) Wie vor. vom 6. Dezbr. 1891 (R G Bl. 1892 S. 289), und Bek. v. 14. Ja­ nuar 1893 (R.G.M. S. 6), v. 26. Juli 1893 (R.G.Bl. S. 237), v. 13. April 1892 (R.G-Bl. 1894 S. 511). **) Bgl. auch Uebereinkunft v. 13. April 1892 (R.G.Bl. 1894, S. 511).

***) Für den Abschluß von Vereinbarungen, durch welche die Bestimmungen des Gesetzes vom 11. Januar 1876 betreffend das Urheberrecht an Mustern und

Einleitung.

24a*

F. Das Patentgesetz vom 2b. Mai 1877 (RG.Bl. S. 501) nebst der Verordnung vom 18. Juni 1877 betreffend die Einrichtung, da- Verfahren und den Geschäftsgang des Patentamtes (R.G.Bl. S. 533) und der Verordnung vom 1. Mai 1878 betreffend das BerufungSversahren beim OberhandelSgericht in Patentsachen (R.G.Bl. S. 90)**). Vgl. auch die Verordnung vom 5. Juni 1897 (R.G.Bl. S. 473) zur Ausführung des Patentgesetzes. G. Das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 (R G Bl. S. 290) betreffend die Regelung des Schutzes von Gebrauchsmustern. H. Das Reichsgesetz vom 12. Mai 1894 (R.G.Bl. S. 441) zum Schutz der Waarenbezeichnungen. Vgl. auch Bet. v. 22. September 1894. (R.G.Bl. S. 521.) Die Ausführung des Gesetzes zum Schutz der Waarenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 und des Gesetzes betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern vom 1. Juni 1891 ist durch eine Verordnung vom 30. Juni 1894 (R.G.Bl. S. 495) geregelt. Modellen auch auf Muster und Modelle ausländischer Urheber für anwendbar erNärt werden, ist (die Form von Staatsverträgen und demgemäß) die Zustimmung deö Bundesrathes und die Genehmigung des Reichstages erforderlich. Nr. 59 RA. d. B.R. S. 17. *) An Stelle der §§ 1 bis 40 des Pantentgesehes vom 25- Mai 1877 ist das Reichsgeseh vom 7. April 1891 (R.G.Bl. S. 79) getreten, welches mit dem 1. Okto­ ber 1891 Gesetzeskraft erlangt hat. Die Ausführung dieses Gesetzes sowie des Ge­ setzes vom 1. Juni 1891 (G.) ist durch eine Verordnung vom 11. Juli 1891 (R.G.Bl. S. 349) geregelt. Das Berufungsverfahren beim Reichsgericht in Patentsachen ist durch die Verordnung vom 6. Dezbr. 1891 (R.G.Bl. S. 389) geordnet.

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Die durch fetten Druck hervorgehobenen Gesetze u. s. w. find mit ihrem Wortlaut übernommen. Para­ Para­ Seite Seite graph graph

1787. Pfandleih - Regle' ment v. 13. März 1803, Deklaration vom 4. April . . . 1810. Edikt vom 2. No­ vember .... 1811. Edikt v. 7. Sept. R. v. 9. Sept. . . Edikt v. 15. Nov. (Dorfluth). . . 1812. R. v. 8. Okt.. . . 1815. Medizinaltaxe vom 21. Juni . . 1817. Eirk.V. v. 29. Juli Cirk.D. v. 8. Sept. 1821. Cirk.R. v. 19. Mai 182L > Weser-Schifffahrtsakte v. 10. Sept. 1827,> Cab.O.v.20.Mürz 1828,> Cirk.R. v. 17. Juni 1829 . R. v. 29. Mai . R. vom 29. Novbr. 1833,> Cirk.R. v. 19. Aug. 1835,> R. v. 19. März . R. v. 3. Juni . R. v. 13. August . 1837 > R. v. 12. Oktober R. v. 23. Oktober 1840 . Gesetz v. 18. Juni t, 6, 8, 12 erjührung der Abgaben) . . R. v. 5. Dezember 1841 > R. v. 6. Januar . R. v. 14. April 1842 . V. v. 8. Februar Gesetz v. 11. Mai (Zulässigkeit des Rechtsweges in Bezug auf po­ lizeiliche Verfü­ gungen) .... 1843 . R. v. 31. März .

S

Einl.

11*

Einl.

11*

Einl. Einl. 34

1* 1* 125

23 34

63 125

80 55 55 29

243 182 182 78

31 56 33 55 55 55 34 1 33 33 16

89 188 98 183 184 184 125 9 103 103 45

1844. Additional-Akte v. 31 13. April . . 33 b Kab.O. v. 10. Apr. 33 b Kab.O. D. 13. Juli 16 Cirk.R. v. 31. Okt. 1845. Ges. v. 17. Januar (Entschädigung für aufgehobene Gewerbegerecht- sEinl. fönte) .... 7 1 12 /Einl. Gew.O. v. 17.Jan. 1 12 16 R. v. 14. August . 16 1846. Cirk.R. v. 10. Apr. 12 1847. R. v. 10. März . 16 Cirk.R. v. 14. Juni

1848. 1849.

Anh. 12 55 12 44

15 56

860 29 184 29 151

39 189

1851. 1853.

C.O. v. 5. Juli . . Gew.O.(Hannover) v. 1. Aug. . . . R. v. 14. Septbr. . Bek. v. 15. Okt. . Cirk.R. v. 26. De­ zember .... Allerh. Erlaß vom 17. April . . . Regl. v. 15. Aug. V. v. 9. Februar Cirk.R. v. 9. Juni R. v. 15. Oktober Cirk.R. v. 21. Nov. R. v. 18. Dezbr. . R. v. 23. Januar Ges. vom 7. Mai (Beförderung v. Auswanderern). Ges. vom 17. Mai (Geschäftsverkehr d. Dersichernngsanstalten) . . . R. v. 19. Nov.. .

56

89 121 121 45

1*

21 28 1*

28 44 44 29 45 /188 1191 11*

Einl. 16 Einl.

45

59

217

1 35 Einl.

3 128

11*

-)*

/

1.55 11809 44 16 44 16 8 1 180 55 12

28

12 59

27 217

25*

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Para­ graph

Seite

1855* Cirk. Erlaß vom 24 65 13. März . . . 217 59 R. v. 20. Sept. . 1857. Additional-Akte v. 89 31 3. Zuli .... Donauschifffahrts­ 31 89 akte v. 7. Novbr. 1858. Erk. d. O.T. vom 33 104 5. Februar . . 33 114 R. v. 17. Mai . . Ges. v. 31. Mai be­ treffend die Re­ gulirung des Ab­ 7 | 25 deckereiwesens . Allerh. Erlaß vom i 1 3 30. Juni . . . 1861. Erk. d. O.T. vom 55 ! 170 21. März . . . Ges. vom 24. Mai (Erweiterung d. Rechtsweges) . Anh. i 846 2* Ges. vom 22. Juni (Einl. (Gew.O.) . . . 1 34 |! 27 | 124 Handelsgesetzbuch 11 i 26 v. 24. Juni . . Gesetz vom 1. Juli (gewerbliche An­ 2* lagen betreffend) Einl. 24 65 1864. Cirk.R. v. 18. Febr. Erk. d. O.T. vom 55 181 7. Mai... . 45 16 Cirk.R. v. 30. Oft. 1865. Erk. d. O.T. vom M47 /402 \405 26. Mai ... 125 Bergges.v.24.Juni 34 Erk. d. O.T. vom 55 170 6. Oktober . . Erk. d. O.T. vom 402 7. Dezember. . 147 1866. Erk. d. O.T. vom 55 170 13. September. 55 ! 182 R. v. 31. Dezbr.. 2* 1867. B. v. 29. Marz . Einl. 149 44 R. v. 2. Mai . . f 188 56 | \191 V. v. 25. Juni . Erk. d. O.T. vom 55 ! 179 5. Juli .... 44 ! 151 D. v. 8. Juli. . 2* V. v. 9. August . Einl. 16 45 R. v. 28. August . Schiffsahrtsordnungf.d. Boden31 89 fee v. 22. Sept. 2* /Einl. Ges. v. 23. Sept. X 12 29 B.Ges. v. 1. Novbr. (Freizügigkeit) . Einl. • 3* 33 106 R. v. 24. Dezbr..

Para­ graph

Seite

1868. «es. v. 17. März (Ablösung ge­ 2* werblicher Be­ (Einl. 25 rechtigungen) . { 7 (Anh. 520 Ges. v. 18. Marz (Errichtung öf­ fentlicher Schlachthäuser) Anh. 534 22* Vertrag v. 30. März Einl. Erk. d. O.T. vom 178 55 29. Juli . . . Maaß-u. GewichtsOrdnung vom /Einl. 20* 17. August . . X 74 241 Revid. Rheinschiff­ fahrtsakte vom 89 31 17. Oktober . . Allerh. Erlaß vom 188 56 2. November . 188 56 R. v. 14. Novbr.. 190 Erk. d. O.T. vom 8 1 25. November . 1869. B.Ges. v. 7. April 15 5 (Rinderpest) . . 22* Vertrag v. 13. Mai Einl. 15 5 Jnstr. v. 26. Mai B.Gesetz vom LI. Juni (Be­ schlagnahme de- Arbeits­ 316 lohns) .... 115 Gewerbeordnung v. LL. Juni . Iff. Iff. Dereins-Zoll-Gesetz r 5 14 vom 1. Juli. . X 64 234 Aichungsordnung 241 74 vom 16. Juli . 90 32 Cab.O. v. 30. Juli Anw. v. 4. Sept. 2 1 Einl.................. 32 14 Nr. 1 .... 32 Nr. 2 .... / 14 39 X 15 60 16 Nr. 3 .... 65 24 Nr. 4 .... 76 29 Nr. 8 .... 131 36 Nr. 9 .... 33 14 Nr. 10 ... . 32 90.91 Nr. 11 ... . 93 33 Nr. 12 ... . 127 35 Nr. 13 ... . 133 37 Nr. 14 ... . 147 44 Nr. 17 ... . 235 65 Nr. 19 ... . 249 84 Nr. 20 ... . 247 81 Nr. 21 ... . 392 Nr. 23 ... . 140

26*

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Para­ graph s 14

Nr. 25 ... . { 44 1 77 30 Nr. 26 ... . 16 Nr. 27 ... . 16 Nr. 28-49 . . 51 Nr. 52—54 . . 30 Nr. 55—58 . . / 15 Nr. 59 ... . x 35 29 Rr. 60—66 . . 42 1869. CirkD. v. 4. Sept. Erk. d. O.T. vom 64 22. September. Bet. v. 25. Sept. (Prüfung der 31 Schiffer) . . . /XAnh. 30 R. v. 11. Nov. . Eirk.N. vom / 55 24. November x 62 Ges. v. 26. Novbr., betr.d.Aichungsbehörden . . . Einl. Cirk.R. v. 29. Nov. 16 Bek. v. 6. Dezbr. Einl. R. v. 8. Dezbr. . 55 Bek. v. 9. Dezbr. (Entbindung von ärztlichen Prüfungen) . «uh. R.v. 11. Dezember 29 R. v. 27. Dezember 29 R. v. 29. Dezember 29 187V. R. v. 13. Januar 59 R. v. 5. Februar. 59 Erk. d. O.T. vom 1 17. Februar . . Bek. v. 23. Febr. Einl. R. v. 2. März. . 55 R. v. 8. März. . Anh. B.G. v. 10. Mürz (Ergänzung der Maatz- und Ge­ wichts-Ordnung) Einl. R. v. 30. März . 29 R. v. 16. April . 29 Erk. d. O.T. vom 29. April . . . / 1 X 14 R. v. 7. Mai . . 59 R. v. 9. Mai . . 29 Cirk.R. v. 11. Mai 34 Erk. d. O.T. vom 12. Mai . . . 115 R. v. 13. Mai . . 29 B.Ges. v. 13. Mai (Doppelbesteue­ rung) .... Anh. 38 Eirk.D. v. 22. Mai

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©tite

22* 187V. Bek. v. 23. Mai . Einl. »es. v. 30. Mai (Prüfung der 31 88 Seeschiffer) . . Mnh. 594 Erk. d. O.T. vom 1 2 1. Juni.... 30 86 Cirk.R. v. 2. Juni 24 Regl. v. 3. Juni. 65 29 76 R. v. 7. Juni . . B.G. v. 11. Juni (Urheberrecht an Schriftwerken rc.) Einl. 21* 38 137 Cirk D. v. 23. Juni 234 55 174 R. v. 24. Juni . 31 88. 89 Anw. v. 11. Juli 29 88 80 R. v. 20. Juli . 30 593 R. v. 30. Septbr. 85 85 Erk. d. O.T. vom 29 12. Oktober . . 80 172 Beschl. b. O.T. v. 229 401 20. Oktober . . 147 59 217 R. v. 31. Oktober Erk. d. O.T. vom 2 1 21* 4. November . 59 Erk. d. O.T. vom 20* 241 24. November . 75 175 Erk. d. O.T. vom 29 30. November . 80 Erk. d. O.T. vom 64 234 7. Dezember. . 55 574 175 1871. R. vom 4. Januar 79 Erk. d. O.T. vom 29 80 9. Januar . . 80 78 Erk. d. O.T. vom 219 1 18. Januar . . 2 55 220 180 R. v. 27. Januar 36 Regl. v. 2. März 131 2 36 131 Cirk.D. v. 2. März 20* Erk. d. O.T. vom 31 175 2. März . . . / 14 104 x 33 514 Erk. d. O.T. vom 29 80 9. März . . . 33 103 R. v. 15. März . Erk. d. O.T. vom 20* 36 133 24. März . . . 78 Reichsverfassung v. /Einl. 4* 80 16. April . . . 88 X 31 9 Erk. d. O.T. vom 31 181 55 19. April . . . 220 20* Anw. v. 6. Mai . Einl. 80 ReichSftrafgesetz124 buch v. 15. Mai: §§ 16, 18, 19, 317 27, 28, 29, s397 76 67, 68 . . 145 [398 406 147 §73 (120 334 826 § 222 396 \144 137 32 152 242 85 59 53 158 85 39 128 81 140

27*

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Para­ graph

fl20 § 230 ... . 1144 r 120 § 232 .. . 1144 § 240 ... . 153 36 § 266 ... . /1144 § 286 ... . 56 § 290 ... . 144 § 297 ... . 144 § 298 ... . 144 §300 ... . 144 § 330 ... . 120 f 38 § 360 ... . { 56 1144 (Anh. § 367 Nr. 3 . { 34 (144 § 369 ... . 144 R. v. 18. Mai. . 64 v. vom 29. Mai (Dampfkessel) 24 Einf.G.z.Str.G.B. vom 31. Mai . 143 R.G. v. 7. Juni (Schadenersatz i bei r-dtnnge« und Körperver­ letzungen) . . 120 Cirk.R. v. 10. Juni 59 29 R. v. 4. Oktober. Erk. b. O.T. vom 5. Oktober . . 120 Erk. d. O.T. vom / 29 19. Oktober . . 1147 i; ReichSpostgesetz ! v. 28. Oktober «§ 1, 2, 27, 28, 30, 31, 32, 33 5 ! R.G. v. 10. Novbr. (Gewerbeordn.) Einl. : i Erk. b. O.T. vom 55 1 17. November . Cirk.R. v. 24. Nov. 32 R.G. v. 26. Novbr. (Einführung der Maaß- imb Gewichtsorbnung in Bayern) . . . Einl. Erk. b. O.T. vom 7. Dezember. . 143 Vertrag v. 11. Dez. Einl. R. v. 12. Dez. . . 24 34 Regl. v. 21. Dez.. 53 1872. R. v. 27. Januar 29 Cirk.R. v. 24. Febr. Erk. b. O.T. vom 33 1. März . . . 1871.

Seite

335 396 335 396 415 133 396 193 396 396 396 396 335 137 193 396 515 124 396 396 234 65 395

1872. Vertrag v. 2. März Ges. v. 9. März (Taxe f. Medizinalbeamte) . Erk. b. O.T. vom 11. April . . . Ges. v. 26. April (Marktstands geld) .... R. v. 27. April . Erk. b. O.T. vom 3. Mai .... R. v. 15. Mai. . Erk. b. O.T. vom 24. Mai . . . R. v. 7. Juni . . Anw. v. 10. Juni Erk. b. O.T. vom 11. Juni . . . R.G. v. 12. Juni (Gew.Orbnung) Erk. b. O.T. vom 14. Juni . . . R. v. 14. Juni .

Paragraph

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/Einl. 1 44

152

80

243

14

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68 120

237 339

29 33

79 97

147 80 68 / 29 1 55

403 243 237 78 180

22*

6* Einl. 4* ' 55 37

171 134

24

66

Anh.

574

147

406

Regnlativ vom 24. Ilnni (Revi-

327 220 79 335 78 405

ii

4* 170 91

20* 395 22* 65 125 165 80 97

ston ber Dampf­ kessel) .... Bek. vom 28. Juni (Aerzte) . . . Erk. b. O.T. vom 4. Juli .... R. b. H.M. vom 7. Juli .... Vertr. o. 11. Juli Erk. b. O.T. vom 11. Juli . . . R.G. vom 15. Juli (Elsaß Lothr.) . Bek. v. 19. Juli . R. v. 27. August . R. v. 8. Septbr. . Cirk.R. v. 17.Sept. Erk. b. O.T. vom 9. Oktober. . . Cirk.R. v. 12. Okt. Erk. b. O.T. vom 12. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 16. Oktober . . Cirk.R. v. 27. Okt. Cirk.R. v. 31. Okt. Erk. b. O.T. vom 15. November . R. v. 30. Novbr. Ses» v. 17» Dez»

24 Einl. / 55 1148

70 22*

177 409

Einl. Anh. 13 24 24

5* 574 30

153 24

414 65

33

103

33 24 24

98 65 69

33 55

103 171

sAnh. 5 (AbdeckereiGewerbe) . . (72

66

70

28*

Chronologisches Inhaltsverzeichnis

1872. R. v. 24. Dezbr.. Seemannsordnung vom 27. Dez. . 1873. Erk. d. O.T. vom 2. Januar. . . R. v. 11. Januar Cirk.R. v. 13. Jan. R.G. v. 27. Januar (Elsah-Lothr.) . R. v. 11. Februar Beschl. b. O.T. v. 4. Marz . . . R. v. 19. März . Cirk.R. v. 20. März R.G. v. 31. März (Reichsbeamte). R. v. 25. April . Erk. d. O.T. vom 30. April . . . Erk. b. O.T. vom 5. Mai.... Jnstr. v. 9. Juni Erk. b. O.T. vom 18. Juni . . . R. v. 1. Juli . . Bek. v. 15. Juli. Erk. b. O.T. vom 17. Juli . . . R. v. 26. Juli . . R. v. 12. August. Dertr. v. 18. Aug. Erk. b. O.T. vom 8. September . Erk. b. O.T. vom 12. September. Erk. b. O.T. vom 26. September. Erk. b. O.T. vom 4. Oktober . . Vertr. v. 8. Oktober R. v. 8. Oktober. Erk. b. O.T- vom 10. Oktober . . R. v. 14. Oktober R. v. 18. Oktober Erk. b. O.T. vom 23. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 24. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 29. Oktober . . R. v. 12. Rovbr. Erk. b. O.T. vom 28. November . R.G. vom 7. Dez. (Abänderung der Maah. und Gewichtsordnung) Vereinbarung vom 11. Dezember .

Paragraph 24

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31

89

59 80 7

181 243 25

Einl. 55

21* 183

147 37 7

407 133 25

12 33

29 106

55

178

33 5

112 15

5 14 Anh.

15 31 586

1 29 56 b Einl.

7 81 204 22*

120

336

55

181

1

2

33 Einl. 24

112 22* 71

14 55 33

32 183 102

33 ) 55

114 fl 71 1181

33 80

112 243

115

317

Einl. 29

69

1874. Erk. b. O.T. vom 10. Januar . . R. v. 27. Januar Erk. b. O.T. vom 31. Januar . . Erk. b. O.T. vom 7. Februar . . R. v. 18. Februar Erk. b. O.A.G. v. 21. Februar. . R.G. v. 2. März (gewerbliche Anlage«) . . Erk. b. O.T. vom 11. März. . . R. v. 13. März . R. v. 17. März . Erk. d. O.T. vom 30. März. . . Jmpfgesetzv.8.Apr. R. v. 24. April . Erk. b. O.T. vom 5. Mai.... R.G. vom 7. Mai (Pretzgesetz) . . Erk. b. O.T. vom 14. Mai . . . Erk. b. O.T. vom 2. Juni. . . . Erk. b. O.T. vom 3. Juni . . . R. v. 8. Juni . .

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1 33

7 97

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406

120 1

336 2

1

2

lEinl.

i 16

114 181 29

33 29 12

109 79 29

29

79 15 145 396

|l43 55 l l6

(115 j ll47

181 44 317 407

153 16

414 60

12 Erk. b. O.T. vom 33 13. Juni . . . 24 R. v. 22. Juni . Erk. b. O.T. vom 1 37 24. Juni . . . / 76 Erk. b. OHG. v. 26. September . 132 Erk. b. O.T. vom 7. Oktober . . Anh. Erk. b. O.D.G. v. 33 12. Oktober . . 33 R. v. 26. Oktober 24 Cirk.R. v. 29. Okt. B. v. 4. Novem­ ber (Medizinal­ beamte) . . .

j 1

Erk. b. O.T. vom 28. November. R.G. v. 30. Nov. (Markenschutz) .

6* 42

33 59 12

Ges. v. 10. Juni (Betheiligung d.Gtaat-beamten an AktienUnternehmun­ gen u. s. w.) .

21* 78

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28 105 71 134 242 352 513 116 103 65

80

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33

108

Einl.

22*

29*

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Paragraph

1874. Erk. d. O.T. vom 45 17. Dezember R.G. v. 19. Dezbr. (Einführung der Maah- und GeWichtsordnung in Elsaß-Lothr.) . Einl. 31 Bek. v. 21. Dezbr. 1875. «. v. 4. Januar (Verkehr mit Arzneimitteln) «Nh. 33 R. v. 7. Januar. Erk. d. O.T. vom 7. Januar . . 115 Erk. d. O.T. vom 14 27. Januar . . Erk. d. O.T. vom 55 3. Februar . . Erk. d. O T. vom 33 4. Februar . . Erk. d. O.T. vom 55 25. Februar . . Erk. b. O.T. vom 27. Februar. . 33 Bek. v. 5. März (Prüfung der «Nh. Apotheker) . Erk. d. O.T. vom / 55 10. März . . . X 55 Cirk.R. v. 12. März 29 Erk. d. O.T. vom 7. April . . . 147 Erk. d. O.T. vom 14. April . . . 33 R. v. 14. April . 16 Vertrag v. 14. April Einl. Vertrag v. 20. April Einl. Gesetz v. 23. April (Hebeammen) . 80 Erk. d. O.T. vom 10. Mai . . . 70 R. v. 12. Mai . . 33 V. v. 21. Mai. . 29 Erk. d. O.T. vom 22. Mai . . . 16 Erk. d. O.T. vom 27. Mai . . . 29 Erk. d. O.T. vom 1. Juni.... 153 Gesetz v. 25. Juni 5 (Viehseuchen) R. v. 4. Juli . . 33 Erk. d. O.T. vom 7. Juli.... 62 Erk. d. O.T. vom s 16 12. Juli . . . X 37 Bek. v. 25. Juli. Einl. Bek. v. 20. August Einl. R. v. 12. Sept 16

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22* 1875. Bek. v. 13. Sept. Einl. Erk. d. O.T. vom 407 30. September. 147 182 55 R. v. 8. Oktober. Erk. d. O.T. vom 33 14 13. Oktober . . 176 s 55 21* R. v. 16. Oktober XAnh. 848 88 161 53 R. v. 28. Oktober 189 56 R. v. 3. Novbr. . Erk. d. O.T. vom $13 336 3. November . 120 114 Cirk.R. v. 10. No­ 66 24 vember .... 317 Bek. vom 13. No­ vember (Apo32 thekergehülfeu) «nh. 587 107 178 Erk. d. O.T. vom / 33 153 16. November . X 45 165 53 R. v. 18. Novbr. . 114 Erk. d. O.T. vom 349 170 15. Dezember . 127 79 ( 29 Erk. d. O.T. vom 1 33 112 112 22. Dezember . 1 55 180 44 {ii? Cirk.R. v. 23. Dez. 407 $82 1876. R.G. v. 9. Januar 171 1 (Urheberrecht der 181 Werke bildender 77 23* Kunst) .... Einl. R.G. v. lO.Januar 406 (Schutz d. Photo­ graphien gegen 112 23* Nachbildung) . Einl. 59 R.G. v. 11.Januar 22* (Muster u. Mo­ 22* 23* delle) ................ Einl. 177 r 55 R. v. 11. Februar 243 XAnh. 848 Erk. d. O.H.G. v. 239 291 16. Februar. . 105 109 Erk. d. O.T. vom 77 43 16 17. Fehruar. . Erk. d. O.T. vom 43 152 45 16. Marz . . . Erk. d. O.H.G. v. 79 338 17. März. . .' 120 6* /Einl. R.B. v. 7. April 415 (Hülfskaffen) . XAnh. 695 6* (Einl. 91.8. v. 8. April Jiii 15 392 (Bewerbe-O.) 1 ff115 190 56 R. v. 11. April . 230 R. v. 12. April . Anh. 847 43 Beschl. d. Bundes79 29 134 raths v. 27. April 77 29 21* Cirk.R. v. 1. Mai 22* Erk. d. O.V.G. v. 60 1 33 9. Mai... . 152

30*

Chronologisches Jnhaltsverzeichnitz. Paragraph

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f699 706 709 1876. «uw. v. 15. Mai )«uh. 1712 1713 (HnlfSkaffen) . 714 715 1717 Erk. d. O.T. vom 15. Mai . . . 1 Erk. b. O.T. vom 33 {,£ 16. Mai . . . Erk. d. O.T. vom 30. Mai . . . R. v. 1. Juni . . Erk. b. O.T. vom 8. Juni.... R. v. 19. Juni . Erk. b. O.T. vom 23. Juni . . . Gesetz v. 29. Juni Erk. b. ^).T. vom 30. Juni . . . Erk. b. O.D.G. v. 30. Juni . . . Gesetz v. 3. Juli (Besteuerung deS Gewerbe­ betriebes im Umherziehen u. f. w.) . . . Gesetz v. 12. Juli (Etats jähr) . . Erk. b. O.D.G. v. 1. August . . . R. v. 18. August . Anw. v. 3. Sept. Erk. b. O.D.G. v. 15. September. Erk. b. O.T. vom 15. September. Erk. b. O.T. vom 19. September. Erk. b. O.T. vom 20. September. Erk. b. O.T. vom 22. September. Erk. b. O.T. vom 26. September. Erk. b. O.T. vom 29. September. Erk. b. O.T. vom 3. Oktober . . Erk. d. O.D.G. v. 10. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 13. Oktober . .

120 34

336 126

147 29

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Anh.

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845 39 116 849 848

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94 115 178

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1876. Erk. b. O.D.G. v 53 18. Oktober . . 24 R. v. 29. Oktober Erk. b. O.T. vom 24 1. November Erk. b. O.T. vom 29 9. November . R. v. 9. November Anh. Erk. b. O.T. vom 33 24. November . Erk. b. O.T. vom 33 30. November 7 R. v. 30. November Erk. b. O.T. vom 1 11. Dezember . Erk. b. O.T. vom 13. Dezember . 148 Erk. b. O.T. vom 21. Dezember • 147 1877. Erk. b. O.T. vom 32 23. Januar . . Erk. b. O.T. vom 16 24. Januar . . R.G. v. 27. Januar < 108 (Gerichtsverfass.) (147 R.G. v. 30. Januar 120 Erk. b. O.T. vom 33 9. Februar . . Bek. v. 14. Februar Anh. Bek. v. 28. Februar Einl. 56 d Bek. v. 7. März . Erk. b. O.T. vom 29 21. März. . . R. v. 22. März . Anh. 36 R. v. 6. April. . Erk. b. O.T. vom 33 6. April - . . Erk. b. O.D.G. v. 15 7. April . . . Erk. b. O.T. vom 30 18. April . . . Erk. b. O.D.G. v. 16 30. April . . . R. v. 6. Mai . . Anh. Ges. v. 14. Mai . Einl. Ges. v. 16. Mai . Einl. Erk. b. O.D.G. v. 33 16. Mai . . . Erk. b. O.D.G. v. 32 23. Mai . . . / 56 d C.R. v. 24. Mai. XAnh. R.G. v. 25. Mai. Einl. Erk. b. O.D.G. v. 32 9. Juni.... Erk. b. O-T. vom 11. Juni . . . 147 Erk. b. O.T. vom , 62 13. Juni . . . | X148

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163 70 71 79 849 115 102 19 9 410 406 91 43 62 311 401 328 114 710 22* 206 80 848 131 102 39 87 44 860 5* 6* 111 91 206 856 23* 91 407 229 409

3V

Ehronologiiches JnhaltSverzeichniß.

1877. Erk. d. O.T. vom

14. Juni . . . B. v. 18. Juni . Erk. d. O.D.G. v. 23. Juni . . . Erk. b. O.V.G. v. 2. Juli .... Erk. b. O.D.G. v. 4. Juli .... Erk. b. O.T. vom 9. Juli.... Erk. b. O.T. vom 11. Juli . . . Erk. b. O.T. vom 13. Juli . . . R.Ges. v. 27. Juli Bek. v. 27. Juli . R. v. 7. September Erk. b. O.D.G. v. 10. Oktober . . R. v. 16. Oktober Erk. b. O.T. vom 17. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 24. Oktober. . Vertrau v. 14. Novemoer .... Erk. b. O.T. vom 15. November . Erk. b. O.D.G. v. 28. November . ISrf. b. O.D.G. v. 1. Dezember. . Erk. b. O.D.G. v. 5. Dezember. . Erk. b. R.G. vom 10. Dezember . Erk. b. O.T. vom 20. Dezember . 1878. R. v. 16. Januar Erk. b. O.T. vom 25. Januar . . R. v. 29. Januar R. v. 23. Februar Erk. b. O.T. vom 27. Februar . . Erk. b. O.T. vom 1. März . . . Erk. b. O.T. vom 6. März . . . Erk. b. O.D.G. v. 27. März . . . Erk. b. O.T. vom 28. März. . . Erk. b. O.T. vom 30. März . . . Erk. b. O.T. vom 4. April . . .

Para­ Seite graph 71 f 24 1147 404 Eint. 23* 134 r 37 242 { 76 U21 345 91 / 32 1 53 163 33

106

1

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105 7 411 89

{ 149 31 31 24

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97

Anh.

704

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405

33 112 36 132 r 24 70 1 25 73 Anh. 844 56 d 207 33

98

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55

171

33

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59

220

147

404

1878. Erk. b. O.T. vom 10. April . . . Erk. b. O.D.G. v. 24. April . . . D. v. 1. Mai (Pa* tentsachen) . . Erk. b. O.D.G. v. 13. Mai ... R. v. 28. Mai. . Erk. b. O.T. vom 1. Juni.... Cirk.R. v. 3. Juni R.G. vom 11. Juni betreffenb b. GeWerbebetrieb bes Maschinisten auf Seebampfschiffen Bek. vom 11. Juni Erk. b. O.D.G. v. 24. Juni . . . R. v. 3. Juli . . Erk. b. O.T. vom 15. Juli . . .

N.«. v. 17. Juli (Gewerbe-O.)

Para­ graph

Seite

45

153

53

165

Einl. / 33 1 53 62

23* 107 163 230

148 Anh.

409 513

/Einl. X 31 31 / 33 X 53 1

29 /Einl. 146 bis 151

Erk. b. O.T. vom 11. September . R. v. 26. September Erk. b. O.D.G. v. 28. September. R. v. 4. Oktober. Erk. b. O.T. vom 11. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 15. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 23. Oktober . . Anw. v. 24. Oktober Erk. b. O.T. vom 29. Oktober . . Erk. b. O.T. vom 1. November . . Cirk.R. v. 5. Nov. Erk. b. O.T. vom 13. November . Cirk.R. b. H M. u. K.M. v. 26. Nov. Erk. b. O.D.G. v. 10. Dezember . Erk. b. O.T. vom 13. Dezeinber .

7* 89 88 111

163 10

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30 Anh.

855

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55

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X147

102

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32*

Chronologisches Jnhaltsverzeichniß. Para­ graph

1878. Erk. d. O.D.G. v. 14. Dezember . Erk. d. O.T. vom 19. Dezember . 1879. Erk. d. O.T. vom 3. Januar . . . Erk. d. O.H.G. v. 15. Januar . . Erk. d. O.T. vom 17. Januar . . Bek. v. 4. Februar Erk. b. O.D.G. v. 10. Februar. . R. v. 11. Februar R. v. 24. Februar Erk. b. O.T. vom 13. Mürz . . . Erk. b. O.T. vom 19. Mürz . . . Erk. b. O.D.G. v. 20. Mürz. . . Erk. b. O.L. vom 27. März . . . Beschl. b. Bunbesrathsv.27.März R. b. M. b. I. v. 30. März . . . Bek. v. 4. April . Erk. b. O.D.G. v. 9. April . . . Erk. b. O.T. vom 30. April . . . Erk. b. O.T. vom 6. Mai ... . Allerh. Erlaß vom 14. Mai . . . «♦®. v. 14» SPtdi (»erseht mit Nahrungsmit­ teln re.) . . . Anw. vom 24. Mai (Gewerberäthe) . Erk. b. O.D.G. v. 7. Juni .... Erk. b. O.T. vom 14. Juni . . . Erk. b. O.D.G. v. 16. Juni . . . Erk. b. O.T. vom 19. Juni . . . Erk. b. O.D.G. v. 25. Juni . . . Erk. b. O.T. vom 3. Juli . . . . Erk. b. O.T. vom 4. Juli .... Erk. b. O.T. vom 18. Juli . . .

29

80

151 / 1 1 48

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55 Anh.

181 588

53 Anh. Anh.

162 847 860

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Anh.

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55 32 Einl.

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171 92 22*

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391

1880

«nh. 427 f 16 (Anh.

45 685

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Anh.

702

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19

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406

147

406 /403 1404

147

sEinl. 6 30 N.G. v. LS. Juli 33 (Gewerbe-O.) 34 35 (38 R. b. F.M. vom / 55 4. August . . . lAnh. Allgem. Derf. vom 25. August . . 147 Erk. b. O.T. vom 60 d 4. September . Cirk.Erl. v. ^.Sep­ / 33 tember .... 1142 1 34 Cirk.Erl. v. 21.Sep­ 1 38 tember .... I 40 1142 24 R.v.23. September Erk. b. R.G. vom 29 1. November . Erk. b. R.G. vom s 16 19. November . 1 67 29 C.R.v. 3. Dezember 1 R. v. 9. Dezember Erk. b..R.G. vom 56 10. Dezember . Erk. b. R G. vom 23. Dezember . 120 Erk. b. R G. vom 29 24. Dezember . Bek. v. 25. Dezbr. Anh. Erk. b. R G. vom 56 5. Januar . . 17 C R. v. 9. Januar Erk. b. R.G. vom 56 10. Januar . . Bek. v. 24. Januar Anh. C R. v. 31. Januar 135 Ges. v. 18. Februar Anh. Erk. b. R G. vom 55 25. Februar . . Ges. v. 27. Kebr. «nh. R. v. 13. März . Anh. Erk. b. K.G. vom 55 2. April . . . Erk. b. R G. vom 56 12. April . . . Erk. b. R G. vom sl 15 19. April . . . 1134 Erk. b. R.G. vom 23. April . . . 120 Erk. b. R.G. vom 4. Mai .... 120 Erk. b. R.G. vom 56 7. Mai.... C.R. v. 10. Mai. Anh.

Seile

11* 16 85 93 123 125 135 183 854 402 227 93 395 123 137 138 395 65 79 45 236 78 9 197 331 79 588 194 61 195 588 365 530 181 861 856 170 193 319 358 336 337 193 588

33*

Chronologisches Jnhaltsverzeichniß. Paragraph 1880. Erk. b. R.G. vom 11. Mai . . . Erk. b. O.D.G. v. 12. Mai . . . C R. v. 14. Mai. Erk. b. R.G. vom 20. Mai . . . R. v. 21. Mai . . R.G. v. 24. Mai. Erk. b. R.G. vom 5. Juni . . . Erk. b. O.D.G. v. 5. Juni.... Erk. b. R.G. vom 9. Juni.... Erk. b. R.G. vom 10. Juni . . . R.G. v. 23. Juni R. v. 28. Juni .

10 ( 83 30 | 86 137 39 (107 33 (114 Anh. 588 396 10 1

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Anh.

33 5 s 55 (Anh. R.G. v. 15. Juli ilEiul. 32 / 15 Ges. v. 26. Juli (34 R. v. 27. Juli. . Anh. Erk. b. R.G. vom 7 10. September. R. v. 29. Septbr. Anh. Erk. b. O.D.G. v. 33 6. Oktober . . Erk. b. R.G. vom 36 7. Oktober . . Erk. b. O.D.G. v. s 45 9. Oktober . . 1 46 Erk. b. R.G. vom 12. Oktober . . 151 Erk. b. O.D.G. v. 13. Oktober . . 120 Erk. b. R.G. vom 20. Oktober . . 10 R. v. 6. November Anh. Erk. b. R.G. vom 6. November . 147 Erk. b. K.G. vom 11. November . 33 Erk. b. R.G. vom 13. November . Anh. V. v. 17. Rovbr. (BolkswirthschastSrath) . 1 R. v. 24. November Anh. R. v. 27. November Anh. Erk. b. R.G. vom 2. Dezember . . 120 Erk. b. K.G. vom 14 9. Dezember . .

Paragraph

Seite

80 6

(Anh.

243 18 848

Anh.

462

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56 | 55 (Anh.

199 178 861

86

250

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114 3 rm \116 463 105 15 178 861 11* 90 39 124 855 25 862 113 132 153 154 412 339 26 847 405 104 451 4 855 862 336 33

1880. R. v. 9. Dezember R. v. 10. Dezember Erk. d. R.G. vom 13. Dezember . Erk. b. K.G. vom 16. Dezember . Erk. b. R.G. vom 17. Dezember . Erk. b. R.G. vom 18. Dezember . R. v. 23. Dezember 1881. Erk. b. K.G. vom 6. Januar . . . R. v. 8. Januar. Erk. b. O.D.G. v. 16. Januar . . Erk. b. R.G. vom 17. Januar . . Erk. b. R.G. vom 19. Januar . . Ges. v. 2. Februar Erk. b. O.D.G. v. 2. Februar . . Erk. b. O.D.G. v. 9. Februar . . Erk. b. R G. vom 10. Februar. . Erk. b. R.G. vom 11. Februar. . Erk. b. O.D.G. v. 24. Februar . . Erk. b. K.G. vom 24. Februar . . Erk. b. R.G. vom I. März . . . Erk. b. R.G. vom 4. März . . . R. v. 4. März . Gef. v. 9. März (Schlachthäu­ ser) .............. R. v. 11. März . Erk. b. R.G. vom II. März . . . Ges. v. 12. März Ges. v. 17. März (Pfandleihe) . Erk. b. R.G. vom 30. März . . . R. v. 8. April. . R. v. 23. April . Erk. b. R.G. vom 3. Mai ... . Erk. b. R.G. vom 7. Mai ... . Erk. b. K.G. vom 9. Mai . . . .

(

7

451 16 80

60 245

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Anh.

515 455

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( 38 t«nh

449 15 137 621

Anh. Anh. Anh.

462 849 860

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497

Anh.

34*

Chronologisches JnhaÜSverzeichniß. Para» graph Anh. 59

1881. R. v. 11. Mai . . R. v. 12. Mai. . Erk. b. K G. vom 55 16. Mai ... Erk. b. R.G. vom 20. Mai . . . Anh. Erk. b. R.G. vom 56 21. Mai . . . 44 Ueb. v. 23. Mai. Erk. b. R.G. vom 56 28. Mai ... Erk. b. R.G. vom 4. Juni.... Anh. Erk. b. K G. vom 14 9. Juni.... Erk. b. O.D.G. v. 33 11. Juni . . . Erk. b. R.G. vom 18. Juni . . . 136 Erk. b. K.G. vom 14 20. Juni . . . 31 Regl. v. 24. Juni Erk. b. R.G. vom 2. Juli .... Anh. Erk. b. R.G. vom 13. Juli . . . Anh. Erk. b. R.G. vom 14. Juli . . . Anh. Bek. b. M. b. I. v. 16. Juli ... Anh. sEinl. R.G. vom 18. Juli 1 97 (Gew.-Orbnung) 1148 1149 R.G. v. 80. Jrrtt 33 (Schankgefäße). 16 Bek. v. 26. Juli . Erk. b. O.D.G. v. 64 15. September. Erk. b- R.G. vom 21. September. 120 Erk. b. K.G. vom 5 22. September. Erk. b- R.G. vom 56 29. September. Erk. b. R.G. vom 33 4. Oktober . . Erk. b. R.G. vom 5. Oktober . . Anh. Erk. b. R.G. vom 10. Oktober . . Anh. Erk. b. O L G. Kiel v. 13. Oktober. Anh. Erk. b. R.G. vom 26. Oktober . . 120 Cirk.R. b. F.M., H.M. u. M. d. | 56 d I. v. 26. Oktbr. !Anh. Erk. b. R.G. vom 18 27. Oktober . .

Seite 861 220 178 462 193 150 1193 1194 1457 1463 32 106 366 32 88 457 462 457 627 11* 285 407 410 109 42 232 330 15 193 97 448 465 514 334 207 849 61

1881,

Erk. d. R.G. vom 1. November Cirk.R. d.M. d.Z. v. 4. November Erk. d. O.D.G. v. 19. November . Cirk.R. d.M.d.Z. v. 20. November Erk. d. R.G. vom 22. November . Erk. b. R.G. vom 23. November . Erk. b. R.G. vom 26. November . Erk. d. R.G. vom 1. Dezember. . Erk. b. R.G. vom 2. Dezember. . Erk. b. R.G. vom 15. Dezember . Erk. b. R.G. vom 21. Dezember . Erk. b. K G. vom 22. Dezember . R. v. 24. Dezbr. . Erk. b. O.D.Ä. v. 30. Dezember . Erk. b. O.D.G. v. 31. Dezember . 1888, Erk. b. R.G. vom 3. Januar . . Erk. b. R.G. vom 4. Januar . . . Erk. b. O.D.G. v. 5. Januar. . . Erk. b. R.G. vom 9. Januar . . .

Paragraph

Seite

Anh.

461

Anh.

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Anh.

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513

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Anh.

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396 855

49

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Anh.

431

Anh.

449

Anh.

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195

»ek.v.ll.Jaurrar (JnuungSftatut).............. «uh. 630 Erk. b. R.G. vom 12. Januar . . Anh. Erk. b. O.D.G. v. 86 16. Januar . . Erk. b. R.G. vom 18. Januar . . 7 Bek. v. 19. Januar Einl. Erk. b. R.G. vom 25. Januar . . Anh. Erk. b. R.G. vom 26. Januar . . Anh. Bek. vom 27. Ja­ nuar ................ Einl. 16 Bek. v. 31. Januar R. v. 31. Januar Anh. R. b. F M. vom 55 3l. Januar . . R. v. 2. Februar . Anh. Erk. b. R.G. vom 56 2. Februar . .

448 249 20 22* 461 461 22* 42 847 178 851

35"

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Para, graph

1882. Erk. d. R.G. vom 9. Februar . . Erk. d. R.G. vom 11. Februar. . Erk. d. R.G. vom 15. Februar. . Erk. d. R.G. vom 18. Februar. . Erk. d. R.G. vom 23. Februar . . R. b. M. b. I. v. 24. Februar . . Erk. b. R.G. vom 24. Februar . . V. v. 24. Kebr (Petroleum) . Erk. b. R.G. vom 28. Februar . . Erk. b. R.G. vom 7. Mürz . . .

Seite

.188 1195 333 | f 120 lAnh. 468 i

\l 0b

Anh.

466

Anh.

456

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337

45

152

Anh.

450

Anh. 441 56

197

Anh. 461 1255 97 1256 98 259 98 c 264 Anw. b. H.M. vom 100e 270 9. März (Innun­ 102 275 gen) ............... 103 277 104 278 104 }284 a-g Erk. b. R.G. vom /136 366 16. März . . . 1146 400 Erk. b. K G. vom 405 20. März. . . 147 Erk. b. R.G. vom 27. März. . . Anh. 466 Cirk. b. M. b. I. v. f 56 192 30. März . . . 1115 320 Erk. b. O.D.G. v. 10 26 1. April . . . Erk. b. O.D.G. v. 198 6. April . . . 56 R. v. 12. April . Anh. 861 Erk. b. R.G. vom 337 12. April . . . 120 Erk. b. K G. vom 192 17. April . . . 56 Erk. b. O.D.G. v. 19. April . . . I 33 /112 Bek. v. 20. April lAnh. 1113 442 Erk. b. O.D.G. v. 27. April . . . 16 43 Erk. b. R.G. vom 29. April . . . 56 198 v. v. 1. Mai . (Verwendung gif­ tiger Farben) . «uh. 433 Erk. b. O.D.G. v. 3 1. Mai ... .

Para­ graph 1882. Erk. b. K.G. vom 4. Mai.... 72 Erk. b. R.G. vom 5. Mai .... Anh. Erk. b. R.G. vom 8. Mai .... Anh. Erk. b. R.G. vom 9. Mai... . Anh. R. v. 9. Mai . . Anh. Erk. b. R.G. vom 11. Mai . . . Anh. 1 R. v. 11. Mai. . R. v. 12. Mai. . Anh. R. v. 15. Mai . . Anh. Erk. b. R.G. vom 15. Mai . . . Anh. Erk. b. R.G. vom 6 25. Mai . . . Erk. b. R.G. vom 26. Mai . . . Anh. R. v. 31. Mai. . Anh. Erk. b. R.G. vom 9. Juni. . . . 120 Erk. b. R.G. vom 23. Juni . . . 147 Erk. b. O.D.G. v. / 33 24. Juni . . . 1147 Cirk.R. b. M. b. I. v. 26. Juni . . Anh. Cirk.R. b. H.M., M. b. J.u. F.M. 55 v. 29. Juni . . Erk. b. R.G. vom 4. Juli .... 120 Erk. b. R.G. vom 56 7. Juli .... Erk. b. R.G. vom 10. Juli . . . Anh. Erk. b. R.G. vom 56 11. Juli . . . 16 Bek. v. 12. Juli. 16 R. v. 14. August. 35 R. v. 18. August . Erk. b. O.D.G. v. 33 11. September . Erk. b. O.D.G. v. 33 16. September . R. vom 22. Sept. Anh. Erk. b. R.G. vom 22. September. 115 Erk. b. R.G. vom s 6 26. September. \ 120 29 Ueb. v. 30. Sept. Erk. b. O.D.G v. 33 2. Oktober . . Erk. b. R.G. vom 19. Oktober . . 135 Erk. b. R.G. vom 21. Oktober. . 151

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240 463 462 459 862 466 9 851 847 1457 1847 18 463 848 338 407 98 402 622 184 339 198 457 192 42 47 128 113 107 861 319 18 / 331 11333 82 113 365

36*

Chronologisches Jnhaltsverzeichnih.

188t. Erk. d. R.G. vom 27. Oktober . . Erk. b. O.B.G. v. 27. Oktober . . Erk. b. R.G. vom 11. November . Erk. b. R.G. vom 12. November . Erk. b. R.G. vom 14. November . Erk. b. R.G. vom 20. November . Erk. b. R.G. vom 23. November . Erk. b. O.B.G. v. 2. Dezember . . Erk. b. R.G. vom 5. Dezember . Erk. b. O.B.G. v. 6. Dezember . . Erk. b. R.G. vom 21. Dezember . Bek. v. 23. Dez. . 1883« Erk. b. R.G. vom 4. Januar . . Dertr. v. 6. Jan. Erk. b. R.G. vom 8. Januar . . Erk. b. R.G. vom 12. Januar . . Erk. b. R.G. vom 13. Januar . . Bek. vom 13. Jan. Erk. b. R.G. vom 23. Januar . . C.R. v. 25. Jan.. Erk. b. R.G. vom 8. Februar . .

Para» graph

Seite

Anh. { 53

462 162 164

26

74

115

318

17

61

Anh.

451

115

319

53

164

120

338

33

96

Anh. i 16 Un$.

466 42 588

120 44

336 151

115

319

30

87

7 Anh.

19 588

415 154 Anh. 442 iAnh. 450 410 1148 224 i 60 R. v. 15. Febr. . lAnh. 852 Erk. b. R.G. vom 365 15. Februar. . 135 R. v. 18. Februar Anh. 715 V. v. 5. März. - Anh. 434 Erk. b. O.B.G. v. 164 10. März. . . 53 Erk. b. O.V.G. v. 1 16 41 30. März. . . 1 49 156 Erk. b. R.G. vom 137 2. April . . . 38 Erk. b. R.G. vom 3. April . . . Anh. 462 Erk. b. R.G. vom 5. April . . . Anh. 466 C.R. v. 9. April. Anh. 442 Erk. b. R.G. vom 29 1 80 12. April . . .

Para. graph 1883« Erk. b. R.G. vom 13. April . . . Ueb. v. 19. April Bek. v. 21. April Erk. b. O.B.G. v. 23. April . . . Erk. b. R.G. vom 24. April . . . Erk. b. R.G. vom 4. Mai .... Erk. b. B.A. vom 5. Mai.... Erk. b. R.G. vom 8. Mai.... Erk. b. O.B.G. v. 10. Mai . . . C.R. v. 11. Mai. R. v 31. Mai . . Bek. v. 2. Juni . Neb. v. 4. Juni . C.R. v. 9. Juni . Erk. b. R.G. vom 28. Juni . . . R.G. v. I« Juli (Gewerbeorbnung) . . .

Erk. 5. Erk. 9.

Seite

56 Einl. 16

194

66

236

22*

42

56 b 204 Anh.

450

105 I 11 l 45 16 80 jAnh. 29 36

291 622 629 27 152 45 243 559 567 83 131

Anh.

465

jAnh.

Einl. 6 21 30 a 31 33 a. b. c. 35 40 42 42 a. b. c. 43 44 44 a 53 54 55/56 83 86 105 108 143 145 146 148 149 150 154

b. R.G. vom Juli.... Anh. b. R.G. vom Juli .... Anh.

14*

16 62 87 87 117 126 138 139 1140 144 146 149 160 166 167 248 249 289 310 395 397 398 407 416 411 416 450

37*

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Para­ graph

L88L. Vertrag v. 12. Juli

Seite

Para­ graph

44

151

16

51 34 629 23 62

33a 119 42 b 144 44 a 150 55 172 56 c 205 59 221 223 60 231 62 232 63 33a (117 1119 1143 42 b >144 149 44 44a 151 166 53 56 c 205 216 58 221 59 223 60 231 62 194 56 331 120 356 134 56 b 204

«es. v. 30. Irr« §§41-49. . . §§ 127—146

.

1 15

»Anh. 7 §§ 154. 155 . . 20 §157 ... .

«es. v. 1. August

7

1883. Anw. vom 29. De­ zember . . . .

25

46 §§ 109—134. . 1 29 82 Bek. v. 2. August Einl. 22* 30 9fr. v. 6. August . 87 r 55 169 C.R. v. 22. August lAnh. 848 R. v. 23. August Anh. 855 Erk. b. O.B.G. v. 53 20. September. 161 Erk. b. O.D.G. v. 33 22. September. 108 Erk. b. RG. vom ,120 331 27. September. lAnh. 449 Erk. b. R G. vom 29. September. Anh. 452 Erk. b. R.G. vom 7 5. Oktober . . 19 Erk. b. O.B.G. v. } 33 I 97 17. Oktober . . 1109 Erk. b. R.G. vom 22. Oktober. . 36 132 Erk. b. R.G. vom , 64 235 23. Oktober. . lAnh. 467 Erk. b. O.B.G. v. 25 29. Oktober . . 72 56 d 205 Bek. v. 31. Okt. . Erk. b. R.G. vom 56 15./16. Novbr. . 192 Erk. b. R.G. vom } 56 ,188 22. November . 1195 60 C R. v. 26. Nov. 223 Erk. b. O.B.G. v. 7 26. November . 20 Erk. b. O.B.G. v. 33 28. November . 113 Erk. b. R.G. vom 5. Dezember . . 120 336 60 C.R. vom 8. Dez. 223 Erk. b. R.G. vom 10. Dezember . 134 357 55 R. v. 13. Dez. . 178 Erk. b. R.G. vom i 56 195 13. Dez. . . . 1115 317 Erk. b. O.B.G. v. 23 63 17. Dez. . . . Erk. b. R.G. vom 1 8 ■ 20. Dez. . . . Erk. b. R.G. vom 372 21. Dez. . . . 138 C R. vom 23. De223 60 zember .... 1 16

). v. 31. Dez.

1884. Erk. b. R.G. vom

SRarcinorodft, Deutsche Gewerbe-Ordnung. 6. Auflage.

3. Januar. . .

Seite

R. v. 10. Januar Erk. b. K G. vom 132 36 14. Januar . . 201 i 56 R. v. 28. Januar lAnh. 478 R. v. 30. Januar Anh. 862 Erk. b. R G. vom 224 31. Januar . . 60 Erk. b. K.G. vom 31. Januar . . 33 b 122 Erlaß bes Reichs­ kanzlers v. 4. Fe357 bmar .... 134 Erk. b. K.G. vom 17 7. Februar . . 6 Erk. b. R.G. vom 337 12. Februar. . 120 ,463 Erk. b. R.G. vom 1851 26. Februar. . 228 R. v. 26. Febr. . l 61 »Anh. 851 Uebereinkunst vom 83 29. Februar. . 29 236 R. v. 29. Februar i 66 »Anh. 849 Erk. b. R.G. vom j.Anh. j 452 1468 3. März . . . Erk. b. R.G. vom 4. März . . . Anh. 452 116 33 R. v. 9. März. . Erk. b. R.G. vom 192 56 10. März. , . 15 5 R.G. v. 12. März Erk. b. O.B.G. v. 33 109 12. März . , • 98 33 R. v. 19. März . d

38*

Chronologisches JrihallSverzeichniß.

Para- Sette Para« Seite graph gravh 87 1884* Erk. d. R.G. vom / 30 1884. Erk. b. R.G. vom 367 27. März. . . 1136 9. Juli.... 120 332 33 223 i 60 R. v. 11. Juli. . 113 R. v. 28. März . lAnh. 852 16 Bek. v. 12. Juli . 42 Erk. d. R.G. vom !««h. 15 «.«. v. 16. Juli 31. März. . . Anh. 452 508 f 16 Erk. d. R.G. vom 53 24 C.R. vom 19. Juli 1. April . . . 56 195 64 lAnh. 539 Erk. d. O.B.G. v. | 53 /161 R. v. 28. Juli. . 2. April . . . 33 b 121 1165 Bek. v. 15. April Anh. 566 f 1 10 R. v. 31. Juli. . \ 57ab' 216 C R. v. 23. April 110 33 l«nh. 851 R. v. 30. April . 60 223 Erk. b. R.G. vom D. v. 13. August. 16 47 33 2. Mai ... . Anh. 464 R. v. 23. August . 100 170 B. v. 29. August. 16 47 R. v. 4. Mai . . t 55 R. v. 11. Septbr. Anh. 499 lAnh. 851 Bek. v. 6. Mai . Anh. 587 Erk. b. KG. vom 18. September. 24 115 71 Kreisordnung vom |( 33 33a Erk. b. O.B.G. v. 6. Mai... . 1 42b 118 18. September. 144 35 127 Bek. vom 19. Sept. Anh. 442 9 r i Ges. v. 13. Mai . {120 329 219 R. v. 20. Sept. . / 59 \m. 655 iAnh. 848 R. v. 24. Sept. . Anh. 864 R. v. 13. Mai . Anh. 862 Erk. b. K G. vom R. v. 14. Mai. . Anh. 859 2. Oktober . . Anh. 624 154 45 R. v. 15. Mai. . Erk. b. OD.G. v. Erk. b. R.G. vom 6. Oktober . . 194 56 35 15. Mai . . . 130 Erk. b. R.G. vom R. b. K M. vom 10. Oktober . . 120 87 30 16. Mai . . . 334 f 60 Erk. b. R.G. vom 224 R. v. 15. Oktober 27. Mai . . . Anh. 465 iAnh. 856 335 Erk. b. R.G. vom »120 Bek. v. 16. Oktober Anh. 711 30. Mai ... /Anh. 465 f695 Erk. b. O D.G. v. 53 705 25. Oktober. . 164 706 C.R. v. 31. Oft.. Anh. 717 708 33 b 120 R. v. 2. Nov. . . R.G. vom 1. Juni or-t. 710 Erk. b. K G. vom 711 56 199 6. Nov.............. 716 Erk. b. R.G. vom V717 10. Nov. . . . Anh. 463 Erk. b. O.D.G. v. Erk. b. R.G. vom 57 214 9. Juni.... 14. Novbr. . . 120 334 10 9* 3ÄSti 1 1 Erk. b. K G. vom (Sprengstoffe) . /»«h. 484 1 17. Nov. . . . 8 Erk. b. O.D.G. v. Erk. b. O D.G. v. 45 16 19. Nov. . . . 33 b 122 11. Juni . . . fl. 56 3.201 Erk. b. O D G. v. R. v. 13. Juni . lAnh. 442 25. Novbr. . . 33 100 1 30b 87 Erk. b. R.G. vom Ges. v. 18. 3mii lAnh. 589 25. Nov. . . . Anh. 503 Erk. b. R.G. vom Erk. b. O D.G. v. 364 20. Juni . . . 135 27. Nov. . . . 35 126 Erk. b. R.G. vom Erk. b. R.G. vom 317 27. Juni . . . 115 2. Dezbr. . . . Anh. 431 R. v. 1. Juli . . Anh. 855 R. v. 6. Dez. . . Anh. 498 Erk. b. R.G. vom Ges. v. 8. Dez. . 100 e 271 35 336 1. Juli.... 120 R. v. 10. Dez. . 128

Chronologisches Inhaltsverzeichnis

1884. Erk. d. R.G. vom 11. Dez. . . . Erk. d. R.G. vom 12. Dez. . . . Erk. b. R.G. vom 13. Dez. . . . Erk. d. R.G. vom 15. Dez. . . . Erk. d. O.D.G. v. 17. Dez. . . . Erk. b. O.D.G. v. 18. Dez. . . . R. b. M. b. I. v. 26. Dez. . . . Aichorbnung vom 27. Dez. . . . Aich.-G.-Taxe vom 28. Dez. . . . Bek. v. 30. Dez.. Erk. b. O.D.G. v. 30. Dez. . . . 1885. Bek. v. 4. Januar Erk. b. R.G. vom 5. Januar. . . Erk. b. O.D.G. v. 8. Januar. . . Erk. b. R.G. vom 9. Januar . . . Erk. b. R.G. vom 13. Januar . . C.R. v. 13. Jan.. Erk. b. R.G. vom 15. Jan. . . . R. v. 16. Jan. . CR. b. L.M. u. H.M. v. 23. Januar.............. R. v. 29. Jan. . Bek. v. 31. Jan. .

Paragraph

Seite

Anh.

458

146

400

51

159

Anh.

451

46

154

35

129

11

27

Einl.

21*

Einl. Einl.

21* 21*

33 16

113 42

56 / 84 1100

198 249 266

120

333

115 33

318 110

Anh. 56

462 198

Anh. / 29 X 59 16 /33 a R. v. 13. Febr. . 348 126 133a 138 U39 23*

Einl. 57 a 31 31 115

320

33

108 (817 j{857 (863

«Nh.

Erk. b. O.V.G. v. 25. Juni . . . 57 Erk. b. R.G. vom 2. Juli (Pfanb- '^Anh. \ leihe)...............

46*

Chronologisches Inhaltsverzeichnis Para« graph

1891. Ses. v. 11. Juli Gewerbegerich­ te i» v. Nheiu- l«»h. 751 vrovtuH . . /Eint. 21* ($it d. K?G. . vom r i 13. Juli . . . 1 14 f 31 Bek. v. 26. Juli. lAnh. R. v. 15. August . 24 Ges. v. 18. August 56 Bek. v. 22. August 31 R. vom 3. Sep­ tember .... Anh. Erk. b. O.D.G. v. 17. September . 65 Erk. b. K G. vom 28. September. 62 Erk. b. O.D.G. v. 5. Oktober . . 33 R. v. 8. Oktober. Anh. R. v. 15. Oktober 24 Erk. b. R.G. vom 20. Oktober . . 115 Erk. b. K G. vom / 33 22. Oktober . . 1 35 Erk. b. K G. vom s 33 26. Oktober . . i 62 Erk. b. O.V.G. v. 26. Oktober . . 33 Erk. b. K G. vom 29. Oktober . . 69 Erk. b. K G. vom 2. November . 153 Erk. b. R.G. vom 3. November Anh. Erk. b. K G. vom 5. November 43 24 R. vom 6. Novbr. Erk. b. R.G. vom 6. November . 113 Erk. b. O.B.G. v. s 51 12. November . 1104 C.R. v. 16. Nov. 105 b Erk. b. O.D.G. v. 19. November . 33 Erk. b. O.D.G. v. 64 23. November . R. v. 27. Nov. . 24 Hanbelsvertrag v. 44a 6. Dezember . Hanbelsvertrag v. 10. Dezember . 44 a Erk. b. O.D.G. v. 14. Dezember . 104 Erk. b. O.D.G. v. 56 17. Dezember . Erk. b. K G. vom 17. Dezember . 147 E R. vom 30. De­ zember . . . . Anh.

vara» graph

Seite

8 32 89 610 71 190 89

864 233 230 98 558 72 317 104 127 98 230

18«. Erk. b. K.G. vom 7. Januar . . Erk. b. O.D.G. v. 18. Januar . • Erk. b. R.G. vom 25. Januar . . R. v. 29. Januar Erk. b. R.G. vom 1. Februar . . Anw. vom 6. Fe­ bruar ............... Ett. b. OLl.G. v. 11. Februar . . Erk. b. K G. vom 11. Februar . R. v. 13. Februar Erk. b. K.G. vom 15. Februar. . Erk. b. O.D.G. v. 15. Februar . . Erk. b. O.D.G. v. 25. Februar. . Erk. b. R.G. vom 26. Februar. .

97 239

Anw. vom 26. Februar ....

415 515 145 72 314 159 281 301 99 233 72 151 151 281 200 406 558

Anw. v. 28. Febr. Bek. v. 4. März. Erk. b. O.D.G. v. 7. März . . . Erk. b. K G. vom 7. März . . . Erk. b. O.D.G. v. 9. Mürz . . . Bek. v. 11. März Bek. v. 15. März

Seite

62 ( 44 1 56

230 (147 148

j«nh. 128

461 624 350

134

356

115a

321

98 b

261

147 Anh.

403 731

Anh.

860

33 | 33 1 98 b

99 98 263

200

74 26 306 107 311 108 134 }358 a-h 364 135 369 138 138 a 373 139b 387 395 142 417 1154 1206 343 419 155 91 .857 Anh. 1861 32

33b Anh. (115a {138 U43 | 24 !»«h. «nh. 138 jAnh.

Anw. v. 16. März C D v. 16. März Bek. v. 17. März Anw. v. 23. Marz (Gewerberäthe) Bek. v. 24. März Anh. Erk. b. R.G. vom . 56 24. März . . . 1120 Erk. b. K.G. vom 6 24. März . . .

120

.676 1679 321 372 395 66

541 557 372 .680 1689 .667 1669 197 329

Chronologisches Jnhaltsverzeichniß.

Paragraph Bek. v. 26. März 139 b s 41a D. v. 28. März . { 55 a 1105 a Erk. d. O.B.G. v. 95 28. März . . . R. v. 30. März . 24 Bek. v. 2. April . 155 Erk. d. K.G. vom 4. April . . . 62 6« (Telegraphen) . 5 Anw. v. 10. April Anh. Verf. v. 11. April Anh. R.S.v. LO. April A«h. Gef. v. 22. April Anh. Erk. d. K.G. vom 25. April . . . 33 Erk. b. K.G. vom 28. April . . . 64 Bek. v. 29. April Erk. b. O.B.G. v. 2. Mai .... Bek. v. 6. Mai . Erk. b. K.G. vom 12. Mai . . . Erk. b. K.G. vom 16. Mai . . . C.R. v. 21. Mai. C.R. v. 25. Mai. Bek. v. 25. Mai . Erk. b. K.G. vom 30. Mai ... Anw. v. 10. Zuni

Beite

391 139 184 293 253 65 i 66 419 f

230 12 817 i739 1818 452 836 114

234 f 455 Anh. er Gew.O. in

der Fassung des Gesetzes

vom

23. Juli 1879 ist durch den Cirk.Erlaß des Ministers des Innern vom 21. September 1879 betreffen d den Gewerbebetrieb der Pfandleiher und Rückkaufshändler (M.Bl. (5. 253) Folgendes bestimmt: Die Erlaubniß zum Betriebe des Pfandleihgewerbes bezw. des ge­ werbsmäßigen Ankaufs beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts ist bis auf Weiteres in den Stadtkreisen von der Ortspolizeibehörde, in den

*) Die Fassung gründet sich tauf das Reichsgesetz vom 23. Juli 1879 (R.G.Bl. S. 267).

124

Gewerbe-Ordnung § 34.

Als Pfandleihgewerbe gilt auch der gewerbsmäßige Ankauf beweg­ licher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts. Die Landesgesetze können vorschreiben, daß zum Handel mit Giften und zum Betriebe des Lootsengewerbes besondere Geneh­ migung erforderlich ist, ingleichen, daß das Gewerbe der Markscheider nur von Personen betrieben werden darf, welche als solche geprüft und konzesfionirt sind. Landkreisen, nach Anhörung der Ortspolizeibehörde, von dem Landrathe des Kreises, in den Hohenzollernschen Landen von den Oberamtmännern zu ertheilen. Wegen des Verfahrens und der Behörden, welche im Falle der Versagung der Erlaubniß zum Betriebe dieser Gewerbe und des dagegen einge­ legten Rekurses (§ 40 Abs. 2 der Gew.O.) bezw. bei der Zurücknahme der Er­ laubniß (§§ 53.54 a. a. O.) in Gemäßheit der Vorschriften der §§20,21 der Gew.O. in Wirksamkeit zu treten haben, kommen die zur Ausführung der gedachten §§ 20, 21 in Bezug auf die int § 34 aufgeführten Gewerbetreibenden ergangenen Bestimmungen namentlich der Anweisung vom 4. September 1869 bezw. die Be­ stimmungen des § 114 des Gesetzes vom 1. August 1883 in Anwendung. In Ortschaften, für welche dies durch Ortsstatut (§ 142 der Gew.O.) fest­ gesetzt wird, soll die Erlaubniß von dem Nachweise eines vorhandenen Bedürfnisses abhängig sein. Wegen der Klage auf Zurücknahme der Konzession in der Provinz Hannover und im Landkreise Frankfurt a. M. vgl. die betr. Note zu § 33a Gew.O. 8. Den Gegenstand des genehmigungspflichtigen Gifthandels bilden nicht allein die den Apotheken vorbehaltenen Stoffe, sondern gerade Stoffe, welche nicht bloß in den Apotheken feilgehalten und verkauft werden dürfen. Daraus folgt, daß ein Stoff, der in den Verzeichniffen der V. v. 27. Januar 1893 nicht enthalten ist, sehr wohl ein Gift und zum Handel mit demselben eine besondere Genehmigung er­ forderlich sein kann. Erk. d. O.V.G. v. 26. September 1892. Reger XIII. S. 237. Denjenigen, welche Gift feilhalten, ist der Beginn des Gewerbebetriebes erst dann zu gestatten, wenn sich die Behörde von ihrer Zuverlässigkeit in Beziehung auf den beabsichtigten Gewerbebetrieb überzeugt hat. § 49 des Ges. v. 22. Juni 1861. Ges.S. S. 442. Der Betrieb des Gewerbes der Kammerjäger ist zwar nicht mehr konzessionspflichtig, die Polizeibehörden (Regierungen, Polizeipräsidium in Berlin) dürfen indeß bezüglich der Aufbewahrung und Auslegung der Giftstoffe im Wege der Polizei­ verordnung in den Grenzen der Cirk.Verf. v. 11. Juli 1848 (M.Bl. S. 233) die er­ forderlichen Anordnungen treffen. Cirk.Erl. d. M. f. H. und K.M. v. 11. Mai 1870. M.Bl. S. 158. Vgl. auch §§72 ff. Ges. v. 26. Juli 1880. Wer bei der Aufbewahrung oder bei der Beförderung von Giftwaaren oder bei Ausübung der Befugniß zur Zubereitung oder Feihaltung dieser Gegenstände die deshalb ergangenen Verordnungen nicht befolgt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft. § 368 R.St.G.B. Vgl. auch die Polizei-Verordnung d. H.M., K.M. und M. d. I. v. 28. April 1895 über den Handel mit Giften. M.Bl. 1896. S. 265.

Gewerbe-Ordnung § 35.

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§ 35. Art. 4. 5 R.Ges. v. 6. August 1896. Die Ertheilung von Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht als Ge­ werbe, sowie der Betrieb von Badeanstalten ist zu untersagen, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb darthun. Unter derselben Voraussetzung sind zu untersagen: der Trödelhandel (Handel mit gebrauchten Kleidern, gebrauchten Betten oder gebrauchter Wäsche, Kleinhandel mit altem Metallgeräth, mit Metallbruch oder 4. Die Kammerjäger müssen ihre Giftmittel stets in augenfällig sich als ungenießbar darstellenden Mischungen führen, welche keine Verwechselung mit mensch­ lichen Nahrungsmitteln zulassen. Der Verkauf ihrer Gift mittel zum Gebrauch in der Hand der Käufers ist ihnen zu untersagen. Der Zweck ihres Gewerbes besteht nur in der sachkundigen, zweckmäßigen und mit Vermeidung jeder Gefahr, auch die Verantwortlichkeit von den Hausangehörigen entfernenden Anwendung der Giftmittel an Ort und Stelle. Ihnen ist daher nur die eigene Anwendung ihrer Präparate zu gestatten. R. d. M. d. g. A., M. d. I. u. F.M. v. 19. März 1835. Sch. S. 678. In den in dem vorstehenden Reskript in Bezug genommenen Reskripten des Ministerium des Innern vom 9. September 1811 und 8. Oktober 1812 ist bestimmt: a) daß die Kammerjäger die jedesmaligen Mittel spezifisch angeben, auch einer sorgfältigen Untersuchung durch Sachkundige unterwerfen lassen müssen; b) daß ihnen bei Zubereitung ihrer Mittel der Arsenik nur unter der Be­ dingung gestattet wird, daß sie denselben unter den gesetzlichen Vorschriften aus den Apotheken entnehmen, und ihren Mitteln eine, den Apothekern zu diesem Behuf vorgeschriebenen Mitteln möglichst analoge oder doch auf jeden Fall eine solche äußere Form ertheilen, daß ihr Ansehen, Geruch und Geschmack die Menschen nicht zum Genuß anreizt, sondern vielmehr abschreckt, dasselbe auch nicht absichtlich zum Schaden der Menschen benutzt werden kann. 5. Die Verhältnisse der Markscheider sind durch das Berggesetz vom 24. Juni 1865 (G.S. S. 705), das Reglement vom 21. Dezember 1871 (M Bl. v. 1872 S. 9) und die Diäten- und Gebührentaxe vom 1. Juni 1876 (M.Bl. S. 209) geregelt. (>. Wegen der Stellvertretung. Dgl. § 47 Gew O. 7. Für das Verfahren sind die Destimmnngen zu §§ 40, 53, 54 Gew.O. maßgebend. Vgl. auch die betreffenden Noten zu § 80 und zu § 35. 8. Die bezüglichen Strafvorschriften sind in § 147 Nr. 1 der Gew.O., § 360 Nr. 12 und § 367 Nr. 3 des R.St.G.B. enthalten. Erlaubnißert heiln «gen zum Betriebe des Pfandleihgeschäfts sind stempelpflichtig. Stempeltarif v. 31. Juli 1895. G.S. S. 413. Zu § 35.

1. Die Anzeige ist bei der Gemeindebehörde des Wohnortes zu er­ statten, welche, falls ihr die Denvaltung der Gewerbepolizei nicht zusteht, der Polizei­ behörde des Orts Mittheilung zu machen hat.

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Gewerbe-Ordnung § 35.

dergleichen) sowie der Kleinhandel mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen, der Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen und der Handel mit Loosen von Lotterien und Ausspielungen, oder mit Bezugs- und Antheilscheinen auf solche Loose.

Dasselbe gilt von der gewerbsmäßigen Besorgung fremder Rechts­ angelegenheiten und bei Behörden wahrzunehmender Geschäfte, insbeson­ dere der Abfaffung der darauf bezüglichen schriftlichen Aufsätze, von dem gewerbsmäßigen Betriebe der Viehverstellung (Viehpacht), des Vieh­ handels und des Handels mit ländlichen Grundstücken, von dem Geschäfte der gewerbsmäßigen Vermittelungsagenten für Jmmobiliarverträge, Darlehen und Heirathen, von dem Geschäfte eines Gefindevermiethers und eines Stellenvermittlers, sowie vom Ge­ schäfte eines Auktionators. Der Handel mit Droguen und chemischen Präparaten, welche zu Heilzwecken dienen, ist zu untersagen, wenn die Handhabung des Die Aenderung des § 35 Gew.O. durch die Bekanntmachung vom 1. Juli 1883 bleibt ohne Einfluß, wenn ein Gesindevermiether schon vor dem 1. Januar 1884 eine Bestrafung wegen Handlungen erlitten hat, welche die Untersagung des Gewerbes rechtfertigen. Erk. d. O.D.G. v. 27. November 1884. XI. S. 317. la. Die Worte „oder dergleichen" in Abs. 2 Zeile 4 sind nur auf den Handel mit altem Metallgeräth und Metallbruch zu beziehen, mithin nur auf andere diesen gleichartige Gegenstände zu beschränken. Eck. des KG. v. 13. Februar 1890. Reger Erg.Bd. I, @. 11. Der § 35 Gew.O. verlangt nicht, daß diebetreffende Handlung beim Betriebe deS bezüglichen Gewerbes begangen ist. Eck. d. O.D.G. v. 31. Dezember 1889. Durch § 35 Gew.O. soll die Möglichkeit gewähck werden, auch solchen Personen den Gewerbebetrieb zu untersagen, welche sich hierfür wesentlich der Thätigkeit eines unzuverlässigen Dritten bedienen würden. Erk. d. O.D.G. v. 21. November 1893. Reger XIV. S. 120. lb. Der auf den Handel mit Loosen von Lotterien und Ausspielungen bezüg. liche auf einem Antrage der Abgeordneten Gröber, von Holleufer, Dr. Hitze und Jacobskötter beruhende Paffus bezweckt die Beseitigung der bei dem Loosehandel bestehenden Mißbräuche. Es ist hierbei namentlich an die Schädigung der Loose­ abnehmer durch falsche Angaben, Unterschlagungen u. s. w. gedacht. Auch soll durch die betreffende Bestimmung der Regierung eine Handhabe geboten werden, um in Fällen des Handels mit verbotenen Loosen den Geschäftsbetrieb untersagen zu können. Derh. des Reichstages v. 7. März 1896. S. 1294. lc. Die Unzuverlässigkeit kann nicht bloß darin gefunden werden, daß beim Handel mit Bier Winkelschank geübt worden ist, sondern auch in Mißbräuchen andrer Art insbesondere z. B. darin, daß wiederholt gegen das Nahrungsinittelgeseh gefehlt ist. Derh. d. Reichstages v. 9. März 1896. S. 1312. 2. Unter Trödelhandel ist der Handel mit Sachen zu verstehen, deren Werth durch Alter und Abnutzung ein geminderter ist, den An- und Deckaus von

Gewerbe-Ordnung § 35.

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Gewerbebetriebes Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet. Der Kleinhandel mit Bier kann untersagt werden, wenn der Gewerbe­ treibende wiederholt wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des § 33 bestraft ist. Ist die Untersagung erfolgt, so kann die Landes-Centralbehörde oder eine andere von ihr zu bestimmende Behörde die Wiederauf­ nahme des Gewerbebetriebes gestatten, sofern seit der Untersagung mindestens ein Jahr verflossen ist.

Denjenigen, welche gewerbsmäßig das Geschäft eines Auktionators betreiben, ist es verboten, Immobilien zu versteigern, wenn sie nicht von den dazu befugten Staats- oder Kommunalbehörden oder Korporationen als solche angestellt find (§ 36). Personen, welche die in diesem Paragraphen bezeichneten Gewerbe beginnen, haben bei Eröffnung ihres Gewerbebetriebes der zuständigen Behörde hiervon Anzeige zu machen. Gegenständen, welche durch hohes Alter und kunstvolle Arbeit einen besonderen Antiquiiäts- oder Kunstwerth, also einen erhöhten Werth besitzen, ist kein Trödelhandel. Erk. K.G. v. 30. November 1896. Pr. 53.931. 1897. S. 387. Der Beginn des Gewerbebetriebes der Trödler und der Gesindevermiether ist von einer polizeilichen Borprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit oder des Bedürfnisses unabhängig. In Betreff der Buchführung dieser Gewerbe­ treibenden und der Aufsicht der Polizeibehörden über den Umfang und die Art deö Geschäftsbetriebes sind auf Grund des § 38 der Gew.O. die bisherigen Bestimmungen bis auf weitere Verfügung aufrecht erhalten. Anw. v. 4. September 1869 Nr. 13. Der Grund, weshalb die polizeiliche Kontrole des Trüdelhandels durch § 35 eingeführt ist, liegt einerseits in Rücksichten der Sanitätspolizei (Verhütung von Krankheitsverschleppung), andererseits in möglichster Wahrung der allgemeinen sicherheits­ polizeilichen Interessen (Verhütung und Entdeckung von Diebstählen u. s. w.). In beiden Beziehungen stehen gebrauchte Stiefel den Kleidern im engeren Sinne völlig gleich, und ist deshalb der Ausdruck „gebrauchte Kleider" auf Bekleidungsgegenstände aller Art zu beziehen. Erk. d. K.G. v. 22. Dezember 1890. Reger XI. S. 265. Die §§ 35. 38 Gew.O. beziehen sich nur auf den stehenden Gewerbebetrieb der Trödler. Erk. K.G. v. 20. September 1897. Deutsche Jur. Zeitung 1898. S. 62. 2 a. Der gewerbsmäßige An- und Verkauf alter Stiefel in größeren Mengen zum Weiterverkauf ist als Handel mit gebrauchten Kleidern im Sinne des §35 Abs. 2 Gew.O. auch dann anzusehen, wenn die Stiefel erst nach vorgängiger Repa ratur weiter veräußert werden. Derselbe erfordert die Führung eines Trödelbuchs. Erk. d. K.G. v. 22. Oktober 1891. Bd. XII. S. 188. 3. Die Untersagung des Gewerbebetriebes erscheint da ausgeschlossen, wo ein angefangener Gewerbebetrieb bereits wieder eingestellt worden ist, und eine Wieder­ aufnahme desselben nicht in Aussicht genommell wird. Erk. d. O.V.G. 18. September 1884. Reger V. S. 163. Das Gesetz seht nicht voraus, daß die Thatsachen, wegen deren die Untersagung des Gewerbebetriebes erfolgen soll, erst nach Beginn desselben eingetreten sind. Erk. d. O.V.G. v. l.Juli 1893.

128

Gewerbe-Ordnung § 35.

Die gerichtlichen Bestrafungen eines Gewerbetreibenden, dem der Gewerbetrieb untersagt werden soll, haben an sich mit der Handhabung des § 35 Gew O, nichts gemein. Vielmehr kommt es, da der § 35 die Feststellung solcher Thatsachen erfordert, welche den betreffenden Gewerbetreibenden in Bezug aus den in Frage stehenden Ge­ werbebetrieb unzuverlässig erscheinen lasten, zunächst auf die durch die Strafen ge­ ahndeten Handlungen an. Erk. d. O.V.G. v. 28. Februar 1893. 4, Wegen der Untersagung im Bereich des Ges. v. I. August 1883 vgl. § 119 Nr. 1 a. a. O. In den übrigen Provinzen kommen die im Falle des §30 Gew.O. geltenden Bestimmungen (Note 2 zu § 30) mit der Maßgabe zur Anwendung, daß der Rekursbescheid dem Rekurrenten stets in Ausfertigung gegen Behändigungöschein zugestellt werden muß. Anw. v. 4. September 1869 Nr. 59. Vgl. auch Note 1 zu § 15, sowie §40 Abs. 2 Gew.O. Wegen der Klage auf Untersagung des Betriebes in der Provinz Hannover und dem Landkreise Frankfurt a. M. vgl. die betr. Note zu § 33 Gew.O. S. 234. 5. Wegen des Gewerbebetriebes der außergerichtlichen Auktionatoren vgl. Reglement d. M. d. I. v. 15. August 1848 (M.Bl. S. 305) und Nachtrag vom 18. August 1882 (M.Bl. S. 256). Einem Auktionator kann der Gewerbebetrieb untersagt werden, wenn er sich der Hehlerei schuldig gemacht hat. da hierdurch seine Unzuverlässigkeit in Bezug auf seinen Gewerbebetrieb festgestellt wird. Erk. d. O.V.G. v. 3. Marz 1893. Dasselbe trifft unter gleichen Umständen bei einem Stellenvermittler zu, da er dann nicht diejenigen Garantien bietet, welche im öffentlichen Interesse für diesen Gewerbebetrieb gefordert werden müssen. Erk d. O.V.G. v. 9. Mai 1893. Bestrafung wegen Kuppelei ist bei einer Gesindevermietherin ein Grund zur Untersagung des Gewerbebetriebes. Erk. d. O.V.G. v. 30. Mai 1893. ($. Tanzstunden dürfen an Schulkinder in Schankwirthschaften nicht ertheilt werden. Von diesem Grundsätze sind Ausnahmen mir für solche Fülle offen zu halten, in denen ein geeignetes Privatlokal zur Ertheilung von Tanznnterricht nicht zu erlangen ist und der Unternehmer statt dessen einen mit Schankräumen nicht unmittelbar zusammenhängenden Saal in einem anständigen Gasthause wählt. R. d. M. d. I. u. K.M. v. 10. Dezember 1884. M.Bl. 1885 S. 14. Zur gewerbsmäßigen Ertheilung von Tanzunterricht bedarf es keiner polizei­ lichen Genehmigung; eö giebt daher keine Versagung der polizeilichen Genehmigung zum Betriebe des Gewerbes als Tanzlehrer, sondern es kann nur der Gewerbebetrieb untersagt werden. (§ 35 Abs. 1 Gew.O.) Diese Untersagung, deren Voraussetzung die Unzuverlässigkeit in Beziehung auf die gewerbsmäßige Ertheilung von Tanzunterricht ist, trifft den Gewerbebetrieb in seiner Gesammtheit; sie kann sich nicht bloß gegen seine Ausübung in einem einzelnen Falle oder einzelnen Orte richten. Erk. d. O.V.G. v. 15. Februar 1894. 7. Von der neuen gesetzlichen Regelung werden auch die Patentagenten betroffen. 8. Die Polizeibehörden sind von dem M. d. Z. u. H.M. in einem Rund' Erlaß v. 28. Mai 1897 (M.Bl. S. 113) angewiesen, in allen Fällen das Vorleben der Theater-Agenten mit Hülfe der Strafregister genau festzustellen, und, falls sich hierbei Thatsachen ergeben, welche die Unzuverlässigkeit in Bezug auf den Ge­ werbebetrieb darthun, die Klage auf Untersagung des Gewerbebetriebes gemäß §119 des Zuständigkeitsgesetzes zu erheben.

Gewerbe-Ordnung § 35.

129

9. Die gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten kann untersagt werden, wenn es dem betreffenden Gewerbetreibenden an der sitt­ lichen Unbescholtenheit mangelt, ohne welche es an der Gewähr für eine die öffentlichen Interessen wahrenden Geschäftsführung mangelt. Erk. d. O.V.G. v. 9. Mai 1893. Der Thatbestand des § 35 G-ew.O. ist keineswegs auf solche Fehltritte und Vergehungen beschränkt, welche im letzten Grunde auf einen moralischen Defekt zurück­ zuführen sind. Die bei einem Volksanwalt oder Rechtskonsulenten nachge­ wiesene Unfähigkeit, zu Folge deren der Auftraggeber Gefahr läuft, daß sein Auf­ trag ungeschickt oder zweckwidrig ausgeführt wird, insbesondere auch Unkenntniß der gesetzlichen Bestimmungen, können unter dem Gesichtspunkt der Unzuverlässigkeit im Sinne des Gesetzes beurtheilt werden. Erk. d. O.V.G. v. 9. Juni 1893. 10. Der §35 Gew.O. findet auch auf den Betrieb eines Bank-Agentur­ geschäftes, soweit das letztere in der Vermittelung von Darlehen besteht. Anwen­ dung. Der Betrieb eines solchen Geschäfts schließt seiner Natur nach eine Thätigkeit zur Vermittelung von Darlehen präsumtiv mit ein. Die Vermittelung von Wechseldiskontirnngen, von Hypothekenkapitalien und von börsengängigen Geschäften ist auch hierzu zu rechnen. Erk. d. O.V.G. v. 27. April 1885. XII. S. 336. Die Untersagung des Gewerbebetriebes als Stellenvermittler kann auch durch daS Mißverhältniß, in welchem Proviflon und Lohn stehen bezw. in der Höhe der Provisions-Liquidationen begründet werden, durch welche die Stellensuchenden dem Stellenvermittler gegenüber in ein Abhängigkeitsverhältniß gebracht werden. Erk. d. O.V.G. v. 21. Oktober 1892. Es ist nicht erforderlich, daß die entscheidenden Thatsachen gerade der Zeit nach der Konzessionirung angehören. Erk. d. O.V.G. v. 10. Januar 1893. 11. Unter den Begriff der Auktionatoren im Sinne des § 35 fallen die Ge­ richtsvollzieher, auch insoweit sie zur Vornahme von freiwilligen Versteigerungen befugt sind, nicht. 11a. Aus § 35 Gew.O. ist nicht zu folgern, daß die Versteigerung von Im­ mobilien nicht Gegenstand des Gewerbebetriebes, sondern eine öffentliche Angelegen­ heit sei, deren Erledigung nur Organen des Staates zusteht. Erk. d. R.G. v. 28. März 1888. Reger IX. S. 13. 12. Der Betrieb des Gewerbes als Vermittler von Kommissionsge­ schäften fällt nicht unter die § 35 Gew.O. aufgeführten Geschäfte, deren Untersagung unter gewiffen Voraussetzungen nicht erfolgen kann. Die erste Voraussetzung zu einem Vorgehen auf Grund des § 35 ist die, daß der zu untersagende Gewerbebetrieb that­ sächlich bereits begonnen hat oder seine Eröffnung unmittelbar bevorsteht. Erk. d. O.V.G. v. 6. Oktober 1884. XI. S. 307. Vermittelungsagenten für Jmmobiliarversichern ngs vertrüge gehören nicht zu den Dermittelungsagenten für Jmmobiliarverträge im Sinne des § 35 Gew.O. Erk. d. O.V.G. v. 6. Oktober 1884. XI. S. 316. Die Klage auf Untersagung des Gewerbebetriebes der Theater-Agenten ist stets von derjenigen Ortspolizeibehörde bei dem zuständigen Bezirksausschuß anzubringen, in deren Bezirk sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Thätigkeit des Agenten befindet. C.R. d. M. d. I. und d. H.M. v. 30. November 1892 (M.Bl. 1893 S. 103). MarcinowSki, Deutsche Äewerbe-Ordimvg. 6. Auftage.

9

Gewerbe-Ordnung § 36.

130

§36.

Das Gewerbe der Feldmesser, Auktionatoren, derjenigen, welche den Feingehalt edler Metalle oder die Beschaffenheit, Menge oder richtige Verpackung von Waaren irgend einer Art 13. Der Kleinhandel mit altem Eisen und Metallbruch verliert deshalb, weil die Gegenstände dieses Handels auch mit dem Namen Produkte be­ zeichnet werden, nicht den Charakter des TrödelvertrageS im Sinne des §35 Gew O. Erk. d. O.V.G. v. 24. Februar 1881. Reger I. S. 231. Bei den Vorschriften in § 35 Gew O, bezüglich des TrödelhandelS ist gerade die Rücksicht auf den Ankauf maßgebend gewesen. Wie die int Kleinen erwordenen Gegenstände weiter veräußert werden, ist von diesem Gesichtspunkt auS gleichgültig. SS ist sonach ein Handelsgeschäft, in welchem alteS Metallgeräth oder Metallbruch im Kleinen angekauft wird, als Kleinhandel im Sinne des § 35 Gew.O. anzusehen. Erk. d. O.V.G. v. 20. April 1891. Reger XII. S. 126. 14. Der Ausdruck „Sprengstoffe" schließt das Schießpulver (Jagdpulver) nicht in sich. (Motive.) 15. Die Anzeigepflicht erstreckt sich auch auf die vordem 1. Januar 1884 betriebenen, aus gewerbsmäßige Besorgung ftemder Rechtsangelegenheiten gerichteten Gewerbe. Erk. d. R.G. v. 17. November 1887.

Reger VIII. S. 338.

16. Die Strafvorschrift für die unterlassene Beobachtung der in § 35 Gew.O. vorgesehenen Vorschriften ist in § 148 Nr. 4 a a. O. enthalten. Vgl. auch § 143 a. a. O. 16 a. Die Untersagung des Gewerbebetriebes fällt nicht unter den Begriff der Strafe im Sinne des Reichsstrafgesetzbuchs, vielmehr ist sie eine, unabhängig hier­ von, im öffentlichen Interesse gebotene Maßregel. Erk. d. O.V.G. v. 30. Mai 1893. Ein aus Grund des § 35 Gew.O. u. § 119 Zust.Ges. ergangenes Untersagungsurtheil wirkt tiicht dauemd auch dann noch, wenn die thatsächlichen Voraussetzungen, welche zur Untersagung geführt haben, nicht mehr gegeben sind. Ueber die Frage, ob ein objektives Zuwiderhandeln gegen die ergangene Unter­ sagung des Gewerbebetriebes erlaubt oder unerlaubt, strafbar oder straflos sei, hat nicht die Polizeibehörde, sondern der Strafrichter zu befinden. Erk. d. O.V.G. v. 26. Mai 1891. Reger XII. S. 128.

3« § 88. Inhaltsangabe: Geltung früherer Bestimmungen 1. Fleischbeschauer 3. 4. 5. Feldmesser und Landmesser 2 a. Zurücknahme der Bestallung 6.

Bestrafung wegen Untreue 7.

L Gewerbetreibende, welche ihr Gewerbe auf Grund des §36 ohne Ver­ eidigung und ohne eine besondere Anstellung oder Konzession frei be­ treiben. sind bei Ausübung ihres Gewerbes an die früheren bezüglichen Vorschriften nicht gebunden. Anw. v. 4. September 1869 Nr. 9. 2. Die Stellung der Feldmesser ist durch die Bestimmungen des Reglements vom 2. März 1871 (Ges.S. S. 101) und der Eirkularverfügung der Minister für

Gewerbe-Ordnung § 36.

feststellen, der Güterbestätiger,

131

Schaffner,

Wäger, Messer,

Bracker, Schauer, Stauer u. s. w. darf zwar frei betrieben werden, es bleiben jedoch die verfassungsmäßig dazu befugten Staats- oder Kom­ munalbehörden oder Korporationen auch ferner berechtigt, Personen, welche Handel, für landwirthschaftliche Angelegenheiten und der Finanzen vom 2. März 1871 (M.Bl. S. 121) geregelt. An Stelle der §§ 36—57 (IV) des Reglements ist das Reglement v. 26. August 1885 (G.S. S. 319) getreten. Das Reglement für die öffentlich anzustellenden Land-(Feld-) messn vom 2. März 1871/26. August 1885 ist durch Verordnung vom 22. Dezember 1887 (G.S. 1888 S. 4) und demnächst durch die Bestimmungen vom (M.Bl. S. 140) geändert.

12. Juni 1893

Vgl. auch das C.R. v. 29. Januar 1896. M.Bl. S. 18.

Die Feld» (Land-) Messerangelegenheiten

sind

durch den Allerhöchsten Erlaß

vom 4. November 1887 (Ges.S. 1888 S. 4) dem Finanzminister überwiesen. 2 a. Die Feldmesser und Landmesser sollen nur dann mit dem Dienst­ eide der Beamten belegt werden, wenn ste von einer Staatsbehörde zu dauernden amtlichen Funktionen bestellt und demgemäß von dieser Behörde als Beamte zu ver­ pflichten sind.

Im Uebrigen ist die eidliche Verpflichtung geprüfter Feld- bezw. Land-

meffer auf die in § 36 Gew O, gedachte „Beobachtung der bestehenden Vorschriften" zu richten.

Diese eidliche Verpflichtung wird seitens derjenigen Provinzialbehörde

veranlaßt, in deren Bezirk der zu Verpflichtende sein Gewerbe auszuüben beabsichtigt. C.R. d. F.M., H.M. u. M. d. I. v. 9. Juni 1883. M.Bl. S. 143. 8.

Das Gewerbe der Fleischbescha uer unterliegt gleichfalls der Vorschrift

des § 36. Auch diejenigen Fleischbeschauer, welche von der zuständigen Behörde beeidigt und öffentlich angestellt sind oder werden, sind als Gewerbetreibende gemäß tz 36 zu behandeln.

Denselben können bestimmte Bezirke überwiesen werden, auf

welche sie sich bei Ausübung ihrer Funktionen zu beschränken haben, weil es sich hier­ bei nicht um eine Beschränkung des Gewerbebetriebes, sondern lediglich um die Ab­ grenzung der Rechte und Pflichten einer Klasse der nach § 36 aus Grund regle­ mentarischer Vorschriften anzustellenden und zu vereidigenden, mit besonderer Glaub­ würdigkeit ausgestatteten Gewerbetreibenden, sowie um eine Bestimmung darüber handelt, auf welche Weise das Publikum sich

einer ihm

durch Polizeiverordnung

auferlegten Verpflichtung zu entledigen hat. R. d. M. d. I., d. K.M. und des H.M. v. 6. April 1877.

M.Bl. S. 166.

Auch approbirte Thierärzte bedürfen, wenn sie als Fleischbeschauer behufS der Kontrole der polizeilich angeordneten Untersuchung des Schweinefleisches aus Trichinen sungiren wollen, der ausdrücklichen Genehmigung der Polizeibehörde. R. d. K.M. u. d. M. d. I. v. 16. Januar 1878.

M.Bl. S. 34.

Die amtlichen Verfügungen, durch welche Fleischbeschauer gemäß § 36 mit öffentlicher Glaubwürdigkeit behufs der Kontrole der obligatorischen Fleischschau, soweit dieselbe polizeilich angeordnet ist, bestellt werden, unterliegen dem Stempel von 1,50 Mark. R. d. K.M., M. d. I., H.M. und F.M. vom 26. September 1878.

M.Bl.

S. 284. 4.

a) Eine Polizeiverordnung, welche die Untersuchung der Schweine

vor der Zerlegung derselben durch einen amtlich bestellten Fleischbeschauer vor­ schreibt verstößt nicht gegen die Gewerbe-Ordnung, und von der in einer solchen Ver-

132

Gewerbe-Ordnung § 36.

diese Gewerbe betreiben wollen, aus die Beobachtung der bestehenden Vor­ schriften zu beeidigen und öffentlich anzustellen. Die Bestimmungen der Gesetze, welche den Handlungen der ge­ nannten Gewerbetreibenden eine besondere Glaubwürdigkeit beilegen oder an diese Handlungen besondere rechtliche Wirkungen knüpfen, sind nur aus die von den verfaffungsmäßig befugten Staats- oder Kommunal­ behörden oder Korporationen angestellten Personen zu beziehen. ordmmg für den Fall der Zuwiderhandlung angedrohten Strafe befreit nicht die Untersuchung durch einen nicht amtlich bestellten Fleischbeschauer. b) Dagegen entbehrt eine Verordnung, durch welche jedem von mehreren amt­ lich bestellten Fleischbeschauern eine ausschließliche Gewerbeberechtigung für einen destimmten Bezirk übertragen wird, der gesetzlichen Gültigkeit. Erk. d. K.G. v. 24. Februar 1881. Entsch. II. S. 272. Den von dem Fleischbeschauer über seinen Befund in das ihm vorgeschrie­ bene Register eingetragenen Aufzeichnungen kommt der Charakter von öffentlichen Urkunden zu. Erk. d. R.G. v. 22. Oktober 1883. V. S. 621. Eine Ober-Präsidial Verordnung, welche bestimmt, daß derjenige, welcher ein Schwein schlachtet oder schlachten läßt, dessen Fleisch ganz oder theilweise verkauft werden soll, dasselbe von einem für den betreffenden Bezirk bestellten Fleischbeschauer mikroskopisch auf Trichinen untersuchen lassen muß, und die zugleich die amtlichen Fleischbeschauer verbindet, in dieser ihrer Eigenschaft außerhalb des Bezirkes, für den sie bestellt werden. Untersuchungen auf Trichinen vorzllnehmen und die zum Zweck des Verkaufs erforderlichen Atteste auszustellen, verstößt nicht gegen das Prinzip der Gewerbesreiheit und besteht deshalb zu Recht. Erk. d. K.G. v. 14. Januar 1884. V. S. 310. 5. Der Vorschrift einer Polizeiverwaltung, welche außer der Unter­ suchung des Fleisches geschlachteter Schweine auf Trichinen und der Ab­ gabe einer bezüglichen Erklärung des amtlich bestellten Fleischbeschauers die Bezeich­ nung des Fleisches mit dem Brennstempel seitens des Fleischbeschauers vor dessen Bearbeitung bei Strafe anordnet, ist nicht genügt, wenn das Fleisch dem Fleisch­ beschauer zur Verfügung gestellt und die Stempelung nur deshalb unterblieben ist, weil der Fleischbeschauer dieselbe von der Bezahlung der Schaugebühr abhängig machte. Erk. d. K.G. v. 7. Oktober 1880. Entsch. I. S. 229. Wegen der Untersuchung der aus Amerika importirten Schinken und Speck­ seiten vgl. C.R. v. 21. Mai 1892 (M.Bl. S. 227). Wegen der Stellvertretung vgl. Note 6 zu § 34. 6. Wegen Zurücknahme der Bestallung vgl. § 53 Gew.O. Hinsichtlich der Klage auf Untersagung des Betriebes im Landkreise Frankfurt a. M. und der Provinz Hannover vgl. die betr. Note zu § 33a Gew.O. S. 234. 7. Wegen Untreue werden mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, bestraft: Feldmesser. Versteigerer, Mäkler, Güterbestätiger, Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer. Stauer und andere zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete Personen,

Gewerbe-Ordnung § 37.

133

§37.

Der Regelung durch die Ortspolizei-Behörde unterliegt die Unter­ haltung des öffentlichen Verkehrs innerhalb der Orte durch Wagen aller Art, Gondeln, Sänften, Pferde und andere Transportmittel, sowie das Gewerbe derjenigen Personen, welche auf öffentlichen Straßen oder Plätzen ihre Dienste anbieten. roerni sie bei den ihnen übertragenen Geschäften absichtlich diejenigen benachtheiligten, deren Geschäfte sie besorgen. Wird die Untreue begangen, um sich oder einem Andern einen Vermögens­ vortheil zu verschaffen, so kann neben der Gefängnibstrafe aus Geldstrafe bis zu 3000 Mark erkannt werden. § 266 Nr. 3 R.St.G.B. Die Worte „bei den ihnen übertragenen Geschäften" sind nicht gleichbedeutend mit „durch die rc. Geschäfte"; es ist daher nicht erforderlich, daß die Benachtheiligung durch die Art der Ausführung des Geschäftes herbeigeführt wird. Es ge­ nügt, wenn sie in anderer Weise bei der aufgetragenen Handlung und in Betreff des Gegenstandes erfolgte, auf welchen sich die Thätigkeit bezog. Oppenhoff, St.G.B. S. 629. Die von der Behörde vereideten Medizinalpersonen sind gleichfalls dieser Be­ stimmung unterworfen. Vermögensvortheil im Sinne der vorhin citirten Strafvorschrift ist nicht nur positiver Gewinn, sondern auch Abwendung eines Vermögensnachtheils. Erk. d. O.T. v. 24. März 1871. Goltd. XIX. S. 322. 8. Verste!gerungsprotokolle der öffentlichen Beamten oder gewerbs­ mäßigen Auktionatoren über bewegliche Sachen sind stempelpflichtig. Eine Ausnähme bilden die Protokolle der Ersteren in denjenigen Fällen, in welchen sie als Vertreter der Korporation, in deren Dienst sie angestellt sind, handeln. Stempeltarif vom 31. Zuli 1895. G.S. S. 413. Zu § 37.

1. Die Regelung der Straß enge werbe unterliegt lediglich dem Ermessen der Ortspolizeibehörde. Die betreffenden Anordnungen müssen auch die Bedingungen der Zulassung umfassen. Hinsichtlich der Taxen ist zuvor die Zustimmung der Ge­ meindebehörde einzuholen. Anw. v. 4. September 1869 Nr. 14. R. d. M. d. I. v. 19. März 1873. M.Bl. S. 123. Die durch § 37 Gew.O. den Ortspolizeibehörden übertragenen Befugnisse um­ fassen auch die Berechtigung, den Betrieb der sog. Straßengewerbe an eine polizei­ liche Erlaubniß zu knüpfen, die Bedingungen, von welchen die Ertheilung der Er­ laubniß abhängig sein soll, und daß sowie unter welchen Voraussetzungen die er­ theilte Erlaubniß zurückgenommen werden darf, zu bestimmen. Für das Verfahren bei Zurücknahme der Erlaubniß sind diejenigen Vorschriften maßgebend, welche in der Gew.O. für die Zurücknahme der in der letzteren selbst vorgesehenen Konzessionen zum Gewerbebetriebe ertheilt sind. Erk. d. O.V.G. v. 4. Mai 1891. Die Ortspolizeibehörden sind berechtigt, nicht nur über die Art der Aus­ übung der Straßengewerbe sondern auch über die Bedingungen der Zulassung

134

Gewerbe-Ordnung § 37.

zu denselben in Form von Polizeiverordnungen nach freiem, nur durch Zweckmäßigkeitsrücksichten geleiteten Ennesten generelle Bestimmungen zu treffen. Erk. d. K.G. v. 11. Februar 1889. Entsch. 9. S. 179. Demgemäß ist auch zulässig, die Einrichtung solcher Fuhrwerke, durch welche der Verkehr aus einem Orte nach dem Nachbarorte unterhalten werden soll, durch Orlspolizeiverordnung zu regeln und auch die Taxe festzusetzen. Erk. d. O.T. v. 24. Juni 1874. Opp. XV. S. 436. Die Regelung umfaßt auch den Güterverkehr und die den Zwecken desselben dienenden Transportmittel. Erk. d. O.T. v. 12. Juli 1875. Opp. XVI. S. 533. Der Begriff des öffentlichen Platzes im Sinne des § 37 Gew.O. ist im weite­ sten Umfange zu fasten; daß jeder Platz darunter fällt, welcher dem öffentlichen Ver­ kehr dient, mag dieser sich auch ganz oder fast ausschließlich auf bestimmte Arten oder Zwecke des Verkehrs beschränken. Erk. d. O.D.G. v. 5. Februar 1894. Die Droschkenkutscher gehören nicht zu den Personen, welche ihre Dienste, sondern welche die Benutzung des von ihnen geführten Fuhrwerks anbieten. Erk. d. O.V.G. v. 23. Juni 1877. II. S. 318. Die Klage der Polizeibehörde auf Entziehung der Erlaubniß zum Gewerbebetrieb ist nur in den Fällen des § 35 Gew O, zulässig. In den Fällen deS § 37 hat dagegen die Polizeibehörde, soweit dieses überhaupt zulässig, ihrerseits die Unternehmung des Gewerbebetriebes auszusprechen, und gegen diese Verfügung steht dem Betroffenen gemäß § 40 Abs. 2 der Rekurs durch Klage beim Bezirksausschuß zu (§ 119 Ges. v. 1. August 1883). Erk. d. O.V.G. v. 7. Novbr. 1887. Parey S. 542. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaute des § 37 der GewerbeOrdnung gehört das Gewerbe der Absuhrunternehmer nicht zu den dort aufgeführten sogenannten Straßengewerben. Die auf Grund des bezeichneten Paragraphen der Ortspolizeibehörde zustehende Befugniß, den Betrieb der Straßengewerbe von ihrer Erlaubniß abhängig zu machen und diese Erlaubniß einer beschränkten Anzahl von Unternehmern oder nur einem einzigen Unternehmer zu ertheilen, erstreckt sich also nicht auf das Abfuhrwesen. Auch sonst fehlt es an gesetzlichen Bestimmungen, welche die Polizei berechtigten, das Abfuhrwesen wie das Straßengewerbe zu behandeln; insbesondere kann eine solche Befugniß nicht aus allgemeinen gesundheitspolizeilichen Gründen hergeleitet werden. R. d. M. d. I. u. F.M. v. 16. Januar 1894. M.Bl. S. 29. Dgl. auch Erk. d. K.G. v. 13. Februar 1896 ii. Erk. des O.V.G. v. 26. April 1897 (Pr. D.Bl. S. 475, 494). 2. Die Anlage und der Betrieb von Pferde-Eisenbahnen fällt nicht unter das Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. November 1838. Sie gehören vielmehr zu denjenigen Transportmitteln, welche hinsichtlich der Anlage und des Betriebes der Regelung durch die Ortspolizeibehörde unterliegen. R. d. H.M. u. M. d. I. v. 14. Juni 1872. M.Bl. S. 172. 3. Die im § 37 Gew.O. den Ortspolizeibehürden eingeräumte Befugniß, den öffentlichen Wagenverkehr innerhalb der Orte durch Polizeiverordnungen zu regeln, umfaßt auch den Verkehr von Wagen, welche ihren Standort in der Stadt haben, fahrplanmäßig die Fahrt innerhalb des Stadtgebietes beginnen und außerhalb des­ selben fortsetzen. Erk- d. K.G. v. 6. Februar 1893. Bd. 13 S. 294.

135

Gewerbe-Ordnung § 38.

§38. Die Centralbehörden find befugt, über den Umfang der Befug­ nisse und Verpflichtungen, sowie über den Geschäftsbetrieb der Pfandleiher, treffen,

soweit

darüber

Vorschriften zu erlassen.

landesgesetzlichen Bestimmungen

die Landesgesetze nicht Bestimmungen Die in dieser Beziehung bestehenden finden auf

zeichneten Geschäftsbetrieb Anwendung. 4.

den im § 34 Absatz 2 be­

Soweit es sich um diesen Ge-

Bei der Regelung der Unterhaltung des öffentlichen Verkehrs innerhalb

eines Ortes durch Transportmittel soll die Ortspolizeibehörde des Verwaltungsbezirks, bevor sie Anordnungen auf Grund der §§ 37. 76 Gew.O. erläßt, mit den betheiligten Unternehmern oder Vertretern derselben in Benehmen treten und sie über den Inhalt der zu treffenden Maßnahmen gutachtlich hören. R. d. H. M. v. 18. Juli 1894. Reger XIV. S. 442. 5. Die Ausübung des Dienstmannsgewerbes ohne die erforderliche polizeiliche Genehmung ist aus § 147 Nr. 1 Gew.O. zu bestrafen. 6.

Erk. b. K G. v. 8. Dezember 1890. Bd. 11 S. 204. Die Vorschrift des § 37 Gew.O. soll zur Vermeidung von Benachtheiligung

und Belästigung verhüten, daß dem Publikum nicht auf der Straße von jeder be* liebigen unbekannten Person Angebote zu Dienstleistungen gemacht werden. Unter dieselbe fallen nur solche Personen, welche von öffentlichen Standplätzen auS ihre — gleichviel wo zu leistenden — Dienste anbieten. Erk. d. K.G. v. 23. Oktober 1893. Reger XIV. S. 224. 7. Die Regelung des Gewerbes der Gondelführer und Gondelvermiether darf nicht bloß den Betrieb dieser Gewerbe von einer besonderen polizeilichen Bewilligung im Allgemeinen abhängig machen, sondern auch die Art der Ausübung, die Bedingungen der Zulaffung zu dem gedachten Straßengewerbe umfaffen und bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Betrieb denselben untersagt oder die ertheilte Be­ willigung zurückgenonnnen werden kann.

Insoweit aber die Polizeibehörde eine solche

Regelung nicht hat eintreten lassen, ist der Gewerbebetrieb eine freier, es findet daher eine Untersagung desselben, oder falls der Gewerbebetrieb im Wege der polizeilichen Regelung für konzessionspflichtig erklärt ist. eine Entziehung der ertheilten Konzession nur dann statt, wenn diese Maßregel auf demselben Wege für zulässig erklärt ist. 8.

Erk. d. O.V.G. v. 7. Novbr. 1887. Parey S. 542. Zn Betreff der Entziehung der Befugniß zum Gewerbebetriebe

bezw. der Untersagung des Betriebes in den zum Geltungsbereich des Gesetzes vom 1. August 1883 gehörigen Provinzen vgl. § 119 des Ges. v. l. August 1883 abgedruckt Seite 74. Bezüglich des Verfahrens in den übrigen Provinzen vgl. Note 1 und 2 zu § 30 der Gew O., sowie § 40 Abs. 2 der Gew.O. ft. Genehmigungen der Ortspolizeibehörden zum Betriebe der in §37 Gew.O. bezeichneten Gewerbe sind stempelpflichtig. Stempeltaris v. 31. Juli 1895. G S. S. 413. 10. Zuwiderhandlungen werden nach § 147 Nr. 1 der Gew.O. bestraft.

3« §88. Ursprung 1. Beftignifl der Polizeibehörden 2.

1.

Inhaltsangabe. Geschäftsbetrieb der Trödler 3. Gesindevermiether 4.

Pfandleiher und Rückkauf-Händler S.

§38 beruht auf dem Reichsgesetze vom 23. Juli 1879 (R.G Bl. S. 267).

Gewerbe-Ordnung § 38.

136

schästsbetrieb handelt, gilt die Zahlung des Kaufpreises als Hingabe des Darlehens, der Unterschied zwischen dem Kaufpreise und dem verabrede­ ten Rückkaufspreise als bedungene Vergütung für das Darlehn und die Uebergabe der Sache als Verpfändung derselben für das Darlehn.

Die

Centralbehörden find ferner befugt, Vorschriften darüber zu erlaffen, in welcher Weise die im § 35 Absatz 2 und 3 verzeichneten Gewerbetreiben­ den ihre Bücher zu führen und welcher polizeilichen Kontrole über den Um­ fang und die Art ihres Geschäftsbetriebes fie fich zu unterwerfen haben. 2.

Durch die Bestimmung in § 38 der Gewerbe-Ordnung soll nur die Befugniß

und beziehentlich Pflicht der Centralbehörden, nötigenfalls einzugreifen, gewahrt, in der nach den Landesgesetzen etwa bestehenden ursprünglichen Befugniß der Polizei­ behörden aber nichts geändert werden. Nr. 212, RA. d. D.R. der Sache angetragen oder Rekurs eingelegt werden. Der Antrag auf münidliche Verhandlung ist innerhalb 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides an die Behörde zu richten, welche den Bescheid erloffen hat. Die Vorladung deÄ Rekurrenten und das mündliche Verfahren erfolgen nach Maßgabe der Anweisung vom 4. September 1869. Wird auf Grund der mündlichen Verhandlumg dahin entschieden, daß der nachgesuchte Legitimationsschein zu ertheilen, so fertigt die Behörde ohne weiteren schriftlichen Bescheid den Legitimationsschein aus. Wird dagegen die erste Ver­ fügung, durch welche der Legitimationsschein versagt wurde, aufrecht erhalten, so ist ein förmlicher Bescheid zu erlassen, der bliesen Beschluß näher begründet und auf das dagegen zulässige Rechtsmittel verweist. Die Zustellung des Bescheides erfolgt gegen BehändigungSschein. Gegen bliesen Bescheid ist der Rekurs an den betreffenden Reffortminister zulässig. Der Rekurs gegen die erste Entscheidung ist innerhalb 14 Tagen nach der Zustellung einzulegen und zu rechtfertigen. Er kann bei der ersten oder bei der zweiten Instanz eingereicht werden. Wird durch den Rekursbescheid die angefochtene Verfügung bestätigt, so ist zugleich ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß eine weitere Beschwerde durch das Gesetz nicht zugelaffen sei. Der Bescheid wird der Behörde, welche in erster Instanz entschieden hat, in Ausfertigung übersendete Ist darin der Rekurs zurückge­ wiesen, so stellt die letztgedachte Behörde den Bescheid dem Rekurrenten zu. Ist der Rekurs dagegen für begründet erachtet, so fertigt dieselbe auf Grund des Bescheides den nachgesuchten Legitimationsßchein aus. Die von einer Regierung ausgefertigten! Legitimationsscheine gehen kurzer Hand an die Abtheilung für die direkten Steuern oder, wo eine solche nicht vorhanden ist, an den Steuerdezernenten zur Ausfüllung der angehängten Gewerbescheine, welche demnächst unter Benachrichtigung der Antragsteller an die Steuerkaffe des Wohnortes des Letzteren zur Aushändigung an diese

'Gewerbe-Ordnung § 55.

173

gegen Zahlung der Steurer unmittelbar versendet werden. (Steuerfreie Gewerbe­ scheine werden den Amtrcngstellern direkt zugeschickt. In Berlin giebt das Polizei-Präsidium die morn ihm ausgestellten Legitimationsscheine zur weiteren Veranlassung an die Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern da­ selbst. Dasselbe Versahirem ist zu beobachten, weiln a) ein Legitimationsschenn für den Betrieb der in § 59 Gew.O. bezeichneten Gewerbe aus den Btezirrk einer anderen höheren Verwaltungsbehörde aus­ gedehnt wird, welch« d«n Legitimationsschein zuerst ertheilt hat, oder wenn b) zufolge § 62 Gew.Ox mach erfolgter Gewährung eines Legitimationsscheins die Mitführung von Begleitern nachträglich genehmigt wird. Die Anträge auf Erithenlung steuerpflichtiger Gewerbescheine zum Ver­ kauf oder Ankauf rwh er Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschast, des Garten- u;nb Obstbaues sind in den drei ersten Gewerbesteuer-Abtheilungen an tdie Gemeindebehörde, in der vierten Abtheilung an den Landrath (Oberamtmanm) des Wohnorts des Gewerbetreibenden zu richten. Diese Behörden haben »die für die Höhe des Steuersatzes maßgebenden Ver­ hältnisse des beabsichtigztem Gewerbebetriebes festzustellen, ohne sich auf eine Prüfung in polizeilicher Beziehung einzulassen, und darüber, unter Beifügung eines Signalements de« Antragstellers, an die Bezirksregierung zu berichten. Letztere Behörden bestimmten den Steuersatz, fertigen den Gewerbeschein aus und senden denselben zmr Aushändigung an den davon zu benachrichtigenden Antragsteller gegen Erlergumg der Steuer der Steuerkasse des Wohnortes des Nachsuchenden zu. In Berlin find die Amträge aus Ertheilung solcher Gewerbescheine bei der Direktion für die Veruvaltrung der direkten Steuern auzubringen, welche die Gewerbescheine selbst amSzmfertigen und dem Nachsuchenden auszureichen hat. Angehörigen des Deutschen Reichs, welche keine Preußen sind, ist in den im Schlußsatz« d,es § 55 Gew.O. bezeichneten Fällen gleich den Jnlänbeni stets ein besonderen: Gewerbeschein auszustellen. In allen übrigen Fällen ist indessen unter der Bezeichnung „Gewerbeschein" auf dem Legitima­ tionsschein des Antragstellers die Zahlung der zu entrichtenden Gewerbesteuer von der zuständigen Stemerbehörde zu vermerken, und ein besonderer Gewerbe­ schein nur dann auszufertigen, wenn der Legitimationsschein hinlänglich Raum für diesen Vermerk nicht darbietet. Die Anträge auf Zulassung zum Gewerbe­ betriebe im Umherziehern im Preußen sind beim Landrath (Oberamtmann) des Aufenthaltsortes zu stellten und ebenso zu behandeln wie die Anträge der In­ länder aus Ertheilung vion selbständigen, mit Legitimationsscheinen nicht ver­ bundenen Gewerbeschein«n. In Berlin sind dergleichen Anträge bei der Direktion für die Verwmltumg der direkten Steuern anzubringen. Wegen Ge­ stattung des Betriebes der in § 59 Gew.O. bezeichneten Gewerbe findet bei nichtpreußischen Angehörigem des Deutschen Reichs dasselbe Verfahren statt, wie bei Inländern, welche den Betrieb auf den Bezirk einer anderen höheren Verwaltungsbehörde als derjenigen, welche den Legitimationsschein zuerst ertheilt hat, ausdehnen rootüem. Nur muß ein selbständiger, mit dem Legitimationsschein nicht verbun-derner Gewerbeschein ausgefertigt werden, sofern der von dem Antragsteller eimzureichende Legitimationsschein für die von der Steuer­ behörde einzutragende Vermerke nicht den genügenden Raum bietet. Die Befugniß zur Erttheilung von Wandergewerbescheinen, welche bis dahin zur Competenz der Abitheilungen des Znnern der Königlichen Regierung gehlört hatte, wurde durch § 131 ides Zuständigkeitsgesetzes vom 26. Juli 1876 auf

174

Gerverbe-Ordmmg § 55.

die Regierungspräsidenten übertragen und gleichzeitig den Reichsangehörigen gegen den versagenden Bescheid derselben die Klage im DerwaltungSstreitverfahren gegeben. Der so geschaffene Rechtszustand hat durch § 117 deS Zuständig­ keitsgesetzes vom 1. August 1883 eine Aenderung insofern erfahren, alS fernerhin über Anträge auf Ertheilung der in Rede stehenden Scheine die Bezirksausschüsse zu befinden haben; der Umstand aber, daß gegen den versagenden Beschluß bcrfelbeit gleichfalls das BerwaltungSstreitverfahren zugelaffen ist, nöthigt zu dem Schluffe, daß die bisher den Regierungspräfidenten beigelegten Befugniffe nur in dem Umfange auf die Bezirksausschüffe haben übergehen sollen, in welchem die Bescheide der er* steren bis dahin mit der Klage tot BerwaltungSstreitverfahren angefochten werden konnten, und daß demnach die Entscheidung über Antrüge von Ausländern, welchen ein solches Klagerecht niemals eingeräumt worden ist, nach wie vor den Re­ gierungspräsidenten verblieben ist. R. d. M. d. I., H.M. u. F.M. v. 21. Dezember 1885. In Abänderung der unter dem 24. November 1869 ergangenen Anweisung zur Ausführung deS Titels III der Gew O, ist bestimmt, daß auf Rekurse gegen Bescheide der Bezirksregierungen, durch welche die Ertheilung eines Wandergewerbescheines versagt worden ist (in denjenigen Landestheilen, in denen daS Gesetz über die allge­ meine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 noch nicht zur Einführung gelangt ist), und auf Beschwerden von Ausländern über Verfügungen der Regierungspräfidenten, durch welche ihre Anträge auf Genehmigung eine- solchen Scheines zurückgewiesen find (im Geltungsbereich des genannten Gesetzes), der Oberpräfident entscheidet. R. d. M. d. I., H.M. u. F.M. v. 21. Dezember 1885. Bei der Aushändigung deS für einen ausländischen Haustrer bestimmten Wandergewerbescheines ist darauf zu achten, daß der Gewerbetreibende seinen Namen eigenhändig auf den Wandergewerbeschein schreibt, und hat der Steuerempfänger auf demselben das Geschehene zu vermerken. Eine direkte Uebersendung darf in keinem Falle stattfinden. C.R. d. M. f. H., F.M. u. M. d. I. v. 20. Februar 1889. M Bl. S. 40. Die Wandergewerbescheine für inländische Gewerbetreibende, welche das Gewerbe nicht in Preußen betreiben wollen, können gleich von dem Bezirksausschuß mit dem Vermerk, daß das Gewerbe in Preußen nicht betrieben »erben soll und deshalb keine Gewerbesteuer in Preußen entrichtet sei, versehen werden. R. d. M. d. I., H.M. und F.M. v. 7. Juli 1890. »JBL S. 199. Die Kosten der Formulare zu den Nachweisungen der Anträge auf Ertheilung von Wandergewerbescheinen fallen der StaatSkaffe zur Last. R. d. H.M., F.M. u. M. d. I. v. 13. September 1888. Mitth. XXIII. S. 28. 8. Der Antrag auf Ertheilung eines LegitimationsschetnS ist direkt von der Ortsbehörde an die Regierung abzugeben. R. d. M. f. H., d. I. u. F.M. v. 24. Juni 1870. M.Bl. S. 198. 9. Wegen der Zuständigkeit in den zum Geltungsbereich des Kompetenzgesehes vom 1. August 1883 gehörigen Provinzen vergl. die Dorschrist des § 117 des Ges. v. 1. August 1883. 10. Der Gegenstand der Handlungen kommt nicht in Betracht, und ist es namentlich bei Schaustellungen unwesentlich, ob Menschen, Thiere oder andere Sehenswürdigkeiten denselben bilden. Auch ist eS prinzipiell ohne Einfluß, ob, wenn Personen zur Schau gestellt werden, die festen Lohn oder statt dessen bezw. daneben

175

Gewerbe-Ordnung § 55.

Unterhalt, einen Antheil am Ertrage der Schaustellung beziehen oder wie sonst salarirt werden.

Auch sind die Requisite des § 57 der Gew.O. keineswegs nur in der

Weise und nur dann aus die zur Schau gestellten Personen anzuwenden, wenn diese gleichfalls mit besonderen Legitimationsscheinen versehen werden.

Diese Personen be­

dürfen keines eigenen Gewerbescheines. R. d. M. d. I. u. d. F.M. v. 4. Januar 1871. 11.

M.Bl. S. 50.

Innerhalb des Grenzzollbezirkes darf ein Gewerbe im Umher­

ziehen nur dann betrieben werden, wenn die Erlaubniß dazu im Legitimationsschein bezw. Gewerbeschein ausdrücklich ausgesprochen ist. R. d. H.M. u. F.M. v. 8. Dezember 1869.

M.Bl. S. 18.

Darüber ob event, unter welchen Beschränkungen diese Erlanbniß ertheilt werden kann, hat sich die Regierung (Polizei-Präsidium zu Berlin) mit dem Provinzial-Steuerdirektor ins Einvernehmen zu sehen. Die Erlaubniß gewährt aber nur Berechtigung für den Grenzzollbezirk der betreffenden Provinzial-Steuerdirektion. R. d. H.M. u. F.M. v. 2. März 1870.

M.Bl. S. 132.

In Legitimationsscheinen, in denen als Gegenstand

de- Hausirhandels auch

solche Waaren aufgeführt sind, mit denen nach den bestehenden Vorschriften im Grenz­ bezirk nicht

hauflrt werden darf,

sind bei etwaiger Gestattung

deS Haufirens

im

Grenzbezirk diejenigen Gegenstände bestimmt zu bezeichnen, auf welche sich diese Er­ laubniß erstrecken oder nicht erstrecken soll.

Ebenso ist in demselben jedesmal aus­

drücklich zu bemerken, daß die Erlaubniß nur für diejenige Provinz Platz greift, in welcher die den Legitimationsschein ausstellende Behörde ihren Sitz hat. R. d. F.M. u. H.M. v. 16. Oktober 1877.

1.



§

In

der Fassung

M.Bl. S. 288.

55. der Gewerbeordnung v. 21. Juni 1869 lautete

§ 55 wie folgt: Wer außerhalb seines Wohnorts, gewerblichen Niederlassung und

ohne Begründung

ohne

einer

vorgängige Bestellung

in eigener Person: 1. Waaren irgend einer Art feilbieten, 2. Waaren irgend einer Art bei anderen Personen als bei Kaufleuten

oder an

anderen Orten

als

in

offenen

Verkaufs-

stellen zum Wiederverkauf ankaufen, 3. Waarenbestellungen aufsuchen, oder 4. gewerbliche oder künstlerische Leistungen oder Schaustellungen, bei welchen ein höheres wissenschaftliches oder Kunst-Jntereffe nicht obwaltet, feilbieten will, bedarf, vorbehaltlich der in den §§ 44 und 64 getroffenen Bestimmungen, eines Legitimationsscheins. Ein Legitimationsschein ist nicht erforderlich zum Verkauf oder Ankauf roher Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft, des Gartenund Obstbaues. 2. Die Vorschrift des § 55 der neuen Fassung enthält folgende Abwei­ chungen von dem § 55 der älteren Fassung. 1.

Ebenso wie im §42 ist auch hier an die Stelle des Wohnortes der Gemeindebezirk des Wohnortes gesetzt, damit nicht ferner Zweifel entstehen, wie es zn halten ist, wenn ein Gemeindebezirk auS mehreren mit eigenen Namen bezeichneten Ortschaften besteht.

Die in dieser Hinsicht Herr-

176

Gewerbe-Ordnung § 55. schende außerordentliche Verschiedenheit hat schon in der Praxis ziemlich allgemein dazu geführt, den „Gemeindebezirk", in welchem der Ge­ werbetreibende wohnt, als entscheidend festzuhalten. 2. Der höheren Verwaltungsbehörde ist nach dem Vorgänge des preußischen Gesetzes vom 3. Juli 1876, betreffend die Besteuerung des Gewerbe­ betriebes im Umherziehen rc., Ges. S. S. 247, die Befugniß beigelegt, durch besondere Anordnung die nächste Umgebung des Gemeindebezirks des Wohnortes in der hier fraglichen Hinsicht dem letzteren gleich zn stellen, so daß dann also ein Ueberschreiten der Grenze des eigenen Ge­ meindebezirks beim Ankauf von Waaren u. s. w. noch nicht als Gewerbebetrieb im Umherziehen angesehen wird. Ein Bedürfniß, von dieser Be­ fugniß Gebrauch zu machen, wird regelmäßig da vorliegen, wo mehrere Gemeindebezirke im Gemenge liegen, oder wo die nächsten Umgebungen eines Ortes zwar einem besonderen Gemeindebezirke angehören, jedoch in gewerblicher Beziehung im engsten Zusammenhange mit jenen stehen und mit ihm als ein Ganzes in Bezug auf den Verkehr thatsächlich sich dar­ stellen. Sache der zuständigen Behörde wird es sein, die einzelnen Fälle unter Berücksichtigung etwaiger Anträge der Lokal-, Kreis- rc. Behörden sorgsam zu erwägen und je nach den Umständen zu entscheiden. Anord­ nungen der bezeichneten Art werden nach Bewandtniß der Umstände durch ortsübliche Bekanntmachung oder durch die Kreisblätter, Amtsblätter u. s. w. zur Kenntniß der Betheiligten zu bringen sein. 3. Aus naheliegenden inneren Gründen verlangt der Entwurf auch für den Marktverkehr (§ 64) in den Füllen unter Ziffer 4 (Schaustellungen rc.) die gleiche Legitimation wie für den sonstigen Verkehr. 4. Im Jnterefle einer sachgemäßeren Bezeichnung wird der Ausdruck „Legitimationsschein" durch den „Wandergewerbeschein" erseht. (Motive des Gesetzentwurfs von 1882.) 3« § 55 Abs. 1.

Gewerbliche Niederlassung. Agenien. Viehhändler. Wanderlager 1.

Inhaltsangabe: Bestellung 2. Gewerbesteuerpflicht 3. Heilkunde im Umherziehen 4.

Kolportage von Bibeln bauungSschrifien 6.

und Gr­

1. Die Frage, was zur Begründung einer gewerblichen Nieder­ lassung außerhalb des Wohnorts neben der Anmeldung gehört, ist vorwiegend that­ sächlicher Natur. Vor allem muß irgend eine Veranstaltung konstatirt werden, welche die Absicht eines dauernden lokalen Gewerbebetriebes erkennen läßt. R. d. F.M. u. M. d. I. v. 16. Oktober 1875. M.Bl. S. 283. Aus § 55 bezw. § 44 der Gew O, folgt nicht, daß Jeder, welcher überhaupt eine gewerbliche Niederlassung besitzt, die int tz 55 zu 1 und 4 aufgeführten Geschäfte außerhalb seines Wohnorts unbeschränkt betreiben darf. Durch jene Worte hat vielmehr nur den vorangegangenen „außerhalb seinesWohnorts" eine Be­ schränkung hinzugefügt werden sollen. Nicht auf den Wohnort allein soll es ankommen, wenn es sich darum handelt, ob im Umherziehen Handel getrieben wird oder nicht, sondern auch eine gewerbliche Zweigniederlaflung in Betracht gezogen werden, welche der Handelnde außerhalb seines Wohnortes begründet hat. Mit Rücksicht auf eine solche Niederlassung fallen alsdann unter die im Umherziehen betriebenen Handels­ geschäfte selbstverständlich diejenigen nicht, welche am Orte dieser Niederlaflung ab­ geschloffen werden. Ein Gleiches gilt nach § 44 rückflchtlich aller derjenigen Geschäfte, welche außerhalb des Ortes der gewerblichen Niederlaflung oder unter solchen Um-

177

Gewerbe-Ordnung § 55.

ständen stattfinden. daß sie im Sinne des § 44 als eine Ausübung deS an diesem Orte betriebenen stehenden Gewerbes betrachtet werden können. Erk. d. O.T. v. 11. Juli 1872. Opp. XIII. S. 414. Die Worte „ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung" sind dahin zu verstehen, daß der Betreffende eine gewerbliche Niederlaffung an dem Orte, wo er da- Gewerbe im Augenblicke betreibt, nicht besitzt. Dgl. Commissionsbericht des Reichstages, II. Session, 1882. Die gewerbliche Niederlassung darf der Regel nach als das Domizil des Gewerbebetriebes, als der feste Sitz und'Mittelpunkt deffelben bezeichnet werden, und muß, sofern es sich nur um eine Zweigniederlassung handelt, wenigstens die Voraussetzungen eines regelmäßigen Geschäftsbetriebes für den Umfang des Ge­ schäfts am Orte der betreffenden Niederlaffung erfüllen. Ob diese Voraussetzungen im einzelnen Falle gegeben sind, ist wesentlich eine Frage thatsächlicher Feststellung. Erk. d. R-G. v. 13. Mai 1889. Reger X. S. 176. Die Bestellung eines Agenten am dritten Orte und die Uebemahme der Verpflichtung, den Verkauf daselbst an bestimmten Punkten und in regelmäßigen Zeitabschnitten vorzunehmen, begründet nicht unter allen Umständen die Annahme, daß eine gewerbliche Niederlaffung am dritten Orte erfolgt sei. Die Zweifel dar­ über werden nur dann beseitigt sein, wenn am dritten Orte eine feste Verkaufsstätte oder eine stehende Niederlage eingerichtet ist. Nach Maßgabe der konkreten Umstünde können jedoch auch andere Merkmale für die Konstatirring der gewerblichen Niederlaffung ausnahmsweise maßgebend sein. R. d. F.M. u. M. d. I. v. 11. Februar 1876. Mitth. Nr. 2. S. 45. Für die rechtliche Begriffsbestimmung deS Wohnsitzes ist ein nothwendiges Erforderniß die Absicht, ständig an einem Orte zu verbleiben. Diese Absicht wird ausgeschloffen durch den Willen, an einem Orte nur vorübergehend und nur zu dem Zwecke zu weile», sich einen bleibenden Wohnsitz anderswo zu erwerben. Einem solchen Willen gegenüber kann es nicht darauf ankommen, wenn auch die Einrichtung an dem vorübergehenden Aufenthalte in einer Weise geschieht, daß sie, abgesehen von diesem Willen, den Schluß auf die Absicht längeren Verweilens äußerlich be­ rechtigen würde. Erk. d. R. G. v. 22. Mai 1886. Reger VII. S. 325. Viehändler, welche ihr Gewerbe im Umherziehen betreiben, haben sich häufig der Verpflichtung zur Lösung eines Legitimationsscheins (Wandergewerbe-) und Gewerbescheines entzogen, indem sie ihren auswärtigen Geschäftsbetrieb als Aus­ fluß eines am Wohnorte von ihnen angemeldeten stehenden Handels darzustellen ver­ suchten. In den betreffenden Fällen ist festgestellt, daß mit dem von den Gewerbe­ treibenden selbst oder von in ihren Diensten stehenden oder sonst in ihrem Aufträge thätigen Personen außerhalb aufgekauften Vieh am Orte der gewerblichen Niederlaffung ein stehender Handel nicht betrieben wurde, sondern höchstens nur gelegentliche und vereinzelte Verkämst am Wohnorte stattfanden, während regelmäßig das im Umher­ ziehen aufgekaufte Vieh nach größeren Handelsorten (Berlin, Ham­ burg u.s.w.) geschafft und dort zum Wiederverkauf — jedoch keineswegs lediglich im Marktverkehr — feilgeboten wird, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Transport bzw. die Verladung dorthin direkt von dem Ankaufsorte oder vom Wohnorte des Gewerbetreibenden aus nach vorgängiger Einstellung in daselbst zu diesem Zwecke dienenden Staüräumen erfolgt. Das in dieser Weise be­ triebene Gewerbe ist in polizeilicher und auch in steuerlicher Beziehung als Ge­ werbebetrieb im Umherziehen zu behandeln, sofern nicht nachgewiesener9JHa rein

Deutsche Gewer-e-Orduuug. 6. Auflage.

J2

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Gewerbe-Ordnung § 55.

maßen das Feilbieten des Viehes ausschließlich im Marktverkehr erfolgt und folgeweise der tz 4 des Gesetzes vom 3. Juli 1876 zur Anwendung gelangt. Dabei wird bemerkt, daß in allen Fällen der Verkauf von Vieh auf dem Centralviehofe zu Berlin nur unter der Voraussetzung als Markwerkehr anzusehen sein würde, wenn das Vieh dort ausschließlich innerhalb der in der maßgebenden MarktPolizeiordnung bezeichneten Marktstunden zum Verkauf gestellt ist. R. d. H.M. u. F.M. v. 13. Dezember 1883. Mitth. XVH. S. 89. Für den Begriff eines Wanderlagers im Sinne des Gesetzes vom 27. Februar 1880 (Wanderlagersteuer) ist es gleichgültig, ob die Derkaufsstätte sich in einem umschloffenen Lokale befindet, oder ob die Waaren mit Erlaubniß der Polizei­ behörde auf einem öffenllichen Platze bzw. einem sonstigen freien Raume feilgeboten werden. Im letzteren Falle ist der von der zuständigen Behörde angewiesene Platz als feste Verkaufsstätte bzw. als Derkaufslokal zu betrachten. R. d. F.M. v. 28. Juni 1880. Mitth. XIV. S. 65. Zur Annahme einer festen Derkaufsstätte in diesem Sinne genügt die Auf­ stellung eines Tisches aus der Straße und die Ausstellung von Waaren auf demselben. R. v. 8. Januar 1881. Mitth. XIV. S. 67. L. Bestellung im gesetzlichen Sinne setzt individuelle Bezeichnung der bestellten Waare voraus. Eine genaue Vereinbarung namentlich in Betreff der Menge der zu liefernden Waare ist jedoch nicht erforderlich. Erk. d. O.T. v. 30. April 1873. Opp. XIV. S. 323. Eine Bestellung in diesem Sinne liegt schon dann vor, wenn die Waare an stch individuell, von andern unterscheidbar, bezeichnet und auch für die Quantität eine annähernde Grenze durch den dem Händler bekannten Bedarf des Abnehmers gezogen ist. R. d. F.M. v. 31. Januar 1882. Mitth. XIV. S. 42. Vgl. auch Erk. d. O.T. v. 3. Februar 1875 u. 13. Oktober 1876. Opp. XVI. S. 99. Opp. XVII. S. 661. Voraussetzung der Bestellung ist, daß die zu liefernde Sache wenn auch nicht individuell so doch der Gattung nach so bestimmt bezeichnet ist, daß sie von anderen Waaren gleicher oder ähnlicher Art unterschieden werden kann. Eine bestimmte Ver­ abredung über Qualität, Quantität und Preis ist nicht erforderlich. Gegenstand der Bestellung sind vorzugsweise solche Waaren, die erst verkauft und zur Auswahl vor­ gelegt werden sollen. Erk. d. K.G. v. 20. Januar 1887. Reger X. S. 6. Eine vor längerer Zeit an einen Handeltteibenden ergangene Aufforderung, bei jedesmaliger Durchreffe anzufragen, ob Gegenstände einer bestimmten Att zu ver­ kaufen seinen, stellt nicht eine, die Gewerbepflichtigkeit des Aufkaufens im Umherziehen ausschließende Bestellung dar. Erk. d. O.T. v. 30. April 1873. Opp. XIV. S. 323. Ebensowenig die ganz allgemein gehaltene Aufforderung eines Abnehmers an einen Kaufmann, ihm, wenn er an seinen Wohnott käme, Waaren mitzubringen. Erk. d. O.T. v. 29. Juli 1868. Opp. IX. S. 414. Die allgemeine Zusage des Abnehmers, von dem Kaufmanns seinen Bedarf an einer generell bestimmten Waare zu entnehmen, ist nicht eine den That­ bestand des Haustrens ausschließende Bestellung. Erk. d. K.G. v. 16. Mai 1881. Entsch. II. S. 235.

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Das Feilbieten von bestellten und an einen andern Ort gebrachten, aber vom Besteller nicht abgenommenen Waaren bei anderen Personen außerhalb des Wohnortes des Gewerbetreibenden ist als Ausübung des Gewerbebetriebes im Umher­ ziehen anzusehen. Erk. d. O.T. v. 5. Jnli 1867. Winiker Nr. 1072. Die Aufforderung eines Wirths an eine Musikgesellschaft zu künstlerischen Lei­ stungen in seinem Lokale ist eine Bestellung, sobald sich der Wirth den Musikern zu einer seinerseits zu leistenden Entschädigung verpflichtet hat, wenn dieselben auch daneben noch Beiträge der Gäste einsammeln. Erk. d. O.T. v. 28. März 1878. Opp. XIX. S. 178. Die gewerbsmäßige Veranstaltung von Singspielen, Gesangs- und deklamato­ rischen Vorträgen, Schaustellungen von Personen oder theatralischen Vorstellungen, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, (der so­ genannte Tingel-Tangel) ist durch strenge Handhabung der bestehenden Vor­ schriften und sorgfältige Beaufsichtigung möglichst einzuschränken. Unternehmer ist derjenige, welcher gewerbsmäßig für eigene Rechnung die Darbietungen veranstaltet; im Wandergewerbe hat als Unternehmer zu gelten, wer das Gewerbe für eigene oder fremde Rechnung in eigener Person selbständig aus­ übt. Als Betrieb eines stehenden Gewerbes ist das Unternehmen gemäß § 14 Gew.O. anzumelden. Sofern der Unternehmer das Gewerbe in seinen Wirthschaftsoder sonstigen Räumen ausübt, bedarf er der Erlaubniß gemäß §33a Gew.O., sofern er es auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen darbieten will, aber der vorgän­ gigen Erlaubniß gemäß § 33b a. a. O. In fremden Räumen darf das Gewerbe in der Regel nur ausgeübt werden, sofern der Besitzer der Räume die Erlaubniß aus § 33 Gew.O. erwirkt hat. Eine nur gelegentliche, nicht gewerbsmäßige Gestattung von Lustbarkeiten der gedachten Art in seinen Räumen macht den Besitzer jedoch nicht strafbar. Soll das Gewerbe im Umherziehen betrieben werden, so bedarf der Unter­ nehmer außer der Anmeldung (§ 14) eines Wandergewerbescheins (§ 55 Nr. 4. § 60 Abs. 2) und sofern er es auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten (in Schank-, Wirthschafts- und andern dem Publikum zugänglichen Räumen) ausüben will, außerdem noch der vorgüngigen Erlaubniß (§ 60). Letztere darf nur dann ertheilt werden, wenn der ordnungsmäßig ausgestellte Wandergewerbe schein vorgelegt wird und anzunehmen ist, daß durch die Vorträge u. s. w. die guten Sitten nicht verletzt werden. Ein Gewerbebetrieb im Umherziehen liegt auch dann vor, wenn der Unter­ nehmer zwar im Deutschen Reiche eine gewerbliche Niederlassung besitzt, die Ausübung des Gewerbes aber außerhalb des Gemeindebezirks seines Wohnortes und außerhalb des Ortes der gewerblichen Niederlassung erfolgt. Das Vorhandensein eines Zimmers zur Entgegennahme von Bestellungen und die Veranstaltung von Auf­ führungen an einem Orte während längerer Zeit genügt noch nicht zur Annahme einer gewerblichen Niederlassung. Als vorgängige Bestellung, welche den Begriff des Wandergewerbes aus­ schließt. kann nur ein solches Engagement gelten, wonach die volle Gegenleistung von dem Besteller übernommen wird. Ist der Unternehmer auf Eintrittsgeld oder Teller­ spenden der Zuhörer ganz oder zum Theil angewiesen, so liegt eine Bestellung nicht vor. R. d. M. d. I. v. 13. Januar 1895 (M.Bl. S. 19.) S. Die Gewerbesteuerpflicht des Gewerbebetriebes im Umherziehen ist lediglich nach den Gewerbesteuergesetzen zu beurtheilen. Der Besitz des Legitimations-

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scheins für das gesammte ReichSgebiet entbindet deshalb nicht von der Entrichtung der in den einzelnen Staaten auf dem Gewerbe lastenden Steuern. Erk. b. O.T. v. 11. Juni 1872 (Goltd. XX. S. 411) und v. 22. Dezember 1875. Opp. XVI. S. 814).

4. Wegen Ausübung der Heilstunde im Umherziehen vgl. § 56a Nr. 1 Gew.O. Es ist zwar für bedenklich zu erachten, für die Ausübung der Zahntechnik Wandergewerbescheine zu ertheilen. Hingegen wird ein Wandergewerbeschein für einzelne. nicht der Ausübung der Heilkunde angehörige Leistungen (Anfertigung künst­ licher Zähne und Gebisse u. s. w) nach den bezüglichen Bestimmungen der Gew.O. nicht versagt werden können. In dem betreffenden Wandergewerbeschein sind indeß die einzelnen bezüglichen Leistungen speziell aufzuführen und außerdem ausdrücklich zu vermerken, daß derselbe den Inhaber zu Leistungen, welche als Ausübung der Zahnheilkunde anzusehen find, nicht berechtigt. Den sog. Zahntechnikern, welche auf Grund der früher maßgebenden Be­ stimmungen eine beschränkte Approbation zur Ausübung der Heilkunde erworben haben, ist der Wandergewerbeschein in dem der Approbation entsprechenden und in demselben bezeichneten Umfange für das Preußische Staatsgebiet zu ertheilen. R. d. H.M.. M. d. I., KM- u. F.M. vom 16. Mai 1887. Mitth. XXL S. 79. 6. Reichsangehörige bedürfen für die Kolportage von Bibeln und Erbauungsfchriften außer dem Legitimationsschein nicht noch einer besonderen Ermächtigung der Provinzialbehörde. Das Vertheilen von Bibeln und Erbauungsschristen, welches unentgeltlich oder gegen eine nur die Kosten der Anschaf­ fung deckende Vergütung erfolgt, ist nicht als ein steuerpflichtiger Gewerbebetrieb anzusehen. R. d. M. d. I. und d. F.M. vom 27. Januar 1871. M.Bl. S. 117. Das Vertheilen von Bibeln, welches unentgeltlich oder gegen eine, nur die Kosten der Anschaffung deckende Vergütigung erfolgt, ist nicht als ein gewerbsmäßiger Geschäftsbetrieb anzusehen. C.R. d. H.M. u. F.M. v. 9. Juni 1849. Sch. S. 726. Auf den Antrag solcher Vereine, welche christliche Erbauungsschriften un­ entgeltlich oder gegen eine, nur die Kosten der Anschaffung deckende Vergütung vertheilen, können für die Kolporteure widerruflich steuerfreie Erlaubnißscheine ertheilt werden, welche indeß stets nur auf bestimmte nicht zu ausgedehnte Bezirke, der Regel nach nicht über den Landrathskreis hinaus zu bewilligen sind. C.R. d. H.M. u. F.M. v. 23. Januar 1851. Sch. S. 726.

Zu tz 65 Nr. 4. Wegen des Begriffs der Waaren vgl. Note 3 zu tz 55.

3» 165 Nr. S. Waareuaufkauf l. Sammeln von Subskriptionen 2. Künstlerische Leistungen. Mustker, Tyeaterunternehmer. Schauspie« ler 3.

Inhaltsangabe: Vorträge religiösen Inhalts 4. Anatomische Museen u. s. w. 5. Darstellungen au- der biblischen Geschichte 6. Unterricht im Schneidern 7.

Grundsätze bei der Ausstellung von Wandergewerbescheinen für Ge­ sellschaften, welche Mufikauffuhrungen u. s. w. darbieten wol­ len 8.

1. Als gewerbsmäßiger Waarenaufkauf im Umherziehen ist anzusehen, wenn Jemand außerhalb seines Wohnorts Kaufgeschäfte über Waaren, welche zum Zwecke des Wiederverkaufs erworben sind, durch Vereinbarung des Kaufpreises abgeschlossen hat. Dabei ist es gleichgültig, ob das Gewerbe für fremde Rechnung

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betrieben wird und ob die aufgeekausten Waaren von Verkäufern schon vorher ange­ boten oder zugesagt find. Erk. d. O.T. v. 14. Mai 11874. Opp. XIV. S. 363. Ueberhaupt macht es bei beer Beurtheilung der Strafbarkeit des Gewerbebetriebes im Umherziehen keinen Unterschied, ob das Gewerbe für eigene oder für fremde Rechnung betrieben wrird. Erk. d. O.T. v. 12. Seprtember 1873 (Opp. XIV. S. 527) und vom 17. Ja­ nuar 1879 (Opp. XX S. 39). Die Strafbarkeit wird audfo dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Aufkäufer fich vor dem Erstehen der Waare eimes bestimmten Wiederverkäufers versichert gehabt hat. Erk. d. O.T. v. 19. Aprril 1871. Winiker Nr. 1097. Ob der Wiederverkauf der aufgekauften Waaren im Jnlande oder im Aus lande erfolgt, ist gleichgülttig. Erk. d. O.T. v. 24. Oktwber 1873. Opp. XIV. S. 669. Der Aufkauf von Eichelm außerhalb des eigenen Wohnortes von einer Mehr­ zahl von Personen zum Zwecke des Wiederverkaufs mit Gewinn genügt, Gewerbe­ betrieb und Gewerbesteuerpflicht zu begründen, auch wenn kein dauernder Geschäfts­ betrieb beabsichtigt ist. Erk. d. R.G. v. 25. Febiruar 1880. I. S. 390. 2. Das Sammeln vom Subskriptionen zu einem im Drucke herauszugebenden Werke oder zur EingeHung eines Abonnements auf eine Zeitschrift enthält ein Suchen don Waarenbestellunrgen. Erk. d. O.T. v. 7. Mai 1864. Opp. IV. S. 501. 3. Wer künstlerische Leistungen, bei welchen ein höheres Kunstinteresie nicht obwaltet, außerhalb seines Wohnorts ohne Begründung einer gewerblichen Niederlasiung und ohne vorgängjige Bestellung feilbietet, bedarf hierzu keines Legitimationsscheins, wenn er dazu vom dem konzesstonirten Unternehmer eines stehen­ den Gewerbes für längere Zeit in der Weise vertragsmäßig engagirt ist, daß er dafür nicht den Ertrag der Schmustellung, sondern einen festen Lohn erhält. Erk. d O.T. v. 2. Janumr 1873. Opp. XIV. S. 3. Deshalb sind auch ortsfremde Musiker nicht als legitimations- und gewerbesteuerpflichtig anznsehen, wenn siie — sei es allein oder mit anderen in der Stellung von Gehülfen zu ihnen gehörenden Musikern — von einem zur Veranstaltung von Musikaufführungen befugten Inhaber eines Schank- oder Restaurationslokals dazu engagirt sind, in diesem Lokal gtegen ein vom Inhaber zu zahlendes Honorar ohne Theilnahme an dem Ertrage deK etwaigen Eintrittsgeldes und ohne Sammlung von Gaben bei den Gästen musikalisähe Vorstellungen zu geben. R. d. F.M. und M. d. I. v. 13. März 1874. M.Bl. S- 114. Dagegen bedarf ein Theater-Unternehmer, welcher außerhalb seines Wohn­ ortes theatralische Vorstellungen- veranstaltet, bei denen ein höheres künstleri­ sches Interesse nicht obwal tet, eines Legitimations- und Gewerbescheins, selbst roemt er an dem betreffenden Orte in einem eigens dazu errichteten Gebäude und während eines bestimmten Jahnesabschnittes seine Vorstellungen giebt. In gleicher Weise bedürfen die von ihm getgen ein bestimmtes Honorar engagirten Schauspieler des Hausirgewerbescheins. Erk. d. O.T. v. 10. Mmrz 1875. Opp. XVI. S. 208. Schauspieler, welche außerhalb ihres Wohnortes und ohne Begründung einer gewerblichen Niederlasiung ihre Vorstellungen geben, sind der Regel nach der Steuer

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Gewerbe-Ordnung § 55.

vom Gewerbebetriebe im Umherziehen unterworfen. Damit ausnahmsweise Steuerfreiheit eintrete, bedarf es des besonderen Nachweises, daß bei den künstlerischen Leistungen ein höheres Kunstinterefle obwaltet. Zur Erbringung dieses Nachweises genügt es nicht, daß mehraktige Schau-, Trauer- und Lustspiele zur Aufführung ge­ bracht sind und daß in dem Stadttheater einer größeren Stadt gespielt ist. Erk. d. O.T. v. 15. Oktober 1878. J.M.Bl. S. 195. 4. Das Halten von Vorträgen religiösen Inhalts gegen Geldentschä­ digung ist nicht für eine gewerbliche Leistuug zu erachten. Erk. d. K.G. v. 15. Oktober 1885. VL S. 236. 5.

Hinsichtlich der unter der Bezeichnung: anatomisch-pathologische Mu-

feen, Panoptiken, Wachsfigurenkabinette rc. besonders im Umherziehen auf Jahrmärkten u. s. w. vorgeführten Schaustellungen sind nachstehende, allgemeine An­ ordnungen getroffen: 1. Es ist für die Zeit vom Kalenderjahr 1888 ab bei Ertheilung von Mandergewerbescheinen zu sogenannten anatomisch-pathologischen Museen, Panoptiken, Wachsfigurenkabinetten und dergleichen, sowie bei der Ausdehnung solcher in anderen Bundesstaaten ausgestellten Wandergewerbescheine die zur Schau­ stellung von Nachbildungen des menschlichen Zeugungs-, Entwicklungs- resp. Geburtsprozesies und von Darstellungen geschlechtlicher Krankheiten über­ haupt auszuschließen, sowie ferner ausdrücklich, darauf hinzuweisen, daß die Vorführung sinnreizender Nuditäten oder sonstiger das Schamgefühl ver­ letzender Objekte nicht gestattet ist. 2. Gegenüber den im Wege des stehenden Gewerbebetriebes zur Schau gestellten sogenannten anatomisch-pathologischen Museen u. s. w. ist von Beginn des Kalenderjahres 1888 ab nach den sub 1 angegebenen Grundsätzen ebenfalls zu verfahren und das Erforderliche durch eine jedesmal an den betreffenden Unternehmer zu erlaffende ortspolizeiliche Verfügung besonders festzusetzen. 3. Für die Zeit bis zum Beginn des Kalenderjahres 1888 ist im Wege geschärster polizeilicher Kontrole bezw. geeigneter Exekutivmaßnahmen überall dafür Sorge zu tragen, daß in anatomisch-pathologischen Museen u. s. w. sinnreizende Nuditäten überhaupt nicht. Nachbildungen des menschlichen Zeugungs-, Entwicklungs. resp. Geburts-Prozeffes, Darstellungen geschlecht­ licher Krankheiten und andere zur Verletzung des Schamgefühls geeignete Objekte aber jedenfalls nur in abgetrennten oder ausschließlich für völlig erwachsene männliche Personen reservirten Räumen zur Schau gestellt werden. 4. Auf Schaustellungen, welche ihrer Zusammensetzung oder Zweckbestimmung nach höheren Jntereffen der Wissenschaft dienen, finden die vorstehenden Anordnungen keine Anwendung. R. d. M. d. I., K.M., H.M. u. F.M. v. 21. Februar 1887. 6. Oeffentliche Darstellungen aus der biblischen Geschichte sind verboten. R. d. F.M. u. M. d. I. v. 8. Oktober 1875 (M.Bl. S. 271). Vgl. auch Cirk.Erl. d. M. d. I. v. 29. Juli und 8. September 1817 (Annalen Bd. 1 S. 175) und Erl. d. M. d. I. u. F.M. vom 31. Dezember 1866 (M.Bl. 1867 S. 22). 7. Da das Schneidern keine Kunst, sondern ein Handwerk ist, auch ein Unterricht darin ohne gleichzeitige Ausübung des Handwerks nicht gedacht werden

Gewerbe-Ordnung § 55.

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kann, so darf derselbe ohne Lösung eines Gewerbescheins umherziehend nicht geduldet werden. R. d. M. d. Z. u. F.M. v. 29. Mai 1829. Sch. S. 682. 8. Bei der Ausstellung von Legitimationsscheinen zum Gewerbebetrieb im Umherziehen für Gesellschaften, welche Mufikaufführungen, Schaustellungen, theatra­ lische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten öffentlich darbieten wollen, ist nach folgenden Grundsätzen zu verfahren. a) Es können sowohl gemeinsame Legitimationsscheine für die Gesell­ schaft als solche, wie auch, anderen Stelle, besondere Legitimations­ scheine für die einzelnen Mitglieder ausgefertigt roerbat. In letztere kann ein Vermerk aufgenommen werden, nach welchem den Inhabern der GeWerbebetrieb überhaupt nur im Verbände einer Gesellschaft überhaupt oder im Verbände einer bestimmten Gesellschaft gestattet sein soll. Wie hiernach die Ausstellung im einzelnen Falle erfolgt, bleibt von dem Antrage des Gewerbetreibenden abhängig. In dem Legitimattonsscheine für den Unter­ nehmer einer Schauspielergesellschast ist ausdrücklich zu vermerken, daß der Gewerbetteibende als Unternehmer auftreten will. b) In dem für den einzelnen Gewerbetreibenden ausgefertigten Legitimationsscheine sind Vermerke, welche den Gewerbebetrieb auf die Ausübung in einem Gesellfchastsverbande beschränken, beispielsweise der Vermerk: „als Mitgved einer Musik- (Schauspiä- u. f. w.) Gesellschaft" oder „als Mitglied der Muflkgesellschast des N. N.", in den für die nähere Angabe des beabstchttgen Gewerbebetriebs vorbehattenen Raum einzutragen. In den für Gesellschaften ausgefertigten gemeinsamen Legitimationsscheinen ist an der gleichen Stelle der Vermerk „als Unternehmer einer Musik- (Schauspielu. s. w.) Gesellschaft, welche aus den auf Blatt 2 bezeichneten Mitgliedern besteht", vorzuttagen und ein Verzeichniß der Mitglieder nach Namen und Personenbeschreibung zu geben. Cirk.R. d. H.M., M. d. I. u. F.M. v. 4. August 1879. Mitth. XIV. S. 49.

3u § 55 9tr. 3, Wahrsagen 1. Religiöse Wandcrvcrträge 1 a. Vorzeigung von Menschen 2.

Inhaltsangabe: Veranstaltung einer öffentlichen Ausspielung 3.

Schaustellung von Feuerwerken 4. Strafvorschnfl 5.

1. Das Wahrsagen ist nicht zu denjenigen Leistungen zu zählen, deren Betrieb im Umherziehen gestattet ist. und dürfen deshalb zu diesem Betriebe Legitimationsscheine nicht ertheilt werden. R. d. M. d. Z. und. F.M. v. 11. Februar 1873. M.Bl. S. 62. Sobald es gewerbsmäßig, sei es im stehenden Betriebe oder im Umherziehen, ausgeübt wird, unterliegt es der Sttafbestimmung des § 360 Nr. 11 des Strafgesehbuchs. R. d. M. d. Z. v. 14. Oktober 1873. M.Bl. S. 303.

la. Religiöse Wandervorträge sind keine gewerblichen Leistungen. Als gewerbliche Leistungen im Sinne der betreffenbat Vorschrift der Gew.O. sind nur solche anzusehen, welche nicht auf geistigem Gebiete liegen. Erk. d. K.G. v. 15. Oktober 1885. Reger VIII. S. 8. 2. Die öffentliche Vorzeigung von Menschen soll, abgesehen von et­ waigen anderweiten Bedenken, nur dann gestattet werden, wenn das zur Schau zu stellende Individuum sich erweislich bereits in dem Alter befindet, welches nach den

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Gewerbe-Ordnung § 55 a.

§ 55 a. An Sonn- und Festtagen (§ 105a Absatz 2) ist der Gewerbe­ betrieb im Umherziehen, soweit er unter § 55 Absatz 1 Ziffer 1—3 fällt, sowie der Gewerbebetrieb der im § 42b bezeichneten Personen ver­ boten. Ausnahmen können von der unteren Verwaltungsbehörde zugelassen werden. Der Bundesrath ist ermächtigt, über die Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen Ausnahmen zugelassen werden dürfen, Bestim­ mungen zu erlassen. LandeSgesehen eine völlig freie DiSposttionsfreiheit verleiht, und außerdem die Polizei­ behörde sich auf zuverlässige Weife versichert hat, daß ein solches Individuum wirk­ lich aus stetem Willen sich der öffentlichen Vorzeigung unterwirft. Cirk.R. d. M. d. I. v. 29. November 1829. Sch. S. 677. Die vorstehende Verfügung findet auch dann Anwendung, wenn ein Vater seine eigenen Kinder öffentlich für Geld zeigen will. Cirk R. d. M. d. I. v. 19. August 1833. Sch. S. 677. 3. Die Veranstaltung einer öffentlichen Ausspielung im Sinne des § 286 des Strafgesetzbuches fällt nicht nothwendig unter den Begriff einer Schaustellung oder sonstigen Lustbarkeit im Sinne des § 55 Nr. 4 Gew.O. Eine Lotterie oder Ausspielung unterliegt als öffentliche der Bestimmung des § 286 St.G.B., sobald über einen individuell begrenzten Personenkreis hinaus der Erwerb der Loose einer der Zahl und den Individuen nach unbestimmten Personenmehrheit zugänglich ge­ macht ist. Es ist nicht erforderlich, daß es an einem öffentlichen Orte oder sonst unter Benutzung deS Mittels deS öffentlichen Verkehrs stattfindet. Um aber einer öffentlichen Ausspielung den Charakter einer Schaustellung oder Lustbarkeit beizulegen, müssen nothwendig äußere Veranstaltungen hinzutteten. welche darauf berechnet sind, die Schaulust oder Spiellust des größeren Publikums anzuregen, die Ausspielung zum örtlichen Mittelpunkt einer am Schauen oder Spielen stch ergötzenden Menge zu machen. Erk. d. R.G. v. 8. April 1886. Reger VII. S. 9. Das Auswürfeln bezw. Ausspielen von Gegenständen auf Jahrmärkten, Schützenfesten, Vollsfesten und ähnlichen Gelegenheiten fällt unter den § 55 Nr. 4. Cirk.R. d. H.M., M. d. I. u. F.M. v. 29. Junt 1882. M.Bl. S. 223. 4. Gewerbescheine zur Schaustellung von Feuerwerken find nur solchen Personen zu bewilligen, welche ihre Geschicklichkeit und Umsicht bei dergleichen Pro­ duttionen genügend dargethan haben. Außerdem sind die feuerpolizeilichen Rücksichten und die öttlichen Verhältnisse zu beachten. Cirk.R. d. M. d. I. u. F.M. v. 6. Januar 1841. Sch. S 689. 5.

Die bezügliche Strafvorschrist ist enthalten im § 148 Nr. 7 Gew.O.

Zu | 55a. 1. Diese Vorschrift ist durch das R.Ges. vom 1. Juni 1891 (R G Bl. S. 261) eingeschaltet. Sie ist, soweit es sich um die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen handett, für das Handelsgewerbe mit dem 1. April 1892, im Uebrigen mit dem 1. Juli 1892 in Kraft getreten. (Art. 9 a. a. O. V. v. 28. März 1892. R.G.B1. S. 339.) 2.

Die bezügliche Strafvorschrist ist in § 146 a Gew.O. enthalten.

Gewerbe-Ordnung § 56.

8 56.

185

Art. 12. R. Ges. v. 6. August 1896.

Beschränkungen, vermöge deren gewisse Waaren von dem Feilbieten im stehenden Gewerbebetriebe ganz oder theilweise ausgeschlossen find, gelten auch für deren Feilhalten im Umherziehen.

Zu § 5«. 1.

Durch

das Reichsgesetz v. G. August 1896 ist die Vorschrift bezüglich der

Druckschriften geändert, auch an eine andre Stelle gesetzt (früher Nr. 10).

Nr. 10,11

sind neu hinzugetreten.

la. In der Fassung der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 lautete §56 wie folgt. Ausgeschlossen vom An- und Verkauf im Umherziehen sind: 1. 2.

geistige Getränke aller Art; gebrauchte Kleider und Betten, Garnabfälle, Enden und Dräumen von Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle, Bruchgold und Bruchsilber;

3. Spielkarten, Lotterieloose, Staats- und sonstige Werthpapiere; 4. Schießpulver, Feuerwerkskörper und andere explosive Stoffe; 5.

Arzneimittel. Gifte und giftige Stoffe. Der Bundesrath ist befugt, soweit ein Bedürfniß obwaltet, anzuordnen, daß die Erlaubniß zum Verkauf oder Ankauf der einzelnen ausge­ schlossenen Gegenstände ertheilt werde. Der Bundesrath und in dringenden Fällen der Bundeskanzler nach Einvernehmen mit dem Ausschluß des Bundesrathes für Handel und Verkehr, ist befugt, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der Gesundheitspflege anzuordnen, daß auch andere Gegenstände inner­ halb einer zu bestimmenden Frist nicht tut Umherziehen feilgeboten oder an­ gekauft werden dürfen.

2. Die Vorschrift des § 56 soll verhindern, daß der Hausirer günstiger behattdelt wird als der stehende Gewerbetreibende. Zu den explosiven Stoffen sind insbesondere zu rechnen: Schießbaumwolle und Collodiumwolle, Zündschnüre, Knall­ silber, Knallquecksilber,

Knallgold,

Pyropapier

(sog. Düppeler Schanzen-Papier),

Nitroglycerin, Pikrinsäure Salze, Zündblättchen u. s. w. nach Analogie der Bestimitmtnjeit des Eisenbahnbetriebs-Reglements vom 11. Mai 1874 (Eentralblatt für das Deutsche Reich für 1874 S. 192) und der späteren Ergänzungen (vgl. Centralblatt für 1876 S. 223, für 1880 S. 452, für 1881 S. 261). Die Vorschrift im Schlußabsah ist unentbehrlich, damit die untersten Kontrolorgane sofort erkennen können, hält.

ob der Hausirer sich in den Schranken des Gesetzes

Auf diese Weise erst wird einerseits eine wirkliche Kontrole möglich gemacht,

und andererseits der Hausirer gegen Mißgriffe geschützt.

Wollte der Hausirer etwa

dazu übergehen, feste Bestellungen auf Druckschriften oder Bildwerke, welche nicht in dem Verzeichnisse stehen, unter Vorlegung dieser Druckschriften rc. als Proben zu suchen, so würde dies deut Gesetze widersprechen.

Zwischen dem Verkaufe mitgeführter

und sogleich zu übergebender Gegenstände und dem Abschluß des Verkaufs über dem­ nächst erst zu überliefernde Waaren besteht nur der Unterschied des Zeitpunktes der Nebergabe.

Dem Hausirer wird es also nicht gelingen, auf diesem Wege das Verbot

zu untgehen. Wären die Bestellungen aber keine festen, wären insbesondere die zu liefernden Druckschriften rc. nicht zuvor vom Käufer individuell bestimmt, so würde das

186

Gewerbe-Ordnung § 56.

Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen find: 1. geistige Getränke, soweit nicht das Feilbieten derselben von der Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedürfniffes vorüber­ gehend gestattet ist; 2. gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche, gebrauchte Betten und gebrauchte Bettstücke, insbesondere Bettfedern, Menschenhaare, Garnabfälle, Enden und Dräumen von Seide, Wolle, Leinen oder Baumwolle; 3. Gold- und Silberwaaren, Bruchgold und Bruchfilber, sowie Taschenuhren; Verbot des § 56 in dem Augenblicke übertreten werden, m welchem der Haussier die Druckschriften re. an den Käufer verkaufen würde. Nicht unter das Verbot fallen würde dagegen das Aufsuchen von Bestellungen der letzteren Art und deren Effektuirung durch die Post. Die Landesregierungen haben nach der Organisation ihrer Verwaltung zu be­ stimmen, welche Behörden mit der Genehmigung des DruckschriftenVerzeichnisses zu betrauen sind. Wird die Genehmigung bezüglich des ganzen Verzeichnisses oder einer einzelnen Druckschrift tc. versagt, so steht dem Gewerbetreibenden gemäß § 63 dieserhalb die Beschwerde zu, welche selbstverständlich keinen Suspensiveffekt dahin haben kann, daß der Gewerbetreibende einstweilen mit der beanstandeten Druckschrift rc. Hausiren dürste. Die Verpflichtung des Gewerbetreibenden, das Verzeichniß auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen, und sofern er hierzu nicht im Stande ist. den Betrieb auf deren Geheiß bis zur Herbeischaffung des Verzeichnifles einzustellen, entspricht den analogen Vorschriften in Betreff des WandergewerbescheineS (§ 60 c). Die Bestimmungen der Absätze 2, 3 des §56b alter Fassung finden sich in dem § 56b der neuen Fassung wieder. Vgl. Motive zum Gesetzentwurf von 1882. 3. Den Polizeibehörden steht nicht das Recht zu, von ihnen ausgewählte Gegenstände vom Feilbieten im Umherziehen dauernd auszuschließen. R. d. M. d. I. u. H.M. u. d. M. d. g. A. v. 20. Januar 1894. M.Bl. S. 29.

3« § 56 Rr. 1. Unter geistigen Getränken im Sinne des §56 sind alkoholhaltige Getränke zu verstehen. Darunter ist Bier im Allgemeinen zweifellos einbegriffen. Wenn Jungdier beim Verkauf an die Konsumenten noch nicht genießbar bezw. nicht für Jeden genießbar ist, dies vielmehr erst nach längerem oder kürzerem Stehen wird, nachdem die Gährung und damit die Alkoholbildung vorgeschritten ist, verliert daffelbe dadurch nicht die Eigenschaft eines Getränkes, da unter Getränk jede Flüssigkeit zu verstehen ist. welche zum Trinken dient bezw. dazu bestimmt ist. auch wen» sie nicht sofort und ohne Weiteres genießbar ist. Da in dem Jungbier in Folge des Zusatzes von Hefe die Alkoholbildung bereits begonnen hat. ist daffelbe zu den geistigen Getränken zu rechnen. Erk. d. O.V.G. v. 31. Janur 1889.

Gewerbe-Ordnung § 56.

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4. Spielkarten; 5. Staats- und sonstige Werthpapiere, Lotterieloose, Be­ zugs- und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lot­ terieloose; Zu § 56 Nr. 2. Unter „Settfebern" sind nur solche Bettsedem zu verstehen, welche unter den allgemeinen Begriff „gebrauchter Bettstücke" fallen (mithin nur gebrauchte Bettfedern). Erk. d. DJ93.@. v. 11. Mai 1885. Reger VI. S. 389.

Zu K 56 Rr. 5. Inhaltsangabe: Allgemeine Gesichtspunkte betreffend setzung und Begriff der Oeff entLotterie, Ausspielung und lichkeit 4. de- Glück-spiel- 1.Verbindung derselben mit der Kol» Zweck deS Zuständigkeit der Behörden bin. portage von Druckschriften. Ansichtlich der Zulaffung von LotWeisung auf Zufall-gewinne. terie-Unternehmunaeu. Voraus« PreiSräthsel 5. setzungen der Zulaffung dersel- Verloosung zum Zweck der AuSeinben 2. anbtrfcfcung 6. Handel mit Loosen der Absatz von Loosen. Einnahme von StaatSlorterie (Ges. v-16. Einsätzen 7. August 1891) 3. Verkauf von Antheilscheinen 8. DaS Spiel in auswärtigen Verkauf von vrämienloofen 9. Lotterien 3a. Promeffeuverkauf 10. Begriff der Lotterie. BorauS« Ausspielungen 11.

Glück-buden 12. Ausspielung in engerem Kreise 13. unternehmen- 14. Gemisch von Ausspielung und Lot» terie 15. Genehmigung durch eine unzuständige Behörde 16. Gegenstand der Gewinne (Edelmetall) 17. Glücksspiele 18. Totalisatoren 19. GewerbSmähiakett 20. Kartenspiele 91. Feilhalten von Wertpapieren 22.

1. Unter „Lotterie" ist eine Verloosung zu verstehen, von deren Ausfall es abhängt, einen Geldgewinn zu erzielen oder den Einsah zu verlieren. Eine solche kann mm entweder in einem geschlossenen Privatzirkel stattfinden oder öffenttich veranstaltet werden. Im ersteren Falle kommt sie für das öffentliche Recht nur insoweit in Betracht, als die für die Glücksspiele im Allgemeinen geltenden gesetzlichen und Derwaltungsvorschristen auf sie Anwendung finden. Die Veranstaltung einer öffent­ lichen Lotterie liegt dann vor, wenn Jemand mit einer Mehrheit individuell nicht bestimmter Personen, welche nicht einen Privatzirkel bilden, gewagte Verträge schließt, durch welche er die Hoffnung auf den zukünftigen Erwerb eines von ihm zu ge­ währenden VermögenSobjekteS für einen gewissen Preis in der Art verkauft, daß der Eintritt oder Nichteintritt des Erwerbes durch daS Loos entschieden wird. Daß ein und dasselbe Derkaufsobjekt den Gegenstand mehrerer mit Dritten abgeschloffener Vertrüge bilde und unter einer Mehrheit von Spielern, welche mit dem Veranstalter der Lotterie kontrahirt haben, ausgespielt werde, ist nicht erforderlich. Es genügt, daß eine einzige Person auf einen Gegenstand den Einsah macht und die Betheili­ gung noch anderer Spieler für denselben Gegenstand vertragsmäßig ausgeschloffen ist, und es kommt nur darauf an, daß das einzelne Geschäft ein dem § 528 I. 11 des Allg. Landrechtes entsprechender Hoffnungskauf ist, bei welchem die Entscheidung über die Realisation der gekauften Hoffnung vom Loose abhängt. Es kommt auch nicht darauf an, durch wen die Ausspielung bewerkstelligt wird; auch ist es gleich­ gültig, ob dieselbe bei einem anderen Unternehmer stattfindet, ebenso wie es ohne Einfluß ist, ob die näheren Bestimmungen der Ausloosung sich nach dem Plane eines anderen bestehenden Lotterie-Unternehmens richten. Es ist ferner ohne Erheblichkeit, ob bei Abschluß der Verträge der Hoffnungskauf mit einem gewöhnlichen Sachenkaufe bezüglich derselben Werthpapiere verbunden und die Gültigkeit des einen Kaufs an die des anderen geknüpft wird. (Erk. d. R.G. v. 21. September 1885. J.M.Bl. 1886 S. 25.) Den Lotterien werden die öffentlich veranstalteten Ausspielungen

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Gewerbe-Ordnung § 56.

beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich geachtet. Nicht die Form, fonbem der Gegenstand der Verloosung bildet hier den Unterschied gegenüber den Lotterien. Eine öffentliche Ausspielung gilt dann als veranstaltet, wenn der Ziehungsplan festgestellt bezw. die Gewinne bezeichnet und die Loose Anderen zur Erwerbung zugänglich ge­ macht sind. (Erk. d. R.G. v. 9. Februar 1882 und 22. November 1883. Entsch. V. S. 432. IX. S. 202.) Die früher in Preußen geltende, formell schon durch das Reichs­ strafgesetzbuch aufgehobene Kabinetsordre vom 20. März 1827 bezeichnete als erlaubte Privatausspielungen im Gegensatze zu den verbotenen öffentlichen solche, welche in Privatzirkeln zum Zwecke des geselligen Vergnügens oder der Mildthätigkeit unter­ nommen werden. — Als Veranstalten einer öffentlichen Lotterie ist anch das öffent­ liche Ausbieten von Antheilen an der einzelnen Verloosung einer Prämienanleihe an­ zusehen. Der gesetzgeberische Grund, welcher dazu geführt hat, die Lotterien bezw. Ausspielungen abweichend von anderen Glücksspielen zu behandeln und insbesondere auch das gewerbsmäßige Veranstalten und Betreiben von Lotterien unter obrigkeit­ licher Erlaubniß zuzulaffen, liegt offenbar darin, daß die mit dem Glücksspiele häufig verbundenen wirthschastlichen und sittlichen Schäden bei der Lotterie zurücktreten. Namentlich kommt der Umstand in Betracht, daß bei den Lotterien, wie sie sich that­ sächlich gestaltet haben, zwischen dem Einsetzen und der Gewinnverloosung bezw. den einzelnen Ziehungsakten ein längerer Zeitraum liegt, während bei den sonst üblichen Glücksspielen die sofort erfolgende Zufallsentscheidung die Möglichkeit fortgesetzter Wiederholung der Einsätze und damit eine Steigerung von Gewinn und Verlust ins Ungemeffene gewährt, sonach zur Anregung bezw. Förderung der Leidenschaft führen kann. 2. Durch den Allerhöchsten Erlaß vom 2. November 1868 wurde die Zu­ ständigkeit der Behörden hinsichtlich der Znlaflung von Lotterie-Unternehmungen in folgender Weise geordnet. Die Gestattung der Ausspielungen geringfügiger Gegenstände, welche bei Volksbelustigungen vorgenommen werden, ist in die Hand der Orts­ polizeibehörde gelegt. Lotterien und Ausspielungen für den Umfang einer ganzen Provinz oder eines Theiles derselben sind der Genehmigung der Oberpräsidenten unterstellt. Die Konzession für den Gesammtumfang der Monarchie kann nur vom Minister des Innern ertheilt werden. In Ausführung dieses Erlasses wird in dem Cirkularreskripte des genannten Ministers vom 14. November 1868, M.Bl. S. 304, darauf hingewiesen, daß bezüglich der auswärtigen Lotterien die Vorschriften der Kabinetsordre vom 5. Zuli 1847, Ges.S. S. 261, und der Verordnung vom 25. Juni 1867, Ges.S. S. 925, wonach für die Zulaffung derselben jedesmal die Genehmigung des Landesherrn erforderlich ist, maßgebend bleiben, während hinsichtlich der inländischen Lotterien die in der Kabinetsordre vom 20. März 1827, Ges.S. S. 29, für die älteren Landestheile getroffenen Bestimmungen in Anwendung gebracht werden sollen. Demgemäß durfte die Ausspielung von Grundstücken unbe­ dingt nicht zugelaffen und die öffentliche Ausspielung beweglicher Gegen­ stände, mit Ausschluß von Geldgewinnen, nur in einzelnen Fällen, insbesondere zur Unterstützung wohlthätiger, gemeinnütziger oder patriotischer Zwecke oder zur Förderung des Kunstfleißes, von den Oberpräsidenten genehmigt werden. Bei der Bewilligung landwirthschaftlicher Verloosungen wurde die Direktive gegeben, daß unter den einzelnen Kreisen eines Regierungsbezirkes bezüglich landwirthschaftlicher Feste und Thiierschauen, mit welchen dergleichen Ausspielungen verbunden werden, in angemessener Weise ein gewiffer Turnus zu beobachten und der Ankauf der zu verloosenden Gegenstände auf landwirthschastliche Gegenstände (Produkte, Vieh, Geräthschaften u. s. w.) zu beschränken sei. Die Ver­ bindung von Ausspielungen mit Gewerbe- und Industrieausstellungen

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Gewerbe-Ordnung § 56.

soll nur mit der Maßgabe zugelassen werden, daß sich die Auswahl der anzukaufenden Verloosungsgegenstände

aus solche Ausstellungsobjekte richtet, welche durch Neuheit,

Zweckmäßigkeit oder mustergültige Ausführung

ausgezeichnet sind,

deren Bekannt­

werden daher bildend und anregend wirken kann. Dieser Grundsatz wurde in einer Cirkularverfügung des Finanzministers und des Ministers des Innern vom 31. März 1843 (M.Bl. S. 130) mit noch größerer Strenge zur Geltung gebracht und der Antrag des Vorstandes eines Gewerbevereines, ihm bei seinen Gewerbeausstellungen

regelmäßig

eine Verloosung der ausgestellten

industriellen Erzeugnisse zu gestatten, mit der Begründung abgelehnt, daß die Ver­ bindung derartiger Ausspielungen mit den Ausstellungen dem Interesse der letzteren nicht ohne Weiteres förderlich erscheine. Der Zweck derselben sei hauptsächlich darauf gerichtet, preiswürdige Erzeugnisse der Industrie allgemein bekannt zu machen, da­ durch den Wetteifer unter den Fabrikanten zu erwecken und denjenigen, welche bei gleicher Güte am billigsten liefern, einen Absatz nach Maßgabe der wirklichen, auf dem Bedürfnisse bemhenden Nachfrage zu verschaffen.

Wenn nun Verloosungen mit

Ausstellungen verbunden würden, verlören letztere ihren ernsteren, auf eine nachhaltige Förderung der Gewerbsthätigkeit

gerichteten Charakter,

da

werbetreibenden mehr bemühten, Künsteleien und Spielereien, loosung besser eignen,

als

solide und möglichst

sich

dann die Ge­

die sich für die Ver­

wohlfeil hergestellte Waaren

zur

Ausstellung zu schicken, was dann den reellen Gewerbetreibenden die Theilnahme an denselben verleide. Die in späterer Zeit bei den mit landwirthschaftlichen Ausstellungen verbundenen Lotterien häufig vorgekommenen Mißbräuche, namentlich auch die über­ mäßig

starke Vermehrung

dieser Lotterien überhaupt,

gaben im Jahre 1875 dem

Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten Veranlassung, in einem unter dem 3. November an die landwirthschaftlichen Zentralvereine gerichteten Erlasse auf eine angemessene Repression hinzuwirken. in

beschränkter Zahl

bei

Ursprünglich fanden dergleichen Lotterien nur

größeren Ausstellungen und Versammlungen

statt.

Sie

sollten ein Mittel sein, neuere vorzügliche landwirthschaftliche Maschinen und Geräthe sowie ausgewählte Zuchtthiere unter das landwirthschaftliche Publikum zu brin­ gen,

da bei denselben nicht so viel Einsicht und Neigung zum gewerblichen Fort­

schritte vorausgesetzt werden durste, daß man ohne übermäßigen Geldverlust solche Gegenstände durch Versteigerung hätte absetzen

können.

Später wurden indeß der­

artige Verloosungen bei jeder, selbst der kleinsten Ausstellung veranstaltet, so daß sie vielfach zu reinen Finanzspekulationen ausarteten, welche in der Auswahl der Ge­ winne und

im Vertriebe

der Loose! kaum mehr an

den ursprünglichen Zweck der

Förderung des landwirthschaftlichen Fortschrittes erinnerten.

Es bethätigte sich viel­

fach das Bestteben, durch unverhältnißmäßig geringen Werth der Gewinne gegenüber der Zahl und dem Preise der auszugebenden Loose einen in Berücksichttgung des mit den Loosen meistens verknüpften freien Eintrittes zu den Ausstellungen nicht berech­ tigten Neberschuß für die Dereinökasse zu erzielen,

wobei auch die Auswahl der zu

Gewinnen bestimmten Gegenstände häufig die gebührende Rücksichtnahme aus die be­ sondere landwirthschaftliche Veranlassung der Verloosung vermissen ließ. Der Minister machte deshalb den Centralvereinen daß derartige Mißbrauche

nachdrücklich bemerklich (vgl. M.Bl. S. 292),

in Zukunft

sämmtlicher Ausstellungslotterien

abzustellen seien,

erfolgen müsse.

Es

widrigenfalls das Verbot solle daher nach Kräften

dafür gesorgt werden, daß diese Lotterien nach Möglichkeit eingeschränkt und ihrem ursprünglichen Zwecke erhalten blieben. In Veranlassung

der

häufigen Abweichungen

der Unternehmer von den ge

nehmigten Ausspielungsplänen, welche von Aufsichtsbehörden nicht rechtzeitig bemerkt

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Gewerbe-Ordnung § 56.

tourbcn, sah sich der Minister des Innern genöthigt, im Anschlufle an den Cirkularerlaß vom 14. November 1868 durch ein Cirkularreskript vom 11. April 1876, M.Bl. S. 113, eine Verschärfung der Kontrole bei öffentlichen Ausspielungen an­ zuordnen. Es wurde insbesondere bestimmt, daß in jeder Erlaubniß zur Veranstal­ tung einer Lotterie ausdrücklich das Verbot der Aussetzung von Prämien in Geld oder Immobilien aufzunehmen sei. Geldprämien sollten nicht einmal mittelbar durch Bezahlung des Werthes der verloosten Gegenstände oder Rückzahlung der Einsätze an den Loosinhaber gewährt werden. Die Genehmigung solcher Ausspielungen. für deren Ertheilung die Oberpräsidenten zuständig waren, sollte an die ausdrückliche in die Loose sowie in die Prospekte aufzunehmende Bedingung geknüpft werden, daß der Vertrieb der Loose auf den Umfang der Pwvinz, für welche die Erlaubniß ertheilt wurde, beschränkt bleiben müffe. Die Genehmigung durfte nur auf Grund eines vollständigen Ausspielungsplanes ertheilt werden, welcher die wesentlichen Bedingungen der Ausspielung, insbesondere die Zahl und den Preis der Loose, die Zahl und Art der Gewinne, die Zeit der Ziehung und bei solchen Ausspielungen, bei welchen aus den Einsatzgeldern anzukaufende Sachen die Gewinne bilden sollen, den Gesammtwerth der auszuspielenden Gegen­ stände ergeben mußte. Diese Bedingungen sollten auch in den Prospekt und den Text der Loose aufgenommen werden. Die Zahl und den Werth der Ge­ winne von der Zahl der abgesetzten Loose abhängig zu machen, durste dem Unter­ nehmer nur gestattet werden, wenn diese Befugniß und das Verhältniß, in welchem eine Verminderung der Gewinne in ihrer Zahl oder in ihrem Werthe zulässig sein sollte, ausdrücklich bei der Ertheilung der Genehmigung normirt war. Andernfalls soll es ihm nur überlasten bleiben, die unabgesetzten Loose auf eigenen Gewinn und Verlust zu behalten. Die Aussetzung von Freiloosen zu einer staatlich noch nicht genehmigten künftigen Ausspielung als Gewinne ist unstatthaft. Den zu Kirchenbauten beabsichtigten öffentlichen Lotterien und Ausspie­ lungen ist die Genehmigung zu versagen, wenn sie lediglich zur Erleichterung der be­ stehenden Kirchenbaupflicht dienen sollen. R. d. M. d. g. A. u. M. d. I. v. 23. März 1889. Reger X. S. 141 und R. v. 19. Dezember 1894. M.Bl. 1895 S. 13. 3. Durch daS Gesetz vom 18. August 1891 (Ges.S. S. 353) ist Folgendes festgesetzt: Wer ohne staatliche Ermächtigung gewerbsmäßig Loose oder Loosabschnitte der Königlich Preußischen StaatSlotterie, oder Urkunden, durch welche Antheile an solche Loose oder Loosabschnitten zum Eigenthum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, feilbietet oder veräußert oder zeitweste an einen Anderen überläßt, wird mit einer Geldstrafe von 100—1500 Mk. bestraft. Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher ein solches Geschäft als Mittelsperson fördert. Vergl. auch Marcinowski: „Das Lotteriewesen im Königreich Preußen". Berlin 1892. Durch Gesetz v. 19. April 1894 (Ges.S. S. 14) ist bezüglich des Handels mit Antheilen und Abschnitten von Loosen zu Privatlotterien und Ausspielungen folgendes bestimmt: Wer gewerbsmäßig geringere als die genehmigten Antheile oder Abschnitte von Loosen zu Privatlotterien und Ausspielungen, oder Urkunden, durch welche solche An­ theile oder Abschnitte zum Eigenthum oder zum Gewinnbezuge überttagen werden,

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feilbietet oder veräußert, wird mit einer Geldstrafe von einhundert bis zu eintausend fünfhundert Mark bestraft. Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher ein solches Geschäft als Mittelsperson befördert. 3a. Für das Spielen in auswärtigen Lotterien beziehungsweise den Vertrieb der Loose waren früher die Vorschriften der Verordnung vom 5. Juli 1847 (Ges.S. S. 261) und Art. IV. Nr. 1 der Verordnung vom 25. Juni 1867 (Ges.S. S. 921) maßgebend. Die das Veranstalten öffentlicher Lotterien oder Ausspielungen im Jnlande betreffenden Vorschriften wurden später in den § 268 des Strafgesetzbuches vom 14. April 1851 übernommen und durch Art. IV. Nr. 1 der Verordnung vom 15. Juni 1867 in den durch das Gesetz vom 20. September 1866 und die beiden Gesetze vom 24. September 1866 mit der Monarchie vereinigten Landestheilen unter Ausschluß des vormaligen Oberamtsbezirkes Meisenheim und der Enklave Kaulsdorf mit der Mo­ difikation eingeführt, daß auch diejenigen, welche in auswärtigen nicht staatlich zugelaffenen Lotterien spielen, oder sich dem Verkaufe der Loose unterziehen bezw. den­ selben als Mittelspersonen fördern, der in der angezogenen Bestimmung des Strafgesetzbuches vorgesehenen Strafe verfallen sollten. Durch den § 3 des Einführungsgesehes zum Reichsstrafgesetzbuche wurde demnächst dem § 268 des Strafgesetzbuches von 1851 eine neue Vorschrift substituirt, wonach die Veranstaltung öffentlicher Lotterien oder Ausspielungen mit Gefängniß bis zu 2 Jahren oder einer Geldstrafe bis zu 3000 M. geahndet werden sollte. Diese Inkongruenz veranlaßte eine anderweite, das gesammte Staatsgebiet gleichmäßig umfassende strafgesetzliche Regelung, welche in dem Gesetze vom 29. Juli 1885 (Ges.S. S. 317) ihren endgültigen Abschluß gefunden hat. Dasselbe lautet: § 1. Wer in außerpreußischen Lotterien, die nicht mit Königlicher Genehmigung in Preußen zugelassen find, spielt, wird mit Geldstrafe bis zu 600 M. bestraft. § 2. Wer sich dem Verkauf von Loosen zu dergleichen Lotterien unterzieht oder einen solchen Verkauf als Mittelsperson befördert, wird mit Geldstrafe bis 1500®?. bestraft. §3. Die Veröffentlichung der Gewinnresultate von dergleichen Lotte­ rien in den in Preußen erscheinenden Zeitungen wird mit Geldstrafe bis zu 50 M. bestraft. §4. Den Lotterien sind alle außerhalb Preußens öffentlich veranstaltete Aus­ spielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich zu achten. 3b. Auch ein einzelner gelegentlicher Verkauf eines Looses fällt unter § 2 Ges. v. 29. Juli 1885. Das Wort „unterziehen" weist nicht auf ein gewohnheitsmäßiges, geschäftsmäßiges oder gewerbsmäßiges Handeln hin. Die Anwendbarkeit der ge­ dachten Vorschrift setzt auch nicht einen wirklich abgeschlossenen Verkauf voraus. Dem Verkauf unterzieht sich auch der, welcher einen Verkauf offerirt Wenn der Vertrieb einer Mehrheit von Loosen in Frage kommt, ist nicht ohne Weiteres bezüglich jedes Looses eine selbständige Handlung anzunehmen. Nach den Umständen des Falles kann vielmehr der durch mehrfache, von einander trennbare Thätigkeitsakte verwirklichte Vertrieb einer Mehrheit von Loosen zu einer Deliktsein­ heit zusammengefaßt werden. Das kann selbst dann geschehen, wenn Loose verschie­ dener Lotterien abgesetzt sind. Eine solche Zusammenfassung ist indeß nur zulässig, wenn unter den Einzelhandlungen ein derartiger thatsächlicher und geistiger Zusarnrnenhang besteht, daß der natürlichen Auffassung des Sachverhalts nach keine Handlung

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Gewerbe-Ordmmg § 56.

als eine selbständige, sondern nur jede der nachfolgenden als eine Fortsetzung der vorausgehenden erscheint. Erk. d. R.G. v. 30. März 1894. XXV. S. 230. Zur Bestrafung eines CollekteurS wegen Verkaufs des Looses einer außerpreußischen, nicht zugelasienen Lotterie genügt nicht die bloße Thatsache, daß das be­ treffende in Preußen abgesetzte Loos aus der Kollekte des angeklagten Kollekteurs herrührt. Erk. d. R.G. v. 22. Dezember 1890. XI. S. 346. Wer das Loos einer Lotterie, welche in Preußen nicht zugelassen ist, nachdem dasselbe außerhalb Preußens gekauft wurde, dem in Preußen sich aufhaltenden Käufer zusendet, ist strafbar. Erk. d. R.G. v. 15./16. November 1883. V. S. 704. Spielen in einer auswärtigen Lotterie liegt auch bann vor, wenn baS angekaufte auswärtige Loos im Auslande geblieben ist. Erk. d. K.G. v. 19. April 1888. Entsch. VIII. S. 239. Der Umstand, daß eine Person sich dem Verkaufe von Loosen mehrerer auswärtiger Lotterien unterzogen oder denselben befördert hat, begründet nicht nothwendig eine Mehrheit von Straffällen. Erk. d. R.G. v. 11. Juli 1882. VI. S. 686. Die briefliche Bestellung von Loosen auswärtiger, in Preußen nicht zugelassener Lotterien ist als Spielen in solchen Lotterien, und die Verabfolgung der Loose durch die Post von einem Orte außer Preußen als ein Unterziehen des Verkaufs von Loosen in Preußen sttafbar und als dort begangen anzusehen, wenn auch civilrechtlich die Bestellung sowie die Annahme der Kaufofferte und der Vollzug des Vertrages als außer Preußen geschehen zu betrachten ist. Erk. d. R.G. v. 10. März 1884. IV. S. 183. Der Artikel IV der Verordnung vom 25. Juni 1867 ist durch § 286 des Reichs­ strafgesetzbuches nicht aufgehoben, und macht sich darnach nicht nur derjenige strafbar, welcher während seines Aufenthaltes in Preußen die Loose verbotener Lotterien daselbst verkauft und vertreibt, sondern auch derjenige, welcher zu diesem Zwecke Loose von außerhalb in Preußen einführt. Erk. d. R.G. v. 17. April 1882. in. S. 363. Vgl. auch Cirk.R. d. M. d. I. v. 30. März 1882. Die Strafbarkeit des Vertriebs von Loosen auswärtiger Lotterien tritt auch dann ein, wenn ein Inländer den Verkauf solcher Loose für Ausländer vermittelt. Erk. d. K.G. v. 22. Juni 1885. VI. S. 296. Eine Beförderung deS Verkaufs von Loosen einer auswärtigen Lotterie kann schon darin gefunden werden, daß durch Mittheilung über die Existenz und die Chancen einer bestimmten Lotterie sowie über die Bezugsquelle und die Be­ dingungen und Wege des LoosabsatzeS die Spiellust in demjenigen Kreise, an welchen sie sich richtet und an den sie gelangt, zu erregen unternommen wird. Demgemäß kann auch derjenige, welcher eine solche Mittheilung vermittelt, als Mittelsperson der Verkaufsbeförderung angesehen werden. Dem Verkauf unterzieht sich nicht nur der, welcher einen Verkauf wirklich zum Abschluß bringt, sondern auch, welcher einen Verkauf offerirt. Ebenso ist als Mittelsperson auch derjenige anzusehen, welcher für Verkaufsverhandlungen oder durch Anregung der Kauflust im Wege der Re­ klame thätig ist. Erk. d. R.G. v. 2. Febniar 1882. Entsch. V. S. 375.

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Gewerbe-Ordnung § 56.

Es ist nicht rechtsirrthümlich, wenn der Thatrichter den zweimaligen Ver­ kauf von Loosen ein und derselben in Preußen nicht zugelassenen Lotterie als selbständige Handlungen beurtheilt und deshalb bei successiver Aburtheilung der ersten Verurtheilung keine die Strafklage konsumirende Wirkung beilegt. Erk. d. R.G. v. 12. März 1885. VII. S. 170. 4. Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffentliche Lotterien veranstaltet, wird mit Gefängniß bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark bestraft. Den Lotterien sind öffentlich veranstaltete Ausspielungen beweglicher oder unbeweg­ licher Sachen gleich zu achten. § 286 S1.G.B. Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer unbefugt auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze oder in einem öffentlichen Versammlungsorte Glücksspiele hält. Es kann auch auf Einziehung der auf dem Spieltische oder in der Bank befindlichen Gelder erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. § 360 St.G.B. Der Verkauf von Loosen zu einer für bestimmte Provinzen gestatteten Lotterie in einer anderen Provinz ist nicht alsUnternehmeneinerneuenLotteriezu verstehen. Erk. d. R.G. v. 23. November 1881 (III. S. 728). Siehe auch Erk. d. R.G. v. 29. September 1881 (III. S. 560). Ein Irrthum, welcher die Frage betrifft, was unter dem Veranstalten einer öffentlichen Lotterie im Sinne des § 286 St.G.B. zu verstehen sei, ist ein Irrthum über die Bedeutung des Strafgesetzes und schließt deffen Anwendung nicht aus. Erk. d. R.G. v. 16. April 1886. VIII. S. 295. Eine Lotterie oder Ausspielung verliert dadurch nicht den Charakter der Öffentlichkeit, daß die Ziehung der für den einzelnen Spieler entscheidenden Nummer nicht in einem Gesammtakte, sondern für einen jeden einzelnen Spieler ge­ trennt erfolgt. Erk. d. R.G. v. 7. Mai 1880. Reger III. S- 180. Die Öffentlichkeit einer Lotterieveranstaltung liegt vor, wenn der Abschluß der einzelnen Lotterieverträge nicht durch die Individualität der einzelnen Spieler beschränkt, sondern jeder Privatperson ohne Rücksicht auf ihre individuellen Eigenschaften freigestellt ist. Erk. d. R.G. v. 21. u. 28. Mai 1881. Reger I. S. 409. Für die Strafbarkeit der Veranstaltung einer Lotterie unter einer Anzahl beliebiger unbestimmter Personen ist es ohne Bedeutung, ob dieselbe durch Anschlag oder öffentliche Blätter den Einzelnen zur Kunde gebracht wird, oder ob das Unter* nehmen denselben besonders mündlich oder schriftlich zur Kenntniß kommt. Erk. d. R.G. v. 12. April 1880. Entsch. I. S. 357. Für den rechtlichen Begriff der Lotterie ist es nicht nothwendig, daß die Ermittelung der Gewinnloose durch eine Loosziehung im strengen Wortsinn vor sich geht. Die Ermittelung kann durch jede andere gleich brauchbare Modalität der Feststellung der Gewinnloose ersetzt werden. Erk. d. R.G. v. 21. Februar 1895. Entsch. XXVII. S. 47. 6. In der Kolportage eines Romans, bei welchem jedem Abonnenten eine bestimmte Quote des Gewinnes eines von dem Kolporteur zu spielenden Lotterielooses zugesagt wird, liegt auch dann die Veranstaltung einer Lotterie, wenn der KolMnrcinowSki, Deutsche Gewerbe-Ordnung. e.Auflage.

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©croerBc-Drbnimg § 56.

Porteur das Loos wirklich spielt, und nicht mehr Quoten des Gewinnes verkauft, als er besitzt. ©rf. d. R.G. v. 28. Mai 1881. Neger I. S. 409. In dem Verkauf von Waaren, denen Anweisungen auf Zufallsgewinne beiliegen, kann die Veranstaltung einer öffentlichen Lotterie gefunden werden. Erk. d. R.G. v. 5. Mai 1887. IX. S. 300. Die Ausschreibung von Preisräthseln, deren Gewinne für die Zeitungs­ abonnenten durch bett Zufall bestimmt werden, ist als Veranstaltung einer öffentlichen Lotterie anzusehen. In dem Abonnementspreise wird ein Einsah geleistet, für welchen das Recht, im Wege der Lotterte bezw. Ausloofung bestimmte Vermögensobjekte zu gewinnen, erlangt wird. Erk. d. R.G. v. 2. Mai 1887. Reger VIII. S. 76. 6. Berloofungen behufs bet Auseinandersetzung und Theilung unter Miteigenthümern einer gemeinschaftlichen Sache fallen nicht unter das Strafverbot. Opp. St.G.B. S. 706. 7. DaS bloße Absetzen von Loosen bezw. die bloße Annahme von Einsähen beliebiger Personen für eine bestehende Lotterie und die Einsendung dieser Einsätze an die Kollekteure ist kein eigene- Veranstalten einer Lotterie. Opp. StGB. S. 707. 8. Der Verkäufer von sog. Antheilscheinen zu einer bestimmten Lotterie, welcher deshalb zu Strafe verurtheilt ist, kann wegen des anderweitigen Absatzes solcher Antheilsscheine bis -um ergangenen Urtheil, sollte dieser Absah auch an an­ deren Orten und nach Eröffnung der Untersuchung stattgefunden haben, nicht nochmals bestraft werden. Erk. d. R.G. v. 13. April 1883. V. S. 241. Der Begriff der Veranstaltung einer Lotterie liegt vor, wenn Jemand Schuldscheine (sogenannte Partialscheine) ausstellt und vertreibt, wonach er sich dem Käufer eines solchen Scheins gegenüber verpflichtet, für den Fall, daß auf das in dem Scheine bezeichnete Staatslotterieloos ein Treffer fallen wird, den diesem Treffer entsprechenden, in jenem Scheine zugesicherten Partialbetrag auszubezahlen. Erk. d. R.G. v. 5. Januar 1880. Entsch. I. S. 133. Wenn Jemand sogenannte Partialscheine vertreibt, JuhaUs deren er sich verpflichtet, dem Käufer derselben einen bestimmten Theil von dem auf ein darin nach Serie und Nummer bezeichnetes Staatsprämien- oder Anlehns - Loos fallenden Gewinn nach Etnkassirung des letzteren zu zahlen, so ist hierin die Veranstaltung einer öffentlichen Lotterie zu finden. Erk. d. R.G. v. 15. Mai 1884. IV. S. 339. 9# Ergiebt sich aus den Modalitäten eines angeblich nur über den Verkauf von Prämienloosen zu Eigenthum abgeschloffenen Verttages, daß eigentlich oder außerdem noch die Ueberlassung einer Gewinnhoffnung den Gegenstand des Verttages bildet, so liegt die Veranstaltung einer Lotterie vor. Erk. d. R.G. v. 3. Januar 1884. IV. S. 9. Der Verkauf eines Prämienlooses unter Suspension des Uebergangs des Eigenthums an den Käufer bis zur Zahlung mehrerer Raten des Kaufpreises stellt kein Veranstalten einer Lotterie dar, wohl aber dann, wenn stipnlirt ist, daß unter gewiffen Bedingungen der Gewinn dem Verkäufer zufällt und derselbe dem Käufer ein anderes Loos zu liefern hat. Erk. d. R.G. v. 20./28. Oktober 1885.

VII. S. 621.

Gewerbe-Ordnung § 56.

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10. Promefsenverkauf und Lotterie unterscheiden sich dadurch, daß bei letz­ terer stets Gewinne gemacht werden und die Ziehung nur entscheidet, wer gewinnt, während bei dem Promefsenverkauf Niemand gewinnt, wenn nicht bestimmte Loosnummern gezogen werden. Die Bestimmung über Promessenverkauf in Art. 4 Verordnung vom 25. Juni 1867 besteht noch in Kraft. Erk. d. R.G. v. 10. Zanuar 1880. Reger II. S. 415. 11. Die Lotterien und Ausspielungen (§ 286 St.G.B.) gehören im Sinne des St.G.B. nicht zu denjenigen Glücksspielen, gegen welche sich die Straf­ bestimmungen der §§ 284, 285, 360 n. 14 richten. Glücksbuden gehören zu den Ausspielungen im Sinne des § 286 St.G.B. Erk. d. 9L@. v. 1. April 1884. VI. S. 261. Eine Ausspielung unterscheidet sich von der Lotterie nur dadurch, daß diese Geldgewinne, jene andere Sachen zum Gegenstände hat. Ein Spiel, dessen Ausgang nicht vom Zufall, sondern wesentlich von der Ge­ schicklichkeit der Spieler abhängt, ist keine Lotterie rc., doch wird der Charakter eines derartigen Spieles als Glücksspiel dadurch nicht ausgeschlossen, daß persönliche Ge­ schicklichkeit den Gewinner des ersten Looses bestimmt. Im Gegensatz zum Glücksspiel ist für den Begriff einer Lotterie wesentlich eine derartige planmäßige Ordnung, daß an den einmal festgesetzten Gewinnen alle Mitspielenden begrenzte gleichmäßige Spielaussichten haben, der dem einen zufallende Gewinn zugleich allen übrigen entzogen wird: kurz, die Zukallsentscheidung über die planmäßigen Lotteriegewinne ohne jede zulässige Wiederholung von Einsähen und Erneuerung von Gewinnchancen ihren abgeschloffenen Verlauf hat. Demgemäß nimmt durch eine Vereinbarung über die Höhe eines (jedesmaligen) Einsatzes und die diesem entsprechende Höhe des möglichen Gewinnes das in fortlaufenden Einsätzen rmd Ge­ winnen sich wiederholende und somit, dem Gesammtobjekt nach, sich der Berechnung entziehende Glücksspiel nicht den Charakter einer Lotterie rc. an. Die Verheuerung eines Looses oder LooseSantheils für einzelne Ziehungen ist als die Veranstaltung einer neuen selbständigen Lotterie anzusehen, wenn auch der betteffende Vertrag in die Form eines Kaufes eingekleidet ist, bei welchem sich der Verkäufer zum späteren Rückkauf verpflichtet, falls auf daffelbe bei einer bestimmten Ziehung kein Gewinn fallen sollte. Opp. St.G.B. S. 704, 705. Eine öffentliche Ausspielung gilt dann als veranstallet, wenn der Ziehungs­ plan festgestellt bezw. die Gewinne bezeichnet und die Loose Andern zur Erwerbung zugänglich gemacht sind, also die zur Ausführung des Unternehmens unerläßliche Betheiligung des Publikums, wenn auch noch nicht bewirkt, so doch ermöglicht ist. Erk. d. R.G. v. 22. November 1883. Entsch. IX. S. 202. Vgl. auch Erk. d. R.G. v. 9. Februar 1882. Entsch. V. S. 432. Es erscheint nicht als Veranstaltung einer Ausspielung, wenn eine unbe­ stimmte Anzahl von Personen sich in einer Privatwohnung versammelt, um daselbst von dem Wohnungsinhaber angekaufte Gegenstände unter sich auszuwürfeln. Erk. d. R.G. v. 13. Dezember 1883. Entsch. V. S. 775. Das Wesen einer Ausspielung wird dadurch nicht verändert, daß der Einsatz mit einer andern Leistung und Gegenleistung direkt in Verbindung gebracht ist, und daß er seiner Höhe nach nicht deutlich erkennbar wird. Erk. d. R.G. v. 9. Januar 1882. Reger II. S. 415.

196

Gewerbe-Ordnung § 56.

12. Die sog. Glücksbuden gehören auch dann zu den Ausspielungen, wenn dabei kein eigentliches Ausspielen unter mehreren Spielern stattfindet, bei ihrem Betriebe vielmehr der Unternehmer mit jedem einzelnen Spieler wettet. Selbst der Umstand, daß dem gewinnenden Spieler von Anfang an die Wahl gelasten wird, statt der gewonnenen Sache eine vorher bestimmte Geldsumme zu fordern, macht ein solches Spiel nicht zum Glücksspiel. Opp. St.G.B. S. 706. Die betreffenden Strafvorschriften lauten: §§ 284. 285. Wer aus dem Glücksspiele ein Gewerbe macht, wird mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe von 300 bis zu 6000 Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werben kann. Ist der Verurtheilte ein Ausländer, so ist die Landespolizeibörde befugt, denselben aus dem Bundesgebiete zu verweisen. Der Inhaber eines öffentlichen Versammlungsortes, welcher Glücks­ spiele daselbst gestattet oder zur Verheimlichung solcher Spiele mitwirkt, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft. § 360 Nr. 14. Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Hast wird bestraft, wer unbefugt auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze oder an einem öffentlichen Versammlungsorte Glücksspiele hält. Es kann in diesem Falle neben der Geldstrafe oder der Hast auf Einziehung der auf dem Spiel­ tische ober in der Bank befindlichen Gelder erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. 13. Auch innerhalb eines durch Beruf und Interessen begrenzten Personenkreises kann eine öffentliche Ausspielung veranstaltet werden, wenn die durch Beruf u. s. w. begründeten Beziehungen keine derartigen sind, daß die dem Kreise Angehörigen in näherer Verbindung zu einander stehen. Erk. d. R.G. v. 15. Februar 1887. IX. S. 135. 14. Der § 286 St.G.B. setzt nicht voraus, daß der Unternehmer in der Ab­ sicht handle, für sich selbst einen Gewinn zu erzielen und daß der Ueberfluß der Ein­ sähe über die Gewinne ihm verbleibe. Es macht auch ein ganz uneigennütziger an sich löblicher Zweck das Unternehmen nicht straflos. Die Strafe trifft daher auch denjenigen, welcher lediglich zu wohlthätigen Zwecken eine Lotterie veranstaltet. Opp. St.G.B. S. 707. 15. Wenn die Ortspolizeibehörde die Genehmigung zur Veranstaltung einer Ausspielung geringfügiger Gegenstände ertheilt, dem Spiele jedoch eine derartige Einrichtung gegeben wird, welche demselben den Charakter einer Ausspielung benimmt und solche als ein Gemisch von Ausspielung und Lotterie charakterisirt. wenn z. B. der Spieler dem Gewinner das Recht verleiht, nach seiner Wahl einen der gering­ fügigen Gegenstände, worauf die Bewilligung lautet, oder eine bestimmte Geldsumme zu verlangen, welche dem Werthe des Gegenstandes entspricht oder nicht, so liegt eine Ueberschreitung der Genehmigung vor, welche dem Mangel derselben gleichsteht. Erk. d. R.G. v. 17. Dezember 1880. III. S. 123. 16. Wer eine von einer unzuständigen Behörde genehmigte Ausspielung veranstaltet, bleibt straflos, wenn er die Behörde für die zuständige gehalten hat. Opp. St.G.B. S. 706. 17. Unbearbeitete Stücke Edelmetall sind bei öffentlichen Ausspielungen regelmäßig ebenso wie Geldgewinne auszuschließen. R. d. M. d. I. v. 23. September 1885. M.Bl. S. 232.

Sewerbe-Ordnung § 56.

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18. Glücksspiel im weiteren Sinne ist jedes Spiel, dessen Ausgang für alle oder einzelne Betheiligte wesentlich vom Zufalle abhängt. Im strafrechtlichen Sinne wird zum Begriffe des Glückspieles außerdem vorausgesetzt, daß der Gegen« stand des Spieles einen Vermögenswerth hat. Nur bei dieser Art des Glücks­ spieles treten die schädlichen Folgen für die Sittlichkeit und die wirthschastliche Lage der Betheiligten hervor. Vom Begriffe des Glücksspieles werden daher solche Spiele auszuschließen sein, welche um Objekte, denen nach gesellschaftlicher Anschauung die Bedeutung eines Vermögenswerthes abgesprochen wird, gespielt und welche deshalb als harmlose gesellige Unterhaltungen angesehen werden. Gleichgültig ist dagegen die Vermögenslage des einzelnen Spielers, insbesondere ob er den Verlust des Einsatzes ohne nachthellige Folgen für seine Dermögensverhältniffe ertragen kann, und ob sich für ihn der Verlust des Einsatzes als ein empfindlicher Nachtheil gestaltet. Dgl. Erk. des Reichsgerichts vom 28. Februar 1882 (Entsch. Bd. 6, S. 70) und vom 3. November 1885 (Entsch. Bd. 7, S. 637). Der Thatbestand eines Glücksspieles ist gegeben, sobald die Betheiligten zum Zweck des Glücksspieles Einsätze zu machen angefangen haben. Erk. d. R.G. v. 10. Dezember 1879. Reger III. S. 294. Vgl. auch Note 2 zu § 56 c. In der, wenn auch nur in mündlicher Form erfolgten Eingehung von Wetten auf den Sieg einzelner Pferde bei Pferderennen kann ein Glücksspiel gefunden werden. Die Beobachtung der Form der Buchmacherei ist nicht erforderlich. Erk. d. R.G. v. 18. April 1893. Reger XIV. S. 54. Die Hoffnung, welche auch bei dem ausgesprochensten Glücksspiel stets vor­ handen sein wird, beseitigt den Charakter eines Spieles als eines Glücksspieles nicht, wenn sie sich nicht zugleich auf die Erwägung stützt, man könne mit einiger Wahr­ scheinlichkeit einen günstigen Erfolg mittels seiner Thätigkeit erreichen. Selbst wenn dieses Vertrauen auf die eigene Geschicklichkeit vorgelegen hat, würde gleichwohl ein Glücksspiel gespielt sein, wenn das Vertrauen für ein grundloses hätte gehalten werden müssen. Erk. d. R.G. v. 19. März 1894. Reger XIV. S. 397. Steht lediglich ein Spiel oder Wettkampf in Frage, in welchem nicht der Zu­ fall sondern die Körperkraft und körperliche Geschicklichkeit über Sieg und Gewinn entscheidet, so liegt kein Glücksspiel vor. Erk. d. R.G. v. 24. März 1892. Reger XIII. S. 182. 19, Die Aufstellung und Benutzung von Totalisatoren auf den Renn­ plätzen kann auf jedesmaligen besondern Antrag der Unternehmer auf Grund einer von den Regierungs-Präsidenten bezw. Regierungen (Polizei-Präsident zu Berlin) unter Vorbehalt des Widerrufes zu ertheilenden polizeilichen Erlaubniß unter folgen­ den Bedingungen gestattet werden: 1. Die Veranstalter dürfen sich bei dem betreffenden Glücksspiele in keinem Falle betheiligen, haben sich vielmehr lediglich aus die Erhebung einer je nach den örtlichen Verhältniffen von der die Erlaubniß ertheilenden Be­ hörde festzusetzenden, ausschließlich zu Rennzwecken zu verwendenden Tan­ tieme welche von allen Einsätzen ohne Unterschied zu zahlen ist. als Ver­ gütung für die Veranstaltung zu beschränken. 2. Die Wetteinzahlungen dürfen nur in ein für alle Mal bestimmten, nicht zu niedrig festzusetzenden Einheitssätzen bestehen. 3. Der Totalisator ist in einem, von den übrigen Theilen des Rennplatzes abgeschlossenen Raume aufzustellen, auch der Zutritt zu demselben nur den

198

Gewerbe-Ordnung § 56. Inhabern des ersten Platzes gegen ein besonderes entsprechend hoch zu bemessendes Eintrittsgeld zu gestatten. 4. Die Kontrole über die Ausführung dieser Bedingungen, welche sich even­ tuell auf die Einsicht der betreffenden Bücher und Listen des Unternehmers zu erstrecken hat, ist von der Ortspolizeibehörde auszuüben. Die Buchmacher find von den Rennplätzen fern zu halten und ge» eignetenfalls zur Bestrafung zu ziehen. R. d. M. d. A, IM. u. M. f. Landw. v. 30. August 1886. M.Bl. S. 201.

Der Betrieb des Totalisators auf den Rennbahnen ist dem Halten von Glücksspielen in einem öffentlichen Versammlungsorte gleich zu achten. Erk. d. O.D.G. v. 6. April 1882. VIII. S. 363. Vgl. auch Erk. d. R.G. v. 7. Juli 1882. M.Bl. S. 273. Dasselbe gilt von den sog. Buchmachern. Erk. d. R.G. v. 29. April 1882. M.Bbl. S. 159. 20. Das Halten von Glücksspielen, wobei der Unternehmer nur einen fest­ stehenden Unternehmergewinn, nicht aber am Spiel und deffen Gewinn- und Ver­ lustchancen theilnimmt, wird auch durch Fortsetzung nicht zum gewerbsmäßigen Glücksspiel. Erk. d. R.G. v. 5. Januar 1885. VII. S. 17. 21. Ein Kartenspiel verliert den Charakter des Glücksspieles nicht und wird nicht zur Lotterie dadurch, daß die Gewinnkarten als Loose bezeichnet werden (Karten­ lotterie). Die Absicht, fich durch den Gewinn beim Glücksspiele einen Erwerb zu schaffen, begründet für sich allein noch nicht die Gewerbsmäßigkeit. Ekk. d. R.G. v. 29. September 1885. VII. S. 541. Der Umstand, daß der Ausgang des Spiels für die einzelnen Spieler mit Rück­ sicht auf deren Dermögensverhältnifle nicht von erheblicher pekuniärer Bedeutung sein kann, schließt den Begriff eines Glücksspiels nicht aus. Erk. d. R.G. v. 3. November 1885. VII. S. 637. 22. Das Feilhalten von Werthpapieren u. s. w. ist nach tz 42a Gew.O. auch im stehenden Gewerbebetriebe unzulässig, wenn es innerhalb des Gemeinde­ bezirks des Wohnortes oder der gewerblichen Niederlassung von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen, oder an öffentlichen Orten geschieht. Die letztere Art des Gewerbebetriebes ist in dem Erlasse vom 27. November 1884 (M.Bl. S. 263) der Kürze wegen mit dem Ausdruck „Kolportage" bezeichnet. Im Gegensatz zu den §§ 42 a, 56 und 56a, welche von den darin erwähnten Formen des Gewerbe­ betriebes gewisse Gegenstände ausschließen, enthalten die §§ 44, 44a eine solche aus­ schließende Vorschrift nicht. Es fehlt daher an einer gesetzlichen Handhabe, diese Formen des Gewerbebetriebes mit den gedachten Papieren zu verhindern. Die Ein­ wirkung der Verwaltungsbehörden wird fich daher darauf zu beschränken haben, mit Nachdruck zu verhindern, daß bei dem nach § 44 zulässigen Gewerbebetriebe (von Ort zu Ort) die Papiere, auf welche^Bestellungen gesucht werden, nicht feilgeboten noch mitgeführt werden. R. d. M. d. I. u. H.M. v. 16. Januar 1885. M.Bl. S. 53. Unter geistigen Getränken im Sinne des § 56 Nr. 1 find nicht nur solche zu verstehen, welche schon im Augenblicke des Feilbietens alkoholhaltig find, sondem

Gewerbe-Ordnung § 56.

199

6. explosive Stoffe, inbesondere Feuerwerkskörper, Schießpulver und Dynamit; 7. solche mineralische und andere Oele, welche leicht entzündlich sind, insbesondere Petroleum, sowie Spiritus; 8. Stoß-, Hieb- und Schußwaffen; 9. Gifte und gifthaltige Waaren, Arznei- und Geheimmittel. auch diejenigen zum Trinken bestimmten Flüssigkeiten, welche in noch unfertigem Zu­ stande verkauft und erst in Folge naturgemäßer Fortentwickelung alkoholhaltig und genußfähig werden, z. B. Zungbier. Erk. d. K.G. v. 25. April 1889. Reger XI. S. 269. Der Gewerbebetrieb im Umherziehen mit Gegenständen, welche zu den in §56 der Gew.O vom An- und Verkauf im Umherziehen ausgeschlossenen gehören, wird mit einer dein doppelten Betrage des Jahressteuersahes von 48 Mark, in den Hohenzollernschen Landen von 10 Mark gleichkommenden Geldstrafe geahndet. § 20 Ges. v. 3. Juli 1876. Ges.S. S. 253. Das Reichsgeseh v. 16. Mai 1894 (R.Ges.Bl. S. 54) hat bezüglich des Ver­ triebes von Lotterieloosen u. s. w. folgendes bestimmt: § 7. Wer Lotterieloose, Jnhaberpapiere mit Prämien (Gesetz vom 8. Juni 1871, Reichs-Gesetzbl. S. 210) oder Bezugs- oder Antheilscheine auf solche Loose oder Jn­ haberpapiere gegen Theilzahlungen verkauft oder durch sonstige auf die gleichen Zwecke abzielende Verträge veräußert, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark bestraft. Es begründet keinen Unterschied, ob die Uebergabe des Papiers vor oder nach der Zahlung des Preises erfolgt. § 8. Tie Bestiinmungen dieses Gesetzes finden keine Anwendung, wenn der Empfänger der Waare als Kaufinann in das Handelsregister eingetragen ist. § 9. Verträge, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen worden sind, unterliegen den Vorschriften desselben nicht.

Zu § 50 Nr. ft. Wegen des Verkehrs mit Arzneimitteln vgl. V. vom 27. Januar 1890, abgedruckt int Anhange. Unter „Arzneimitteln" im Sinne des § 56 Nr. 9 der Gew.O. und des § 367 Nr. 8 St.G.B. sind alle Zubereitungen zu verstehen, welche in einer dem Ver­ zeichnisse A der Verordnung entsprechenden Erscheinungsform, z. B. als zu Heil­ zwecken fcefrinmtte Mixtur, Elixir u. s. w., feilgeboten werden, ohne daß es auf die Form des Gefäßes, in welchem sie dargeboten werden, ankommt. Erk. d. K.G. v. 6. Januar 1881. II. S. 216. Vgl. auch Erk. d. O.V.G. v. 17. Dezember 1894. Die in den Gründen eines Erk. d. K.G. v. 6. November 1884 geäußerte Auf­ fassung, daß die Aenderung der Fassung des § 56 Gew.O. durch das R.G. v. 1. Juli 1883 zu der Auslegung führen müsse, daß nunmehr das Aufsuchen von Be­ stellungen auf Arzneimittel im Umherziehen nicht vom Gewerbebetriebe im Umherziehen ausgeschlossen, hiernach auch nicht als straffällig anzusehen sei, steht mit den Motiven des Gesetzentwurfs nicht im Einklänge, da dort einer Aenderung der Vorschriften der Gewerbeordnung in diesem Sinne nicht gedacht wird, vielmehr des An- und Verkaufs von Geheimmitteln ausdrücklich Erwähnung geschieht. R. d. H.M., K.M. u. F.M. v. 28. April 1885.

Gewerbe-Ordnung § 56.

200

10. Bäume aller Art, Sträucher, Schnitt-, Wurzel-Reben, Futter­ mittel und Sämereien, mit Ausnahme von Gemüse und Blumen­ samen; 11. Schmucksachen, Bijouterien, Brillen und optische Instrumente. Ausgeschlossen vom Feilbieten und Aufsuchen von Bestellungen im Umherziehen sind ferner:

12. Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, insofern sie in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben geeignet sind, oder mittelst Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden, oder in Lieferungen erscheinen, wenn nicht der Gesammtpreis auf jeder einzelnen Lieferung an einer in die Augen fallenden Stelle bestimmt verzeichnet wird.

Zu § 56 Nr. 10. Das Wort „sittlich" im § 56 Nr. 10 ist im uneingeschränkten Sinne aufzufassen. Ob im einzelnen Falle eine Druckschrift geeignet ist, Aergerniß in sittlicher Bezie­ hung zu geben, ist eine Frage thatsächlicher Natur. Erk. b. O.V.G. v. 6. April 1891. Als „in sittlicher Beziehung" Aergerniß erregend sind auch schon solche Druck­ schriften anzusehen, welche „in politischer Beziehung" Aegerniß zu erregen geeignet sind. Als in sittlicher Beziehung Aergerniß erregend können aber auch andere Druck­ schriften angesehen werden, als diejenigen, welche als unzüchtig, d. i. in geschlecht­ licher Beziehung unsittlich, zu erachten sind. Erk. d. O DG. v. 31. Mai 1890. Zu § 56 Nr. 10 ist das Wort „sittlich" in uneingeschränktem Sinne nicht bloß in der Bedeutung von „unzüchtig" gebraucht. Erk. d. O.B.G. v. 18. Januar 1892. Vgl. auch Entsch. d. O.V.G. XV. S. 356. Nicht in jeder Beifügung von Melodien weltlicher Lieder zu Liedern, welche für religiöse Erbauung bestimmt sind, ist der Thatbestand des § 56 Nr. 10 für ge­ geben zu erachten, da weder alle weltlichen Lieder oder ihre Melodien sittliches oder religiöses Aergerniß zu geben geeignet sind, noch jede Verbindung weltlicher Lieder mit religiösen. Es kommt vielmehr auf den Inhalt und die Melodie der Lieder und die Art der Verbindung an. Ob die Beifügung weltlicher Melodien zu reli­ giösen Liedern in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben geeignet ist, läßt sich daher nur nach konkreter Prüfung beurtheilen. Erk. d. O.V.G. v. 17. Dezember 1891. Als in sittlicher Beziehung Aergerniß erregend können auch andere Druckschriften angesehen werden, als diejenigen, welche im Sinne des § 184 des R St.G.B. unzüchtig, d. h. in geschlechtlicher Beziehung unsittlich, zu erachten sind. Erk. d. O.V.G. v. 6. Oktober 1887. Reger VIII. S. 348.

Zu § 56 Nr. 11. 1. Unter Schmucksachen sind zu verstehen: Gegenstände aus edlem oder unedlem Metall, aus edlen oder unedlen Edelsteinen, aus bearbeiteten und unbearbeiteten Naturerzeugnissen, welche seit ältester Zeit zur Verzierung einzelner Körpertheile dienen, als Haar-, Ohr-, Arm- und Fingerringe, Halsketten, Diademe und dergleichen mehr. Textilien und Stickereien sind nicht zu den Schmucksachen zu rechnen. Verh. d. Reichstages v. 12. Juni 1896. S. 2559. 2. Der Begriff „Schmucksachen, Bijouterien" ist in der Praxis ein ziemlich

201

Gewerbe-Ordnung § 56.

Wer Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke im Umher­ ziehen feilbieten will, hat ein Verzeichniß derselben

der zuständigen

Verwaltungsbehörde seines Wohnortes zur Genehmigung vorzulegen. Die Genehmigung ist nur zu versagen, soweit das Verzeichniß Druck­ schriften, andere Schriften oder Bildwerke der bezeichneten Art enthält. Der Gewerbetreibende darf nur die in dem genehmigten Verzeichnisse ent­ haltenen Druckschriften, anderen Schriften oder Bildwerke bei sich führen, und ist verpflichtet, das Verzeichniß während der Ausübung des Gewerbe­ betriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung des Verzeichnisses einzustellen. feststehender. In zweifelhaften Fällen wird sich eine bestimmte Definition durch die Praxis bezw. die Rechtsprechung der Gerichte herausbilden. Verh. d. Reichstages v. 11. März 1896. 8.

S. 1370.

Spitzen sind nicht zu den Schmucksachen zu rechnen. Verh. d. Reichstages v. 11. März 1896.

S. 1383.

Zu g 58 Abs. 4. Obwohl die Gewerbeordnung im § 56 Abs. 4 nur die Einreichung des Druckschriftenverzeichnisses vorschreibt, sind die mit der Prüfung desselben befaßten Be­ hörden doch für berechtigt zu erachten,

ihre Entscheidung von

reichung sowohl von Exemplaren der in dem Verzeichniß

einer vorherigen Ein­ aufgeführten Druck­

schriften rc. als auch von etwa vorhandenen, aus die Art des Betriebes bezüglichen Prospekten seitens der Extrahenten abhängig zu machen. Von dieser Befugniß ist aber seitens der Behörden nicht in allen Fällen Gebrauch zu machen. Das Gesetz will mit seinen Bestimmungen nur die Auswüchse des Kolportagebuchhandels treffen, es liegt ihm also fern, der legitimen Kolportage von Druckschriften unnöthige Hinder­ nisse in den Weg zu legen.

Ans eine derartige überflüssige Behelligung

würde es

aber hinauslaufen, wenn auch in den Fällen die Einreichung von Exemplaren ge­ fordert wird, in welchen entweder der Inhalt allgemein bekannt oder hi denen, sei es mit Rücksicht auf den Namen des Verfassers, Verlegers u. f. w. oder aus anderen Gründen, nach verständigem Ermessen angenommen werden darf, daß Verbotsgründe nicht vorliegen.

Was die formelle Behandlung der Gesuche

von Druckschriftenverzeichnissen betrifft, schäftsgänge schriften rc.,

mit Genehmigung

die selbstredend in beschleunigtem Ge­

zu erledigen sind, so würde

es nicht korrekt sein,

diejenigen Druck­

deren Zulassung zur Kolportage ohne gleichzeitige Einreichung

eines

Exemplars beantragt wird, lediglich aus dem Grunde einfach zu streichen, weil eine vorherige Einsicht in dieselben

für erforderlich erachtet wird.

Es wird daher gege­

benen Falls den Petenten zu eröffnen sein, daß die Entscheidung über die Zulassung der betreffenden Werke zur Kolportage ausgesetzt werden müsse, bis

der Behörde

durch Einreichung eines Exemplars derselben die Möglichkeit einer Prüfung des In­ halts gegeben wird.

R. d. M. d. I. v. 28. Januar 1884.

M Bl. S. 22.

Preßerzeugnisse. welche ihren Inhalt dem Verbrecherthum entlehnen, sind möglichst von

der Kolportage auszuschließen.

Zur Erzielung

thunlichster Gleich­

mäßigkeit in der Ertheilung der Erlaubniß ist seitens des Ministeriums des Innern eine Nachweisung

sämmtlicher im Staatsgebiet ausgeschloffenen

Bezirksvermaltungsbehörden mitgetheilt, gänzt wird.

welche

Druckschriften den

jährlich durch einen Nachtrag er­

Werke, welche in Lieferungen erscheinen, können noch vor Abschluß

zugelassen werden, wenn aus den bereits veröffentlichten Lieferungen zu entnehmen

Gewerbe-Ordnung §§ 56», 56 b.

202

§ 56a. A. 13 R.Ges. v. 6. August 1896. Ausgeschlossen vom Gewerbebetriebe im Umherziehen sind ferner: 1. die Ausübung der Heilkunde, insoweit der Ausübende für dieselbe nicht approbirt ist; 2. das Aufsuchen sowie die Vermittelung von Darlehns­ geschäften und von Rückkaufsgeschäften ohne vorgän­ gige Bestellung, ferner das Aufsuchen von Bestellungen auf Staats- und sonstige Werthpapicre, Lotterieloose und Bezugs- und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lotterieloose; 3. das Aufsuchen von Bestellungen auf Branntwein und Spiritus bei Personen, in deren Gewerbetriebe die­ selben keine Verwendung finden. 4. das Feilbieten von Waaren sowie das Aufsuchen von Bestellun­ gen auf Waaren, wenn solche gegen Theilzahlungen unter dem Vorbehalt veräussert werden, dass der Veräusserer wegen Nicht­ erfüllung der dem Erwerber obliegenden Verpflichtungen von dem Vertrage zurücktreten kann (§§ 1 und 6 des Gesetzes, betreffend die Abzahlungsgeschäfte, vom 16. Mai 1894).

§ 56 b. Art. 14 R.Ges. v. 6. August 1896. Der Bundesrath ist befugt, soweit ein Bedürfniß obwaltet, anzu­ ordnen, daß und inwiefern der Ankauf oder das Feilbieten von einzelnen der im § 56 Absatz 2 ausgeschloffenen Waaren im Umherziehen gestattet sein soll. ist, daß auch die späteren den Voraussetzungen in § 56 Nr. 10 Gew.O. nicht zuwider­ laufen werden. Nach ähnlichen Grundsätzen soll bei der Zulassung periodischer Preßerzeugnisie verfahren werden. Die Druckschristenverzeichnisse sind in zwei Exemplaren einzufordern, damit eines derselben bei den Akten verbleiben kann. Cirk.R. d. M. d. Z. v. 4. Dezember 1885. M.BI. S. 249. Auf Beschwerden wegen Versagung eineö Wandergewerbescheines zum Handel im Umherziehen mit Druckschriften hat in der Rekursinstanz nicht der Minister für Handel und Gewerbe, sondern der Minister des Innern die Entscheidung zu treffen R. d. M. d. I. v. 13. Juni 1884. M.BI. S. 224.

Zu 8 66a. Die bestellte Dahrlehnsvermittelung ist von dem Verbote ausgenommen, um dem legitimen und nützlichen Gewerbebetriebe der Agenten von Immobiliar­ kredit-Instituten, Darlehnskaffen u. s. w. nicht zu nahe zu treten. Vgl. Motive zum Gesetzentwurf von 1882. Die Bestimmung Nr. 4 ist auf Antrag der Abgeordneten Gröber, von Holleufer, Dr. Hitze und Jakobskötter eingeschaltet. Sie wurde damit begründet, daß die Ab­ zahlungsgeschäfte insofern besondere Gefahren bieten, als sie einerseits dein Leichtsinn Vorschub leisten, andrerseits der Mihbrauch der Ausbeutung zu besorgen ist. Verh. d. Reichstages v. 11. März 1896. S. 1381.

203

Gewerbe-Ordnung § 56 c.

Die gleiche Befugnis» steht den Landesregierungen für ihr Gebiet oder Theile desselben hinsichtlich der im § 56 Absatz 2 Ziffer 10 be­ zeichneten Gegenständen zu. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit,

sowie zur Abwehr oder

Unterdrückung von Seuchen kann durch Beschluß des Bundesraths und in dringenden Fällen durch Anordnung des Reichskanzlers nach Ein­ vernehmen mit dem Ausschuß des Bundesraths für Handel und Verkehr für den Umfang des Reichs oder für Theile desselben bestimmt werden, daß und inwiefern außer

den in den §§ 56 und

56a aufgeführten

Gegenständen und Leistungen auch noch andere Gegenstände und Lei­ stungen auf bestimmte Dauer von dem Gewerbebetriebe im Umherziehen ausgeschlossen sein sollen.

Die Anordnung ist dem Reichstag sofort,

oder, wenn derselbe nicht versammelt ist, bei seinem nächsten Zusammen­ tritt mitzutheilen.

Dieselbe ist außer Kraft zu setzen, wenn der Reichs­

tag die Zustimmung nicht ertheilt. Durch die Landesregierungen

kann

das Umherziehen

hengsten zur Deckung von Stuten untersagt werden.

mit Zucht­

Desgleichen kann

zur Abwehr oder Unterdrückung von Seuchen der Handel mit Rind­ vieh, Schweinen, Schafen, Ziegen oder Geflügel im Umherziehen Be­ schränkungen unterworfen oder auf bestimmte Dauer untersagt werden. § 56c.

Art. 15 R-Ges. v. 6. August 1896.

Das Feilbieten von Waaren im Umherziehen in der Art, daß die­ selben versteigert oder im Wege des Glücksspiels oder der Ausspielung Zu § 56b. Die dem Bundesrathe beigelegte Befugniß, „soweit ein Bedürfniß obwaltet, an­ zuordnen, daß die Erlaubniß zum Verkauf oder Ankauf der einzelnen vom Ge­ werbebetriebe im Umherziehen ausgeschlossenen Gegenstände ertheilt werde", ist nicht so zu

verstehen,

daß

den Gewerbetreibenden

einzelner Orte der Hausirhandel mit

Gegenständen gestattet werden dürfe, welche von den Gewerbetreibenden im übrigen Theile beS Bundesgebiets nicht im Umherziehen verkauft oder angekauft werden dürfen.

Nr. 215 R.A. d. 58.9t. S. 55.

Das Feilbieten im Umherziehen des in Anhalt gebrauten Braun- und Weißbieres und Zerbster Bitterbieres ist, sofern diese Getränke keinen höheren Alkoholgehalt als 2 Prozent besitzen, gestattet. Zu § 56c. Begründung 1. Unterschied zwischen

Lettene

Glücksspiel 2.

1.

Bek. v. 21. März 1890. R G Bl. S. CO.

Inhaltsangabe: und

Ausspielung geringrverthiger Ge gen stände ans Jahrmärkten :c. :t. Befugnisse der Ortspolizeibehörde 4.

Anwendung des § 28V. St.G.B. 5. Behörde ♦>. Streitverfahren 7. 8.

Die Vorschrift enthält in Bezug auf die Art des Gewerbebetriebes im Um­

herziehen beschränkende Vorschriften, welche der Gewerbe-Ordnung von 1869 fremd sind: zunächst im Absatz 1 das Verbot des geilbietend von Waaren in der Art, daß dieselben versteigert oder im Wege des Glückspiels oder der Ausspielung (Lotterie) abgesetzt werden. Absatz 1

In gleicher Weise wendet sich der

gegen die Wanderauktion und tritt damit einer Geschäftsform entgegen,

welche in den Verhandlungen über die Wanderlager als besonders bedenklich erkannt wurde.

Die bezüglich

dieser Geschästsform den zuständigen Behörden eingeräumte

Gewerbe-Ordnung § 56 c.

204

(Lotterie) abgesetzt werden, ist nicht gestattet.

Ausnahmen von diesem

Verbote dürfen von der zuständigen Behörde zugelassen werden, hin­ sichtlich der Wanderversteigerungen jedoch nur bei Waaren, welche dem raschen Verderben ausgesetzt sind.

Oeffentliche Ankündigungen des Gewerbebetriebes dürfen nur unter dem Namen des Gewerbetreibenden mit Hinzufügung seines Befugniß, Ausnahmen von dem Verbote zu gestatten, hat ihren Grund in bestimmten lokalen, unerheblichen und unbedenklichen Volksgewohnheiten, denen entgegenzuwirken der Gesetzgeber keinen Anlaß hat. Auf ähnlichen Erwägungen beruht die Zulassung einzelner Ausnahmen von dem Verbote des Absetzens der Waaren im Wege des Glückspiels oder der Ausspielung.

Es sei hier nur an die auf Jahrmärkten üblichen

Drehbretter oder Kuchenbuden und ähnliche völlig harmlose Volkslustbarkeiten erinnert. Bei der sraglichen Ausnahmebefugniß ist an die Gestattung der Versteigerung in beit eigentlichen Wanderlagern nicht gedacht. Weiterhin verpflichtet der § 56c im Absah 2 die Gewerbetreibenden und vor allem die Wanderlagerbesiher zu gewissen, das Publikum vor Täuschung und Betrug schützenden Einrichtungen.

Damit wird dem Beschlusse des Bundesrathö

vom 27. März 1879 — § 172 der Protokolle — und denjenigen Erwägungen Rech­ nung getragen, welche bei den Eingangs angeführten Verhandlungen beschränkende Bestimmungen

ans diesem Gebiete erforderlich erscheinen ließen.

Ueber die Frage,

ob im einzelnen Falle ein Wanderlager oder eine stehende gewerbliche Niederlassung vorliegt, vgl. § 42 Absah 2. Handelt es sich nicht um die ernsthafte Begründung einer gewerblichen Niederlassung, sondern um eine bloße Vorspiegelung derselben, so ist der Gewerbebetrieb nicht als ein stehender zu betrachten.

Die Bestimmung in

Abs. 2 soll selbstverständlich nur den Gewerbebetrieb im Umherziehen treffen. Motive und Kommissionsbericht zum Gesetzentwurf von 1882. 2.

Vgl. auch die Note 1 zu § 55 Abs. 1. Lotterie und Glücksspiel unterscheiden sich nicht darnach, daß erstere

vorliegt, wenn Einsatz und Gewinn fest bestimmt ist, sondern darnach,

daß bei der

Lotterie planmäßig im Voraus festgestellte Gewinne vorliegen, welche nach einer Sn« fallsentscheidung unter die Mitglieder vertheilt werden, wobei in

der Regel die

Summe der planmäßigen Einsähe die Gewinne decken, ohne daß wiederholte Einsähe und Wiederholungen der Gewinnchancen möglich sind. Erk. d. R.G. v. 24. April 1883. Entsch. V. S. 283. Vgl. auch die betreffenden Noten zu § 56 Gew.O. Das Ausspielen von Waaren auf Jahrmärkten, bei Volksfesten und ähn­ lichen Gelegenheiten stellt sich, auch wenn es nur zu dem Zwecke des Absatzes der Waaren geschieht, als das Feilbieten von Lustbarkeiten und Schaustellungen dar, bei denen ein höheres Interesse der Kunst oder der Wissenschaft nicht obwaltet. Erk. d. K.G. v. 12. Januar 1888.

VIII. S. 164.

3. Den auf Jahrmärkten und bei Gelegenheit von Volksbelustigungen üblichen öffentlichen Ausspielungen geringwerthiger Gegenstände ist die obrigkeitliche Genehmigung nur dann zu ertheilen, wenn die Zahl der beabsichtigten einzelnen Aus­ spielungen und die Zahl der bei jeder derselben anzugebenden Spielausweise durch einen vorzulegenden Plan festgesetzt ist, und wenn die Spielausweiie, falls mehrere Ausspielungen beabsichtigt sind, tragen.

neben ihrer Nummer auch eine Serienbezeichnung

R. d. M. d. I. v. 10. Januar 1884.

M.Bl. S. 21.

Die Ausstellung von Wandergewerbescheinen zum Feilbieten von Waaren mittels Ausspielung u. s. w. ist unzulässig. das Feilbieten von Waaren lauten.

Die Wandergewerbescheine

dürfen

Die Ortspolizeibehörden haben

nur aus

sodann aus

205

Gewerbe-Ordnung § 56 c.

Wohnortes erlassen werden.

Wird für den Gewerbebetrieb eine Ver­

kaufsstelle benutzt, so muß an derselben in einer für Jedermann er­ kennbaren Weise ein den Namen und Wohnort des Gewerbetreibenden angebender Aushang angebracht werden.

Dies gilt insbesondere von

den Wanderlagern. Grund des § 56c Gew O, und des Allerh. Erlasses v. 2. Novbr. 1868 (Ges.S. S. 991) darüber zu entscheiden, ob und in wiefern sie bei Gelegenheit von Volksbelustigungen für geringfügige Gegenstände Ausnahmen von dem Verbot der Ausspielung u. s. w. zulassen wollen. 4.

C.R. b. G. M. u. M. d. I- vom 19. Februar 1895.

M.Bl. S. 31.

Durch die Verpflichtung der betreffenden Gewerbetreibenden, außer der erfor­

derlichen besonderen Erlaubniß einen Wandergewerbescheiu zu losen und Gewerbesteuer zu entrichten, wird die Ortspolizeibehörde in ihrer Befugniß, die Ausübung des Gewerbebetriebes für den betreffenden Ort je nach dessen besonderen Verhältnissen zu gestatten oder zu versagen, nicht behindert. 5

R. d. M. d. I. u. F.M. v. 12. August 1873.

Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß Waaren im Umherziehen in

der Art

feilhält, daß dieselben im Wege der Ausspielung (Lotterie) abgesetzt werden, ist. wenn die Ausspielung öffentlich veranstaltet wurde, ausschließlich in Gemäßheit des § 286 St.G.B. zu bestrafen. 5a.

Erk. d. R.G. v. 15. Oktober 1886.

VIII. S. 624.

Bei der Begriffsbestimmung des Wanderlagers ist das Hinführen nach

dem Verkaufsort als ein unwesentlicher Nebenumstand

anzusehen und das entschei­

dende Gewicht allein auf das Feilbieten der Waaren in

einem vorübergeheud be­

nutzten Verkaufslokal außerhalb des Wohnortes des Verkaufenden zu legen. 6.

Erk. R.G. v. 11. Juni 1896. XXIV. S. 1. Unter der Behörde, welche Ausnahmen von dem Verbot, im Umherziehen

Waaren zu versteigern oder im Wege des Glücksspiels oder der Ausspielung (Lotterie) abzusehen, zulassen darf (§ 56c a. a. £).), sind, soweit nicht für besondere Fälle etwas anderes bestimmt ist, die Regierungspräsidenten, für den Stadtkreis Berlin der PolizeiPräsident, in den Provinzen Posen. Schleswig-Holstein. Westfalen. Hessen-Nassau und in der Rheinprovinz bis zu demjenigen Zeitpunkt, zu welchem in denselben das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (G.S. S. 195) in Kraft gesetzt wird, die Regierungsabtheilungen des Innern zu verstehen. Anw. v. 29. Dezember 1883. Die Bestimmung unter A. I.

A. I. der Anweisung vom 29. Dezember 1883

zur Ausführung des Reichsgesehes vom 1. Juli 1883 betr. Abänderung der GewerbeOrdnung wird dahin geändert,

daß

unter der Behörde,

welche Ausnahmen von

dem Verbot, im Umherziehen Waaren zu versteigern oder im Wege des Glückspiels oder der Ausspielung (Lotterie) abzusetzen, zulassen darf (h 56c Gew.O.) die Ortspolizeibehörde zu verstehen ist.

R. d. M. d. I. u. H.M. v. 13. Juli 1886.

7. Der Bezirksausschuß, im Stadtkreis Berlin der Polizeipräsident, beschließt über Anträge auf Genehmigung des im § 56 Abs. 4 a. a. O. vorgesehenen Druckschriften Verzeichnisses. Gegen den versagenden Beschluß des Bezirksausschusses findet der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verw altungsstreitverfahren, gegen den versagenden Beschluß des Polizeipräsidenten die Klage bei dem Bezirksausschüsse innerhalb zwei Wochen statt. Gegen die Endurtheile des Bezirksausschusses ist nur das Rechtsmittel der Re­ vision zulässig. § 3 Verordnung v. 31. Dezember 1883. 8.

Hinsichtlich

des Verfahrens

bei Versagung

der Genehmigung zum

Gewerbe ordnung § 56 d.

206

§ 56d. Ausländern kann der Gewerbebetrieb im Umherziehen gestattet werden. Der Bundesrath ist befugt, die deshalb nöthigen Bestim­ mungen zu treffen._ _ _ _ _ _ _ _ Die bezüglichen mit dem 1. Januar 1897 in Wirksamkeit ge­ tretenen Bestimmungen vom 27. Novbr. 1896 R G Bl. S. 745 lauten: I. Geschäftsbetrieb der Handlungsreisenden. 1. Gold- und Silberwaarenfabrikanten und -Großhändler find befugt, auf Grund der nach § 44a ertheilten Legitimationskarte auch außerhalb des Gemeindebezirks ihrer gewerblichen Niederlassung, sofern diese im Jnlande liegt, persönlich oder durch in ihrem Dienste stehende Reisende Gold- und Silberwaareu an Personen, die damit Handel treiben, feilzubieten und zu diesem Zweck mit sich zu führen, vorausgesetzt, daß die Waaren, welche sie feilbieten, übungsgemäß an die Wiederverkäufer im Stück abgesetzt werden. Daffelbe gilt von Taschen­ uhren-, Bijouterie- nnd Schildpattwaaren-Fabrikanten und -Großhändlern, sowie von Gewerbetreibenden, welche mit Edelsteinen, Perlen, Kameen und Korallen Großhandel treiben. 2. Weinhändler find befugt, auf Grund der nach § 44a er­ theilten Legitimationskarte auch außerhalb des Gemeindebezirks ihrer gewerblichen Niederlassung, sofern diese im Jnlande liegt, persönlich oder durch in ihrem Dienste stehende Reisende ohne vorgängige aus­ drückliche Aufforderung Bestellungen auf Wein (Traubenwein einschließlich Schaumwein) bei anderen Personen zu suchen, als bei Kaufleuten oder solchen Personen, in deren Geschäftsbetriebe Waaren der angebotenen Art Ver­ wendung finden, sowie bei Kaufleuten an anderen Orten als in deren Geschäftsräumen. Das Gleiche gilt für den Handel mit Erzeugnissen der Leinen- und Wäschesabrikation und mit Nähmaschinen. Betriebe bezw. bei Untersagung des Gewerbebetriebes vergl. Anw. v. 29. Dezember 1883 B. I. (Note zu §§ 33a Gew.O.).

3« § 56d. Fassung 1. 2. Einfluv auf die Besteuerung 3. Einfluß der Staatsverträge 4. Prüfung des Bedürfnisses 5.

Inhaltsangabe: Staatsrechtlicher Charakter getroffe- Zusammenhang mit § 41 Gew.O. 8. ner Vereinbarungen 6. Zvllkcntrolvorschriften 9. Gewerbebetrieb der Slovaken. Scn- Rechtsansprüche und Rechtsmittel 10. stigeAusführungsbestimmungen 7.

1. Die Fassung dieser Vorschrift entspricht der des Abs. 3 des § 57 der Gew.O. von 1869. 2. Die Ausführungsbestimmungen des Bundesraths sind an die Stelle der Bekanntmachung vom 7. März 1887 (R GBl. S. 142) getreten. 3. Die steuerliche Behänd lu ng des Gewerbebetriebes im Umherziehen wird durch dieselben ilicht berührt. Cirk.R. d. F.M., M. d. I. u. H.M. v. 24. Mai 1877. M.Bl. S. 140.

207

Gewerbe-Ordnung § 56 d.

II. 1.

Gewerbebetrieb der Ausländer im Umherziehen. Ausländer,

A. Im Allgemeinen. welche ein Gewerbe im Umherziehen betreiben

wollen, bedürfen eines Wandergewerbescheines. 2. Ausgenommen von der Vorschrift in Ziffer 1 sind solche Aus­ länder, welche ausschließlich den Verkauf roher Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues, der Geflügel- und Bienenzucht im gewöhnlichen Grenzverkehr betreiben wollen; der Gewerbebetrieb kann jedoch untersagt werden, wenn eine der Voraussetzungen der §§ 57 Ziffer 1 bis 4, 57 a oder 57b Ziffer 2 bis 4 der Gewerbe-Ordnung vorliegt. 3. Auf die Ausübung des Gewerbebetriebes im Umherziehen, ferner auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme des Wander­ gewerbescheines finden die Bestimmungen des Titels III. der GewerbeOrdnung Anwendung, soweit nachstehend nicht etwas anderes bestimmt ist. 4.

Die Ertheilung

eines Wandergewerbescheines

ist

zu

versagen, wenn ein Bedürfniß zur Ausstellung von Wandergewerbe­ scheinen für Ausübung des betreffenden Gewerbes im Bezirke der Be­ hörde nicht besteht, oder sobald für das Gewerbe, für welches der Schein nachgesucht wird, die den Verhältniffen des Verwaltungsbezirks der Be­ hörde entsprechende Anzahl

von Wandergewerbescheinen

ertheilt oder

ausgedehnt worden ist (vergl. Ziffer 6). Für das Gewerbe der Topfbinder, der Kesselflicker, der Händler mit Blech- und Drahtwaaren und ähnlichen Gegenständen, der Dreh­ orgelspieler und Dudelsackpfeifer darf ein Wandergewerbeschein außerdem nur solchen Personen ertheilt werden, welche nachweislich in betn nächst vorangegangenen Kalenderjahre einen Wandergewerbeschein für daffelbe Gewerbe erhalten haben. Zigeunern ist der Wandergewerbeschein stets zu versagen. 5. Ausländer, welche entweder das sünsundzwanzigste Lebensjahr 4.

Durch den § 56 d in Verbindung mit § 4*2 Abs. 2 und § 44 wird auch für

den Fall, daß nicht, wie mit Oesterreich-Ungarn und der Schweiz, entgegenstehende Vertrage abgeschlossen sind, der Geschäftsverkehr der Reisenden ausländischer Hand­ lungshäuser der Regelung durch den Bundesrath unterworfen.

Auf die Bestirnmun-

geu des § 44 können diese ausländischen Finnen sich nicht berufen, weil ihre aus­ ländische gewerbliche Niederlassung nicht der Begriffsbestimmung des § 42 Abs. 2 entspricht. Dgl. Motive zum Gesetzentwurf von 1882. 5. Die Prüfung desBedürfnisses im Falle zu Nr. 4 der Bekanntmachung bezieht sich aus die Zahl der zu gestattenden Begleiter. Vgl. R. d.

M. d. Z., d. F M. und H.M. v. 23. Februar 1878. M Bl. S. 56.

«. Die für die Zulassung von Ausländern zu treffenden Bestimmungen find, soweit thunlich, durch Vereinbarung mit den einzelnen hierbei in Betracht kommenden Regierungen festzustellen, und sind keineswegs eigentliche Staatsverträge, welche der Genehmigung des Reichstags bedürfen. Nr. 217, R.A. d. B.R. S. 55.

Gewerbe-Ordnung § 56 d.

208

noch nicht überschritten haben, oder dnrch ihre Persönlichkeit zu erheb­ lichen polizeilichen Bedenken Anlaß geben,

sind zum Gewerbebetriebe

im Umherziehen nicht zuzulaffen. Von dem Erforderniß der Vollendung des fünfundzwanzigsten Le­ bensjahres darf ausnahmsweise gegenüber solchen Ausländern abgesehen werden, welche nachweislich in dem nächst vorangegangenen Kalender­ jahre einen Wandergewerbeschein für dasielbe Gewerbe erhalten haben. Der ertheilte Wandergewerbeschein kann zurückgenommen werden, wenn erhebliche polizeiliche Bedenken gegen die Persönlichkeit nachträglich sich ergeben. 6. Der Wandergewerbeschein berechtigt den Inhaber, nach Entrich­ tung der Landessteuern sein Gewerbe im Umherziehen in dem Bezirke derjenigen Behörde zu betreiben, welche den Wandergewerbeschein ertheilt hat. Zu dem Gewerbebetriebe in einem anderen Bezirke ist die Aus­ dehnung des Wandergewerbescheines durch die zuständige Behörde dieses Bezirks erforderlich. Die Ausdehnung wird versagt, wenn ein Bedürfniß zur Ausübung des betreffenden Gewerbes in dem Bezirke der Behörde nicht besteht, oder sobald für die den Verhältnissen des Bezirks ent­ sprechende Anzahl von Personen Wandergewerbescheine bereits ertheilt oder auf den betreffenden Bezirk ausgedehnt find. Auf die Zurücknahme der Ausdehnung findet der § 58 der GewerbeOrdnung sowie vorstehende Ziffer 5 Absah 3 entsprechende Anwendung. Das Recht, einen Ausländer aus dem Reichsgebiete auszuweisen, wird durch diese Bestimmungen nicht berührt. 7. Der Mangel eines festen Wohnfihes im Jnlande (§ 57 b Ziffer 1 7.

Durch Cirk.R. d. H.M., b. F.M. und b. M. b. I. v. 26. Oktober 1881

(Mitth. XIV. S. 54) sind ben Provinzialbehörben insbesondere folgenbe Punkte zur Beachtung empfohlen: 1. Bor Ertheilung des Legitimationsscheins zum Gewerbebetrieb im Umherziehen an Slovaken unb anbete auslänbische Hausirer ist in jedem einzelnen Falle sorgfältig zu prüfen, a) ob in dem Bezirk ber ertheilenden Behörde ein Bedürfnis;, anderen als den bereits zugelassenen Personen den Betrieb des fraglichen Gewerbes im Umherziehen zu gestatten, anzuerkennen, und eine wie große Zahl von Begleitern ohne Ueberschreitnng dieses Bedürfnisses zuzulassen ist. Ergiebt die Prüfung, daß das Bedürfniß bereits gedeckt ist, so ist die Ausstellung bezw. Äusdehnnng des Legitimationsscheins, sowie die Zulassung von Begleitern abzulehnen; b) ob diejenigen Ausländer, welche de» Legitimationsschein nachsuchen, so­ wie diejenigen Ausländer oder Inländer, welche als Begleiter eines ausländischen Hausirers zugelassen oder zu anderen Zwecken mitgeführt werden sollen, ingleichen die ausländischen Begleiter eines inländischen Hausirers nach ihrer Persönlichkeit den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, d. h. ob sie das 21. Lebensjahr überschritten haben, ob bei ihnen nicht einer der in der Gewerbe-Ordnung bezeichneten Hinde­ rungsgründe zutrifft, und ob sie nicht durch ihre Persönlichkeit zu sonstigen erheblichen Bedenken Anlaß geben. Solche Bedenke» werden auch aus Belästigung des Publikums, welche sich die Antragsteller oder deren Begleiter haben zu Schulde» kommen lassen, zu entnehmen fein. Ebenso

209

Gewerbe-Ordnung § 56 d.

der Gewerbe-Ordnung) ist Ausländern gegenüber als Versagung des Wandergewerbescheines

ein Grund zur

oder zur Versagung

der Aus­

dehnung desselben nicht anzusehen.

2.

3.

He

sind Personen vom Gewerbebetrieb im Umherziehen auszuschließen, welche in Vorjahren zu Gesellschaften sich vereinigt und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet haben, oder welche wegen Hausirgewerbekontravention, insbesondere wegen Mitführung nicht zugelassener Be­ gleiter bestraft worden sind; c) der Legitimationsschein ist bis auf weiteres denjenigen ausländischen Drahtwaarenhändlern rc. zu versagen, welche im Vorjahr einen solchen nicht erhalten hatten oder nur als Begleiter eines legitimirten Hausirers zugelassen waren. Personen, welche diesen Anforderungen (zu b und c) nicht entsprechen, darf der Legitimationsschein nicht ertheilt werden; ebensowenig dürfen die unter b bezeichneten Personen als Begleiter zugelaffen werden. Wie die erforderliche Prüfung zu bewirken ist. bleibt dem Ermessen der Provinzialbehörden überlassen. Je nach Verschiedenheit der Verhältnisse werden sich Rückfragen an die Unterbehörden, oder auch laufende Berichte der letzteren über die Führung der einzelnen zugelassenen Slovaken und ihrer Begleiter nicht umgehen lassen. In den Legitimationsschein sind neben dem genauen Signalement des Gewerbetreibenden und der näheren Bezeichnung des von demselben beabsichtigten Gewerbebetriebes auch die Namen, die Personalbeschreibungen und die Altersangaben der zugelassenen Begleiter (Reskript v. 28. Mai 1878) aufzunehmen. Die Polizeibehörden und die Gendarmen sind anzuweisen, auf den Ge­ werbebetrieb der Slovaken rc. ein besonders wachsames Auge zu haben und im Fall von Zuwiderhandlungen gegen die bestehenden Vorschriften wegen Bestrafung und Ausweisung der hausirenden Ausländer und ihrer Begleiter das Erforderliche zu veranlassen. In Betreff der Zigeunerbanden wird auf den Erlaß des Ministers des Innern vom 22. Oktober 1870 verwiesen. Im Uebrigen ist Folgendes zu beachten: a) kein Ausländer darf das Hausirgewerbe betreiben, ohne im Besitz eines für seine Person, für das Kalenderjahr und für den Bezirk, in welchem er hausirt. gültigen Legitimationsscheines der zuständigen Behörde zu sein; b) jeder Hausirer muß während der thatsächlichen Ausübung des Gewerbes den Legitimationsschein bei sich führen und auf Erfordern der Orts­ polizeibehörde vorzeigen; c) als Begleiter eines ausländischen Hausirers dürfen nur Personen zugelaffen werden, welche im Legitimationsschein ausdrücklich aufgeführt sind. Dies gilt auch von den nicht zu „gewerblichen" Zwecken, sondern lediglich aus wirtschaftlichen Rücksichten mitgeführten Frauen und Kin­ dern unter 14 Jahren; c!) so oft sich ein Anlaß dazu ergiebt, ist genau zu prüfen, ob die Angaben des Legitimationsscheines über Namen und Signalement, insbesondere auch über das Alter, für diejenigen Gewerbetreibenden und Begleiter zutreffen, welche sich zu ihrem Ausweise auf den Schein berufen, und ob nicht etwa der letztere von dem ursprünglichen Inhaber einem An­ dern überlassen ist oder andere als die im Legitimationsschein genannten Personen als Begleiter auftreten oder eine tin Signalement enthaltene Altersangabe für eine Persönlichkeit in Anspruch genommen wird, die augenscheinlich das entsprechende Lebensalter noch nicht erreicht hat; e) ergiebt sich, daß ein nicht zugelaffener Begleiter mitgesührt wird, so ist sowohl derjenige, welcher den Begleiter unbefugt mit sich führt, wie auch derjenige, welcher dem Gewerbetreibenden unbefugt als Begleiter dient, strafbar. Die Ausführungsbestimmungen des Bundesraths erstrecken sich nicht auf

den in § 44 der Gewerbe-Ordnung bezeichneten Gewerbebetrieb, welcher im bloßen Aufsuchen von Waarenbestellungen oder im Ankäufe frachtweise zu befördernder Waaren besteht.

Vgl. Nr. 457, R.A. d. B.R.

M.ircinowSki, Deutsch, Gewerbe-Ordnunq.

6. ÄufLinc.

14

8. Sowohl die Ausstellung als auch die Ausdehnung eines Wan­ dergewerbescheines kann für eine kürzere Dauer, als das Kalenderjahr, oder für bestimmte Tage während des Kalenderjahres erfolgen. 9. Die Wandergewerbescheine werden nach den unter III. nach­ stehend bezeichneten Formularen ausgestellt. Wenn einer der in Ziffer 4 Absatz 2 oder Ziffer 5 Absatz 2 be­ zeichneten Personen ein Wandergewerbeschein ertheilt wird, so ist ent­ weder der bisherige Schein zurückzufordern und zu vernichten, oder in demselben zu vermerken, daß für das neue Kalenderjahr ein neuer Schein ausgefertigt worden ist. 10. Wer beim Gewerbebetriebe im Umherziehen andere Per­ sonen von Ort zu Ort mit sich führen will, bedarf der Erlaubniß derjenigen Behörde, welche den Wandergewerbeschein ertheilt oder aus­ gedehnt hat. Die Erlaubniß wird in dem Wandergewerbescheine unter näherer Bezeichnung der Personen vermerkt. Personen, welche den an die selbständigen Gewerbetreibenden zu stellenden Anforderungen nicht entsprechen, dürfen nicht mitgeführt wer­ den. Diese Bestimmung findet auch auf die Mitführung eines Inlän­ ders durch einen ausländischen Gewerbetreibenden und eines Ausländers durch einen inländischen Gewerbetreibenden Anwendung. Die Erlaubniß zur Mitführung von Personen anderen Geschlechts, mit Ausnahme der Ehegatten und der über 21 Jahre alten eigenen Kinder und Enkel, kann auch dann versagt werden, wenn keiner der aus Ziffer 3 bis 5 sich ergebenden Versagungsgründe vorliegt. ». Es ist selbstverständlich, daß di« Ausländer keinesfalls günstiger gestellt werden sollen, wie die Inländer, und daß hiernach insbesondere die aus den Zollimb Steuergesetzen (§ 5 der Gewerbe-Ordnung) sich ergebenden Beschränkungen auch den Ausländern gegenüber zur Anwendung kommen. Ein von den Behörde» der inneren Berwaltung ausgestellter Legitimationsschein berechtigt daher zum Hausir­ betrieb im Zollgrenzbezirke nur dann, wenn den bezüglichen Zollkontrolvorschriften, namentlich dem § 124 des Vereinszollgesetzes vom l.Zuli 1869, Genüge geleistet ist; es ist Sache der Vollzugsbehörden, die Betheiligten hierauf ausdrücklich ausmerksani zu machen. Nr. 458, 463, R.A. d. B R. 10. Dem betreffenden Ausländer sollen weder persönliche Rechtsansprüche, noch eigentliche Rechtsmittel eingeräumt werden; die Borschristen der GewerbeOrdnung über Versagung und späteres Verbot des Gewerbebetriebs, sowie in Bezug ans Rekurse haben in vorliegenden Fällen mir insoweit Anwendung zu finden, als die Gewerbe-Ordnung den Betheiligten ein Recht gewährt. Vermeintliche Beschwerden sind bei der konipetenten höheren Behörde anzubringen. Vgl. Nr. 459, R.A. d. B.R. Auch bei Ertheilung der zulässigen Legitimationsscheine ist der Inhalt der Nr. 5 und 6 zu A in Betracht zu ziehen. Demgemäß ist insbesondere solchen Drahtwaarenhändlern u. dgl., welche das 21. Le­ bensjahr noch nicht überschritten haben, der Legitimationsschein jedenfalls zu versagen. Der Ausdruck „nächstvorangegangene Kalenderjahr" (A Nr. 4) bedeutet

211

Gewerbe-Ordnung § 56 d.

11.

Die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen getroffenen

Verfügungen einschließlich der Versagung der Genehmigung des Druck­ schriftenverzeichnisses (§ 56 Absatz 4 der Gewerbe-Ordnung) können nur im Wege

der Beschwerde

an die unmittelbar vorgesetzte Aufsichts­

behörde angefochten werden. B.

Der Geschäftsbetrieb der ausländischen Handlungsreisenden im Besonderen. 1.

Auf Handlungsreisende, welche durch die in den Staats­

verträgen vorgesehene Gewerbelegitimationskarte legitimirt find, finden die Bestimmungen der Staatsverträge Anwendung.

Insoweit diese

Handlungsreisenden Waaren seilbieten oder Waaren bei anderen Per­ sonen als bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waaren produziren, oder an anderen Orten als in offenen Verkaufsstellen aufkaufen, finden die

vorstehenden Bestimmungen unter A. auf

sie Anwendung.

Das Gleiche gilt, wenn die Handlungsreisenden Bestellungen auf Waaren ohne vorgängige ausdrückliche Aufforderung bei anderen Personen als bei Kaufleuten in deren Geschäftsräumen oder solchen Personen, in deren Geschäftsbetriebe Waaren der angebotenen Art Verwendung finden, auf­ suchen wollen, soweit es sich nicht um das Aufsuchen von Bestellungen auf Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke oder auf die unter I. 2 bezeichneten Waaren handelt. 2.

Handlungsreisende, welche Staaten angehören, mit denen ein

Abkommen wegen der Gewerbelegitimationskarten zwar nicht abgeschlossen, denen jedoch das Recht der Meistbegünstigung hinsichtlich des Ge­ werbebetriebes eingeräumt ist, bedürfen zum Geschäftsbetriebe im Znlande einer Gewerbelegitimationskarte nach dem vorgeschriebenen Muster. Die Gewerbelegitimationskarte berechtigt den Inhaber in dem ganzen Gebiete des Reichs, nach Entrichtung der Landessteuern, sofern in letzterer Hinsicht nicht ein Anderes im Wege des Vertrages festgesetzt ist, zum Geschäftsbetriebe in demselben Umfange wie die unter Ziffer 1 genannten Handlungsreisenden. immer dasjenige Jahr, welches jeweilig der Bewerbung unmittelbar vorangegangen ist, so daß also kein LegitiinationSschein mehr ausgestellt werden dars, wenn der Ge­ suchsteller zwar in einem früheren, nicht aber in dem letzten Jahre vor seiner Be­ werbung einen Legitiinationsschein erhalten hat.

Bgl. Nr. 460, Dt.il. d. B.R.

Wegen der Beschränkungen des Marktverkehrs der Ausländer vgl. §64 Gew O. Wegen

der Zigeuner vgl. Dt. d. M. d. I. v. 29. September 1887

(M.Bl.

S. 244) und v. 8. Dezember 1892 (M.Bl. 1893 S. 4). In den nach Nr. 4 Abs. 2 1883

der ^Bundesrathsbestiminungen

zu behandelnden Fällen sind

vom 31. Oktober

die früher ertheilten Wandergewerbescheine an

Ausländer, welche die fernere Zulassung derselben begründen, auf der ersten Seite mit dem Vermerke „Neuer Schein, ausgefertigt für daö Kalenderjahr. . . ." versehen.

Dt. d. M. d. I., H.M. u. F.M. v. 2. April 1894.

M.Bl. S. 80.

zu

212

Gewerbe ordnung § 57.

Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Gewerbe­ legitimationskarte finden die Bestimmungen des Titels III der GewerbeOrdnung mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß der Mangel eines festen Wohnsitzes im Jnlande (57 b der Gewerbe-Ordnung) einen Grund zur Versagung der Gewerbelegitimationskarte nicht bildet, und daß die auf Grund dieser Bestimmungen getroffenen Verfügungen nur im Wege der Beschwerde an die unmittelbar vorgesetzte Aufsichtsbehörde angefochten werden können. 3. Die aufgekauften Waaren dürfen nur behufs deren Beförderung nach dem Bestimmungsorte mitgeführt werden; von den Waaren, auf welche Bestellungen gesucht werden, dürfen nur Proben und Muster mitgesührt werden. 4. Auf die Ausübung des Geschäftsbetriebes der ausländischen Handlungsreisenden (Ziffer 1 und 2) finden die Bestimmungen des Titels III der Gewerbe-Ordnung entsprechende Anwendung. Die Wandergewerbescheine werden nach den bestimmten Formularen ausgestellt, von welchen Formular A für Inländer und Ausländer in Füllen des § 55 Ziffer 4 der Gewerbe-Ordnung, und Formular B für Inländer, Formular C für Ausländer in den übrigen Fällen des Ge­ werbebetriebes im Umherziehen bestimmt. § 57. Art. 16 R.Ges. v. 6. August 1896. Der Wandergewerbeschein ist zu versagen: 1. wenn der Nachsuchende mit einer abschreckenden oder ansteckenden Krankheit behaftet oder in einer abschreckenden Weise entstellt ist; 2. wenn er unter Polizeiaufsicht steht; Durch R. d. M. b. I. und H.M. vom 21. August 1894 (M.BI. S. 150) ist die Beobachtung der Vorschriften über den Hausirgewerbebetrieb von Ausländern noch besonders eingeschärft und darauf aufmerksam gemacht, daß das Gewerbe der Topfbinder, Kesselflicker, Händler mit Blech- und Drahtwaaren und ähnlichen Gegen­ ständen, der Drehorgelspieler und Dudelsackpfeifer nur solchen Ausländern gestaltet werden darf, welche nachweislich in dem nächst vorangegangenen Kalenderjahre einen Wandergewerbeschein für das betreffende Gewerbe erhalten haben. Der Besitz eines solchen Gewerbescheins begründet ober noch keinen Anspruch auf dessen Erneuerung für das nächste Jahr.

3« 8 67. 1. Die Fassung der Gew.O. von 1869 lautete dahin: Einem Bundesangehörigen, welcher innerhalb des Bundesge­ bietes einen festen Wohnsitz besitzt und das 21 sie Lebensjahr überschritten hat, darf der Legitimationsschein, vorbehaltlich der Bestimmung des § 59, nur dann versagt werden, wenn er: 1. mit einer abschreckenden oder ansteckenden Krankheit behaftet ist; 2. oder wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf das Leben »iid die

Gewerbe-Ordnung § 57.

213

3. wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht gegen das Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen Land- oder Hausfriedensbruchs, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt,

wegen vorsätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Gesundheit der Menschen, wegen vorsätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwider­ handlungen gegen Verbote und Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen, zu Gefängniß von mindestens sechs Wochen, oder zwar zu einer geringeren Strafe ver urtheilt, aber in der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte beschränkt worden ist. innerhalb zweier Jahre nach erfolgter Verurtheilung, und int Falle der Gefäugnißstrafe nach verbüßtem Gefängniß; 3. oder unter Polizeiaufsicht steht; 4. oder wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Bettelei, Landstreicherei, Trunksucht übel berüchtigt ist. Die Behörde muß innerhalb vierzehn Tagen dem Nachsuchenden ent­ weder den Legitimationsschein ertheilen oder unter Angabe des gesetzlichen Hinderungsgrundes schriftlich versagen. Gegen die Versagung steht der Rekurs zu. Wegen des Verfahrens und deren Behörden gelten die Vor­ schriften der §§ 20 und 21. Ausländern kann der Gewerbebetrieb im Umherziehen gestattet werden. Der Bundes rath ist befugt, die deshalb nöthigen Bestimmungen zu treffen. 2. Das Gesetz hat die Versagungsgründe so vervollständigt, daß nunmehr bescholtene und unzulässige Personen in der überwiegenden Zahl der Fälle vom Hausir­ gewerbe ausgeschlossen werden können. Was ferner die Zurücknahme des Wander­ gewerbescheins anlangt, so unterscheidet das Gesetz zwischen obligatorischen und einer doppelten Art von fakultativen Versagungsgründen, giebt es den Behörden, welche die Waudergewerbescheine zu ertheilen haben, die bisher fehlende Richtschnur dafür, in welchen Fällen sie zur Versagung des Wandergewerbescheins a. unbedingt, b. der Regel nach verpflichtet, c. nicht verpflichtet, aber berechtigt sind. Dabei dient die Allsscheidung der ersten beiden Kategorien von Versagungsgründen nach dem doppelten Zwecke, weniger energischen Beamten gegenüber dem Andrängen der den Wander­ gewerbeschein Nachsuchenden eine festere Stellung zu verschaffen, und solchen Beamten, lvelche etwa allzu sehr geneigt seht möchten, lästiger Elemente durch Ausstellung von Wandergewerbescheinen sich zu entledigen, ihre Pflicht unzweideutig vorzuschreiben. Unter Ziffer 1 sind die abschreckenden oder Ansteckenden Krankheiten der bis­ herigen Ziffer 1 beibehalten; neu aufgenommen sind die Fälle einer abschreckenden Entstelln ii g. Der Wandergewerbeschein ist auch dann zu versagen, wenn solche unglückliche Individuen zivar nicht auf offener Straße, sondern in Schaubuden sich sehen lassen wollen, um niederer Schaulust zu dienen und aus ihr Gewinn zu ziehen. Nur wenn es sich darum handelt, daß die betreffenden Personen umhergesührt werden sollen, um in geschlossenen Räumen zu wissenschaftlichen Zwecken gezeigt zu werden, tritt der Begriff des Gewerbebetriebes in den Hintergrund und fällt die Veranlassung fort, mit einem Verbote hiergegen einzuschreiten. Die Frage, ob eine Krankheit „abschreckend" genannt werden kann, oder ob der Nachsuchende in abschreckender Weise „entstellt" ist, unterliegt der Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde (§ 61) vorbehaltlich des Rekurses. An zweiter Stelle ist die im § 57 der Gewerbe-Ordnung an dritter Stelle auf­ geführte Polizeiaufsicht genannt, während die Bestimmung unter Ziffer 2 der Ge» werbe Ordnung unter wesentlicher Erweiterung in den § 57a Ziffer 5 und 6 des Ent-

214

Gewerbe-Ordnung § 57.

Verbote oder Sicherheitsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurtheilt ist, und seit Verbüßung der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind; 4. wenn er wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Bettelei, Land­ streicherei, Trunksucht übel berüchtigt ist; 5. in dem Falle des § 55 Ziffer 4, sobald der den Verhältnissen des Verwaltungsbezirks der zuständigen Verwaltungsbehörde entsprechenden Anzahl von Personen Wandergewerbescheine er­ theilt oder ausgedehnt find (§ 60 Absatz 2). wurfs verwiesen ist. Als dritter obligatorischer Versagungsgrund (§ 57 Ziffer 3) wird das Vorhandensein von Thatsachen bezeichnet, welche die Annahme rechtfertigen, daß der Nachsuchende den Gewerbebetrieb zu Handlungen, welche den Gesetzen oder den guten Sitten zuwiderlaufen, oder zu schwindelhaften Zwecken benutzen werde. Es soll verhindert werden, daß nicht unter der Maske eines anderen Gewerbebetriebes den Gesetzen oder guten Sitten zuwidergehandelt oder schwindelhafte Zwecke verfolgt werden. Gegen Mißbrauch schützt der Rekurs. Was bei dem Erlaß dieser Vorschrift den Ausschlag geben muß, ist die Rücksicht auf das allgemeine Wohl. Ziffer 4 des Gesetzes enthält eine wesentliche Erweiterung gegenüber der jetzt geltenden Vorschrift unter § 57 Ziffer 4. Die Erfahrung hat gelehrt, daß das von der Gewerbe-Ordnung vorausgesetzte „Uebelberüchtigtsein" sich schwer nachweisen laßt, auch wenn die Thatsache der Arbeitsscheu u. s. w., auf welche es doch allein ankommt, notorisch ist. Jener Begriff, welcher jede feste Grundlage vermissen läßt, hat deshalb in der Praxis zu verschiedenen Zweifeln Anlaß gegeben, weshalb das Gesetz denselben völlig bei Seite läßt, und vielmehr die Pflicht der Versagung des Wandergewerbe­ scheines lediglich auf das Vorhandensein von Thatsachen stellt, welche die Annahme rechtfertigen, daß der Nachsuchende der Arbeitsscheu, der Bettelei, der Landstreicherei. dem Trünke oder einem liederlichen Lebenswandel ergeben ist. Aus dem Eingänge des jetzigen § 57 der Gew O, von 1869 sind die beiden Momente des Mangels der Großjährigkeit und des festen Wohnsitzes im Jnlande hinübergenommen. — Daneben ist die neue Bestimmung getroffen, daß die Versagung ebenfalls erfolgen darf, wenn der Nachsuchende Kinder besitzt, für deren Unterhalt und, insofern sie im schulpflichtigen Alter stehen, für deren Unterricht nicht genügend gesorgt ist, oder wenn er blind, taub oder stumm ist, oder an Geistesschwäche leidet. Ziffer 5 deckt sich im Wesentlichen mit dem Absatz 2 des früheren § 59 in Ver­ bindung mit dem Absah 2 des jetzigen § 60 und ist nur der Vollständigkeit wegen an dieser Stelle ausgeführt. Welche Anzahl der hier fraglichen Gewerbetreibenden den Verhältnissen des Verwaltungsbezirks entspricht, entscheidet die zuständige Be­ hörde nach freiem Ermessen. Dabei kommt es selbstverständlich nicht darauf an, daß von jeder möglichen Gattung von Musikanten, Schaustellern u. s. w. irgend eine Anzahl angelassen werden soll; sondern wenn von einer oder von einzelnen Betriebs­ arten bereits eine den Verhältniffen des Bezirks entsprechende Anzahl von Personen zugelassen ist, so können andere Betriebsarten auch ganz ausgeschlossen werden. Motive zum Gesetzentwurf von 1882. 8. Zu den strafbaren Handlungen im Sinne des § 57 Nr. 3 Gew O, ist auch daS Vergehen des einfachen Bankerotts zu rechnen. Erk. d.O.D.G. v. 9. Juni 1884. II. S. 523, und vom 29. April 1886. Reger VII. S. 370.

Gewerbe-Ordnung §§ 57 a, 57 b.

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§ 57a. Art. 17. R Ges. v. 6. August 1896. Der Wandergewerbeschein ist in der Regel zu versagen: 1. wenn der Nachsuchende das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Im Falle der Nr. 1 ist dem Nach­ suchenden der Wandergewerbeschein zu ertheilen, wenn er der Ernährer einer Familie ist und bereits vier Jahre im Wandergewerbe thätig gewesen ist.

2. wenn er blind, taub oder stumm ist, oder an Geistesschwäche leidet. § 57 b. Art. 18 a. a. O. DerWandergewerbeschein darf außerdem nurversagtwerden: 1. wenn der Nachsuchende im Jnlande einen festen Wohnsitz nicht hat; 2. wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher An4. Eine strafbare Handlung aus Gewinnsucht liegt nicht allein dann vor, weiln der Handelnde dieselbe unternommen hat, um sich selbst einen Gewinn zu verschaffen, sondern ganz allgemein in allen Fällen, in welchen der strafbaren Hand­ lung an sich Gewinnsucht zum Grunde liegt. Erk. d. O.V.G. v. 25. Juni 1891. Strafbare Handlungen aus Gewinnsucht sind nicht bloß diejenigen, welche gegen das Eigenthum gerichtet sind, vielmehr können auch andere Momente in Betracht kommen, beispielsweise gewinnsüchtige Begünstigung der Kontrebande. Erk. d. O.V.G. v. 23. Dezember 1889. Unter den Vergehungen gegen das Eigenthum im Sinne des § 57 Gew.O. sind alle Vergehen gegen das Vermögen zu verstehen, also auch das Vergehen des Betruges. Erk. d. O.V.G. v. 19. April 1894. Zu § 57 a. b.

1. Die Bestimmung der Gewerbe-Ordnung, daß dem Nachsuchenden innerhalb vierzehn Tagen der Legitimationsschein entweder ertheilt, oder unter Angabe des gesetzlichen Hinderungsgrundes schriftlich versagt werden muß, ist, was die Fristbestimmung anlangt, nicht mit aufgenommen worden. In den zahlreichen Fällen, wo Nachfragen in Betreff der Person des Nachsuchenden erforderlich sind, vergeht bis zur Entscheidung auch bei möglichster Beschleunigung der Angelegenheit gar leicht eine längere Zeit als vierzehn Tage. Die bestehende Vorschrift ist deshalb in ihrer Aus­ nahmslosigkeit erfahrungsmaßig undurchführbar. Der unter Nr. 1 des § 57 b aufge­ führte Mangel des festen Wohnsitzes ist dem Eingänge des früheren § 57 entnommen. Nach der Fassung genügt an und für sich die Thatsache der wiederholten Verurtheilung; ein „Rückfall" im Sinne des Strafrechts, also Verurtheilung nach erfolgter Verbüßung der ersten Strafe, wird nicht vorausgesetzt. Die Behörde soll hier freie Hand haben, um die Beschaffenheit des einzelnen Falles nach ihrem gewissenhaften Ermessen zu würdigen. Vgl. Motive zum Gesetzentwurf von 1882. Unter den Bestrafungen (§§ 57, 57b) sind nur gerichtlich erkannte zu verstehen. Die von anderen Behörden erkannten Strafen bleiben außer Betracht. Vgl. Kommissionsbericht von 1882 zu § 57 b. Die Behörden bleiben nach wie vor befugt, besonderen Verhältniffen durch Zulassung von Ausnahmen Rechnung zu tragen. 2. § 57 a Gew.O. gilt nicht bloß bei Ertheilung eines Wandergewerbescheins zum Gewerbebetriebe in eigener Person, sondern auch bei Ertheilung eines Wandergewerbescheins für Personen, die für einen Andern ein Gewerbe im Umherziehen zu betreiben

216

Gewerbe-Ordnung §§ 58, 59.

griffe auf das Leben und die Gesundheit der Menschen,

wegen Hausfriedensbruchs, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt,

wegen vorsätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote oder Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einer Woche verurtheilt ist und seit Verbüßung der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind; 3. wenn er wegen Verletzung der auf den Gewerbebetrieb im Um­ herziehen bezüglichen Vorschriften im Laufe der letzten drei Jahre wiederholt bestraft ist; 4. wenn er ein oder mehrere Kinder besitzt, für deren Unterhalt und, sofern sie im schulpflichtigen Alter stehen, für deren Unter­ richt nicht genügend gesorgt ist. § 58. Der Wandergewerbeschein kann zurückgenommen werden, wenn sich ergiebt, daß eine der im §57 Ziffer 1 bis 4, § 57 a oder § 57 b bezeichneten Voraussetzungen entweder zur Zeit der Ertheilung desselben bereits vorhanden gewesen, der Behörde aber unbekannt ge­ blieben, oder erst nach Ertheilung des Scheins eingetreten ist. § 59. Eines Wandergewerbescheins bedarf nicht: 1. wer selbstgewonnene oder rohe Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues, der Geflügel- und Bienenzucht, sowie selbstgewonnene Erzeugnisse der Jagd und Fischerei feilbietet; beabsichtigen (§ 60 d. Abs. 2), so rote für Personen, die bloß als Begleiter beim Ge­ werbebetrieb im Umherziehen von Ort zu Ort mitgeführt werden sollen (§ 62 Abs. 2). Erk. d. O.V.G. v. 4. Zuli 1892. Ein Hausirer, in Betreff deffen durch ärztliches Zeugniß nachgewiesen ist, daß er mit den Augen nur noch helles und dunkles Tageslicht zu unterscheiden vermag, ist im Sinne der Versagung des Wandergewerbescheins als blind anzusehen. Erk.d.O.V.G.v.8.Juni 1891. 8. Wegen der Besugniß der Ehefrauen zum Gewerbebetriebe vgl. § 11 Gew.O. u. R. d. H.M. u. F.M. o. 31. Zuli 1884. Mitth. XVII. S. 98. 4. Wenn der Thatbestand des § 57 b Gew.O. vorliegt, ist die Versagtmg in das freie pflichtmäßige Ermessen des Bezirksausschusses gestellt. Erk. O.V.G.v. 25. April 1895. 3« §68. Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der Ortspolizeibehörde über die Zurücknahme des Wandergewerbescheins. § 5 B. v. 31. Dezember 1883. Zu § 59.

I. Das Reichsgesetz vom 1. Juli 1883 hat hier den Standpunkt der Gew.O. von 1869 verlassen. Die entsprechende Bestimmung (§ 58 der älteren Fassung) ging dahin: Die Ertheilung des Legitimationsscheines erfolgt: I. für den Ankauf und Verkauf selbstgeroonnener Erzeugnisse der Jagd und des Fischfangs,

Gewerbe-Ordnung § SS.

217

2. wer in der Umgegend seines Wohnortes bis zu 15 Kilometer Entfernung von demselben selbstverfertigte Waaren, welche zu den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs gehören, feilbietet oder gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies Landesgebrauch ist, anbietet; 2. für den Verkauf selbstverfertigter Waaren, welche zu den Gegen­ ständen des Wochenmarktverkehrs gehören und für das nach Landes­ gebrauch hergebrachte Anbieten gewerblicher Leistungen innerhalb der von der Polizeibehörde näher zu bestimmenden Umgegend des Wohnortes durch die Unterbehörde, welche für den Ort, wo der Gewerbetreibende seinen Wohnsitz hat, zuständig ist, für alle anderen Arten des Gewerbebetriebes im Umherziehen durch die höhere Verwaltungsbehörde. In den Fällen, für welche die Gesetze die Ausstellung eines Gewerbescheins nothwendig machen, kann dieser auch zugleich den Legitimationsschein ersetzen. Unr für die Behörden eine Entlastung und für das Publikum eine Erleichterung zu schaffen, hat das neue Gesetz im § 59 für denjenigen Kleinverkehr, welcher gemäß der in der preußischen und bayerischen Landessteuergesehgebung übereinstimmend ge­ gebenen Begrenzung einer Steuerpflicht nicht unterliegt und somit im größten Theile des Reiches steuerfrei ist, auch von der gewerbe polizeilichen Legitimation abgesehen und für denjenigen Verkehr, welcher einer gewerbepolizeilichen Legitimation bedarf, im § 61 den Grundsatz aufgestellt, daß diese Legitimation in allen Fällen durch die nämliche obere Instanz zu ertheilen ist. Der § 59 Gew.O., welcher in der älteren Fassung lautete: Wer auf den Straßen oder sonst im Umherziehen oder an einem Orte vorübergehend und ohne Begründung eines stehenden Ge­ werbes öffentlich Musik aufführen, Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten öffentlich darbieten will, ohne daß ein höheres Zntereffe der Kunst oder Wisienschaft dabei obwaltet, bedarf außer den übrigen Erforderniffen, der vorhergehenden Erlaubniß durch die Behörde des Ortes, an welchem die Leistung beabsichtigt wird. Die Ertheilung von Legitimationsscheinen für die Gewerbe wird versagt, sobald der, den Verhältnissen des Verwaltungsbezirkes der höheren Verwaltungsbehörde entsprechenden Anzahl von Personen Legitimationsscheine ertheilt sind. Umherziehenden Schauspieler-Gesellschaften wird der Legiti­ mationsschein nur dann ertheilt, wenn der Unternehmer die im § 32 vorge­ schriebene Erlaubniß besitzt. ist durch § 33a und 60a in der Fassung des Reichsgesetzes v. l.Zuli 1883 absorbirt. 2. In Betreff der Gegenstände des Wochenmarktverkehrs ist die Vor­ schrift des § 66 Gew.O. maßgebend. Vgl. auch R. d. F.M. vom 19. November 1853, 20. September 1855 und 31. Oktober 1870 (Winiker S. 254, 256). Als Gegenstände, welche überall auf Wochenmärkten feilgehalten werden dürfen, bezeichnet der Cirk.Erl. v. 26. Dezember 1847 (M.Bl. 1848 S. 25): I. Erzeugnisse des Bodens, der Land- und Forstwirthschaft, der Jagd und Fi­ scherei, welche zum Genusse dienen:

218

Gewerbe-Ordnung § 59.

3. wer selbstgewonnene Erzeugniffe oder selbstversertigte Waaren, hinsichtlich deren dies Landesgebrauch ist, zu Wasier anfährt und von dem Fahrzeuge aus seilbietet; 4. wer bei öffentlichen Festen, Truppenzusammenziehungen oder anderen außergewöhnlichen Gelegenheiten mit Erlaubniß der Ortspolizeibehörde die von derselben zu bestimmenden Waaren feilbietet. Die Landesregierungen können in weiterem Umfange den Gewerbe­ betrieb im Umherziehen mit Gegenständen des gemeinen Verbrauchs ohne Wandergewerbeschein innerhalb ihres Gebietes gestatten. Alle eßbaren Garten-, Wald- und Feldfrüchte (frisch, getrocknet, gebacken und eingekocht) als Obst, Citronen, Pomeranzen, Apfelsinen, Gemüse, Kräuter, Knollen und Wurzeln, auch rohe ungedörrte Cichorienwurzeln; ferner Pilze, Beeren, Säme­ reien, Getreide und Hülsenfrüchte; Mehl jeder Art (einschließlich des Kartoffel- und Senfmehls) und alle anderen Mühlenfabrikate aus Getreide und Hülsenfrüchten; so­ dann Hefe, Brod, Semmel und ähnliche Backwaaren. Kleine vierfüßige Thiere: Schafvieh, Kälber, Schweine, Ziegen; Milch, Butter, Käse, Fleisch und Fleischwaaren (frisch, gesalzen oder.geräuchert); wildes Geflügel und Wildpret aller Art; Federvieh, Eier, Honig; Krebse, Muscheln, Fische (frisch, ge­ salzen, gedörtt oder geräuchert). II. Andere Erzeugnisse der Natur und der mit dem Landbau und mit der Forstwirthschaft verbundenen gewerblichen Thätigkeit: Rohe Steine und Erden, Schiefer, Kalksteine, roher Gips und Traß, Kreide, Thon, Walkerde, Sand-, Feuer-, Wetz- und Schleifsteine und Ziegel. Gras, Heu, Biehfutter (auch Oelkuchen); Stroh, Schilf, Rohr, Bast, Laub- und Nadelftreu, Seetang. Moos, Schwamm, rohe Wurzelgewächse, Stengel und Blätter (namentlich auch rohe, unbearbeitete Tabaksblätter); Blumen und Pflanzen, Hopfen, Wau. Karden; desgleichen Oel- und Kleesaat und andere Pflanzensamen. Sträucher, Bäume, Ruthen und Reifer; auch Besen aus Reisern, grobe Ge­ flechte auS Holzfpähnen, aus Weiden, Schilf, Rohr, Bast, Stroh und dergleichen. Flachs, Hanf, Leinengarn, Zwirn, Band und Strümpfe aus Leinen, Leinwand, Zwillich und Drillich. Brennholz, Torf, Holz-, Braun, und Steinkohlen und andere Brennmaterialien, Lohe und Lohkuchen; Harz, Theer, Pech, Kienöl. Kienruß, Asche, Brenn-, Nutz- und Schierholz. Pfähle, Bretter, Latten, Dachsplitten; auch grobe Holzwaaren. Vögel, Bienenstöcke, rohes Wachs. Schreib- und neue Bettfedern, rohes Horn, Knochen, rohe Thierfelle, Borsten, Thierhaare und wollenes Strickgarn. fL

Auf Ausländer finden die Bestimmungen der §§ 59, 59a keine Anwendung. Vgl. Motive zum Gesetzentwurf von 1882.

4. Die Bezeichnung „selbstgewonnen" und „selbstverfertigt", welche § 59 Abs. 1 und 2 der Gewerbeordnung in der Faffung des Reichsgesetzes vom 1. Zuli 1883 auf die dort aufgeführten Erzeugniffe und Waaren anwendet, ist aus dem § 58 Absatz 1 und 2 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 unverändert übernommen. Es kann daher keine Veranlassung vorliegen, dieser Bezeichnung nach Erlaß des Gesetzes vom 1. Juli 1883 eine andere Bedeutung beizulegen, als ihr vor-

Gewerbe-Ordnung § 59 a.

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§ 59a. In den Fällen des § 59 Ziffer 1 bis 3 kann der Gewerbe­ betrieb untersagt werden, wenn die Voraussetzungen des § 57 Ziffer 1 bis 4 vorliegen. her in Preußen in Uebereinstimmung mit der hier in Betreff der Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen geltenden Gesetzgebung unbeanstandet beigelegt worden ist. Es sind demgemäß unbedenklich, wie früher, so auch künftig, unter „selbstgewonnenen" Erzeugniflen und „selbstverfertigten" Waaren auch solche zu verstehen, welche von Familienangehörigen. Gehülfen oder Dienstboten des betheiligten Haushaltungsvorstandes gewonnen oder verfertigt oder welche zwar von dem Haushaltungsvorstande gewonnen oder verfertigt sind, aber von seinen Familienangehörigen, Gehülfen oder Dienstboten ver­ trieben werden. R. d. H.M. u. F.M. v. 20. September 1884. Mitth. XVII. S. 96. Dgl. auch R. d. H.M. u. F.M. v. 23. November 1886. Die in § 59 Nr. 2 bezeichnete Art des Gewerbebetriebe- ist als Ausfluß des stehenden Gewerbes anzusehen, zu dessen Ausübung der Gewerbetreibende sich nach § 41 der Unterstützung von Gesellen, Gehülfen, Arbeitern und Lehrlingen in beliebiger Zahl bedienen darf. Erk. d. K.G. v. 16. Dezember 1889. Reger XI. S. 270. Der Wandergewerbeschein deckt nur die eigene Person deS Feilbietenden. Die Ausnahme des tz 59 Nr. 2 Gew.O. ist deshalb auch nur mit dieser Beschränkung zu verstehen. Das Feilbieten, soweit es sich nicht um rohe Erzeugniffe handelt, muß daher auch in eigener Person stattfinden. Das Privilegium ist ein höchst persönliches und auf Dienstboten und Bevollmächtigte hinsichtlich der Erzeugniffe ihrer Herrschaften nicht auszudehnen. Erk. d. R.G. v. 2. Februar 1888. Reger XII. S. 132. Findet das Feilbieten gesammelter wild wachsender Beeren und Blumen zwar außerhalb des Wohnortes, aber nicht ausschließlich im Marktverkehr statt, so stellt sich daffelbe zwar an sich als ein Gewerbebetrieb im Umherziehen dar, ist aber, falls es in der Umgegend deS Wohnortes bis zu 15 km Entfernung von diesem stattfindet, auf Grund § 59 Nr. 2 ohne Wandergewerbeschein zu gestatten. R. d. H.M. u. F.M. v. 2. Februar 1888. Mitth. XXL S. 80.

4a. Der Hausirgewerbebetrieb durch Stellvertreter ist auch bezüglich der seldstverfertigten Waaren des Wochenmarktverkehrs nicht gestattet. Erk. d. R.G. v. 2. Februar 1888. Reger IX. S. 216. 5. Die öffentliche Ausspielung selbst erzeugter Gartengewächse fällt selbst dann nicht nothwendig unter den Begriff der Schaustellungen, wenn sie bei einem öffentlichen Volksfeste erfolgt. Erk. d. R.G. v. 8. April 1886. VIII. S. 269. 6.

Selbstgeschlachtetes Fleisch gehört zu den selbstverfettigten Waaren. R. d. H.M. u. F.M. v. 13. Januar 1870. M.Bl. S. 131.

7. Anträge auf Ettheilung steuerpflichtiger Gewerbescheine zum Anoder Verkauf roher Erzeugnisse der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues sind bei der Polizeibehörde des Wohnortes des Gewerbe-

220

Gewerbe-Ordnung § 59 a.

treibenden anzubringen, von welcher dann an die Bezirksregierungen zu berichten ist. In Berlin find derartige Antrüge an die Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern zu richten. Cirk.-Verf. d. F.M., H.M. u. M. d. I. v. 10. Juni 1871.

M.Bl. S. 207.

8. Unter rohen Erzeugnissen der Land- und Forstwirthschast, des Gartenund Obstbaues sind nur die durch den Betrieb einer solchen Wirthschaft unmittel­ bar gewonnenen Erzeugnisie, dagegen nicht solche Produkte zu verstehen, welche vor ihrer Verwendung zum Verkauf einer besonderen Zubereitung oder Bereitung bedürfen. Demzufolge sind Wachs und Honig, wenn diese Gegenstände in rohem Zustände verkauft werden, ferner Eier, rohe Felle, Schweinsborsten, Kälber­ haare und gerupfte Federn, da sie keine Zubereitung erfahren haben, zu den Rohprodukten zu rechnen, während Flachs, sobald er gebrochen oder geröstet ist. Butter, Käse, gebackenes, getrocknetes und eingekochtes Obst hierzu nicht zu zählen sind. Da die Gew.O. nur den Hausirhandel mit rohen Erzeugnissen der Land- und Forstwirthschast, des Garten- und Obstbaues, nicht aber mit Produkten der Vieh­ zucht von der Verpflichtung zur Lösung eines Legitimationsscheines befreit hat, so ist zum Gewerbebetrieb mit allen Arten lebenden Viehes, mit Ausschluß des Feder­ viehes, welches zu den rohen Erzeugniffen der Landwirthschast zu rechnen ist, ein Legitimationsschein einzuholen. R. d. H.M. u. F.M. v. 5. Februar 1870 (M.Bl. S. 132) u. v. 7. Mai 1870. Winiker Nr. 782b. Erk. d. O.T. v. 30. Mürz 1878. Opp. XIX. S. 153. 8 a« Fische, welche durch unberechtigtes Fischen, also durch eine strafbare Hand­ lung (tz 370 Nr. 4 St.G.B.) erlangt sind, können den selbstgewonnenen Erzeug­ nissen des Fischfangs nicht gleichgestellt werden, da unter Fischfang im gesetz­ lichen Sinne nur das Fangen von Fischen seitens eines Fischereiberechtigten zu ver­ stehen ist. Erk. d. K.G. v. 29. Mai 1890. Reger XI. S. 270. 9. In Betreff der Gewerbescheine vgl. §§ 6, 7, 8 des Ges. v. 3. Juli 1876 (Anhang). 10. Die Veranstaltung öffentlicher Vorstellungen sogenannter Magnetiseure ist nicht gestattet. R. d. K.M. v. 12. Mai 1881. (M.Bl. S. 170.) 11. Die Bestimmung in § 59 Nr. 2 Gew.O., nach welcher zur Anbietung ge­ werblicher Leistungen in der Umgegend des Wohnortes bis zu 15 Kilometer Entfernung ein Wandergewerbeschein nicht erforderlich ist, bezieht sich nicht auf das Darbieten von Musikaufführungen. Die Gewerbeordnung unterscheidet vielmehr ausdrücklich zwischen den letzteren und den gewerblichen Leistungen. R. d. M. d. I. v. 22. Februar 1885. M.Bl. S. 56. 12. Die Befugniß (§ 59 letzter Absatz) steht den Landesregierungen nur bezüglich derjenigen Gegenstände zu, welche vom Gewerbebetriebe im Umherziehen nicht allgemein ausgeschlossen sind. Dagegen ist der Bundesrath nach § 56b Gew.O. befugt, auch den Verkauf von geistigen Getränken im Umherziehen zu gestatten, soweit ein Bedürfniß dazu obwaltet. R. d. M. d, I. v. 29. Jqnuar 1885. M.Bl. S. 53,

Newerbe-Ordnung § 60.

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§ 60. Der Wandergewerbeschein wird für die Dauer des Ka­ lenderjahres ertheilt, er berechtigt den Inhaber, in dem ganzen Gebiete des Reichs das bezeichnete Gewerbe nach Entrichtung der darauf hastenden Landessteuern zu betreiben. Soweit nach § 56 Ziffer 1 das Feilbieten von geistigen Getränken im Falle beson­ deren Bedürfnisses vorübergehend gestattet wird, ist die räumliche und zeitliche Beschränkung dieser Erlaubniß im Wandergewerbeschein an­ zugeben. 13. DerKreisausschuß, in Stadtkreisen und in den zu einem Landkreise ge­ hörigen Städten mit mehr als 10000 Einwohnern der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der Ortspolizeibehörde über die Untersagung des ohne Wandergewerbe­ schein zulässigen Gewerbebetriebes im Umherziehen, h 4 V. v. 31. Dezember 1883. Hinsichtlich des Verfahrens bei Versagung der Genehmigung zum Betriebe bezw. bei Untersagung des Gewerbebetriebes vergl. Anw. v. 29. Dezember 1883 B I (Note zu § 33a Gew.O.). Hinsichtlich der Klage auf Untersagung des Betriebes in der Provinz Hannover und im Landkreise Frankfurt a. M. vergl. die betr. Note zu § 33a Gew.O. Zu | 60. 1. § 60 in der Fassung der Gew.O. v. 1869 lautete dahin: Der Legitimationsschein enthält das Signalement des Inhabers und die nähere Bezeichnung des von demselben beabsichtigten Gewerbebetriebes. Er ist nur für das Kalenderjahr gültig. Seine Erneuerung darf nicht versagt werben, so lange die im § 57 bezeichneten Erfordernisse vor­ handen sind. Der Legitimationsschein für den Betrieb der im § 59 bezeichneten Gewerbe gewährt die Befugniß zum Gewerbebetrieb in einem anderen, als dem Bezirke derjenigen höheren Verwaltungsbehörde, welche ihn aus­ gestellt hat, nur dann, wenn er auf den anderen Bezirk von der höheren Verwaltungsbehörde der letzteren ausgedehnt ist. Diese Ausdehnung wird versagt, sobald für die den Verhältnissen des Bezirks entsprechende Anzahl von Personen Legitimationsscheine bereits ausgestellt oder aus­ gedehnt sind. Die Fassung des Reichsgesetzes v. 1. Juli 1883 entspricht dem § 60 in seiner jetzigen Fassung mit folgenden Abweichungen: 1. Hinsichtlich der 5)anet des Wandergewerbescheins für ein Kalender­ jahr hat der Entwurf die Bestimmung des bisherigen § 60 übernommen. Dagegen hebt das neue Gesetz ausdrücklich hervor, daß der Schein für den Umfang des Reichs gilt. Der letzte Satz des Absah 1 ist eine Konsequenz des § 56 Ziffer 1. 2. Mit dem ausdrücklichen Hinweise auf die vorgängige Entrichtung der auf dem Gewerbebetriebe haftenden Landessteuern, zu denen auch unbeschadet der Bestimmung des § 8 des Freizügigkeitsgesetzes die Ge­ meindesteuern zu rechnen sind, wird der Ausschluß der Annahme bezweckt, als ob der Besitz des Wandergewerbescheins allein zu der sofortigen AuS-

Gewerbe-Ordnung § 60.

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Ein Wandergewerbeschein für den Betrieb der im § 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe gewährt die Befugniß zum Gewerbe­ betrieb in einem anderen, als dem Bezirke derjenigen Verwaltungs­ behörde, welche ihn ausgestellt hat. nur dann, wenn er auf den anderen Bezirk von besten Verwaltungsbehörde ausgedehnt ist. Sowohl die Ausstellung als auch die Ausdehnung eines derartigen Wandergewerbe­ scheins kann für eine kürzere Dauer, als das Kalenderjahr, oder für bestimmte Tage während des Kalenderjahres erfolgen. Die Ausdehnung

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4. 5.

6.

Übung des Gewerbebetriebes im Umherziehen berechtigte, und als ob der Inhaber es auf die nachträgliche exekutivische Einziehung der Steuer an­ kommen lassen könnte. Durch den H 5 der Gewerbeordnung wird jener Hinweis nicht über­ flüssig gemacht. Durch die Bestimmung, daß sowohl die Ausstellung, als auch die Aus­ dehnung der Wandergewerbescheine für die im § 55 unter 4 erwähnten Musikaufführungen, Schaustellungen u. s. w. für eine kürzere Dauer als das Kalenderjahr, oder für bestimmte Tage während des Kalenderjahrs, z. B. Meflen, Märkte, Volksfeste, erfolgen kann, soll dem öffentlichen Zntereffe nicht weniger, als dem der betheiligten Gewerbe­ treibenden gedient werden. Letzterem insofern, als die Möglichkeit geschaffen werden soll, dem Antrage der Betheiligten auf Ertheilung eines Scheins von kürzerer Dauer oder für wenige Tage des Jahres, welcher voraus­ sichtlich mit einer geringeren Steuer belastet sein wird, zu entsprechen. Auch soll namentlich in kleineren Ländern und Verwaltungsbezirken, nicht sofort durch einige wenige auf Jahresfrist ertheilte oder ausgedehnte Scheine die den Verhältnisien deS Landes oder Bezirkes entsprechende Anzahl von Scheinen ausgefüllt werden. Denn das würde zur Folge haben, daß alle sich später Meldenden, selbst wenn die Erstbedachten sich nach kurzem Auf­ enthalt im Lande dort nicht wieder sehen lasten, ausgeschlosien werden müssen (§ 57 Ziffer 5). In Uebereinstimmung mit dem im § 58 ausgesprochenen Grundsätze muß eine Zurücknahme auch der Ausdehnung eines der unter 3 vor­ stehend bezeichneten Wandergewerbescheine möglich gemacht werden. Während der § 60 in der früheren Fassung nur eine allgemeine Vorschrift über den Inhalt der Legitimationsscheine enthält, bestimmt der § 60 ferner, daß der BundeSrath das Formular der Wandergewerbescheine festsetzen soll. Der Satz des § 60 der Gewerbeordnung von 1869, daß die Erneuerung eines Wandergewerbescheines nicht versagt werden darf, so lange die im § 57 bezeichneten Erfordernisse vorhanden sind, hat keine Aufnahme gefunden. Er könnte nur für die in dem bisherigen § 59 behandelten Straßengewerbe Bedeutung haben. Denn jeder andere Gewerbetreibende, welcher die Erfordernifle des § 57 der Gewerbeordnung erfüllt, hat ohnehin einen unabweisbaren Anspruch auf den Wandergewerbeschein. Für die im § 59 eit. vorgesehenen Betriebe erscheint aber jene Bestimmung schon aus dem Grunde nicht genügend motivirt, weil der Erfolg der sein könnte, daß eine Anzahl Gewerbetreibender, deren Leistungen durchaus mangelhaft sind,

Gewerbe-Ordnung § 60.

223

ist zu versagen, sobald für die den Verhältniffen des Bezirks ent­ sprechende Anzahl von Personen Wandergewerbescheine bereits ausgestellt oder ausgedehnt find. Die Verwaltungsbehörde kann die von ihr bewilligte Aus­ dehnung nach Maßgabe des § 58 zurücknehmen. Der Wandergewerbeschein enthält die Personalbeschreibung des In­ habers und die nähere Bezeichnung des Geschäftsbetriebes. Das Formular der Wandergewerbescheine bestimmt der Bundesrath. späteren tüchtigeren Bewerbern die Erlangung eines Wandergewerbescheines dauernd abschnitten, weil jene bereits die dem Bezirke entsprechende An­ zahl darstellen, oder daß, nachdem bereits Scheine in hinreichender Anzahl ausgestellt sind, einer Anzahl früher mit Scheinen versehener Personen, welche sich sehr spät behufs Erneuerung ihrer Scheine meldeten, noch weitere Scheine ausgestellt werden müßten. Motive zum Gesetzentwurf von 1882. Auf die Ausdehnung der Wandergewerbescheine finden für den Gel­ tungsbereich des Ges. v. 1. August 1883 der § 117 a. a. O., im Uebrigen die zur Ausführung der Gew.O. erlassenen Anweisungen v. 4. September und 24. Novbr. 1869 Anwendung. Anw. d. M. d. I. u. H.M. v. 29. Dezbr. 1883. All. Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der Ortspolizeibehörde über die Ausdehnung des Wandergewerbescheines. § 5 Verordnung v. 31. Dezember 1883. Hinsichtlich des Verfahrens bei Entziehung einer ertheilten Appro­ bation vergl. Anw. v. 29. Dezember 1883. Bll (Note zu § 33a Gew.O.). 2. Für Ausländer kommen die betreffenden Bestimmungen gleichmäßig in Anwendung. Beschl. d. Bundesraths Nr. 3, S. 328. 3. Die preußischen oberen Verwaltungsbehörden sind auch zur Ausfertigung von Wandergewerbescheinen für inländische Gewerbetreibende, welche das Gewerbe nicht in Preußen betreiben wollen, verpflichtet. Bei den Scheinen dieser Art ist jedoch zu vermerken, daß, da das Gewerbe in Preußen nicht betrieben werden soll, keine Hausir-Gewerbesteuer in Preußen entrichtet ist. R. d. H.M., M. d. Z. u. F.M. v. 30. April 1884. Mitth. XVII. S. 95. 4. Die Formulare zu den Wandergewerbescheinen sind von der Reichs­ druckerei direkt zu beziehen. C.R. d. H.M., M. d. I. it. F.M. vom 26. November 1883. Mitth. XVII. S. 82. Wegen der Fassung der Wandergewerbescheine und Legitimationskarten vgl. C.R. derselben Minister v. 8. Dezember 1883 a. a. O., S. 83 fgde. und Bek. vom 27. November 1896. R.G.Bl. S. 748. Wegen des Preises bcrfclbcu vgl. C.R. v. 23. Dezember 1883 a. a. O. S.90. Wegen des Formulars zu Gewerbelegitimatiouskarten für auslän­ dische Handlungsreisende vgl. R. d. H.M., M. d. I. u. F.M. vom 28. März 1884. Mitth. XVII. S- 93. Vgl. auch S. 212.

Gewerbe-Ordnung §§ 60 a 60 b.

224

8 60a. Wer die im § 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe an einem Orte von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten ausüben will, bedarf der vorgängigen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde. § 60b. Art. 19 R. Ges. v. 6. August 1896. Minderjährigen Personen kann in dem Wandergewerbescheine die Beschränkung auferlegt werden, daß sie das Gewerbe nicht nach Den zur Vollziehung der Legitimations- und Gewerbescheine verpflichteten Be­ amten ist es nicht gestattet, die eigenhändige Namensunterschrist durch Faksimile oder durch Namensstempel zu ersehen. R. d. H.M.. M. d. I. u. F.M. v. 15. Febr. 1883. Mitth. XVII. S. 75. Die Ausstellung gemeinsamer Wandergewerbescheine an eine und die­ selbe Person für verschiedene Arten des Hausirgewerbes (Darbietung von Lustbar­ keiten und Handel) ist thunlichst zu vermeiden. R. d. H.M., M. d. I. u. F.M. v. 1. März 1886. Mitth. XIX. S. 29. Die Umschreibung eines Wandergewerbescheines auf dritte Per­ sonen ist nicht zulässig. Der Wandergewerbeschein ist eine für die einzelne Person bestimmte Legitima­ tion, deren Uebertragung aus eine andere Person weder ihrem Wesen entspricht, noch in einer gesetzlichen Vorschrift einen Anhalt findet. Auch ist nicht abzusehen, inwie­ fern eine derartige Umschreibung einfacher als die Ausstellung eines neuen Wander gewerbescheines zu bewirken sein sollte, da bei dieser, wie bei jener, die Voraus­ setzungen der Ertheilung deö letzteren zu prüfen und festzustellen sind und die Ent­ scheidung über die steuerliche Seite der Frage selbständig erfolgen muß. Es wird daher in vorkommenden Fällen ein neuer Wandergewerbeschein aus­ zustellen und der Steuerbehörde unter Mittheilung der auf das Gesuch um Befreiung von der Gewerbesteuer (Anrechnung der von dem Inhaber des alten Wandergewerbescheines schon gezahlten Steuer) bezüglichen Materialien zur Entscheidung über diesen Antrag zu übergeben sein. R. d. H.M. u. F.M. vom 15. Oktober 1884.

4.

Mitth. XIX. S. 27.

Die betreffende Strafbestimmung ist in § 149 Nr. 3 Gew O, enthalten.

Zu g 60 a, Diese Vorschrift entspricht dem früheren §59 Abs. 1. Eine Polizeiverordnung, welche vorschreibt, daß vor Veranstaltung einer öffent­ lichen Theatervorstellung die Erlaubniß der zuständigen Verwaltungsbehörde unter Beifügung des zur Aufführung bestimmten Stücks eingeholt werden muß und daß diese Genehmigung auch bei wiederholter Aufführung deffelben Stücks erforder­ lich, sofern mit demselben Veränderungen vorgenommen werden sollen, erscheint ledig­ lich als ein Ausfluß des der Verwaltungsbehörde zustehenden UeberwachungörechtS und steht mit den Gesetzen,

insbesondere mit Art. 27 der Verfassungsurkunde vom

31. Januar 1850 nicht in Widerspruch. Erk. d. R.G. v. 31. Januar 1884.

IV. S. 249.

3» 8 «Ob. Diese Vorschrift ist neu. Sie wurde aus Anregung des preußischen Volkswirthschaftsrathö in den Entwurf aufgenommen.

225

Gewerbe-Ordnung § 60c.

Sonnenuntergang, und minderjährigen Personen weiblichen Geschlechts kann außerdem die Beschränkung auferlegt werden, daß sie dasselbe nur auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, nicht aber von Haus zu Haus betreiben dürfen. Desgleichen kann von der Ortspolizeibehörde minderjährigen Per­ sonen verboten werden, daß sie innerhalb des Polizeibezirks die im § 59 Ziffer 1 und 2 aufgeführten Gegenstände nach Sonnenuntergang, und minderjährigen Personen weiblichen Geschlechts, daß sie dieselben Gegen­ stände von Haus zu Haus feilbieten. Das Feilbieten der im § 59 Nr. 1 und 2 bezeichneten Gegenstände durch Kinder unter vierzehn Jahren kann von der Ortspolizeibehörde verboten werden. § 60c. Der Inhaber eines Wandergewerbescheins ist verpflichtet, diesen während der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung des Wandergewerbescheins einzustellen. Auf gleiches Erfordern hat er die von ihm geführten Waaren vorzulegen. Zum Zweck des Gewerbebetriebes ist ohne vorgängige Erlaubniß der Eintritt in fremde Wohnungen,

sowie zur Nachtzeit das

Betreten fremder Häuser und Gehöfte nicht gestattet. Denselben Bestimmungen — Absatz 2 — unterliegt das Feilbieten der im § 59 Ziffer 1 und 2 aufgeführten Gegenstände. Zu § 00 c. Im Absatz 1

wird die Bestimmung des § Gl

der Gewerbeordnung mit

der

Aenderung wiedergegeben, daß im Interesse einer korrekteren Fassung statt „Erfordern der zuständigen Behörde" und „Geheiß der Behörde" gesagt ist:

„Erfordern" bezie­

hungsweise „Geheiß" der „zuständigen Behörden oder Beamten", um etwaige in der Praxis aufgetretene Zweifel zu beseitigen, nach welcher sehr oft Exekutivbeamter nicht unter den Begriff „Behörde"

subsumirt wurde.

hörde und Beamten die hier erlangte Zuständigkeit erhalten, richtet

ein einzelner Welche Be­ sich nach dem

Landesrecht. Die ausdrückliche Verpflichtung, aus Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten die im Umherziehen mitgeführten Waaren vorzulegen, ist eine Konsequenz des § oC>. Wollte ein Hausirer einem solchen Erfordern nicht Folge leisten, so würde er schon dadurch darthun, daß er mala fide handelt. Wer als Hausirer eine Wohnung oder ein Gehöft betritt, zu welchem der Zu­ tritt ihm durch Anschlag oder sonstige Kundmachung verboten ist, macht sich eines nach § 123 des Strafgesetzbuches strafbaren Hausfriedensbruchs schuldig.

In

den

§ GOc brauchte deshalb eine hierauf bezügliche speziellere Bestimmung nicht aufge­ nommen zu werden. Was § 60c untersagen will, ist lediglich diejenige Zudringlich­ keit der Hausirer, welche nicht als strafbarer Hausfriedenbruch erscheint. Eine solche Zudringlichkeit nimmt

der Entwurf an, wenn der Hausirer ohne Erlaubniß zum

MarcinowSki, Deutsche Gewerbe-Ordnung.

6. Austage.

J5

Gewerbe-Ordnung § GOd.

226

§ 606. Der Wandergewerbeschein darf einem

anderen nicht zur Be­

nutzung überlassen werden. Wer für einen Anderen ein Gewerbe im Umherziehen zu betreiben beabsichtigt, unterliegt für feine Person den Bestimmungen dieses Gesetzes. Wenn mehrere Personen die int §55 Ziffer 4 bezeichneten Ge­ werbe in Gemeinschaft mit einander zu betreiben beabsichtigen, so kann auf ihren Antrag ein gemeinsamer Wandergewerbeschein für die Gesellschaft als solche ausgestellt werden, in welchem jedes einzelne Mit­ glied aufzuführen ist. Werden für die einzelnen Mitglieder besondere Wandergewerbescheine ausgestellt, so kann in die letzteren ein Vermerk aufgenommen werden, nach welchem dem Inhaber der Gewerbebetrieb nur im Verbände einer bestimmten Gesellschaft, oder einer Gesellschaft überhaupt, gestattet sein soll. Zwecke seines Gewerbebetriebes fremde Wohnungen oder zur Nachtzeit fremde Häuser und Gehöfte betritt. Die Uebertretung des hierauf gerichteten Verbotes findet ihre ergänzende Strafsanktion in dem § 148 Ziffer 7. Der Begriff „Nachtzeit" ist wie im Strafgesehbuche (zu vergleichen §§ 243, 7. 250, 4. 293. 296. 322) nicht gesetzlich bestimmt, sondern nach Lage des einzelnen Falles thatsächlich Vorschrist, wie sie § 104 der Strafprozeßordnung enthält, lag

festzusetzen.

Zu einer

bei der Verschieden»

heit der in beiden Fällen in Betracht kommenden Gesichtspunkten ein Anlaß nicht vor. Der Hausirer hat sich darüber zu vergewissern, daß ihm der Eintritt in die Wohnung u. s. w. gestattet werde. theilt wird,

Solange ihm eine derartige Erlaubniß nicht er­

hat er vor der Thüre zu bleiben und nicht eigenmächtig in die Wohn-

räume einzutreten bezw.

bei Nachtzeit fremde Häuser (auch außerhalb der Wohn»

räume) oder Geschäfte zu betreten.

Die Gegenüberstellung von Haus und Wohnung

rechtfertigt sich dadurch, daß ein Haus verschiedene Wohnungen enthalten kann, denen Eintritt erst dann zu erlangen ist, wenn man das Haus betreten hat.

zu

Auch

kann ein einzelnes HauS Jedermann offen stehende Räume und daneben nur eine davon abgesonderte Wohnung enthalten. Vergl. Motive zum Gesetzentwurf von 1882 und Kommissionsbericht zu § 60 e. Die entsprechende wie folgt:

Bestimmung

der

Gew.O.

von

1869

(§ Gl) lautete

Der Inhaber des Legitimationsscheins ist verpflichtet,

diesen während

der thatsächlichen Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen Behörde vorzuzeigen und sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf Geheiß der Behörde den Betrieb bis zur Abhülfe des Mangels einzustellen. Die zuständige Behörde ist auch hier die Ortspolizeibehörde;

vgl. Anw. v.

1869 Nr. 15. 3» » 60 d. L

Der Grundsatz, daß der Wandergewerbeschein den darin genannten Gewerbe»

betteibenden nur zur persönlichen Ausübung des Gewerbes, und nicht etwa zum Be­ triebe deffelben durch einen Stellvertreter ermächtigt, ist in den ersten beiden Absätzen des § GOd bedingungslos aufgestellt.

Von dep zur Zeit im § 62 Absatz 1 der Ge-

Gewerbe-Ordnung § 60d.

227

Umherziehenden Schauspielergesellschaften wird der Wander­ gewerbeschein nur dann ertheilt, wenn der Unternehmer die im § 32 vorgeschriebene Erlaubniß besitzt. In dem Wandergewerbescheine für den Unternehmer einer Schauspielergesellschast ist ausdrücklich zu vermerken, daß der Gewerbetreibende als Unternehmer auftreten will. werbeordnung vorgesehenen Ausnahmen ist gänzlich Abstand genommen worden. Ein großer Theil des durch diese Ausnahmen gedeckten Gewerbebetriebes soll fortan überhaupt nicht mehr an die Ertheilung eines Wandergewerbescheins gebunden sein (§ 59). Soweit aber auch ferner ein Wandergewerbeschein erforderlich ist, liegt für eine ausnahmsweise Behandlung kein Bedürfniß vor. Absah 3 regelt, zur Ausfüllung einer in dem Gesetz vorhandenen Lücke, die Legitimationsverhältnisse für umherziehende Schauspieler­ gesellschaften, Musikbanden u. s. w. Die Grundsätze entsprechen den bereits durch den Beschluß des Bundesraths vom 21. Juni 1879 — § 362 der Pro­ tokolle, Nr. 109 der Drucksachen — festgesetzten Normen. Der erste Satz des Absatzes 3 greift überhaupt in die Selbstbestimmung des Einzelnen nicht ein. Der im zweiten Satze zugelassene Vermerk verhindert, daß sich eine Bande von Musikanten u. s. w. zur größten Belästigung der Bevölkerung in einzeln musizirende Haufirer auflöst. Die innere Berechtigung einer solchen Vorschrift liegt auch noch darin, daß die höhere Verwaltungsbehörde nach § 57 Ziffer 5 mög­ licherweise in der Lage gewesen wäre, die Einzelscheine zu versagen, während sie eine organisirte Truppe noch zulaffen konnte. Ueberdies nimmt dieser besondere Ge­ werbebetrieb seiner ganzen Natur nach ohnehin im Gesetze eine exzeptionelle Stellung ein (vergl. § 60a). Absatz 4 enthält zunächst das letzte Alinea des früheren § 59. Die weitere Vorschrift, daß in bem Wandergewerbescheine des Unternehmers einer Schau­ spielergesellschaft die Absicht des Inhabers, als Unternehmer aufzutreten, vermerkt werden soll, entspricht dem gedachten Bundesrathsbeschluffe vom 21. Juni 1879. Dadurch wird nicht nur die Kontrole erleichtert, sondern es werden auch dem nach §§ 32 und 55 gehörig legitimirten Unternehmer unnöthige Weiterungen erspart. Vgl. die Motive zum Gesetzentwurf von 1882. la. Ein Begleiter welcher abgesondert von dem Gewerbetreibenden, den er begleiten soll, dessen Gewerbe auf eigene Hand betreibt, bedarf eines besonderen Ge­ werbescheines für seine eigene Person. Erk. d. K.G. v. 30. Januar 1890. Reger XI. S. 272. 2. Der für Rechnung eines Anderen Hausirhandel betreibende Stellvertreter muß für seine Person einen Legitimationsschein lösen, vorausgesetzt, daß zu der Art des Betriebes ein solcher überhaupt notwendig ist. Erk. v. 4. September 1879. Opp. XX. S. 346. Vgl. auch Erk. v. 2. Februar 1888. S. 342. Die entsprechende Vorschrift der Gewerbeordnung von 1869 (§ 62 Abs. 1) lautete wie folgt: Der Gewerbebetrieb im Umherziehen darf nicht durch Stellvertreter ausgeübt werden. Ausgenommen hiervon sind der Verkauf der im § 58 bezeichneten Gegenstände, sofern er innerhalb der von der Polizeibehörde näher zu bestimmenden Umgegend des Wohnorts erfolgt, und der ebenda­ selbst unter 2 bezeichnete Gewerbebetrieb.

§ 61. Die Ertheilung des Wandergewerbescheins erfolgt durch die für den Wohnort oder Aufenthaltsort des Nachsuchenden zuständige höhere Verwaltungsbehörde. Die Verwaltungsbehörde des Aufenthalts­ ortes kann den Nachsuchenden an die Behörde seines Wohnortes ver­ weisen. In dem Falle des § 55 Ziffer 4 erfolgt die Ertheilung des Wander­ gewerbescheins durch die höhere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk das Gewerbe betrieben werden soll. Die Zurücknahme des Wandergewerbescheins erfolgt durch die für den Wohnort oder Aufenthaltsort des Inhabers zuständige höhere Ver­ waltungsbehörde. § 62. Wer beim Gewerbebetriebe im Umherziehen andere Personen von Ort zu Ort mit sich führen will, bedarf der Erlaubniß der­ jenigen Behörde, welche den Wandergewerbeschein ertheilt hat, oder in deren Bezirk sich der Nachsuchende befindet. Die Erlaubniß wird in dem Wandergewerbescheine unter näherer Bezeichnung dieser Personen vermerkt. 3» § 6i. Dgl. R. d. H.M. und F.M. v. 26. Februar 1884 (Milth. XVII. S. 91), in welchem unter Bezugnahme aus §§60,61 Gew.O. auf deren Beachtung hingewiesen wird.

3» 8 62. Frühere Fassung 1. Begründung der neuen Fassung 2. Anträge auf Zulassung von Begleitern 3.

Inh altSangabe: Gewerbebetrieb der Begleiter 4. Aufnahme der Namen in den Wandergewerbeschein 5.

Ausländer 6. Verfahren 7. Strafbestimmung 8.

1. Die entsprechende Vorschrift der Gewerbeordnung von 1SG9 (§ 62 Abs. 2) lautet wie folgt: . Die Mitführung von Begleitern, sei es zur Beförderung der Waaren, zur Wartung des Gespannes oder zu anderen Zwecken, bedarf der in dem Legitimationöscheine auszudrückenden Genehmigung derjenigen Be­ hörde, welche den Schein ertheilt hat, oder in deren Bezirk sich der Nach­ suchende befindet. Diese Genehmigung darf nur unter den Voraussetzungen und Formen versagt werden, welche § 57 für die Versagung des Legi­ timationsscheins gegenüber dem Unternehmer vorschreibt. Für Kinder unter vierzehn Jahren wird diese Genehmigung nicht ertheilt. 2. werbes wollen, einzelnen durch die

Nur solche Gewerbetreibende, die bei dem Betriebe ihres Ge­ im Umherziehen Begleiter von Ort zu Ort mit sich führen bedürfen der Erlaubniß. Die Annahme von Hülfskräften rc. an einem Orte, z. B. zur Erbauung einer Schaubude, zur Verstärkung eines Zuges Straßen der Stadt ». s. w., gehört nicht hierher.

GewerbeOrdnung § 62.

229

Die Erlaubniß ist zu versagen, insoweit bei ihnen eine der im § 57 bezeichneten Voraussetzungen zutrifft; außerdem darf dieselbe nur versagt werden, insoweit eine der im § 57a und § 57b bezeichneten Voraussetzungen vorliegt. Die Zurücknahme der Erlaubniß erfolgt nach Maßgabe des § 58 durch eine für deren Ertheilung zuständige Behörde. Die Mitführung von Kindern unter vierzehn Jahren zu ge­ werblichen Zwecken ist verboten. Unter „Mit-sich-fü hren" ist lediglich die Thatsache des Mitnehmens der Personen als solche zu verstehen, losgelöst von jeder Zweckbestimmung. Es kommt also nicht daraus an, ob bie Begleiter zu irgend welchen dienstlichen Ver­ richtungen herangezogen werden, ob sie überhaupt zu dem Gewerbebetriebe in irgend welcher Beziehung stehen oder nicht. Die Frage, ob eine einzelne Person, z. B. eine Person, die zur Schau gestellt wird, als Begleiter, oder als selbstthätiger oder mitthätiger Gewerbe­ treibender oder Gehülfe, welcher eines Wandergewerbescheines bedarf, anzu­ sehen ist, muß aus der Gesammtheit der in Betracht kommenden Umstände beurtheilt werden. Eine Aenderung gegenüber der Fassung des bisherigen Rechts ist nicht be­ absichtigt. Jedenfalls kann hierbei nicht der Umstand den Auöschlag geben, daß die Person nicht für ihre eigene Rechnung thätig ist. Dieses Moment ist voll unter­ geordneter Bedeutung. Maßgebend sind die Bestimmungen des § 55, welche wörtlich zu nehmen sind. Dort ist eine Summe von Handlungen aufgeführt, und jeder, der sie vornimmt, bedarf eines Wandergewerbescheines. Aus diesem Grunde ist in der vorliegenden Begründung auch häufig von Hausirern und vom Hausiren die Rede, um gegenüber dem Begriffe „Gewerbetreibender" nur die Thatsache gewerbsweisen Umherziehens zum Ausdruck zu bringen. In den Absätzen 3 bis 5 ist die Mitführung von Kindern unter vierzehn Jahren bezw. von Kindern, welche noch im schulpflichtigen Alter stehen, besonders, und zwar abweichend von den bisherigen Bestimmungen, geregelt. Ueber die Schulpflicht entscheidet das Schulgesetz des Ortes, wo das Kind schulpflichtig ist. Die Schulpflicht bezieht sich übrigens nur auf die Volksschule. Abs. 3 bezieht sich auf die Zeit der Schulferien. Die in Absah 5 bezüglich der Ehegatten und eigenen Kinder gemachte Ausnahlne bezieht sich nur auf das Geschlecht. Die sonst aufgestellten Beschränkungen greifen auch hier Platz. Vgl. Motive zum Gesetzentwurf von 1882 und Kommissionsbericht. 3. Anträge auf Zulassung von Begleitern sind von dem Unternehmer an die Polizeibehörde des Wohnortes des Begleiters zu richten, welche an die zur Ent­ scheidung berufene Behörde zu berichten hat. Im Falle der Versagung findet das in den Noten zu Tit. III bezeichnete Verfahren statt. Zur mündlichen Verhand­ lung ist aber auch der Begleiter vorzuladen, wogegen die Behändigung der Entschei­ dung allein an den Unternehmer zu bewirken ist. Vgl. Anw. v. 24. November 1869 Nr. 4. 4. Begleiter des Inhabers eines Legitimationsscheins betreiben als solche das Gewerbe nicht selbständig. Erk. d. O.T. v. 13. Juni 1877. Opp. XVIII. S. 407.

230

Gewerbe-Ordnung § 62.

Die Erlaubniß zur Mitführung von Kindern, welche schulpflich­ tig find, ist zu versagen und die bereits ertheilte Erlaubniß zurück­ zunehmen, wenn nicht für einen ausreichenden Unterricht der Kinder gesorgt ist. Die Erlaubniß zur Mitführung von Kindem unter vierzehn Zähren kann versagt werden und von der für die Ertheilung derselben zustän­ digen Behörde zurückgenommen werden. Daffelbe gilt von der Erlaub­ niß zur Mitführung von Personen andern Geschlechts mit Aus­ nahme der Ehegatten und der über vierzehn Jahre alten eigenen Kinder und Enkel. Sie machen sich aber strafbar, wenn sie das Gewerbe desselben selbst, wenn auch für dessen Rechnung, betreiben. Erk. d. O.T. v. 7. Juli 1875. Opp. XVI. S. 519. Betreibt der Begleiter eines Gewerbetreibenden das Gewerbe desselben im Umherziehen, ohne im Besth eines Wandergewerbescheins zu sein, so ist der Gewerbe­ treibende für die von seinem Begleiter begangene Gewerbesteuerhinterziehung nur in dem Falle mit verantwortlich, wenn der Begleiter das Gewerbe im Austrage und für Rechnung oder als Stellvertreter des Gewerbetreibenden im Sinne des § 45 Gew O, ausgeübt hat. Erk. d. K.G. v. 28. September 1891. XII. S. 199. 4a. Als Begleiter ist nur derjenige anzusehen, welcher mit dem das Hausir­ gewerbe ausübenden Gewerbetreibenden von Ort zu Ort zieht, nicht aber derjenige, welcher ihm an einem einzelnen Orte vorübergehend untergeordnete Dienste wie das Tragen und Anpreisen der Waare leistet. Erk. d. K.G. v. 4. April 1892. XIII. S. 320. Die Hilfsleistungen eines Begleiters im Hausirgewerbe dürfen die Grenzen untergeordneter unmittelbarer Dienstleistungen bei dem Gewerbebetriebe des Beglei­ teten nicht überschreiten und insbesondere nicht auf den selbständigen Mitbetrieb des Gewerbes ausgedehnt werden. Erk. d. K.G. v. 7. Januar 1892. Reger XIII. S. 247. Begleiter im Sinne des § 62 Gew.O. sind nur solche Personen, welche der Gelverbetreibende im Umherziehen zu untergeordneten Dienst- und Hülfsleistungen in seinem Gewerbe mit sich führt, nicht aber solche, welche den Gewerbebetrieb mit ihm gemeinschaftlich, sei es auf gemeinsame Rechnueg oder gegen ein ihnen vom leitendeil Unternehmer des Gewerbes gezahltes Honorar selbstthätig ausüben. Ein Schauspieler, welcher in der gedachten Art bei einer Vorstellung außerhalb seines Wohnorts mitwirkt, bedarf eines Wandergewerbescheins. Erk. d. K.G. v. 26. Oktober 1891. XU. S. 196. 5. In die Legitimationsscheine zum Gewerbebetrieb im Umherziehen sind auch die Namen der mitzuführenden Begleiter, sowie die Personalbeschreibung derselben, insbesondere die Altersangabe, mit aufzunehmen. R. d. M. d. I. v. 28. Mai 1878. M.Bl. S. 155. 6. Wegen des Gewerbebetriebes der Ausländer vergl. § 57 der Gew.O. und den dort abgedruckten Beschluß des Bnndesraths.

Gewerbe-Ordnung § 63.

231

§ 63. Wird der Wandergewerbeschein versagt oder zurückgenom­ men, oder wird die erfolgte Ausdehnung desselben zurückgenommen, so ist dies dem Betheiligtcn mittelst schriftlichen Bescheides unter Angabe der Gründe zu eröffnen. Gegen den Bescheid ist der Rekurs zulässig, jedoch ohne aufschiebende Wirkung. Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§ 20 und 21. Dasselbe gilt von der Versagung der Genehmigung des Druckschriftenverzeich­ nisses (§ 56 Absatz 4), von der Untersagung des Gewerbebetriebes ge­ mäß § 59a und der Versagung oder Zurücknahme der Erlaubniß in den Fällen des § 62 Absatz 2. Die in Gemäßheit des § 57 Ziffer 5 erfolgte Versagung des Wander­ gewerbescheins, sowie die auf Grund der §§ 60 Absatz 2, 60 b und 62 Absatz 4 und 5 getroffenen Verfügungen können nur im Wege der Beschwerde an die unmittelbar vorgesetzte Aufsichtsbehörde angefochten werden. Die Zulassung von Begleitern darf nur aus den in der Gew.O. aufge­ führten Gründen versagt werden. Sofern es sich um Ausländer handelt, kann die Versagung auch aus den in der Bek. vom 31. Oktober 1883 bezeichneten Gründen z. B. wegen erheblicher polizeilicher Bedenken gegen die betreffende Persönlichkeit er­ folgen. Die ganz unbestimmte Vermuthung, daß der Ausländer Spionage treiben werde, ist hierunter der Regel nach nicht zu verstehen. R. d. M. d. 3-, H.M. u. F.M. v. 10. September 1892. M.Bl. S. 349. 7. Für die Genehmigung, bei dem Hausirgewerbe andere Personen von Ort zu Ort mitzuführen, finden für den Geltungsbereich des Ges. v. 1. August 1883 der § 117 a. a. O., im Uebrigen die Vorschriften der Anw. v. 4. September und 24. No­ vember 1869 Anwendung. Anw. d. M. d. 3- u. H.M. v. 29. Dezember 1883. A II. Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der Ortspolizeibehörde über die Erlaubniß, bei dem Gewerbebetrieb im Umherziehen andere Personen von Ort zu Ort mitzuführen, in den Fällen des § 62 Abs. 2 a. a. O. Diese Verordnung tritt gleichzeitig mit dem Gesetz vom 30. 3uli 1883 über die allgemeine Landesverwaltung (Gesetz-Samml. S. 195) in Kraft. §§ 5. 6. Verordnung v. 31. Dezember 1883. Hinsichtlich des Verfahrens bei Entziehung einer ertheilten Appro­ bation vgl. Anw. v. 29. Dezember 1883 B II (Note zu § 33a Gew.O ). 8. Die Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des § 62 der Gew.O. unter­ liegt der im § 149 Nr. 5 der Gew.O. vorgesehenen Strafbestimmung. 3« § 63.

1. §63 der Gew.O. von 1869 lautete wie folgt: Der Gesetzgebung jedes Bundesstaates bleibt vorbehalten, für das Gebiet des letzteren den Verkauf oder Ankauf im Umherziehen von näher zu bezeich­ nenden Gegenständen des gemeinen Verbrauches von den beschränkenden Vor­ schriften dieses Titels auszunehmen.

232

Gewerbe-Ordnung § 64.

Titel IV.

Marktoerkehr. § 64.

Der Besuch der Messen, Jahr- und Wochenmärkte, sowie der Kauf und Verkauf aus denselben steht einem Jeden mit gleichen Befug­ nissen frei. Wo jedoch nach der bisherigen Ortsgewohnheit gewisse Hand­ werkerwaaren, welche nicht zu den im § 66 bezeichneten Gegenständen gehören, nur von Bewohnern des Marktsortes auf dem Wochenmarkte verkauft werden dursten, kann die höhere Verwaltungsbehörde, auf Antrag Diese Vorschrift ist in den. § 59 Abs. 2 der neuen Fassung übergegangen. Die Bestimmung des § 63 in der Fassung des Reichsgesetzes v. l.Juli 1883 enthält in übersichtlicher Weise die auf das Rekurs- bezw. Beschwerdeverfahren sich beziehenden Vorschriften.

Sie füllt zugleich einzelne Lücken aus, welche sich in dem

ftüheren Titel III. der Gewerbe-Ordnung vorfinden. Als Regel ist das formelle Rekursverfahren der §§ 20 und 21 der GewerbeOrdnung beibehalten.

Dieser Regel gegenüber bildet die an die Vorschrifteu dieser

Paragraphen nicht gebundene Beschwerde an die vorgesetzte Behörde die Ausnahme. Die letztere ist in wenigen Fällen, wo sie Platz greift, durch die Natur der Sache begründet.

Indem die Beschwerde ausdrücklich nur an die unmittelbar vorgesetzte

Behörde gestattet wird, ist jeder weitere Jnstanzenzug ausgeschlossen. Noch eine dritte Instanz zuzulassen, ist bei einer Prüfung der Fälle, um welche es sich handelt, hier ebensowenig wie bei § 33a für zweckmäßig erachtet worden. Dgl. die Motive zum Gesetzentwurf von 1882. 2. Die den höheren Verwaltungsbehörden einschließlich der Bezirksausschüsse uumittelbar vorgesetzte Aufsichtsbehörde im Sinne des § 63 Abs. 2 a. a. O. ist der Oberpräsident. Anw. v. 29. Dezember 1883.

Zu § 64. Inhaltsangabe: Begriff de- Marktverkehrs 1 Frühere Vorschriften 2. Anmeldung deS Gewerbe- 3

Marktbesuch im Grenzzollbezirk 4. Zuständigkeit 5.

Befugniß der Pclizeibeamten 6. Strafvorschrift 7.

1. Märkte sind gewerbepolizeiliche Einrichtungen mit besonderen Vorrechten für den Einkauf und Verkauf von Waaren, welche unbedingt eine Anordnung oder Zulassung von Seiten der dazu berufenen Autorität voraussehen.

Wo ein von der

zuständigen Behörde nicht genehmigter Marktverkehr sich entwickelt, kann die Orts­ polizeibehörde im Wege des Verbots einschreiten.

Als ein marktmäßiger Verkehr ist

indeß nur der anzusehen, bei welchem es darauf abgesehen ist. die für den Gewerbebetrieb bestehenden Beschränkungen in derselben Weise wie bei öffentlichen Märkten außer Anwendung treten zu lassen. Ob die Verkäufer einheimische oder ausländische sind, kommt dabei nicht in Betracht. Erk. d. O.V.G. v. 15. September 1881.

XII. S. 241.

Gewerbe-Ordnung § 64.

233

der Gemeindebehörde, den einheimischen Verkäufern die Fortsetzung des herkömmlichen Wochenmarktverkehrs mit jenen Handwerkerwaaren ge­ statten, ohne auswärtige Verkäufer derselben Waaren auf dem Wochen­ markte zuzulassen. Die Polizeilichen Vorschriften über den Verkehr auf den Wochenmärkten finden nur auf den von der zuständigen Behörde zum Wochenmarktplatz bestimmten Raum Anwendung. Neben dem dergestalt bestimmten Platz Waaren der betreffenden Art feilzubieten, ist an sich gestattet, der Wochenmarktplatz selbst darf aber dabei nicht benutzt werden. Die Abhaltung der sog. Privatmärkte ist an eine polizei­ liche Genehmigung nicht gebunden. Erk. d. O.V.G. v. 8. Dezember 1890. Wenn der Eigenthümer eines Grundstücks gestattet, daß auf seinem Grundstück Waaren feilgeboten werden und daß sein Grundstück von Kauflustigen betreten wird, so hat der sich auf dem Grundstück entwickelnde Verkehr mit einem Marktverkehr nur das äußere Aussehen gemein. Der Grundstückseigenthümer errichtet nicht einen Markt im Sinne des Gesetzes und kann einen solchen auch nicht errichten, da er dem Verkehr auf seinem Grundstücke die rechtliche Sonderstellung, welche das Wesen der Märkte bildet, nicht zu verleihen vermag. Seiil Unternehmen wird daher durch die den Marktverkehr behandelnden Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht berührt und ist durch keine sonstige Gesetzesvorschrift für unzulässig erklärt oder von polizeilicher Genehmigung abhängig gemacht. Erk. d. O.V.G. v. 17. September 1891. Der Titel IV Gew.O. hat nicht allein Märkte im Auge, welche auf öffentlichen Plätzen und Straßen abgehalten werden, umfaßt vielmehr auch den öffentlichen Wochemnarktverkehr in städtischen Markthallen, sofern diesen die Eigenschaft eines Marktplatzes mit Zustimmung der Stadtgemeinde von der zuständigen Behörde bei­ gelegt ist. Die Zuständigkeit ergiebt sich aus § 65 Gew.O. in Verbindung mit § 128 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883. Die Verwaltungsbehörde hat hier­ nach darüber Verfügung zu treffen, an wie viel Tagen und an welchen Tagen in einem bestimmten Gemeindebezirke ein Markt bestimmter Art stattfinden soll. Im Anschluß an diese Festsetzung hat brnut die Ortspolizeibehörde im Einverständniß mit der Gemeindebehörde im Wege der Marktordnung den Platz oder die mehreren Plätze für den Marktverkehr zu bestimmen. Hiernach ist es unzulässig, in den Markthallen andere Waaren als Wochenmarktartikel feilzubieten und sind die Marktpolizeibehörden befugt, den Magistrat anzuhalten, die Händler, welche solche Waaren feilbieten, aus den Markthallen zu entfernen. Die in § 66 Abs. 2 bezeichnete Behörde ist nicht befugt, für einzelne Wochenmarktplähe eines Gemeindebezirks, sondern nur für den ganzen Gemeindebezirk eine Erweiterung des Wochenmarktverkehrs eintreten zu lassen. Erk. d. O.V.G. v. 10. November 1887. Reger VIII. S. 351. Die Bestimmung des Marktplatzes bildet hiernach einen Theil der Marktordnung. Die Polizeibehörde darf daher nicht einseitig eine dem Marktplatz betreffende Anordnung erlassen, auch nicht in der Form, daß sie die Benutzung des bisherigen Platzes untersagt, denn hierin läge eine Aenderung der Marktordnung. Sie kann ein solches Vorgehen auch nicht durch Geltendmachung polizeilicher Inter­ essen rechtfertigen, da diese, soweit die Marktordnung dabei betheiligt ist, von der Ortspolizei, und der Gemeindebehörde gemeinschafttlich zu wahren sind. Erk. d. O.V.G. v. 23. Novbr. 1891.

234

Gewerbe-Ordmmg § 64.

Verschränkungen des Marktverkehrs der Ausländer als Erwiderung der im Auslande gegen Reichsangehörige angeordneten Beschränkungen bleiben dem Bundesrath vorbehalten. Eine Marktordnung darf keine Vorschriften enthalten, welche mit § 64 Abs. 1 in Widerspruch stehen. Der Zwischenhandel, d. h. der Ankauf und alsbaldige Wiederverkauf der zu diesem Zweck angekausteu Marktgegenstände darf daher nicht verboten werden. Erk. d. K.G. v. 26. Februar 1894. Reger XIV. S. 342. Dagegen ist das Verbot in einer Marktordnung, daß Niemand dem Andern auf dem Markte in den Handel fallen darf, rechtsgültig. Erk. d. K.G. v. 16. Januar 1893. Reger XIV. S. 343. Eine Polizeiverordnung betreffend den Marktverkehr, welche den Käufen! verbietet, einem andern Käufer in den Kauf zu fallen oder ihn dabei zu überbieten, steht mit § 64 Gew.O. nicht im Widerspruch, da in dieser Vorschrift nur die freie Zulassung sowohl der Käufer als der Verkäufer zu Märkten Gewähr leistet, keines­ wegs aber bestimmt ist. daß auch die Art. in welcher der Verkehr auf den Märkten betrieben wird, durch die innerhalb der gesetzlichen Schranken nach den örtlichen Bedürfniffen erlassenen Marktordnungen nicht beschränkt werden dürfen. Erk. d. K.G.. v. 28. April 1892. Reger XII. S. 263. 2. Alle gegen den Dorkauf auf Wochenmärkten gerichteten früheren gesetzlichen oder polizeilichen Vorschriften sind außer Kraft gesetzt. R. d. H.M. v. 18. Mai 1871. M.Dl. S. 176. Ebenso sind die den Ankauf von Gegenständen des Marktverkehrs außerhalb der für den Markt bestimmten Plätze betreffenden ftüheren Strafbestim­ mungen nicht mehr anwendbar. Erk. d. O.T. v. 7. Dezember 1870. Opp. XI. S. 589. Unter „Marktverkehr" im Sinne des Ges. v. 3. Juli 1876 ist nur der Ver­ kehr auf den in §§ 64, 70 Gew O, bezeichneten und den von der zuständigen Behörde angeordneten Märkten zu verstehen. Erk. d. K.G. v. 27. Februar 1888. VIII. S. 161. 3.

DaS betriebene stehende Bewerbe muß deffen ungeachtet angemeldet werden. Erk. d. O.T. v. 22. September 1869. Opp. X S. 576.

4. Hinsichtlich des Marktbesuches im Grenzzollbezirk ist in § 124 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 (B G Bl. S. 317) Folgendes vorgeschrieben: „Soweit es zur Sicherung des Zollintereffes für nöthig erachtet wird, ist auch der Marktbesuch, sowie der stehende Gewerbebetrieb im Grenzbezirke, den nach den örtlichen Verhältniffen von der obersten Landes-Finanzbehörde vorzu­ schreibenden Kontrollen unterworfen. Insbesondere hat Jeder, welcher mit Waaren einen Handel treibt, auf die sich die angeordnete spezielle Kontrolle erstreckt, ein Buch zu führen, worin rücksichtlich der unmittelbar aus dem Aus­ lande bezogenen Waaren beim Empfang derselben der Tag und Ort, an und in welchem die Verzollung stattgefunden hat, bemerkt, und rücksichtlich der aus dem Jnlande empfangenen Waaren der Nachweis hierüber enthalten sein muß." 5. Wegen der Zuständigkeit im Geltungsbereich des Ges. vom 1. August 1883 vgl. § 128 a. a. O.

Gewerbe-Ordnung § 65. §

235

65.

Die Zahl, Zeit und Dauer der Messen, Jahr- und Wochen­ markte wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde festgesetzt. Dem Marktberechtigten steht gegen eine solche Anordnung kein Wider­ spruch zu; ein Entschädigungsanspruch gebührt demselben nur dann, wenn durch die Anordnung die Zahl der bis dahin abgehaltenen Märkte ver­ mindert wird, und eine größere Zahl ausdrücklich und unwiderruflich verliehen war. Gemeinden, welche einen Entschädigungsanspruch geltend machen wollen, müffen außerdem nachweisen, daß ihr Recht aus einen speziellen lästigen Titel sich gründet. 6. Die Polizeibeamten, welchen die Aufficht über den Marktverkehr über­ tragen ist, sind berechtigt, Gegenstände des Marktverkehrs, welche das Publikum zu schädigen geeignet erscheinen, mit Beschlag zu belegen, und kann eine solche Be­ schlagnahme durch eine mündliche Erklärung bewirkt werden. Erk. d. R.G. v. Oktober 1883. Entsch. V. S. 637. 7. Zuwiderhandlungen gegen die polizeilichen Anordnungen des Markt­ verkehrs werden nach § 149 Nr. 6 der Gew.O. geahndet.

Zu § 65» 1. Die int § 65 Gew.O. vorgesehene Festsetzung der Zeit, Zahl und Dauer der Märkte erfolgt auch ferner durch diejenigen Behörden, in deren Befugniß dieselbe nach den Gesetzen der einzelnen Landestheile bisher gelegen hat. Auch haben diese Behörden die im § 66 vorbehaltene Bestimmung zu treffen, welche Gegenstände aus­ nahmsweise nach Ortsgewohnheit und Bedürfniß auf Wochenmärkten sollen verkauft werben dürfen. Ebenso verbleibt die Enffcheidung über Erweiterungen des Verkehrs aus solchen Märkten, welche bei besonderen Gelegenheiten oder für bestimmte Gattun­ gen von Gegenständen stattfinden, nach § 70 den bisher dazu berufenen Verwaltungs­ instanzen. (Anw. Nr. 19.) Die Rechtsgültigkeit einer Marktpolizeiverordnung ist nach den Bestim­ mungen der §§ 65—69 Gew.O. zu beurtheilen. Eine Marktordnung, welche den Verkauf und das Feilhalten von Marktgegenständen innerhalb eines Stadtbezirks nnb außer dem eigenen Hause während der Marktzeit nur an bestimmten Plätzen ge­ stattet, ist rechtsgültig. Den in einer Marktordnung enthaltenen Beschränkungen ist jeder Gewerbetreibende, auch der Inhaber eines Wandergewerbescheins, unterworfen. Erk. d. K.G. v. 16. Mai 1892. XIII. S. 281. Aus den Vorschriften der Gew.O. darf nicht gefolgert werden, daß rohe Erzeugniffe oder Fabrikate der im § 66 bezeichneten Art nur dann Gegenstände des Wochenmarktverkehrs sein sollen, wenn sie inländischen oder lokalen Ursprungs sind. Erk. d. K.G. v. 5. Juni 1893. Reger XIV. S. 7. Zu den frischen Lebensmitteln im § 66 Nr. 3 Gew.O. sind alle diejenigen zu rechnen, welche nicht zum Zweck der Konservirung eine besondere Behandlung (Trocknen, Pökeln, Mariniren, Räuchern) oder nicht behufs alsbaldigen Verzehrens einer Zubereitung durch Kochen, Braten oder dergl. erfahren haben. Erk. d. K.G. v. 30. Juni 1892. XIII. S. 312. 2. Wegen der Zuständigkeit in den zum Geltungsbereich des Ges. v. 1. August 1883 gehörigen Provinzen vgl. die Bestimmungen der §§ 127, 128, 129. Gesetz vom 1. August 1883.

236

Gewerbe-Ordnung §§ 66, 67. § 66.

Gegenstände des Wochenmarktverkehrs sind: 1. rohe Naturerzeugnisse mit Ausschluß des größeren Viehs; 2. Fabrikate, deren Erzeugung mit der Land-und Forstwirthschaft, dem Garten- und Obstbau oder der Fischerei in unmittelbarer Verbindung steht, oder zu den Nebenbeschäftigungen der Landleute der Gegend gehört, oder durch Tagelöhnerarbeit bewirkt wird, mit Ausschluß der geistigen Getränke; 3. frische Lebensmittel aller Art. Die zuständige Verwaltungsbehörde ist auf Antrag der Ge­ meindebehörde befugt, zu bestimmen, welche Gegenstände außerdem nach Ortsgewohnheit und Bedürfniß in ihrem Bezirk überhaupt oder an ge­ wissen Orten zu den Wochenmarktsartikeln gehören. § 67. Auf Jahrmärkten dürfen außer den im § 66 benannten Gegen­ ständen Verzehrungs-Gegenstände und Fabrikate aller Art feil­ gehalten werden. Zum Verkauf von geistigen Getränken zum Genuß auf der Stelle bedarf es jedoch der Genehmigung der Ortspolizeibehörde. 3«

§

66.

1. zu § 59 2. Gew.O. behörde,

Wegen der Gegenstände des Wochenmarktverkehrs vgl. die Note» Gew.O. Die Befugn iß, zu besiimmen, welche Gegenstände außer den § 66 Abs. 1 genannten zu den Wocheumorktartikeln gehören, gebührt nicht der Polizei­ sondern dem Bezirksausschuß (§§ 128, 161 des Zust.-Ges.). Erk. d. O.V.G. v. 23. Februar 1891. 3. Kochsalz ist den gesetzlich zugelassenen Gegenständen des Wochenmarkt­ verkehrs beizuzählen, da es für die Erhaltung des menschlichen Organismus wesent­ lich und deshalb zu den Lebensmitteln zu rechnen ist. R. d. H.M. u. F.M. v. 29. Februar 1884. Mitth. XVII. S. 92. 4. Aus einen nur thatsächlichen ohne die gesetzlichen Erfordernisse eines legi­ timen Wochenmarktverkehrs entstandenen marktmäßigen Handelsverkehr, wenn er auch nach seiner äußeren Erscheinung einem Wochenmarktverkehr mehr oder minder gleichzustellen ist, sind die für legitime Wochenmärkte gegebenen gesetzlichen Vorschriften über den Ausschluß gewisser Waaren nicht ohne Weiteres anwendbar. Erk. d. O.V.G. v. 23. April 1883. Reger III. S. 372. 5. Wegen der zuständigen Verwaltungsbehörde in den zum Geltungs­ bereich des Gesetzes vom 1. August 1883 gehörigen Provinzen vgl. die betreffende Note zu § 64 Gew.O.

Zu 8 67. Der Branntweinschank auf Jahrmärkten gehört nicht zu dein durch die Gewerbeordnung freigegebenen Feilhalten von Verzehrungsgegenständen und nicht zum Gewerbebetrieb im Uniherziehen. Erk. d. R.G. v. 19. November 1879. Reger I. S. 243.

Gewerbe-Ordnung § 68.

§

237

68.

Der Marktverkehr darf in keinem Falle mit anderen als solchen Abgaben belastet werden, welche eine Vergütung für den überlassenen Raum und den Gebrauch von Buden und Geräthschaften bilden. In den Bestimmungen darüber, ob und in welchem Umfange Abgaben dieser Art erhoben werden dürfen, wird durch gegenwärtiges Gesetz nichts ge­ ändert. Ein Unterschied zwischen Einheimischen und Fremden bezüglich der Zahlung der Abgaben darf nicht stattfinden. Gesetz, betreffend die Erhebung von Marktstandgeldern vom 26. April 1872. Ges.S. 8. 513. § i.

Für den Gebrauch öffentlicher Plätze oder Strassen zum Feil­ bieten auf Messen und Märkten darf eine Abgabe (Marktstandgeld) nur unter Zustimmung der Gemeinde und Genehmigung der Bezirksregierung nach Massgabe dieses Gesetzes eingeführt oder, wo sie besteht, erhöht werden. § 2. Die Höhe des Marktstandgeldes (§ 1) ist nur nach der Grösse des vom Feilbietenden zum Marktstande gebrauchten Raumes und nach der Dauer des Feilbietens zu bestimmen. Sie darf den Satz von 20 Pf. für das Quadratmeter und den Tag des Feilbietens nicht übersteigen. Wie diese Vorschrift auf Gegenstände, die weder auf Tischen, noch in Buden, Kisten, Fässern, Körben, Haufen u. s. w. feilgeboten werden, anzuwenden, und in welcher Weise das Marktstandgeld für Gegenstände, welche bei geringem Werthe einen grossen Raum einnehmen, verhältnissmässig geringer festzusetzen ist, kann in den betreffenden Tarifen mit Genehmigung der Bezirksregierung besonders be­ stimmt werden. In gleicher Weise ist über die Anwendung der Vorschrift des ersten Ab­ satzes auf Bruchtheile des Quadratmeters Bestimmung zu treffen.

§ 3.

Unter den Marktstandgeldern (§§ 1 und 2) ist die Miethe für Buden, Zelte, Tische, Unterlagen, Stangen oder sonstige Vorrichtungen, welche den Verkäufern zum Gebrauche überlassen worden, nicht begriffen. Es steht einem Jeden frei, ob er sich der ihm selbst zugehörigen Vorrich­ tungen bedienen oder solche von Anderen entnehmen will. Zu § 68.

Eine den Marktverkehr betreffende, mir nach Berathung mit der Gemeinde­ behörde, nicht aber unter Einverständniß dieser Behörde ergangene Pvlizeivervrdnung, durch welche den Verkäufern das Verlaffen ihres Standplatzes bis zur Bezahlung des Standgeldes bei Strafe verboten wird, ist ungültig. Erk. d. K.G. v. 12. Juli 1888. Reger X. S?7. Zum Gesetz vom 26. April 1872.

1. Die Ausführung dieses Gesetzes ist durch die Anweisung des Handels- und des Finanzministers vom 10. Juni 1872 (M.Bl. S. 185) geregelt.

238

Gewerbe-Ordnung § 69.

§4. Die Tarife zur Erhebung von Marktstandgeld müssen während der Messund Marktzeit zu Jedermanns Einsicht auf den zum Feilhalten bestimmten Plätzen und Strassen aufgestellt sein und es dürfen ausser den dazu bestimmten Abgaben keine anderen erhoben werden. Die Erhebung darf nur auf der Verkaufsstelle, nicht aber schon beim Ein­ gänge der Waaren in den Marktort stattfinden. § 5.

Wo es für nothwendig erachtet wird, können die Marktstandgelder, sowohl die schon bestehenden, wie in Folge dieses Gesetzes etwa neu eingeführten, nach Anhörung der Gemeinde von den Bezirksregierungen den §§ 2, 3 und 4 ent­ sprechend ermässigt und anderweit regulirt werden. Beruht aber das Hebungsrecht auf einem besonderen Rechtstitel und widerspricht der Berechtigte, so bleibt die Ermässigung oder anderweite Regulirung den Ministern des Handels und der Finanzen vorbehalten. In diesem Falle ist für den dem Berechtigten erwachsenen Ausfall Entschädigung zu gewähren, insofern nicht die Berechtigung dem Fiskus oder einer Gemeinde innerhalb ihres Gemeindebezirks zusteht. Bevorzugungen, welche bei Entrichtung von Marktgeldem stattfinden, können aufgehoben werden, insofern sie nicht auf besonderem Rechtstitel be­ ruhen. § 6. Wer Marktstandgeld erhebt oder erheben lässt, von welchem er weiss, dass er gar nicht oder nur in geringem Betrage zu entrichten ist, hat für jeden Uebertretungsfall eine Geldstrafe bis zu 150 Mark oder im Unvermögensfalle ver­ hältnismässige Haft verwirkt.

§ 69. In den Grenzen der Bestimmungen der §§ 65 bis 68 kann die Ortspolizeibehörde, im Einverständniß mit der Gemeindebehörde, die Markt-Ordnung nach dem örtlichen Bedürfniß festsetzen, namentlich auch für das Feilbieten von gleichartigen Gegenständen den Platz, und 2. Wegen der Zuständigkeit in den zum Geltungsbereich des Gesetzes vom 1. August 1883 gehörigen Provinzen vgl. § 130 Ges. v. 1. August 1883. Mit dem 1. April 1884 ist der Bezirksausschuß an die Stelle des Pro­ vinzialraths getreten. § 130 Ges. v. 1. August 1883. 3. Die Vorschriften des Ges. v. 26. April 1872 find durch das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 (Ges.S. S. 152) unberührt geblieben. § 11 a. a. O.

3» § 69. 1. Jeder Handel auf dem Markte außerhalb der eigentlichen Markt­ stunden ist verboten und ist der Verkauf seitens der Engroshändler und Produzenten an die Kleinhändler (Vorverkauf) in dieses Verbot mit eingeschlossen. Erk. d. K.G. v. 13. Juli 1885. Reger VII. S. 9.

Gewerbe-Ordnung §§ 70, 71.

239

für das Feilbieten im Umhertragen, mit oder ohne Ausruf, die Tages­ zeit und die Gattung der Waaren bestimmen. § 70.

In Betreff der Märkte, welche bei besonderen Gelegenheiten oder für bestimmte Gattungen von Gegenständen gehalten werden, bewendet es bei den bestehenden Anordnungen: Erweiterungen dieses Marktverkehrs können von der zuständigen Behörde mit Zustimmung der Gemeindebehörde angeordnet werden. § 71.

Beschränkungen des Verkehrs mit den zu Meffen und Märkten gebrachten, aber unverkauft gebliebenen Gegenständen werden hierdurch aufgehoben. Der Einzelverkaus solcher Gegenstände außer der Marktzeit ist jedoch nur unter denselben Bedingungen zulässig, unter welchen der­ selbe statthast sein würde, wenn die Gegenstände nicht auf dm Markt gebracht wären. 2. Eine auf Grund des § 69 .Gew.O. von der Ortspolizeibehörde mit Zu­ stimmung der Gemeindebehörde erlassene Wochenmarktsordnung bedarf zu ihrer Gültigkeit nicht der Beobachtung der Vorschriften über die Form und Verkündung polizeilicher Strafverordnungen. Vielmehr genügt es, daß sie in ortsüblicher Weise zur allgemeinen Kenntniß gebracht wird. Erk. d. K.G. v. 29. Oktober 1891. XII. S. 170. 3. Zuwiderhandlungen gegen die polizeilichen Anordnungen wegen des Marktverkehrs werden nach § 149 Nr. 6 Gew.O. bestraft. Zu g 70. 1. Dgl. Note 1, 2 zu h 65. Eine den Markt verkehr betreffende, nur nach Berathung mit der Gemeinde­ behörde, nicht aber unter Einverständniß dieser Behörde ergangene Polizei Ver­ ordnung, durch welche den Verkäufern das Verlassen ihres Standplatzes bis zur Bezahlung des Standgeldes bei Strafe verboten wird, ist formell und sachlich ungültig. Erk. d. K.G. v. 12. Juli 1888. Jahrbuch VIII. S. 140. Eine ortspolizeiliche Marktordnung, welche den Ankauf von Gegenständen des Marktverkehrs vor dem Beginn des Wochenmarkts und außerhalb der polizeilich be­ stimmten Marktplätze bei Strafe verbietet, ist ungültig. Erk. d. K.G. v. 7. März 1889. Entsch. IX. S. 174. Das Zuwiderhandeln gegen eine Polizeiverordnung, durch welche der Verkauf marktgängiger Waaren außerhalb der Marktplätze während oder vor der Marktzeit verboten worden, wird nicht dadurch straffrei, daß der Thäter laut Wandergewerbe­ schein befugt war, jene marktgängigen Waaren im Haustrhandel zu vertreiben. Erk. d. K.G. v. 15. November 1888. Entsch. IX. S. 176. 2. Weisungen des Aufstchtspersonals sind nicht ohne Weiteres als polizei­ liche Anordnungen bezüglich des Marktverkehrs zu betrachten. Erk. d. O.T. v. 10. Mai 1875. Opp. XVI. S. 359.

240

Gewerbe-Ordnung §§ 72, 73.

Titel V.

Taren. § 72. Polizeiliche Taxen sollen, soweit nicht ein Anderes nachstehend angeordnet worden, künftig nicht vorgeschrieben werden; da, wo sie gegen­ wärtig bestehen, sind sie in einer von der Ortspolizeibehörde zu bestim­ menden, höchstens einjährigen Frist aufzuheben. § 73. Die Bäcker und die Verkäufer von Backwaaren können durch die Ortspolizeibehörde angehalten werden, die Preise und das Gewicht ihrer verschiedenen Backwaaren für gewisse von derselben zu bestimmende Zeiträume durch einen von außen sichtbaren Anschlag am Berkaufslokale zur Kenntniß des Publikums zu bringen. Dieser Anschlag ist kostenfrei mit dem polizeilichen Stempel zu ver­ sehen und täglich während der Verkaufszeit auszuhängen.



§ 72.

Die Bestimmungen des Art. III. 1. der hessischen

Polizei- und 8onborbitmig

von 1622, durch welche die Brodtaxen der Bäcker eingeführt worden, sind durch § 72 Gew.O. für aufgehoben zu erachten. Erk. d. K.G. v. 4. Mai 1882.

III. S. 242.

Eine Polizeiverordnung, durch welche angeordnet wird, daß Backwaaren von den Bäckern oder'den Verkäufern derselben nur dann zum Verkaufe gestellt und verkauft werden dürfen, wenn auf denselben das Gewicht durch eingedrückten Stempel angegeben ist, ist mit den Bestimmungen der §§ 72 bis 74 Gew.O. nicht vereinbar. Erk. d. K.G. v. 23. September 1886.

VI. S. 178.

Zu *73. 1.

Die Ortspolizeibehörde kann die Bäcker und die Verkäufer von Backwaaren

mir anhalten, die Preise und

das Gewicht ihrer Backwaareu für gewisse Zeiträume

selbst festzusetzen und zur Kenntniß des Publikums zu bringen. der festgesetzten Preise

oder

eine Erhöhung

des Gewichts

Eine Ermäßigung

ist ihnen nicht gestattet.

Dieselbe kann die Backwaarentaxen auch nicht durch ortspolizeiliche Anordnung gegen­ über einzelnen Bäckern und Verkäufern von Backwaaren oder durch formlose generelle Bekanntmachung einführen, es bedarf dazu vielmehr einer Polizeiverordnung. Erk. d. O.V.G. v. 16. April 1894.

Pr. Verw.Bl. S. 567.

Eine Lokal - Polizeiverordnung, welche den Bäckern die Verpflichtung auferlegt, bestimmte Gebäcke nach einem bestimmten Gewichtssätze feilzubieten, ist rechtsgültig. Erk. d. K.G. v. 13. Oktober 1892. Bd. XIII, S. 268. 2.

Eine Mitwirkung der Ortspolizei ist nur bei der Bestimmung der Zeiträume

statthaft, für welche die Preis- und Gewichtsregeln der Bäcker maßgebend sein soll. Die Bestimmung des Gewichts bleibt dagegen den Backern allein überlassen. Erk. d. K.G. v. 12. Mai 1892.

Reger XIII. S. 29.

Gewerbe-Ordnung §§ 74, 75, 76.

241

§ 74.

Wo der Verkauf von Backwaaren nur nach den von den Bäckern und Verkäufern an ihren Verkaufslokalen angeschlagenen Preisen erlaubt ist, kann die Ortspolizeibehörde die Bäcker und Verkäufer zugleich an­ halten, im Verkaufslokale eine Waage mit den erforderlichen geaichten Gewichten aufzustellen und die Benutzung derselben zum Nachwägen der gekauften Backwaaren zu gestatten. § 75.

Die Gastwirthe können durch die Ortspolizeibehörde angehalten werden, das Derzeichniß der von ihnen gestellten Preise einzureichen und in den Gastzimmern anzuschlagen. Diese Preise dürfen zwar jederzeit abgeändert werden, bleiben aber so lange in Kraft, bis die Abänderung der Polizeibehörde angezeigt und das abgeänderte Verzeichniß in den Gastzimmern angeschlagen ist. Auf Beschwerden Reisender wegen Ueberschreitung der verzeichneten Preise steht der Ortspolizeibehörde eine vor­ läufige Entscheidung vorbehaltlich deS Rechtsweges zu. § 76.

Die Ortspolizeibehörde ist im Uebereinstimmung mit der Gemeinde­ behörde befugt, für Lohnbediente und andere Personen, welche 3. Ein strafbares Überschreiten der von der Obrigkeit vorgeschriebenen oder genehmigten Taxen liegt nur dann vor, wenn ein höherer Preis für die Backwaaren gefordert wird oder Backwaaren von geringerem Gewicht, als in der Taxe angegeben ist, sich im Verkaufsladen befinden. Erk. d. K.G. D. 15. Juni 1893. Reger XIV. S. 128. 4. Die Bestrafung der Zuwiderhandlung vorgesehen.

ist in § 148 Nr. 8 Gew O,

3« § 74. 1. Vgl. Maß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868. (B G Bl S. 473) und Aichordnung vom 16. Juli 1869 (B.G Bl. Beil, zu Nr. 32). 2. Als Strafbestimmung kommt auch hier § 148 Nr. 8 Gew.O. in Anwendung.

Btt I 75. 1. Polizeiverordnungen, welche den Gastwirthen gewisse, auf die polizeiliche Kontrole des Fremdenverkehrs abzielende Verpflichtungen auferlegen, bleiben unberührt. Erk. d. O.T. v. 24. November 1870. Opp. XI. S. 569. 2.

Vgl. Note 2 zu § 74.

3. Das Ueberschreiten der von einem Gastwirth für seinen Gewerbebetrieb aufgestellten Taxe wird nicht dadurch straffrei, daß der die Taxe übersteigende Preis vorher mit dem Gaste vereinbart worden. Erk. d. K.G. v. 8. November 1888. Entsch. z. S. 172. Marcinow-ki, Deutsche Vewerbe-Ordnimg. 6. Nufl.

@mxtbe»Drbmmg §§ 77, 78, 79.

242

auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder in Wirthshäusern ihre Dienste anbieten (§ 37), sowie für die Benutzung von Wagen, Pferden, Sänften, Gondeln und anderen Transport­ mitteln, welche öffentlich zum Gebrauch aufgestellt find, Taxen fest­ zusetzen. § 77. Ebenso können für Schornsteinfeger, wenn ihnen Bezirke aus­ schließlich zugewiesen find, von der Ortspolizeibehörde, im Einverständniß mit der Gemeindebehörde, oder, wenn der zugewiesene Bezirk mehr als eine Ortschaft umfaßt, von der unteren Verwaltungsbehörde Taxen aufgestellt werden. § 78. Hinsichtlich der Taxen für solche gewerbetreibende Personen, welche nach den Bestimmungen in § 36 von den Behörden zu beeidigen und anzustellen find, wird durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert. Die nach § 36 zuständigen Behörden find befugt, für diese Personen auch da Taxen einzuführen, wo dergleichen bisher nicht bestanden. § 79. Die in den §§ 73 bis 78 genannten Gewerbetreibenden find be­ rechtigt, die festgestellten Preise nnd Taxen zu ermäßigen. 3« 9 76. 1. Vgl. Note 1 au § 37 der Gew O. 2. Eine Ortspolizei Verordnung kann über die Einrichtung solcher Fuhr­ werke, durch welche der Verkehr auS dem Orte nach einem Nachbarorte unterhalten werden soll, maßgebende Vorschriften erlassen und Taxen vorschreiben. Erk. d. O.T. v. 24. Juni 1874. Opp. XV. S. 436. 3. Wo zu Folge ortspolizeilicher Regelung der Betrieb des StraßengewerbeS an eine Konzession geknüpft ist, ist die Entziehung dieser Konzession for­ mell gleich dem Falle der Untersagung deS Betriebes zu behandeln. Erk. d. O.V.G. v. 23. Juni 1877. II. ©. 318. 4. Die Strafe für di« Ueberschreitung der vorgeschriebenen Taxe ist in § 148 Nr. 8 der Gew.O. vorgesehen. Diese Vorschrift bezieht sich auch auf die in §§ 77, 76, 79, 80 a. a. O- bezeichneten Taxen.

»

3 9 77. 1. Als unter« Verwaltungsbehörde find die Landräthe und Oberamt­ männer, und in den deren Aufsicht nicht unterworfenen Städten die städtischen Polizei­ behörden, oder die an Stelle dieser Behörden fungirenden Königlichen Polizeibehörde» (Polizeidirektionen und Polizeipräsidien) zu verstehen. Anw. Nr. 25. 2. Wegen der Strafe vgl. Note 4 zu h 76 Gew.O. 3« §§ 78, 79. Wegen der Strafe vgl. Note 4 zu § 76 Gew.O.

•enwtbe-Otbmmfl $ 80.

243

§ 80. Die Taxen für die Apotheker können durch die Centralbchörden festgesetzt werden, Ermäßigungen derselben durch freie Vereinbarungen find jedoch zulässig. Die Bezahlung der approbirten Aerzte u. s. w. (§ 29 Absatz 1) bleibt der Vereinbarung überlaffen. Als Norm für streitige Fälle im Mangel einer Vereinbarung können jedoch für dieselben Taxen von den Centralbehörden festgesetzt werden. Gesetz, betreffend die den Medlsinilbeamten für die Besorgung gerlchtsärztIlcher, medizinal- oder aanitÄtepolIsefllcber Geschäfte zu gewährenden Ver­ gütungen. Vom 9. Mirs 1872. (Ges.8.8.266.) § 1. Die lledizinalbe amten erhalten für medizinal- oder sanitätspoli­ zeiliche Verrichtungen, welche sie im allgemeinen staatlichen Inter­ esse an ihrem Wohnorte oder innerhalb einer Viertelmeile von dem­ selben zu beziehen haben, ausser ihrer etatsmässigen Besoldung keine andere Vergütung aus der Staatskasse, als eine Entschädigung von 1,50 Mark für Fuhrkosten bei jeder einzelnen Amtsverrichtung. Ist die Verrichtung durch ein Privatinteresse veranlasst, so haben sie von den Betheiligten, ausser den etwaigen Fubrkosten, eine Gebühr bis zu 15 Mark für den Tag zu beanspruchen, wobei sie berechtigt sind, die Zeit in Ansatz zu bringen, welche auf das zu erstattende Gutachten verwendet werden musste.

3» S so. 1. Die Medizinaltaxe vom 21. Juni'1815 wird durch den § 80 der Gew O, nicht berührt. R. d. K.M. v. 11. Januar 1873. M.Dl. S. 3. 8. Wundärzte erster Klasse sind befugt, für ihre ärztlichen Bemühungen, in Ermangelung einer Verabredung, nach den für Aerzte erlassenen Taxen zu liquidiren. R. d. K.M. v. 7. Juni 1872. M.Bl. S. 164. 3. Die Gebühren der Hebammen in der Provinz Schleswig-Holstein sind durä) das Gesetz vom 23. April 1875 (G S. S. 201) geregelt.

Aum Gesetz vom 9. März 1872. Die Bestimmung des § 10 bezieht sich nur auf solche Fälle, für welche das Gesetz eine ihrem Sahe nach unbestimmte Gebühr vorschreibt. Eine Ermächtigung, für Geschäfte, welche als solche im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt sind, eine Gebühr nach arbiträrem Ermessen festzusetzen, liegt darin nicht. R. d. K.M. v. 12. November 1873. M.Bl. S. 12. Wegen der Gebühren der Aerzte in Todesermittelungssachen vgl. R. d. M.K. v. 9. Dezember 1880 (M.Bl. 1881 S. 3). Beamtete Thierürzte haben für solche Tage, an welchen fie dienstliche Ver­ richtungen gegen Bezug von Gebühren vornehmen, für anderweite Dienstgeschäfte Tagegelder, nicht zu beanspruchen, gleichviel ob die Gebühren der Staatskasse oder einer Gemeinde bezw. einer Privatperson zur Last fallen. R. d. M. f. Landw. v. 31. Mai 1883. M.Bl. S. 150.

244

Srwrrbe. Ordnung $ 80. (6ef. v. 9. März 1872.)

Das Gleiche gilt gegenüber den Gemeinden, wenn die Thätigkeit der Medi­ zinalbeamten für solche ortspolizeilichen Interessen in Ansprach genommen wird, deren Befriedigung den Gemeinden gesetzlich obliegt. §

2.

Sind die im §1 bezeichneten Verrichtungen ausserhalb des Wohnortes, und zwar mehr als eine Viertelmeile davon entfernt vorzunehmen, so erhalten die Medizinalbeamten folgende Sätze: I. Kreisphysiker, Kreiswundärzte und Departements-Thierärzte, letztere indessen nur bei Reisen, welche sie nach einem ausserhalb ihres engeren kreis thierärztlichen Bezirks gelegenen Orte hin vornehmen: a) an Tagegeldern .......................................................................... 7,50 Mark für jeden Tag, welcher auf das Geschäft, einschliesslich der Reise, verwendet werden musste; b) an Reisekosten: für jede Meile auf dem Landwege..................................... - 3,00 „ für jede Meile, die auf der Eisenbahn oder dem Dampfschiffe zurückgelegt werden kann................................................. 1,00 » c) bei Reisen auf der Eisenbahn oder dem Dampfschiffe für Ab- und Zugang zusammen................................................. 2,00 „ Die Reisekosten, einschliesslich der Nebenkosten, werden für die Ein­ und Rückreise besonders berechnet. Beträgt die Entfernung weniger als eine Meile, so wird diese für voll angenommen; bei grösseren Entfernungen wird das Meilengeld nach Viertei­ ln eilen vergütet und eine angefangene Viertelmeile für voll angenommen. Haben in besonderen Fällen für die ganze Reise nachweislich höhere Fuhrkosten, als die vorstehend bestimmten, aufgewendet werden müssen, so sind dieselben zu vergüten. II. Kreisthierärzte und Departements-Thierärzte, sofern letztere Rei­ sen innerhalb ihres kreisthierärztlichen Bezirks zu machen haben, erhalten: 4.50 Mark a) an Tagegeldern......................................................................... b) an Reisekosten: für jede Meile auf dem Landwege............................. . . . 2.50 * für jede Meile, welche auf der Eisenbahn oder auf dem 0,75 „ Dampfschiffe zurückgelegt werden kann............................ 1.50 „ c) an Nebenkosten......................................................................... Im Uebrigen finden die Bestimmungen sub I Anwendung. § 3. Für alle von Gerichten oder anderen Behörden ihnen aufgetra­ genen Geschäfte haben die Medizinalbeamten, soweit sie nicht gemäss § 1 oder durch bereits bestehende besondere Bestimmungen, oder vermöge privatrechtlichen Titels, zu unentgeltlicher Dienstleistung verpflichtet sind, nach folgenden Sätzen zu liquidiren: 1. für Abwartung eines Termins......................................................... 6,00 Mark und, insofern der Termin über drei Stunden dauert, für jede folgende ganze oder angefangene Stunde..................................... 1,50 Diese Sätze finden auch Anwendung für die Zuziehung zur mündlichen Hauptverhandlung in Untersuchungssachen, und zwar werden dieselben,

Gewerbe-Ordnung

2. 3. 4.

5. 6.

7.

§ 80.

(Oes.

v. 9.

März

1872.)

245

wenn die Zuziehung an mehreren Verhandlungstagen stattgefunden hat, für jeden Tag besonders berechnet Für die Besichtigung eines Leichnams ohne Obduktion (ein­ schliesslich der Terminsgebühr).................................................... 6,00 Mark Für den Bericht hierüber (zu 2), falls derselbe nicht sogleich zu Protokoll gegeben wird............................................................ 3,00 n Für die Besichtigung und Obduktion eines Leichnams (ein­ schliesslich der Terminsgebühr).................................................... 12,00 * War der Leichnam bereits 6 Wochen oder länger begraben, oder hatte derselbe 14 Tage oder länger im Wasser gelegen, so sind für die Besich­ tigung und Obduktion einschliesslich der Terminsgebühr 24 Mark zu be­ willigen. Für den vollständigen Obduktionsbericht............................ 6—18 Mark. Für jedes andere, mit wissenschaftlichen Gründen unterstützte, nicht bereits im Termin zu Protokoll gegebene Gutachten, es mag dasselbe den körper­ lichen oder geistigen Zustand einer Person oder einer Sache betreffen 6—24 Mark. Die höheren Sätze sind insbesondere dann zu bewilligen, wenn eine zeit­ raubende Einsicht der Akten nothwendig war, oder die Untersuchung die Anwendung des Mikroskops oder, anderer Instrumente oder Apparate er­ forderte, deren Handhabung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Für die Ausstellung eines Befundscheins ohne nähere gutachtliche Aus­ führung ............................................................................................. 3,00 Mark. Wenn Medizinalbeamte sich zur Reinschrift ihrer Berichte oder Gut­ achten (No. 3, 5, 6) fremder Hülfe bedienen, sind ihnen Kopialien zum Satze von 0,25 Mark für den Bogen zu bewilligen.*) § 4.

Der bei der Besichtigung oder Obduktion eines Leichnams zuge­ zogene zweite Medizinalbeamte erhält für den Bericht 3—9 Mark. Sind zwei Medizinalbeamte zu einem gemeinschaftlichen Gutachten über den Gemüthszustand eines Menschen aufgefordert, so erhält jeder derselben die Gebühr (§ 3 No. 6). §5. Werden die im § 3 erwähnten Verrichtungen in einer eine Viertelmeile übersteigenden Entfernung vom Wohnort des Medizinalbeamten vorgenommen, so hat dieser die Reisekosten (§ 2, b) und nach seiner Wahl entweder die Gebühren (§ 3) oder die Tagegelder (§ 2, a) zu liquidiren.

•) Für Obduttionen von Thierkadavern, einschließlich des Berichts: a) eines Pferdes oder eines Rindviehstücks, sofem letzteres nicht aus Anlaß der Lungenseuche obduzirt wird...........................................12 Mark. Für jede auf die erste an demselben Tage folgende Obduktion sind nur 6 Mark zu bewilligen; b) eines anderen Hallsthieres oder eines aus Anlaß der Lungen­ seuche obduzirten Rindviehstücks....................................................... 6 Mark. Für jede auf die erste an demselben Tage folgende Obduttion sind nur 3 Mark zu bewilligen. Werden an einem Tage mehrere Obduktionen ausgeführt, so ist für alle zusammen in keinem Falle mehr als 24 Mark zu bewilligen. Ges. v. 2. Februar 1881. Ges.S. S. 13.

246

Vewerbe-Ordiumg § 80. (Ges. v. 9. März 1872.)

Diese Bestimmung findet auch dann Anwendung, wenn die Verrichtung an und für sich gemäss § 3 unentgeltlich vorzunehmen ist § 6.

Sind zu der verlangten sachkundigen Ermittelung besondere Vorbesuche nöthig, so ist, falls nicht die Voraussetzungen vorliegen, unter denen Tagegelder und Reisekosten liquidirt werden dürfen, für jeden Vorbesuch eine Gebühr von 3 Mark zu bewilligen. Für mehr als drei Vorbesuche passirt die Gebühr nur insoweit, als die Vor­ besuche auf ausdrückliches Verlangen der requirirenden Behörde gemacht sind.

5 7. Nichtbeamtete Aerzte und Thierärzte erhalten, wenn sie zu vor­ stehend (§§ 1 bis 6) bezeichneten Verrichtungen amtlich aufgefordert werden, in Ermangelung anderweiter Verabredung, dieselben Gebühren, Tagegelder und Reise­ kosten, welche den beamteten Aerzten und Thierärzten zustehen. §

8.

Macht eine gerichtliche oder medizinalpolizeiliche Feststellung die Zuziehung eines 0hemikers nothwendig, so erhält derselbe für seine Arbeit, einschliesslich des Berichts, eine Gebühr von 12 bis 75 Mark. Die verwendeten Reagentien und verbrauchten Apparate, sowie etwaige Auslagen für Benutzung eines besonderen Lokals sind ihm neben der Gebühr zu vergüten. § 9.

Bei Apothekenvisitationen erhält der medizinische Kommissarius an seinem Wohnort 6 Mark Tagegelder, ausserhalb desselben reglementsmässige Reisekosten und Tagegelder. Der pharmazeutische Kommissarius erhält Reisekosten und Tagegelder nach dem den Kreisphysikem zustehenden Satze; ausserdem 1,50 Mark für jede revidirte Apotheke als Ersatz für verbrauchte Reagentien. § 10. Insoweit die Gebühren vorstehend nicht nach festbestimmten Sätzen geregelt sind, ist der im einzelnen Falle anzuweisende Betrag nach der Schwierigkeit des Geschäfts und dem zur Ausrichtung desselben erforderlich gewesenen Zeitaufwande festzusetzen. Diese Festsetzung hat, wenn sich Bedenken gegen die Angemessen­ heit des liquidirten Betrags ergeben, die zuständige Regierung endgültig zu be­ wirken.

Verordnung, betreffend die den Medlrinalbeamten su gewährende FuhrkostenVergätung. Vom 4. November 1874. (Ges.S. 8.864.) Für einzelne Ortschaften kann durch den Justizminister in Gemeinschaft mit dem Finanzminister bestimmt werden, dass den Medizinalbeamten bei den an ihrem Wohnorte oder in einer Entfernung von nicht mehr als einer Fünftelmeile von demselben auf Veranlassung einer Gerichtsbehörde oder eines Beamten der Staatsanwaltschaft vorzunehmenden Geschäften die verauslagten Fuhrkosten zu erstatten sind.

Gewerbe-Ordnung §§ 81, 82, 83.

247

Titel VI. Innun-en von Gewerbetreibenden.

I. Bestehende Innungen. § 81. Alle zur Zeit gesetzlich bestehenden Korporationen von Ge­ werbetreibenden (Innungen, Zünfte) dauern fort. Ihre Statuten (Fnnungsartikel, Zunstartikel) bleiben in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften dieses Gesetzes oder nach Maßgabe der Bestimmung im § 92 abgeändert werden. § 82. Jedes Mitglied einer Innung kann jederzeit, vorbehaltlich der Erfüllung seiner Verpflichtungen, ausscheiden und darf das Gewerbe nach dem Austritt fortsetzen. Der Ausgeschiedene verliert alle Ansprüche an das Zunstvermögen und die durch daffelbe ganz oder theilweise fundirten Nebenkaffen, soweit die Statuten nicht ein Anderes bestimmen. § 83. Von dem Eintritt in eine Innung können diejenigen ausge­ schlossen werden: 3« Titel VL

1. Die Stellung der Innungen ist durch die Gewerbe-Ordnung eine wesentlich veränderte geworden. Nur in einigen ausdrücklich hervorgehobenen Beziehungen steht den Staatsbehörden noch eine Einwirkung auf dieselben zu; im Uebrigen ist ihre Beaufsichtigung den Gemeindebehörden übertragen. Trotz dieser veränderten Stellung ist ihre statutarische Verfassung insoweit in Kraft erhalten, als sie mit dem Bundes­ gesetz nicht in Widerspruch steht, und sind demgemäß so lange noch ferner als maß­ gebend anzusehen, als auf dem durch § 92 gegebenen Wege nicht eine Abänderung der Jnnungsverfasfung erfolgt. Eine derartige Abänderung ist nur einer beschränkten Staatsgenehmigung unterworfen (§ 92). Die Genehmigung der Statuten neuer Innungen ist dagegen unbeschränkt vorgeschrieben (§ 99). Durch § 94 erhalten die Bezirksregierungen die Befugniß, bei der Auflösung einer Innung den bis dahin mit derselben verbundenen Unterrichtsanstalten, Hülfskassen und anderen Instituten Kor­ porationsrechte zu ertheilen. Inwieweit die Ertheilung derselben angezeigt ist, hängt von den Verhältnissen des einzelnen Falles ab. Es ist aber überall auf ein geord­ netes, zur Verleihung der Korporationsrechte geeignetes Statut zu halten, und die Genehmigung späterer Aenderungen der Bezirksregierung ausdrücklich vorbehalten. Anw. Nr. 21. 2. Eine Observanz, wonach das Aufgeben des Gewerbebetriebes den Aus­ schluß des Stimmrechts zur Folge habe, kann als mit den Bestimmungen der Gew.O. unvereinbar nicht mehr gegen diejenigen Znnungsmitglieder zur Geltung gebracht werde», welche erst nach Inkrafttreten der Gew.O. ihren Gewerbebetrieb aufge­ geben haben. Erk. d. O-V-G. v. 28. Januar 1886. Reger VII. S. 13.

248

Gewerbe-Ordnung § 84.

1. welche sich nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden; oder 2. welche in Folge der gerichtlichen Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt find. § 84. Vorbehaltlich der vorstehenden Bestimmung (§ 83) darf der Ein­ tritt in eine Innung Keinem versagt werden, welcher die in dem Statute vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt hat. Bedarf es zu diesem Zwecke der Ablegung einer Prüfung, so ist dieselbe auf den Nachweis der Befähigung zur selbständigen Ausführung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes zu richten. Die deshalb zu lösenden Aufgaben, sowie der zur Bestreitung der Prüfungskosten von dem zu Prüfenden zu zahlende Betrag, werden von der Innung be­ stimmt. Bevorzugungen find dabei nicht statthast. Die Prüfungszeugnisse der für einzelne Gewerbe angeordneten besonderen Prüfungsbehörden und der bisher zur Abnahme von Prü­ fungen befugt gewesenen Kommissionen find ein genügender Nachweis der Befähigung zum Bettiebe der Gewerbe, über welche sie ausge­ stellt find. Die Ablegung einer Prüfung kann von denjmigen nicht gefordett werden, welche das betreffende Gewerbe mindestens seit einem Jahre selbständig ausüben. Zu

§ 83.

1. Die gegenwärtige Fassung beruht auf Art. 12 des Reichsgesehes vom 1. Juli 1883, welches mit dem 1. Januar 1884 in Wirksamkeit getreten ist. Die frühere Fassung ging dahin: Bon dem Eintritt in die Innung können diejenigen ausgeschlossen werden, 1. welche die bürgerliche Ehre verloren haben, 2. welchen die Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit untersagt ist, 3. welche stch in Konkurs befinden. Die rein redaktionelle Aenderung bezweckt die Uebereinstimmung mit dem Sprachgebrauch des Strafgesetzbuchs bezw. anderweiter Bestimmung der GewO(§ 100 Abs. 6). 2. Die Ziele der sozialdemokratischen Partei sind in keinem Falle derart, daß Jemandem deshalb, weil er Mitglied derselben ist, der ehrenhafte Lebenswandel oder die Fähigkeit zu einem ordnungsmäßigen Gewerbebetriebe abgesprochen werden darf. Erk. d. O.V.G. v. 31. Oktober 1893. 3« f 84. 1. Das Bundesgesetz vom 8. Juli 1868 hatte die Gesellen- und Meister­ prüfungen nur soweit bestehen lassen, als dieselben nach den landesgesetzlichen Be­ stimmungen einen Bestandtheil der Jnnnungsvesassung bildeten oder einen nur fakul­ tativen Charakter an sich tragen. Durch die Gew O, ist auch dieser Theil des Prü>

Gewerbe-Ordrmng §§ 85, 86.

249

§ 85. Die bei der Aufnahme in eine Innung zu entrichtenden Antritts­ gelder müssen für alle Genossen der Innungen gleich sein. Wo sie mehr als fünfzehn Mark betragen, bedarf es zu ihrer Erhöhung der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Diese Genehmi­ gung ist auch dann erforderlich, wenn Antrittsgelder, welche den Be­ trag von fünfzehn Mark nicht übersteigen, über diesen Betrag erhöht werden sollen. Der Beitritt zu einer Innung schließt die Besugniß nicht aus, an anderen Innungen theilzunehmen. § 86.

Durch Beschluß der Innungen kann von Ausübung des Stimm­ rechts, sowie der Ehrenrechte innerhalb der Innung, derjenige aus­ geschlossen werden, welcher in einem der im §83 unter 1, 2 bezeich­ neten Verhältnisse sich befindet. fungswesens beseitigt. Den Innungen ist zwar die Besugniß gelassen, den Beitritt von der Ablegung einer Prüfung abhängig zu machen. Soweit statutenmäßig eine solche stattfand, bleibt dieselbe daher bis zur Abänderung der Statuten bestehen. Die Voraussetzungen dieser Prüfungen bestimmt aber nicht mehr das Gesetz, ihre Leitung erfolgt nicht mehr unter amtlicher Mitwirkung. Es ist lediglich Sache der Innungen geworden, die Prüfungsbedingungen zu regeln und die PrüfungsCommissionen zu bilden. Nr. 20 Anw. v. 4. September 1869. 2. Aus dem § 84 Abs. 1 Gew.O. kann nicht gefolgert werden, daß ein Gewerbsgenosie, welcher den Aufnahmeantrag stellt, unter den gesetzlichen oder statuten­ mäßigen Bedingungen desjenigen Zeitpunktes aufgenommen werden muß, in welchem der Antrag angebracht wird. Erk. d. O.V.G. v. 8. Januar 1885. XI. S. 332. 3® § 85« Wegen der Zuständigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes vom 1. August 1883 vgl. § 123 Nr. 1 a. a. O. 3® § 86.

1. Die gegenwärtige Fassung beruht auf Art. 12 des Reichsgesehes vom 1. Juli 1883 und steht mit der redaktionellen Aenderung des § 83 Gew.O. im Zu­ sammenhange. la. Der § 86 Gew.O. ist die einzige Norm, nach welcher Zulässigkeit der Ausschließung eines Jnnungsmitgliedes zu beurtheilen ist. Erk. d. O.V.G. v. 26. September 1887. Reger VIII. S. 192. 2. Der definitive vollständige Ausschluß eines Mitgliedes aus einer vor der Geltung des Ges. v. 18. Juli 1881 entstandenen Innung darf nicht statt­ finden, sondern gegebenen Falls nur der Ausschluß von der Ausübung der in §86 Gew.O. aufgeführten Rechte. Erk. d. O.B.G. v. 16. Januar 1882. Reger III. S. 21.

§ 87.

Wird nach dem Tode eines Jnnungsgenofsen deffen Gewerbe durch einen Stellvertreter für Rechnung der Wittwe oder minderjähri­ gen Erben fortgesetzt, so gehen die Besugniffe und Obliegenheiten des Verstorbenen, mit Ausnahme des Stimmrechts in der Innungs-Ver­ sammlung, auf die Wittwe für die Dauer des Wittwenstandes, beziehungs­ weise auf die minderjährigen Erben für die Dauer der Minderjährig­ keit über. § 88.

Die Innung wird bei gerichtlichen wie bei außergerichtlichen Ver­ handlungen durch ihren Vorstand vertreten. Die Legitimation desselben wird durch eine amtliche Bescheini­ gung der Gemeindebehörde über seine Eigenschaft als solcher geführt. Die Bcfugniß zur Vertretung erstreckt sich auch auf diejenigen Ge­ schäfte und Rechtshandlungen, für welche nach den Gesetzen eine SpezialVollmacht erforderlich ist. Soweit in dem Statut (Innungs-Artikeln, Zunft-Artikeln) einem Mitglied oder mehreren Mitgliedern des Vorstandes die Vertretung der Innung nach Außen übertragen ist, behält es hierbei sein Bewenden. § 89.

Verträge der Innung über die Erwerbung, Veräußerung oder Verwendung unbeweglicher Sachen und über Darlehn, für welche das unbewegliche Vermögen der Innung oder die Nutzungen desselben auf länger als ein Jahr hasten sollen, bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Genehmigung der Gemeindebehörde. Dieselbe darf jedoch nicht versagt werden, wenn nachgewiesen wird, daß die Erfüllung aller bestehenden 3. Diejenigen Bestimmungen der Statuten älterer mit ihrer bisherigen Ver­ fassung fortbestehenden Innungen — im Gegensatz zu denen nach Maßgabe des Reichsgesetzes vom 18. Juni 1881 neugebildeten oder umgestalteten Innungen —, durch welche die gänzliche Entziehung der Mitgliedschaft für zulässig erklärt bezw. geregelt wird, sind als rechtSbestündig nicht anzusehen. Eine dem Statut älterer Innungen nachträglich einverleibte Vorschrift deS In­ halts, daß die Einstellung des Gewerbebetriebes am Orte das Ausscheiden der Innung zur Folge habe, überschreitet die der Selbstbestimmung der Innungen bei Normirung ihrer Grundverfassungen gesetzten Schranken. Erk. d. O.B.G. v. 16. Januar 1881. VIH. S. 264.

3« § 88. Zu den Befugnissen der Gemeindebehörde gehört die Bestellung eines außer­ ordentlichen Vertreters behufs der Rechtsverfolgung neben der gesetzlich geord­ neten Jnnungsvertretung nicht. Erk. d. R.G. v. 17. Dezember 1885. Reger VII. S. 192.

Gewerbe-Ordnung §§ 90, 91, 92, 93.

251

Verpflichtungen der Innung, sowie der für den Fall der Auflösung durch § 94 getroffenen Vorschriften gesichert bleibt. § 90. Zahlungen aus den Einnahmen oder dem Vermögen der Innung an Genoffen derselben dürfen nur insoweit geleistet werden, als sie auf ausdrücklichen Vorschriften des Statuts beruhen. Für Zeh­ rung dürfen solche Zahlungen niemals geleistet werden. § 91. Die exekutivische Beitreibung der Jnnungsbeiträge und der von Jnnungsgenoffen wegen Verletzung statutarischer Vorschriften verwirkten Geldstrafen im Verwaltungswege findet ferner nicht statt. § 92. Abänderungen des Statuts können in einer Versammlung der Innung, zu welcher sämmtliche stimmberechtigte Genossen unter ausdrück­ licher Bezeichnung des Gegenstandes der Berathung schriftlich eingeladen find, durch absolute Mehrheit der Anwesenden beschloffen werden. Der Beschluß bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungs­ behörde, wenn er Zahlungen aus den Einnahmen oder dem Vermögen der Innung an Genossen derselben oder andere Verfügungen über das JnnungSvermögen zum Gegenstände hat. Diese Genehmigung darf jedoch nicht versagt werden, wenn nachgewiesen wird, daß die Erfüllung aller bestehenden Verpflichtungen der Innung, sowie der für den Fall der Auf­ lösung durch § 94 getroffenen Vorschriften gesichert bleibt. § 93. Ihre Auflösung kann die Innung in einer Versammlung, zu welcher sämmtliche stimmberechtigte Genossen unter ausdrücklicher Be­ zeichnung des Gegenstandes der Berathung schriftlich eingeladen find, durch absolute Mehrheit der Anwesenden beschließen. Der Beschluß be­ darf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Diese Genehmigung wird ertheilt, wenn die Berichtigung der Schulden und die Erfüllung der Vorschriften des § 94 sichergestellt ist. 3u § 92. Wegen der höheren Vewaltungsbehörde vgl. die Note zu § 85.

Zu § 93. Die Genehmigung der Verwaltungsbehörde entzieht an sich den Gerichten nicht die Befugniß, eine beschloffene Auflösung für ungültig zu erklären. Erk. d. R.G. v. 30. Zanuar 1890. Reger Erg. I. S. 34. Wegen der Zuständigkeit vgl. die Note zu § 85 Gew.O. § 123 Nr. 2 Ges. v. 1. August 1883.

Gewerbe-Ordnung § 94.

252

§ 94.

Löst eine Innung sich auf, so muß ihr Vermögen zuvörderst zur Berichtigung ihrer Schulden und zur Erfüllung ihrer sonstigen Ver­ pflichtungen verwendet werden. War daffelbe bisher ganz oder theilweise zur Fundirung von Unterrichtsanstalten oder zu anderen öffentlichen Zwecken bestimmt, so darf daffelbe dieser Bestimmung nicht entzogen werden. Wird dafür nicht in anderer genügender Weise Sorge getragen, so fällt das betreffende Vermögen der Gemeinde gegen Uebernahme der darauf lastenden Verpflichtungen zu. Eine Vertheilung des hiernach verbleibenden Reinvermögens unter die zeitigen Mitglieder kann die Innung bei ihrer Auflösung nur soweit beschließen, als daffelbe aus Beiträgen dieser Mitglieder entstan­ den ist. Der Rest des Vermögens wird, sofern in dem Statute oder in den Landesgesetzen nicht ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, der Gemeinde, in welcher die aufgelöste Innung ihren Sitz hatte, zur Benutzung für gewerbliche Zwecke überwiesen. Entstehen aus den vorstehenden Bestimmungen Differenzen zwi­ schen der Ortsgemeinde und der Innung, so steht die Entscheidung dar­ über der höheren Verwaltungsbehörde zu. Letzterer steht auch die Befugniß zu, den bisher mit der Innung verbunden gewesenen Unterrichtsanstalten, Hülfskaffen oder anderen In­ stituten zu öffentlichen Zwecken nach der Auflösung der Innung Korporattonsrechte zu ertheilen. Die vorstehenden Vorschriften kommen auch im Falle des Er­ löschens einer Innung durch Aussterben ihrer Mitglieder zur Anwendung. Zu § 94. Wegen der Zuständigkeit vgl. § 125 Ges. o. 1. August 1883. Bei Auflösung bezw. Schließung der Innung hat ein Liquidationsverfahren stattzufinden. Es ist zuvörderst die Erfüllung der von der Innung übernommenen privatrechtlichen und üffentlichrechtlichen Verpflichtungen verordnet, alsdann dem Willen der Innung eine Bertheilung des Vermögens unter die zeitigen Mitglieder mit Beschränkung freigelasten, nur der Rest kann der Gemeinde zur Benutzung für gewerbliche Zwecke überwiesen werden. Es ist hierbei an ein Verhandeln zwischen Innung und Gemeinde gedacht, da andernfalls von vorkommenden Streitigkeiten nicht die Rede sein könnte. Die Innung ist mithin trotz ihrer Auflösung bezw. Schließung als noch für die Zwecke des Liquidationsverfahrens fortexistirend gedacht. Erk. d. K.G. v. 29. Septbr. 1890. Reger XL S. 272. Zum Anschluß zweier Innungen an einander bedarf es nicht der Auflösung beider oder einer derselben. Hinsichtlich des Vermögens der zusammentretende» Innungen findet daher § 94 Gew.O. nicht ohne Weiteres Anwendung. Erk. d. O.V.G. v. 30. Novbr. 1893. Reger XIV. S. 230.

Gewerbe-Ordnung §§ SS. 96.

253

§ 95.

Die Gemeindebehörde übt die Aufsicht über die Innungen aus. Sie entscheidet Streitigkeiten über die Aufnahme und Ausschließung von Genoffen, über die Wahl der Vorstände und über die Rechte und Pflichten der letzteren. Gegen ihre Entscheidung steht der Rekurs an die höhere Verwaltungsbehörde offen, welcher binnen einer prä­ klusivischen Frist von vier Wochen bei der Gemeindebehörde anzubrin­ gen ist. Innungs-Versammlungen, in welchen über Abänderungen des Statuts oder über die Auflösung der Innung Beschluß gefaßt werden soll, wohnt die Gemeindebehörde durch eines ihrer Mitglieder oder einen Beauftragten bei. An anderen Berathungen der Innung nimmt sie nicht Theil. Die Bestätigung der Wahl der Vorstände steht ihr fortan nicht zu. § 96.

Alle Bestimmungen der Gesetze oder der Statuten (Innungs-Artikel, Zunft-Artikel), durchweiche der Gemeindebehörde in Angelegenheiten der Innungen größere Befugniffe beigelegt find, als durch gegenwärtiges Gesetz, treten außer Kraft. 3» z 95. 1.

Dgl. die Note zu § 94.

la. Unter den Entscheidungen in den Fällen der §§ 95 Abs. 1 u. 104 Abs. 7. 8. sind ausschließlich Entscheidungen der Aufsichtsbehörde über die dort bezeichneten Streitigkeiten verstanden, nicht auch sonstige aufsichtliche Verfügungen und Anord­ nungen der Aufsichtsbehörde. Erk. d. O.D.G. v. 3. Januar 1889. Reger. Erg. I. S. 36. 2. In den Jnnungsangelegenheiten der §§ 95. 104 Gew.O. findet das Ver­ waltungsstreitverfahren nur gegen die daselbst Abs. 1 Satz 2 bezw. Abs. 4 den Auf­ sichtsbehörden übertragenen Entscheidungen von Streitigkeiten statt. Erk. d. O.V.G. v. 28. März 1892. Ein Streit über ein besonderes Recht am Jnnungsvermögen fällt nicht unter die Streitigkeiten, bei denen nach §95 Abs. 1, § 104 Abs. 4 gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde das Verwaltungsstreitverfahren gegeben ist. Erk. d. O.V.G. v. 26. Juui 1893. 3. Bei Entscheidung der Gemeindebehörden über Streitigkeiten be­ treffend die Wahl von Jnnungsvorständen (§ 104 Abs. 3 und § 95 Abs. 1 Gew.O.) ist es nicht zulässig, die dagegen gegebene Klage gegen die Gemeindebehörde als Beklagte zu richten; vielmehr können die durch die Entscheidung der Auffichts­ behörde in ihren Rechten Angegriffenen nur gegen die andern Betheiligten klagen. Erk. d. O.V.G. v. 5. Januar 1882. VHI. S. 260. 4. Wegen der JnnungS-Krankenkassen vgl. § 73 des Reichsgesehes vom 15. Juni 1883.

254

Gewerbe-Ordnung § 97.

II. Neve Jllmmgeil. § 97.

Diejenigen, welche ein Gewerbe selbständig betreiben, können zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen zu einer Innung zusammentreten. Ausgabe der neuen Innungen ist: 1. die Pflege des Gemeingeistes, sowie die Aufrechterhaltung und Stärkung der Standesehre unter den Jnnungsmitgliedern; 3« H. Die in diesem Abschnitt enthaltenen Bestimmungen beruhen auf dem Reichsgesehe v. 18. Juli 1881 (Art. 1, 3). Bezüglich des Entwickelungsganges dieses Zweiges der Gewerbegesehgebung stehe Einleitung.

Zu § 97. 1. Die Bestimmung des ersten Absatzes weicht von der des § 97 Abs. 1 der Gewerbeordnung von 1869 insofern ab, als sie die Bereinigung zu einer Innung nicht auf Gewerbetreibende „gleicher oder verwandter" Gewerbe beschränkt, weil sonst in vielen Gegenden, in welchen die einzelnen Handwerke so schwach vertreten sind, daß eine lebensfähige Innung nur durch Bereinigung sämmtlicher Handwerker zu einer Innung ermöglicht werden kann, die sachlich wünschenöwerthe Jnnungsbildung unterbleiben müßte. Durch Absatz 2 des § 97 und durch § 97a wird das Gebiet der Wirksamkeit der Innungen geregelt, und zwar in der Weise, daß unterschieden wird zwischen den Aufgaben, welche als wesentliche von jeder Innung zu erfüllen sind, und denjenigen, welche die einzelnen Innungen je nach den vorhandenen Bedürfnissen und Kräften in das Bereich ihrer Thätigkeit ziehen können. Die im § 97 aufgestellten Zwecke, welche in diesem Sinne zu nothwendigen Aufgaben der Innungen gemacht werden sollen, und von jeder Innung erfüllt werden müssen, wenn dieselbe nicht die Berechtigung, als eine im öffentlichen Interesse auftecht zu erhaltende Korporation an­ erkannt zu werden, verlieren will, sind namentlich a) die Regelung und Pflege deS Lehrlingswesens, b) das Herbergswesen, c) die Funktion der ArbeitSvermittelung. Diese sollen durch die Thätigkeit der organiflrten Berufsgemeinschasten diejenige Pflege finden, deren sie im sittlichen und wirthschastlichen Interesse der Gesellen be­ dürfen. Bei der neuen Regelung der Innungen mußte dafür Sorge getragen werden, daß der Staat in denselben Organe zur Lösung dieser Aufgaben der Gewerbever­ waltung gewinnt, und es rechtfertigte sich daher, wenn zu dem Ende die Einräumung der Rechte der Innung von der Uebernahme dieser Aufgaben abhängig gemacht ist. Diese Nr. 4 des § 97 beruht auf der Erwägung, daß nach der ganzen Art, wie die Regelung und Beaufsichtigung des Lehrlingswesens zu einer genossenschaftlichen Aufgabe der Innung und die Lehrlinge zu Schutzbefohlenen der Genossenschaft gemacht werden sollen, auch die Streitigkeiten zwischen Meistern und Lehrlingen mehr unter dem Gesichtspunkte der Verletzung genossenschaftlicher Rechte und Pflichten als unter dem der Verletzung persönlicher Rechte zu entscheiden sind, und daß es hiernach gerechtfertigt erscheint, diese Entscheidung auf den Vorstand oder ein anderes im Statut vorzusehendes Organ der Innung zu übertragen.

Gewerbeordnung § 97.

265

2. die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwi­ schen Meistern und Gesellen, sowie die Fürsorge für das Herbergswesen der Gesellen und für die Nachweisung von Ge­ sellenarbeit; Daß die Innung durch statutarische Bestimmung ihre Mitglieder verpflichten kann, bei der Annahme von Gesellen gewiste Normen zu beachten, beispiels­ weise nur solche Gesellen anzunehmen, welche sich in einer von der Innung festzu­ stellenden Weise legitimsten, ist selbstverständlich. (Motive.) II, In Betreff der Errichtung von Innungen enthält die Anweisung des Ministers für Handel und Gewerbe v. 9. März 1882 (M.Bl. S. 66) fol­ gende Bestimmungen: 1. Diejenigen, welche zu einer neuen Innung zusammentreten wollen, haben den von ihnen vollzogenen Statut-Entwurf in zwei Exemplaren der Ge­ meindebehörde desjenigen Orts einzureichen, in welchem die Innung ihren Sitz haben soll, und dabei Bevollmächtigte zu bezeichnen, welche bis zur Konstituirung der Innung (Nr. 11) zu ihrer Vertretung befugt sein sollen. Bestehende Innungen, welche sich auf Grund des Gesetzes vom 18. Juli 1881 reorganistren wollen, haben hierüber nach Maßgabe ihrer Statuten Beschluß zu fassen und diesen Beschluß nebst den zur Prüfung seiner Gültigkeit erforderlichen Unterlagen und zwei Exemplaren deS Entwurfs der neuen Statuten durch den bisherigen Borstand einzureichen. Die Gemeinde-Behörde hat diese Vorlagen ungesäumt der höheren Ver­ waltungsbehörde zu übersenden und derselben gleichzeitig oder spätestens innerhalb einer Woche anzuzeigen, a) ob in dem Gemeindebezirk für diejenigen Gewerbe, welche in der Innung vertreten sein sollen, oder für einzelne derselben eine Innung bereits be­ steht, und, wenn dies der Fall ist, b) ob und aus welchen Gründen anzunehmen ist, daß im Falle der Er­ richtung der neuen Innung beide Innungen an der Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben gehindert sein würden. 2. Die höhere Verwaltungsbehörde prüft, ob nach den Vorschriften des § 104 des Gesetzes vom 18. Juli 1881 derjenigen Gemeindebehörde, welche das Statut überreicht, die Aufsicht über die neue Innung zusteht, und führt, wenn dies der Fall ist, die Ernennung der Aufsichtsbehörde herbei. Wird die Aufsicht nicht derjenigen Behörde übertragen, welche das Statut vorgelegt hat, so sind die von der letzteren eingereichten Schriftstücke der ernannten Aufsichtsbehörde zur Prüfung und Berichterstattung mit dem Auftrage zuzustellen, über die in Nr. 3 tu b. erwähnten Verhältnisse sich gleichfalls zu äußern. Soll der Bezirk der Innung über den Bezirk der höheren Verwaltungs­ behörde hinausgehen, so hat die letztere die Genehmigung der Central­ behörde mittels gutachtlichen Berichts einzuholen. 3. Ist das Statut nach § 98b des Gesetzes vom 18. Juli 1881 zu genehmigen, so wird ein Exemplar des ersteren mit dem Genehmigungsvermerk versehen und der Auffichtsbehörde übersandt, welche daffelbe den für die Errichtung der neuen Innung bestellten Bevollmächtigten oder dem bisherigen Jnnungs-

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Gewerbe-Ordnung § 97.

3. die nähere Regelung des Lehrlingswesens und die Für­ sorge für die technische, gewerbliche und sittliche Ausbildung der Lehrlinge; 4. Streitigkeiten der im § 120a bezeichneten Art zwischen den Jnnungsmitgliedern und ihren Lehrlingen an Stelle der Gemeindebehörde (Absatz 2 daselbst) zu entscheiden.

4. °

5.

6.

7.

8.

vorstand (Nr. 3) zugehen läßt. Ist die Aufsichtsbehörde nicht zugleich die Gemeindebehörde des Sitzes der Innung, so hat jene dieser von der Ge­ nehmigung Kenntniß zu geben. Ergeben sich gegen die Genehmigung Bedenken, welche sich durch Verhand­ lung mit den Antragstellern nicht beseitigen lasten, so erläßt die höhere Verwältttngsbehörde einen schriftlichen Bescheid. In den Gründen destelben ist genau anzugeben, welche Bestimmungen deS Statuts die Genehmigung des letzteren unstatthaft erscheinen lasten, und eventuell welche sonstigen Um­ stände derselben entgegenstehen. In dem Bescheid ist den Antragstellern zu eröffnen, daß sie befugt find, binnen 2 Wochen bei der höheren Verwal­ tungsbehörde entweder auf mündliche Verhandlung oder Beschlußfaflung durch daS Kollegium anzutragen, oder bei derselben Behörde den Rekurs an die vorgesetzte Behörde (Provinzialrath, Centralbehörde) anzumelden und ihn zu rechtfertigen. Wird auf Grund der mündlichen Verhandlung entschieden, daß die Geneh­ migung deS Statuts zu ertheilen ist, so wird die letztere nach Nr. 5 aus­ gefertigt. Lautet dagegen die Entscheidung auf Versagung der Genehmigung, so wird nach Maßgabe der Nr. 6 ein förmlicher Bescheid erlasten, in welchem dieser Beschluß näher zu begründen und auf das zulässige Rechtsmittel zu verweisen ist. Wird Rekurs eingelegt, so kann zu besten Rechtfertigung ans Antrag eine gemessene, der Regel nach nicht über zwei Wochen zu erstteckende Nachfrist gewährt werden. Im Falle verspäteter Einlegung wird der Rekurs ohne Weiteres durch einen mit Gründen versehenen Bescheid zurückgewiesen. In demselben ist den Rekurrenten zu eröffnen, daß ihnen innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine bei der zurückweisenden Behörde einzulegende Beschwerde an die Rekursbehörde zustehe. Wird der Rekurs oder die Beschwerde bei derjenigen Behörde eingelegt, welche zur Beschlußfaflung auf das Rechtsmittel zuständig ist, so hat diese Behörde das Schriftstück an die Behörde, welche in erster Instanz ent­ schieden hat, abzugeben. Der mit Gründen versehene Rekursbescheid wird der Behörde, welche in erster Instanz entschieden hat, in Ausfertigung übersandt. Zst die Versa­ gung der Genehmigung aufrecht erhalten, so wird der Bescheid den Antragstellern mit der Hinweisung darauf zugestellt, daß eine weitere Beschwerde durch das Gesetz nicht zugelassen ist. Wird dagegen der Rekurs für gerecht­ fertigt erachtet, so ist nach Nr. 5 zu verfahren. Die Zustellung von Bescheiden an die Antragsteller erfolgt durch die Auf­ sichtsbehörde, welche von dem Inhalt auch der Gemeindebehörde des Sitzes der Innung Kenntniß giebt, sofern die letztere Behörde nicht selbst die Auf­ sicht führt.

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Gewerbe-Ordnung § 97 a.

§ 97 a. Die Innungen find befugt, ihre Wirksamkeit auf andere, den Jnnungsmitgliedern gemeinsame gewerbliche Interessen als die im § 97 bezeichneten auszudehnen. Insbesondere steht ihnen zu: 1. Fachschulen für Lehrlinge zu errichten und dieselben zu leiten; 2. zur Förderung der gewerblichen und technischen Ausbildung der Meister und Gesellen geeignete Einrichtungen zu treffen; 3. Gesellen- und Meisterprüfungen zu veranstalten und über die Prüfungen Zeugniffe auszustellen; 9. Nach Eingang der Genehmigung des Statuts einer neuen Innung hat die Aufsichtsbehörde die Unterzeichner des Statuts zu einer Versammlung zu berufen, in welcher die Innung konstituirt und die Wahl des Jnnungsvorstandes, sowie der Inhaber der Jnnungsämter vorgenommen wird (§ 101). Bei reorganisier, Innungen ist erforderlicher, Falls in gleicher Weise zu verfahren.

Unter der Bezeichnung „höhere Verwaltungsbehörde" sind für die Ge­ nehmigung von Statuten gemeinsamer ZnnungSausschüsse, sowie von Ab­ änderungen solcher Statuten (§ 102 Gew.O.) in denjenigen Landestheilen, in welchen das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung zur Einführung gelangt ist, die Regierrrngspräsidenten (in Berlin der Polizeipräsident) zu verstehen. R. d. M. d. Z. u. H.M. v. 19. Zanuar 1889. M.Bl. S. 129. Die Bestimmung kommt auch in denjenigen Fällen zur Anwendung, in welchen es sich um Genehmigung der für ZnnungSausschüsse zu errichtenden Nebenstatuten handelt. R. d. M. d. Z. ii. H.M. v. 8. Mai 1889. M.Bl. S. 129. Den Behörden ist ein Musterstatut zur Nachachtung mitgetheilt, welches im Anhang I. 9ir. 19 nebst Bemerkungen abgedruckt ist.

Zu § 97 Gew.O. 1. Die Beantwortung der Frage, ob eine im Statute vorgesehene Einrichtung damach angethan oder unzureichend ist, die Mittel zur Erfüllung der ZnnungSaufgaben sicher zu stellen, ist lediglich der pflichtmäßigen Abwägung der mit der Prü­ fung des Statuts beauftragten Behörde überlassen. Erk. d. O.D.G. v. 17. Mai 1886. Reger VII. S. 198. 2. Eine in der Jnnungsversammlung von einem Mitgliede der Znnung be­ kundete Hintansetzung der Ehrfurcht vor den Angehörigen des Kaiserhauses und die Beleidigung des Staatsoberhauptes sind dazu geeignet, den Vorwurf gegen das be­ treffende Mitglied zu begründen, daß es derjenigen Ehrenhaftigkeit entbehre, welche die statutenmäßige Voraussetzung der Mitgliedschaft bei der Znnung ist. Erk. d. O.V.G. v. 13. April 1891. Pr. V.Bl. XII. S. 613.

Zu 8 97 a. Der Grund, welcher das Handwerk gegenwärtig auch auf den Gebieten, wo ein lebensfähiger Kleinbetrieb neben dem Großbetriebe noch sehr wohl möglich ist. immer MarcinowSli, Deutsche QVrwbf.Drbnung. 6.Auflage.

J7

Gewerbe-Ordnung § 98.

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4. zur Förderung des Gewerbebetriebes der Jnnungsmitglieder einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb einzurichten; 5. zur Unterstützung der Jnnungsmitglieder, ihrer Ange­ hörigen, ihrer Gesellen und Lehrlinge in Fällen der Krankheit, de« Todes, der Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Bedürftigkeit, Kaffen einzurichten; 6. Schiedsgerichte zu errichten, welche berufen find, Streitig­ keiten der im § 120a bezeichneten Art zwischen den InnungsMitgliedern und deren Gesellen an Stelle der sonst zuständigen Behörden zu entscheiden. § 98. Der Bezirk, für welchen eine Innung errichtet wird, soll in der Regel nicht über den Bezirk der höheren Verwaltungsbehörde, in wel­ chem die Innung ihren Sitz nimmt, hinausgehen. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung der Centralbehörde. Bei der Errichtung ist der Innung ein Name zu geben, welcher von dem aller anderen, an demselben Orte oder in derselben Gemeinde befindlichen Innungen verschieden ist. mehr in Verfall gerathen zu lasten droht, liegt theils in der mangelhaften tech­ nischen und geschäftlichen Ausbildung der meisten Handwerker, welche sie hin­ dert, die technischen Fortschritte rechtzeitig zu benutzen und ihren Betrieb den wech­ selnden Anforderungen des Marktes anzupassen, theils in dem Umstande, daß sie bisher zu wenig darauf bedacht gewesen sind, sich die Vortheile des Großbetriebes durch gemeinsame Thätigkeit, namentlich durch gemeinsamen Bezug der Rohstoffe, gemeinsame Beschaffung und Benutzung von Maschinen, sowie durch Errichtung gemeinsamer Verkaufsstellen zu Nutze zu machen. Deshalb sollen sie auf die Errichtung von Fachschulen für Lehrlinge, sowie auf die Förderung der gewerblichen und technischen Ausbildung der Meister und Gesellen durch genossenschaftliche Einrichtungen und auf diejenigen Einrichtungen, durch welche sie sich manche Vortheile des Großbetriebes verschaffen können, aufmerksam gemacht werden. Zu 5 wird Vorsorge zu treffen sein, daß die von den Innungen errichteten Kassen ihren Mitgliedern eine ausreichende Sicherheit bieten. In dieser Be­ ziehung werden in den §§ 98c und 100c die erforderlichen Bestimniungen ge­ troffen. Zu 6 sind zur Vermeidung von Kollisionen mit den auf Grund des § 120a der Gewerbe-Ordnung bereits bestehenden Einrichtungen, sowie zur Erlangung von Garantieen für eine geordnete und unparteiische Rechtspflege besondere Bestimmungeil erforderlich, welche in den §§ 98 c und 100 d enthalten sind. (Motive.)

Zu § 98. 1. Die Aufsicht über diejenigen Innungen, welche ihrell Sitz innerhalb eines Stadtbezirks haben, und deren Bezirk über den letzteren nicht hinausgeht, wird von

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Gewerbe-Ordnung § 98 a.

§ 98a. Die Aufgaben der Innung, die Einrichtung ihrer Verwaltung und die Rechtsverhältniffe ihrer Mitglieder werden, soweit das Gesetz darüber nicht bestimmt, durch das Jnnungsstatut geregelt. Dasselbe muß Bestimmung treffen: 1. über Namen, Sitz und Bezirk der Innung; 2. über die Aufgaben der Innung, sowie über die dauernden Einrichtungen zur Erfüllung dieser Aufgaben, namentlich find die nachfolgenden Verhältnisse des Lehrlingswesens zu regeln: a) die von den Jnnungsmitgliedem bei der Annahme von Lehr­ lingen zu erfüllenden Voraussetzungen und Formen, sowie die Dauer der Lehrzeit; b) die Ueberwachung der Beobachtung der in §§ 41 a, 105 a—g, 120a—e, 126, 127 vorgesehenen Bestimmungen durch die Innung; der Gemeindebehörde geführt. Für die übrigen Innungen wird die Aufsichtsbehörde von der höheren Verwaltungsbehörde oder von der Centralbehörde bestimmt (§ 104 Abs. 2 des Gesetzes vom 18. Juli 1881). Bildet die Gemeindebehörde ein Kollegium, so hat sie zur Wahrnehmung der Aufsicht einen Kommisiar zu bestellen. Nr. 1,2 Anw. v. 9. Mürz 1882. 2.

Bezüglich der Zuständigkeit vgl. §§ 123—126 des Ges. v. 1. August 1883.

Zu § 98a. 1. Durch den vorletzten Absatz, welcher in dem § 100b Abs. 1 und 2 seine Ergänzung findet, soll, ähnlich wie es für die Hülfsklassen durch das Gesetz vom 7. April 1876 geschehen ist, Vorsorge getroffen werden, daß nicht mit Hülfe einer für bestimmte Zwecke gesetzlich anerkannten Organisation ungesetzliche oder fremdartige Zwecke verfolgt werden können. (Motive.) 2. Es bleibt der freien Bestimmung des Statuts überlaffen, welche Voraus­ setzungen und Fornren es für die Auflösung der Innung festsetzen will, falls dieselben den gesetzlichen Vorschriften nicht zuwiderlaufen. Demgemäß ist eS auch gestattet, statutarisch schon den Eintritt der Thatsache, daß die Zahl der JnnungSmitglieder durch Ausscheiden unter 6 zusammengeschmolzen ist, als alleinige Voraussetzung hin­ zustellen, welche ohne weiteren Jnnungsbeschluß die Auflösung der Innung zu Folge haben soll. Erk. d. O.D.G. v. 25. Novbr. 1889. Reger. Erg. I. S. 24. 3. In der Bestimmung eines Jnnungsstatuts, wonach bei Auflösung der Innung die vorhandenen Mitglieder nach freiem Ermessen über die Zuwendung des Jnnungsvermögens zu einem dem Jnnungszwecke verwandten anderweiten Unternehmen beschließen sollen, ist kein Verstoß gegen § 98a Abs. 2 Nr. 11 Gew.O. enthalten. Erk. d. O.V.G. v. 25. Novbr. 1889. Reger Erg. I. S. 24.

17*

Gewerbe-Ordnung § 98 a.

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

c) die Verpflichtung der Meister, ihre Lehrlinge zum Besuche der Fortbildungsschule oder der Fachschule anzuhalten; d) die Beendigung der Lehrzeit, die Ausschreibung der Lehrlinge vor der Innung und die Ertheilung des Lehrbriefes; e) die Bildung der Behörde und das Verfahren zur Entschei­ dung der im § 97 unter Nr. 4 bezeichneten Streitigkeiten; über Aufnahme, Austritt oder Ausschließung der Mit­ glieder; über die Rechte und Pflichten der Mitglieder, insbesondere über die Beiträge, welche von denselben zu entrichten find, und über den Maßstab, nach welchem deren Umlegung erfolgt; über die etwa wegen Verletzung statutarischer Vorschriften gegen die Jnnungsmitglieder zu verhängenden Ordnungsstrafen; über die Bildung des Vorstandes, über den Umfang seiner Befugniffe und die Formen seiner Geschäftsführung; über die Zusammensetzung und Berufung der Jnnungsversammlung, über das Stimmrecht in derselben und über die Art der Beschlußfaffung; über die Beurkundung der Beschlüsse der ZnnungSversammlung und des Vorstandes; über die Voraussetzungen und die Form einer Abänderung des Statuts;

4. Die Bertheilung der Zuständigkeit bezüglich der Verhängung von Ordnungsstrafen unter den Vorstand, bezw. der Innung-versammlung, ist durch das Gesetz nicht beschränkt. Erk. d. O.B.G. v. 25. Rovbr. 1889.

Reger Erg. I. S. 24.

3» | #8*. Rr. 2b. L

Die gegenwärtige Fassung ist durch Art. 5 R.Ges. v. I Juni 1891,

R.Ges.Bl. S. 261 bestimmt. Nach der früheren Fassung lautete die Bestimmung: b) die Ueberwachung der Beobachtung der in §§ 120, 126, 127 enthaltenen Vorschriften seitens der Innung. 2.

Wegen de« Zeitpunkte- der Wirksamkeit deS citirten Reich-gesetze- vgl.

Rote 1 su § 120 Gew O. 3. Eine Bestimmung, welche es der Innung-versammlung überläßt, im Einzelfalle die Bedingungen der Aufnahme eines neuen Mitgliedes zu beschließen, entspricht nicht den bestehenden Vorschriften. Erk. d. O.V.G. v. 31. Januar 1889. 4. JmJnnungsstatut muß Art und Umfang der abzulegenden Prüfung geregelt sein. Dazu gehört aber nicht mit Nothwendigkeit auch eine Bestimmung darüber, in welchem Lokale die Prüfung abzunehmen ist, vielmehr genügt es. wenn

Gewerbe-Ordnung § 98 b.

261

10. über die Voraussetzung und die Form der Auslösung der Innung; 11. über die Verwendung des JnnungSvermögenS im Falle der Auflösung oder Schließung der Innung; 12. über die Aufstellung und Prüfung der Jahresrechnung. Das Statut darf keine Bestimmung enthalten, welche mit den in diesem Gesetze bezeichneten Aufgaben der Innung nicht in Verbindung steht oder gesetzlichen Vorschriften zuwiderläuft. Bestimmungen über Einrichtungen zur Erfüllung der in § 97a unter Nr. 4, 5, 6 bezeichneten Ausgaben dürfen nicht in das Jnnungsstatut aufgenommen werden. § 98 b. Das Jnnungsstatut bedarf der Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde desjenigen Bezirks, in welchem die Innung ihren Sitz nimmt. Die Einreichung geschieht durch die Aufsichtsbehörde (§ 104). Die Genehmigung ist zu versagen: 1. wenn das Jnnungsstatut den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht; bestimmt wird, schriftliche sein, geliefert werden erstrecken soll. Erk. d.

ob die Prüfung eine theoretische oder praktische, eine mündliche oder oder ob der Befähigungsnachweis auf mehrere der bezeichneten Arten soll, und im Allgemeinen mit angegeben wird, worauf sich die Prüfung O.V.G. v. 25. Juni 1888.

Zu § 98 b. 1. Die Bedingung der Genehmigung soll nach Nr. 1 bis 3 sein, daß das Statut den gesetzlichen Anforderungen entspricht, daß durch feine Bestimmungen die Erfüllung der wesentlichen Aufgaben jeder Innung (§ 97) gesichert erscheint, und daß der Bezirk der Innung dem Gesetze gemäß begrenzt ist. Bon dem Ermessen der Behörde soll die Genehmigung nur dann abhängig gemacht werden, wenn für den betreffenden Bezirk für dieselben Gewerbe bereits eine Innung besteht. (Motive.) 2. Nach § 98b Abs. 3 kann die Genehmigung eines Jnnungsstatuts versagt werden, wenn in dem durch daffelbe vorgesehenen Jnnungsbezirke bereits eine Innung für die gleichen Gewerbe besteht. Daß die Bezirke der neu zu bildenden Innung und der bestehenden Innungen sich vollständig decken, und daß bezüglich der in der neuen und in den bestehenden Innungen vertretenen Gewerbe daffelbe der Fall ist, wird nicht erfordert, es genügt, daß in einem Theile des Bezirks der neuen Innung für eines der in ihr vertretenen Gewerbe schon eine Innung vorhanden ist. Nach den Motiven der betreffenden Gesetzesbestimmung ist nicht blos auf die Lebensfähigkeit der neuen Innung fonbem auch auf das Fortbestehen einer gedeihlichen Wirksamkeit der in demselben Bezirke bereits vorhandenen Innungen Gewicht gelegt. Erk. d. O.B.G. v. 11. Februar 1892. Vgl. auch Erk. d. O.B.G. v. «.Juni 1889. Reger. Erg. I. S. 38.

262

Gewerbe-Ordnung § 98 b.

2. wenn durch die in dem Jnnungsstatut vorgesehenen Einrichtungen die Mittel zur Erfüllung der den Innungen nach § 97 obliegen­ den Ausgaben nicht sichergestellt erscheinen; 3. wenn die Centralbehörde der durch das Jnnungsstatut vorge­ sehenen Begrenzung des Jnnungsbezirks die nach § 98 Absatz 1 erforderliche Zustimmung versagt hat. Außerdem darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn in dem durch das Jnnungsstatut vorgesehenen Jnnungsbezirke für die gleichen Gewerbe eine Innung bereits besteht. In dem die Genehmigung versagenden Bescheide find die Gründe anzugeben; gegen denselben findet der Rekurs statt; wegen des Ver­ fahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§ 20 und 21, soweit nicht landesgesetzlich das Verfahren in streitigen Verwaltungssachen Platz greift. Abänderungen des JnnungSstatutS unterliegen den gleichen Vorschriften. S. Der gegen die im Befchlußverfahren versagte Genehmigung des Jnnungsstatuts gemäß § 124 des Zuständ. Gesetzes angerufene Verwaltungsrichter ist ge­ setzlich berufen, auch seinerseits nach seinem freien pflichtmäßigen Ermessen darüber zu befinden, ob die vom Bezirksausschuß als Beschlußbehürde versagte Genehmigung materiell gerechtfertigt ist. Beschl. d. O.V.G. v. 4. Septbr. 1890. 4. Zur Anwendung des § 98b genügt es, wenn in dem durch das Jnnungs­ statut vorgesehenen Bezirke für das gleiche Gewerbe, für welches die neue Innung errichtet werden soll, bereits eine Innung besteht, mag letztere auch außerdem für andere Gewerbe errichtet sein. Erk. d. O.B.G. v. 2. Januar 1890. 5. Es ist in das pflichtmäßige Ermessen des Bezirksausschusses gestellt, ob von dem in § 98b Abs. 3 bezeichneten Grunde für die Versagung der Genehmigung Gebrauch zu machen sei oder nicht. Die Richtigkeit der Uebung dieses Ermessens ist der Nachprüfung des Revifionsrichters entzogen. Die Reviflon gegen die aus diesem Grunde ausgesprochene Versagung kann daher nur dann Erfolg haben, wenn die Voraussetzungen des Abs. 3 fehlen. Srk. d. O.V.G. v. 1. Juni 1893. Band XXV. S. 310. Vgl. Pr. V.Bl. S. 370. 6. Ueber die Genehmigung der Statuten von Fischerinnungen und Fischer­ gilden hat der Bezirksausschuß nichts zu beschließen oder zu entscheiden. Erk. d. O.D.G. 6. November 1885 XII. S. 349. 7. Es ist nur das Statut, das schriftlich fixirte Spezialgesetz der beabsichtigten Personenvereinigung, auf seine Gesetzlichkeit und Zulänglichkeit zu prüfen. Die Prüfung des allein maßgebenden und entscheidenden objektiven Gehalls desselben darf in keiner Weise mit der Persönlichkeit in Verbindung gebracht werden, welche das Statut überreicht. Erk. d. O.V.G. v. 17. Mai 1886. Reger VII. S. 197.

Gewerbe Ordnung § 98 c.

263

§ 98 c. Soll in der Innung eine Einrichtung der im § 97 a unter Nr. 4, 5, 6 vorgesehenen Art getroffen werden, so find die dafür erforderlichen Bestimmungen in Nebenstatuten zusammenzufaffen. Dieselben bedürfen der Genehmigung durch die im § 98b bezeichnete höhere Verwaltungs­ behörde. Vor der Genehmigung ist die Gemeindehörde des Ortes, 8. Bei ber Umgestaltung der Zn nungs Verfassung einer bestehenden Innung nach Maßgabe des R.Ges. v. 18.Juli 1881 findet die für neue Innungen gegebene Vorschrift des § 98 b Abs. 3 Gew.O. keine Anwendung. Erk. d. O.V.G. v. 29. Septbr. 1887. Reger VIII. S. 193. 9. Die Bestätigung des Statuts einer neu zu errichtenden Innung kann auf Grund des § 98b Abs. 3 auch dann versagt werden, wenn die bereits beste­ hende Innung außer dem Gewerbe, für welches die Errichtung einer neuen Innung beabsichtigt ist, noch ein anderes verwandtes umfaßt. Erk. d. O.D.G. v. 2. Januar 1890. Reger. Erg. I. S. 39. 10. Der gegen die im Beschlußverfahren versagte Genehmigung des Jnnungsstatuts gemäß § 124 des Zuständigkeitsgesehes angerufene Verwaltungsrichter ist ge­ setzlich dazu berufen, auch seinerseits nach seinem pflichtmäßigen Interesse darüber zu befinden, ob die vom Bezirksausschüsse als Beschlußbehörde versagte Genehmigung materiell gerechtfertigt ist. Erk. d. O.D.G. v. 4. September 1890. 11. Die Gesetzgebung ist von der Ansicht ausgegangen, daß es regelmäßig für die Erreichung der Zwecke der Innungen nicht hinderlich sein werde, wenn in dem­ selben Bezirke für dasselbe Gewerbe mehrere Innungen bestehen, und ist deshalb der Behörde die Befugniß in die Hand gelegt, nach ihrem Ermessen den Eintritt eines solchen Zustandes durch Versagung der Genehmigung des Statuts der neu projektirten Innung zu verhindern. Motive. 12. Die Anwendung des § 98 b Abs. 3 wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die bestehende Innung außer für das Gewerbe, für welches die neue Innung errichtet werden soll, noch für ein anderes Gewerbe errichtet ist. Für die Beurtheilung der Gleichheit mehrerer Gewerbe kommt es lediglich auf deren Wesen an. Es vermag namentlich weder eine Verschiedenheit der Namen noch eine Verschiedenheit in der Art, wie das Gewerbe betrieben wird, — besonders, ob mehr handwerksmäßig oder mehr als Kunstgewerbe — die Gleichheit aufzuheben. Der Thatbestand des Abs. 3 ist bereits gegeben, sobald nur für eines der an der neuen Innung zu betheiligenden Gewerbe schon eine Innung besteht. Erk. d. O.V.G. v. 25. Februar 1892. 13. Im Falle des § 98 b Abs. 3 Gew.O. ist es in das pflichtmäßige Ermessen des Bezirksausschusses gestellt, ob von dem dort bewohnten Grunde für die Versagung der Genehmigung Gebrauch zu machen ist oder nicht. Erk. d. O.V.G. v. 29. April 1895.

Zu 9 V8c. 1. Es bleibt den Betheiligten überlassen, ob und inwieweit sie die in § 97a bezeichneten Zwecke durch das Statut in den Bereich der Jnnungsthätigkeit ziehen wollen, sie sollen aber, sofern sie die unter Nr. 4, 5 und 6 dieses Paragraphen be­ zeichneten Zwecke verfolgen wollen, die Einrichtungen zu deren Erreichung! nicht in dem Jnnungsstatut, sondern durch Nebenstatuten regeln. Letztere sollen nach § 98 c einer besonderen Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde bedürfen, welche

264

Gewerbe-Ordnung § 98 c.

an welchem die Innung ihren Sitz hat, sowie falls diese Behörde für die Innung nicht die Aufsichtsbehörde bildet, auch letztere zu hören. Die Genehmigung kann nach Ermeffen versagt werden. In dem die Genehmigung versagenden Bescheide find die Gründe anzugeben. Gegen die Versagung kann binnen vier Wochen Beschwerde an die Central­ behörde eingelegt werden. Abänderung der Nebenstatuten unter­ liegen den gleichen Vorschriften. nicht vor Anhörung der Gemeinde- und Aufsichtsbehörde ertheilt werden soll, und vorbehaltlich der Beschwerde an die Centralbehörde nach freiem Ermessen versagt werden kann. Beides erscheint nothwendig, weil gegen Einrichtungen dieser Art oder gegen die im Einzelfalle dafür vorgesehene Regelung Bedenken aus örtlichen Verhältnissen entstehen können, welche einer näheren Erörterung bedürftig sind, und deren Einfluß auf die Entscheidung über Ertheilung und Versagung der Geneh­ migung sich nicht gesetzlich fixiren läßt. Für die unter Nr. 5, 6 des § 97 a bezeich­ neten Einrichtungen kommt namentlich auch die Wahrung der in §§ 100a Abs. 1, 100c und 100d getroffenen Vorschriften, sowie die Verhütung von Kollisionen mit ähnlichen bereits bestehenden örtlichen Einrichtungen in Betracht. (Motive.) 2. (30) Die Nebenstatuten sind ausschließlich zur Ordnung derjenigen Einrich­ tungen bestimmt, welche zur Erfüllung der im § 97 a Nr. 4 bis 6 des Gesetzes vom 18. Juli 1881 aufgeführten, durch das Hauptstatut unter die Zwecke der Innung auf­ genommenen Aufgaben dienen sollen. Bestimmungen über die zur Erfüllung son­ stiger Aufgaben der Innung erforderlichen Einrichtungen muffen in dem Hauptstatut oder in den Anlagen zu demselben getroffen werden. (31) Die Nebenstatuten sind in zwei Exemplaren unter Ausschluß einer Aus fertigung des in der Jnnungsversammlung gefaßten Annahmebeschluffes von dem Jnnungsvorstand der Aufsichtsbehörde einzureichen. Ist die Aufsichtsbehörde nicht zugleich die Gemeindebehörde des Orts, an welchem die Innung ihren Sitz hat. so hat die erstere der letzteren die Nebenstatuten zur gut­ achtlichen Aeußerung zu übersenden (tz 98 c des Gesetzes vom 18. Juli 1881). Dem­ nächst hat die Aufsichtsbehörde das gesammte Materie! mit ihrem Gutachten der höHeren Verwaltungsbehörde, welche das Hauptstatut genehmigt hat, zur Beschlußfaffung zu übersenden. Letztere hat über die Genehmigung nach ihrem freien Ermeffen zu befinden. Es ist darauf zu achten, daß die gesetzlichen Vorschriften (§ 100a Abs. 1, § 100c, § 100d a. a. O.) und die Bestimmungen des Jnnungsstatuts über die Beschlüffe der Jn­ nungsversammlung befolgt sind; es ist aber auch die Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Einrichtungen insbesondere mit Bezug aus ähnliche an denselben Orten bereits be­ stehende Organisationen, mit welchen Kollisionen zu vermeiden sind, in Erwägung zu ziehen. Die Nebenstatuten müssen Bestimmungen über die Voraussetzungen und die Form ihrer Abänderung und ihrer Aufhebung treffen. (32) Wird die Genehmigung ertheilt, so ist nach Nr. 5 zu verfahren. Wird sie versagt, so ist dem Jnnungsvorstand ein mit Gründen versehener schriftlicher Be­ scheid zuzustellen, in welchem darauf hinzuweisen ist, daß binnen 4 Wochen bei der höheren Verwaltungsbehörde die Beschwerde an die Centralbehörde eingelegt werden kann. Nr. 8 bis 10 finden auch hier entsprechende Anwendung. Nr. 30, 31, 32. Anw. v. 9. März 1882.

265

Gewerbe-Ordnung §§ 99, 100.

§ 99. Die Innung kann unter Eigenthum und

ihrem Namen Rechte,

andere dingliche Rechte an Grundstücken

insbesondere erwerben,

Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden.

Für alle Verbindlichkeiten der Innung hastet den Gläubigern

nur das Vermögen der Innung.

§ 100. Als Jnnungsmitglieder können nur Personen aufgenommen werden, die ein Gewerbe, für welches die Innung errichtet ist, in dem Jnnungsbezirke selbständig betreiben oder in einem dem Gewerbe an­ gehörenden Großbetriebe als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung beschäftigt find.

Andere Personen können als Ehrenmitglieder aus­

genommen werden. Von der Ablegung einer Prüfung kann die Aufnahme nur ab­ hängig gemacht werden, wenn Art und Umfang derselben durch das Statut geregelt find; die Prüfung darf nur den Nachweis der Befähi­ gung zur selbständigen Ausführung der gewöhnlichen Arbeiten des Ge­ werbes bezwecken. Ist die Ausnahme von der Zurücklegung einer Lehrlings- oder Ge­ sellenzeit oder von der Ablegung einer Prüfung abhängig gemacht, so ist eine Ausnahme von der Erfüllung dieser Anforderungen nur unter be­ stimmten im Statut festgestellten Voraussetzungen zuläsfig. Aufnahmesuchenden,

Von einem

welcher bereits vor einer andern,

den

Voraussetzungen dieses Gesetzes entsprechenden Innung des-

3n §». Die juristische Persönlichkeit wird den Innungen nicht durch Ertheilung von Korporationsrechten, sondern in derjenigen Form beigelegt, welche in der neueren Gesetzgebung mehrfach und namentlich bei den eingeschriebenen Hülfskassen zur An­ wendung gekommen ist.

Zu § 100. 1.

Die Innungen.erhalten hierdurch, ohne den Charakter gewerblicher Bemfs-

genossenichaften einzubüßen, die Möglichkeit, aus anderen Ständen zur Lösung ihrer Aufgaben Kräfte heranzuziehen, welche sie unter den Berufsgenossen, namentlich an kleineren Orten, nicht immer in ausreichender Zahl finden. Der Austritt aus der Innung soll wie bisher jedem Mitgliede freistehen. Um aber die Innung gegen Verlegenheiten zu schützen, welche ihnen namentlich in finanzieller Hinsicht aus dem plötzlichen Austritte ihrer Mitglieder erwachsen können, soll ihnen die Befugniß eingeräumt werden, durch statutarische Bestimmungen den Austritt von einer vorgängigen Anzeige abhängig zu machen, deren Erstattung indeß frühestens 6 Monate vor dem Austritt verlangt werden darf.

Durch dieselbe

Rücksicht wird die Bestimmung gerechtfertigt, daß ausscheidende Jnnungsmitglieder noch zur Zahlung derjenigen Beittäge verpflichtet bleiben, welche am Tage ihres Aus-

selben Gewerbes eine Aufnahmeprüfung bestanden hat, kann eine solche nicht nochmals verlangt werden. Gewerbetreibenden, welche den gesetzlichen und statutarischen An­ forderungen entsprechen, darf die Aufnahme in die Innung nicht versagt werden. Von der Erfüllung der gesetzlichen und statutarischen Bedingungen kann zu Gunsten Einzelner nicht abgesehen werden. Vom Eintritt in eine Innung find Diejenigen ausgeschlossen, welche fich nicht im Befitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden oder welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Ver­ mögen beschränkt find. Der Austritt aus der Innung ist, wenn das Jnnungsstatut eine vorherige Anzeige darüber nicht verlangt, jeder Zeit gestattet. Eine Anzeige über den Austritt kann frühestens sechs Monate vor dem letzteren verlangt werden. Ausscheidende Mitglieder verlieren alle Ansprüche an das InnungsVermögen und, soweit nicht statutarisch abweichende Bestimmungen ge­ troffen find, an die von der Innung errichteten Nebenkaffen; sie bleiben zur Zahlung derjenigen Beiträge verpflichtet, deren Umlegung am Tage ihres Austritts bereits erfolgt war. Besondere Verbindlichkeiten, welche fie der Innung gegenüber eingegangen find, werden durch den Austritt nicht berührt. Die Rechte der Jnnungsmitglieder, mit Ausnahme des Stimmrechts und der Ehrenrechte, können von deren Wittwen, welche den Gewerbe­ betrieb fortsetzen, so lange ausgeübt werden, als fie die entsprechenden Verpflichtungen erfüllen. Die näheren Bestimmungen find durch das Statut zu treffen. scheidens bereits umgelegt waren. ES wird dadurch verhindert, daß Mitglieder ledig­ lich zu dem Zwecke austreten, um sich einer bevorstehenden, vielleicht besonders hohen Beitragsleistung zu entziehen. (Motive.) 2. Für die Frage, ob der Anspruch eines Gewerbetreibenden, ohne Ablegung einer Prüfung in eine neue Innung ausgenommen zu werden, begründet sei, ist nicht die Rechtslage der Jnnungsverfassung in dem Zeitpunkt der Anbringung des Aufnahmegesuches, sondern der zur Zeit der Entscheidung bestehende Rechtszustand entscheidend. Der Erwerb der Mitgliedschaft der Innung vollzieht fich nicht durch einseitige Schritte des Bewerbers (Eintrittserklärung. Anmeldung), sondern erst durch eine zustinimende Willenserklärung der Innung oder ihrer berufenen Organe. Die Aeußerung kann entweder freiwillig oder, wenn sie ohne gesetzlichen Grund verweigert ist, auf Anrufen des Betheiligten durch die Gemeindeaufsichtsbehörde und schließlich durch die definitive Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts erfolgen. Erk. d. O.D.G. v. 8. Janar 1885. XL S. 332.

§ 100 a.

Die von den Jnnungsmitgliedern beschäftigen Gesellen nehmen an den Jnnungsversammlungen und an der Verwaltung der Innung nur insoweit Theil, als dieses in dem Jnnungsstatute vorgesehen ist. Eine solche Theilnahme muß ihnen eingeräumt werden an der Abnahme von Gesellenprüfungen, sowie an der Begründung und Verwaltung aller Einrichtungen, für welche sie Beiträge entrichten oder eine besondere Mühewaltung übernehmen, oder welche zu ihrer Unterstützung be­ stimmt find. Von der Ausübung eines Stimmrechts oder eines Ehren­ rechts in der Innung sind alle diejenigen ausgeschlossen, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte be­ finden, oder welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind. § 100b.

Den Jnnungsmitgliedern darf die Verflichtung zu Handlungen oder Unterlassungen, welche mit den Aufgaben der Innung in keiner Verbindung stehen, nicht auferlegt werden. Zu anderen Zwecken als der Erfüllung der statutarisch oder durch das Gesetz bestimmten Aufgaben der Innung, sowie der Deckung der Kosten der JnnungSverwaltung dürfen weder Beiträge von den Jnnungs­ mitgliedern oder von den Gesellen derselben erhoben werden, noch Ver­ wendungen aus dem Vermögen der Innung erfolgen. Die auf Grund des Jnnungsstatuts oder der Nebenstatuten (§ 98 c) umgelegten Beiträge und verhängten Ordnungsstrafen werden nach Antrag des JnnungSvorstandeS auf dem für die Beitreibung der Gemeinde­ abgaben landesrechtlich vorgesehenen Wege zwangsweise eingezogen. Ueber die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge findet unbeschadet der vorläufigen Einziehung der Rechtsweg statt. Ueber Beschwerden wegen der Ordnungsstrafen entscheidet die Auffichtsbehörde endgültig. Zu 9 100 a. Die Bestimmung der Regierungsvorlage, wonach Ehrenmitglieder in den Jnnungsversammlungen stimmberechtigt und zu den Jnnungsämtern wählbar seien, im Uebrigen aber an den Rechten und Pflichten der Jnnungsmitglieder nicht theilnehmen sollten, ist vom Reichstage abgelehnt.

Zu § 100b. Die Erstreckung der vorgesehenen' Art der Beitreibung aus die statutenmäßig verwirkten Ordnungsstrafen hat insofern einen besonderen Werth, ats die Innung dadurch der Nothwendigkeit überhoben wird, gegen Verletzung statutarischer Vor­ schriften auch da, wo dieselbe aus Nachlässigkeit hervorgegangen ist, mit unverhältnißmäßig starken Mitteln und namentlich mit Ausschluß aus der Innung vorzugehen. (Motive.)

268

Gewerbe-Ordnung §§ 100c, 100d. § 100c.

Ueber die Einnahmen und Ausgaben der nach Maßgabe des § 97 a unter Nr. 5 begründeten Unterstützungskaffen muß getrennte Rechnung geführt werden. Das ausschließlich für diese Kaffen bestimmte Vermögen ist getrennt von dem übrigen Jnnungsvermögen zu verwalten. Verwen­ dungen für andere Zwecke dürfen aus demselben nicht gemacht werden. Die Gläubiger der Kaffe haben das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem getrennt verwalteten Vermögen. Auf solche Krankenkassen der Innungen, welche eine den Vor­ schriften des Gesetzes über die eingeschriebenen Hülfskaffen vom 7. April 1876 entsprechende Unterstützung gewähren sollen, finden folgende Be­ stimmungen Anwendung: 1. Den Meistern, welche für ihre Gesellen und Lehrlinge die Kaffenbeiträge vorschießen, steht das Recht zu, die letzteren bei der dem Fälligkeitstage zunächst vorausgehenden oder bei einer diesem Tage folgenden Lohnzahlung in Anrechnung zu bringen; 2. der Anspruch auf Unterstützung aus der Kaffe kann mit rechtlicher Wirkung weder übertragen noch verpfändet werden; er kann nicht Gegenstand der Beschlagnahme sein; 3. die Gesellen können, so lange fie den Kaffen angehören, zu den nach Maßgabe des § 141 a begründeten Verpflichtungen nicht her­ angezogen werden; 4. Gesellen, welche bereits einer eingeschriebenen Hülfskasse angehören, können, so lange sie an derselben be­ theiligt sind, zum Eintritt in die entsprechende Unter­ stützungskasse der Innung nicht gezwungen werden. § 1006. Für die auf Grund des § 97a zu errichtenden Schiedsgerichte find folgende Bestimmungen maßgebend: 1. Die Schiedsgerichte müssen mindestens aus einem Vorsitzenden und zwei Beifitzern bestehen. Die Beifitzer müffen zur Hälfte aus den Jnnungsmitgliedern, zur Hälfte aus deren Gesellen ent­ nommen sein. Die ersteren find von der Jnnungsversammlung oder einer anderen Vertretung der Jnnungsmitglieder; die letzteren von den Gesellen der Innung oder einer Vertretung derselben zu wählen. Der Vorfitzende wird von der Ausfichtsbehörde bestimmt; er braucht der Innung nicht anzugehören. 2. Die Annahme der Wahl zum Beifitzer kann nur aus Gründen abgelehnt werden, aus welchen die Uebernahme einer Vormund­ schaft abgelehnt werden kann. Wer die Annnahme ablehnt, ohne

269

Gewerbe-Ordnung § 100e.

zu der Ablehnung berechtigt zu sein, kann von der Aufsichtsbehörde 3.

durch Ordnungsstrafen zur Annahme angehalten werden. Gegen die Entscheidung der Schiedsgerichte steht nach Maßgabe des § 120a, Absah 2 die Berufung auf den Rechtsweg offen. Die auf Grund der Bestimmungen in §§ 97 Nr. 4 und 97a Nr. 6

ergehenden Entscheidungen in Streitigkeiten

der Jnnungsmitglieder

mit ihren Gesellen und Lehrlingen find vorläufig vollstreckbar.

Die

Vollstreckung erfolgt durch die Polizeibehörden nach Maßgabe der Vor­ schriften über die gerichtliche Zwangsvollstreckung.

Lehrlinge find auf

Antrag der zur Entscheidung berufenen Znnungsbehörde von der Polizei­ behörde anzuhalten, vor der ersteren persönlich zu erscheinen. § 100e.

Für den Bezirk

einer Innung,

deren Thätigkeit auf dem

Gebiete des Lehrlingswesens sich bewährt hat, kann durch die höhere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Auffichtsbehörde bestimmt werden: 1. daß Streitigkeiten

aus

den Lehrverhältnissen

der

im

§ 120a bezeichneten Art aus Anrufen eines der streitenden Theile von der zuständigen Jnnungsbehörde auch dann zu entscheiden find,

wenn

vertretenes

der Arbeitgeber,

obwohl er ein in der Innung

Gewerbe betreibt und

Innung fähig sein würde,

selbst zur Aufnahme in

die

gleichwohl der Innung nicht an­

gehört;

3» 8 wo e. I.

Die Maßregel, wonach diejenigen Borschristen, welche von der Innung für

ihre Mitglieder über die Regelung der Verhältnisse der Lehrlinge, über deren AuSbildung und Prüfung getroffen

sind,

auch

für

die der Innung

nicht ange­

hörenden Gewerbetreibenden für verbindlich erklärt werden, erscheint namentlich dann berechtigt,

wenn di« Innung zur Sicherung einer dem öffentlichen Jntereffe

entsprechenden Erziehung und Ausbildung

der Lehrlinge ihren Mitgliedern Opfer

auferlegt und an dir bei Letzteren eintretenden Lehrlinge Anforderungen stellt, welche die Jnnungsmitglieder gegenüber den an jene Vorschriften nicht gebundenen Meistern in Nachtheil versetzen und die Lehrlinge vom Eintritte bei Jnnungsmitgliedern ab­ schrecken könnten.

Die betreffenden Befugnisse können indeß den Innungen nur unter

gereiften Voraussetzungen und in einem gewiffen Umfange übertragen werden.

Die

Voraussetzungen bestehen darin, daß die Innung das Lehrlingswesen nicht nur statutenmäßig in desriedigender Weise geregelt, sondern auch durch die Handhabung dieser Regelung unzweifelhafte Erfolge erzielt hat, und daß sie in ihrem Bezirke wirklich den Kern des Handwerkerstandes in sich vereinigt. Die Grenzen, innerhalb welcher die betreffenden Befugnisse auszuüben sind, müssen so gezogen werden, daß die letzteren nur solchen Gewerbetreibenden gegenüber zur Geltung kommen, welche nach der Art ihres Gewerbebetriebes in die Innung ein­ zutreten berechtigt sind,

also weder durch den Umfang noch durch den Gegenstand

ihres Betriebes von der Innung ausgeschlossen werden.

270

Gewerbe-Ordnung § 100 e.

2. daß und inwieweit die von der Innung erlassenen Vorschriften über die Regelung des Lehrlingsverhältnisses, sowie über die Ausbildung nnd Prüfung der Lehrlinge auch dann bin­ dend find, wenn deren Lehrherr zu den unter Nr. 1 bezeichneten Arbeitgebern gehört. Haben fich hiernach Lehrlinge solcher Gewerbetreibenden, welche der Innung nicht angehören, einer Prüfung zu unterziehen, so ist dieselbe von einer Kommission vorzunehmen, deren Mitglieder zur Halste von der Innung, zur Halste von der Auffichtsbehörde berufen werden. 3. daß Arbeitgeber der unter Nr. 1 bezeichneten Art von einem be­ stimmten Zeitpunkte an Lehrlinge nicht mehr annehmen dürfen. Die Bestimmungen find widerruflich. Durch das Reichsgesetz v. 6. Juli 1887 (R.G.BI. S. 281) sind folgende Bestimmungen (§§ 100k bis 100m) eingeschaltet. 2. Durch Reichsgesetz vom 8. Dezember 1884 eingeschaltet. Vgl. Einleitung S. 19. 8. (21) Die Antrage einer Innung auf Erlaß der im § 100e des Gesetzes vom 18. Juli 1881 vorgesehenen Bestimmungen ist, wenn ihre Thätigkeit auf dem Gebiete des Lehrlingswesens sich bewährt hat, in der Regel stattzugeben, falls der Innung die überwiegende Mehrzahl der angeseheneren Arbeitgeber aus den in ihr vertretenen Gewerben angehört. Außer der Aufsichtsbehörde ist in denjenigen Fällen, in welchen diese nicht zu­ gleich die Gemeindebehörde des Sitzes der Innung ist, auch die letztere Behörde über den Antrag zu hören. (22) Der Bescheid in durch Vermittelung der Aufsichtsbehörde zuzustellen, welche im Fall der Genehmigung des Antrags die Gemeindebehörde deö Sitzes der Innung, sofern diese nicht selbst die Aufsicht führt, zu benachrichtigen hat. Gegen die Ablehnung des Antrags ist die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe zulässig. (23) Die aus Grund des § 100e a. a. O. getroffenen Bestimmungen erstrecken sich örtlich auf den ganzen Bezirk der Innung, innerhalb deffelben aber nur auf diejenigen Arbeitgeber, „welche nach der Art ihres Gewerbebetriebes in die Innung ein­ zutreten berechtigt sind, also weder durch den Umfang noch durch die Gegenstände ihres Betriebes von der Innung ausgeschlossen werden" (Motive zu § 100 e). (24) Werden die von einer Innung erlassenen Prüfungsvorschristen auf Lehr­ linge solcher Gewerbebetreibenden ausgedehnt, welche derselben nicht angehören, so erstreckt sich diese Ausdehnung nur auf die Bedingungen der Zulassung zur Prüfung, sowie auf die Art und die Gegenstände der letzteren, nicht aber auf die zur Abnahme der Prüfungen durch das Statut berufene Jnnungsbehörde. Die Prüfungskommission ist vielmehr für die erwähnten Lehrlinge besonders zu bilden. Die höhere Verwal­ tungsbehörde bestimmt: a) aus wie viel Mitgliedern die Kommission bestehen und wer den Vorsitz führen soll;

Gewerbe-Ordnung §§ 100f, 100g.

Für bett

§ 100 f. Bezirk einer Innung kann

271

auf Antrag

durch die höhere Verwaltungsbehörde bestimmt werden,

derselben

daß Arbeit­

geber, welche, obwohl sie ein in der Innung vertretenes Gewerbe be­ treiben,

derselben

nicht angehören,

und deren Gesellen zu

den

Kosten: 1.

der von der Innung für das Herbergswesen und den Nachweis für Gesellenarbeit getroffenen, beziehungsweise unternommenen Einrichtungen (§ 97 Ziffer 2),

2.

derjenigen Einrichtungen, welche von der Innung zur Förderung der gewerblichen und technischen Ausbildung der Meister, Ge­ sellen und Lehrlinge getroffen sind, beziehungsweise unternom­ men werden (§ 97 Ziffer 3, 97a Ziffer 1 und 2),

3.

deS von der Innung errichteten, beziehungsweise zu errichtenden Schiedsgerichts (§ 97 a Ziffer 6)

in derselben Weise und nach demselben Maßstabe beizutragen verpflichtet find, wie die Jnnungsmitglieder und deren Gesellen. Die Bestimmungen sind widerruflich. § 100 g.

Die Bestimmung der höheren Verwaltungsbehörde (§ 100k) darf nur erlassen werden, wenn die Einrichtung, für welche dieselbe bean­ tragt ist, zur Erfüllung ihres Zwecks geeignet erscheint. Vor Erlaß der Bestimmung find Vertreter der betheiligten außer­ halb der Innung stehenden Arbeitgeber, die Aufsichtsbehörde der Innung b) ob und in welcher Höhe der Vorsitzende und die von der Aufsichtsbehörde ernannten Mitglieder eine Vergütung zu erhalten haben, und dieselbe auf* zubringen hat.

Nr. 21, 22, 23, 24 Anw. v. 9. Mürz 1882.

4. Das Lehrlingsverhaltniß setzt zu seinem Wesen nicht den Abschluß eines schriftlichen Vertrages voraus, es bedarf dazu nicht einmal eines aus* drücklichen Vertrages. Ob ein Arbeitsverhältniß eine Lehre in sich schließt, ist im einzelnen Falle Sache der thatsächlichen Prüfung.

Die väterliche Gewalt des Lehr­

herrn über den Lehrling schließt ihrem Wesen nach die Möglichkeit eines Lehrverhält­ nisses nicht aus.

Erk. d. K.G. v. 26. März 1888.

Reger X. S. 8.

4a.

Ein aus der Innung ausgeschiedener Arbeitgeber, welcher einen Lehrling bei sich beschäftigt, den er vor seinem Austritt aus der Innung angenommen hatte, ist nach § 100e Nr. 3 Gew.O. strafbar, denn unter das dort ausgesprochene Verbot des Annehmens von Lehrlingen fällt auch das Halten derselben. Erk. d. K.G. v. 26. Oktober 1896. 5.

Pr. V.Bl. 1897.

S. 386.

Die Vorschrift in Nr. 3 des h 100e ist durch das Reichsgeseh v. 8. Dezem­

ber 1884 (RGes.Bl. S. 255) eingeschaltet.

3« §§ 100 fj g) he 1.

Einer Bestimmung über die Zulässigkeit der Beschwerde bedurfte es nicht,

weil dieselbe selbstverständlich und die in Bezug genommene Bestimmung in § 104g

272

Gewerbe-Ordnung §§ 100h, 1001.

und, wenn diese einem Jnnungsverbande angehört, auch dessen Vorstand zu hören. § 100h.

Die Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde, durch welche die im § 100k bezeichnete Bestimmung getroffen wird, hat die Einrichtungen, für welche sie erlaffen wird, sowie den Zeitpunkt des Eintritts ihrer Wirksamkeit zu bezeichnen. Die höhere Verwaltungsbehörde hat die Verfügung durch das zu ihren amtlichen Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen. Die Rechtsgültigkeit der getroffenen Bestimmung kann im Rechts­ wege nicht angefochten werden. § 100i.

Ist die Bestimmung für Einrichtungen der im § 100k Ziffer 1 und 2 bezeichneten Art getroffen, so steht den durch dieselbe zu Beiträgen verpflichteten Arbeitgebern, sowie deren Gesellen und Lehrlingen von dem Tage ab. mit welchem die Beitragspflicht beginnt, das gleiche Recht zur Benutzung dieser Einrichtungen zu, wie den Mitgliedern der Innung und deren Gesellen und Lehrlingen. Ist die Bestimmung für das von der Innung errichtete Schieds­ gericht getroffen, so tritt das letztere für die im § 120a bezeichneten Streitigkeiten an die Stelle der sonst zuständigen Behörde, wenn daffelbe von einem der streitenden Theile angerufen wird. nur deshalb gegeben ist, weil sie hier eine Ausnahme gegenüber der Bestimmung in § 103 bildet. Als Znnungs einrichtungen können nur diejenigen angesehen werden, deren Träger und Rechtssubjekte die Innungen sind; nicht aber diejenigen, zu denen bie Innungen an die eigentlichen Träger — fremde Korporationen — nur Beiträge leisten. Dagegen sind aber die gemeinschaftlichen Einrichtungen einer Innung und einer anderen Korporation auch als Einrichtungen der Innung zu betrachten, so daß z. B. eine von einer Gemeinde und einer Innung gemeinsam gehaltene Fachschule, ebenso wie eine von einer Innung allein mit Hülfe eines Staats- oder Gemeindebeitrages gehaltene Fachschule als eine Einrichtung im Sinne des § 100f Nr. 2 zu gelten hat. Eine Jnnungsschule kann sehr wohl neben einer Gemeinde-Fortbildungsschule gedacht werden, zumal die erstere sich nicht selten auf der letzteren aufbaut. Im Uebrigen aber steht es der höheren Verwaltungsbehörde frei, den Antrag einer Innung abzulehnen, wenn zu einer Gewährung kein genügender Grund vorliegt, wenn z. B. in einer Gemeinde mit einem auch für das betreffende Gewerbe bestgeordneten Schul­ wesen aus nicht sachlichen Gründen eine Jnnungsfachschule eingerichtet werden sollte. Kommissionsbericht S. 6. 2. Durch die Bestimmungen des § 100h über die Veröffentlichung der von den höheren Verwaltungsbehörden erlassenen Verfügung soll Vorsorge getroffen werden, daß die betheiligten Gewerbetreibenden rechtzeitig von ihrer Verpflichtung, von den Eintichtungen, für welche sie begründet wird, und von dem Zeitpunkt, mit welchem sie beginnt, in Kenntniß gesetzt werden.

§ 100k. Die Beiträge, welche aus Grund der nach Maßgabe des § 100k erlassenen Bestimmung zu entrichten sind, müssen von dem Jnnungsvorstande für jedes Rechnungsjahr festgestellt und spätestens einen Monat vor der ersten Hebung den Verpflichteten schriftlich unter Mittheilung des zu bestreitenden Kostenbetrages und des Maßstabes der Vertheilung zur Kenntniß gebracht werden. Ueber die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge findet, unbe­ schadet der vorläufigen Einziehung, der Rechtsweg statt. Rückständige Beiträge werden auf dem im § 100 b Absatz 3 be­ zeichneten Wege eingezogen. § 1001. Ueber die Einnahmen und Ausgaben der Innung für solche Einrichtungen, für welche die im § 1005 bezeichnete Bestimmung ge­ troffen ist, muß nach näherer Anweisung der höheren Verwaltungsbehörde getrennte Rechnung geführt werden. Das ausschließlich für diese Einrichtungen bestimmte Vermögen ist getrennt von dem übrigen Jnnungsvermögen zu verwalten. Verwen­ dungen für andere Zwecke dürfen aus demselben nicht gemacht werden. Die über diese Einrichtungen gelegte Jahresrechnung ist vor ihrer Abnahme der Aufsichtsbehörde vorzulegen.

Erinnerungen derselben sind

von der Innung vorbehaltlich der Beschwerde gemäß § 104 Absatz 7 zu erledigen. § 100m. 1.

Von der Beitragspflicht (§ 100k) sind befreit: Arbeitgeber, deren Betriebe zu den Fabriken zu zählen sind, und deren Arbeiter; Von der Festsetzung einer gesetzlichen Frist zwischen der Veröffentlichung der Ver­

fügung und dem Eintritt ihrer Wirksamkeit ist mit Rücksicht ans die Verschiedenartig­ keit der Einrichtungen, mit die es sich hier handelt, abgesehen worden, zumal anzu­ nehmen ist, daß die Behörden diese Frist derart bemessen werden, daß den Bethei­ ligten die Möglichkeit bleibt, auf dem Wege der Beschwerde noch vor Ablauf derselben eine Aenderung herbeizuführen. Motive S. 9. Zu § 1001. Durch diese Bestimmung soll insbesondere eine wirksame Kontrole über die Ver­ wendung der den Innungen in Folge der Bestimmungen des Gesetzes zufließenden Beiträge ermöglicht werden.

Durch die betreffenden Vorschriften wird den außerhalb

der Innung stehenden Gewerbsgenossen eine allen billigen Anforderungen entsprechende Gewähr für eine pflichtmäßige Verwaltung der Jnnungseinrichtungen, an welchen sie mit Beiträgen betheiligt sind, geboten sein. Motive S. 10. M.ii ci ii owski, Deutsche Gewerbe Ordnung

6. Auflage.

Gewerbe-Ordnung § 101.

274

2. Arbeitgeber, welche Mitglieder einer anderen Innung find, oder auf Grund des § 1005 zu den Kosten von gleichartigen Einrich­ tungen einer anderen Innung beizutragen verpflichtet sind, und deren Gesellen; 3. Gewerbetreibende, welche in ihrem Betriebe regelmäßig weder Ge­ sellen noch Lehrlinge beschäftigen. Für Arbeitgeber oder Gesellen, welchen durch die Lage ihrer Arbeits­ stätte oder durch sonstige Umstände die Benutzung aller oder einzelner im § 1005 aufgeführten Einrichtungen unverhältnißmäßig erschwert wird, ist die Befreiung von der Beilragsleistung zu den Kosten dieser Ein­ richtung von Amtswegen oder auf Antrag

durch die Aufsichtsbehörde

auszusprechen. Beschwerden über die Gewährung oder Versagung der Befreiung entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges endgültig. § 101.

Der Jnnungsvorstand besteht aus einer oder mehreren Personen, welche von den Jnnungsmitgliedern zu wählen sind (§ 98a Nr. 6). Die Zu § 100 m. Die Entscheidung der Frage, welcher Betrieb als ein fabrikmäßiger anzusehen ist, muß anch hier der Praxis überlassen bleiben, welche sich voraussichtlich im vor­ liegenden Falle ohne bestimmte Definition ebensowohl zu helfen wissen wird, wie sie es bisher vermocht hat. Der Versuch, etwa die Anwendung des § 100 f von einem rein äußerlichen Umstande, wie von der Zahl der von einem Nichtinnungsmeister be­ schäftigten Gehülfen, abhängig zu machen, scheitert an der Erfahrung, daß in vielen Fällen auch eine große Zahl von Hülfskräften nicht genügt, um einem Betriebe den Charakter des Handwerksmäßigen zu nehmen, während andererseits gewisse Betriebe, in welchen verhältnismäßig wenige Gesellen oder Gehülfen thätig sind, ihrer Betriebs­ weise und ihrem Umfange nach gleichwohl dem Großbetriebe zugerechnet werden müssen. Das Gesetz begnügt sich daher, eine allgemeine Vorschrift dahin zu treffen, daß diejenigen Gewerbetreibenden nebst ihren Arbeitern von der Beitragspflicht des § 100f zu befreien sind, deren Betriebe zu bea Fabriken zu zählen sind. Zu Ziffer 2. Soweit Personen, welche ein in der betreffenden Innung ver­ tretenes Gewerbe selbständig betreiben, bereits einer anderen Innung angehören, unter­ liegen sie der Beitragspflicht zu den von der letzteren getroffenen Einrichtungen.

Sie

können daher billigerweise zu den Kosten der Einrichtungen einer anderen Innung nicht herangezogen werden. Die Aufnahme einer dahingehenden ausdrücklichen Vor­ schrift ist deshalb nothwendig, weil sich die Bildung von Innungen nicht auf Fach­ innungen beschränkt und für dasselbe Gewerbe innerhalb desselben Bezirks die Er­ richtung mehrerer Innungen nach Lage der Gesetzgebung nicht ausgeschlossen ist. Aus gleichen Billigkeitsrücksichten wird nicht zuzulassen sein, daß Nichtinnungsmitglieder, welche auf Grund des § 100 f bereits zu den Kosten gewisser Einrichtungen einer In­ nung beitragspflichtig sind, zu den Kosten gleicher Einrichtungen, welche von einer anderen Innung geschaffen werden, bezüglich welcher sie der Art und dem Umfange ihres Gewerbebetriebes nach ebenfalls aufnahmefähig erscheinen, herangezogen werden. (Motive.)

Wahl findet unter Leitung des Vorstandes statt. Nur die erste Wahl nach Errichtung der Innung, sowie spätere Wahlen, bei welchen ein Vorstand nicht vorhanden ist, werden von einem Vertreter der Aufsichts­ behörde geleitet. Ueber den Wahlakt ist ein Protokoll aufzunehmen. Der Vorstand hat über jede Aenderung in seiner Zusammensetzung und über das Ergebniß jeder Wahl der Aufsichtsbehörde binnen einer Woche An­ zeige zu erstatten, bei Wahlen unter Beifügung des Wahlprotokolls. Ist die Anzeige nicht erfolgt, so kann die Aenderung dritten Personen nur dann entgegengesetzt werden, wenn bewiesen wird, daß sie letzteren be­ kannt war. Die Innung wird bei gerichtlichen wie bei außergerichtlichen Ver­ handlungen durch ihren Vorstand vertreten. Die Befugniß zur Ver­ tretung erstreckt sich auch auf diejenigen Geschäfte und Rechtshandlungen, für welche nach den Gesetzen eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Durch das Statut kann einem Mitgliede oder mehreren Mitgliedern des Vor­ standes die Vertretung der Innung nach außen übertragen werden. Zur Legitimation des Jnnungsvorstandes bei allen Rechts­ geschäften genügt die Bescheinigung der Aufsichtsbehörde, daß die darin bezeichneten Personen zur Zeit den Vorstand bilden. § 102.

Für alle oder mehrere derselben Aufsichtsbehörde unterstehende In­ nungen kann ein gemeinsamer Jnnungsausschuß gebildet werden. Diesem liegt die Vertretung der gemeinsamen Interessen der betheiligten Innungen, ob. Außerdem können ihm Rechte und Pflichten der bethei3« § ioi. Die Bildung des Jnnungsvorstandes und die Vertretung der Innung durch denselben ist in derselben Weise geregelt, wie es bisher durch den § 88 der GewerbeOrdnung geschehen war. Eine Abweichung findet nur insofern statt, als durch eine genaliere Regelllng des Wahlverfahrens für die Bescheinigung der Aufsichtsbehörde, durch welche der Vorstand legitimirt wird, eine sicherere Grundlage als bisher ge« schaffen ist. Zu 8 102. 1. (33) Wird die Errichtung eines Jnnungsausschusses beschlossen, so ist das für denselben entworfene Statut iu zwei Exemplaren unter Anschluß von Ausferti­ gungen der bezüglichen Jnnungsbeschlüsse der Aufsichtsbehörde eillzureichen. letztere übersendet das gesammte Material mit ihrer glltachtlichen Aeußerung der höheren Verlvaltungsbehörde, lvelche nach Nr. 3*2 verfahrt. Das Statut muß Bestimmung treffen: 1. über die Zusammensetzung des Ausschusses und über die Art der Beschluß­ fassung; 2. über die Rechte und Pflichten des Ausschusses; 3. über die Voraussetzungen des Beitritts anderer Jnilungen und des Austritts aus dem Ausschuß.

276

Gewerbe-Ordnung § 103.

ligten Innungen, soweit dieselben nicht vermögensrechtlicher Natur find, übertragen werden. Die Errichtung des Jnnungsausschuffes erfolgt durch ein Statut, welches von den Jnnungsversammlungen der betheiligten Innungen zu beschließen ist. Das Statut bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. In dem die Genehmigung versagenden Bescheide find die Gründe anzugeben. Gegen die Versagung kann binnen vier Wochen Beschwerde an die Centralbehörde eingelegt werden. Ab­ änderungen des Statuts unterliegen den gleichen Vorschriften. § 103. Die Schließung einer Innung kann erfolgen: 1. wenn sich ergiebt, daß nach § 98b die Genehmigung hätte ver­ sagt werden muffen und die erforderliche Aenderung des Statuts innerhalb einer zu sehenden Frist nicht bewirkt wird. Die Ertheilung der Genehnngung unterliegt dem Ermessen der Behörde (Mo­ tive zu § 102 und § 104 a bis 104 g). (34) Der Ausschuß hört auf: 1. wenn er seine Auflösung beschließt; 2. wenn er von der höheren Verwaltungsbehörde geschlossen wird; 3. wenn durch Ausscheiden die Zahl der betheiligten Innungen bis auf eine reduzirt ist. Das Verfahren bei der Schließung richtet sich nach Nr. 28. Nr. 33, 34 Anw. v. 9. Marz 1882. 2. In Abänderung der Anw. v. 9. März 1882 bestimmt das Reskript d. M. d. I. ii. H.M. vom 19. Januar 1889 (M.Bl. S. 129), daß unter der Bezeichnung „höhere Verwaltungsbehörde" für die Genehmigung von Statuten gemein­ samer Jnnungsausschüsse, sowie von Abänderungen solcher Statuten in denjenigen Landestheilen, in welchen das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 zur Einführung gelangt ist, die Regierungs-Präsidenten, in Berlin der Polizei-Präsident zu verstehen sind. Nach einem Reskript derselben Minister v. 8. Mai 1889 (M.Bl. S. 129) findet diese Bestimmung auch in denjenigen Fällen Anwendung, in welchen es sich um Genehmigung der für Jnnungsausschüsse zu errichtenden Nebenstatuten handelt. 3. Vgl. die Note zu § 104 a bis g. 4. Die Vereinigung zweier Innungen ist zulässig und nicht durch vor­ herige Auflösung der beiden Innungen oder einer von ihnen bedingt. Erk. d. O.V.G. v. 30. November 1893. Entsch. XXV. S. 306.

In 88 103 und 103 a, 1, Nach den bisherigen Vorschriften konnte eine Innung nur durch den freien Beschluß ihrer Mitglieder aufgelöst werden. Selbst der Konkurs über das Ver­ mögen der Innung hatte nicht die Folge, daß die Innung erlosch, und eine Schließung durch die Behörde im öffentlichen Interesse war nicht vorgesehen. Ebenso erhielt der § 94 der Gewerbe-Ordnung zwar materielle Bestimmungen über die Verwendung deS JnnnttgSvermögenS im Falle der Auflösung, unterließ eS aber, Vor-

Gewerbe-Ordnung § 103.

2.

277

wenn die Innung wiederholter Aufforderung der Aufsichtsbehörde ungeachtet die Erfüllung der ihr durch § 97 gesetzten Aufgaben vernachlässigt;

3.

wenn die Innung sich gesetzwidriger Handlungen oder Unter­ lassungen schuldig macht, durch welche das Gemeinwohl ge­ fährdet wird, oder wenn sie andere als die gesetzlich zulässigen Zwecke verfolgt.

Die Schließung eines Jnnungsausschusses kann erfolgen, wenn der Ausschuß seinen statutarischen Verpflichtungen nicht nachkommt oder wenn er Beschlüffe faßt, welche über seine statutarischen Rechte hinausgehen. Die Schließung wird durch die höhere Verwaltungsbehörde aus­ gesprochen. Gegen die die Schließung aussprechende Verfügung findet der Re­ kurs statt.

Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die

entsprechenden Bestimmungen des § 98b. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer Innung hat die Schließung kraft Gesetzes zur Folge. schriften darüber zu treffen, in welcher und durch wen jene Bestimmungen zur Ausführung gebracht merben sollten.

Das gegenwärtige Gesetz regelt diese Verhältnisse

in ähnlicher Weise, wie es durch das Gesetz vom 7. April 1876 für die Hülfskassen geschehen ist. Vgl. auch die Note zu § 98. 2.

(27) Beschließt die Innung ihre Auflösung, so hat die Aufsichtsbehörde zu

prüfen, ob

dabei die Voraussetzungen und die Form beobachtet sind, welche das

Statut für diesen Fall vorgesehen hat. (28) In den Fällen des § 103 Abs. 1 wird das Verfahren von Amtswegeu eingeleitet. Für dasselbe sind die in Nr. GO fgde. der zur Ansführung der GewerbeOrdnung erlassenen Anweisung vom 4. September 1869 enthaltenen Vorschriften mit folgenden Abbänderungen maßgebend. An Stelle der Gewerbetreibenden tritt der Jnnungsvorstand, an Stelle der Re­ gierung die nach Nr. 1 der gegenwärtigen Anweisung zuständige höhere Verwaltungs­ behörde.

Der Rekurs ist bei dieser einzulegen und geht an die derselben im Jnstanzen-

zuge vorgesetzte Behörde (oben Nr. 6). Im Vorverfahren ist die Aufsichtsbehörde und, falls diese nicht zugleich die Gemeindebehörde des Sitzes der Innung ist. auch die letztere Behörde zu hören. Die Zuziehung derselben zum Hauptverfahren bleibt dem Ermessen der höheren Ver­ waltungsbehörde überlassen. Wird int Vorverfahren die Einstellung des Verfahrens beschlossen, so ist hiervon die Aufsichtsbehörde zu benachrichtigen, welche den Jnnungsvorstand, und die Ge­ meindebehörde des Sitzes der Innung, sofern diese nicht selbst die Aufsicht führt, von dem Beschluß in Kenntniß zu setzen hat. Die Bestimmungen in Nr. 8 bis 10 dieser Anweisung finden auch hier entsprechende Anwendung.

Gewerbe-Ordnung §§ 103a, 104.

278

§ 103 a. Bei der Auflösung einer Innung wird die Abwickelung der Geschäfte, sofern die Jnnungsversammlung nicht anderweitig beschließt, durch den Vorstand unter Aufsicht der Aufsichtsbehörde vollzogen.

Genügt

der Vorstand seiner Verpflichtung nicht, oder tritt die Schließung der Innung ein, so erfolgt die Abwickelung der Geschäfte durch die Aufsichts­ behörde oder Beauftragte derselben. Von dem Zeitpunkte der Auflösung oder Schließung einer Innung ab bleiben die Jnnungsmitglieder noch für diejenigen Zahlungen ver­ haftet, zu welchen sie statutarisch für den Fall eigenen Ausscheidens aus den Jnnungsverhältniffen verpflichtet sind. Auf die Verwendung des Jnnungsvermögens finden die Vor­ schriften des § 94 mit der Maßgabe Anwendung, daß bei einer Vertheilung von Reinvermögen keinem Anspruchsberechtigten mehr als der Gesammtbetrag der von ihm geleisteten Beitrage ausgezahlt werden darf. § 104. Die Innungen unterliegen der Aussicht der Gemeindebehörde. Für Innungen, welche ihren Sitz nicht innerhalb eines Stadtbezirks haben,

oder welche mehrere Gemeindebezirke umfassen,

wird von der

höheren Verwaltungsbehörde, für Innungen, welche sich in die Bezirke (29) Im Falle der Auflösung oder der Schließung kann die höhere Verwaltungs­ behörde, welche das Statut genehmigt hat, den durch letzteres oder durch Neben­ statuten begründeten Unterrichtsanstalten, Unterstützungskassen oder anderen Instituten zu öffentlichen Zwecken Korporationsrechte Ordnung).

ertheilen (§ 94 Abs. 5 der Gewerbe-

Nr. 27, 28, 29 Anw. v. 9. März 1882. Vergl. auch Erk. v. 29. September 1890.

Note zu § 94 G O.

Zu § 104. 1. (12) Entstehen über die Richtigkeit der nach § 101 Abs. 1 zu erstattenden Anzeigen Zweifel, so hat die Aufsichtsbehörde nach pflichtmäßigem Ermessen den Sachverhalt festzustellen. Ueber die Personen, welche nach dem Ergebniß der in der ersten Jnnnngsversammlung vorgenommenen Wahl den Vorstand bilden und Jnnungsämter bekleiden, hat die Aufsichtsbehörde Verzeichniffe zu führen und fortlaufend nach Maßgabe der angemeldeten Aenderungen richtig zu erhalten. Zn diese Verzeichnisse ist Jedermann Einsicht zu gewähre«. Auf Grund desselben sind die im § 101 Abs. 3 a. a. O. er­ wähnten Bescheinigungen auszustellen. (13) Die Aufsichtsbehörde hat den Jnnungsvorstand ein für alle Mal aufzufordern, Zeit und Ort jeder von der Innung zu veranstaltenden Prüfung ihr anzuzeigen. Von dem im § 104 Abs. 5 ihr beigelegten Recht, zu den Prüfungen einen Vertreter zu entsenden, hat die Aufsichtsbehörde thunlichst oft Gebrauch zu machen. Der Vertreter hat darauf zu halten, daß die auf die Prüfungen bezüglichen Vor­ schriften der Gesetze und des Statuts beachtet werden.

Gewerbe-Ordnung § 104.

279

mehrerer höherer Verwaltungsbehörden erstrecken, von der Centralbehörde die Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Aufsichtsbehörde überwacht die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften und kann dieselben durch Androhung, Fest­ setzung und Vollstreckung von Ordnungsstrafen gegen die Inhaber der Znnungsämter, gegen die Jnnungsmitglieder und gegen deren Gesellen, soweit diese an den Geschäften der Innung theilnehmen, erzwingen. Sie entscheidet Streitigkeiten über die Aufnahme und Ausschließung der Mitglieder, über die Wahlen zu den Jnnungsämtern, sowie nnbe-

(14) Vernachlässigt die Innung die Erfüllung

der ihr durch § 97 a. a. O.

gesetzten Aufgaben oder einzelner derselben, insbesondere die Fürsorge für das Lehrlings-, Gesellen- und Herbergswesen, oder ergiebt sich, das; das Statut an Mangeln leidet, welche die Genehmigung desselben hatten ausschließen sollen, so hat die Aufsichts­ behörde die Innung aufzufordern, ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Erfüllung der erwähnte!; Aufgaben nachzukommen oder die erforderliche Aenderung des Statuts zu bewirken. Der Innung ist hierzu eine angemessene Frist zu setzen. Wird eine zweite gleiche Aufforderung nöthig, so ist dem Jnnungsvorstand zu Protokoll zu eröffnen, daß bei abermaliger Versäumung der Frist die Stellung des Antrags auf Schließung der Innung werde in Erwägung gezogen werden. Ist auch die zweite Aufforderung erfolglos geblieben, und erscheint eine weitere Nachsicht nicht angängig, so hat die Aufsichtsbehörde bei der höheren Verwaltungs­ behörde die Schließung der Innung zu beantragen (§ 103 Abs. 1 Nr. 1, 2). Die Schließung kann ohne Weiteres beantragt werden, wenn sich die Innung solcher Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, welche gesetzwidrig sind und gleichzeitig nach Ansicht der Aufsichtsbehörde das Gemeinwohl gefährden, oder wenn sie andere als die gesetzlich zulässigen Zwecke verfolgt (§ 103 Abs. 1 Nr. 3). (15) Wird die Auflösung der Innung beschlossen, so liegt die Abwickelung der Geschäfte zunächst dem Vorstand oder den durch Jnnungsbeschluß besonders beauf­ tragten Personen ob. Die Aufsichtsbehörde übt dabei dieselben Befugnisse aus, welche ihr in Bezug auf die laufende Verwaltung von Angelegenheiten der Innungen zustehen. Wenn jedoch der Vorstand oder die Beauftragten der Innung ihrer Verpflichtung nicht genügen, insbesondere die Gesetze, das Statut oder die Jnnungsbeschlüsse nicht beachten, und wiederholte Aufforderungen zur ordnungsmäßigen Abwickelung der Geschäfte unbefolgt lassen, so ist die lchtere von der Aufsichtsbehörde oder von Beauftragten derselben zu Ende zu führen. Im Fall der Schließung der Znnung erfolgt die Abwickelung der Geschäfte lediglich durch die Aufsichtsbehörde oder durch deren Beauftragte (§ 103 a). (16) Streitigkeiten der im § 120a der Gewerbe - Ordnung bezeichneten

Art

zwischen den Jnnungsinitgliedern und ihren Lehrlingen werden fortan durch die neuen Innungen überall da entschieden, wo nicht besondere Behörden für diese An­ gelegenheiten bestehen (§ 97 Nr. 4). Macht eine Innung von der Befugniß Gebrauch, ein Schiedsgericht zur Ent­ scheidung von Streitigkeiten der im § 120a der Gewerbe-Ordnung bezeichneten Art zwischen den Jnnungsmitgliedern und deren Gesellen zu errichten, so tritt dieses Schiedsgericht an

die Stelle der bisher für die Entscheidung solcher Streitigkeiten

zuständigen Behörden (§ 97a Nr. 6).

280

Gewerde-Ordnung § 104.

schadet der Rechte Dritter über die Rechte und Pflichten der Inhaber dieser Aemter. Sie hat das Recht einen Vertreter zu den Prüfungen zu entsenden. Sie beruft und leitet die Jnnungsversammlung, wenn der InnungsVorstand dieselbe zu berufen sich weigert. Ueber Abänderungen des Jnnungsstatuts oder der Nebenstatuten (§ 98c) und über die Auflösung der Innung kann von der InnungsVersammlung nur im Beisein eines Vertreters der Aufsichtsbehörde be­ schlossen werden. (17) Wenn von einer Innung auf Grund des § 97 a Nr. 5 a. a. O. eine Unterstützungskasse eingerichtet wird und in dem Bezirk der Innung eine eingeschriebene Hülfskasse besteht, für welche eine Beitrittspflicht gewerblicher Arbeiter begründet ist, so hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, daß der Vorstand der eingeschriebenen Hülfskasse Nachricht erhält, sobald ein beitrittspflichtiger gewerblicher Arbeiter aus der Jnnungskasse ausscheidet, und daß dem Jnnungsvorstande eine Benachrichtigung zu Theil wird, falls ein Angehöriger der Innung die Betheiligung an der ein­ geschriebenen Hülfskasse aufgiebt. (18) Die Aufsichtsbehörde hat dem Antrage des Jnnungsvorstandes auf zwangs­ weise Einziehung der statutenmäßigen Beiträge mtb Ordnungsstrafen Folge zu geben, sofern nicht Zweifel darüber entstehen, ob bei Umlegung der Beiträge oder bei Ver­ hängung der Strafen die maßgebenden Bestimmungen des Statuts und der Jnnungsbeschlüsse beachtet worden sind (§ 100 b Abs. 3 a. a. O.). (19) Anordnungen und Entscheidungen.der Aufsichtsbehörde, welche nicht die Zahlung von Jnnungsbeiträgen betreffen, sind der Regel nach nicht eher zu voll­ strecken, als bis dieselben rechtskräftig geworden sind. Bei Haftstrafen ist eine frü­ here Vollstreckung unzulässig. (20) Die Vollstreckung aller Anordnungen und Entscheidungen der Jnnungsund der Aufsichtsbehörden erfolgt durch die letzteren int Verwaltungszwangsverfahren; nur die Entscheidungen der Schiedsämter in Streitigkeiten der Jnnungsmitglieder mit ihren Lehrlingen und mit ihren Gesellen werden nach Maßgabe der Vorschriften über die gerichtliche Zwangsvollstreckung durch die Polizeibehörden vollstreckt. Die letzteren haben den hierauf, sowie den auf Zwangsgestellung von Lehrlingen gerich­ teten Anträgen der Schiedsämter Folge zu geben (§ 100d Abs. 2). (25) Beschließt eine Innung Abänderungen des Statuts, so ist eine Zusammenstellung der abändernden Beschlüsse oder ein* vollständig revidirtes Statut in zwei Exemplaren unter Beifügung der über die Beschlußfaffttng aufgenommenen Verhand­ lung der Auffichtsbehörde, und von letzterer mit einer gutachtlichen Aeußerung der hö­ heren Verwaltungsbehörde vorzulegen, welche das abzuändernde Statut genehmigt hat. Im Uebrigen ist nach Nr. 5—10 dieser Anweisung zu verfahren. (26) Die Prüfung der höheren Verwaltungsbehörde hat sich auch daraus zu er­ strecken, ob die Abänderungsbeschlüsse nach Maßgabe des Gesetzes vom 18. Juli 1881 (§ 104 Abs. 6) und des Statuts gültig gefaßt sind. Nr. 12 bis 20, 25, 26 Anw. v. 9. März 1882. Vergl. auch die Note zu § 95. 2. Verwaltungsgerichte sind nicht befugt, über gänzliche oder theilweise Nngültigkeitserkläruttg genehmigter Jnnungsstatuten zu entscheiden. Erk. d. O.V.G. v. 5. Februar 1891.

Gewerbe-Ordnung § 104 a.

281

Gegen die Anordnungen und Entscheidungen der Aufsichtsbehörde ist die Beschwerde an die Nächstvorgesetzte Behörde zulässig. Dieselbe ist binnen einer präklusiven Frist von vier Wochen bei der Aufsichtsbe­ hörde einzubringen. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die Beaufsichtigung der Jnnungsausschüsse entsprechende Anwendung. § 104 a.

Innungen, welche nicht derselben Auffichtsbehörde unterstehen, können zur gemeinsamen Verfolgung ihrer Aufgaben, sowie zur Pflege der gemein3. Die Beschwerde gegen Anordnungen der Aufsichtsbehörde ist durch die Vorschrift des § 125 Abs. 2 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883 unberührt geblieben. Erk. d. O.V.G. v. 3. Juni 1889. Reger Erg. I. S. 36. 4s Die Vorschriften in § 104 Abs. 4 u. 7 haben durch die Landesgesehgebung eine Aenderung nicht erleiden können. Die Bestimmung im § 125 Abs. 2 des Zu­ ständigkeitsgesetzes. daß gegen die Entscheidungen der Auffichtsbehörde die Klage beim Bezirksausschuß stattfinde, steht mit § 104 Abs. 7 Gew.O. nicht im Widerspruch, da hier die Worte „Beschwerde" in weiterem Sinne gebraucht, und die Bestimmung der Form der Beschwerde ebenso wie der zur Entscheidung über dieselbe zuständigen Be­ hörde den einzelnen Bundesstaaten überlassen ist. Dagegen ist der § 63 Land. Verw. Ges. mit den reichsgesehlichen Vorschriften, daß die „Beschwerde", also die Klage, inner­ halb der präklusivischen Frist bei der Aufsichtsbehörde anzubringen sei, unvereinbar. Erk. d. O.V.G. v. 14. Dezember 1891. XXII. S. 338. 5. Die Frist in § 104 Abs. 4 Gew.O. ist eine präklusivische. Eine Befugniß zur Gewährung einer Nachfrist behufs Vervollständigung ist nicht gegeben. Die Klage ist gemäß § 104 Abs. 7 Satz 2 bei der Aufsichtsbehörde und nicht bei dem Bezirks­ ausschuß einzureichen. Erk. d. O.V.G. v. 12. November 1891. 6s Die Gemeindebehörde hat als Aufsichtsbehörde bei der Entscheidung von Innungs-Streitigkeiten im Wesentlichen eine richterliche Stellung und treffen deshalb hier dieselben Gesichtspunkte zu, welche in den Entsch. des O.V.G. v. 5. Januar 1882 (Note 2 zu § 95 Gew.O.) hervorgehoben sind. Bei der Aufnahme in eine Innung dürfen andere als rein gewerbliche Ver­ hältnisse, namentlich politische nnb religiöse Ansichten nicht berücksichtigt werden. Erk. d. O.V.G. v. 31. Oktober 1892. 7. Dergl. auch Erk. v. 3. Juni 1889. Note a zu h 95 Gew.O.

Zu §§ 104a-gs 1. Manche Aufgaben der Berufsgemeinschaften können nur durch umfassendere Vereinigungen, als die einzelnen Innungen sie bieten, mit Erfolg gelöst werden. Eine ausreichende Fürsorge für das Herbergswesen, die Veranstaltung von Ausstellungen für Lehrlingsarbeiten, die Errichtung lebensfähiger Unterstützungskassen sind beispiels­ weise an manchen Orten nur möglich, wenn sämmtliche oder mehrere Innungen eines Ortes sich zu gemeinsamer Thätigkeit vereinen. Andere Zwecke, wie die Errichtung von Fachschulen und die Regelung des Gehülfenwesens durch Aufstellung von Normen für das Verhalten der Meister können wiederum nur erreicht werden, wenn sich sämmt­ liche Meister desselben Gewerbes in einem größeren Bezirke vereinigen.

282

Gewerbe-Ordnung §§ 104 b, 104 c.

samen gewerblichen Interessen der bezeichneten Innungen zu InnungsVerbünden zusammentreten. Der Beitritt einer Innung kann nur mit Zustimmung der InnungsVersammlung erfolgen. § 104 b. Für den Jnnungsverband ist ein Statut zu errichten, welches Bestimmungen enthalten muß: a) über Namen, Zweck und Bezirk des Verbandes, b) über die Bedingungen der Aufnahme in den Verband und des Ausscheidens aus demselben, c) über Bildung, Sitz und Befugnisse des Vorstandes, d) über die Vertretung des Verbandes und ihre Befugnisse, e) über die Beiträge zu den Ausgaben des Jnnungsverbandes, f) über die Voraussetzungen und die Form einer Abänderung des Statuts, g) über die Voraussetzungen und die Form einer Auflösung des Verbandes. Das Statut darf keine Bestimmung enthalten, welche mit den ge­ setzlichen Zwecken des Verbandes nicht in Verbindung steht oder gesetz­ lichen Vorschriften zuwiderläuft. § 104 c. Das Verbandsstatut bedarf der Genehmigung und zwar: a) für Jnnungsverbände, deren Bezirk nicht über den Bezirk einer höheren Verwaltungsbehörde hinausgreift, durch die letztere; b) für Jnnungsverbände, deren Bezirk in die Bezirke mehrerer höherer Verwaltungsbehörden desielben Bundesstaates sich er­ streckt, durch die Centralbehörde; c) für Jnnungsverbände, deren Bezirk sich auf mehrere Bundes­ staaten erstreckt, durch den Reichskanzler. Das Gesetz sucht die übet den Kreis der einzelnen Innung hinausgehende Or­ ganisation in doppelter Weise zu fördern. Zunächst wird den Innungen verschiedener Gewerbe an demselben Orte bezw. innerhalb desselben Aufsichtsbezirks gestattet, ein gemeinschaftliches Organ, den Jnnungsausschuß, zu errichten, welchem neben der Vertretung der gemeinsamen Znteressen der daran betheiligten Innungen die Lösung gewisser, zunächst den einzelnen Innungen obliegenden Aufgaben durch Wahrnehmung der entsprechenden Rechte und Pflichten übertragen werden kann. Die Errichtung dieser Jnnungsausschüsse ist im § 102 analog derjenigen der einzelnen Innungen geregelt, während in § 103 Abs. 2 wegen Schließung der Jn­ nungsausschüsse und in § 104 (letzter Absatz) wegen ihrer Beaufsichtigung das Erfor­ derliche vorgesehen ist. Als weitere Maßregel zur Beförderung einer Über die einzelne Innung hinaus­ gehenden Organisation ist die ausdrückliche Anerkennung der Zulässigkeit des Zusammen-

283

Gewerbe-Ordnung §§ 104 *h. Die beizulegenden Rechte sind ebenso wie in § 99 Gew O, nicht als „Kor­ porationsrechte" bezeichnet. Es werden vielmehr hier wie dort diese Rechte ausdrücklich *) Die §§ 104h— 104o sind durch das Reichsgesetz vom 23. April 1886 (R.G.Bl. S. 125) in die Gewerbe-Ordnung eingeschaltet.

§ 104 i. Der Jnnungsverband wird bei gerichtlichen wie bei außergericht­ lichen Verhandlungen durch seinen Vorstand vertreten. Die Befugniß zur Vertretung erstreckt sich auf diejenigen Geschäfte und Rechtshand­ lungen, für welche nach den Gesetzen eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Durch das Statut kann einem Mitgliede oder mehreren Mitglie­ dern des Vorstandes die Vertretung des Jnnungsverbandes nach außen übertragen werden. Zur Legitimation der Vertreter des Jnnungsverbandes genügt bei allen Rechtsgeschäften die Bescheinigung der höheren Verwaltungs­ behörde, in deren Bezirk der Vorstand seinen Sitz hat, daß die bezeich­ neten Personen zur Vertretung des Verbandes befugt sind. § 104k. Der Jnnungsverband ist befugt, Einrichtungen zur Erfüllung der in § 97 Nr. 2 bezeichneten Aufgaben, sowie Einrichtungen der im § 97 a Nr. 1, 2, 4, 5 vorgesehenen Art gemeinsam für die ihm ange­ hörenden Innungen zu treffen. Beschließt er die Herstellung von Ein­ richtungen der im § 97 a Nr. 4, 5 bezeichneten Art, so find die dafür erforderlichen Bestimmungen in Nebenstatuten zusammenzufaffen. Diese sowie Abänderungen derselben bedürfen der Genehmigung durch den Reichskanzler. Auf die von dem Jnnungsverbande errichteten Unterstühungskassen finden dieselben Vorschriften Anwendung, welche für gleichartige von einer Innung errichtete Kaffen gelten. Sofern für solche Unterfestgestellt und zwar in denselben Grenzen, in welchen sie den Innungen kraft Gesetzes zustehen. Wie bei Innungen wird es sich aber auch hier empfehlen, durch die Bestiulmung. daß den Gläubigern des Verbandes nur das Vermögen des letzteren haftet, jeden Zweifel über die Haftbarkeit der Mitglieder des Verbandes auszuschließen. Durch Abs. 2 wird die Anwendbarkeit der nachfolgenden Vorschriften auf die mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteten Jnnungsverbande beschränkt, da die wesent­ lichen Voraussetzungen dieser Vorschriften bei denjenigen Verbänden mangeln, welche nicht als Rechtssubjekte koustituirt sind. (Motive.) Zu § 104k. Zu Abs. 2. Damit wird einerseits ausgesprochen, daß den Jnuuugsverbänden diejenigen vermögensrechtliche Selbständigkeit beiwohnen soll, welche erforderlich ist, um die Gefährdung der gegen sie erworbenen Ansprüche durch Verwendung der zu deren Befriedigung bestimmten Mittel für andere Zwecke des Verbandes auszuschließen (§ 100c), und andererseits, daß diese Kassen, soweit sie Krankenkassen für Gesellen und Lehrlinge sind, den Jnnuugskrankenkassen im Sinne des § 73 des Ges. v. 15. Juni 1883 gleichgestellt werden, somit ihre Mitglieder von der Beitrittspflicht gegenüber den Zwangskassen befreit sind. (Motive.)

288

Gewerbe-Ordnung §§ 1041, 104 m, 104n, 104 o.

stützungskaffen Zwangsvollstreckungen vorzunehmen sind, haben die in den einzelnen Bundesstaaten für die Beitreibung von Gemeindeabgaben zuständigen Behörden sich gegenseitig im unmittelbaren Geschäftsverkehr Rechtshülfe zu gewähren. § 1041. Der Jnnungsverband unterliegt, vorbehaltlich der Vorschrift des § 104e, der Aufsicht der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Vorstand seinen Sitz hat. Die Aufsichtsbehörde überwacht die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften und kann dieselben durch Androhung, Fest­ setzung und Vollstreckung von Ordnungsstrafen gegen die Inhaber der Aemter des Verbandes erzwingen. Sie entscheidet Streitigkeiten über die Aufnahme und Ausschließung von Verbandsmitgliedern, über die Wahlen zu den Verbandsämtern sowie, unbeschadet der Rechte Dritter, über die Rechte und Pflichten der In­ haber derselben. Der Aufsichtsbehörde ist jährlich ein Rechnungsabschluß nebst Ver­ mögensausweis vorzulegen. § 104m. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Jnnungsverbandes hat die Auflösung des letzteren kraft Gesetzes zur Folge. Der Vorstand des Jnnungsverbandes hat jedoch die wäh­ rend des Konkursverfahrens dem Gemeinschuldner zustehenden Rechte wahrzunehmen. § 104n. Bei der statutmäßig beschlossenen Auflösung eines Jnnungsverban­ des wird die Abwickelung der Geschäfte, sofern die Verbandsvertre­ tung nicht anderweitig beschließt, durch den Vorstand unter Aufsicht der im § 1041 bezeichneten Behörde vollzogen. Genügt der Vorstand seiner Verpflichtung nicht, oder tritt die Auflösung auf Grund des § 104g oder des § 104m ein, so erfolgt die Abwickelung der Geschäfte durch einen Beauftragten der Aufsichtsbehörde. Von dem Zeitpunkte der Auflösung ab bleiben die Verbandsmitglie­ der noch für diejenigen Zahlungen verhaftet, zu welchen sie statutarisch für den Fall eigenen Ausscheidens aus den Verbandsverhältniffen ver­ pflichtet sind. Das Recht, diese Beiträge auszuschreiben und einzuziehen, steht dem mit Abwickelung der Geschäfte Beauftragten zu. § 104 o. Im Falle der Auflösung des Jnnungsverbandes muß sein Vermögen zuvörderst zur Berichtigung seiner Schulden und zur

Erfüllung seiner sonstigen Verpflichtungen verwendet werden. War daffelbe bisher ganz oder theilweise zur Fundirung von Unterrichts­ anstalten oder zu anderen öffentlichen Zwecken bestimmt, so darf der nach Berichtigung der Schulden übrig bleibende Theil des Vermögens dieser Bestimmung nicht entzogen werden; über seine fernere Verwendung wird von der im § 104 c Absatz 1 bezeichneten Behörde Anordnung ge­ troffen. Bedarf es zum Fortbestände der von dem Jnnungsverbande errich­ teten Unterrichtsanstalten, Hülfskassen oder sonstigen zu öffent­ lichen Zwecken bestimmten Einrichtungen als selbständiger Anstalten der Genehmigung des Landesherrn oder einer Behörde des Staates, in welchem die fernere Verwaltung der Anstalt stattfinden soll, so hat die im vorstehenden Absätze bezeichnete Behörde diese Genehmigung herbei­ zuführen. Das hiemach verbleibende Reinvermögen des Jnnungsverbandes wird, soweit die Verbandsvertretung nicht anders beschließt, unter die Innungen, welche dem Verbände zur Zeit der Auflösung an­ gehört haben, nach dem Verhältniß der von ihnen an den Verband in dem der Auflösung vorangegangenen Jahre geleisteten Beiträge vertheilt. Streitigkeiten hierüber werden von der im § 1041 bezeichneten Stelle endgültig entschieden. Titel VII. Gewerbliche Arbeiter (Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Letriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter).

I. Allgemeine Verhältnisse. § 105. Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern ist, vor­ behaltlich der durch Reichsgesetz begründeten Beschränkungen, Gegenstand freier Uebereinkunst. Zu Titel VIL 1. Die Vorschriften dieses Titels grfmbeten sich zunächst auf das Reichsgeseh vom 17. Juli 1878 (R.Ges.Bl. S. 199) und wurden später durch das Reichsgeseh vom 1. Juli 1883 in einzelnen Punkten abgeändert. Die gegenwärtige Fassung dieses Ab. schnittes beruht auf dem Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 (R.Ges.Bl. S. 261), durch welches unter entsprechender Reform eine neue Codistkation der betreffenden Be­ stimmungen stattgefunden hat. Das letztgedachte Gesetz gründet sich auf folgende Erwägungen: MarcinowSki, Deutsche Gewerbe-Ordnung.

6. Auflage.

290

Gewerbe-Ordnung § 105.

Um für die deutschen Arbeiter dasjenige Maß des gesetzlichen Schuhes herbeizuführen, das zur Zeit ohne Gefährdung der einheimischen Industrie und damit der eigenen Interessen der Arbeiter selbst gewährt werden kann, ist die Frage, welchen Abänderungen die Gewerbeordnung in ihren hierbei in Frage kommenden Theilen unterzogen werden kann, einer erneuten Prüfung unterstellt worden. Die Sicherung der Sonntagsruhe für die Arbeiter, die bisher abgesehen von der Bestimmung des § 105 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung, lediglich auf den mannig­ fach verschiedenen Landesgesetzgebungen beruhte, bedurfte einer einheitlichen reichsgesetz­ lichen Regelung. Ueber die Beschäftigung erwachsener Arbeiterinnen, die bisher in der Gewerbeordnung nur durch die Bestimmuugen der §§ 135 Absatz 5, 139a Absah 1, 154 Absah 4 Berücksichtigung gefunden hatte, mußten umfassendere, sämmtliche Arbeiterinnen schützende Bestimmungen erlassen werden. Endlich mllßten auch die Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Beschäftigung von Kindern mit Rücksicht auf die Anforderungen, die in dieser Beziehung der Stand der Kultur und die öffentliche Meinung in Deutschland stellen, als verbesserungsfähig und be­ dürftig erkannt werden. In allen diesen Beziehungen war die Nothwendigkeit eines Fortschreitens der Gesetzgebung auch bereits vom Reichstage anerkannt und zum Gegenstand von Be­ schlüssen gemacht worden. Daneben stellten sich bei der vorgenommenen Prüfung noch weitere Bedürfnisse heraus. Die Bestimmungen zum Schuhe der Arbeiter gegen Gefahren für Leben, Ge­ sundheit und Sittlichkeit, die sich bisher auf den § 120 Absah 1 und 3 und den § 139a Absatz 1 beschränkten, bedurften einer weiteren Ausbildung. Der Erlaß von Arbeitsordnungen, welcher zur Vermeidung von Streitig­ keiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern mitzuwirken geeignet ist, mußte vor­ geschrieben und näher geregelt werden. Es mußte ferner der Kreis derjenigen Betriebe, auf welche die zur Regelung der Frauen- und Kinderarbeit erlassenen Bestimmungen anwendbar sind, über die bisher im § 154 gezogenen Grenzen hinaus erweitert werden. Um die Ueberstchtlichkeit und sichere Handhabung der künftig geltenden Be­ stimmungen zu wahren, erschien es zweckmäßig, einen neuen Titel VII an die Stelle des bisherigen zu sehen. Auch empfahl es sich zur Vermeidung einer abermaligen Abänderung dieses Titels noch einige weitere Abänderungen und Ergänzungen vor­ zunehmen, die sich auch auf die Regelung der Arbeilsverhältnisse beziehen und als nothwendig oder wünschenswerth erkannt worden sind. Neben einigen weniger wichtigen Bestimmungen handelte es sich dabei vornehmlich um Ergänzungen der Bestimmungen über die Arbeitsbücher, die den Zweck verfolgen, durch Stärkung der^ elterlichen Autorität der eingerissenen Zuchtlosigkeit der Jugend entgegenzuwirken, sowie um die Aufnahme von Bestimmungen, wodurch die Verhältnisse der Werkmeister und Techniker einer besonderen Regelung unterzogen werden sollen. In einem Cirk.R. des M. d. I. und des H.M. v. 31. Juli 1894 (M.Bl. S. 216) wird darauf hingewiesen, daß es zweckmäßig sei, in allen größeren Städten Gemeinde-Arbeits'Nachweisestellen zu errichtm, welche von den Betheiligten kostenlos oder gegen geringe Vergütung benutzt werden und ihre Wirksamkeit noch dadurch verstärken könnten, daß sie mit einander in organssche Verbindung treten und dadurch eine Ausgleichung von Nachftage und Angebot in den verschiedenen Orten und Gegenden herbeiführen, auch mit den für die Arbeitsvermittelung auf dem Lande bestehenden Vereinen und Nachweisestellen in Verbindung treten könnten. Dieselben würden auch durch statistisches Material und durch anderweite Information die Er-

Gewerbe-Ordnung § 105.

291

forschung der Ursachen, des Umfanges und der Dauer periodisch auftretender Arbeits­ losigkeit erleichtern. Diese kommunalen Nachweisestellen müßten unter Leitung eines vollkommen unparteiischen Vorsitzenden stehen, welchem kollegialische Beisitzer aus der Zahl der Arbeitgeber und Arbeiter zuzuordnen wären. Die Oberpräsidenten sollen ihren Einfluß aufbieten, daß wenigstens in den Städten mit einer Einwohnerzahl von mehr als 10000 Seelen derartige Nachweisestellen begründet werden. Dieselben sollen ihre Aufmerksamkeit auch denjenigen Maßnahmen zuwenden, welche geeignet sind, dem Entstehen umfangreicher Arbeitslosigkeit vorzubeugen oder die Wirkungen bestehenden Arbeitsmangels zu mildern. Die kommunalen Vertretungen (Provinzen, Kreise, Gemeinden) sollen auf ihre Pflicht aufmerksam gemacht werden, der Arbeits­ losigkeit nach Kräften durch planmäßige und zweckmäßige Arbeitsvertheilung ent­ gegen zu wirken. 2. Als Gewerbsgehülfe im Sinne des Titels VII. der Gewerbe-Ordnung ist Jeder anzusehen, welcher im Gewerbebetriebe eines selbständigen Gewerbebetreibenden thätig ist, auch wenn er eine technische Kenntniß oder mechanische Fertigkeit nicht aufzuweisen hat. Er braucht nicht gerade diejenige Thätigkeit auszuüben, welche für den Betrieb des besonderen Gewerbes charakteristisch ist. Erk. d. O.H.G. v. 16. Februar 1876. Entsch. XIX. S. 382. Eine mit dem Serviren von Speisen und Getränken betraute Kellnerin ist nicht als Gewerbegehülfin des Restaurateurs anzusehen. Als solche könnte nur eine Person gelten, welche bei der Leitung und Organisirung des Gewerbebetriebes Hülfe leistet. Erk. d. Bundesamts f. Heimathswesen v. 5. Mai 1883 (Deutsches Handelsblatt p. 1884 Nr. 9). Die Schiffs knechte auf Binnenfahrzeugen sind als gewerbliche Arbeiter im Sinne des Tit. VII Gew.O. zu behandeln. Danach unterliegen die Minderjährigen unter ihnen der Vorschrift des § 107 Gew O. R. d. H.M. v. 8. Juli 1893. M.Bl. S. 256. Vergl. auch Erk. d. R.G. v. 28. April 1888. Reger XIV. S. 129. 3. Diejenigen Arbeiter, welche in dem Fabriketablissement Arbeiten verrichten, welche in den Rahmen der zur Herstellung der Erzeugnisse der Fabrik erforderlichen Arbeiten fallen, sind gewerbliche Arbeiter im Sinne des Tit. VII der Gew.O. Erk. d. R.G. v. 5. Januar 1886. VIII. S. 9. 4. Für die Frage, ob ein Gewerbebetrieb über den Umfang des Handwerkes hinausgeht, ist der Umstand nicht entscheidend, ob maschinelle Vorrichtungen benutzt sind. Erk. d. R.G. v. 19. Februar 1886. VII. S. 127. Eine Anlage, worin Arbeitsplätze an einzelne Gewerbetreibende vermiethet werden mit der Befugniß der gemeinschaftlichen Benlltzung der zu dem Gebäude gehörigen, von dem Vermiether versorgten Dampfmaschine ist nicht als eine Fabrik anzusehen. Erk. d. R.G. v. 28. Novbr. 1896. Bd. 29. S. 202. 5. Die von den Nächstvorgesetzten Medizinalbeamten (Kreisphysikus rc.) auszustellenden Beglaubigungen der von dem Lehrherrn den Apothekerlehrlingen zu ertheilenden Zeugnisse sind stempelfrei. R. d. Min. d. geistl. Ang. v. 7. Mai 1886. M.Bl. S. 88. Die Bestimmungen der §§ 105 bis 133 finden auf Gehülfen und Lehr­ linge in Apotheken und Handelsgeschäften keine Anwendung. § 154 Gew.O. 6. Wenn der Unterschied zwischen der gesetzlichen Zeit (R.Ges. v. 12. März 1893 betreff, die Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung. R.G.Bl. S. 93) und der Ortszeit mehr als eine Viertelstunde beträgt, kann die höhere

292

Gewerbe-Ordnung § 105 a.

§ 105 a. Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen können die Gewerbe­ treibenden die Arbeiter nicht verpflichten. Arbeiten, welche nach den Be­ stimmungen dieses Gesetzes auch an Sonn- und Festtagen vorgenommen werden dürfen, fallen unter die vorstehende Bestimmung nicht. Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen unter Berücksichti­ gung der örtlichen und konfessionellen Verhältnisse die Landes­ regierungen. Verwaltungsbehörde bezüglich der Zeitbestimmungen im Tit. VII Gew.O. und in den hierauf beruhenden Ausführungs- und Ausnahmebestimmungen für einzelne Betriebe oder Betriebstheile Abweichungen von der Vorschrift im Absatz 1 zulassen. Welche Behörde unter der Bezeichnung höhere Verwaltungsbehörde zu verstehen ist, bestimmt die Landes-Centralbehörde. Die Abweichungen dürfen nicht mehr als eine halbe Stunde betragen. Die gesetzlichen Bestimmungen über die zulässige Dauer der Beschäftigung von Arbeitern bleiben unberührt. R.Ges. v. 31. Juli 1895. R G.Bl. S. 426. Dieses Gesetz ist mit dem Tage der Verkündigung in Kraft getreten. Art. II. a. a. O.

3» «105. L Die gegenwärtige Fassung beruht auf dem Reichsgeseh vom 1. Juni 1891. Nach der früheren Fassung lautete der Absatz 1 dieses Paragraphen wörtlich wie der § 105 des neuen Gesetzes. Die fernere Bestimmung lautete wie folgt: Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen können die Gewerbetreibenden die Arbeiter nicht verpflichten. Arbeiten, welche nach der Natur des Gewerbebetriebes einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten, fallen unter die vorstehende Bestimmung nicht. Welche Tage als Festtage gelten, bestin,men die Landesregierungen. la. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit des neuen Gesetzes vgl. Note 1 zu h 120 Gew.O. 2. Nur der Inhalt des Arbeitsvertrages ist landesgesehlichen Beschrän­ kungen entzogen. Die Bedingungen, unter welchen ein geschloffener Arbeitsvertrag Gültigkeit erlangt, insbesondere die Dertragsfähigkeit der Betheiligten und die Ver­ tragsform, sind dagegen nach wie vor den Landesgesehen unterworfen. 8. Wenn auch die Gewerbe-Ordnung von obligatorischen Bestimmungen über „Fabrikordnungen" absieht, so ist doch die ausdrückliche oder durch Annahme der Arbeit nach Mittheilung der Fabrikordnung stillschweigend erfolgte Unterwerfung eines Arbeiters unter eine bestehende Fabrikordnung als Vertrag zu beachten; es haben solchenfalls also über Kündigungsfrist rc. nicht die Vorschriften in §§ 105 ff. der Gewerbe-Ordnung zu gelten. Nr. 219. R.A. d. B.R. S. 56. 4. Vergl. auch § 154 Gew.O. 3« «105a. L Diese auf dem Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 beruhende Bestimmung ent­ spricht im Wesentlichen der Vorschrift des § 105 Abs. 2 und 3 der früheren Fassung. Neu ist nur der in Abs. 2 durch gesperrten Druck hervorgehobene Passus. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit des neuen Gesetzes vgl. Note 1 zu § 120 Gew.O.

Gewerbe-Ordnung § 105 a.

293

2. Für das Handelsgewerbe ist diese Bestimmung, soweit es sich um die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen handelt, mit dem 1. April 1892, im Uebrigen mit dem 1. Juli 1892 in Kraft getreten. D. v. 28. März 1892. R.Ges.Bl. S. 339. 3, Anweisung des Ministers des Innern, des Kultus und für Handel und Gewerbe, betreffend die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe, vom 10. Juni 1892. (M.Bl. S. 199.) In Ausführung der Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbe-Ordnung vom 1. Juni 1891 (R.GBl. S. 261) über die Sonntagsruhe im Handelsgewerde (§§ 41 a, 55a, 105b Abs. 2, 105c, 105e), wird hierdurch Folgendes bestimmt: I.

Feststellung der zulässigen Befchäftigungszeit. (§§ 105 b, Abs. 2, 41a a. a. O.)

1. Die Feststellung der fünf Stunden, während welcher im Handelsgewerbe an Sonn- und Festtagen die Beschäftigung von Gehülfen, Lehrlingm und Arbeitern und ein Gewerbebetrieb in offenen Verkaufsstellen zulässig ist, erfolgt für den Umfang der Regierungsbezirke durch die Regierungs-Präsidenten, für die Stadt Berlin durch den Polizei-Präfldenten. Sie ist — abgesehen von den unter Ziffer 5 zugelaffenen Ausnahmen — für alle Zweige des Handelsgewerbes einheitlich zu treffen. 2. Die Feststellung der Beschäftigungszeit erfolgt durch Bestimmung deö An­ fangs- und des Endpunktes derselben mit dem Dorbehalle, daß die Beschästigungszeit durch eine von der Ortspolizeibehörde — nach Ziffer 3 — für den Hauptgottes­ dienst festzusetzende Pause von in der Regel zwei Stunden unterbrochen werde. Der Anfangspunkt der Beschäftigungszeit ist in der Regel auf 7 Uhr Vormittags, der Endpunkt auf 2 Uhr Nachmittags festzusetzen. Die Bestimmung eines früheren Anfangs- und Endpunktes — 61/«, und 17a oder 6 und 1 Uhr — sei es für das ganze Jahr, sei es nur für das Sommerhalbjahr, ist zulässig, falls nach den örtlichen Verhältniffen die Zeit vor 7 Uhr Vormittags für das Handelsgewerbe nicht bedeu­ tungslos ist. 3. Die für den Hauptgottesdienst festzusetzende Pause wird durch die Orts­ polizeibehörde nach Benehmen mit den kirchlichen Behörden besttmmt und öffentlich bekannt gemacht. Sie soll nicht nur die Dauer der gottesdienstlichen Feier, sondern auch die für etwaige Vorbereitungen, sowie für den Kirchgang erforderliche Zeit vor und nach der gottesdienstlichen Feier umfassen. Im Allgemeinen werden im Ganzen zwei Stunden hierfür genügen. In Gemeinden, in denen mehrere Kirchengemeinden desselben oder verschiedenen Bekenntnisses sich befinden, oder in denen der Gottesdienst in verschiedenen Sprachen abgehalten wird, ist darauf hinzuwirken, daß der Hauptgottesdienst in den verschie­ denen Kirchengemeinden, Bekenutnissen und Sprachen thunlichst zu gleicher Stunde abgehalten wird. Wo dieses Ergebniß nicht erzielt werden kann, bleibt den höheren Verwaltungsbehörden überlassen, nach der Besonderheit der obwaltenden Verhältnisse über die Festsetzung der für den Hauptgottesdienst fteizulassenden Pause nähere Be­ stimmung zu treffen. 4. In Ortschaften, in denen zwei Stunden für die Abhaltung des Hauptgottes­ dienstes und die Zeit des Kirchganges nicht ausreichen, kann die für den Hauptgottesdienst bestimmte Pause über zwei Stunden hinaus verlängert werden. In solchen Fällen ist der Anfangspunkt der zulässigen Beschäftigungszeit entsprechend früher (vor 7 Uhr) zu legen. Ein Hinausschieben des Endpunktes über 2 Uhr ist nur in Ausnahmefällen und nicht über 2'/, Uhr hinaus zuzulassen.

294

Gewerbe-Ordnung § 105 a.

5. Eine Feststellung der fünfstündigen Arbeitszeit, die von der in Ziffer 2 unb 4 bestimmten abweicht, darf nur erfolgen: a) für die Zeitungs-Spedition, für welche es sich empfiehlt, die fünfftündige Beschästigungszeit vor Beginn des Hauptgottesdienstes, etwa auf die Stunden von 4 bis 9 Uhr Vormittags, zu legen; b) für den Handel mit Blumen und Kränzen. Für diesen können die Beschüftigungsstunden dem örtlichen Bedürfniffe entsprechend gelegt werden, jedoch so, daß der Schluß spätestens um 4 Uhr Nachmittags eintritt; c) für den gesammten Handelsverkehr in Badeorten, Luftkurorten und Plätzen mit starkem Touristenverkehr. Für diese Plätze darf die Festsetzung der fünfftündigen Beschäfttgungszeit für die Dauer der Saison je nach dem örtlichen Bedürfniß mit der Einschränkung erfolgen, daß der Schluß der Beschäftigung spätestens um 5 Uhr Nachmittags stattfinden muß. Diese Vorschrift findet indeß auf größere Städte, die gleichzeitig Badeorte sind, wie Aachen, Wiesbaden u. a., keine Anwendung. Auch in den unter a bis c erwähntet, Fällen ist die für den Hauptgottesdienst festgesetzte Zeit (Ziffer 3.) jedenfalls steizulaffen. 6. Bei statutarischer Feststellung der durch Statut eingeschränkten Beschäftigungszeit haben die Regierungs-Präsidenten darauf hinzuwirken, daß nur solche Sta­ tute die Bestätigung deS BezirkSausschuffeS erhalten, die eine wirksamere als die gesetzliche Sonntagsruhe herbeizuführen geeignet sind. Dies gilt beispielsweise nicht von Statuten, durch welche die Arbeitsstunden in mehr als zwei Abschnitte getheilt oder vorwiegend auf den Nachmittag, insbesondere den späteren Nachmittag gelegt werden sollen. II.

Zulassung einer verlängerten Beschäftigungszeit (§ 105b).*)

1. Von der Ermächtigung, für die letzten 4 Wochen vor Weihnachten, sowie für einzelne Sonn- und Festtage, an denen örtliche Verhältniffe einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen, eine Vermehrung der Beschäftigungs­ stunden bis auf 10 Stunden zuzulaffen, ist nur mit der Begrenzung Gebrauch zu machen, daß für keinen Ort an mehr als jährlich sechs Sonn- oder Festtagen eine verlängerte Beschäftigungszeit zugelaffen lverden darf. 2. Die Bestimmung der Sonn- und Festtage, für welche eine erweiterte Beschästigungszeit zugelaffen werden soll, erfolgt durch die höheren Verwaltungsbehörden (Oberprüfidenten — Regierungspräsidenten) oder mit deren Ermächtigung durch die unteren Verwaltungsbehörden. Es empfiehlt sich, für diejenigen Sonntage, an denen allgemein ein erweiterter Geschäftsverkehr stattfindet, namentlich also für einige Sonn­ tage vor Weihnachten, die Verlängerung der Beschäftigungszeit einheitlich für den Umfang der Provinzen oder der Regierungsbezirke zuzulaffen, im Uebrigen aber die Gestattung einer verlängerten Arbeitszeit den unteren Verwaltungsbehörden zu überlaffen. 3. Dem Ermessen der höheren Verwaltungsbehörden bleibt die Bestimmung darüber überlasten, *) Durch die Anweisung sollen nur die Grenzen, über welche hinaus Ausnahmen nicht zuzulaffen sind, festgelegt werden. Die Behörden sind nicht genöthigt, Aus­ nahmen in dem in der Anweisung gestatteten Umfange zuzulaffen, sie werden vielmehr zu prüfen haben, ob nicht unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältniffe ihrer Ver­ waltungsbezirke mit geringeren Ausnahmen dem Bedürfniß genügt werden kann. C.R. d. M. d. I.. K.M. iL H.M. v. 10. Juni 1892. MBl. S. 198.

Gewerbe-Ordnung § 105 a.

295

a) ob die vermehrte Beschäftigungszeit für alle Zweige des Handelsgewerbes zu gestatten oder auf einzelne Zweige zu beschränken ist, b) um wieviel Stunden eine Ueberschreitung der fünf Arbeitsstunden zuzu­ lassen ist. Lehteres mit der Maßgabe, daß bis zu der gesetzlich zulässigen Obergrenze von zehn Stunden nur in Ausnahmefällen zu gehen, und daß die Beschäftigung in der Regel nicht über 6 Uhr und niemals über 7 Uhr Abends hinaus zuzulassen ist. III. Ausnahmen auf Grund des § 105e.*) Ausnahmen für Handelsgewerbe auf Grund des § 105 e a. a. O. sollen nur von dem Regierungs-Präsidenten — in Berlin von dem Polizei-Präsidenten — und nur in folgendem Umfange zugelassen werden: 1. Für diejenigen Sonntage und Festtage, an denen gesetzlich eine fünfstündige Beschäftigungszeit zulässig ist: a) Der Verkauf von Back- und Konditorwaaren, von Fleisch und Wurst, der Milchhandel und der Betrieb der Vorkosthandlungen darf außer den all­ gemein zugelassenen fünf Stunden schon vor deren Beginn, von fünf Uhr Morgens ab gestattet werden. b) Für den Verkauf von Back- und Konditorwaaren, sowie für den Milchhandel darf ferner bis auf Weiteres noch eine weitere nach den örtlichen Verhältnissen festzusetzende Stunde des Nachmittags freigegeben werden. 2. Für den ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingsttag: a) Der Handel mit Back- und Konditorwaaren, mit Fleisch und Wurst, mit Vorkostartikeln und mit Milch darf von 5 Uhr Morgens bis 12 Uhr Mittags — jedoch ausschließlich der für den Hauptgottesdienst festgesetzten Unterbrechung — zugelassen werden. b) Der Handel mit Kolonialwaaren, mit Blumen, mit Tabak und Cigarren, sowie mit Bier und Wein darf während zweier Stunden — jedoch nicht während der Pause für den Hauptgottesdienst und nicht über 12 Uhr Mit­ tags hinaus — gestattet werden. c) Hinsichtlich der ZeitungsSpedition darf dieselbe Regelung eintreten, wie an sonstigen Sonn- und Festtagen (s. o. I. 5 a). IV. Ausnahmen von dem Verbote des § 55a. Die unteren Verwaltungsbehörden werden ermächtigt, das Feilbieten von Waaren aus öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen und an anderen öffentlichen Orten oder von Haus zu Haus an Sonn- und Festtagen in folgendem Umfange zuzulaffen: *) Der Verkauf von Apothekerwaaren als Arzneimittel wird im Hinblick auf § 6 Gew.O., der Ausschank von Selterwasser in Selterbuden als Schank­ gewerbe gemäß § 105 i a. a. O. durch die Vorschriften über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe nicht getroffen. Die keinen Aufschub duldende Spedition von frischen Fischen und frischem Obst, soweit sie nicht als Verkehrsgewerbe gemäß § 105i a. a. O. frei­ gegeben ist, erscheint nach § 105c Nr. 4 a. a. O. zulässig. C.R. d. M. d. Z., K.M. u. H.M. v. 10. Juni 1892. M.Bl. S. 198. Diese Bestimmung bezieht sich auf den Milchhandel nur insoweit als er als stehendes Gewerbe betrieben wird. Da nun auch der ambulante Milchhandel in Frage kommt, so bestimmt ein Cirk.-Rescript vom 4. Oktober 1892 (M.Bl. S. 342) in Abänderung der Nr. III 1 b der Anweisung Folgendes: Die Regierungs-Präsidenten (in Berlin der Polizei-Präsident) werden ermäch­ tigt, auf Grund des § 105 e Gew O, den stehenden Milchhandel an Sonn- und Fest­ tagen außerhalb der fünfstündigen Beschäftigungszeit und der durch III la der An­ weisung freigegebenen Zeit während zweier Stunden des Nachmittags — die unter Berücksichtigung des örtlichen Bedürfniffes auszuwählen sind — zu gestatten. Diese

296

Gewerbe-Ordnung § 105 b.

§ 105 b Art. 20 R.Ges. v. 6. August 1896. Im Betriebe von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungs­ anstalten, Brüchen und Gruben, von Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten, von Zimmerplähen und anderen Bauhöfen, von Werften und Ziegeleien, sowie bei Bauten aller Art dürfen Ar­ beiter an Sonn- und Feststagen nicht beschäftigt werden. Die den Arbeitern zu gewährende Ruhe hat mindestens für jeden Sonn- und Festtag vierundzwanzig, für zwei aufeinander folgende Sonn- und Fest­ tage sechsunddreißig, für das Weihnachts-, Oster- und Pfingstfest acht­ undvierzig Stunden zu dauern. Die Ruhezeit ist von zwölf Uhr Nachts zu rechnen und muß bei zwei aufeinander folgenden Sonn- und 1. Das Feilbieten von Milch, Fischen, Obst, Backwaaren und sonstigen LebensMitteln, insoweit es bisher schon ortsüblich war, bis zum Beginn der mit Rücksicht auf den HauptgotteSdienst für die Beschäftigung im Handelsgewerbe fest­ gesetzten Unterbrechung. 2. Das Feilbieten von Blumen, Backwaaren, geringwerthigen Gebrauchsgegenständen, Erinnerungszeichen und ähnlichen Gegenständen: a) bei öffentlichen Festen, Truppenzusammenziehungen oder sonstigen mifcer* gewöhnlichen Gelegenheiten, b) für solche Ortschaften, in denen an Sonn- und Festtagen regelmäßig durch Fremdenbesuch ein gesteigerter Verkehr stattfindet. Im Falle der Ziffer 2 darf das Feilbieten während des Gottesdienstes — so­ wohl des vor- als des nachmittägigen — nicht zugelassen und im Uebrigen auf ein­ zelne Stunden beschränkt werden. V. Sonstige Bestimmungen. 1. Die selbstthätigen Verkaufsapparate — die sogenannten Automaten —, mittelst deren namentlich Confitüren, Cigarren Streichhölzer und ähnliche Gegenstände abgesetzt werden, müssen als offene Verkaufsstellen im Sinne des § 41 a der GewerbeOrdnung angesehen werden. Die Besitzer derselben werden deshalb darauf aufmerk­ sam zu machen sein, daß sie sich strafbar machen, wenn sie nicht geeignete Vor­ kehrungen treffen, um die Entnahme der feilgebotenen Gegenstände an Sonn- und Festtagen außerhalb der zulässigen Beschästigungszeit unmöglich zu machen. 2. Die Konditoren, die Kleinhändler mit Branntwein, sowie andere Kaufleute, welche gleichzeitig eine Schankgenehmigung besitzen, sind in Beziehung auf ihren kauf­ männischen Betrieb den gleichen Beschränkungen wie die übrigen Kanfleilte unter­ worfen. Wenn sie daher ihr kaufmännisches Gewerbe außerhalb der zulässigen Stunden betreiben, so ist ihre Bestrafung auf Grund des § 14Ga der Gewerbe Ord nung herbeizuführen. Sie werden ferner anzuhalten sein, in den Schaufenstern oder in den Ladenthüren Verkaufsgegenstände während der Stunden, während welcher der kaufmännische Betrieb untersagt ist, nicht zur Schau zu stellen. Ausnahme kann auch für den ersten Oster-, Pfingst- und Weihnachts-Feiertag zugelaffen werden. Die unteren Verwaltungsbehörden werden ermächtigt, auf Gnmd des § 55 a Abs. 2 Gew.O. das Feilbieten von Milch aus öffentlichen Wegen und von Haus zu Hans (den ambulanten Milchhandel) während der für den stehenden Milchhandel frei­ gegebenen Nachmittagsstunden zugelassen.

Gewerbe-Ordnung § 105 b.

297

Festtagen bis sechs Uhr Abends des zweiten Tages dauern.

In Be­

trieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht kann die Rnhezeit frühestens um sechs Uhr Abends

des vorhergehenden Werktages,

spätestens um sechs Uhr Morgens des Sonn- und Festtages beginnen, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden vierundzwanzig Stunden der Betrieb ruht. Im Handelsgewerbe dürfen Gehülfen, Lehrlinge und Arbeiter am

ersten Weihnachts-,

Oster- und Pfingsttage überhaupt nicht,

im

Uebrigen an Sonn- und Festtagen nicht länger als fünf Stunden be­ schäftigt werden.

Durch statuarische Bestimmung einer Gemeinde

oder eines weiteren Kommunalverbandes (§ 142) kann diese Beschäftigung für alle oder einzelne Zweige des Handelsgewerbes auf kürzere Zeit 4. Wegen der Sonntagsruhe bei dem Zeitungsverkauf auf Bahnhöfen vgl. R. d. M. d. Z., H.M. li. M. d. g. A. v. 2. August 1894. M.Bl. S. 149. Ein Konditor, welcher in seinem Laden, während der durch polizeiliche An­ ordnung festgesetzten Stunden der Sonntags-

und Feiertagsruhe, Kuchen über die

Straße verkauft, macht sich eines Vergehens gegen die §§ 41 a u. 146 der Gew.O. schuldig. Wenn er aber vorher bestellte und selbst angefertigte Konditorwaaren wäh­ rend der Zeit

der Sonntagsruhe zutragen läßt, verstößt er nicht gegen diese Vor­

schriften. Erk. d. K.G. v. 8. Juni 1893. Bd. XIII. S. 383. Ein Gastwirth, welcher während der Sonntagsruhe Branntwein

über die

Straße verkauft, verstößt gegen die §§ 41a u. 146 Gew.O., sofern ihm das Bewußt­ sein inne gewohnt hat, daß der Branntwein nicht in seinem Gastlokal sondern außer­ halb desselben verzehrt werden sollte und er bei dem Verkauf über die Straße nicht das Schankgewerbe sondern das Handelsgewerbe ausübe. teil d. K G. v. 18. Mai 1893.

Bd. XIII. S. 387.

Zu § 105b. 1.

Diese Bestimmung beruht in Abs. 1. 2 auf dem Reichögeseh vom 1. Juni

1891 in Abs. 3

auf dem Reichsgesetz v. 6. August 1896.

Durch die Worte „Im

Betriebe von Bergwerken rc." soll jeder Zweifel darüber ausgeschlossen werden, „daß das Verbot

der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn-

räumlich für den Ort,

in welchem

sich

und Festtagen nicht nur

der betreffende Gewerbebetrieb regelmäßig

abzuwickeln pflegt, sondern für jede zu dem Gewerbebetriebe gehörige Thätigkeit gelten soll". Die Bedeutung, welche das Gesetz dem Begriff „Handelsgewerbe" unter­ legt, umfaßt insbesondere den Groß- wie den Kleinhandel, einschließlich des Hausir­ handels, den Geld- und Kredithandel, die Leihanstalten, die sogenannten Hülfsgewerbe des Handels, Spedition, Kommission und die Handelslager.

Auch die in den Comp-

toiren der Fabriken rc. beschäftigten Handlungsgehülfen gehören hierher, ebenso der Meß- und Marktverkehr, soweit bei demselben Handelsgewerbe betrieben werden. Durch die Bestimmung, wonach die Polizeibehörde für die letzten vier Wochen vor Weihnachten, sowie für einzelne Sonn- und Festtage, an welchen die örtlichen Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen, eine Vermehrung der Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, zuzulassen ermächtigt ist, soll insbesondere dem in gewissen periodisch wiederkehrenden Zeiten, z. B. in der letzten Zeit vor Weihnachten, zur Meß- und Marktzeit, in zahlreichen Geschäften ein-

Gewerbe-Ordnung § 105 b.

298

eingeschränkt oder ganz untersagt werden.

Für die letzten vier Wochen

vor Weihnachten, sowie für einzelne Sonn- und Festtage,

an welchen

örtliche Verhältniffe einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen, kann die Polizeibehörde eine Vermehrung der Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, bis auf zehn Stunden zulaffen. Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden

Die

darf, werden

unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit, sofern die Beschästigungszeit durch statuarische Bestimmungen ein­ geschränkt worden ist, durch letztere, im Uebrigen von der Polizei­ behörde festgestellt. Die Feststellung kann für verschiedene Zweige des Handelsgewerbes verschieden erfolgen. Die Bestimmungen des Absatzes 2 finden auf die Beschäftigung von Gehülfen, Lehrlingen und Arbeitern im Geschäftsbetriebe von Kon­ sum- und andern Vereinen entsprechende Anwendung. tretenden Geschäftsandrang Rechnung getragen werden.

Um auch hier innerhalb

größerer Bezirke eine thunlichste Gleichmäßigkeit in der Gestaltung des Handelsverkehrs herbeizuführen, sollen zum Erlasse der in Rede stehenden Bestimmung nicht nur die Ortspolizeibehörde, sondern die Polizeibehörden überhaupt, also auch die Landes­ polizeibehörden, zuständig sein.

(Motive.)

Vgl. noch Note 3 zu § 41a. 2.

Wegen

des Zeitpunktes der Wirksamkeit des neuen Gesetzes vgl. Note 1

zu § 120 Gew O. 3.

Hinsichtlich des Umfanges des Verbots ist bei der Kommisfionsberathung

konstatirt, daß auch die hausindustrielle Beschäftigung, soweit sie im Betriebe von „Werkstätten" stattfindet, mit in das Verbot hineingezogen ist, und daß dadurch die Bestimmungen über die Handlungsgehülfen auch für das in den gewerblichen Be­ trieben beschäftigte Comptoir-Personal Fürsorge getroffen ist.

4. Der Begriff Handelsgewerbe im Sinne der Vorschriften des Gesetzes umfaßt nicht nur den Groß- und Kleinhandel, einschließlich des Hausirhandels, sondern u. a. auch den Geld- und Kredithandel, die Leihanstalten, den Zeitungsverlag, die so­ genannten Hülfsgewerbe des Handels, Spedition. Kommission und die Handelslager. Auch die Thätigkeit des in den Comptoiren der Fabriken, Werkstätten rc. beschäf­ tigten Personals fällt darunter. Nach § 105 b Abs. 2 des Gesetzes dürfen Gehülfen. Lehrlinge und Arbeiter im Handelsgewerbe am ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingsttage überhaupt nicht, im Uebrigen an Sonn- und Festtagen nicht länger als 5 Stunden beschäftigt werden. Die Festsetzung dieser Stunden ist unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit durch die Polizeibehörde zu treffen und kann für ver­ schiedene Zweige des Handelsgewerbes verschieden erfolgen. Durch statutarische Bestimmungen einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunal­ verbandes kann

diese Beschäftigung für alle oder einzelne Zweige des Handelsge­

werbes ganz untersagt oder auf kürzere Zeit eingeschränkt werden. Im letzteren Falle ist auch die Beschästigungszeit und statutarische Bestimmung festzustellen. Für die letzten vier Wochen vor Weihnachten, sowie für einzelne Sonn- und Festtage, an welchen örtliche Verhältniffe einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich macken, kann — und rwar auch bei statutarischer Reaeluna der Arbeitsstunden —

Gewerbe-Ordnung § 105 b.

299

die Polizeibehörde eine Vermehrung der Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, bis auf zehn Stunden zulassen. Für Handelsgewerbe, deren vollständige oder theilweise Ausübung an Sonnund Festtagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervor­ tretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist, können nach § 105 e a. a. O. durch Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 105 c Abs. 3 Ausnahmen von den Vorschriften über die Sonntags­ ruhe zugelassen werden. Die in solchen Gewerben beschäftigten Personen sind dann entweder an jedem dritten Sonntage volle 36 Stunden oder an jedem zweiten Sonn­ tage mindestens in der Zeit von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends von der Arbeit frei zu lassen. Insoweit nach den vorstehenden Bestimmungen Gehülfen, Lehrlinge und Arbeiter im Handelsgewerbe an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden dürfen, darf in offener Verkaufsstelle ein Gewerbebetrieb an diesen Tagen nicht stattfinden (§ 41a a. a. O.). Endlich ist an Sonn- und Festtagen der Gewerbebetrieb im Umherziehen, soweit er unter § 55 Abs. 1 Ziffer 1 bis 3 Gew.O. fällt, sowie der Gewerbebetrieb der in Ziffer 42 b bezeichneten Personen mit der Maßgabe verboten, daß Ausnahmen von der unteren Verwaltungsbehörde zugelaflen werden können. Ueber die Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen Ausnahmen zugelasien werden dürfen, ist der Bundes­ rath ermächtigt, Bestimmungen zu erlaffen (§ 55 a a. a. £>.). Mit dem Zeitpunkte des Inkrafttretens der vorstehend angeführten Bestimlnungen für das Handelsgewerbe müssen aber bereits diejenigen Vorbereitungen ge­ troffen sein, deren es zur Ausführung jener Vorschriften bedarf. Unter diesen Um­ ständen erscheint es geboten, die nothwendigen Vorbereitungen alsbald in Angriff zu nehmen. Zu diesem Zwecke wird folgendes bestimmt: 1. Die Regierungs-Präsidenten haben zu prüfen, welche Stunden der Sonn- und Festtage für die nach § 105b Abs. 2 zulässige Beschäftigung in ihren Verwaltungsbezirken festzusetzen sein werden. Dabei ist folgenden Erwägungen Rechnung zu tragen: a) Bei Festsetzung der Arbeitsstunden ist die für den öffentlichen Gottes­ dienst bestimmte Zeit jedenfalls soweit zu berücksichtigen, daß diese Stunden nicht in die Zeit des Hauptgottesdienstes und thunlichst auch nicht in die Zeit solcher Nebengottesdienste fallen, während welcher nach den zur Zeit geltenden Vorschriften die Verkaufsstätten geschloffen sein müssen; b) die Arbeitsstunden sind einerseits für größere Bezirke — thunlichst für Regierungsbezirke oder Provinzen — andererseits für die verschiedenen Zweige des Handelsgewerbes möglichst einheitlich festzusetzen; c) damit den in Betracht kommenden Personen eine wirksame Sonntagsruhe zu Theil werde, wird der Beginn der zulässigen Beschäftigungszeit möglichst früh, und das Ende derselben derart festzusetzen sein, daß der größere Theil des Nachmittags und der Abend frei bleiben. Ohne besonderen zwingenden Grund werden demgemäß die Arbeitsstunden sich nicht über zwei oder äußersten Falls drei Uhr Nach,nittags hinaus erstrecken dürfen. 2. Da die Polizeibehörden die zulässige Beschäftigungszeit — mit Ausnahme der in § 105b Abs. 2 Satz 3 gedachten Fälle — nur insoweit festzusetzen haben, als nicht Gemeinden oder weitere Komnmnalverbände durch statutarische Bestimmungen die Beschäftigung auf kürzere Zeit einschränken oder ganz untersagen, so sind bereits jetzt von den Regierungs-Präsidenten die ihnen unterstellten kommunalen Der-

300

Gewerbe-Ordnung $ 105b.

bände, also namentlich auch die Kreise darüber zu hören, ob sie eine statutarische Regelung der Sonntagsruhe herbeizuführen beabsichtigen, und zutreffenden Falles zu veranlaffen, die zu erlassenden statutarischen Bestimmungen alsbald soweit vorzubereiten, daß sie unmittelbar nach Inkraftsetzung der betreffenden Gesehesvorschristen endgültig beschlossen und ohne Verzug genehmigt werden können. Bei der Berathung der Gewerbenovelle im Reichstage herrschte allgemeine Uebereinstimmung darüber, daß in den meisten größeren Städten eine über die gesetz­ liche Regelung hinausgehende Sonntagsruhe ohne Beeinträchtigung der Handelsgewerbe und ohne Schaden für das Publikum gewährt werden könne, und eine dahin gehende Regelung nicht nur in den Kreisen der Handlungsgehülfen, sondern auch von vielen selbständigen Gewerbetreibenden gewünscht werde. Die statutarische Regelung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe wird deshalb den größeren Gemeinden, ins­ besondere den Stadtkreisen, dringlichst anzuempfehlen fein. Des Weiteren ist in Erwägung zu nehmen, ob etwa der Erlaß statutarischer Bestimmungen für die betreffende Provinz rathsam erscheint, und event, mit den Or­ ganen der Provinzialverwaltung hierüber in Verhandlung zu treten. Hinsichtlich des Verhältnifles der statutarischen Bestimmungen der verschiedenen Arten der Kommunalverbünde zu einander wird bemerkt, daß durch Statute weiterer Kommunalverbände die engeren Verbände nicht gehindert sind, Beschränknngen der Sonntagsarbeit zu beschließen, welche über die Festsetzungen jener Statute hinaus­ gehen. Um Zweifel — namentlich im Hinblick auf § 142 Abs. 2 der Gewerbe-Ordnung — zu vermeiden, empfiehlt es sich, in den Entwurf der statutarischen Bestim­ mungen für wettere Kommunallrerbände einen entsprechenden Vermerk aufzunehmen. 3. Die Regierungs-Präsidenten haben auf Grund des Ergebnisses ihrer Prüfung (Ziffer 1) und unter Berücksichtigung der vorläufigen Entschließungen der Kommunalverbände (Ziffer 2) eine Uebersicht aufzustellen und einzureichen, aus welcher die in Aussicht genommene Regelung der an Sonn- und Festtagen zulässigen Arbeitszeit ersichtlich ist. Abweichungen von den unter Ziffer 1 aufgeführten Grund­ sätzen sind besonders zu begründen. 4. Für die einzelnen Regierungsbezirke ist eine Uebersicht der Fälle aufzu­ stellen, in welchen nach den bisherigen Erfahrungen örtliche Verhältnisse an Sonnund Festtagen einen erweiterten Geschäftsverkehr in dem Maße erforderlich machen, daß eS angemessen erscheint, für alle oder für gewisse Zweige des Handelögewerbes eine Vermehrung der Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, zuzulassen. 5. Die RegierungS-Präsidenten haben ferner eine Nachweisung derjenigen Handelsgewerbe aufzustellen, für welche nach ihrer Meinung in ihrem Ver­ waltungsbezirke die Voraussetzungen für eine besondere Regelung gemäß § 105e Abs. 1 a. a. O. vorliegen. Für jedes der betreffenden Gewerbe stnd die für erforderlich er­ achteten Ausnahmen deS Näheren anzugeben und ausführlich zu begründen. Wir be­ merken hierzu, daß die in § 105 e Abs. 1 vorgesehenen Ausnahmen von dem Verbote der Sonntagsarbeit nach der Absicht des Gesetzes und dem Wortlaut des Einganges dieses Paragraphen nur in solchen Fällen zu gewähren sein werden, in denen nicht etwa lediglich Bequemlichkeitsrückfichten in Frage stehen, sondern dringende Gründe die Zulassung der Ausnahmen von dem gesetzlichen Verbote erforderlich erscheinen lassen. Die Gewerbe des Handels sind nach den Klassen und Ordnungen der Gruppe XVII der Gewerbestatistik von 1882 aufzuführen. Bezüglich der Betriebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten, sowie der sonstigen unter § 105 e fallenden Gewerbe bleibt das Weitere vorbehalten.

Gewerbe-Ordnung § 105 b.

301

6. Endlich haben sich die Regierungs-Präsidenten gutachtlich darüber zu äußern, für welche Gewerbezweige und in welchem Umfange Ausnahmen vom Verbote des § 55 Abs. 1 der Gewerbe-Ordnung zuzulassen sein werden. Die Regierungs-Präsidenten haben zur Förderung einer zweckentsprechenden Ausführung der in Rede stehenden Bestimmungen auch die Mitwirkung der Handelskammern oder sonstigen kaufmännischen Vertretungen in Anspruch zu nehmen. Es ist wünschenswerth, daß auch Vertretungen der im Handelsgewerbe beschäftigten Personen oder — in Ermangelung solcher Vertretungen — einzelne ge­ eignete solche Personen zur Sache gehört werden. Cirk.R. d. M. d. I., H.M. u. M. d. g. A. v. 16. November 1891. M.Bl. S. 73. Die Gruppe XVII. Handelsgewerbe der Gewerbestatistik von 1882 ist in folgender Weise eingetheilt: a) Waarenhandel im stehenden Betrieb. 1. Handelmit Thieren. 2. „ „ landwirthschaftlichen Produkten. 3. „ „ Brennmaterialien. 4. „ „ Baumaterialien. 5. ., „ Metallen und Metallwaaren. 6. „ „ Kolonial-, Eß und Trinkwaaren. 7. „ „ Wein. 8. „ „ Tabak und Cigarren. 9. „ „ Leder, Wolle. Baumwolle. 10. „ „ Manufaktur- (Schnitt-) Waaren. 11. „ „ Kurz- und Galanteriewaaren. 12. „ „ verschiedenen und anderen als vorstehend benannten Waaren. 13. Trödelhandel. b) Geld und Kredithandel. c) Spedition und Kommission. d) Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, auch Zeitungs-Verlag und -Spedition. 1. Buch-, Kunst- und Musikalienhandel. 2. Zeitungs-Verlag und -Spedition. 3. Leihbibliotheken. e) Handelsvermittelung (Makler, Agenten ohne die bei XVIII). 0 Hülfsgewerbe des Handels (Packer. Träger. Taxatoren, Markthelfer rc ). g) Versteigerung. Verleihung, Engagements- und Annoncenvermittelung. 1. Auktionsgeschäfte und Auktionatoren. 2. Pfandleihanstalten. 3. Verleihungsgeschäfte, einschließlich Maschinen-Lohndrescherei. 4. Aufbewahrungsanstalten. 5. Stellenvermittelung. 6. Jnseratenvermittelung und Auskunftsbureaux. 5. In Betreff der Handelsgewerbe vgl. die Note 2 und 3 zu § 105 a. (>, Wenn ein Gastwirth Verzehrungsgegenstände nicht zum Genuß in seinem Lokale, sondern zur Mitnahme über die Straße verkauft, so hat er mit diesem Ver­ kauf nicht daä Schank- oder Speisewirthfchasts-, sondern das Handelsgewerbe aus­ geübt und unterliegt in dieser Beziehung den diesfälligen Vorschriften über die Sonntagsruhe. Erk. d. K G. vom 6. März 1893. Reger XIII. S. 251 und vom 15. Mai 1893 a. a. O. S. 253. Der Leiter eines Hotels, welcher in der räumlich damit verbundenen Wasch­ anstalt Personen bis 10 Uhr an Sonntagen beschäftigt, verstößt nicht gegen § 105 b Gew.O., da die letztere nur einen Theil des Hotelbetriebes bildet. Erk. d. K.G. o. 11. Februar 1897. Goltd. Arch. 45 S. 65. Die Beschäftigung in einer Gärtnerei mit den zur Erhaltung der Pflanzen nothwendigen Arbeiten gilt nicht als Beschäftigung im Betriebe eines Handelsge­ werbes, selbst wenn die Gärtnerei selbst gewerblich betrieben wird. Erk. d. K.G. v. 8. März 1894. Reger XIV. S. 349.

302

Gewerbe-Ordnung § 105c.

§ 105c. Die Bestimmungen des § 105b finden keine Anwendung: 1. auf Arbeiten, welche in Nothfällen ober im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen; 2. für einen Sonntag auf Arbeiten zur Durchführung einer gesetz­ lich vorgeschriebenen Inventur; 3. auf die Bewachung der Betriebsanlagen, auf Arbeiten zur Reinigung und Instandhaltung, durch welche der regel­ mäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebes be­ dingt ist, sowie auf Arbeiten, von welchen die Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebes abhängig ist, sofern nicht diese Arbeiten an Werktagen vorgenommen werden können; 4. auf Arbeiten, welche zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeug­ nissen erforderlich sind, sofern nicht diese Arbeiten an Werk­ tagen vorgenommen werden können; 5. auf die Beaufsichtigung des Betriebes, soweit er nach Ziffer 1 bis 4 an Sonn- und Festtagen stattfindet. Gewerbetreibende, welche Arbeiter an Sonn- und Festtagen mit Arbeiten der unter Ziffer 1 bis 5 erwähnten Art beschäftigten, find verpflichtet, ein Verzeichniß anzulegen, in welches für jeden einzelnen Sonn- und Festtag die Zahl der beschäftigten Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung sowie die Art der vorgenommenen Arbeiten einzutragen find. Das Verzeichniß ist auf Erfordern der Ortspolizeibehörde sowie dem im § 139 b bezeichneten Beamten jederzeit zur Einsicht vorzulegen. Bei den unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten, sofern dieselben länger als drei Stunden dauern, oder die Arbeiter am Besuche des Gottesdienstes hindern, find die Gewerbetreibenden verpflichtet, jeden Arbeiter entweder an jedem dritten Sonntage volle sechsunddreißig Stun­ den, oder an jedem zweiten Sonntage mindestens in der Zeit von sechs Uhr Morgens bis sechs Uhr Abends von der Arbeit frei zu lassen. Handelsgewerbe im Sinne bei § 105b Gew.O. ist insbesondere jeder Großund Kleinhandel einschließlich des Hausirhandels, ferner Geld- und Kredithandel, Leihanstalten so wie die sog. Hülfsgewerbe des Handels (Spedition, Kommission. Handelslager). Die Begriffsbestimmung des Handelsgesetzbuchs ist nicht maßgebend. Wenn daher ein Landwirth in einer benachbarten Stadt von einer dort errich­ teten Verkausstelle oder Niederlage ans Milch verkauft, oder umherziehend aus den Straßen vom Wagen aus oder mittelst AuSrufens oder auf dem Wochenmarkt ge­ werbsmäßig Milch feilbietet, so betreibt er ein Handelsgewerbe, nicht aber wenn er selbstgewonnene Milch aus vorgängige Bestellung durch sein Fuhrwerk dm Bestellem liefert. Erk. d. K.G. v. 10. und 16. Juli 1893. Reger XU. S. 9.131. Unter „Gewerbebetrieb" ist der Inbegriff aller derjenigen Thätigkeiten zu ver­ stehen, welche der Gewerbetreibende im direkten Berkehr mit den Kunden zu erledigen

Gewerbe-Ordnung §

103 d.

303

Ausnahmen von den Vorschriften des vorstehenden Absatzes darf die untere Verwaltungsbehörde gestatten, wenn die Arbeiter am Besuche des sonntäglichen Gottesdienstes nicht gehindert werden und ihnen an Stelle des Sonntags eine vierundzwanzigstündige Ruhezeit an einem Wochentage gewährt wird. § 105d. Für bestimmte Gewerbe, insbesondere für Betriebe, in denen Ar­ beiten vorkommen, welche ihrer Natur nach eine Unterbrechung oder einen Aufschub nicht gestatten, ihrer Natur nach

sowie für Betriebe,

welche

aus bestimmte Jahreszeiten beschränkt find,

oder welche in gewiffen Zeiten des Jahres zu einer außergewöhnlich verstärkten Thätigkeit genöthigt find, können durch Beschluß des Bundesraths Ausnahmen von der Bestimmung des § 105b Absatz 1 zugelassen werden. Die Regelung der an Sonn- und Festtagen in

diesen Betrieben

gestatteten Arbeiten und der Bedingungen, unter welchen fie gestattet find, erfolgt für alle Betriebe derselben Art gleichmäßig und unter Berückfichtigung der Bestimmung des § 105c Absatz 3. Die vom Bundesrath getroffenen Bestimmungen find Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstag

durch bei

das

seinem

nächsten Zusammentritt zur Kenntnißnahme vorzulegen. hat.

Diese Thätigkeiten dürfen über die im § 105 b freigegebene Zeit nicht hinaus­

gehen.

Erk. d. K.G. v. 29. März 1897.

Goltd. Arch. 45. S. 65.

Ein Stellenvermittler, welcher an einem Sonntage während der geschlos­ senen Zeit in seinem Geschäftszimmer seinem Gewerbe in der Art nachgeht, daß er in demselben den Stellenbewerbern Stellen nachweist, macht sich nicht strafbar im Sinne des § 105 b, da das Geschäftszimmer nicht als Verkaufsstelle sondern nur als ein Raum anzusehen ist, in welchem die Vermittelung bezw. der Abschluß von Dienstverträgen stattfindet. Erk. d. K.G. v. 8. Juli 1897. 7. 8.

Deutsche Juristen-Zeitung 1898 S. 22.

Vgl. auch Note 2 zu § 41 a Gew O. Die Strafvorschrift ist in § 146a Gew O, enthalten.

Zu 8 105 c. 1. Diese Bestimmung beruht auf dem Reichsgesetz vom 1. Juni 1891. des Zeitpunktes der Wirksamkeit desselben vgl. Note 1 zu § 120 Gew.O.

Wegen

2. Das in Abs. 2 vorgesehene Verzeichniß soll eine wirksame Kontrole dafür bieten, daß die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen sich auf diejenigen Arbeiten

beschränkt,

welche

Weiteres gestattet bleiben sollen. 8. 4.

nach

der Absicht

des Gesetzes

allein

ohne

(Motive.)

Vgl. die Note 2 und 3 zu § 105 a. Die bezügliche Strafvorschrift ist in § 149 Nr. 7 enthalten.

Zu § 105 d. 1.

Vgl. Note 1 zu tz 105 c.

2. Die betreffenden Ausnahmebestimmungen sind durch die Bek. v. 5. Febr. 1895 R.G.Bl. S. 12) geregelt. Dieselbe ist im Anhang I. Nr. 38 zum Abdruck gebracht.

§ 105 e. Für Gewerbe, deren vollständige oder theilweise Ausübung an Sonnund Festtagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist, sowie für Be­ triebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch Wind oder un­ regelmäßige Wafferkraft bewegten Triebwerken arbeiten, können durch Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde Ausnahmen von den im § 105 b getroffenen Bestimmungen zugelassen werden. Die Re­ gelung dieser Ausnahmen hat unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 105 c Absatz 3 zu erfolgen. Das Verfahren auf Anträge wegen Zulassung von Ausnahmen für Betriebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wafferkraft bewegten Triebwerken arbeiten, unterliegt den Vorschriften der §§ 20 und 21. § 105 f. Wenn zur Verhütung eines unverhältnißmäßigen Schadens ein nicht vorherzusehendes Bedürfniß der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Festtagen eintritt, so können durch die untere Verwal­ tungsbehörde Ausnahmen von der Bestimmung des § 105b Absatz 1 für bestimmte Zeit zugelassen werden. Die Verfügung der unteren Verwaltungsbehörde ist schriftlich zu erlaffen und muß von dem Unternehmer auf Erfordern dem für die Revision zuständigen Beamten an der Betriebsstelle zur Einsicht vorge­ legt werden. Eine Abschrift der Verfügung ist innerhalb der Betriebsstätle an einer den Arbeitern leicht zugänglichen Stelle auszuhängen. Die untere Verwaltungsbehörde hat über die von ihr gestatteten Ausnahmen ein Verzeichniß zuführen, in welchem die Betriebsstätte, die gestatteten Arbeiten, die Zahl der in dem Betriebe beschäftigten und der an den betreffenden Sonn- und Festtagen thätig gewesenen Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung, sowie die Dauer und die Gründe der Erlaubniß einzutragen sind. 3« § 105 e. 1. Was die Gewerbsarten anlangt, welche hier in Frage kominen, so handelt es sich nach den Ergebnissen der Erhebungen insbesondere um die Eiswerke, Gas­ werke, Mineralwasseranstalten, sowie um die Friseure, Fleischer, Bäcker und um die Cigarren- und Blumengeschäste. Daß auch für Betriebe, welche ausschließlich mit durch Wind oder unregel­ mäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten, in Nebereiiistimniung mit den Be­ schlüsse» des Reichstags, besondere Ausnahmen zu bewilligen sind, entspricht nicht nur den meisten zur Zeit geltenden landesgesehlichen Bestimmungen, sondern auch viel­ fachen bei den Erhebungen über die Sonntagsruhe laut gewordenen Wünschen. Motive.

Gewerbe-Ordnung §§

106 g, 105 b, 105 i, 106.

306

§ 105g. Das Verbot der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Fest­ tagen kann durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths aus andere Gewerbe ausgedehnt werden. Diese Verord­ nungen find dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnißnahme vorzulegen. Auf die von dem Verbote zuzulassenden Ausnahmen finden die Bestimmungen der §§ 105c bis 105f ent­ sprechende Anwendung. § 105h.

Die Bestimmungen der §§ 105a bis 105g stehen weitergehenden landesgesetzlichen Beschränkungen der Arbeit an Sonn- und Festtagen nicht entgegen. Den Landes-Zentralbehörden bleibt vorbehalten, für einzelne Festtage, welche nicht auf einen Sonntag fallen, Abweichungen von der Vorschrift des § 105 b Absatz 1 zu gestatten. Auf das Weihnachts-, Neujahrs-, Oster-, Himmelfahrts- und Pfingstfest findet diese Bestimmung keine Anwendung. § 105 i. Die §§ 105a Absatz 1, 105b bis 105g finden auf Gast- und Schankwirthschaftsgewerbe, Musikaufführungen, Schaustellun­ gen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, so­ wie auf Verkehrsgewerbe keine Anwendung. Die Gewerbetreibenden können die Arbeiter in diesen Gewerben nur zu solchen Arbeiten an Sonn- und Festtagen verpflichten, welche nach der Natur des Gewerbebetriebes einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten. § 106. Gewerbetreibende, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt find, dürfen, so lange ihnen diese Rechte entzogen bleiben, mit der Anleitung von Arbeitern unter achtzehn Jahren sich nicht befassen. Die Entlastung der dem vorstehenden Verbote zuwider beschäftigten Arbeiter kann polizeilich erzwungen werden. 2.

Vgl. die Note 1 zu h 105c und die Noten 2 und 3 zu § 105a.

3u §§ 105f,h,l. Wie Noten 2 und 3 zu § 105 e.

3» 8 106. 1. Diese Vorschrift ist in das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 unverändert übernommen. 2.

Die betreffende Strafbestimmung ist in § 150 Nr. 1 der Gew O, enthalten.

MarcinowSki, Deutsche Gewerbe-Ordnuug. 6. Auslage.

20

Gewerbe-Ordnung § 107.

306

§ 107. Minderjährige Personen dürfen, soweit reichsgesetzlich nicht ein Anderes zugelassen ist, als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn fie mit einem Arbeitsbuche versehen find.

Bei der Annahme solcher Arbeiter

hat der Arbeitgeber das Arbeitsbuch einzufordern. Er ist verpflichtet, daffelbe zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältniffes wieder auszuhändigen. Die Aushändigung erfolgt an den Vater oder Vormund, sofern diese es ver­ langen, oder der Arbeiter das sechszehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, anderenfalls an den Arbeiter selbst.

Mit Genehmigung der Ge­

meindebehörde des im § 108 bezeichneten Ortes kann die Aushändi­ gung des Arbeitsbuches auch an die Mutter oder einen sonstigen Angegehörigen oder unmittelbar an den Arbeiter erfolgen. Auf Kinder, welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, finden vorstehende Bestimmungen keine Anwendung.

Zu § 107. 1.

Die gegenwärtige Fassung beruht auf dem Reichsgeseh vom 1. Juni 1891.

In der früheren Fassung lautete dieser Paragraph wie folgt: Personen unter einundzwanzig Jahren dürfen, soweit reichsgesetzlich nicht ein Anderes zugelassen ist, als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie mit einem Arbeitsbuche versehen sind.

Bei der Annahme solcher Arbeiter

hat der Arbeitgeber das Arbeitsbuch einzufordern. zu verwahren,

auf amtliches

Er ist verpflichtet, dasielbe

Verlangen vorzulegen und nach rechtmäßiger

Lösung des Arbeilsverhältnisses dem Arbeiter wieder auszuhändigen. Auf Kinder,

welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet

sind, finden vorstehende Bestimmungen keine Anwendung. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit

des neuen Gesetzes vgl. Note 1 zu

§ 120 Gew.O. 2.

Die Anweisung des Handels-Ministers vom 26. Februar 1892 zur Aus­

führung des Gesetzes vom 1. Juli 1891 (M.Bl. S. 89) hat zu den §§ 107 bis 114 Folgendes bestimmt: I.

Eines Arbeitsbuches bedürfen die aus der Volksschule (d. h. der ge­

wöhnlichen Werktagsschule mit Ausnahme der Fortbildungs- und ähnlichen Schulen) entlassenen minderjährigen

gewerblichen

Arbeiter ohne Unterschied

des Geschlechts.

Hiernach sind, abweichend von dem bisher geltenden Rechte, Personen unter 21 Jahren von der Führung eines Arbeitsbuches entbunden, sofern sie nach den geltenden Be­ stimmungen großjährig oder für großjährig erklärt sind. Zu den „gewerblichen Arbeitern", welche für den Fall der Minderjährigkeit zur Führung eines Arbeitsbuches verpflichtet sind, gehören, wie aus der gegenwärtigen Fassung der Ueberschrift des Titels VII der Gewerbe-Ordnung erhellt, auch die Be­ triebsbeamten, Werkmeister und Techniker. Ob die Arbeiter ausdrücklich als „Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker oder Fabrik-Arbeiter" angenommen sind oder nur thatsächlich als solche beschäftigt werden, ob sie von Handwerkern oder von größeren GewerbeUnternehmern angenommen sind,

ob sie in deren Behausung, ob sie in Werkstuben,

Gewerbe-Ordnung § 107.

307

Werkstätten, in Fabriken, rat Freien, insbesondere auch auf Bauplätzen und bei Bauten arbeiten, ist unerheblich. Die Arbeiter in Hüttenwerken, auf Zimmerplätzen und anderen Bau­ höfen sowie auf Werften gehören zu den gewerblichen Arbeitern und sind demnach zur Führung eines Arbeitsbuches verpflichtet. II. Von der Verpflichtung zur Führung eines Arbeitsbuches sind ausdrücklich entbunden: Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken und Handelsgeschäften. III. Nach den bisherigen Bestimmungen waren auch die in Fabriken beschäf­ tigten Kinder unter 14 Jahren von der Führung eines Arbeitsbuches entbunden, da diese Personen, ebenso wie die noch zum Besuche der Volksschule verpflichteten, in Fabriken beschäftigten jungen Leute von 14—16 Jahren nach § 137 Abs. 1 a. a. O. eine Arbeitskarte führen mußten. Nachdem die Verpflichtung zur Führung einer Arbeitskarte durch die neue Fassung des § 137 aufgehoben worden ist, tritt nach § 107 Absah 1 anch für die nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichteten Kinder, welche in Fabriken und diesen gleichstehenden Anlagen beschäftigt werden, die Verpflichtung zur Führung eines Arbeitsbuches ein. Die Bestimmungen des bisherigen § 137 über die Arbeitskarten und die dazu nach der Anweisung an die Orts-Polizeibehörden vom 24. Oktober 1878 ergangenen Ausführungs-Vorschriften bleiben dagegen für diejenigen Kinder und diejenigen zum Besuche der Volksschule noch verpflichteten jungen Leute von 14—16 Jahren, welche ausweislich der für sie ausgestellten Arbeitskarte bereits vor dem 1. Juni 1891 in Fabriken und diesen gleichstehenden Anlagen beschäftigt waren, solange in Geltung, bis für sie nach Vollendung des 14. Lebensjahres und nach Beendigung der Schul­ pflicht ein Arbeitsbuch ausgestellt worden ist, keinesfalls aber länger als bis zum 1. April 1894 (Artikel 9 Absatz 4 des Gesetzes vom 1. Juni 1891). IV. Zu den gewerblichen Arbeitern im Sinne des Gesetzes sind unter Anderen nicht zu rechnen und zur Führung eines Arbeitsbuches nicht verpflichtet: 1. Kinder, welche bei ihren. Angehörigen und für diese, und zwar nicht auf Grund eines Arbeitsvertrages, mit gewerblichen Arbeiten beschäftigt sind; 2. Personen, welche im Gesinde-Verhältnisse stehen; 3. die mit gewöhnlichen auch außerhalb des Gewerbes vorkommenden Arbeiten beschäftigten Tagelöhner und Handarbeiter. V. Personen, welche nach der Auffasiung der Behörde vermöge der Art ihrer Beschäftigung eines Arbeitsbuches nicht bedürfen, ist die Ausstellung eines solchen, wenn sie von ihnen beantragt wird, nicht zu verweigern. . VI. Die Arbeitsbücher werden von den Orts-Polizeibehörden ausgestellt. Sie müssen vom 1. April 1892 an nach Format, Papier und Druck der von dem Reichskanzler festgestellten Einrichtung entsprechen und insbesondere für die Eintra­ gungen der Arbeitgeber mindestens die in dem vorgeschriebenen Muster angegebene Seitenzahl enthalten. Arbeitsbücher mit größerer Seitenzahl sind zulässig, doch müssen die Angaben der Seitenzahl, sowie die Vordrucke für die Eintragungen und deren Nummerirung bis zur letzten Seite fortlaufen. Die Arbeitsbücher für männ­ liche Arbeiter müssen einen blauen, diejenigen für weibliche einen braunen Um­ schlag haben. VII. Ueber die ausgestellten Arbeitsbücher ist von der Orts-Polizeibehörde nach einem vorgeschriebenen Formular ein für jedes Kalenderjahr abschließendes 93er» zeichniß zu führen.

308

Gewerbe-Ordnung § 107.

Vin. Die Orts-Polizeibehörde hat Arbeitsbücher nur für solche Arbeiter aus­ zustellen, welche im Bezirk entweder ihren letzten dauernden Aufenthalt gehabt oder falls ein solcher im Gebiet des Deutschen Reiches nicht stattgefunden hat, ihren ersten deutschen Arbeitsort gewählt haben (§ 108). Die Ausstellung eines Arbeitsbuches darf Überdies nur erfolgen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß für den Arbeiter bis dahin ein Arbeitsbuch noch nicht ausgestellt, oder daß das für ihn ausgestellte Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder nicht mehr brauchbar oder verloren gegangen oder vernichtet ist, oder daß von dem Arbeitgeber unzulässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche gemacht sind, oder daß von dem Arbeitgeber ohne rechtmäßigen Grund die Aushändi­ gung des Arbeitsbuches verweigert wird (§§ 108, 109, 112). IX. Wird der Antrag auf Ausstellung eines Arbeitsbuches nicht von dem Vater oder Vormunde gestellt, so hat die Orts-Polizeibehörde den Nachweis zu fordem, daß der Vater oder Vormund dem Antrage zustimmt, oder in den Fällen, wo die Erklärung des Vaters nicht beschafft werden kann, oder wo der Vater ohne genügenden Grund und zum Nachtheil des Arbeiters die Zustimmung verweigert, daß die Gemeindebehörde desjenigen Ortes, wo der Arbeiter seinen letzten dauernden Aufenthalt gehabt oder wo, in Ermangelung eines solchen innerhalb des Deutschen Reiches, der Arbeiter seinen ersten deutschen Arbeitsort gewählt hat, die Zustimmung des Vaters ergänzt hat (§ 108). Daß die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen sei. wird in der Regel nur anzunehmen sein, wenn der letztere körperlich oder geistig unfähig ist, eine Erklärung abzugeben, oder wenn sein Aufenthalt unbekannt oder der Art ist, daß ein mündlicher oder schriftlicher Verkehr mit ihm nicht möglich ist. Eine Ergänzung der Zustimmung des Vormundes ist im Gesetze nicht vorgesehen und demnach auch nicht aus­ zusprechen. Die Ergänzung der Zustimmung des Vaters ist, wo sie gesetz­ lich begründet erscheint. schriftlich auszusprechen und mit Unterschrift und Siegel zu versehen. Der Nachweis der Zustimmung des Vaters oder Vormundes ist durch Bei­ bringung einer mündlichen oder schriftlichen Erklärung des Vaters oder Vormundes, der Nachweis der Ergänzung der Zustimmung des Vaters ist durch eine schriftliche Bescheinigung der vorbezeichneten Gemeindebehörde zu erbringen. X. Soweit nicht anderweit feststeht, daß der Arbeiter zum Besuch der Volks­ schule nicht mehr verpflichtet ist, ist darüber eine Bescheinigung des SchulInspektors desjenigen Ortes zu erfordern, wo der Arbeiter aus der Volksschule entlasten ist. XI. Sofern Jahr. Tag und Ort der Geburt des Arbeiters nicht anderweit feststehen, ist die Beibringung einer Geburts-Urkunde (Geburts-, Tauf. Scheines) zu fordem. XII. Die Ausstellung des Arbeitsbuches erfolgt durch Ausfüllung der beiden ersten Seiten des Formulars nach dem bestimmten Muster. Die Nummer des Ar­ beitsbuches muß mit der laufenden Nummer des Verzeichnisies der Arbeitsbücher (VII) übereinstimmen. Die Aushändigung des Arbeitsbuches darf erst erfolgen, wenn sämmtliche Spalten des Verzeichniffes der Arbeitsbücher ausgefüllt sind. XIII. 1. Wird die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuches an Stelle eines früheren bei der Orts-Polizeibehörde beantragt, so hat diese festzustellen, von welcher Behörde und in welchem Jahre das letztere ausgestellt war, sowie, ob dasselbe vollständig ausgeftillt, oder unbrauchbar geworden oder

Gewerbe-Ordnung § 107.

309

verloren gegangen, oder vernichtet ist. Das Ergebniß dieser Feststellung ist in das Arbeitsbuch und in das Verzeichniß der Arbeitsbücher (VII) an der bestimmten Stelle einzutragen (§ 109 Absatz 2). 2. Ist das frühere Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder unbrauchbar ge­ worden, so ist es auf der letzten Seite durch amtlichen Vermerk zu schließen (§ 109 Absah 1). 3. Die Ausstellung des neuen Arbeitsbuches ist der Behörde, welche das frü­ here Arbeitsbuch ausgestellt hat, unter Angabe des Zahres der Ausstellung anzuzeigen und von dieser in ihrem Verzeichnisse der Arbeitsbücher (VII) unter der Rubrik „Bemerkungen" zu vermerken. Die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuches kann auch dann nicht verweigert werden, wenn das frühere Arbeitsbuch von dem Inhaber absichtlich unbrauchbar gemacht oder vernichtet ist. In diesem Falle ist aber die Bestrafung des Arbeiters nach § 150 Nr. 3 der Gewerbe-Ordnung herbeizuführen. Jngleichen ist die Bestrafung des Arbeitgebers oder seines bevollmächtigten Betriebsleiters nach § 146 Nr. 3 und § 150 Nr. 2 a. a. O. herbeizu­ führen, sofern unzulässige Eintragungen oder Vermerke in das Arbeitsbuch gemacht worden sind, oder ohne rechtmäßigen Grund seine Aushändigung verweigert wird. 4. Bei der Vornahme der Eintragungen in die Arbeitsbücher durch die hierzu bevollmächtigten Betriebsleiter (§111 Absah 2) ist darauf zu achten, daß die letzteren ihre Unterschrift mit einem das Vollmachts-Verhältniß ausdrücken­ den Zusatze zu versehen haben. XIV. Die Ausstellung der Arbeitsbücher muß kosten- und stempel­ frei erfolgen. Nur für die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuches an Stelle eines unbrauchbar gewordenen, verloren gegangenen oder vernichteten kann eine Ge­ bühr bis zum Betrage von 50 Pfennigen erhoben werden (§ 109 Abs. 2). Ist die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuchs durch Verschulden des Arbeitgebers nothwendig geworden, so ist diese Gebühr von dem Arbeitgeber einzuziehen (§ 112 Absah 1). XV. Während der bisherige § 107 die Arbeitgeber verpflichtete, das Arbeits­ buch an den Arbeiter selbst auszuhändigen, hat die Aushändigung des Arbeitsbuches nunmehr bei den Arbeitern unter 16Jahren an den Vater oder Vornmnd zu er­ folgen. Bei Arbeitern über 16Zahren hat dies dann zu geschehen, wenn der Vater oder der Vormund es ausdrücklich verlangt. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde des im § 108 bezeichneten Ortes kann die Aushändigung auch an die Mutter oder einen sonstigen Angehörigen oder unmittelbar an den Arbeiter erfolgen. Diese Genehmigung ist insbesondere in solchen Fällen zu ertheilen, wo die Aus­ händigung des Arbeitsbuchs an den Vater oder Vormund wegen desien Abwesenheit oder Erkrankung schwer zu bewirken ist oder wegen mangelnder geistiger oder sittlicher Qualifikation des Vaters zum Nachtheil des minderjährigen Arbeiters gereichen würde. Zur Aushändigung des Arbeitsbuchs an „sonstige Angehörigen" des Arbeiters ist die Genehmigung nur zu ertheilen, wenn der Aushändigung an die Mutter Gründe der vorbezeichneten Art oder andere triftige Gründe entgegenstehen, und endlich an den Arbeiter selbst nur dann, wenn dies auch bezüglich der sonstigen Angehörigen desielben der Fall ist. Unter „Angehörigen" sind solche Verwandte oder Haus­ genossen des minderjährigen Arbeiters zu verstehen, welche an Stelle der Eltern oder in Vertretung des Vormundes thatsächlich die Pflege und Fürsorge für denselben ausüben. XVI. Ein Zeugniß über Art und Dauer der Beschäftigung, sowie über Führung und Leistungen (§ 113) kann sowohl der minderjährige Arbeiter selbst

310

Gewerbe-Ordnung § 108. § 108.

Das Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat, wenn aber ein solcher im Gebiete des Deutschen Reichs nicht stattgefunden hat, von der Polizeibehörde des von ihm zuerst erwählten deutschen Arbeitsortes kosten- und stempelfrei ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes; als sein Vater oder Vormund fordern. Die Aushändigung der Arbeitszeugnisse erfolgt an den Arbeiter, auch an denjenigen, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar, falls nicht der Vater oder Vormund verlangt hat. daß die Aus­ händigung an ihn geschehe. Die Gemeindebehörde darf die Genehmigung zur unmittelbaren Aushändigung des Zeugnisies an den Arbeiter gegen den Willen des Vaters oder Vormundes nur dann ertheilen, wenn die Aushändigung an letzteren wegen mangelnder geistiger oder sittlicher Qualifikationen des Vaters oder aus anderen Gründen zum offenbaren Nachtheil des minderjährigen Arbeiters gereichen würde. XVII. Die Orts-Polizeibehörden haben sich sofort mit einer hinreichenden Anzahl von neuen Formularen zu Arbeitsbüchern zu versehen und solche fottlaufend vorräthig zu halten. Die bisher benutzten Formulare sind als unbrauchbar zu vernichten. Für den erstmaligen Bedarf an Formularen kommt in Betracht, daß im Hin­ blick auf die Aenderungen, welche die §§ 107—114 der Gewerbe-Ordnung und die Einrichtung des Arbeitsbuchs mit dem 1. April 1892 erfahren, von diesem Zeitpuntt an sich auch diejenigen minderjährigen Arbeiter mit einem den neuen Bestimmungen entsprechenden Arbeitsbuch versehen müssen, welche bereits jvorher in Beschäftigung getreten sind. Die bisherigen Arbeitsbücher sind alS nicht mehr brauchbar durch einen amtlichen Vermerk zu schließen. Eine Gebühr darf für diese durch den Erlaß des Gesetzes vom 1. Juni 1891 nothwendig gewordene Ersetzung der bisherigen Arbeits­ bücher durch neue nicht erhoben werden Es empfiehlt sich, die Arbeiter und Arbeit­ geber durch wiederholte Bekanntmachungen unter Hinweis auf die Strafbestimmungen des § 150 Ziffer 1 und 2 der Gewerbe-Ordnung hierauf aufmerksam zu machen und dabei gleichzeitig auch die unter III. bezeichneten Bestimmungen hervorzuheben. Sollten die Orts-Polizeibehörden sich einen den ersten Anforderungen genügenden Vorrath von Formularen nicht zeitig genug beschaffen können, so sind zunächst die­ jenigen Arbeiter, welche in eine neue Beschäftigung eintreten und sodann unter den übrigen diejenigen Kinder und jungen Leute, welche in Fabriken und diesen gleich­ stehenden Anlagen (vergl. unter I.) beschäftigt sind, mit Arbeitsbüchern zu versehen. 8. Wegen des Begriffes der Volksschule vgl. die Note 2 zu § 108 Gew.O. 4, Die betreffenden Strafbestimmungen sind in § 150 Gew.O. enthalten. 3« § 108. 1. Diese Vorschrift beruht auf den Bestimmungen des mit dem 1. Januar 1884 in Wirksamkeit getretenen Reichsgesetzes vom 1. Juli 1883. In der früheren Fassung lautete § 108 wie folgt: Das Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizeibehörde des­ jenigen Ottes, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat, kosten- und stempelfrei ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder Vormundes; ist die Er-

Gewerbe-Ordnung § 109.

311

ist die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen, oder verweigert der Vater die Zustimmung ohne genügenden Grund und zum Nachtheile des Arbeiters, so kann die Gemeindebehörde die Zustimmung deffelben ergänzen.

Vor der Ausstellung ist nachzuweisen, daß der Arbeiter zum

Besuche der Volksschule nicht mehr verpflichtet ist, und glaubhaft zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht ausgestellt war.

§ 109. Wenn das Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder nicht mehr brauch­ bar, oder wenn es verloren gegangen oder vernichtet ist, so wird an Stelle deffelben ein neues Arbeitsbuch ausgestellt.

Die Ausstellung erfolgt

durch die Polizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem der Inhaber des Arbeitsbuches zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat.

Das aus-

klärung des Vaters nicht zu beschaffen, so kann die Gemeindebehörde die Zustimmung desselben ergänzen.

Vor der Ausstellung ist nachzuweisen, daß

der Arbeiter zum Besuche der Volksschule nicht mehr verpflichtet ist, und glaubhaft zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht aus­ gestellt war. Die geänderte unterscheidet sich von der bisherigen Fassung dadurch, daß eine Bestimmung darüber getroffen ist, welche Behörde in dem Falle, daß der Arbeiter einen bauemben Aufenthalt im Reichsgebiete bisher nicht gehabt hat, für ihn das Arbeitsbuch auszustellen hat. Diese Vorschrift

ist in das Reichsgeseh vom 1. Juni 1891

unverändert über­

nommen. 2.

Die Volksschule im Sinne dieses Gesetzes umfaßt nur die gewöhnliche

Werktagsschule, nicht auch den Unterricht, welcher in sogenannten Abend-, Sonntags-, Feiertagsschulen n. s. w. ertheilt wird und zu dessen Besuch die jungen Leute wohl auch noch nach Entlassung aus der Werktagsschule landesrechtlich verpflichtet sind. 3.

Die

AussührungSbestimmungen

bezüglich

der Vorschriften

wegen

Ausstellung der Arbeitsbücher und der Beschäftigung der Arbeiterinnen und jugend. lichen Arbeiter in den Fabriken sind in der Anweisung des Handelsministers vom 24. Oktober

1878 (M.Bl.

S. 252—264)

enthalten.

Vom 1. April 1892

gilt die

Anweisung vom 26. Februar 1892. 4.

Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hinsichtlich des Dienst-

und Arbeitsverhältnisses,

sowie

die in

§ 108 Gew.O. bezeichneten

Streitigkeiten,

sofern sie während der Dauer des Dienst-, Arbeits- oder Lehrverhältnisses entstehen, gehören, ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes, zur Zuständigkeit der Amtsgerichte. § 23 Nr. 2 Absah 2 des Gerichtsverfassungsgesehes vom 27. Januar 1877. R.G.Bl. S. 41. 5.

Die betreffende Strafbestimmung ist in § 150 Nr. 2 Gew.O. enthalten. Zu § 109.

Diese übernommen.

Vorschrift

ist

in

das

Reichsgesetz

vom

1. Juni

1891

unverändert

312

Gewerbe-Ordnung §§ 110, 111. 112.

gefüllte oder nicht mehr brauchbare Arbeitsbuch ist durch einen amtlichen Vermerk zu schließen. Wird das neue Arbeitsbuch an Stelle eines nicht mehr brauchbaren, eines verloren gegangenen oder vernichteten Arbeitsbuches ausgestellt, so ist dies darin zu vermerken. Für die Ausstellung kann in diesem Falle eine Gebühr bis zu fünfzig Pfennig erhoben werden. § HO. Das Arbeitsbuch (§ 108) muß den Namen des Arbeiters, Ort, Jahr und Tag seiner Geburt, Namen und letzten Wohnort seines Vaters oder Vormundes und die Unterschrift des Ar­ beiters enthalten. Die Ausstellung erfolgt unter dem Siegel und der Unterschrift der Behörde. Letztere hat über die von ihr ausgestellten Arbeitsbücher ein Verzeichniß zu führen. Die Einrichtung der Arbeitsbücher wird durch den Reichskanzler bestimmt. § 111.

Bei dem Eintritt des Arbeiters in das Arbeitsverhältniß hat der Arbeitgeber an der dafür bestimmten Stelle des Arbeitsbuches die Zeit des Eintritts und die Art der Beschäftigung, am Ende des Arbeits­ verhältnisses die Zeit des Arbeitsverhältniffes, die Zeit des Austritts und, wenn die Beschäftigung Aenderungen erfahren hat, die Art der letzten Beschäftigung des Arbeiters einzutragen. Die Eintragungen find mit Tinte zu bewirken und von dem Ar­ beitgeber oder dem dazu bevollmächtigten Betriebsleiter zu unterzeichnen. Die Eintragungen dürfen nicht mit einem Merkmal versehen sein, welches den Inhaber des Arbeitsbuches günstig oder nachtheilig zu kenn­ zeichnen bezweckt. Die Eintragung eines Urtheils über die Führung oder die Lei­ stungen des Arbeiters und sonstige durch dieses Gesetz nicht vorgesehene Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche sind un­ zulässig. §

112.

Ist das Arbeitsbuch bei dem Arbeitgeber unbrauchbar geworden, verloren gegangen oder vernichtet, oder sind von dem Arbeitgeber unzu3« §

ho.

Die frühere Fassung hat durch das Reichsgesetz vom I.Juni 1891 nur durch Einfügung der Worte: „Namen und letzten Wohnort seines Vaters oder Vormundes" eine Aenderung erfahren. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit des neuen Gesetzes vergl. Note 1 zu § 120 Gew.O.

Gewerbe-Ordnung § 113.

313

lässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeits­ buche gemacht, oder wird von dem Arbeitgeber ohne rechtmäßigen Grund die Aushändigung des Arbeitsbuches verweigert, so kann die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuches auf Kosten des Arbeitgebers beansprucht werden. Ein Arbeitgeber, welcher das Arbeitsbuch seiner gesetzlichen Ver­ pflichtung zuwider nicht rechtzeitig ausgehändigt oder die vorschrifts­ mäßigen Eintragungen zu machen unterlassen oder unzulässige Merkmale, Eintragungen oder Vermerke gemacht hat, ist dem Arbeiter entschädigungs­ pflichtig. Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht inner­ halb vier Wochen nach seiner Entstehung im Wege der Klage oder Ein­ rede geltend gemacht ist. 8 113. Beim Abgänge können die Arbeiter ein Zeugniß über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern. Dieses Zeugniß ist auf Verlangen der Arbeiter auch auf ihre Füh­ rung und ihre Leistungen auszudehnen. Den Arbeitgebern ist untersagt, die Zeugniffe mit Merkmalen zn versehen, welche den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus dem Wort­ laut des Zeugniffes nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen. Ist der Arbeiter minderjährig, so kann das Zeugniß von dem Vater oder Vormund gefordert werden. Diese können verlangen, daß das Zeugniß nicht an den Minderjährigen, sondern an sie ausgehändigt werde. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde des im § 108 bezeichne­ ten Ortes kann auch gegen den Willen des Vaters oder Vormundes die Aushändigung unmittelbar an den Arbeiter erfolgen. Zu §§ 111, 112. 1. Die frühere Fassung ist unverändert beibehalten. 2. Wenn ein Arbeiter die mit der Ausstellung eines Arbeitsbuches befaßte Polizeibehörde durch unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse ver­ anlaßt hat, ein unrichtiges Geburtsjahr des Arbeiters in das Arbeitsbuch einzutragen, so liegt der Thatbestand intellektueller Urkundenfälschung oder einer sonst strafbaren Handlung nicht vor. Erk. d. R.G. v. 30. Juni 1890. Entsch. XXL S. 31. 3« § 113. 1. Die frühere Fassung enthielt nur den Absatz 1 und 2 der neuen Fassung. Absatz 3 und 4 beruhen auf dem Reichsgesetz vom 1. Juni 1891. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit des letzteren vgl. Note 1 zu tz 120 Gew.O. 2. Auf die zu Abs. 4 § 113 gestellte Frage, welche Gemeindebehörde dort gemeint sei, erwiderte der Kommissar des Bundesrathes in der Sitzung des Reichs­ tages vom 20. Februar 1891, daß es nach Absicht der verbündeten Regierungen

Gewerbe-Ordmmg §§ 114, 115.

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§ 114.

Auf Antrag des Arbeiters hat die Ortspolizeibehörde die Ein­ tragung in das Arbeitsbuch und das dem Arbeiter etwa ausgestellte Zeugniß kosten- und stempelfrei zu beglaubigen. § 115.

Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter in Reichswährung zu berechnen und baar auszu­ zahlen. Sie dürfen den Arbeitern keine Waare kreditiren. Doch ist es ge­ stattet, den Arbeitern Lebensmittel für den Betrag der Anschaffungs­ kosten, Wohnung und Landnutzung gegen die ortsüblichen Mieth­ und Pachtpreise, Feuerung, Beleuchtung, regelmäßige Bekösti­ gung, Arzneien und ärztliche Hülse, sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten für den Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten unter Anrechnung bei der Lohnzahlung zu verabfolgen. Zu einem höheren Preise ist die Verabfolgung von Werkzeugen und Stoffen für Akkordarbeiten zulässig, wenn derselbe den ortsüblichen nicht über­ steigt und im Voraus vereinbatt ist. keinem Zweifel unterliege, daß hier die Gemeindebehörde desselben Ortes gemeint ist, der in den §§ 107, 108, 109 bezeichnet ist. nämlich des Ortes, in welchem der Arbeiter zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat. 3. Unter dem Ausdruck „Merkmale" sollen im Gegensatz zu den Urtheilen und sonstigen Vermerken solche Kennzeichen verstanden werden, deren Bedeutung Un­ eingeweihten nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Eine schriftliche Angabe über die Art der Auflösung des Arbeitsverhältniffes kann daher nicht als ein Merkmal im Sinne des Gesetzes angesehen werden. Erk. d. R.G. v. 6. November 1891. Entsch. XXII. S. 200.

Zu I 114. Die frühere Fassung ist unverändert beibehalten.

3» § 115. Frühere Fassung 1. Selbstkosten, Transportkosten 2. Zeitpunkt der Wirksamkett 2 a. Trucksystem 2 b. Beschlagnahme deS Arbeit-« und Dienstlohnes. Gesetz v. 21. Juni 1869 3. ArrestbruH 4. Zulässigkeit von Lohnabzügen 5. 6. AuS-ablung in Wechseln 7. Kreditiren von Waaren 8. Verabfolgung von Waaren 9.

Inhaltsangabe: Zahlung an Sessionen oder Gläu- Schriftliche Anweisung zumWaaren biaer 10. bezuge 18. Realkoukurrenz mehrerer Delikte 11. Auszahlung in BonS 19. Gehülfen und Lehrlinge in Apothe. Dorfchuffe 20. fen und Handelsgeschäften 12. Begriff der Beköstigung 21. Anwenduna auf Arbeiter in ge« Fahrlässigkeit 22. legentlichem Nebenverdienst 13. Anschaffungskosten 23. Selbständigkeit de- Gewerbebetrie« Strafbarkeit von FainilienmitgliebeS 14—16. dern 24. Stellung de- Fabrikinhabers 15. Leben-mittel 25. Aushändigung von Marken und Vorschuyzetteln 17.

1. Zn der früheren Fassung lautete dieser Paragraph wie folgt: Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter baar in Reichs­ wahrung auszuzahlen. Sie dürfen denselben keine Waaren kreditiren. Die Verabfolgung von LebensMitteln an die Arbeiter fällt, sofern sie zu einem die Anschaffungskosten nicht über-

Gewerbe-Ordnung § 115.

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steigenden Preise erfolgt, unter die vorstehende Bestimmung nicht; auch können den Arbeitern Wohnung, Feuerung, Landnutzung, regelmäßige Beköstigung, Arzneien und ärztliche Hülfe, sowie Werkzeuge und Stoffe, zu den ihnen übertragenen Arbeiten unter Anrechnung bei der Lohnzahlung verabfolgt werden. 2. Die gegenwärtige Fassung beruht auf dem Reichsgesetz vom I.Juni 1891. Die Aenderung im Abs. 1 ist veranlaßt durch die in Elsaß-Lothringen gemachten Erfahrungen, daß die Arbeitgeber die Lohnberechnungen vielfach in französischer, statt in Reichswährung aufstellen. Der Zusah zu Abs. 2 will dem namentlich in einigen Zweigen der Hausindustrie beobachteten Mißbrauch entgegentreten, daß die vom Arbeitgeber gelieferten Werkzeuge und Stoffe den Arbeitern und Hausindustriellen zu einem übertriebenen Preise angerechnet werden. Der Begriff der Selbstkosten, über welchen hinaus eine Anrechnung bei der Lohnzahlung künftig nicht erfolgen soll, deckt sich nicht mit dem Begriffe der Anschaffungskosten, sondern enthält auch die Kosten der Lagerung, Versicherung und sonstigen Unterhaltung, sowie die aufgelaufenen Zinsen der An­ schaffungskosten. Motive des Reichsgesehes vom 1. Juni 1891. Die Bedeutung des Absatzes 1 wurde bei der Kommissionsberathung von Seiten eines Vertreters der verbündeten Regierungen dahin interpretirt, daß durch diese Be­ stimmung Abzüge vom Lohne, z. B. für Wohlfahrtseinrichtungen der Fabrik, oder Stundung, oder Zurückbehaltung eines Theiles des Lohnes (als Kaution) nicht verboten seien. Der Gedanke der Bestimmung sei, wie dies die Rechtsprechung der höchsten Gerichtshöfe ausdrücklich anerkenne, nur, Zahlungssurrogate anstatt baaren Geldes auszuschließen. Absatz 2 gab bei der Kommissionsberathung zu vielfachen Zweifeln Anlaß. Die Frage, ob z. B. auch die Transportkosten als „Anschaffungs­ kosten" gelten könnten, wurde im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung bejaht; da­ gegen wurde es für nicht zulässig erachtet, daß, wenn z. B. beim Transport von Kar­ toffeln ein Drittel derselben verdorben ankäme, dieser Verlust den Abnehmern der anderen Zweidrittel auf den Preis geschlagen würde. Noch mehr Zweifel wurden in dem Aus­ druck „Selbstkosten" gefunden. Es bestand Einstimmigkeit der Auffassung dahin, daß z. B. bei Gewährung von Wohnungen nicht bloß die Kosten der Herstellung, der Steuern und Versicherungsbeiträge rc.. sondern auch ein angemessener Zins und Amortisation zu den „Selbstkosten" zu rechnen seien, daß ebenso auch bei Landnutzung der ortsübliche, jederzeit realisirbare Pachtwerth in Anschlag zu bringen sei. Diese Auffassung wurde durch die Annahme eines Antrages (Nr. 3), wonach bei Wohnung und Landnutzung statt der „Selbstkosten" die „ortsüblichen Mieths- und Pachtpreise" als maßgebend gelten sollten, zum Ausdruck gebracht. 2 a* Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit des neuen Gesetzes vgl. Note 1 zu § 120 Gew O. 2b. Trucksystem nennt man das Verfahren der Arbeitgeber, ihre Arbeiter ganz oder theilweise nicht durch baares Geld, sondern durch gelieferte Naturalien und andere Waaren abzufinden. Es kann Fälle geben, in welchen die Lieferung von Naturalien an Arbeiter durch die.Arbeitgeber für die Ersteren vortheilhaft ist, wenn z. B. bei Eisenbahubauten die Arbeitsstätte so gelegen ist, daß die Arbeiter sich ihre Bedürfnisse im Kleinverkauf gar nicht oder nur schwer zu angemessenen Preisen verschaffen können. In der Regel aber gereicht das Trucksystem den Arbeitern zum Nachtheil, indem es sie nöthigt, ihre Einkäufe in den vom Arbeitgeber selbst errich­ teten oder von demselben begünstigten Läden zu den dort bestehenden, vielfach hoch normirten Preisen zu machen und dabei mangelhafte oder gar schlechte Waaren an­ zunehmen.

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Gewerbe-Ordnung § 115.

3. Gesetz, betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes. Vom 21. Juni 1869. (R.G.Bl. S. 242.) § 1. Die Vergütung (Lohn. Gehalt, Honorar u. f. w.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältniß die Erwerbsthätigkeit des Dergütungsberechtigten voll­ ständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, zum Zwecke der Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe eingefordert hat. § 2. Die Bestimmungen des § 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlagnahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Cession. Anweisung, Verpfändung oder durch ein an­ deres Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkling. § 3. Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten gebührende Vermögensvortheil anzusehen. Auch macht es keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berechnet wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Werth für Material oder mit dem Ersah anderer Auslagen in ungetrennter Summe bedungen, so gilt als Vergütung im Sinne dieses Gesetzes der Betrag, welcher nach Abzug des Preises oder des Werthes der Materialien und nach Abzug der Auslagen übrig bleibt. § 4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung: 1. auf das Gehalt und die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten; 2. auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staatssteuern und Kommunalabgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schul- und sonstige Kommunalverbände mit eingeschlossen), sofern diese Steuern und Abgaben nicht'seit länger als drei Monaten fällig geworden sind; 3. aus die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeit­ punkt vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge; 4. auf das Gehalt und die Dienst^bezüge der im Privatdienste dauernd angestellten Personen, soweit der Gesammtbetrag die Summe von 1200 Mark jährlich übersteigt. Als dauernd in diesem Sinne gilt das Dienstverhültniß. wenn dasselbe gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig mindestens auf Ein Jahr be­ stimmt, oder bei unbestimmter Dauer für die Auflösung eine Kündigungs­ frist von mindestens drei Monaten einzuhalten ist; 4 a. auf die Beitreibung der zu Gunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater für den im § 4 Nr. 3 bezeichneten Zeitraum kraft Gesetzes zu ent­ richtenden Unterhaltsbeiträge findet dieses. Gesetz nur insoweit Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines nothdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, seiner Eheftau oder seiner früheren Ehefrau gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht der Ver­ gütung (§ 1, 3) bedarf. Hierbei werden ausschließlich die Leistungen berück­ sichtigt, welche vermöge einer solchen Unterhaltspflicht für den nämlichen Zeitraum oder, falls die Klage zu Gunsten des unehelichen Kindes nach der Klage eines Unterhaltspflichtigen erhoben ist, für die Zeit von dem

Gewerbe-Ordnung § 115.

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Beginn des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Viertel­ jahrs ab zu entrichten sind. § 5. Dieses Gesetz tritt am 1. August 1869 in Kraft. Die bis dahin verfügten, mit den Vorschriften dieses Gesetzes nicht vereinbaren Beschlagnahmen fiitb auf Antrag des Schuldners aufzuheben oder einzuschränken. Dagegen haben die Bestimmungen des zweiten Absatzes des § 2 auf frühere Falle keine Anwendung. 3a. Die Fassung § 4 Nr. 3 und § 4a beruht auf Art. 1 des R.Ges. vom 29. März 1897. R.G.Bl. S. 159. Durch dieses Gesetz ist auch § 749 Abs. 4 der Civil-Prozeßordnung entsprechend geändert. 4. Der Arrestbruch ist selbst dann, wenn die Beschlagnahme gesetzlich un­ zulässig war, z. B. die Beschlagnahme eines künftig zu entrichtenden Arbeitslohnes, aus § 137 des St.G.B. strafbar. Erk. d- O.T. v. 28. November 1873. Opp. XIV. S. 763. 5. Das Gebot für Gewerbetreibende, die Löhne ihrer Arbeiter nur baar in Reichswährung auszuzahlen, kann nicht dahin aufgefaßt werden, daß die Aus­ zahlung ohne alle Abzüge stattfinden muffe. Erk. d. R.G. v. 13. Dezember 1883. Entsch. V. S. 779. 6. In tz 115 Abs. 2 wird nicht jede Verabfolgung von Waaren an die Ar­ beiter sondern, abgesehen von den Ausnahmen, nur die Kreditirung von Waaren ver­ boten. Die Verabfolgung von Waaren seitens des Gewerbetreibenden an seine Ar­ beiter zu einem den Anschaffungspreis übersteigenden Bettage fällt daher nicht ohne Weiteres unter die gedachte Vorschrift. Erk. d. R.G. v. 20. Oktober 1891. Entsch. XXII. S. 178. 7. Der Fabrikherr, welcher seine Arbeiter nicht in baarem Gelde, sondern theilweise in anderer Weise befriedigt, verwirkt, auch wenn dabei ein Zwang zur Annahme eines anderen Lohnes statt des baaren Geldes nicht stattgefunden hat, die Strafe des § 146 Gew O. . Dasselbe gilt, wenn ein Fabrikherr die Löhne der von ihm beschäftigten Ar­ beiter in Wechseln ausbezahlt. Vergl. Erk. d. O.T. v. 12. Mai 1870 (Opp. XI. S. 304) und vom 2. Zuni 1874 (J.M.Bl. S. 204). Dagegen ist der Arbeitgeber, welcher den einem Arbeiter verschuldeten Lohn nicht diesem, sondern im Einverständniß mit ihm einem Gläubiger deffelben aus­ zahlt, nicht strafbar. Erk. d. O.T. v. 7. Januar 1875. Opp. XVI. S. 28. 8. Das Kreditiren von Waaren im Sinne des § 115 GewO, besteht einerseits in der Uebertragung des Eigenthums der Waaren an den Käufer, anderer­ seits in der Begründung des Kaufgelderanspruchs für den Verkäufer. Hat also eine vorgängige Verabfolgung der Waaren nicht stattgefunden, so liegt ein Kreditiren nicht vor. Erk. d. O.V.G. v. 11. Februar 1887. Reger VIII. S. 15. 9. Auch wenn die den Arbeitern gegebenen Waaren nicht dem Verbote des § 115 Abs. 2 Gew.O. zuwider als kreditirt zu betrachten sind, liegt eine Zuwider­ handlung gegen § 115 Abs. 1 a. a. O. vor, wenn die Lohnforderungen statt zum vollen Bettage baar in Reichswährung theilweise durch Verabfolgung von Waaren berichtigt sind. Dabei ist es rechtlich bedeutungslos, ob die Arbeiter ihre Einwilligung zu diesem Verfahren gegeben haben. Erk. d. R.G. v. 27. Juni 1884. Reger V. S. 8. 10. Es ist statthaft, die Baarzahlung den Arbeitern unter Voraussetzung ihrer Zustimmung mittelbar an Dritte als (Sessionen oder Gläubiger zu leisten.

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Gewerbe-Ordnung § 115.

Die von betn Arbeitgeber einem Dritten gegenüber eingegangene Verpflichtung, zu dessen Sicherheit als Bürge nach Entnahme von Waaren durch die Arbeiter für den fällig gewordenen Kaufpreis haften zu wollen, ist nicht als ein KrediLiren des Gewerbetreibenden den Arbeitern gegenüber aufzufassen. Erk. d. R.G. v. 12. November 1882. Entsch. VII. S. 197. Der Gewerbetreibende bezw. der von ihm mit der Zahlung der Arbeitslöhne an die Arbeiter Beauftragte macht sich strafbar, wenn er zur Tilgung seiner persönlichen Forderung an den Arbeiter einen Betrag des von diesem verdienten Lohnes einbehält. Unter denjenigen Gläubigem, an die aus dem Arbeitslohn wenigstens mittelbar unter gewisien Vorbedingungen Zahlungen geleistet werden können, sind immer nur unbetheiligte ftemde Personen zu verstehen, nicht aber der Gewerbetreibende selbst oder diejenigen, welche zu ihm in dem in § 119 bezeichneten Verhält' nisse stehen. Erk. d. R.G. v. 17. November 1894. Entsch. XXVI. S. 208. Der § 115 GewO, bezieht sich auch auf Theilzahlungen, auch wenn die­ selben als Vorschüsse auf den Lohn vor der Fälligkeit geleistet werden. Erk. d. R.G. v. 13. Dezember 1892. Reger XIV. S. 12. 11. Wenn das Gericht annimmt, daß die Zuwiderhandlung gegen § 115 Gew.O. an verschiedenen Lohnzahlungstagen aus selbständigen Entschlüssen des Arbeit­ gebers beruht, kann realer Zusammenfluß mehrerer Delikte angenommen werden. Erk. d. R.G. v. 13. Januar 1885. VII. S. 32. 12. Die Bestimmungen der §§ 105 bis 133e finden auf Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken, die Bestimmungen der §§ 105, 106 bis 119b, 120a bis 133e finden auf Gehülfen und Lehrlinge im Handelsgewerbe keine Anwendung. Dergl. § 154 Gew.O. 13. Die §§ 115ff. finden auch auf solche Anwendung, welche nur zu gele­ gentlichem Nebenverdienst für einen Gewerbetreibenden Arbeiten verrichten. Wenn der Arbeiter seinen erhaltenen Lohn auch unmittelbar zum Ankauf von Waaren aus dem Geschäfte des Arbeitgebers verwendet und solche Verwen­ dung üblich geworden ist, so wird dadurch, wenn nicht ein ausdrückliches Abkommen zur Umgehung des Gesetzes vorliegt, eine Strafbarkeit oud §§ 146, 115 Gew.O. nicht begründet. Erk. d. R.G. v. 18. Dezember 1885. VII. S. 746. 14. Unter den Gewerbetreibenden im Sinne des § 115 Abs. 1 sind nur selbständige Gewerbetreibende zu verstehen. Es ist daher nur derjenige an diese Norm gebunden, welcher das Gewerbe für eigene Rechnung und unter eigener Ver­ antwortlichkeit betreibt. Die Thatsache, daß Jemandem die Aufsicht über die in einer Fabrik beschäftigten Arbeiter und Maschinisten übertragen und ihm die Befugniß eingeräumt ist, sie nach eigenem Gutdünken anzunehmen und wieder zu entlasten, ist nicht geeignet, ihm die Eigenschaft der Selbständigkeit beizulegen. Auch aus der Verpflichtung zur Lohnzahlung folgt nicht ohne Weiteres die Eigenschaft des Ver­ pflichteten als eines selbständigen Gewerbetreibenden. Erk. d. R.G. v. 19. Oktober 1888. Reger IX. S. 185. 15. Den Fabrikarbeitern steht der Fabrikinhaber und nicht besten Werk­ meister als der Gewerbetreibende gegenüber. Erk. d. R.G. v. 14. Juni 1888. Reger IX. S. 220.

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16s Auch selbständige Gewerbeunternehmer, die selbst Gehülfen be­ schäftigen, welche aber einem andern Unternehmer allein oder doch fast allein Fabri­ kate und Halbfabrikate liefern und nicht für das Publikum arbeiten, müssen aus­ schließlich in Geld ihren Lohn erhalten, wenn sie in wirthschaftlicher Abhängigkeit von ihrem Besteller stehen. Erk. d. R.G. v. 21. Zanuar 1886. VIII. S. 66. 17. Die von einem Gewerbetreibenden oder den ihm gesetzlich gleichgestellten Personen auf Anrechnung des Lohnes an die Arbeiter erfolgte Aus händig ung von Marken, auf welche bei dritten Personen Lebensmittel entnommen werden können, ist unstatthaft und strafbar. Erk. d. R.G. v. 22. September 1882. IV. S. 706. Dgl. auch Erk. R.G. v. 17. November 1896. 29. S. 190. Die Verrechnung von Blechmarken (für Lebensmittel und Waarenbezüge) bei der Lohnauszahlung an die Arbeiter fällt unter das Strafverbot des § 115 Abs. 1 der Gew.O. Erk. d. R.G. v. 23. November 1882. IV. S. 834. Vgl. auch Erk. R.G. v. 28. September 1896. 24. S. 95. Die Verrechnung von Vorschußzetteln (für Lebensmittel) bei der Lohn­ zahlung an die Arbeiter fällt auch dann unter das Verbot der Gewerbe-Ordnung, wenn der ganze Lohnbetrag baar aufgezählt, dann aber vor Uebergabe des Geldes an den Arbeiter mit Zustimmung desselben der dem Vorschußzettel entsprechende Betrag abgezogen wird. Erk. d. R.G. v. 20. April 1886. VIII. S. 304. Vgl. auch Erk. R.G. v. 13. Juni 1895. Blätter für soziale Praxis. V. S. 243. 18. Es steht der baaren Auszahlung der Löhne nicht gleich, wenn den Arbeitern an Lohnesstatt eine schriftliche Urkunde übergeben wird, wodurch sie ermächtigt werden, von einer bestimmten Person Waaren bis zu einem gewissen Geld­ beträge. welchen nicht sie selbst, sondern der Arbeitgeber zu zahlen übernahm, sich verabfolgen zu lassen. Erk. d. R.G. v. 19. April 1880. Entsch. I. S. 385. 19. Die Auszahlung von Lohnvorschüssen an Arbeiter in Bons, welche berechtigen, bei einem bestimmten Gewerbsmann Waaren zu entnehmen, und die Bons als Zahlungsmittel zu benutzen, fällt unter die Strafbestimmung des § 146 Gew.O. Erk. d. R.G. v. 8. Januar 1883. V. S. 18. 20. Eine der direkten Zuwiderhandlung gegen § 115 gleichstehende Umgehung des Gesetzes liegt vor, wenn Arbeitern der Preis der ihnen gelieferten Lebensmittel baar als Vorschuß ausgehändigt ist mit der demnächst auögesührten Verabredung, daß sie die erhaltenen Geldbeträge gleich wieder zur Bezahlung zu verwenden haben. Erk. d. R.G. v. 21. Februar 1890. Reger Erg. I. S. 44. 21. Mit dem Worte „Beköstigung" drückt das Gesetz aus, daß die verabreichten Gegenstände als Kost benutzt worden, also soweit es dessen nach der Natur derselben bedurfte, zum sofortigen Genuß zubereitet gewesen sind. Es liegt darin ferner ausgedrückt, daß an die Arbeiter so viel an Kost verabfolgt sein muß, als die­ selben, wenn auch nur für eine Mahlzeit, zu ihrer Ernährung bedurften. Eine regel­ mäßige Beköstigung ist nur dann vorhanden, wenn den Arbeitern während eines län­ geren Zeitraumes wenigstens eine der üblichen täglichen Mahlzeiten, in welche tränke eingeschlossen sein können, in einer zu sofortigem Genusie geeigneten Weise gewährt worden ist. Erk. d. R.G. v. 7. Juni 1888. Reger IX. S. 191.

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Der Begriff der Selbstkosten, über welche hinaus eine Anrechnung bei der Lohnzahlung nicht erfolgen soll, deckt sich nicht mit dem Begriffe der Anschaffungs­ kosten, fonbent enthält auch die Kosten der Lagerung, Versicherung und sonstigen Unterhaltung so wie auch der aufgelaufenen Zinsen der Anschaffungskosten. Motive. Vgl. auch Erk. R.G. v. 27. Juni 1895. XXVII. S. 321. 22. Die Gewerbe-Ordnung enthält eine größere Anzahl von Bestimmungen zum Schuhe der Arbeiter, welche unbedingt festgehalten werden sollen und für deren Einhaltung sie die Gewerbetreibenden, d. h. die Inhaber derjenigen Geschäfte, in welchen die Arbeiter thätig sind, verantwortlich macht. Würden dieselben auf Untergebene, Werkmeister, Vorarbeiter u. s. w. diese Verantwortlichkeit übertragen und sich damit entschnldigen können, daß die verbotenen Handlungen ohne ihr Wiffen und vielleicht sogar gegen allgemeine Anordnungen geschehen seien, so würde die Umgehung der Gesetze häufig vorkommen. Das Gesetz legt deshalb den Gewerbe­ treibenden die Verpflichtung auf, solche Vorkehrungen zutreffen, daß überhaupt die Verletzung des Gesetzes in ihrem Gewerbebetriebe hintangehalten wird. Zu diesen Bestimmungen gehört auch § 118 Gew.O. Die Gewerbetreibenden haften daher auch hier für fahrlässige Zulassung des Verbotenen. Erk. d. R.G. v. 11. Juni 1891. Entsch. XXII. S. 43. Reger XII. S. 8. 23. Zu den Anschafsungskosten sind auch diejenigen zu rechnen, welche nothwendig durch den Transport der Waaren verursacht werden. Aus der Be­ deutung des Ausdrucks „Anschaffungskosten" ergiebt sich jedoch auch, daß Kosten für die Verabfolgung der Waaren durch einen Preisausschlag nicht verrechnet werden dürfen, dieser Preisaufschlag sonach nicht gerechtfertigt sein würde, wenn er etwa im Hinblick auf die Aufbewahrung der Waaren, die Mühewaltung des Arbeitgebers bei deren Verabfolgung oder die Benutzung seiner Einrichtungen und Geschirre erfolgte. Erk. d. R.G. v. 19. November 1888. Reger IX. S. 422. 24. Die Strafthat aus §§ 115, 119 Gew.O. kann nur von selbständigen Gewerbetreibenden begangen werden. Die von denselben in ihrem Geschäft verwen­ deten Familienmitglieder u. s. w. fallen daher nicht unter die Strafbestimmung des § 119, auch nicht unter die dort angeführten „andern Gewerbetreibenden". Sie können nicht als Mitthäter, wohl aber unter Umständen wegen Theilnahme aus §§ 48, 49 St.G.B. bestraft werden. Erk. d. R.G. v. 30. März 1882. IV. S. 296. 25. Als Lebensmittel sind die Erforderniffe zur Erhaltung und Ernährung des menschlichen Körpers, insbesondere also Waaren zu betrachten, welche zum Lebens­ unterhalte des Menschen an Speise und Trank dienen. Haushaltsartikel, deren sich jeder Arbeiter zur Verschaffung einer größeren Leibeswohlfahrt für sich und seine Fa­ milie zu bedienen pflegt, sind nicht darunter begriffen. Erk. d. R.G. v. 26. April 1887. Reger VIII. S. 17. Vgl. auch Erk. d. R.G. v. 10. Januar 1889. Entsch. XX. S. 217. In demselben wird ausgeführt, daß entsprechend dem Zweck der Ausnahme­ bestimmung in § 115 Abs. 2 und dem Begriff der Lebensmittel im Sinne derselben sich ergebe, daß die zur Erhaltung und Ernährung des Körpers dienenden Erfor­ dernisse, insbesondere also Waaren, welche zum Lebensunterhalte des Menschen an Speise und Trank bestimmt sind, unter Anrechnung eines die Anschaffungskosten nicht übersteigenden Preises bei der Lohnzahlung den Arbeitern verabfolgt werden dürfen. Die Lebensmittel müssen daher als solche gewährt sein, da sie nur dann den Erfordernissen der Erhaltung und Ernährung und dem Lebensunterhalte dienen können.

Gewerbe-Ordmmg $ 115 a.

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§ 115a. Lohn- und Abschlagszahlungen dürfen in Gast- und Schankwirthschaften oder Verkaufsstellen nicht ohne Genehmigung der unteren Verwaltungsbehörde erfolgen; sie dürfen an Dritte nicht erfolgen auf Grund von Rechtsgeschäften oder Urkunden über Rechts­ geschäfte, welche nach § 2 des Gesetzes, betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 242) rechtlich unwirksam find. 3« 8 H5a. 1. Diese Vorschrift ist durch das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 eingeführt. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit dieses Gesetzes vergl. Note 1 zu h 120 Gew.O. 2. Die Genehmigung zur Vornahme von Lohn- und Abschlags-Zahlungen in Gast- und Schankwirthschaften oder Verkaufsstellen ist von der unteren Verwaltungs­ behörde nur auf Antrag des Gewerbetreibenden und nur in Fällen dringenden Be­ dürfnisses zu ertheilen. Ein solches ist in der Regel nur anzunehmen für kleinere, nicht ständige Betriebe (Ziegeleien, Steinbrüche rc.) und Bauten, wenn eine zur Vor­ nahme der Lohnzahlungen geeignete Räumlichkeit auf der Betriebsstätte oder in deren Nähe nicht vorhanden, ihre Beschaffung auch ohne unverhältnißmäßige Kosten und Schwierigkeiten nicht zu bewirken ist. Voraussetzung der Genehmigung ist, daß Fürsorge getroffen ist, daß die ausgelohnten Arbeiter nicht zur Entnahme von Speisen und Getränken oder Waaren verleitet werden. Bei Ertheilung der Erlaubniß ist stets ausdrücklich der jederzeitige Widerruf vorzubehalten. Für größere Bauten und ständige Betriebe ist die Erlaubniß niemals zu ertheilen. Abschrift der schriftlich zu ertheilenden Erlaubniß ist der höheren Derwaltungsbehörde einzureichen. Zu beachten ist, daß die Rechtsbeständigkeil des § 9f der Verordnung vom 21. Dezember 1846 (Ges.S. 1847 S. 21), wonach bei öffentlichen Bau-Ausführungen (von Eisenbahnen, Kanälen, Chauffeen rc.) die Zahlung keinesfalls in Schankund Wirthshäusern erfolgen darf, durch den § 115 a der Gewerbe-Ordnung nicht be­ rührt worden ist. Anw. v. 6. Februar 1892. 3. Die in Note 2 aufgeführten Bestimmungen finden vom 1. April 1892 ab für die unter Aufsicht der Bergbehörden stehenden Betriebe und die darin beschäftigten Arbeiter sinngemäße Anwendung. Vergl. Bek. d. H.M. v. 15. März 1892 (M.Bl. S. 116).

4.

Die bezügliche Strafvorschrift ist in § 148 Nr. 13 enthalten.

5. Der § 115a besagt, soweit er etwas Neues enthält, daß Lohnabzüge und Abschlagszahlungen an Dritte nicht erfolgen dürfen auf Grund von Rechtsgeschäften oder von Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche nach § 2 des Gesetzes vom 21. Juni 1869 rechtlich unwirksam sind. Es sollen also namentlich verboten sein: Zahlungen auf Grund einer Session oder einer Anweisung eine- Arbeiters an einen Dritten. § 117 bestimmt, daß Verträge, welche dem § 115 zuwider laufen, nichtig sind, wo­ gegen Verabredungen über die Verwendung des Lohnes unter gewissen Voraussetzungen gültig bleiben sollen. Derartige Verabredungen werden sehr häufig den Inhalt haben, MarcinowSki, Deutsche Gewerbe-Ordnung. 6. Auflage.

21

GewerVe-Vrdmmg H Nb, 117.

322

§ H6. Arbeiter, deren Forderungen in einer dem § 115 zuwiderlaufenden Weise berichtigt worden find, können zu jeder Zeit Zahlung nach Maß­ gabe des § 115 verlangen, ohne daß ihnen eine Einrede aus den an Zahlungsstatt Gegebenen entgegengesetzt werden kann. Letzteres fällt, so­ wie es noch bei dem Empfänger vorhanden oder dieser daraus bereichert ist, derjenigen Hülsskaffe zu, welcher der Arbeiter angehört, in Ermange­ lung einer solchen einer anderen zum Besten der Arbeiter an dem Orte bestehenden, von der Gemeindebehörde zu bestimmenden Kaffe und in deren Ermangelung der Ortsarmenkaffe. § 117. Verträge, welche dem § 115 zuwiderlaufen, find nichtig. Daffelbe gilt von Verabredungen zwischen den Gewerbetreibenden und den von ihnen beschäftigten Arbeitern über die Entnahme der Be­ dürfnisse der letzteren aus gewissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt über daß der Arbeitgeber sich das Recht vorbehält, gewisie Prozentsätze des Lohnes an eine derartige Unternehmung auszuzahlen, die ja nicht nothwendig eine Unternehmung des Arbeitgebers selbst sein muß, sondern auch einen selbständigen Charakter haben kann. Hieraus folgt aber nicht, daß in einer solchen Verabredung eine mit dem Lohnbeschlag' nahme-Geseh nicht vereinbare Anweisung oder sonstige Verfügung des Arbeiters ent­ halten sei, auf Grund deren demnächst der Arbeitgeber die Zahlung an das Wohlfahrtsunternehmen leisten soll; denn es würde dadurch ein Widerspruch zwischen § 115a und 117 geschaffen werden. Derartige Verabredungen, wie sie in tz 117 vorgesehen find, stehen nicht in Widerspruch mit dem Lohnbeschlagnahme-Gesetz, weil sie in § 117 eben ausdrücklich für gültig erklärt sind. Dagegen bleibt es verboten und strafbar, wenn auf Grund einer Cession, Anweisung oder sonstigen Verfügung des Arbeiters die Auszahlung des Lohnes an einen selbständigen Konsumverein für die bei diesem entnommenen Lebensbedürfnisse stattfindet, mag auch ein solcher Verein nach Ansicht des Arbeitgebers das Beste der Arbeiter erstreben und zu diesem Zweck errichtet sein. Es macht dabei aber auch keinen Unterschied, wenn die fragliche Verfügung des Arbeit­ nehmers auf einer vorgängigen Verabredung mit dem Arbeitgeber beruht, denn eine Verabredung über die Entnahme von Lebensbedürfniffen aus einer bestimmten Ver­ kaufsstelle und über die Verwendung des Lohnes zur Bezahlung dieser Lebensbedürf' niffe ist in § 117 für ungültig erklärt. Es besteht also auch kein Grund, weshalb § 115a, soweit besten Voraussetzungen zutreffen, nicht Anwendung finden sollte. (Erklärung des Kommiflars des Bundesrathes in der Reichstagssitzung vom 6. Mai 1891.)

Zu » U6. 1. Die bezügliche Vorschrift ist in das Reichsgesetz vom 1. Juni 1891 unserändert übernommen. 2. In diese Kasten fließen auch die in Anwendung § 146 Gew O. erkannten Geldstrafen. Dergl. § 146 Gew.O. 3« 8§ 117 118. Wie Rote 1 zu § 116.

323

6ktoerbe*Drbmmg $§ 118, 119.

die Verwendung des Verdienstes derselben zu einem anderen Zweck als zur Betheiligung an Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Ar­ beiter oder ihrer Familien. § 118. Forderungen für Waaren, welche dem § 115 zuwider kreditirt worden sind, können von dem Gläubiger weder eingeklagt, noch durch Anrechnung oder sonst geltend gemacht werden, ohne Unterschied, ob sie zwischen den Betheiligten unmittelbar entstanden oder mittelbar erworben sind. Dagegen fallen dergleichen Forderungen der § 116 bezeichneten Kaffe zu. § 119. Den Gewerbetreibenden im Sinne der §§ 115 bis 118 sind gleich zu achten deren Familienglieder, Gehülfen, Beauftragte, Ge­ schäftsführer, Aufseher und Faktoren sowie andere Gewerbetrei­ bende, bei deren Geschäft eine der hier erwähnten Personen unmittelbar oder mittelbar betheiligt ist. Zu 8 119.

1. Die gegenwärtige Fassung beruht auf dem Reichsgeseh vom 1. Juni 1891. Die frühere Fassung lautete: Den Gewerbetreibenden im Sinne der §§ 115 bis 118 sind gleich zu achten deren Familienglieder, Gehülfen, Beauftragte, Geschäftsführer, Auf­ seher und Faktoren, sowie andere Gewerbetreibende, bei deren Geschäft eine der hier erwähnten Personen unmittelbar betheiligt ist. Unter den in §§ 115 bis 118 bezeichneten Arbeitem werden auch die­ jenigen Personen verstanden, welche für bestimmte Gewerbetreibende außerhalb der Arbeitsstätten der letzteren mit der Anfertigung gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt sind. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit des citirten Gesetzes vergl. Note 1 zu § 120 Gew.O. 2. Die Vorschrift des § 119 Abs. 2 Gew.O. bezieht sich auch aus solche Arbeiter, welche zwar an sich selbständige Gewerbetreibende sind, jedoch dadurch, daß sie ihre Erzeugnisse regelmäßig nur bestimmten größeren Gewerbetreibenden liefern und nicht direkt für den Konsumenten produziren, in ein ähnliches *AbhängigkeitsVerhältniß gerathen wie der gewöhnliche Arbeiter zu seinem Arbeitgeber. Dieser Schuh ist nicht nur solchen mit der Hausindustrie beschäftigten Personen zu gewähren, welche mit dem Abnehmer in ein vertragsmäßiges Dienstverhältnis getreten sind und sich auf Grund desselben ausdrücklich verpflichtet haben, ihre Arbeitsprodukte nur an den Arbeitoherrn abzuliefern, vielmehr genügt auch ein thatsächlich bestehendes Verhältniß dieser Art. Erk. d. R.G. v. 12. Oktober 1885. Entsch. XII. S. 429. 3. Der Ausdruck „für bestimmte Gewerbetreibende" schließt nicht aus, daß die Beschäftigung auch bei einer Mehrzahl von Arbeitgebern stattfinden kann. Erk. d. R.G. v. 17. November 1887. Reger VIII. S. 356. 4. Zu den Beauftragten hat man alle Personen zu rechnen, die vom Gelverbetreibenden einen den Gewerbebetrieb desselben betreffenden Auftrag erhalten

2V

324

Gewerbe-Ordnung §§ 119a, 119b.

§ 119a. Lohneinbehaltungcn, welche von Gewerbeunternehmungen zur Sichemng des Ersatzes eines ihnen aus der widerrechtlichen Auflösung des Arbeitsverhältniffes erwachsenden Schadens oder einer für diesen Fall verabredeten Strafe ausbedungen werden, dürfen bei den einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes, im Gesammtbctrage den Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohncs nicht übersteigen. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes (§ 142) kann für alle Gewerbebetriebe oder gewiffe Arten derselben festgesetzt werden: 1. daß Lohn- und Abschlagszahlungen in festen Fristen erfolgen müssen, welche nicht länger als einen Monat und nicht kürzer als eine Woche fein dürfen; 2. daß der von minderjährigen Arbeitern verdiente Lohn an die Eltern oder Vormünder und nur mit deren schriftlicher Zu­ stimmung oder nach deren Bescheinigung über den Empfang der letzten Lohnzahlung unmitellbar an Die Minderjährigen gezahlt wird; 3. daß die Gewerbetreibenden den Eltern oder Vormündern inner­ halb gewisser Fristen Mittheilung von den an minderjährige Arbeiter gezahlten Lohnbeträgen zu machen haben. § 119b. Unter den in §§ 115 bis 119a bezeichneten Arbeitern werden auch diejenigen Personen verstanden, welche für bestimmte Gewerbetreibende außerhalb der Arbeitsstätten der letzteren mit der Anfertigung gewerb­ licher Erzeugnisse beschäftigt find, und zwar auch dann, wenn fie die Roh- und Hülfsstoffe selbst beschaffen. habe», dessen Ausführung sie nicht lediglich vorübergehend in die thatsächliche Lage bringt, an die Arbeiter Waaren verkaufen oder die Kreditirung von Waaren bewirken zu können. • Erk. d. R.G. v. 7. Zuni 1888. Reger IX. S. 191.

3» § 119 a. 1. Diese Vorschrift ist durch das Reichsgesetz vom 1. Zuni 1891 eingeführt. 2. Wegen des Zeitpunktes der Wirksamkeit des Gesetzes vergl. Note 1 zu § 120 Gew.O. 3.

Oie bezügliche Strafvorschrift ist in § 148 Nr. 13 Gew.O. enthalten.

1.

Vergl. Note 1 zu § 119a.

3« 8 U9b. 2. Die Beschäftigung muß auf einem dauernden Arbeitsverhältniß beruhen und regelmäßige Subsistenzmittel gewähren. Nur unter diesen Voraussetzungen tritt auch der Hausindustrielle in die gleiche feste und stetige wirthschastliche Abhängigkeit

Gewerbe-Ordnung § 120.

§

325

120.

Die Gewerbeunternehmer find verpflichtet, ihren Arbeitern unter achtzehn Jahren, welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staate als Fortbildungsschule anerkannte Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die erforderlichenfalls von der zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu gewähren. Am Sonntage darf der Unterricht nur stattfinden, wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht gehindert werden, den Hauptgottesdienst oder einen mit Genehmigung der kirch­ lichen Behörden für fie eingerichteten besonderen Gottesdienst ihrer Kon­ fession zu besuchen. Ausnahmen von dieser Bestimmung kann die Zentralbehörde für bestehende Fortbildungsschulen, zu deren Besuch keine Verpflichtung besteht, bis zum 1. Oktober 1894 gestatten. Als Fortbildungsschulen im Sinne dieser Bestimmung gelten auch Anstalten, in welchen Unterricht in weiblichen Hand- und Hausarbeiten ertheilt wird. zu einem bestimmten Arbeitsherrn, wie dieses bei den Fabrikarbeitern zutrifft. Die wirthschaftliche Abhängigkeit besteht darin, daß der Arbeiter dauernd vor der Eventualität steht, ohne geroiffe Aussicht auf Absah bei den bestimmten Abnehmern in seiner gesammten wirthschaftlichen Existenz bedroht zu fein, d. h. ganz oder theillveise erwerbs- und brotlos zu werden. Erk. d. R.G. v. 13. Februar 1888. Reger IX. S. 21. 3. Zum Erlaß besonderer Polizeistrafverordnungen, durch welche der regelmäßige Besuch der Fortbildungsschulen seitens der jugendlichen Arbeiter erzwungen werden soll, sind die Polizeibehörden nicht berechtigt. Erk. d. R.G. v. 28. April 1890. Reger XI. S. 284. Der Betrieb von Gasmotoren ist solchen mit Dampfkraft nicht gleichgestellt. Erk. d. R.G. v. 10. Februar 1891. Reger XI. S. 285.

Zu » 120. Frühere Fassung 1. Schadenersatz bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. R.Grs. v. 7. Juli 1881 2. Ges. v. 13. Mai 1884. Anfertigung von Zündhölzern 3. Bek. v. 12. April 1886 wegen Ein­ richtung und Betrieb von Blei­ farben- u. Bleizucker-Fabriken 4. Betrieb von Spiegelbeleganstalten 5. Allgemeine Grundsätze. Beaufsich­ tigung durch Betriebsbeamte 6. Verpflichtung zur selbständigen Prü­ fung 7. Baubetrieb 8. Bahnbetrieb 9.

1.

Inhaltsangabe: Beariff der Betriebsstätte 10. Höhere Gewalt 11. Transport und Aufstellen von Ma­ schinen 12. Relative Schutzmaßregeln 13. Charakter der Entschädigung 14. Landesrecht und Landeögesetze 15. Gefahr. Fahrlässigkeit 16. Hängegerüste 17. Schutzbrillen 18. Betriebsleiter. Bauleiter 19. Verlust eines Gliedes. Lähmung

Uebertretung einer BerufSpsticht 23. Abarenzung der Gefahr hinsichtlich ihre- UmfanaeS 24. Gefahren der Kommunikation 25. Schul- und Religionsunterricht der Lehrlinge 26. Anordnungen der Polizeibehörden 27. Begründung der Entschädigungs­ forderung 28. Aufgabe der Gewerberätbe 29. Charakter deS § 120 Abs. 3 (kein 20. Pclizeigesetz) 30. Einstweilige Außerbetriebsetzung 21. Gesetzeskraft 31. Kurpfuscher 22. Strafvorfchrift 32.

Die frühere Fassung lautete wie folgt: Die Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, bei der Beschäftigung von Arbeitern unter achtzehn Jahren die durch das Alter derselben ge­ botene besondere Rücksicht auf Gesundheit und Sittlichkeit zu nehmen. Sie haben ihren Arbeiten unter achtzehn Jahren, welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staate als Fortbildungsschule anerkannte Unter«

Gewerbe-Ordnung § 120.

326

Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes (§ 142) kann für männliche Arbeiter unter achtzehn Jahren die Verpflichtung zum Besuche einer Fort­ bildungsschule, soweit diese Verpflichtung nicht landesgesehlich besteht, begründet werden. Auf demselben Wege können die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen Bestimmungen getroffen werden. Ins­ besondere können durch statutarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbesuchs den Schulpflichtigen, sowie deren Eltern, Vor­ mündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vorschriften erlaffen werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler ge­ sichert wird. Bon der durch statutarische Bestimmung begründeten Ver­ pflichtung zum Besuche einer Fortbildungsschule find diejenigen befreit, welche eine Jnnungs- oder andere Fortbildungs- oder Fachschule be­ suchen, sofern der Unterricht dieser Schule von der höheren Verwaltungs­ behörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fortbildungsschul­ unterrichts anerkannt wird. richtsanstalt besuchen, hierzu die erforderlichenfalls von der zuständigen Be­ hörde festzusetzende Zeit zu gewähren.

Für Arbeiter unter achtzehn Zähren

kann die Verpflichtung zum Besuche einer Fortbildungsschule, soweit die Verpflichtung nicht landesgesetzlich besteht, durch Ortsstatut (§ 142) begründet werden. Die Gewerbeunternehmer sind endlich verpflichtet, alle diejenigen Ein­ richtungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die be­ sondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig sind. Darüber, wslche Einrichtungen für alle Anlagen einer bestimmten Art her­ zustellen sind,

können

laffen werden.

Soweit solche nicht sind, bleibt es den nach den Landes­

durch Beschluß des Bundesraths Vorschrifteil er­

gesetzen zuständigen Behörden überlasten, die erforderlichen Bestimmungen zu treffen. Diese Vorschrift ist durch die §§ 120, 120a—e des Reichsgesehes vom 1. Juni 1891 ersetzt. Diese sind mit dem 1. Oktober 1891 in Kraft getreten. Im Uebrigen ist das gedachte Reichsgesetz, soweit nicht für einzelne Bestimmungen durch

die Verordnung

vom 28. März 1892

ein

anderweiter Termin der

Wirksamkeit festgestellt ist, mit dem 1. April 1892 in Kraft getreten. Für Kinder im Alter von

12 bis 14 Jahren und für junge Leute

zwischen 14 und 16 Jahren, welche vor Verkündung des citirten Reichsgesetzes bereits in Fabriken oder in den in § 154 Abs. 2 bis 4 und § 154a bezeichneten ge­ werblichen Anlagen beschäftigt waren, bleiben die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen bis zum 1. April 1894 in Kraft. Für Betriebe, in welchen vor Verkündigung dieses Gesetzes Arbei­ terinnen über sechszehn Jahre in der Nachtzeit beschäftigt worden sind, kann

die Landes-Centralbehörde die Ermächtigung ertheilen, längstens bis

Gewerbe-Ordmwg § 120.

327

zum 1. April 1894 solche Arbeiterinnen in der bisherigen Anzahl während der Nacht­ zeit weiter zu beschäftigen, wenn die Fortführung des Betriebes im bisherigen Um­ fang bei Beseitigung der Nachtarbeit Betriebsänderungen bedingt, welche ohne Der* verhaltnißmätzige Kosten nicht früher hergestellt werden können. Die Nachtarbeit darf in vierundzwanzig Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen Ln der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. Art. 9 d. R.Ges. v. 1. Zuni 1891. Die Bestimmungen der §§ 105 a bis f, h und i find durch die Verordnung vom 4. Februar 1895 (R.G Bl. S. 11) in vollem Umfange mit dem 1. April 1895 in Kraft gesetzt.

2. Für die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken, Steinbrüchen, Gräbereien oder Fabriken herbei­ geführten Tödtungen und Verletzungen find die Bestimmungen des Reichs gesetzes vom 7. Zuni 1871 (R.G.Bl. S. 207) maßgebend. Dieselben lauten: § 1.

Wenn bei dem Betriebe einer Eisenbahn ein Mensch getödtet oder kör­ perlich verletzt wird, so hastet der Betriebs-Unternehmer für den dadurch entstandenen Schaden, sofern er nicht beweist, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten verursacht ist. §

2.

Wer ein Bergwerk, einen Steinbruch, eine Gräberei (Grube) oder eine Fabrik betreibt, haftet, wenn ein Bevollmächtigter oder ein Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommene Person durch ein Verschulden in Ausführung der Dienstverrichtungen den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt hat, für den dadurch entstandenen Schaden.

§ 3. Der Schadenersatz (§§ 1 und 2) ist zu leisten: 1. im Falle der Tödtung durch Ersatz der Kosten einer versuchten Heilung und der Beerdigung, sowie des Vermögensnachtheils, welchen der Getödtete während der Krankheit durch Erwerbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit erlitten hat. War der Getödtete zur Zeit seines Todes vermöge Gesetzes verpflichtet, einem Anderen Unterhalt zu gewähren, so kann dieser insoweit Ersatz fordern, als ihm in Folge des Todesfalles der Unterhalt entzogen worden ist; 2. im Fall einer Körperverletzung durch Ersatz der Heilungskosten und des Dermögensnachtheils, welchen der Verletzte durch eine im Folge der Verletzung eingetretene zeitweise oder dauernde Erwerbsunfähigkeit oder Ver­ minderung der Erwerbssähigkeit erleidet. §

4.

War der Getödtete oder Verletzte unter Mitleistung von Prämien oder anderen Beiträgen durch den Betriebs-Unternehmer bei einer Versicherungsanstalt, Knappschafts-, Untersttthungs-, Kranken- oder ähnlichen Kasse gegen den Un­ fall versichert, so ist die Leistung der Letzteren an den Ersahberechtigten auf die Entschädigung einzurechnen, wenn die Mitleistung des Betriebsunternehmers nicht unter einem Drittel der Gesammtleistung beträgt.

328

Gewerbe-Ordnung § 120.

§ 5. Die in bot §§ 1 und 2 bezeichneten Unternehmer sind nicht befugt, die Anwendüng der in den §§ 1 bis 3 enthaltenen Bestimmungen zu ihrem Vortheil durch Dertrüge (mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunst) im Voraus auszu­ schließen oder zu beschränken. Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, haben keine rechtliche Wirkung. § 6. Aufgehoben durch das Gesetz vom 30. Januar 1877 betreffend die Einführung der Civilprozeßordnung (R.G.Bl. S. 244). § 7. Das Gericht hat unter Würdigung aller Umstände über die Höhe des Schadens, sowie darüber, ob, in welcher Art und in welcher Höhe Sicherheit zu bestellen ist, nach freiem Ermessen zu erkennen. Als Ersatz für den zukünftigen Unter­ halt oder Erwerb ist, wenn nicht beide Theile über die Abfindung in Kapital einverstanden sind, in der Regel eine Rente zuzubilligen. Der Verpflichtete kann jederzeit die Aufhebung oder Mnderung der Rente fordern, wenn diejenigen Verhältnisse, welche die Zuerkennung oder Höhe der Rente be­ dingt hatten, inzwischen wesenllich verändert sind. Ebenso kann der Verletzte, dafern er den Anspruch auf Schadenersatz innerhalb der Verjährungsfrist (§ 8) geltend gewacht hat, jederzeit die Erhöhung oder Wiedergewährung der Rente fordern, wenn die Verhältnisse, welche für die Feststellung, Mnderung oder Aufhebung der Rente maßgebend waren, wesenllich verändert sind. Der Berechtigte kann auch nachträglich die Bestellung einer Sicherheit oder Erhöhung derselben fordern, wenn die Vermögensverhültnisse des Verpflichteten inzwischen fich verschlechtert haben. § 8.

Die Forderungen auf Schadenersatz (§§ 1 bis 3) verjähren in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an. Gegen denjenigen, welchem der Getödtete Unterhalt zu gewähren hatte (§ 3 Nr. 1), beginnt die Verjährung mit dem Todestage. Die Verjährung läuft auch gegen Minderjährige und diesen gleichgestellte Personen von denselben Zeitpunkten an, mit Ausschluß der Wiedereinsetzung. §

9-

Die Bestimmungen der Landesgesehe, nach welchen außer den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen der Unternehmer einer in den §§ 1 und 2 bezeichneten Anlage oder eine andere Person, insbesondere wegen eines eigenen Verschuldens für den bei dem Betriebe der Anlage durch Tödtung oder Körperverletzung eines Menschen entstandenen Schaden hastet, bleiben unberührt. Die Vorschriften der §§ 3, 4, 6 bis 8 finden auch in diesen Fällen Anwendung jedoch unbeschadet derjenigen Bestimmungen der Landesgesetze, welche dem Beschädigten einen höheren Ersatzanspruch gewähren. § 10.

Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshoses für Handelssachen, vom 12. Juni 1869, sowie die Ergänzungen desselben werden auf diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausgedehnt, in welchen durch die Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes oder der in § 9 erwähnten landesgesetzlichen Bestimmungen geltend gemacht wird.

(Bctocrbc-Drbnung § 120.

329

Zu 8 2 des Gesetzes vom 7. Juni 1871. Die in § 2 normirte Haftpflicht aus der Betriebsführung ist regelmäßig derart auf den Betriebsart beschränkt, daß die Verletzung durch die beim Betriebe gefähr­ lich gewordene Anlage bewirkt oder doch von ihr ausgegangen sein muß. Auf Un­ fälle, welche sich ganz außerhalb des Fabrikbetriebes ereignen, ist das Haftpflichtgesetz nicht anwendbar. Erk. d. R.G. v. 3. Juli 1890. Reger XI. S. 91.

Zu § 3. Unter einer Körperverletzung bezw. einem Unfall im Sinne des Ges. vom 7. Juni 1871 ist nur eine solche Beschädigung des Körpers zu verstehen, welche durch ein mit dem Betriebe in Verbindung stehendes, den regelmäßigen Betrieb in außer­ gewöhnlicher Weise unterbrechendes Ereigniß verursacht wird. Erk. d. R.G. v. 24. März 1892. Reger XIII. S. 153.

Zu ß 3 Rr. 2 a. a. O. Die Kosten für vermehrte Aufwartung und Pflege gelten als Heilungskosten im Sinne des § 3 Nr. 2, da zu letzteren auch der Aufwand zu zählen ist. welcher in der durch den Unfall verursachten gesteigerten Pflegebedürstigkeit des Verletzten seinen Grund hat. Erk. d. R.G. v. 11. Februar 1890. Reger Erg. I. S. 353.

Zu 8 ? a. a. O. Wenn es sich um Bemesiung des DermögensverlusteS handelt, welchen der Verletzte von der Zeit der Verletzung an künftig erleiden wird, so dürfen nur die­ jenigen günstigeren Verhältnisie mit berücksichtigt werden, welche zur Zeit des Unfalls in sicherer Aussicht standen, deren Verwirklichung aber eben durch den Unfall ausgeschlosien wurde. Erk. d. R.G. v. 19. Januar 1891. Reger XI. S. 229. Für Klagen, mit welchen vom Verpflichteten die Aufhebung oder Minderung oder vom Verletzten die Erhöhung oder Wiedergewährung einer Rente begehrt wird, bildet die Zeit der Zustellung der Klage den maßgebenden Zeitpunkt, von welchem an die angestrebte Aenderung einzutreten hat. Erk. d. R.G. v. 9. Oktober 1890. Reger XI. S. 233. 3. Das Gesetz vom 13. Mai 1884betreff, die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern ist mit Bemerkungen abgedruckt Anhang I Nr. 20. 4. Ebenso die daraus bezügliche Bekanntmachung v. 8. Juli 1893, ingleichen die Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der Bleifarben-und Bleizuckerfabriken und die Einrichtung und den Betrieb von Spiegelbeleg-Anstalten. Anhang I Nr. 21. 22. 5. In Folge der abändernden Bestimmungen des Reichsgesetzes vom 1. Juni 1891 entbehren die auf Grund des früheren § 120 Abs. 3 Gew.O. vom Bundesrath erlasienen Vorschriften des strafrechtlichen Schutzes. Hieraus ergab sich die Nothwendig­ keit, sie unter ausdrücklicher Bezugnahme aus § 120s Gew.O. von Neuem zu erlassen. Demgemäß sind die Vorschriften vom 11. Juli 1884, 12. April 1886 und 9. Mai 1888 aufgehoben und durch die entsprechenden Vorschriften vom 8. Juli 1893 ersetzt. Abgesehen von dieser 'Bezugnahme weisen diese neuen Vorschriften noch einige weitere Aenderungen gegenüber den früheren Vorschriften auf. Einmal sind da, wo gemäß § 139a Abs. 5 Bestimmungen über die Verwendung von jugendlichen Arbeitern

330

Gewerbe-Ordmmg § 120.

und Arbeiterinnen getroffen sind, diese zeitlich begrenzt worden. Sodann die die §§ 17. 18. der Bek. v. 12. April 1886 einer Umarbeitung unterzogen, um das Ver­ hältniß der nach § 17 festzusetzenden Vorschriften zu § 131a Gew O., welcher Arbeits­ ordnungen nur bei Betrieben mit mindestens 20'Arbeitern vorsieht. klarzustellen. Endlich find die in den früheren Bekanntmachungen enthaltenen Uebergangsbestimmungen in Fortfall gekommen. Die Abänderung der früheren Bestimmungen des § 120 Gew.O. macht es er­ forderlich, daß bei Neuerlaß von Verfügungen zur Durchführung der Vorschriften über den Betrieb der Quecksilber-Spiegelbeleganstalten in Zukunft auf den § 120d Gew.O. Bezug genommen wird. Hierbei wird sodann aus den für die Ab­ änderung der betreffenden Vorschriften maßgebend gewesenen Erwägungen auch eine Abänderung der die bezeichneten Anstalten betreffenden Vorschriften in folgenden Punkten vorzunehmen sein: 1) im § 19 ist dem Satz 1 in Abs. 1 folgende Fassung zu geben: „Der Arbeitgeber hat Vorschriften zu erlaffen, welche eine Anweisung „hinsichtlich des Gebrauchs der in § 17 bezeichneten Bekleidungsgegenstände „und hinsichtlich der Vorsichtsmaßregeln beim Arbeiten mit Quecksilber für „die in gesundheitsgeführlichen Räumen beschäftigten Personen, namentlich „aber folgende Bestimmungen enthalten muß." 2) 3m § 19 sind am Schluß folgende Absätze hinzuzufügen: „Außerdem ist in den zu erlaffenden Vorschriften vorzusehen, daß die „Arbeiter im Falle der Zuwiderhandlung gegen die im Absah 1 bezeichneten „Vorschriften vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Auflündigung „entlassen werden können." „Werden in einem Betriebe in der Regel mindestens 20 Arbeiter be„schästigt, so sind die in diesem § bezeichneten Vorschriften in die nach „§ 134a Gew.O. zu erlaffende Arbeitsordnung aufzunehmen." 3) Dem § 20 ist folgende Fassung zn geben: „Zn jedem durch Quecksilberverwendung die Gesundheit der Arbeiter ge„führdenden Arbeitsrüume so wie in dem Ankleide- und Speiseranm muß „eine Abschrift oder ein Abdruck der §§ 1—19 dieser Vorschriften und der „gemäß §19 vom Arbeitgeber erlaflenen Vorschriften an einer in die Augen „fallenden Stelle aushängen. Der Betriebsunternehmer ist für die Hand„habung der im § 19 Abs. 1 bezeichneten Vorschriften verantwortlich und „verpflichtet, Arbeiter, welche denselben wiederholt zuwiderhandeln, aus der „Arbeit zu entlassen." R. d. H.M. v. 22. August 1893. M.Bl. S. 270. ] mindestens [3] Mitglieder müssen daS Recht zur Anleitung von Lehrlingen besitzen und der Regel nach Gesellen (Gehülfen) oder Lehrlinge beschäftigen. Der Vorsitzende [Obermeister] wird in einem besonderen Wahlgange mit abso­ luter, die Mitglieder werden gemeinschaftlich mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Soweit bei der Wahl deS Vorsitzenden [Obermeisters] die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen nicht auf eine Person fällt, findet eine engere Wahl unter denjenigen beiden Personen statt, welche hn ersten Wahlgange die meisten Stimmen er­ halten haben. §28. Der Vorsitzende [Obermeister] wird auf [3] Jahre gewühlt. Don den Mitgliedern scheidet alljährlich eines [die Hälfte] aus. Die Reihenfolge des Ausscheidens wird während der ersten [3] Jahre [das erste Mal] durch daS Loos, demnächst durch das Dienstalter bestimmt. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Die Neuwahl für die Ausscheidenden ist unter Bezeichnung der Ausscheidenden auf die Tagesordnung der ersten ordentlichen Sitzung der Jnnungsversammlung des Jahres zu sehen. Die Ausscheidenden bleiben so lange im Amte, bis ihre Nachfolger in bett Vorstand eingetreten sind. Scheidet der Vorsitzende [Obermeister] [oder ein Mitglied des Vorstandes] vor Ablauf seiner Wahlzeit aus, so ist binnen [4] Wochen eine Neuwahl für den Rest der Wahlzeit vorzunehmen. [Scheiden Mitglieder des Vorstandes vor Ablauf ihrer Wahlzeit aus, so ist in der nächsten Jnnungsversammlung eine Neuwahl für den Rest der Wahlzeit vorzunehmen.] §29. Die Wahl findet unter Leitung des Vorstandes statt. Die erste Wahl nach Errichtung der Innung, sowie spätere Wahlen, bei denen ein Vorstand nicht vor­ handen ist, werden von einem Beauftragten der Aufsichtsbehörde geleitet.

Bekanntmachung vom 19. März 1898.

(Musterstatut.)

654e

Der Vorstand hat über jede Aenderung in seiner Zusammensetzung und über das Ergebniß jeder Wahl der Aufsichtsbehörde binnen einer Woche Anzeige zu erstatten. §30. Der Vorstand wählt aus seiner Mitte auf die Dauer eines JahreS einen Stellvertreter des Vorsitzenden [Obermeisters], einen Schriftführer und einen Kas­ senführer. Der Vorsitzende [Obermeister], bei besten Behinderung sein Stellvertreter oder, sofern auch dieser verhindert sein sollte, das Dienstälteste Mitglied des Vorstandes, beruft und leitet die Sitzungen des Vorstandes. An diesen ist jedes Vorstandsmit­ glied, abgesehen von Fällen dringender Behinderung, bei Vermeidung einer Geld­ strafe von [50] Pfennig Theil zu nehmen verpflichtet. Ueber die Verhängung dieser Strafe beschließt der Vorstand in Abwesenheit des betreffenden Mitglieds. Der Vorsitzende [Obermeister] ist verpflichtet, innerhalb einer Frist von [2] Wo­ chen eine Sitzung des Vorstandes abzuhalten, wenn solches von der Mehrheit der Vorstandsmitglieder beantragt wird. S«r Berathung und Beschlußfassung des Vorstandes über die im § 19 be­ zeichneten Angelegenheiten ist der Altgeselle (§ 43) in derselben Weise wie die Vor­ standsmitglieder einzuladen und mit vollem Stimmrechte zuzulasten. Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn einschließlich deS Vorsitzenden [Ober­ meisters] oder seines Stellvertreters mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüste werden mit Stimmenmehrheit gefaßt; bei Stimmengleichheit ent­ scheidet der Vorsitzende. Die Beschlüsse des Vorstandes werden von dem Schriftführer oder besten Stellvertreter in ein Vorstands-Protokollbuch eingetragen und von dem Vorsitzenden sowie von dem Schriftführer oder dessen Stellvertreter unterzeichnet. §31. Der Vorstand vertritt die Innung nach außen in allen gerichtlichen und außer­ gerichtlichen Verhandlungen. Schriftliche Willenserklärungen deS Vorstandes müssen im Namen desselben ausgestellt und von dem Vorsitzenden [Obermeister] oder dessen Stellvertreter und einem zweiten Vorstandsmitglied unterschrieben sein. Eine in dieser Form ausge­ stellte ErNärung gilt Dritten gegenüber als eine die Innung verpflichtende Willens­ erklärung des Vorstandes. Die Vorstandsmitglieder dürfen indessen bei eigener Ver­ antwortung eine solche ErNärung nur auf Grund eines vorschriftsmäßig gefaßten Vorstandsbeschlusses ausstellen. § 32. Der Vorstand hat die gesammte Verwaltung der Jnnungsangelegenheiten, in­ sonderheit auch der Vermögensangelegenheiten wahrzunehmen, soweit sie nicht gesetz­ lich oder durch Bestimmungen dieses Statuts oder der Nebenstatuten der InnungsVersammlung vorbehalten oder aus andere Organe oder Beauftragte der Innung übertragen ist. Der Vorstand hat die Verhandlungen der JnnungSversammlung vorzubereiten und ihre Beschlüsse auszuführen. Ist in den Fällen deS § 19 in der Jnnungsverfammlung selbst die Zustimmung des Gesellenausschusses weder ertheilt noch versagt worden,*) so hat der Vorstand diese Zustimmung einzuholen und. wenn dieselbe versagt oder binnen [3] Tagen nicht ertheilt wird, deren Ergänzung bei der Huf*) Die Zustimmung kann unter den Voraussetzungen des § 19 Absah 3 schon in der JnnungSversammlung ertheilt oder versagt werden.

654f

Bekanntmachung vom 19. März 1898.

(Musterstatut.)

fichtsbehörde All beantragen. Den gleichen Antrag hat er bei der Aufsichtsbehörde zu stellen, wenn die Zustimmung des Gesellenausschusses schon in der Jnnungsversammlung versagt worden ist. Die Mitglieder deS Vorstandes hasten der Innung für pflichtmäßige Verwal­ tung wie Vormünder ihren Mündeln. §33. Die dem Vorstande nach den statutarischen Bestimmungen zustehende Verhän­ gung von Ordnungsstrafen über Jnnungsmitglieder hat schriftlich zu erfolgen. In dem Schreiben ist anzugeben, auf Grund welcher Vorschrift des Statuts die Strafe verhängt wird, wodurch das Jnnungsmitglied diese Vorschrift verletzt hat, und binnen welcher Frist die Geldstrafe an die Jnnungskasse zu zahlen ist. Ueber Beschwerden der Jnnungsmitglieder entscheidet die Auffichtsbehörde. §34. Soweit diese- Statut nicht Bestimmungen darüber enthält, kann der Vorstand feine Gefchüstsordnung und die Vertheilung der Verwaltungsgeschäste unter seinen Mitgliedern durch eigene Beschlüsse regeln. Er hat in geeigneter Weise dafür zu sorgen, daß genaue Verzeichnisse über die der-Innung auf Grund der §§ 4 und 5 angehörenden Mitglieder geführt werden. Ausschuß für das Gesellen- und Herbergswesen.

§35. Die Innung errichtet zur Verwaltung der Gesellen- und Herbergsangelegenheiten, sowie deS Arbeitsnachweises einen „Ausschuß für das Gesellen- und Herbergswesen". Er besteht aus dem Vorsitzenden des Jnnungsvorstandes [Dbermeifto] oder einem vom Jnnungsvvrstande faus seiner Mittel zu wählenden Stellvertreter als Vorsitzenden und [4] Mitgliedern. Die Hälfte der letzteren wird von der JnnungsVersammlung auS den nach §40 Absah 1 wählbaren Personen gewählt; entweder der Vorsitzende und mindestens eines dieser Mitglieder oder [biefe beiden) Mitglieder müssen daS Recht zur Anleitung von Lehrlingen besitzen und der Regel nach Ge­ sellen (Gehülfen) oder Lehrlinge beschäftigen. Die andere Hälfte der Mitglieder wird von dem GesellenauSschuß auS der Zahl derjenigen volljährigen Gesellen ge­ wühlt. welche seit mindestens [3 Monaten) bei Jnnungsmitgliedern in Arbeit stehen und sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. Jedes Jahr scheiden zwei Mitglieder und zwar ein Jnnungsmitglied und ein Geselle aus, welche zunächst durch das Loos, demnächst durch das Dienstalter be­ stimmt werden. Im Uebrigen finden auf die Wahlen zum Ausschüsse die Bestimmungen der §§ 27 und 28 entsprechende Anwendung. Ausschuß für daS Lehrlingswesen.

§ 36. Die Innung errichtet für die Lehrlingsangelegenheiten einen „Ausschuß für das Lehrlingswesen". Ihm liegt insbesondere ob, als Organ der Innung Streitigkeiten der im § 37 bezeichneten Art zwischen Jnnungsmitgliedern und ihren Lehrlingen zu entscheiden [unb bis zum Inkrafttreten der §§ 131 ff. der Gewerbe-Ordnung in der Fassung deS Gesetzes vom 26. Juli 1897 die Gesellenprüfung abzunehmen.) *) *) Die Klammer enthält eine Uebergangsbestimmung für die'Zeit bis zum Jnkrafttteten der §§ 131 ff. des Gesetzes vom 26. Juli 1897. Nach diesem Zeitpunkte wird die Gesellenprüfung, soweit nicht auf Grund des § 132a a. a. O. durch die Landes-Centralbehörde eine abweichende Regelung erfolgt, durch den bei jeder Zwangs­ innung zu bildenden „Prüfungsausschuß" abgenommen.

Bekanntmachung vom 19. Mürz 1898. (Musterstatut.)

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Der Ausschuß besteht auS [betn Vorsitzenden des ZnnungsvorstandeS [Dbetmeistert*), [einem Vorsitzenden) und 4 Mitgliedern. [Der Vorsitzende und) die Hälfte der Mitglieder wird von der Jnnungsversammlung aus den nach § 40 Absatz 1 wählbaren Personen, welche das Recht -ur Anleitung von Lehrlingen besitzen und der Regel nach Gesellen (Gehülfen) oder Lehrlinge beschäftigen, gewühlt. Die an­ dere Hälfte wird von dem Gesellenausschuß auS der Zahl derjenigen Gesellen ge­ wählt, welche 1. volljährig sind lmd sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, 2. seit mindestens [3 Monaten) bei JnnungSmitgliedern in Arbeit stehen und 3. im Uebrigen den Anforderungen des § 129 der Gewerbeordnung entsprechen. Bis zum Ablaufe von 6 Jahren nach dem Inkrafttreten deS § lOOr a. a.O. sind Gesellen (Gehülfen) auch dann wählbar, wenn sie den Anfordenmgen unter Ziffer 1 und 2 genügen und eine Lehrzeit von mindestens 2 Jahren zurückgelegt haben. Die Vorschriften des § 35 Absatz 3 und 4 finden entsprechende Anwendung. § 37. Der Entscheidung des AusschuffeS für das LehrlingSwesen unterliegen Streitigkeiten zwischen JnnungSmitgliedern und ihren Lehrlingen 1. über den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung deS LehrverhültnifleS, sowie über die Aushändigung oder den Inhalt des Arbeitsbuchs oder Zeugniffes; 2. über die Leistungen und Entschädigungsansprüche aus dem Lehrverhültnisse, sowie über eine in Beziehung auf dasselbe bedungene Konventional­ strafe, soweit eS sich nicht um die im § 3 Absah 2 des Gewerbegerichtsgesehes vom 29. Juli 1890 bezeichneten Konventionalstrafen handelt; 3. über die Berechnung und Anrechnung der von den Lehrlingen auf Grund des KrankenverficherungSgesehes zu leistenden Beiträge und Eintrittsgelder. Nach Anrufung seiner Entscheidung hat der Ausschuß den Parteien alSbald Ge­ legenheit zu geben, ihre Ausführungen und Beweismittel in einem Termine mündlich vorzubringen. Die Vertretung durch Personen, welche sich berufs- oder geschäftsmäßig mit der Besorgung ftemder Rechtsangelegenheiten befassen, ist ausgeschlossen. Kommt ein Vergleich zu Stande, so ist ein Protokoll darüber aufzunehmen und von den Parteien und dem Vorsitzenden des Ausschusses zu unterschreiben. § 38. Die Entscheidung des Ausschusses, bei.'welcher außer dem Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter mindestens [2] Mitglieder mitwirken müssen, erfolgt nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit giebt der Vorsitzende den Ausschlag. Die Entscheidung ist schriftlich abzufassen ; sie geht in Rechtskraft über, wenn nicht binnen einer Nothftist von einem Monat eine Partei Klage bei dem ordent­ lichen Gericht erhebt. Die Frist beginnt gegen eine bei der Verkündigung nicht an­ wesende Partei mit der Behändigung der Entscheidung. Wegen der Vollstreckung der Entscheidungen oder Vergleiche gelten die Bestim­ mungen des § 91 b Absatz 2 bis 6 der Gewerbeordnung. Beauftragte.

§ 39. [Die dem Ausschüsse für das LehrlingSwesen angehörenden Jnnungsmitglieder haben als Beauftragte der Innung) [Einer oder mehrere von der JnnungSversamm*) Der Vorsitzende deS Jnnungsvorstandes [Obermeister) muß, um Vorsitzender dieses Ausschusses sein zu können, daS Recht zur Anleitung von Lehrlingen besitzen und der Regel nach Gesellen (Gehülfen) oder Lehrlinge beschäftigen.

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Bekanntmachung vom 19. März 1898.

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lung gewühlte Beauftragte Habens die Befolgung der für die Beschäftigung der Ge­ sellen (Gehülfen), Lehrlinge und Arbeiter, den Besuch der Fortbildungs- oder Fach, schule und die Regelung des LehrlingSwesens erlassenen und der sonstigen gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen in den zur Innung gehörigen Betrieben zu überwachen. Sie werden hierfür durch eine vom Jnnungsvorstand ausgestellte Vollmacht legitimirt. Die Jnnungsmitglieder haben den legitimirten Beauftragten Auskunft über alle Gegenstände zu geben, welche für die Erfüllung ihres Auftrags von Bedeutung sind, und ihnen auf Erfordern während der Betriebszeit den Zutritt zu den Werkstatten und Unterkunstsräumen, sowie zu den sonst in Betracht kommenden Räumlich, feiten zu gestatten ; sie können hierzu auf Antrag der Beauftragten von der Ortspolizeibehörde angehalten werden. Auf Räume, welche Bestandtheile landwirthschaftlicher oder fabrikmäßiger Betriebe sind, finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Die Beauftragten sollen fich von Zeit zu Zeit von der Art der Beschäftigung der Lehrlinge in den Werkstätten und von der Einrichtung der für die Unterkunft der Lehrlinge bestimmten Räume ßenntnifj verschaffen. Sie sollen sich einmal im Jahre hinsichtlich aller Lehrlinge davon überzeugen, ob dieselben den ihrer Lehrzeit angemessenen Stand der Ausbildung erreicht haben. Eine besondere Beachtung haben sie den nicht bei ihren Lehrherren untergebrachten Lehrlingen zu schenken, sich von der Beschaffenheit der Logir- und Kosthäuser, in denen sie etwa untergebracht find, Kenntniß zu verschaffen, und wenn sie finden, daß auS der Unterbringung in solchen Häusern Gefahren für das leibliche oder sitt­ liche Wohl des Lehrlings erwachsen, durch Verhandlung mit dem Lehrherrn und den Eltern oder Vormündern deS Lehrlings auf Beschaffung eines anderweiten, den An­ forderungen entsprechenden Unterkommens hinzuwirken. Die Beauftragten haben sich der Besichtigung solcher Betriebe, deren Unter­ nehmer auf Grund des § 94c Absatz 5 der Gewerbe-Ordnung die Besichtigung durch andere Sachverständige beanspruchen, nach näherer Anweisung des Jnnungsvorstandes zu enthalten.

Gemeinsame Bestimmungen für JunungSämter. § 40. Wählbar zu Mitgliedern deS Vorstandes und der Ausschüsse sind nur solche snach § 17 in der Jnnungsversammlung stimmberechtigtes snach § 17 Absatz 2 zur Wahl der Vertreter zur Jnnungsversammlung berechtigtes Jnnungsmitglieder, welche zum Amte eineS Schöffen fähig sind (§§ 31,32 des Gerichtsverfassungsgesetzes). ***) ) Die Mitglieder des Vorstandes und der Ausschüsse verwalten ihr Amt als Ehrenamt unentgeltlich; doch werden denselben die baaren Auslagen ersetzt. sAußer dem erhält der Vorsitzende ^Obermeister^ sder Schriftführern sder Kassenführer) eine Entschädigung für Zeitversäumniß im Betrage von Mark jährlich (monatlich). •*)

GeselleuanSschuß. § 41. Zur Mitwirkung bei den Geschäften der Innung, soweit sie durch Gesetz oder Statut vorgesehen ist, wird ein GesellenauSschuß von [3] [5] Mitglidern und . . Ersatzmännern gewählt. Wahlberechtigt sind die bei einem Jnnungsmitgliede beschäftigten volljährigen Gesellen (Gehülfen), welche sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. *) Diese Paragraphen können hier in einer Anmerkung abgedruckt werden. **) Sofern auch Inhabern von anderen Aemtern Entschädigungen gewährt werden sollen, sind diese im Statut (Nebenstatut) festzusetzen.

Bekanntmachung vom 19. März 1898. (Musterstatut.)

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Wählbar ist jeder Geselle, welcher 1. volljährig ist und sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindet, 2. zum Amte eines Schöffen fähig ist (§§ 31, 32 des Gerichtsverfassungsgesehes), 3. im Uebrigen den Anforderungen des § 129 der Gewerbe-Ordnung entspricht. Bis zum Ablaufe von 6 Jahren nach dem Inkrafttreten des § 100r a. a. O. sind Gesellen (Gehülfen) auch dann wählbar, wenn sie den Anforderungen unter Ziffer 1 und 2 genügen und eine Lehrzeit von mindestens 2 Jahren zurückgelegt haben. Die Wahl wird vom Vorsitzenden [Obermeister] oder einem Mitgliede des Jnnungsvorstandes, wenn ein solches nicht vorhanden ist. von einem Vertreter der Aufsichtsbehörde geleitet. Zur Wahl sind alle Wahlberechtigten mindestens [24] Stunden vor dem Wahltermin einzuladen. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel; sie kann auch durch Zuruf erfolgen, wenn keiner der Erschienenen widerspricht. Die Mitglieder und die Ersatzmänner sind je in einem besonderen Wahlgange zu wählen. Jeder Wahlberechtigte hat so viele Namen zu bezeichnen, als Personen zu wählen sind. Gewählt sind bei jedem Wahl­ gange diejenigen, auf welche die meisten Stimmen fallen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. Alle 2 Jahre scheidet die Hälfte der Mitglieder und der Ersatzmänner aus. Die Ausscheidenden werben das erste Mal durch das Loos, demnächst durch die Dienstzeit bestimmt. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Die Mitglieder behalten, auch wenn sie nicht mehr bei Jnnungsmitgliedern beschäftigt sind, so lange sie im Bezirke der Innung verbleiben, die Mitgliedschaft noch während dreier Monate seit dem Austritt aus der Beschäftigung bei Jnnungsrnitgliedern. Für die Mitglieder treten die Ersatzmänner in Behinderungsfällen oder im Falle des Ausscheidens für den Rest der Wahlperiode in der Reihenfolge der Stimmenzahl ein. welche bei der Wahl auf sie gefallen ist. Wird deffenungeachtet der Ausschuß nicht vollzählig, so hat er sich für den Rest der Wahlzeit durch Zuwahl zu ergänzen. § 42. Die Mitglieder des Gesellenausschuffes verwalten ihr Amt als Ehrenamt un­ entgeltlich. doch wird ihnen der Ersatz baarer Auslagen und eine Entschädigung für Zeitversäumniß von...................... für jede Sitzung gewährt. Wegen 6er Verpflichtung zur Uebernahme des Amtes finden die Bestimmungen des § 11 Absah 2 entsprechende Anwendung. § 43. Der Gesellenausschuß wählt aus seiner Mitte alle 2 Jahre einen Vorsitzenden (Altgesellen), einen Schriftführer und deren Stellvertreter. Der Altgeselle oder sein Stellvertreter soll in der Regel den Verhandlungen des Jnnungsvorstandes, zu welchen ein Mitglied des Gesellenausschusses zugezogen wird, beiwohnen. Im Falle der Behinderung bestimmt er hierzu ein anderes Mit­ glied des Gesellenausschusses. Der Altgeselle beruft, leitet und schließt die Versammlungen des Ausschusses. Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder versammelt sind. Die Beschlüsie werden mit Stimmenmehrheit der Anwesenden ge­ faßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. Die Beschlüsse werden vom Schriftführer in ein Protokollbuch eingetragen und von ihm und dem Altgesellen unterzeichnet. Im Uebrigen kann der Gesellenausschuß seine Geschäftsordnung durch eigene Beschlüsse regeln.

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Bekanntmachung vom 19. März 1898.

(Musterstatut.)

§ 44. Dem Gesellenausschusse liegt insbesondere ob. bei der Wahl der Mitglieder des Gesellenausschusses für die Handwerkskammer mitzuwirken (§ 103 i der Gewerbe-Ordnung), die aus der Gesellenschast zu bestellenden Mitglieder der Ausschüsse zu wählen, bei der Regelung des Lehrlingswesens, sowie bei der Begründung und Verwaltung aller Ein­ richtungen Theil zu nehmen, für welche die Gesellen (Gehülfen) Beiträge entrichten oder eine besondere Mühewaltung übernehmen oder die zu ihrer Unterstützung bestimmt sind. Die entsprechenden Befugnisse und Obliegenheiten des Gesellenausschusses werden durch die besonderen Bestimmungen dieses Statuts und der Nebenstatuten geregelt. § 45. Entstehen zwischen den Mitgliedern der Innung und der Gesellenschaft Streitig­ keiten über die Regelung des gegenseitigen Verhältnisses, namentlich über Arbeits­ bedingungen, Arbeitszeit und Lohnsätze, so soll durch gemeinsame Berathung des Jnnungsvorstandes und des Gesellenausschusses eine Einigung darüber versucht werden. Gesellen- und HerbergSwesen. Arbeitsnachweis.

§ 46. Die Wahl der Gesellenherberge wird von dem Ausschüsse für das Gesellen- und HerbergSwesen getroffen und unterliegt der Genehmigung der Jnnungsversammlung. § 46 a. Der Ausschuß für daS Gesellen- und HerbergSwesen errichtet für die Gesellen, die ssich vorschriftsmäßig ausweisen unb) bei einem Jnnungsmitglied in Arbeit treten wollen, eine Geschäftsstelle für Nachweisung von Gesellenarbeit. Zn der Herberge ist durch Aushang bekannt zu machen, wo sich diese Stelle befindet. Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung der Geschäftsstelle bleiben dem Ausschuß überlaffen und bedürfen der Zustimmung der Jnnungsversammlung. . § 46 b. Gesellen, die bei ZnnungSmitgliedern Beschäftigung suchen wollen, haben sich bei der Geschäftsstelle für Arbeitsnachweis zu melden und erhalten [, wenn sie sich vorschriftsmäßig legitimtren,] hierüber eine Bescheinigung ausgestellt und die für sie paffenden Arbeitsstellen nachgewiesen. [Die zur Legitimation eines Gesellen erforderlichen Ausweise werden durch Junungsbeschluß festgestellt.) oder § 46. Die Innung errichtet für die bei den Znnungsmitgliedern in Arbeit stehenden und die zuwandernden [, vorschriftsmäßig legitimirten)...................... Gesellen [in Gemeinschaft mit der............................. Innung) eine für ihre Rechnung unter Auf­ sicht des Ausschuffes für das Gesellen- und Herbergswesen zu verwaltende Herberge. Für die Verwaltung wird vom Znnungsvorstand ein Herbergsvater angenommen. Die Herbergsordnung wird von dem Znnungsvorstande festgesetzt, oder [Als Herberge für die bei den Znnungsmitgliedern in Arbeit stehenden und die zuwandernden [, vorschriftsmäßig legitimirten).................. Gesellen benutzt die In­ nung [nach Bedürfniß) nach den darüber abgeschlossenen Verträgen eine Herberge [Herbergen) [die hier bestehende „Herberge zur Heimath"), deren Hausordnung auch für die bezeichneten Gesellen gültig ist, soweit nicht die Znnungsversammlung eine besondere Herbergsordnung feststellt.) § 46 a. Zuwandernde............................. Gesellen, welche bei Znnungsmitgliedern Be­ schäftigung suchen wollen, haben sich auf der Herberge zu melden und erhalten über die

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Meldung [nach vorschriftsmäßiger Legitimation^ eine [oon einem Mitgliede des Ausschusses für das Gesellen- und Herbergswesen) [im Auftrage des Ausschusses für das Gesellen- und Herbergswesen vom Herbergsvaters zu unterzeichnende Bescheinigung. [Zweifel, welche über die Legitimation eines Gesellen entstehen, sind schleunigst zur Entscheidung des Vorsitzenden des Ausschusses für das Gesellen- und Herbergswesen zu bringen. Die zur Legitimation eines Gesellen erforderlichen Ausweise und die Form dersel­ ben. sowie die Voraussetzungen, unter denen der Ausschuß von einzelnen Erfordernissen Abstand nehmen kann, werden durch Beschluß der Jnnungsversammlung festgestellt.) § 46 d. Die Mitglieder der Innung, welche Gesellen suchen, haben dies bei dem Aus­ schüsse für das Gesellen- und Herbergswesen anzumelden. [Die Namen derselben und ihre Wohnungen sind von dem diensthabenden Mitgliede des Ausschusses [vom Herbergsvaters in ein auf der Herberge aufzuhängendes Derzeichniß nach der Reihen­ folge der Anmeldungen einzutragen. § 46 c. Jedes Jnnungsmitglied, welches einen Gesellen in Arbeit nimmt, hat ihn binnen [3] Tagen bei dem Ausschüsse für das Gesellen- und Herbergswesen behufs Eintragung in die Gesellenrolle anzumelden und bei Lösung des Arbeitsverhältnisses in der gleichen Zeit abzumelden. Für Gesellen, welche das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist bei der Anmeldung das gesetzlich vorgeschriebene, vom Jnnungsmitgliede vorher mit dem vor­ geschriebenen Eintrage zu versehende Arbeitsbuch (§§ 107 und 111 der Gewerbe-Ordnung) [, für Gesellen, welche von auswärts verschrieben sind, deren Legitimation) beizufügen. Vermögensverwaltung, Kaffen- und Rechnungsführung. §47. Alljährlich hat der Jnnungsvorstand über den zur Erfüllung der gesetzlichen und statutarischen Aufgaben der Innung erforderlichen Kostenaufwand einen Haus­ haltsplan für das folgende Rechmmgsjahr [Kalenderjahrs aufzustellen. Der Haushaltsplan ist der Jnnungsversammlung in der letzten ordentlichen Sitzung des Vor­ jahrs zur Beschlußfassung vorzulegen und vorher während einer Woche zur Einsicht der Jnnungsmitglieder auszulegen. Der Vorstand hat eine Abschrift des beschlossenen Haushaltsplans der Aufsichtsbehörde einzureichen. Hat in der Jnnungsversammlung mindestens ein Viertel der stimmberechtigten Jnnungsmitglieder ausdrücklichen Widerspruch gegen den Haushaltsplan oder einzelne Posten Desselben erhoben, so hat der Vorstand die Entscheidüng der Aufsichtsbehörde einzuholen. Diese Entscheidung kann binnen 4 Wochen mit der Beschwerde bei der vorgesetzten Behörde angefochten werden; die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Der Vorstand ist bei seiner Geschäftsführung an den festgestellten Haushaltsplan gebunden. Ausgaben, welche nicht in demselben vorgesehen sind, bedürfen der Genehmigung der Jnnungsversammlung. Wenn die Jnnungsversammlung Aufwendungen für solche Zwecke beschließt, welche im Haushaltspläne nicht vorgesehen sind, so finden auf diese Beschlüffe die Bestimmungen des Absatzes 2 entsprechende Anwendung. §48. Die Genehmigung der Jnnungsversammlung ist erforderlich: zum Erwerbe, zur Veräußerung oder dinglichen Belastung von Grundeigenthum; zur Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen, Wissenschaftlichen oder Kunstwerth haben;

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Bekanntmachung vom 19. März 1898. (Musterstatut.)

zu Mieth- und Pachtverträgen ; zur dauernden Belegung von Kapitalien und zur Kündigung von dauernd belegten Kapitalien; zur Aufnahme von Anleihen; zum Abschlufle von Verträgen, durch welche der Innung fortlaufende Ver­ pflichtungen auferlegt werden; zur Anstellung von Prozessen und zum Abschlufle von Vergleichen. Diese Bestimmungen gelten auch für die durch Nebenstatnten begründeten Nebenfassen der Innung, soweit nicht durch das Nebenstatut etwas Anderes bestimmt wird. §49. Zur Besorgung der Kaflen- und Rechnungsgeschäste kann [soll] dem Kaflenführer ein vom Znnungsvorstand anzunehmender Rechnungsführer beigegeben werden, welcher nicht Mitglied der Innung zu sein braucht. Die demselben zu gewährende Vergütung [nnb die Höhe der von ihm zu stellenden Kaution) wird durch eine mit ihm vom Znnungsvorstand abzuschließende, von der Jnnungsversammlung zu genehmigende Vereinbarung bestimmt. §50. Der Kaflenführer hat alle Einnahmen und Ausgaben der Jnnungskafle und, soweit die Nebenstatuten nicht etwas Anderes bestimmen, auch der Nebenkaflen zu bewirken. Für alle Vereinnahmungen und Zahlungen, für welche nicht durch Beschluß des Vorstandes oder durch die Nebenstatuten etwas Anderes bestimmt ist, bedarf es einer schrfltlichen Anweisung des Vorstandes [Obermeisters). §51. Der Kaflenführer erhebt die Beiträge der Jnnungsmitglieder nach einer von ihm aufzustellenden und vom Obermeister zu genehmigenden Hebungsliste. Ueber jede gegen ein Znnunqsmitglied erkannte Geldstrafe ertheilt der Ober­ meister dem Kaflenführer eine schriftliche Anweisung unter Angabe der Zahlungs­ frist. Vierteljährlich [Halbjährlich, Jährlich) hat der Kaflenführer ein Verzeichniß der rückständigen Beiträge [, Gebühren) und Geldstrafen dem Obermeister vorzulegen; dasselbe wird von dem Jnnungsvorstande vollzogen und der Gemeindebehörde [zuständigen Behörde) mit dem Antrag auf Beitreibung vorgelegt. § 52. Die Einnahmen und Ausgaben der Jnnungskafle sowie der Nebenkaflen hat der Kaflenführer gesondert von allen den Zwecken der betreffenden Kassen fremden Ein­ nahmen und Ausgaben zu verrechnen. Die Bestände jeder Kafle sind gesondert aufzu­ bewahren. Bestände, welche einen bestimmten, vom Vorstande festzustellenden Betrag übersteigen, find nach §§ 1807 und 1808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [ober nach Ar­ tikel 212 des Einführungsgesehes znm Bürgerlichen Gesetzbnche) mündelsicher zu belegen. Ueber die Aufbewahrung der Werthpapiere trifft die Aufsichtsbehörde Anordnung. §53. Die Kaffe ist durch den Obermeister jährlich mindestens einmal unvermuthet zu prüfen. Die Prüfung hat sich jedesmal auch auf die vorschriftsmäßige Belegung des Jnnungsvermögens und auf die Aufbewahrung der Beläge über die Nieder­ legung der Werthpapiere zu erstrecken. §54. Bis zum................................. jeden Jahres hat der Kaflenführer für die Jnnungskafle sowie für jede von ihm verwaltete Nebenkafle eine gesonderte Rechnung für das abgelaufene Jahr zu legen. Dieselbe muß sämmtliche Einnahmen und Aus­ gaben der Kaffe nachweisen und mit den erforderlichen Belägen versehen sein. Der Jnnungsvorstand hat die Rechnung zu prüfen und sammt den Belägen

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mit den von ihm gestellten und nicht erledigten Erinnenmgen [14] Tage vor der zur Abnahme der Rechnung bestimmten Sitzung der Jnnungsversammlung zur Ein­ sicht der Znnungsmitglieder auszulegen. Die Abnahme der Rechnung erfolgt durch die Jnnungsversammlung. Dieselbe kann beschließen, die Rechnung vorher durch einen von ihr zu wählenden Ausschuß von [3] Mitgliedern einer nochmaligen Prüfling unterziehen zu lassen. Dieser Ausschuß, welchem vom Vorstand und dem Kaffenführer jede von ihm gewünschte Auskunft zu ertheilen ist. hat in der nächsten Sitzung der Jnnungsver­ sammlung Bericht zu erstatten, worauf die letztere über die noch nicht erledigten Er­ innerungen beschließt und vorbehaltlich der aufrechterhaltenen Erinnerungen die Ab­ nahme der Rechnung vollzieht. Der Jnnungsvorstand hat [eine Abschrift der] [die] Jahresrechnung der Auf­ sichtsbehörde einzureichen. Abänderung des Jnuungsstatuts und Anträge auf Zurücknahme der Anordnung wegen Errichtung der Zwangsinnuug.

§55. Anträge auf Abänderung des Jnuungsstatuts und der Nebenstatuten sind beim Vorstande schriftlich anzubringen. Zur Verhandlung über dieselben ist eine [außerordentliche, nur zu diesem Zwecke bestimmte] Sitzung der Jnnungsversammlung zu berufen, zu welcher alle Mitglieder mindestens 14 Tage vorher schriftlich [mittelst öffentlicher Bekanntmachung] unter Mittheilung der Anträge einzuladen sind. Gleichzeitig mit der Einladung ist bei der Aufsichtsbehörde Anzeige zu machen und die Entsendung eines Vertreters in die Ver­ sammlung zu beantragen. Die Jnnungsversammlung kann über die Anträge nur im Beisein eines Ver­ treters der Aufsichtsbehörde und nur dann beschließen, wenn ['/«] ihrer stimmberech­ tigten Mitglieder erschienen sind. Ist diese Zahl in der ersten zu dem fraglichen Zwecke angesetzten Versammlung nicht erschienen, so hat der Jnnungsvorstand zur Abstimmung über den Antrag binnen 4 Wochen eine zweite Versammlung zu berufen, in welcher die Abstimmung ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden erfolgt. Hieraus ist bei der Anberaumung dieser zweiten Versammlung ausdrücklich hinzuweisen. Die Beschlusse können nur mit einer Mehrheit von [%] der erschienenen Stimm­ berechtigten gefaßt werden. §56. Ueber Anträge auf Zurücknahme der Anordnung wegen Errichtung der Zwangsinnung kann [die Jnnungsversammlung einen gültigen Beschluß nur fassen.]*) [nur in einer Versammlung Beschluß gefaßt werden, zu welcher sämmtliche nach § 17 zur Wahl der Vertreter berechtigte Jnnnngsmitglieder eingeladen sind, und zwar mir dann,] wenn 1. die Herbeiführung dieses Beschlusses von mindestens einem Viertel derjenigen stimmberechtigten Mitglieder, welche der Innung auf Grund des § 4 angehören, bei dem Vorstande beantragt worden ist, 2. die Einladung zu der Jnnungsversammlung, in der die Abstimmung über den Antrag erfolgen soll, mindestens 4 Wochen vorher schriftlich [mittelst öffentlicher Bekanntmachung] unter Angabe des Zweckes ergangen ist, 3. drei Viertel der in Ziffer 1 bezeichneten Znnungsmitglieder dem Antrage zustimmen. Waren in der Jnnungsversammlung, in welcher die Abstimmung über den Antrag erfolgen soll, weniger als drei Viertel der im Absatz 1 Ziffer 1 bezeichneten •) Der Inhalt der ersten Klammer gilt für den Fall, daß die Jnnungsver­ sammlung nicht aus Vertretern besteht (§17 erste Faffung).

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Bekanntmachung vom 19. März 1898. (Musterstatut.)

Innung-mitglieder erschienen, so hat der Innung-vorstand zur Abstimmung über den Antrag binnen 4 Wochen eine zweite Innung-Versammlung einzuberufen, in welcher die Zurücknahme von drei Viertel der im Absatz 1 Ziffer 1 bezeichneten und er­ schienenen Mitglieder beschlosien werden kann. Auf diese Folge ist bei der Einbe­ rufung hinzuweisen. Im Uebrigen findet die Bestimmung des § 55 Absah 2 entsprechende Anwendung. §57. Im Falle der Auflösung oder Schließung der Innung sind die Innung-mitglieder verpflichtet, die ordentlichen Beiträge für das lausende Vierteljahr sHalbjahr, Jahr), so­ wie die bereits umgelegten außerordentlichen Beiträge an Diejenigen zu zahlen, welchen die Abwickelung der Geschäfte der Innung obliegt (§ 98 der Gewerbe-Ordnung). Die Verwendung des Innung-vermögens erfolgt nach den Vorschriften des § 98a der Gewerbe-Ordnung mit der Maßgabe, daß eine Verkeilung von Reinvermögen unter die bisherigen Mitglieder unstatthaft ist, und der Rest des Vermögens nach Bestimmung der Aufsichtsbehörde entweder den bei der Innung bisher vor­ handenen Unterstühungskaffen oder einer freien Innung, welche für die an der bis­ herigen Zwangsinnung betheiligten Gewerbszweige errichtet wird, oder der Hand­ werkskammer zu überweisen ist. Bekanntmachungen.

§58. Alle die Innung betreffenden Bekanntmachungen werden bis zu anderweiter Beschlußfaffung der Jnnungsversammlung in sName des Blattes) erlaffen. Beaufsichtigung der Innung.

§59. Die Aussicht über die Innung wird von d.................................................. zu................................. wahrgenommen.

III.

Entwurf eines Beschlusses der Jnnungsversammlung betreffend Lorschristen zur Regelung des Lehrlingswesens. Vorbemerku ng. Eine der wichtigsten Aufgaben der Innung ist die nähere Regelung des Lehr­ lingswesens. Die hierzu erforderlichen Vorschriften zu erlassen, liegt der Jnnungs­ versammlung ob. Der Entwurf soll für eine entsprechende Beschlußfassung sowohl den freien Innungen als den Zwangsinnungen eine unverbindliche Anleitung geben. Zur Regelung des Lehrlingswesens werden für die Jnnungsmitglieder folgende Vorschriften erlaffen: § 1.

Mitglieder der Innung dürfen Lehrlinge nur annehmen, wenn sie 1. nach Maßgabe der §§ 126 und 126 a der Gewerbe-Ordnung die Befugniß besitzen, Lehrlinge zu halten, und 2. nach Maßgabe der §§ 126a, 129, 129a daselbst und des Artikels 7 des Gesetzes vom 26. Juli 1897 die Befugniß besitzen, Lehrlinge in dem . . . ..........................-Gewerbe anzuleiten. Jnnungsmitgliedern. welche für ihre Person den Erforderniffen zu Ziffer 2 nicht genügen, ist jedoch die Annahme von Lehrlingen gestattet, sofem sie deren An-

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lettuiig einem Vertreter übertragen, welcher allen gesetzlichen Anforderungen entspricht. Das Gleiche gilt bei Fortsetzung des Gewerbebetriebes nach betn Tode eines Innungsmitgliedes für Rechnung der Wittrve oder minderjähriger Erben.*) § 2.

Als Lehrlinge dürfen von den Jnnungsmitgliedern nur solche Personen angenommen werden, welche die erforderlichen Schulkenntnisse besitzen und nicht an körperlichen oder geistigen Gebrechen leiden, die sie zur Erlernung des Gewerbes [Handwerkes^ untüchtig machen §3. Die Annahme eines Lehrlinges erfolgt durch Abschluß eines schriftlichen Lehr­ vertrags und durch Einschreiben des Lehrlinges in die Lehrlingsrolle. Der Lehrvertrag, welcher nach einem in den wesentlichen Punkten vom Jnnungsvorstande festgestellten [, von der Jnnungsversammlung zu genehmigenden) Formulare abzuschließen ist, muß enthalten: 1. die Bezeichnung des Gewerbes oder des Zweiges der gewerblichen Thätig­ keit, in welchem die Ausbildung erfolgen soll; 2. die Angabe der Dauer der Lehrzeit; 3. die Angabe der gegenseitigen Leistungen : 4. die gesetzlichen und sonstigen Voraussetzungen, unter welchen die einseitige Auflösung des Vertrags zulässig ist. Zn dem Vertrag ist die Dauer der Lehrzeit im Anschluß an die von der Hand­ werkskammer aus Grund des § 130a der Gewerbe-Ordnung für das.................. * Gewerbe getroffene Bestimmung und, solange eine solche Bestimmung nicht getroffen ist, auf [3] Jahre festzustellen.**) §4. Das Jnnungsmitglied, welches einen Lehrling annehmen will, hat denselben bei dem Jnnungsvorstand unter Einreichung des für ihn ausgestellten Arbeitsbuchs (§ 107 der Gewerbe-Ordnung) und des abzuschließenden Lehrvertrags anzumelden. Entstehen Zweifel über das Vorhandensein der erforderlichen Voraussetzungen fsir die Annahme des Lehrlinges, so entscheidet der Vorstand nach Anhörung des Ausschusses für das Lehrlingswesen, vorbehaltlich etwaiger Entscheidungen der zu­ ständigen Behörden, über die Zulässigkeit der Annahme. Wird die Annahme des Lehrlinges nicht beanstandet, [so hat der Lehrherr eine Abschrift des von ihm oder seinem Stellvertreter, dem Lehrling und dem Vater oder Vormund des Lehrlinges zn unterschreibenden Lehrvertrags binnen 14 Tagen nach dessen Abschluß dem JnnnngSvorstand einzureichen. Hierauf erfolgt die Einschreibung des Lehrlinges in die Lehrlingsrolle der Innung (§ 3). Außerdem hat der Lehrherr den Lehrvertrag in einem Exemplare dem Vater oder Vormunde des Lehrlinges auszuhändigen.) [so erfolgt in einem vom Vorstand anzusehenden Termine, zu welchem auch der Ausschuß für das Lehrlingswesen einzuladen ist, die Vorstellung des Lehrlinges, die Unterzeichnung des Lehrvertrags durch den Lehrherrn oder seinen Stellvertreter, den Lehrling sowie seinen Vater oder Vormund und hieraus die Einschreibung des Lehrlinges in die Lehrlingsrolle der Innung (§ 3). Der Lehrherr und der Vater oder Vonnund des Lehrlinges erhalten Abschrift des Lehrvertrags. Für das Erscheinen des Vaters oder Vormundes des Lehrlinges hat der Lehr*) Der § 1 Absah 1 Ziffer 2 und Absah 2 gilt nicht für Nichthandwerker. Die in Absatz 1 erwähnten Paragraphen können hier in einer Anmerkung abgedruckt werden. **) Weitere Vorschriften über den Inhalt des Lehrvertrags können für Hand­ werke von der Handwerkskammer getroffen werden.

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(Musterstatut.)

Herr Sorge zu tragen. Im Falle des Nichterscheinens des Vaters oder Vormundes hat er die vorgängige Unterzeichnung des Lehrvertrags durch denselben herbeizuführen.] §5. Die Lehrherren haben ihre Lehrlinge in den bei ihren Betrieben vorkommenden Arbeiten des Gewerbes dem Zwecke der Ausbildung entsprechend zu unterweisen; sie haben dieselben zum fleißigen Besuche des öffentlichen Gottesdienstes sowie zum regelmäßigen und pünktlichen Besuche der Fortbildungs- und Fachschule anzuhalten. Den Lehrlingen unter 16 Jahren ist der Besuch von Schank- und anderen öffent­ lichen Lokalen nur in Begleitung erwachsener Angehöriger, des Lehrherrn oder seines die Ausbildung leitenden Vertreters gestattet. fAm Sonntag Nachmittag und Abend wird ihnen in dazu hergerichteten besonderen Räumen, für welche die vorstehende Be­ schränkung nicht gilt, Gelegenheit zur Unterhaltung und Belehrung geboten werben.] §6.

Die Lehrherren sind verpflichtet, Lehrlingen, welche vor den Ausschuß für das Lehrlingswefen geladen werden, die zur Befolgung dieser Ladung erforderliche Zeit zu gewähren. Wird das Lehrlingsverhältniß aufgelöst, so hat der Lehrherr dem Ausschüsse binnen einer Woche Anzeige zu machen. §7. Lehrherren, welche ihre Pflichten den Lehrlingen gegenüber versäumen, sind auf Antrag des Ausschuffes für das Lehrlingswesen durch den Vorstand auf geeignete Weise zu gewiffenhafter Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu ermahnen. Bleibt dies unwirksam, so hat der Vorstand die Bestrafung des Lehrherrn herbeizuführen. Haben sich Jnnungsmitglieder oder deren zur Ausbildung des Lehrlinges be­ rufene Vertreter wiederholt grober Pflichtverletzungen gegen die ihnen anvertrauten Lehrlinge schuldig gemacht, oder liegen gegen sie Thatsachen vor, welche sie in sitt­ licher Beziehung zum Halten oder zur Anleitung von Lehrlingen ungeeignet erschei­ nen lasten, so hat der Vorstand bei der unteren Verwaltungsbehörde die Entziehung der Befugniß zum Halten und zur Anleitung von Lehrlingen zu beantragen. In gleicher Weise ist die Entziehung der Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen hin­ sichtlich solcher Personen zu beantragen, welche wegen geistiger oder körperlicher Ge­ brechen zur sachgemäßen Anleitung eines Lehrlinges nicht geeignet sind (§ 126 a der Gewerbe-Ordnung). Wenn Jnnungsmitglieder den Vorschriften zuwider Lehrlinge halten, anleiten oder anleiten lasten, so hat der Vorstand auf Antrag oder nach Anhörung des AusschusteS für das Lehrlingswesen geeignetenfalls die Anwendung der gesetzlichen Strafund Zwangsmittel herbeizuführen (§§ 148 Ziffer 9a und 9b, 128 Absah 1, 144a der Gewerbe-Ordnung). § 8.

Wird der Lehrherr zur Erfüllung der ihm vertragsmäßig obliegenden Ver­ pflichtungen unfähig, so hat der Ausschuß für das Lehrlingswesen dem Vater oder dem Vormunde hiervon mit der Auffordenmg Kenntniß zu geben, die Auflösung des Lehrverhältnistes herbeizuführen. Das Gleiche hat zu geschehen, wenn der Lehrherr verstirbt und nicht innerhalb 4 Wochen die Fortsetzung des Gewerbes nach Maßgabe deö § 1 Absatz 2 geregelt wird. In diesen Fällen, sowie in sonstigen Fällen, in welchen das Lehrlingsverhältniß aus Grund des § 127 b der Gewerbe-Ordnung ausgelöst wird, hat der Ausschuß, sofern der Vater oder Vormund des Lehrlinges dies wünschen, seine Vermittelung dafür eintreten zu lasten, daß der Lehrling für den Rest der Lehrzeit bei einem anderen Jnnungsmitglied untergebracht wird.

Gesetz vom 13. Mai 1884.

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§9. Die Innung stellt dem Lehrling über die Zurücklegung der ordnungsmäßigen Lehrzeit, über die während derselben erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie über sein Betragen den Lehrbrief aus. sFür Ausstellung desselben ist ein Betrag von 1,50 Mark an die Jnnungskasse zu zahlen.) Der Lehrling soll von dem Lehrherrn und dem Ausschüsse für das Lehrlingswesen angehalten werden, sich nach Beendigung des Lehrverhältnisses der Gesellen­ prüfung zu unterziehen. Die Gesellenprüfung findet in der Regel erst nach Ablauf der im § 3 Absatz 3 vorgesehenen Dauer der Lehrzeit statt. Die Handwerkskammer kann in Einzelfällen Lehrlinge von der Jnnehaltung der von ihr festgesetzten Lehrzeit entbinden; solange sie die Dauer der Lehrzeit nicht festgesetzt hat, kann der Ausschuß für das LehrlingSloefen einen Erlaß an der Lehrzeit gewähren.

20.

Gesetz, betreffend die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern. Vom 13. Mai 1884. R.G.Bl. S. 49. § 1.

Die Anfertigung von Zündhölzern unter Verwendung von weißem Phosphor darf nur in Anlagen stattfinden, welche ausschließlich für die Herstellung von Zündhölzern benutzt werden. §

2.

In Räumen, in welchen a) das Zubereiten der Zündmasse, b) das Betunken der Hölzer, c) das Trocknen der betunkten Hölzer erfolgt, darf jugendlichen Arbeitern (§ 136 der Gewerbe-Ordnung), in Räumen, welche (!) zu dem Abfüllen der Hölzer und ihrer ersten Verpackung dienen, darf Kindern (§135 Absah 1 und 2 der Gewerbe-Ordnung) der Aufenthalt nicht gestattet werden. § 3. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrift im § 1 werden mit Geld­ strafe bis zu dreihundert Mark, im Unvermögenöfalle mit Haft bestraft. Neben der Strafe ist auf Einziehung der in dem gesetzwidrigen Betriebe benutzten beweglichen Gegenstände und der hergestellten Zündhölzer zu erkennen.

Zu tz 2 a. a. O. Zm Sinne des § 2 d. R.G. v. 13. Mai 1884 kommt nur derjenige als Thäter in Betracht, welcher in der Lage ist, den Ailfenthalt in den betreffenden Räumen zu gestatten, nicht aber derjenige, welcher eine der unter a bis d aufgeführten Arbeiten vornimmt. Erk. d. R.G. v. 16. April 1888. Reger IX. S. 134. Durch Art. VI des Reichsgesetzes vom 13. Mai 1891 (R.G.Bl. S. 107) ist hinter §367 Nr. 5 des R.St.G B. als 5a eine Bestimmung eingeschaltet, wonach der betreffenden Strafbestimmung auch derjenige unterliegt, welcher bei Versendung oder Beförderung von leicht entzündlichen oder ätzenden Gegenständen durch die Post die deshalb ergangenen Verordnungen nicht befolgt.

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Bekanntmachung vom 8. Juli 1893.

§4. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrift im § 2 werden mit Geld­ strafe bis zu zweitausend Mark, im Unvermögensfalle mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Die auf Grund der vorstehenden Bestimmung auferlegten Geldstrafen fließen der im § 116 der Gewerbe-Ordnung bezeichneten Kasse zu. § 5.

Auf die zur Zeit des Erlasses dieses Gesetzes bestehenden Betriebes finden die Bestimmungen desselben erst nach Ablauf von zwei Jahren Anwendung.

21.

Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Anlagen zur Anfertigung von Zündhölzern unter Verwendung von weißem Phosphor. Bom 8. Juli 1893. R.G.BI. S. 209. Zur Ausführung des Gesetzes, betreffend die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern, vom 13. Mai 1884 (Reichs-Gesehbl. S. 49) hat der Bundesrath auf Grund des § 120 e der Gewerbe-Ordnung folgende Vorschriften über die in Anlagen, welche ytr Anfertigung von Zündhölzern unter Verwendung von weißem Phosphor dienen, zu treffenden Einrichtungen erlaffen: § l-

Für jede der nachfolgend bezeichneten Verrichtungen: a) das Zubereiten der Zündmaffe, b) das Betunken der Hölzer, c) das Trocknen der betunkten Hölzer, d) das Abfüllen der Hölzer und ihre erste Verpackung, muffen besondere Räume vorhanden sein. Diese Räume dürfen nur unter einander, nicht aber mit anderen Arbeitsräumen oder mit Wohn- und Geschäftsräumen in unmittelbarer Verbindung stehen. Es ist indeffen eine unmitelbare Verbindung des für das Betunken der Hölzer bestimmten Raumes mit dem Einlegeraum, sowie des für daS Abfüllen und die erste Verpackung der Hölzer bestimmten Raumes mit den Lagerräumen für fertige Waare gestattet. In jedem der bezeichneten Räume dürfen ausschließlich diejenigen Arbeiten vorgenommen werden, für welche derselbe bestimmt ist; jedoch ist es erlaubt, in dem zum Betunken der Hölzer bestimmten Räumen (b) auch das Schwefeln und Paraffiniren der Hölzer vorzunehmen. § 2.

Die Räume, in welchen die im § 1 unter a, b, d bezeichneten Verrichtungen vorgenommen werden, müssen mindestens fünf Meter hoch, die Räume unter b und d feuersicher abgedeckt, die Trockenräume (c) in ihrem ganzen Umfange feuersicher her­ gestellt sein. Die Wände der Räume, in welchen die unter a, b, d bezeichneten Ver­ richtungen vorgenommen werden, müssen mit einem Anstrich von Kalkmilch versehen sein, welcher mindestens einmal halbjährlich zu erneuern ist, nachdem der frühere Anstrich gut abgerieben ist. § 3.

Die Räume, in welchen Zündmaffe bereitet wird, müssen so eingerichtet sein, daß ein beständiger Luftwechsel stattfindet, welcher ausreicht, um entstehende Phosphor­ dämpfe sofort abzuführen.

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Bekanntmachung vom 8. Juli 1893.

Die Bereitung der Zündmafle darf nur in luftdicht geschloffenen Gefäßen stattfinden, deren Füllöffnung so einzurichten ist. daß sie zugleich als Sicherheits­ ventil wirkt. Gefäße, in welchen Zündmasse enthalten ist, müssen stets gut bedeckt gehalten werden. §4. Das Betunken der Hölzer muß mittelst solcher Vorrichtungen geschehen, welche das Eindringen der Phosphordämpfe in die Arbeitsräume ausschließen. Wird erwärmte Tunkmasie verwendet, so dürfen zum Betunken nur Vorrich­ tungen benutzt werden, welche für diesen Zweck von der höheren Verwaltungsbehörde besonders genehmigt sind.

§ 5. Die Räume, in welche betunkte Hölzer zum Trocknen gebracht werden, müssen ausreichend ventilirt sein. Zn künstlich erwärmten Trockenräumen darf die Temperatur fünfunddreißig Grad Celsius nicht übersteigen. In jedem Trockenraum ist ein Thermometer anzubringen, an welchem durch eine in die Augen fallende, von anßen wahrnehmbare Marke der höchste zulässige Temperaturgrad bezeichnet ist. Das Beschicken und Entleeren der Räume darf, sofern dazu das Betreten der letzteren erforderlich ist, nur stattfinden, wenn vorher mindestens eine halbe Stunde lang durch Oeffnen der Thüren und Fenster oder durch besondere VentilationSvorrichtungen ein völliger Luftwechsel hergestellt ist. § 6.

Die Abfüllräume, und sofern die erste Verpackung der Hölzer in besonderen Räumen erfolgt, auch diese, müssen so bemessen sein, daß für jeden der darin beschäf­ tigten Arbeiter ein Luftraum von mindestens zehn Kubikmeter vorhanden ist. Die gedachten Räume müssen mit Fenstern, welche geöffnet werden können, und mit aus­ reichend wirkenden Ventilationseinrichtungen versehen sein. § 7.

Die int § 1 unter a, b, d bezeichneten Räume müssen täglich nach Beendigung der Arbeit gereinigt werden. Die dabei zu sammelnden Abfälle sind sofort nach be­ endigter Reinigung der Räume zu verbrennen. § 8.

Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß die Arbeiter, welche in den int § 1 a bis d bezeichneten Räumen beschäftigt sind, einen besonderen Oberanzug oder eine auch den Oberkörper deckende Schürze tragen, und daß dieselben diese Kleidungsstücke jedesmal beim Verlassen der Arbeitsräume in einem besonderen, getrennt von den letzteren herzurichtenden Raum ablegen und zurücklassen. In diesem Raum müssen abgesonderte Behälter zum Aufhängen der Arbeitsanzüge und der gewöhnlichen Klei dungsstücke, welche vor Beginn der Arbeit abgelegt werden, vorhanden sein.

§ 9. Der Arbeitgeber darf nicht gestatten, daß die Arbeiter Nahrungsmittel in die Arbeitsräume mitbringen oder in denselben verzehren. Er hat dafür zu sorgen, daß das Einnehmen der Mahlzeiten nur in Räumen geschieht, welche von den Arbeitsraunten, sowie von den An- und Auskleideräumen vollständig getrennt sind. Auch müssen außerhalb der Arbeitsräume Vorrichtungen zum Erwärmen der Speisen vor­ handen sein.

§10. Außerhalb der ArbeitSräume, aber in unmittelbarer Nähe derselben, mfiffen für die Zahl der darin beschäftigten Arbeiter ausreichende Wascheinrichtungen anMarciuowSki, Deutsche Bewerbe-Orduuug. 6. Auslage.

42

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Bekanntmachung vom 8. Juli 1893.

gebracht und Gefäße zum Zweck deS MundauSfpülenS in genügender Anzahl auf. gestellt fein §11.

Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß die Arbeiter vor dem Einnehmen der Mahlzeiten, sowie vor dem Verlassen der Fabrik sich die Hände gründlich reini­ gen, den Mund mit Wasser ausspülen und die während der Arbeit benutzten OberNeider oder Schürzen ablegen. §

12.

Der Arbeitgeber darf in den im § 1 unter a bis d bezeichneten Räumen nur Personen zur Beschäftigung zulassen, welche eine Bescheinigung eines approbirten Arztes darüber beibringen, daß sie nicht an der Phosphornekrose leiden und vermöge ihrer Körperbeschaffenheit der Gefahr, von dieser Krankheit befallen zu werden, nicht in besonderem Maße ausgesetzt sind. Die Bescheinigungen sind zu sammeln, aufzubewahren und dem Aufsichtsbeam­ ten (§ 139 b der Gewerbe-Ordnung) auf Verlangen vorzulegen. § 13. Der Arbeitgeber hat die Ueberwachung des Gesundheitszustandes der von ihm beschäftigten Arbeiter einem, dem Aufstchtsbeamten (§ 139b der Gewerbe-Ordnung) namhaft zu machenden approbirten Arzte zu übertragen, welcher vierteljährlich min­ destens einmal eine Untersuchung der Arbeiter vorzunehmen und den Arbeitgeber von jedem ermittelten Falle einer Erkrankung an Phosphornekrose in Kenntniß zu sehen hat. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, von jeder unter den Arbeitern vorkommenden Erkrankung an PhoSphornekrose, sobald er durch den Fabrikarzt oder auf andere Weise davon Kenntniß erhält, dem Aufstchtsbeamten schriftliche Anzeige zu erstatten. Er darf an der PhoSphornekrose erkrankte Arbeiter nicht ferner in den im § 1 a bis d bezeichneten Räumen beschäftigen. §14. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zur Kontrole über den Wechsel und Verbleib der Arbeiter ein Buch zu führen, welches Vor- und Zunamen, Alter, Wohnort, sowie den Tag des Ein- und Austritts jedes Arbeiters enthalten muß. In dieses Kontrolbuch hat der Fabrikarzt das Ergebniß seiner Untersuchungen und den Tag der letzteren einzutragen. Daffelbe ist dem Aufsichtsbeamten (§ 139 b der Gewerbeord­ nung) auf Verlangen vorzulegen. § 15. In jedem Arbeitsraum muß eine Abschrift oder ein Abdruck deS § 2 des Ge­ setzes vom 13. Mai 1884 und der §§ 1 bis 14 dieser Vorschriften, sowie eine An­ weisung für die in dem betreffenden Raum beschäftigten Arbeiter an einer in die Augen fallenden Stelle aushängen. Ein Exemplar dieser Anweisung ist jedem Ar­ beiter, welcher in den im § 1 unter a bis d bezeichneten Räumen beschäftigt werden soll, einzuhändigen. §16. Neue Anlagen, in welchen Zündhölzer unter Verwendung von weißem Phos­ phor angefertigt werden sollen, dürfen erst in Betrieb gesetzt werden, nachdem ihre Errichtung dem zuständigen Aufsichtsbeamten (§ 139b der Gewerbe-Ordnung) angezeigt worden ist. Der Letztere hat nach. Empfang dieser Anzeige schleunigst durch persönliche Revision festzustellen, ob die Einrichtung der Anlage den erlaffenen Vor­ schriften entspricht.

Bekanntmachung vom 8. Juli 1893.

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§ 17. 3m Falle der Zuwiderhandlung gegen § 1 des Gesetzes vorn 13. Mai 1884 und gegen die §§ 1 bis 16 dieser Vorschriften kann die Polizeibehörde die Einstellung des Betriebes bis zur Herstellung des vorschristsmähigen Zustandes anordnen. § 18. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem Tage ihrer Verkündigung an die Stelle der durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 11. Zuli 1884 (Centralblatt für das Deutsche Reich S. 195) verkündeten Vorschriften. Die auf Grund des § 18 Absatz 2 daselbst durch den Bundesrath zugelassenen Ausnahmen von den Vorschriften des § 1 und des § 2 Sah 1 bleiben bis zu ihrem etwaigen Widerruf aufrecht erhalten. Auf Grund des § 120 Absah 3 und des § 139 a Absatz 1 d. Gew O, hatte der Bundesrath unterm 12. April 1886 besondere Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der Bleifarben' und Bleizuckerfabriken erlassen. An Stelle derselben ist die nachstehende Bek. v. 8. Juli 1893 (R.Gesetzbl. S. 213) getreten.

Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Lleifarbenuud Bleizuckerfabriken vom 8. Juli 1893. R.G.Bl. S. 213. Auf Grund des § 120e und deS § 139a der Gewerbe-Ordnung hat der Bundesrath folgende Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der Bleifarben- und Bleizuckerfabriken erlassen: §1. Sämmtliche Arbeitsräume der Anlagen, in welchen Bleifarben oder Bleizucker hergestellt werden, müssen geräumig und hoch hergestellt, kräftig ventilirt, feucht und rein gehalten werden. Das Eintreten bleihaltigen Staubes sowie bleihaltiger Gase und Dämpfe in dieselben muß durch geeignete Vorrichtungen verhindert werden. §2.

Staub entwickelnde Apparate müssen an allen Fugen dmch dicke Lagen von Filz oder Wollenzeug oder durch Vorrichtungen von gleicher Wirkung so abgedichtet sein, daß das Eindringen des Staubes in den Arbeitsraum verhindert wird. Apparate dieser Art müssen mit Einrichtungen versehen fein, welche eine Span­ nung der Luft in denselben verhindern. Sie dürfen erst dann geöffnet werden. Mnn der in ihnen entwickelte Staub sich abgesetzt hat und völlig abgekühlt ist. §3. Beim Trockenmahlen, Packen, Beschicken und Entleeren der Glätte- und Men­ nigeöfen, beim Mennigedeuteln und bei sonstigen Operationen, bei welchen das Ein­ treten von Staub in den Arbeitsraum stattfinden kann, muß durch Absauge- und Abführungsvorkehrungen an der Eintrittsstelle die Verbreitung des Staubes in den Arbeitsraum verhindert werden. §4. Arbeitsräume, welche gegen das Eindringen bleihaltigen Staubes oder blei­ haltiger Gase und Dämpfe durch die in den §§ 1 und 2 vorgeschriebenen Einrichtun­ gen nicht vollständig geschützt werden können, sind gegen andere Arbeitsräume so abzuschließen, daß in die letzteren Staub, Gase oder Dämpfe nicht eindringen können. §5. Die Innenflächen der Oxydir- und Trockenkammern müssen möglichst glatt und dicht hergestellt sein. Die Oxydirkammern sind während des Behüngens und während des Ausnehmens feucht zu erhalten.

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Bekanntmachung vom S. Juli 1893.

Der Inhalt der Oxydirkammern ist, bevor die letzteren nach Beendigung des Oxydationsprozeffes zum Zweck des Ausnehmens betreten werden, gründlich zu durch feuchten und während des Entleerens feucht zu erhalten. Ebenso find Rohbleiweißvorräthe während der Ueberführung nach dem Schlemmraum und während des etwaigen Lagerns in demselben feucht zu halten. §6 .

Beim Transporte und bei der Verarbeitung nasser Bleifarbenvorräthe, nament­ lich beim Schlemmen und Naßmahlen, ist die Handarbeit durch Anwendung mecha­ nischer Vorrichtungen soweit zu ersetzen, daß das Beschmutzen der Kleider und Hände der dabei beschäftigten Arbeiter auf das möglichst geringe Maß beschränkt wird. Das Auspressen von Bleiweißschlamm darf nur vorgenommen werden, nach­ dem die in letzterem enthaltenen löslichen Bleisalze vorher ausgefällt find. §7. In Anlagen, welche zur Herstellung von Bleifarben und Bleizucker dienen, darf jugendlichen Arbeiten, die Beschäftigung und der Aufenthalt nicht gestattet werden. Arbeiterinnen dürfen innerhalb derartiger Anlagen nur in solchen Räumen und nur zu solchen Verrichtungen zugelassen werden, welche fle mit bleiischen Produkten nicht in Berührung bringen. Diese Bestimmungen haben bis zum 1. Mai 1903 Gültigkeit. §8. Der Arbeitgeber darf in Räumen, in welchen Bleifarben oder Bleizucker her­ gestellt oder verpackt werden, nur solche Personen zur Beschäftigung zulasten, welche eine Bescheinigung eines approbirten Arztes darüber beibringen, daß fle weder schwäch­ lich, noch mit Lungen-, Nieren- oder Magenleiden oder mit Alkoholismus behaftet find. Die Bescheinigungen find zu sammeln, aufzubewahren und dem Auffichts­ beamten (§ 139 b der Gewerbeordnung) auf Verlangen vorzulegen. §9. Arbeiter, welche bei ihrer Beschäftigung mtt bleiischen Stoffen oder Produtten in Berührung kommen, dürfen innerhalb eines Zeittaumes von vierundzwanzig Stun­ den nicht länger als zwölf Stunden beschäftigt werden. § 10.

Der Arbeitgeber hat alle mit bleiischen Stoffen oder Produtten in Berührung kommenden Arbeiter mit vollständig deckenden Arbeitstteidern einschließlich einer Mütze zu versehen. §11. Mit Staubentwickelung verbundene Arbeiten, bei welchen der Staub nicht sofort und vollständig abgesaugt wird, darf der Arbeitgeber nur von Arbeitern ausführen lasten, welche Nase und Mund mit Respiratoren oder feuchten Schwämmen be­ deckt haben.

§ 12. Arbeiten, bei welchen eine Berührung mit gelösten Bleisalzen stattfindet, darf der Arbeitgeber nur durch Arbeiter ausführen lasten, welche zuvor die Hände entweder eingefettet oder mit undurchläsfigen Handschuhen versehen haben. § 13. Die in §§ 10, 11, 12 bezeichneten Arbeitskleider, Respiratoren, Schwämme und Handschuhe hat der Arbeitgeber jedem damit zu versehenden Arbeiter in beson­ deren Exemplaren in ausreichender Zahl und zweckentsprechender Beschaffenheit zu überweisen. Er hat dafür Sorge zu ttagen, daß diese Gegenstände stets nur von denjenigen Arbeitern benutzt werden, welchen fle zugewiesen find, und daß dieselben in bestimmten Zwischenräumen, und zwar die Arbettstteider mindestens jede Woche,

Bekanntmachung vom 8. Zuli 1893.

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die Respiratoren, Mundschwämme und Handschuhe vor jedem Gebrauche gereinigt und während der Zeit, wo fie sich nicht im Gebrauche befinden, an dem für jeden Gegenstand zu bestimmenden Platze aufbewahrt werden. § 14. Zn einem staubfreien Theile der Anlage muß für die Arbeiter ein Wasch- und Ankleideraum und getrennt davon ein Speiseraum vorhanden sein. Beide Räume müssen sauber und staubfrei gehalten und während der kalten Jahreszeit geheizt werden. Zn dem Wasch- und Ankleideraum müssen Gefäße zum Zweck des Mundausspülens, Seife und Handtücher, sowie Einrichtungen zur Verwahrung derjenigen gewöhnlichen Kleidungsstücke, welche vor Beginn der Arbeit abgelegt werden, in ausreichender Menge vorhanden sein. In dem Speiseraum oder an einer anderen geeigneten Stelle müssen sich Vor­ richtungen zum Erwärmen der Speisen befinden. Arbeitgeber, welche fünf oder mehr Arbeiter beschäftigen, haben diesen wenig­ stens einmal wöchentlich Gelegenheit zu geben, ein warmes Bad zu nehmen. §

15.

Der Arbeitgeber hat die Ueberwachung des Gesundheitszustandes der von ihm beschäftigten Arbeiter einem, dem Auffichtsbeamten (§ 139b der Gewerbe-Ordnung) namhaft zu machenden approbirten Arzte zu übenragen, welcher monatlich mindestens einmal eine Untersuchung der Arbeiter vorzunehmen und den Arbeitgeber von jedem Falle einer ermittelten Bleikrankheit in Kenntniß zu sehen hat. Der Arbeitgeber darf Arbeiter, bei welchen eine Bleikrankhett ermittelt ist, zu Beschäftigungen, bei welchen sie mit bleiischen Stoffen oder Materialien in Berührung kommen, bis zu ihrer völligen Genesung nicht zulassen. § 16. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Krankenbuch zu führen oder unter seiner Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Einträge durch den mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Arbeiter beauftragten Arzt oder durch einen Betriebsbeamten führen zu lassen. Das Krankenbuch muß enthalten: 1. den Namen dessen, welcher daö Buch führt; 2. den Namen des mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Ar­ beiter beauftragten Arztes ; 3. den Namen der erkrankten Arbeiter; 4. die Art der Erkrankung und die vorhergegangene Beschäftigung; 5. den Tag der Erkrankung; 6. den Tag der Genesung, oder wenn der Erkrankte nicht wieder in Arbeit getreten ist, den Tag der Entlassung. Das Krankenbuch ist dem Auffichtsbeamten, sowie den zuständigen Medizinalbeamten auf Verlangen vorzulegen. § 17.

Der Arbeitgeber hat Vorschriften zu erlassen, welche außer einer Anweisung hinsichtlich des Gebrauches der in den §§ 10, 11, 12 bezeichneten Gegenstände folgende Bestimmungen enthalten müssen: 1. Die Arbeiter dürfen Branntwein, Bier und andere geistige Gettänke nicht mit in die Anlage bringen. 2. Die Arbeiter dürfen Nahrungsmittel nicht in die Arbeitsrüume mitnehmen, dieselben vielmehr nur im Speiseraum aufbewahren. Das Einnehmen der Mahlzeiten ist ihnen, sofeni es nicht außerhalb der Anlage stattfindet, nur im Speiseraum gestattet.

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Verfügung vom 18. Mai 1889.

3. Die Arbeiter haben die ArbeitSkleider, Respiratoren, Mundschwümme und Handschuhe in denjenigen Arbeitsräumen und bei denjenigen Arbeiten, für welche es von dem Betriebsunternehmer vorgeschrieben ist, zu benutzen. 4 Die Arbeiter dürfen erst dann den Speiseraum betreten, Mahlzeiten einnehmen oder die Fabrik verlosten, wenn sie zuvor die ArbeitsNeider abge­ legt, die Haare vom Staube gereinigt, Hände und Gestcht sorgfältig ge­ waschen, die Nase gereinigt und den Mund ausgespült haben. Außerdem ist in den zu erlassenden Vorschriften vorzusehen, daß die Arbeiter im Falle der Zuwiderhandlung gegen die im Absatz 1 bezeichneten Vorschriften vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Auflündigung entlasten werden können. Werden in einem Betriebe in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäf­ tigt, so sind die in diesem Paragraphen bezeichneten Vorschriften in die nach § 134a der ©cwjO. zu erlastende Arbeitsordnung aufzunehmen. § 18. In jedem Arbeitsraum, sowie in dem Ankleide- und dem Speiferaum muß eine Abschrift oder ein Abdruck der §§ 1—17 dieser Vorschriften und der gemäß § 17 vom Arbeitgeber erlassenen Vorschriften an einer in die Augen fallenden Stelle aus­ hängen. Der Betriebsunternehmer ist für die Handhabung der im tz 17 Absah 1 bezeichneten Vorschriften verantwortlich, und verpflichtet, Arbeiter, welche denselben wieder­ holt zuwiderhandeln, auS der Arbeit zu entlasten. § 19. Neue Anlagen, in welchen Bleifarben oder Bleizucker hergestellt werden soll, dürfen erst in Betrieb gesetzt werden, nachdem ihre Errichtung dem zuständigen Aufstchtsbeamten (§ 139 b der Gew.O.) angezeigt ist. Der Letztere hat nach Empfang dieser Anzeige schleunigst durch persönliche Revision festzustellen, ob die Einrichtung der Anlage den erlassenen Vorschriften entspricht. § 20. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die §§ 1—19 dieser Vorschriften kann die Polizeibehörde die Einstellung des Betriebes bis zur Herstellung des vorschrifts­ mäßigen Zustandes anordnen.

§ 21. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem Tage ihrer Verkündigung an die Stelle der durch die Bekanntmachung deS Reichskanzlers vom 12. April 1886 (ReichS-Gesetzbl. S. 69) verkündeten Vorschriften.

22.

Verfügung des Handelsministers vom 18. Mai 1889, betreffend Borschriften über die Einrichtung and den Betrieb von Spiegelbelegaustalten. M.Bl. S. 78.

§ 1. Die Herstellung von Quecksilberspiegeln darf nur in Räumen, welche zu ebener Erde belegen sind und entsprechend kühl gehalten werden können, erfolgen. Die Fenster aller Räume, in welchen die Möglichkeit einer Entwickelung von Queckstlberdampf und -Staub vorliegt (quecksilbergefährliche Räume), müssen nach Norden liegen.

Verfügung vom 18. Mai 1889.

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§ 2. In den Arbeitsräumen dürfen Queckstlbervorräthe nicht gelagert werden. Die Aufbewahrung von Quecksilber hat in einem besonderen Raume, in verschließbaren, gut gedichteten Behältern zu erfolgen. h 3. In dem Belegraume darf nur das Belegen der Glastafeln, in dem Trockenraume dürfen nur solche Arbeiten, welche mit dem Trocknen der belegten Glastafeln verbunden sind, vorgenommen werden. Diese Raume dürfen mit Wohn-, Schlaf- und Haushaltsräumen nicht in unmittelbarer Verbindung stehen. Die Thüren, welche die Verbindung derselben unter einander und mit anderen Arbeitsräumen her­ stellen. muffen guten Schlich haben, geschloffen gehalten werden und sind nur dann und so lange zu öffnen, als die Arbeit dieses erforderlich macht. Der Aufenthalt nicht beschäftigter Personen, sowie der Aufenthalt der be­ schäftigten Personen vor und nach der Arbeit und während der Pausen in diesen Räumen ist nicht zu dulden. Das Wischen (Putzen, Reinigen) der Glastafeln ist im Belegraume insoweit gestattet als die letzte Fertigmachung der Gläser zum Belegen dieses unabweislich erfordert. § 4. Beim Anwärmen der Wischtücher ist die Verwendung von Kohlenhäfen in allen Arbeitsräumen untersagt. Im Belegraume und anderen durch Quecksilberverwendung gefährlichen Räumen dürfen zum Anwärmen von Tüchern nur solche Wärmevorrichtungen (Keine Petroleum­ öfen u. a.) benutzt werden, bei welchen ein Ausstrahlen von Wärme und eine Er­ hitzung benachbarter Luftschichten auf das geringste Maß beschränkt bleibt. Werden hierzu Petroleumöfen verwendet, so dürfen die Derbrennungsgase nicht in den Arbeits­ raum, sondern nur in einen Schlot entweichen. Jede direkte Heizung dieser Räume ist untersagt. Die Erwärmung der Lust bei Kälte und ebenso die Abkühlung der Lust bei hoher Sommerwärme ist für diese Räume nur durch Einführung vorgewärmter bezw. abgekühlter Luft zu bewirken. Die Temperatur der eingeführten vorgewärmten Lust darf niemals 15° C. (12° R.) überschreiten. 3n Lagerräumen, Wischräumen und anderen die Gesundheit der Arbeiter nicht gefährdenden Räumen ist die Benutzung gewöhnlicher einserner Oefen gestattet. § 5. Soweit die Witterung und der Gang der Fabrikation es erlaubt, sind die Fenster der durch Ouecksilberverwendung für die Gesundheit gefährlichen Räume vor und nach der Arbeit möglichst offen zn halten. § 6. Die Größe der Beleg- und Trockenräume ist so zu bemessen, daß pro Kopf der darin beschäftigten Personen in den ersteren ein Lufttaum von mindestens 40 cbm, in den letzteren von mindestens 30 cbm entfällt. Die Höhe der Räume muß mindestens 3,5 m betragen. Durch eine nicht auf natürlichen Temperaturdifferenzen beruhende, während der Arbeitszeit stets wirksame Ventilattonsvorkehrung (Anwendung einer Lockfeuerung außerhalb der Räume, eines Gas-, Wasser- oder anderen MotorS) ist dafür Sorge zu tragen, daß die Lust der Beleg- und Trockenräume bei geschloffenen Fenstern und Thüren durch Zu- und Abführung von mindestens 60 cbm Lust pro Kopf mid Stunde während der Arbeitszeit fortlaufend erneuert wird. Die frische Luft ist in die oberen Luftschichten der betreffenden Räume einzuleiten. Die Absaugung der Luft ist so ein­ zurichten, daß die unteren Luftschichten zuerst abgeführt werden. Zu- und Ableitung dürfen nicht an derselben Wand angebracht werden, sondern müssen sich möglichst gegenüber liegen und so eingerichtet sein, daß Zug vermieden bleibt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diejenigen Kontrolapparate zu beschaffen, welche von dem zuständigen Aufsichtsbeamten als erforderlich bezeichnet werden, um festzustellen, ob die vorhandene Venttlationsanlage den gestellten Anforderungen entspricht.

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Verfügung vom 18. Mai 1889.

§ 7. Die Temperatur der Luft in den Beleg« und Trockenräumen ist möglichst gleichmäßig zu halten. Erreicht an einem Tage die Temperatur der Lust in diesen Räumen die Höhe von 25° C. (20° R.) und darüber, so ist die Arbeit einzustellen und an diesem Tage nicht wieder aufzunehmen. In jedem Beleg, und Trockenraume ist ein Thermometer anzubringen, an welchem durch eine in die Augen fallende Marke die zulässige höchste Temperaturgrenze bezeichnet ist. Das Thermometer ist in Kopfhöhe und nicht an einer Umfaffungswand oder in der Nähe einer Thür oder eines Fensters anzubringen. § 8. Der Fußboden der Beleg- und Trockenräume muß aus glattem Asphalt­ belag, ohne Fugen, Ritzen und Sprünge bestehen, mit leichter Neigung zu einer Sammelrinne für da- auf den Boden gelangende Quecksilber und mit Sammelbecken. § 9. Die Wände der Beleg- und Trockenräume sind, sofern sie aus Mauerwerk bestehen, glatt zu verputzen. Wände auS Holz müssen auS gehobelten, gut gefugten und verkitteten Brettern hergerichtet fein und an der Decke und am Boden dicht schließen. Wände und Decken sind mit Oelfarbenanstrich zu versehen und allwöchentlich abzuwaschen. $ 10. Die Belegtische und Trockengestelle müssen so eingerichtet sein, daß daS beim Anttünken der Zinnfolie, beim Uebergießen derselben mit Quecksilber, beim Pressen der belegten Platten und freun Trocknen der Spiegel abfließende Quecksilber möglichst schnell in die aufgestellten Auffangbehälter gelangt. Nach Schluß der täglichen Arbeitszeit ist der Belegttsch sorgfältig von Quecksilber zu säubern. Die Auffangbehälter find so einzurichten, daß sie vollkommen verschlossen sind, bis auf eine enge, dem Einlaß des Quecksilbers dienende Oeffnung. Die Anbringung von Filtrireinrichtungen ist nur in den Behältern selbst, nicht auf den Belegtischen gestattet. Das Anreiben (Antränken) der Zinnfolie mit bloßen Händen ist den Arbeitern zu untersagen. § 11. In Belegräumen und in allen sonstigen Räumen, in welchen Quecksilber verwendet wird, ist die peinlichste Sauberkeit und Vorsicht zu beobachten. Jedes Verschütten und Verspritzen von Quecksilber ist möglichst zu vermeiden. Der Fußboden solcher Räume ist vor Beginn der täglichen Arbeit und vor Wiederbeginn der Arbeit nach vorausgegangener Pause reichlich mit Wasser zu besprengen und täglich nach Schluß der Arbeit nach reichlicher Besprengung mit Wasser auszukehren. Kehricht, sowie der Inhalt von Sammelbecken im Fußboden ist täglich aus den Arbeitsräumen zu entfernen und in verschlossenen Behättern aufzuheben. Mit dem Auskehren solcher Räume dürfen in der Regel nur Personen beauftragt werden, welche im Uebrigen bei der Arbeit mit Quecksilber nicht in gefährliche Be­ rührung kommen. Wo dieses ausnahmsweise nicht ausführbar sein sollte, ist dafür zu sorgen, daß die Arbeiter mit dem Auskehren häufig, mindestens wöchentlich, abwechseln. § 12. Zur Reinigung von Quecksilberabfällen sind, soweit dieselbe in den Be­ legeanstalten selbst und nicht in besonderen Läuterungsanstalten ausgeführt wird, gläserne Scheidetrichter zu verwenden. Die Reinigung queckfilberhalttger Tücher, Lappen und Anreibeballen ist in gleicher Weise oder durch Auswaschen zu bewirken. Das Ausklopfen solcher Tücher, Lappen und Anreibeballen ist untersagt, sofern es nicht auf mechanischem Wege in verschlossenen, gegen Staub vollkommen undurchlässigen Behältern ausgeführt wird; auch sind ge­ brauchte Tücher möglichst häufig durch neue zu ersetzen. Die vorstehend bezeichneten Reinigungsarbeiten dürfen nicht in den Arbeits-

Verfügung vom 18. Mai 1889.

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räumen vorgenommen werden. In dem Aufbewahrungsraum für Quecksilbervorräthe sind sie gestattet. § 13. Eine Beschäftigung in queckfilbergefährlichen Rälnnen darf nur solchen Personen gewährt werden, welche eine Bescheinigung eines approbirten Arztes bei­ bringen, daß nach dem Ergebniß der körperlichen Untersuchung besondere Umstände, welche von der Beschäftigung in einer Spiegelbeleganstalt außergewöhnliche Nachtheile für ihre Gesundheit befürchten ließen, nicht vorliegen. Die Bescheinigungen sind zu sammeln, aufzubewahren und dem nach § 139 b der Gewerbe-Ordnung zuständigen Aufsichtsbeamten auf Verlangen vorzulegen. § 14. In Beleg- und Trockenräumen dürfen Arbeiter in den Monaten Ottober bis einschließlich April nicht länger als 8 Stunden, in den Monaten Mai bis ein­ schließlich September nicht länger als 6 Stunden täglich beschäftigt werden. Nach Ablauf der Hälfte der täglichen Arbeitszeit in diesen Räumen ist mindestens zwei­ stündige Pause zu gewähren. Eine anderweite Beschäftigung der Arbeiter seitens des Arbeitgebers außer der vorstehend bezeichneten Zeit ist nur dann zulässig, wenn sie nicht in Räumen erfolgt, welche durch Queckstlberverwendung die Gesundheit der Arbeiter gefährden. Für Anlagen, in welchen Quecksilbererkrankungen der Arbeiter häufiger auftreten, kann auf Anttag des nach § 139b der Gewerbe-Ordnung zuständigen Auffichts­ beamten die Maximalarbeitszeit von 8 bezw. 6 Stunden täglich für die Arbeiter in Beleg- und Trockenräumen verkürzt werden. § 15. Der Arbettgeber hat die Ueberwachung des Gesundheitszustandes der von ihm in gesundheitsgefährlichen Räumen beschäftigten Personen einem, dem Aufsichtsbeamten (§ 139b der Gewerbe-Ordnung) namhaft zu machenden approbirten Arzte zu überttagen, welcher in zwei Wochen mindestens einmal eine Untersuchung der Arbeiter vorzunehmen und den Arbeitgeber von jedem Falle einer ermittelten Quecksilbererkrankung in Kenntniß zu setzen hat. Der Arbeitgeber darf Arbeiter, bei welchen eine Quecksilbererkrankung ermittelt ist, zu Beschäftigungen, bei welchen sie mit Quecksilber in Berührung kommen, bis zu ihrer völligen Genesung nicht zu­ lassen. § 16. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Krankenbuch zu führen oder unter seiner Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Einträge durch den mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der in gesundheitsgefährlichen Räumen beschäftigten Arbeiter beauftragten Arzt oder durch einen Betriebsbeamten führen zu lassen. Das Krankenbuch muß enthalten: 1. den Namen dessen, welcher das Buch führt ; 2. den Namen deS mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Arbeiter beauftragten Arztes; 3. die Namen der erkrankten Arbeiter; 4. die Art der Erkrankung und die vorhergegangene Beschäftigung; 5. den Tag der Erkrankung; 6. den Tag der Genesung, oder wenn der Erkrankte nicht wieder in Arbeit gebeten ist, den Tag der Entlassung. Das Krankenbuch ist dem Aufsichtsbeamten, sowie den zuständigen Medizinal­ beamten auf Verlangen vorzulegen. § 17. Der Arbeitgeber hat alle in den durch Quecksllberverwendung gefährlichen Räumen beschäftigten Arbeiter mit vollständigem, möglichst anschließendem ArbeitSanzuge aus glattem, dichtem Stoff ohne Falten und Taschen, mit einer Mütze und einem gut anliegenden Schuhwerk zu versehen. Jedem Arbeiter ist eine besondere, für ihn passende Arbeitskleidung zu überweisen.

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Verfügung vom 18. Mai 1889.

Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, daß die Arbeitskleider stets nur von denjenigen Arbeitern benutzt werden, welchen (sic Angewiesen sind, und daß die­ selben nach wöchentlichem Gebrauche stets gereinigt und während der Zeit, wo sie sich nicht im Gebrauche befinden, an dem für sie zu bestimmenden Platze aufbewahrt werden. § 18. Außerhalb der gesundheitsgefährlichen Räume, doch in der Nähe der­ selben, ist für die in denselben beschäftigten Arbeiter ein nach Geschlechtern gettennter Wasch- und Ankleideraum und getrennt davon, sofern die Arbeiter nicht außerhalb der Anlage speisen, ein Speiseraum einzurichten. Beide Räume müsse« sauber ge­ halten und während der kalten Jahreszeit geheizt werden. In dem Wasch- und Ankleideraum müssen Gefäße zum Zweck des Mundausspülens, die etwa ärztlicherseits für erforderlich gehaltenen besonderen Mundspülwüster, Seife und Handtücher, sowie Einrichtungen zur Verwahrung derjenigen ge­ wöhnlichen Kleidungsstücke, welche vor Beginn der Arbeit abgelegt werden, in aus­ reichender Menge vorhanden sein. In dem Spesteraum oder an einer anderen geeigneten Stelle müssen fich Vorrichtungen zum Erwärmen der Speisen befinden. Der Arbeitgeber hat den in gesundheitsgeführlichen Räumen beschäftigten Arbeitern Gelegenheit zu gewähren, wenigstens einmal wöchentlich ein warmes oder kaltes Bad (je nach dem Wunsche des Arbeiters oder nach ärztlicher Anordnung) zu nehmen. § 19.*) Der Arbeitgeber hat eine Fabrikordnung zu erlaffen, welche eine AnWeisung hinsichtlich deS Gebrauches der im tz 17 bezeichneten Bekleidungsgegenstände und hinsichtlich der Vorsichtsmaßregeln beim Arbeiten mit Quecksilber für die in ge­ sundheitsgefährlichen Räumen beschäftigten Personen, namentlich aber folgende Vor­ schriften enthalten muß: 1. die Arbeiter dürfen Branntwein, Bier und andere geistige Getränke nicht mit in die Anlage bringen; 2. die Arbeiter dürfen Nahrungs- und Genußmittel nicht in die Arbeitsräume mitnehmen, dieselben vielmehr nur im Speiseraum aufbewahren. Das Rauchen und Schnupfen im Arbeitsraume ist zu verbieten. Das Einnehmen der Mahlzeiten ist den Arbeitern, sofern es nicht außerhalb der Anlage stattfindet, nur im Spesteraum gestattet; 3. die Arbeiter haben die Arbeitskleider in denjenigen Arbeitsräumen und bei denjenigen Arbeiten, für welche es von dem Betriebsunternehmer vor­ geschrieben ist, zu benutzen; 4. die Arbeiter dürfen erst dann den Speiseraum betreten, Mahlzeiten einnehmen oder die Fabrik verlassen, wenn sie zuvor die Arbeitskleider abgelegt, die Haare vom Staube gereinigt, Hände und Gesicht sorgfältig gewaschen, die Nase gereinigt und den Mund ausgespült haben. Das Tragen langer Bärte ist untersagt. § 20.**) In jedem durch Quecksilberverwendung die Gesundheit der Arbeit ge­ fährdenden Arbeitsraume, sowie in dem Ankleide- und dem Speiseraum muß eine Abschrift oder ein Abdruck der §§ 1—19 dieser Vorschriften der Fabrikordnung an einer in die Augen fallenden Stelle aushängen. Jeder neu eintretende Arbeiter ist, bevor er zur Beschäftigung zugelassen wird, zur Befolgung der Fabrikordnung, von welcher ihm ein Exemplar auszuhändigen ist, bei Vermeidung der ohne vorhergehende Kündigung eintretenden Entlassung zu verpflichten.

Bekanntmachung vom 24. Marz 1892.

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Der Betriebsunternehmer ist für die Handhabung der Fabrikordnung verautwörtlich und verpflichtet, Arbeiter, welche derselben wiederholt zuwiderhandeln, auS der Arbeit zu entlasten. § 21. Neue Anlagen, in welchen Quecksilberspiegel belegt werden sollen, dürfen erst in Betrieb gesetzt werden, nachdem ihre Errichtung dem zuständigen Aufsichts­ beamten (tz 139b der Gewerbe-Ordnung) angezeigt ist. Der Letztere hat nach Empfang dieser Anzeige schleunigst durch persönliche Revision festzustellen, ob die Einrichtung der Anlage den erlaflenen Vorschriften entspricht. § 22. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die §§ 1—21 dieser Vorschriften kann die Polizeibehörde die Einstellung des Betriebes bis zur Herstellung des vor­ schriftsmäßigen Zustandes anordnen.

23.

Bekanntmachung vom 24. März 1892, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen auf Steinkohlenbergwerken, Zink- und Bleierzbergwerken und ans Kokereien im Regierungsbezirk Oppeln. R.G.Bl. S. 131. I.

1.

Arbeiterinnen dürfen auf Steinkohlenbergwerken: beim Hin- und Zurückfahren der Förderwagen zwischen Schacht und Ausstürzvorrichtungen, bei Bedienung der Separationsvorrichtungen und Wäschen, beim Ver­ laden der Steinkohlen, auf Zink- und Bleierzbergwerken: bei Bedienung der Aufbereitungsanstalten, beim Transport der Erze zum Zweck der Um- und Verladung, auf Kokereien: beim Anfahren der Kohlen zu den Oefen, beim Einstampfen der Kohlen, bei Bedienung der Separationsvorrichtungen, beim Füllen, Verladen und Umladen des Koks in Körbe oder Wagen, beim Transport des Koks nach den Eisenbahnwagen, deren Bela­ dung unmittelbar vor den Oefen stattfindet, oder nach den mit Koke­ reien in unmittelbarer Verbindung stehenden Hochöfen, beim Stellen der Meiler)

auch fernerhin zur Nachtzeit und am Sonnabend, sowie an Vorabenden der Festtage auch nach fünfeinhalb Uhr Nachmittags unter nachstehenden Bedingungen beschäftigt werden. 2. Die Beschäftigung der Arbeiterinnen darf weder in der Tagschicht noch in der Nachtschicht die Dauer von zehn Stunden überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf innerhalb einer Woche nicht mehr als sechzig Stunden betragen, davon dürfen innerhalb zweier Wochen in die

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Bekanntmachung vom 24. März 1892.

Zeit von sechs Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens nicht mehr als sechzig ©tunden fallen. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden liegen. Der wöchentliche Wechsel zwischen den Tag- und Nachtschichten ist in der Weise zu regeln, daß die in der Tagschicht beschäftigten Arbeiterinnen erst nach einer Ruhezeit von mindestens vierundzwanzig Stunden in der Nachtschicht, die in der Nachtschicht beschäftigten erst nach einer Ruhezeit von mindestens vierundzwanzig Stunden in der Tagschicht beschäftigt werden dürfen. 3. Die Arbeitsrüume, Arbeitsplätze und Förderbahnen müssen hell beleuchtet sein. Den Arbeiterinnen sind besondere abschließbare, in der kalten Jahres­ zeit erwärmte, zum Waschen, zum Umkleiden und zum Trocknen der Kleider geeignete Räume zur Verfügung zu stellen. Außerdem müssen für sie getrennte Aborte mit besonderen Eingängen vorhanden sein. 4. Auf Arbeitsstätten, in welchen Arbeiterinnen nach verschiedenen Bestim­ mungen zur Nachtzeit beschäftigt werden, muß neben der gemäß § 138 Absah 2 der Gewerbe-Ordnung auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel angebracht werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter 1 bis 3 wiedergiebt. Ferner ist ein Verzeichniß der Arbeiterinnen auszuhängen, welches die beiden Abthei­ lungen der je in der Tagschicht und in der Nachtschicht Beschäftigten getrennt aufführt. 5. Die Bestimmungen unter 1 bis 4 finden auf diejenigen Anlagen keine An­ wendung, in welchen eine Beschäftigung von Arbeiterinnen mit den bei 1 bezeichneten Arbeiten zur Nachtzeit bisher nicht stattgefunden hat. Bei den unter 1 bezeichneten Arbeiten darf die Anzahl der in Tag- und Nachtschichten beschäftigten Arbeiterinnen auf den einzelnen Werken die Höchst­ zahl der im Jahre 1891 beschäftigten nicht überschreiten. Diese Zahl ist bis zum 1. Mai 1892 dem zuständigen Aufsichtsbeamten (§ 139 b der Gewerbe-Ordnung) nachzuweisen. Zur Beschäftigung in Tag- und Nachtschichten bei solchen Arbeiten dürfen Ar­ beiterinnen vom 1. Oktober 1893 ab nicht mehr neu angenommen werden.

II. Auf Steinkohlenbergwerken und Zink- und Bleierzbergwerken tritt für diejenigen Arbeiterinnen über achtzehn Jahre, welche mit den unmittelbar mit der Förderung der Kohlen oder Erze zusammenhängenden Arbeiten beschäftigt sind, der § 137 Absah 3 der Gewerbe-Ordnung mit der Maßgabe außer Anwendung, daß zwischen den Arbeitsstunden den Arbeiterinnen eine oder mehrere Pausen in der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde gewährt werden müffen und daß die Beschäftigung im Ganzen nicht mehr als zehn Stunden betragen darf. Werden mehrere Pausen gewährt, so muß eine derselben mindestens eine halbe Stunde betragen.

in. 1. Auf Steinkohlenbergwerken und Zink- und Bleierzbergwerken, deren Be­ trieb auf eine doppelte tägliche Arbeitsschicht eingerichtet ist, treten die Bestimmungen des § 137 Absatz 1 und 3 der Gewerbe-Ordnung für Arbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche mit Arbeiten der unter Nr. 1 Ziffer 1 bezeichneten Art beschäftigt sind, mit folgenden Maßgaben außer Anwendung. 2. Die erste Schicht darf nicht vor viereinhalb Uhr Morgens beginnen, die zweite nicht nach zehn Uhr Abends schließen, in keiner der beiden Schichten darf die Beschäftigung länger als acht Stunden dauern.

Bekanntmachung vom 24. Mürz 1892.

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3. Zwischen der zweiten und der sechsten Arbeitsstunde muß den Arbeiterinnen eine Pause von mindestens einer halben Stunde gewährt werden. 4. Arbeiterinnen zwischen sechszehn und achtzehn Jahren dürfen in der vorstehend bezeichneten Weise nur beschäftigt werden, wenn durch das Zeug­ niß eines von der höheren Verwaltungsbehörde zur Ausstellung solcher Zeugnisse ermächtigten Arztes nachgewiesen ist, daß die körperliche Entwickelung der Arbeiterin die Beschäftigung ohne Gefahr für ihre Gesundheit zuläßt. Das ärztliche Zeugniß ist vor Beginn der Beschäftigung dem Arbeitgeber aus­ zuhändigen, welcher es zu verwahren, aus amtliches Verlangen vorzulegen und bei Beendigung des Arbeilsverhältnisses der Arbeiterin bezw. deren gesetzlichen Vertreter wieder auszuhändigen hat. 5. Auf Arbeitsstätten, wo Arbeiterinnen nach den Bestimmungen unter l bis 4 beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Absah 2 der Gewerbe-Ordnung auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel angebracht werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter 1 bis 4 wiedergiebt. 6. Die Gesammtzahl der nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen auf den einzelnen Werken beschäftigten Arbeiterinnen darf die Höchstzahl der im Jahre 1891 beschäftigt gewesenen nicht überschreiten. Wegen der Nachweisung dieser Höchstzahl findet die Bestimmung in Nr. 1 Ziffer 5 Absatz 2 Anwendung. IV.

Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem 1. April 1892 in Kraft. Die Bestimmungen unter I haben bis zum 1. April 1897*) die Bestimmungen unter II und III bis zum 1. April 1902 Gültigkeit.

24.

Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Rohznckerfabriken und Zuckerraffinerien vom 24. März 1892. R.G.Bl. S. 534. I. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbei­ tern in Rohzuckerfabriken und Zuckerraffinerien unterliegt folgenden Beschränkungen: 1. Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter dürfen zur Bedienung der Rübenschwemmen, der Rübenwäschen und der Fahrstühle, sowie zum Transport der Rüben und Rübenschnitzel in schwer zu bewegenden Wagen nicht ver­ wendet werden. 2. Im Füllhause, in den Centrifugenränmen, den Krystallisationsräumen, den Trockenkammern und den Maischräumen, sowie an anderen Arbeitsstellen, an welchen eine außergewöhnlich hohe Wärme herrscht, darf Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern während der Dauer des Betriebes eine Be­ schäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden. Für Zuckerraffinerien kann von der Landescentralbehörde die Beschäfti­ gung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre in diesen Räumen *) Durch Bek. v. 11. März 1897 bis zum 1. April 1898 nachgelassen. (R G Bl. S. 25.)

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Bekanntmachung vom 24. März 1892.

bis längstens zum 1. April 1893 gestattet werden, wenn dies im Interesse der Arbeiterinnen geboten erscheint oder wenn die sofortige Durchführung des Verbots eine erhebliche Betriebseinschränkung zur Folge haben würde. II. Für die Beschäftigung der Arbeiterinnen über sechszehn Jahre in Rohzuckerfabriken und Zuckerrasfinerien treten die Bestimmungen des § 137 Absatz 1 der Gewerbe-Ordnung mit folgenden Maßgaben außer Anwendung: 1. Eine Beschäftigung während der Nachtzeit darf nicht auf den Zuckerböden und nicht beim Trocknen der Schnitzel, ü< igens nur mit solchen Ar­ beiten stattfinden, welche für den Fortgang dess'ontiiiuirlichen Betriebes unentbehrlich find. 2. Die Beschäftigung während der Nachtschicht darf in vierundzwanzig Stun­ den die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch mehrere Pausen unterbrochen sein, von denen eine mindestens eine Stunde beträgt. Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf weder in den Tagnoch in den Nachtschichten innerhalb einer Woche mehr als fünfundsechzig Stunden betragen. Zwischen zwei Nachtschichten muß eine Ruhezeit von mindestens ^wölf Stunden liegen. Die Tagschichten und Nachtschichten müflen wöchentlich wechseln. Der wöchentliche Wechsel zwischen den Tag- und Nachtschichten ist in der Weise zu regeln, daß die in der Tagschicht beschäftigten Ar: eiterinnen erst nach einer Ruhezeit von mindestens vierundzwanzig Stunden in der Nachtschicht, die in der Nachtschicht beschäftigten erst nach einer Ruhezeit von mindestens vierundzwanzig Stunden in der Tagschicht be­ schäftigt werden dürfen. Der Schichtwechsel darf nicht in die Zeit zwischen achteinhalb Uhr Abe os und fünfeinhalb Uhr Morgens fallen. 3. Die Anzahl der in Tag- und Nachtschichten beschäftigten Arbeiterinnen darf in Rohzuckerfabriken, sowie in denjenigen Zuckerraffinerien, welche nicht während des ganzen Jahres im Betriebe sind, die Zahl der im Durchschnitt der beiden letzten Betriebsperioden, in denjenigen Zuckerraffinerien, roelu t während des ganzen Jahres im-Betriebe sind, die Zahl der im Durchschm der beiden letzten Kalenderjahre in Tag- und Nachtschichten beschäftigten Arbeiterinnen nicht überschreiten. Diese Zahl ist bis zum 1. Juni 1892 dem zuständigen Aufsichtsbeamten (§ 139 b der Gewerbe-Ordnung) nach­ zuweisen. In Rohzuckerfabriken und Zuckerraffinerien dürfen vom 1. April 1894 ab nur noch zwei Drittel, vom 1. April 1896 ab nur noch ein Drittel dieser Höchstzahl von Arbeiterinnen in Tag- und Nachtschichten beschäftigt werden. 4. Die Arbeitsräume und Verkehrsstellen (Treppen, Gänge, Wege, Höfe u. s. w.) müssen bei Dunkelheit genügend erleuchtet sein, die Arbeits­ räume müssen einen ausreichenden Luftraum haben, mit wirksamen Lüftungseinrichtungen versehen und in der kalten Jahreszeit erwärmt sein. 5. Den Arbeiterinnen müssen gesonderte, angemessen eingerichtete und sauber gehaltene Ankleide- und Waschräume, während der Pausen angemessen eingerichtete und sauber gehaltene Aufenthaltsräume zur Verfügung gestellt werden. Die Räume müssen in der kalten Jahreszeit erwärmt werden.

Bekanntmachung vom 29. April 1892.

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Auf Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde find den Arbeiterinnen Einrichtungen zur Herrichtung von Speisen und Getränken zur Verfügung zu stellen. Während der einstündigen Pause darf den Arbeiterinnen der Aufent­ halt in den Arbeitsraumen nur gestattet werden, wenn in denselben während dieser Zeit der Betrieb ruht. 6. Die Bedürfnißanstalten müssen für die Geschlechter getrennt, mit be­ sonderen Zugänge. versehen sein und für die Zahl der Arbeiter ausreichen. Sie müssen .ebst ihren Zugängen bei Dunkelheit genügend erleuchtet fiin und von den in warmen Räumen beschäftigten Arbeitern ohne beson­ dere Erkältungsgefahr erreicht werden können. 7. Für die in Tag- und Nachtschichten beschäftigten Arbeiterinnen ist ein Verzeichniß in der Weise aufzustellen, daß die in derselben Schicht beschäf­ tigten je eine Abtheilung bilden. Das Verzeichniß muß die Angabe der Arbeitstage, des Beginns und des Endes der Arbeitszeit und der Pausen enthalten und ist in denjenigen Räumen, in welchen Arbeiterinnen zur Nachtzeit beschäftigt werden, an geeigneter Stelle auszuhängen. 8 Zn den unter 7 bezeichneten Räumen ist neben der nach § 138 Absah 2 der Gewerbe-Ordnung auszuhängenden Tafel an geeigneter Stelle eine besondere Tafel auszuhängen, welche in deutlicher Schrift die Bestim­ mungen unter 1 bis 7 wiedergiebt. Iti. Die Bestimmungen unter I treten mit dem 1. Mai 1892, die Bestim­ mungen unter II mit dem 1. April 1892 in Kraft. Die Bestimmungen unter I haben bis zum l. April 1902, die Bestimmungen unter II bis zum 1. April 1898 Gültigkeit.

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Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugeMchen Arbeitern in Walz- mtb Hammerwerken vom 29. April 1892. R.G.Bl. S. 602.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Metall-, Walz- und Hammerwerken, welche mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, unterliegt folgenden Beschränkungen: 1. Arbeiterinnen dürfen bei dem unmittelbaren Betriebe der Werke nicht be­ schäftigt werden; 2. Kinder unter vierzehn Jahren dürfen in den Werken überhaupt nicht be­ schäftigt werden. II. Für die Beschäftigung der jungen Leute männlichen Geschlechts treten die Beschränkungen des § 136 der Gewerbeordnung mit folgenden Maßgaben außer Anwendung:

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Bekanntmachung vom 29. April 1892. 1. Vor Beginn der Beschäftigung ist dem Arbeitgeber für jeden Arbeiter das von einem Arzte, der von der höheren Verwaltungsbehörde zur Ausstellung solcher Zeugnisie ermächtigt ist, auszustellende Zeugniß einzuhändigen, nach welchem die körperliche Entwickelung des Arbeiters eine Beschäftigung in dem Werke ohne Gefahr für die Gesundheit zuläßt. Der Arbeitgeber hat mit dem Zeugniffe in gleicher Weise, wie mit dem Arbeitsbuche (§ 107 der Gewerbe-Ordnung) zu verfahren. 2. Die ArbeitSfchicht darf einschließlich der Pausen nicht länger als 12 Stun­ den, ausschließlich der Pausen nicht länger als 10 Stunden dauern. Die Arbeit muß in jeder Schicht durch Pausen in der Gesammtdauer von mindesten- einer Stunde unterbrochen fein. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer viertel Stunde Dauer kommen auf die Pausen nicht in Anrechnung. Eine der Pausen muß mindestens eine halbe Stunde dauern und zwischen das Ende der vierten und den Anfang der siebenten Arbeitsstunde fallen. Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf innerhalb einer Woche ausschließlich der Pausen 60 Stunden nicht überschreiten. Bei Tag- und Nachtbetrieb muß wöchentlich Schichtwechsel ein­ treten. Bei Betrieben mit täglich zwei Schichten darf für junge Leute die Zahl der in die Zeit von 81/* Uhr Abends bis 5ya Uhr Morgens fallen­ den Schichten (Nachtschichten) wöchentlich nicht mehr als sechs betragen. 3. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine Ruhezeit von mindestens 12 Stun­ den liegen. Innerhalb dieser Ruhezeit ist eine Beschäftigung mit Neben­ arbeiten nicht gestattet. 4. An Sonn- und Festtagen darf die Beschäftigung nicht in die Zeit von -6 Uhr Morgen- bis 6 Uhr Abends fallen. In die Stunden vor oder nach dieser Zeit darf an Sonntagen die Beschäftigung nur dann fallen, wenn vor Beginn oder nach Abschluß der Arbeitsschicht den jungen Leuten eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden gesichert bleibt. 5. Während der Pausen für die Erwachsenen dürfen junge Leute nicht befchästigt sein.

HI. Die Bestimmungen des § 138 der Gewerbe-Ordnung finden in Walz- und Hammerwerken (I) mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Das in den Fabrikräumen auszuhängende Derzeichniß der jugendlichen Arbeiter ist in der Weife aufzustellen, daß die in derselben Schicht Beschäf­ tigten je eine Abtheilung bilden. 2. DaS Derzeichniß braucht eine Angabe über die Pausen nicht zu enthalten. Statt dessen ist dem Derzeichniß eine Tabelle beizufügen, in welche während oder unmittelbar nach jeder Arbeitsschicht Anfang und Ende der darin gewährten Pausen eingetragen wird. Die Tabelle muß bei zwei­ schichtigem Setriebe mindestens über die letzten 14 Arbeitsschichten. bei dreischichtigem Betriebe mindestens über die letzten 20 Arbeitsschichten Aus­ kunft geben. Der Name desjenigen, welcher die Einttagungen bewirkt, muß daraus zu ersehen sein. 3. In Räumen, in welchen junge Leute nach Maßgabe der Vorschriften unter II beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Absah 2 auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter I und II wiedergiebt.

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Bekanntmachung vom 1. Februar 1895.

IV. Vorstehende Bestimmungen haben auf die Dauer von zehn Jahren Gültigkeit. Sie treten am 1. Juni 1892 in Kraft und an Stelle der in der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 23. April 1879 verkündeten Bestimmungen.

Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugend­ lichen Arbeitem in Walz- und Hammemerken vom 1. Februar 1895. R G Bl. S. 8. A. An Stelle des ersten Absatzes unter II2 treten folgende Bestimmungen: 2. Die Arbeitsschicht darf einschließlich der Pausen nicht länger als zwölf Stunden, ausschließlich der Pausen, nicht länger als zehn Stunden bauern. Die Arbeit muß in jeder Schicht durch Pausen in der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde kom­ men auf die Pausen in der Regel nicht in Anrechnung. Ist jedoch in einem Betriebe die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter so wenig an« strengend und naturgemäß mit so zahlreichen, hinlängliche Ruhe gewähren­ den Arbeitsunterbrechungen verbunden, daß schon hierdurch eine Gefährdung ihrer Gesundheit ausgeschloffen erscheint, so kann die höhere VerwaltungS« behörde einem solchen Betriebe auf Antrag unter Vorbehalt des jederzei­ tigen Widerrufs gestatten, diese Arbeitsunterbrechungen auch dann auf die einstündige Gesammtdauer der Pausen in Anrechnung zu bringen, wenn die einzelnen Unterbrechungen von kürzerer als einviertelstündiger Dauer sind. Werden die jugendlichen Arbeiter in längeren als achtstündigen Schichten beschäftigt, so muß eine der Pausen stets mindestens eine halbe Stunde dauern und zwischen das Ende der vierten und den Anfang der achten Arbeitsstunde fallen. B. An Stelle der Besttmmungen unter III2 treten folgende Bestimmungen: 2. Werden den jugendlichen Arbeitern regelmäßige Pausen gewährt, so ist Be­ ginn und Ende derselben für jede Abtheilung besonders in das Verzeichniß einzutragen. 3. Werden regelmäßige Pausen nicht gewährt, so braucht das Verzeichniß eine Angabe über die Pausen nicht zu enthalten. Statt deflen ist dem Verzeichniß eine Tabelle beizufügen, in die während oder unmittelbar nach jeder Arbeitsschicht Anfang und Ende der darin gewährten Pausen einge­ tragen werden. Die Tabelle muß bei zweischichttgem Betriebe mindestens über die letzten vierzehn Arbeitsschichten, bei dreischichtigem Betriebe minbestens über die letzten zwanzig Arbeitsschichten Auskunft geben. Der Name desjenigen, welcher die Eintragungen bewirkt, muß daraus zu er­ sehen sein. 4. Die Tabelle (3) braucht nicht geführt zu werden für jugendliche Arbeiter, deren Beschäftigung ausschließlich an Walzenstraßen stattfindet, die nur mit einem nicht kontinuirlichen Ofen arbeiten, sofern dieser innerhalb vierund­ zwanzig Stunden mindestens acht Chargen macht und während der Arbeit an den Walzenstraßen nicht nachchargirt wird. 5. Im Uedrigen kann die höhere Verwaltungsbehörde einzelne Betriebe auf Antrag unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs von der Führung der Tabelle für solche im Einzelnen namhaft zu machende Arbeiten entbinden, bei denen für die jugendlichen Arbeiter nach der Art dieser Arbeiten in MarciuowSki, Deutsche Gewerbe-Ordnung. ti. Auflage.

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Bekanntmachung vom 8. Dezember 1893. dem betreffenden Betriebe regelmäßig mindestens Arbeitsunterbrechungen von der unter II2 bestimmten Dauer eintreten. Die höhere Verwaltungsbehörde hat über die Betriebe, die auf Grund der Bestimmung im Absatz 1 von der Tabellensührung entbunden worden sind, nach einem vorgeschriebenen Verzeichnis zu führen. Ein Auszug aus diesem Verzeichniffe, der das abgelaufene Kalenderjahr umfaßt, ist biS zum erste» Februar jedes JahreS durch die Laudes-Eentralbehörde dem Reichs» kanzler vorzulegen. C. Die bisherige Nr. III3 erhält die Bezeichnung 6. D. Diese Bestimmungen treten mit dem Tage ihrer Bekanntmachung in Kraft.

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Bekanntmachung, betreffe»- die Nachunttagspanseu der in Spinnereien beschäftigten jugendlichen Arbeiter vom 8. Dezember 1893. R.G.BI. S. 264. I. Zn Spinnereien, welche der Ortspolizeibehörde angezeigt haben, daß sie von der durch diese Bestimmungen nachgelaffenen Ausnahme Gebrauch machen wollen, darf die für jugendliche Arbeiter durch § 136 Absatz 1 der Gewerbe-Ordnung vor­ geschriebene Nachmittagspause am Sonnabend sowie an Vorabenden der Festtage unter folgenden Bedingungen wegfallen: 1. An denjenigen Tagen, an welchen die NachmtttagSpause fortfallen soll, darf die Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter nicht länger als neun und eine halbe Stunde und nicht über fünf ein halb Uhr Nachmittags dauern und nach der Mittagspause vier Stunden nicht überschreite». 2. An diesen Tagen muß dm jugmdlichm Arbeitern gestattet werden, das Vesperbrot wührmd der Arbeit einzunehmen. II. In Spinnereien, welche von den vorstehmden Bestimmungen Gebrauch mach« wollen, ist in Räumen, in deam jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, neben der nach § 138 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel auSzuhängm, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter I wiedergiebt. UI. Vorstehende Bestimmungen treten mit dem Tage der Verkündung in Kraft und haben bis zum I. Januar 1904 Gültigkeit. In einem C.R. des H.M. v. 14. Februar 1894 (M.Bl. S. 30) wird bezüglich der Spinnereien auf die hohe Feuergefährlichkeit derjenigen Anlagen hingewiesen, in denen ein Gemisch von Thier- und Pflanzen-Wolle versponnen wird. Als be­ sonders gefährlich find die Wolf- und Mischräume dieser Anlagen anzusehen. Es müffen daher folgende Anforderungen an die Anlagen dieser Art gestellt werden: 1) Die Wolf- und Mischrüume müffen feuerficher eingerichtet und feuersicher von andern Arbeitsräumen und den Treppenhäusern getrennt sein; sie dürfen nur unmittelbar in'S Freie führende Ausgänge haben. 2) Die Treppenanlagen müffen thunlichst rauch- uud feuersicher, und zwar so eingerichtet roetbm, daß sie mit den ArbeitSrüumen nicht in unmittelbarer Ver­ bindung stehen.

Bekanntmachung vom 29. April 1892.

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3) Die Arbeitsrüume müssen eine genügende Anzahl leicht zu öffnender und als solche leicht erkennbarer Fenster haben. Die Fensteröffnungen müssen bis auf die Fenstersohle herabreichen und mindestens 110 cm hoch und 60 cm breit sein. 4) Die Anlagen müssen mit geeigneten Feuerlöscheinrichtungen versehen sein. Wo es irgend durchführbar erscheint, ist zu fordern, daß Arbeitsräume, jeden­ falls aber der Wolf- und Mischraum nur zu ebener Erde angelegt werden dürfen. Eine Verlegung des Wolf- und Mischraumes in das Erdgeschoß und seine feuersichere Trennung von den übrigen Arbeitsraumen und den Treppenhäusern wird auch in vielen bereits bestehenden Anlagen möglich sein. Bei mehrstöckigen Gebäuden ist darauf zu halten, daß die Decken feuersicher hergestellt und etwaige Oeffnungen für Transmissionen, Aufzüge u. s. w. durch feuer­ feste Wände von den Arbeitsräumen getrennt werden. Die oben zu 2 gestellte Forderung soll verhindern, daß die Treppenhäuser in einem Brandfalle wie große Zugessen wirken, das Feuer anfachen und sich mit Rauch erfüllen, so daß sie für die von oben flüchtenden Personen ungangbar werden. Die Treppen werden daher so anzuordnen sein, daß sie nicht unmittelbar von den Arbeitsräumen aus, sondern nur vermittelst offener, feuersicherer Gallerien zu­ gänglich sind. Derartige Einrichtungen sind schon mehrfach und können als unbedingt zuver­ lässig betrachtet werden. Es wird zu prüfen sein, ob nicht auch bestehende Anlagen ohne übermäßigen Kostenaufwand nach diesen Grundsätzen umgebaut werden können. Sollte sich ergeben, daß bestehende Spinnereien so unzulänglich eingerichtet sind, daß eS zweifelhaft erscheint, ob alle in den oberen Stockwerken beschäftigte Personen vor einem ausbrechenden Brande rechtzeitig flüchten können, so ist zu erwägen, ob nicht die Zahl der Arbeiter, die dort beschäftigt werden dürfen, angemessen zu be­ grenzen wäre. Endlich wird bei allen Neuanlagen und soweit als möglich, auch für bereits bestehende gefordert werden müssen, daß die Beleuchtung mittelst el^trischer Glüh­ lampen erfolge. Unter Hinweis auf den Runderlaß vom 7. April 1874, den § 120e der Ge­ werbe-Ordnung und den § 8 der Dienstanweisung für die Gewerbe-Aufflchtsbeamten vom 23. März 1892 werden die Regierungs - Präsidenten ersucht, dahin zu wirken, daß an die neu zu errrichtenden Anlagen der in Rede stehenden Art die oben aufgeführten Anforderungen gestellt und daß die schon bestehenden Anlagen nach den vorstehenden Grundsätzen so weit als möglich verbessert werden. Wegen der Sicherung der in Spinnereien beschäftigten Arbeiter gegen Feuers­ gefahr vgl. R. d. H.M. v. 14. Februar 1894 (M.Bl. S. 30) und C.R. d. H.M. vom 24. November 1894 (M.Bl. S. 219).

Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Beschäftigung jngendkicher Arbeiter in Hechelräumen und dergl. vom 29. April 1892. R.G.Bl. S. 604. I. Zn Hechelräumen sowie in Räumen, in welchen Maschinen zum Oeffnen, Lockern, Zerkleinern, Entstäuben, Anfetten oder Mengen von rohen oder abgenutzten Faserstoffen, von Abfällen oder Lumpen im Betriebe sind, darf jugendlichen Arbeitern während des Betriebes eine Beschäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden.. Die Karden (Krempel) für Wolle und Baumwolle fallen unter die vorstehende Bestimmung nicht.

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Bekanntmachung vom 11. Mürz 1892.

II. In Fabriken mit Räumen der unter Nr. I Absah 1 fallenden Art muh in den Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, neben der nach § 138 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter Nr. I wiedergiebt. IH. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem 1. Oktober 1892 in Kraft und an Stelle der durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 20. Mai 1879, betreffend die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Spinnereien verkündeten Bestimmungen. Dieselben haben für die Dauer von 10 Jahren Gültigkeit.

27. B^mmtmachlmg des Reichskanzlers, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in (Nashütten vom 11. März1892. 8t.@J8l S. 317. I. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten unterliegt folgenden Beschränkungen: 1. In solchen Räumen, in denen vor dem Ofen (Schmelz-, Kühl-, Glüh-, Streckofen) gearbeitet wird, und in solchen Räumen, in denen eine außer­ gewöhnlich hohe Wärme herrscht (Häfenkammern und dergleichen), darf Arbeiterinnen eine Beschäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden. Ausnahmen hiervon kann der Bundesrath zulassen. 2. Mit Schleifarbeiten dürfen jugendliche Arbeiter unter vierzehn Jahren (Knaben) und jugendliche Arbeiterinnen nicht beschäftigt werden. In Tafelglashütten dürfen Knaben vor dem Schmelz- oder Streckofen oder mit dem Tragen der Walzen nicht beschäftigt werden, wenn die Hütten Walzen von mehr als 5 Kilogramm Gewicht herstellen. 3. Jugendliche Arbeiter männlichen Geschlechts dürfen, soweit deren Be­ schäftigung in Glashütten nach diesen Bestimmungen zulässtg ist, nur be­ schäftigt werden, wenn durch ein Zeugniß eines von der höheren Verwal­ tungsbehörde zur Ausstellung solcher Zeugniffe ermächtigten Arztes dargethan wird, daß die körperliche Entwickelung des Arbeiters eine Beschäftigung in der Hütte ohne Gefahr für die Gesundheit zuläßt. Das ärztliche Zeugniß ist vor Beginn der Beschäftigung dem Arbeit­ geber auszuhändigen, welcher damit wie mit dem Arbeitsbuche (§ 107 der Gewerbe-Ordnung) zu verfahren hat. II. JnGlashütten, in denen dieGlasmafsegleichzeitig geschmolzen und verarbeitet wird, treten die Beschränkungen des § 136 der Gewerbe-Ordnung für jugendliche Arbeitn männlichen Geschlechts (Knaben und junge Leute) mit folgenden Maßgaben außer Anwendung: 1. Die Beschäftigung der Knaben darf innerhalb 24 Stunden einschließlich der Pausen nicht länger als sechs Stunden dauern. Die Gesammtdauer

Bekanntmachung vom 11. März 1892.

2.

3.

1.

5. 6.

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der Beschäftigung darf innerhalb einer Woche einschließlich der Pausen 36 Stunden nicht überschreiten. Die Arbeitsschicht der jungen Leute darf einschließlich der Pausen nicht länger als 12 Stunden, ausschließlich der Pausen nicht länger als 10 Stunden dauern. Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf innerhalb einer Woche ausschließlich der Pausen 60 Stunden nicht überschreiten. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde Dauer werden auf die Pausen nicht in Anrechnung gebracht; eine der Pausen muß mindestens eine halbe Stunde dauern. Bei Tag. und Nachtbetrieb muß wöchentlich Schichtwechsel eintreten. Diese Bestimmung findet auf diejenigen Glashütten keine Anwendung, in denen die Beschäftigung so geregelt ist, daß für die jugendlichen Arbeiter zwischen je zwei Arbeitsschichten eine Ruhezeit von mindestens 24 Stun« den liegt. Die Arbeit muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Während der Pausen für die Erwachsenen dürfen jugendliche Arbeiter überhaupt nicht, während der Pausen für junge Leute dürfen Knaben nicht beschäftigt werden. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine Ruhezeit von mindestens 12 Stunden liegen. An Sonn- und Festtagen darf die Beschäftigung nicht in die Zeit von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends fallen. Die Vorschrift findet, wenn mehrere Festtage auf einander folgen, nur auf den ersten Festtag Anwendung.

III. In Glashütten, in denen die Schmelzschicht und die Derarbeitnngsschicht mit einander wechseln, treten die Beschränkungen des § 135 Absatz 2 und 3 und § 136 der Gewerbe-Ordnung für jugendliche Arbeiter männlichen Geschlechts (Knaben und junge Leute) mit folgenden Maßgaben außer Anwendung: 1. Die Arbeitsschicht der Knaben darf nicht länger als die halbe Arbeitsschicht der Erwachsenen dauern. Die Beschäftigung darf nicht länger als 6 Stunden dauern, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit darf 36 Stunden nicht überschreiten. In­ nerhalb zweier Wochen darf von der Gesammtdauer der Beschäftigung in die Zeit von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens nicht mehr als die Hälfte fallen. 2. Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf für junge Leute innerhalb einer Woche ausschließlich der Pausen nicht mehr als 60 Stunden betragen. Innerhalb zweier Wochen darf von der Gesammtdauer der Beschäfti­ gung in die Zeit von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens nicht mehr als die Hälfte fallen. Die Dauer der Pausen muß für Schichten von höchstens 10 Arbeitsstunden mindestens 1 Stunde, für Schichten mit längerer Arbeitszeit min­ destens eine und eine halbe Stunde bettagen. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde Dauer werden auf die Pausen nicht in Allrechnung gebracht; eine der Pausen muß mindestens eine halbe Sttlnde bauern.

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Bekanntmachung vom 11. März 1892. 3. In der Zeit von 6 Uhr Abend- bi- 6 Uhr Morgen- darf die Beschüftigung ausschließlich der Pausen die Dauer von 10 Stunden nicht über­ schreiten. 4. Während der Pausen für die Erwachsenen dürfen jugendliche Arbeiter überhaupt nicht, während der Pausen für junge Leute dürfen Knaben nicht beschäftigt sein. 5. Zwischen zwei Arbeit-schichten muß eine Ruhezeit liegen. Bei Knaben muß dieselbe mindesten- die Dauer einer vollen Arbeit-schicht der Erwachsenen, bei jungen Leuten mindestens die Dauer der zuletzt beendigtm Schicht erreichen. Innerhalb der Ruhezett ist eine Beschäftigung mit Nebenarbeiten für Knaben nicht gestattet. Für junge Leute ist fie gestattet, wenn dieselben vor Beginn oder nach dem Ende dieser Beschäftigung noch für eine Zeit von der Dauer der zuletzt beendigten Schicht ohne jede Be­ schäftigung bleiben. Die Dauer der Beschäftigung der Rebenarbetten kommt auf die Gesammtdauer der wöchentlichen Arbeit-zeit in Anrechnung. 6. An Sonntagen darf die Beschäftigung nur einmal innerhalb zweier Wochen in die Zeit von 6 Uhr Morgen- bis 6 Uhr Abend- fallen.

IV. Für Gla-Hütten, welche von den unter II und in nachgelassenen Ausnahmen Gebrauch machen, finden die Bestimmungen de- § 138 der Gewerbe-Ordnung mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. DaS in den Fabrikräumen auszuhängende Verzetchniß der jugendlichen Arbeiter ist getrennt für Knaben und für junge Leute in der Weife auszustellen, daß die in derselben Schicht Beschäftigten je eine Abtheilung bilden. 2. Das Berzeichniß braucht in Glashütten der unter m bezeichneten Art eine Angabe über die Arbeitstage, die Arbettszeit und die Pausen nicht zu enthüllen. Statt dessen ist dem Berzeichniß eine Tabelle nach einem vor­ geschriebenen Muster beizufügen, in welche während oder unmittelbar nach jeder Arbeitsschicht die vorgesehenen Eintragungen bewirtt werden. Die Tabelle muß mindesten- über die letzten vierzehn Derarbeitungsschichten Auskunft geben. Der Name desjenigen, welcher die Eintragungen bewirkt, muß daraus zu ersehen sein. 3. In Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, muß neben der nach $ 138 auszuhängenden Tafel eine zwette Tafel ausgehängt wer­ den, welche in deutlicher Schrift, außer den Bestimmungen unter I, für Glashütten der unter II bezeichneten Art die Bestimmungen unter II, für Glashütten der unter HI bezeichneten Art die Bestimmungen unter IU wiedergiebt. V.

Die vorstehenden Bestimmungen haben für zehn Jahre Gülttgkeit.

Dieselben treten vom 1. April 1892 ab an die Stelle der durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 23. April 1879 verkündeten Bestimmun­ gen, betreffend die Beschäftigung von Arbetterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten, mtt der Maßgabe, daß während der UebergangSzeit, während welcher auf Grund deS Artikel- 9 deS Gesetze-, betreffend die Abänderung der GewerbeOrdnung, vom 1. Juni 1891 schulpflichtige Kinder in Glashütten noch beschäftigt wer­ den dürfen, auf diese die Bestimmungen unter Ziffer I 2 der Bekanntmachung vom 23. April 1879 Anwendung finden.

Bekanntmachung vom 11. März 1892.

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28.

Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen «vd jugendlichen Meilern in Drahtziehereien mit Wafferbetrieb vom 11. März 1892. R.G.Bl. S. 324.

I. In Drahtziehereien mit Wafserbetrieb. in welchen wegen Wasser­ mangels, Frostes oder Hochfluth die Eincheilung des Betriebes in regelmäßige Schichten von gleicher Dauer zeitweise nicht innegehalten werden kann, dürfen Kinder unter 14 Jahren und Arbeiterinnen bei der Herstellung des Drahtes nicht beschäftigt werden. Denselben darf der Aufenthalt in den zur Herstellung des Drahtes bestimmten Arbeitsräumen nicht gestattet werden. II. Für die Beschäftigung junger Leute männlichen Geschlechts zwischen 14 und 16 Jahren in den unter I bezeichneten Drahtziehereien treten die Beschränkungen der §§ 135 Absah 3 und 136 der Gewerbe-Ordnung mit folgen­ den Maßgaben außer Anwendung: 1. Die Gefammtdauer der Beschäftigung innerhalb einer Woche darf ausschließlich der Pausen nicht mehr als 60 Stunden betragen. In der Zeit von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens darf die Beschäftigung auöschließlich der Pausen die Dauer von 10 Stunden nicht überschreiten. Schichten von höchsten- 10 Arbeitsstunden müssen durch eine oder mehrere Pausen in der Gefammtdauer von mindesten- einer Stunde, Schichten von längerer Arbeit-zeit durch eine oder mehrere Pausen in der Gefammtdauer von mindesten- ein und einer halben Stunde unterbrochen sein. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde Dauer werden auf die Pausen nicht in Anrechnung gebracht. Werden mehrere Pausen gewährt, so muß eine von ihnen mindestens eine halbe Stunde dauern. 2. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine Ruhezeit liegen, welche minde­ stens die Dauer der zuletzt beendigten Schicht erreicht. Die Dauer der Beschäftigung mit Nebenarbeiten kommt bei der Berechnung der Gesammtdauer der wöchentlichen Arbeitszeit in Anrechnung. 3. Während der Pausen für Erwachsene dürfen auch jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. 4. An Sonntagen darf die Beschäftigung innerhalb zweier Wochen nur ein­ mal in die Zeit von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends fallen. III. Für Drahtziehereien, welche von den unter n nachgelassenen Ausnahmen Gebrauch machen, finden die Bestimmungen des § 138 der GewerbeOrdnung mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Das in den Fabrikräumen auszuhängende Berzeichniß der jungen Leute ist in der Weise aufzustellen, daß die in derselben Schicht Beschäftigten je eine Abtheilung bilden. 2. Das Berzeichniß braucht Angaben über die Arbeitstage, die Arbeitszeit und die Pausen nicht zu enthalten. Statt dessen ist ihm eine Tabelle nach vorgeschriebenem Muster beizufügen, in welche während oder unmittelbar nach jeder Arbeitsschicht die vorgesehenen Eintragungen zu bewirken find.

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Bekanntmachungen vom 11. und 17. März 1892.

Jede Tabelle muß mindestens über die letzten 14 Arbeitsschichten Auskunft geben. Aus der Tabelle muß der Name desjenigen, welcher die Eintra­ gungen bewirkt hat, zu ersehen sein. 3. In den Räumen, in denen junge Leute beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Absatz 2 auszuhängenden Tafel eine zweite ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter I und II wiedergiebt. IV. Vorstehende Bestimmungen habm auf die Dauer von 10 Jahren Gül­ tigkeit. Sie treten vom 1. April 1892 ab an die Stelle der in der Bekannt­ machung des Reichskanzlers vom 3. Februar 1886 verkündeten Bestimmungen.

29. Bekanntmachung de- Reichskanzlers, betreffend die BeschSstigvng von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Cichorienfabriken vom 17. März 1892. R.G.Bl. S. 327.

I. In Cichorienfabriken darf Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Räumen, in welchen Darren im Betriebe sind, während der Dauer des Betriebes eine Beschäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden. II. In Cichorienfabriken mit Darrenbetrieb muß in Räumen, in welchen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, neben der nach § 138 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung in der Faflung des Gesetzes vom 1. Juni 1891 auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehängt werden, welche in deut­ licher Schrift die Bestimmung unter I wiedergiebt. III. Die vorstehenden Bestimmungen haben für zehn Jahre Gültigkeit. Sie treten mit dem 1. April 1892 in Kraft.

30. An Stelle der Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter auf Steinkohlenbergwerken vom 17. März 1892 (R.G.Bl. S. 328) ist die

Bekanntmachung vom 1. Februar 1895, betreffend die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter mif Steinkohlenbergwerken (R.G.Bl. S. 5) getreten.

Dieselbe lautet:

I. Aus Steinkohlenbergwerken, deren Betrieb auf achtstündige Schichten ein­ gerichtet ist, treten die Beschränkungen des § 136 Absah 1 und 2 der Gewerbe-Ord­ nung für diejenigen jugendlichen Arbeiter männlichen Geschlechts über vierzehn Jahre,

Bekanntmachung vom 1. Februar 1895.

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welche über Tage mit den unmittelbar mit der Förderung der Kohlen zusammen­ hangenden Arbeiten beschäftigt sind, mit folgenden Maßgaben außer Anwendung: 1. Die Beschäftigung darf nicht vor fünf Uhr Morgens beginnen und, wo in zwei Tagesschichten gearbeitet wird, nicht nach 11 Uhr Abends schließen; keine Schicht darf länger als acht Stunden dauern. Die Beschäftigung darf am Tage vor Sonn- und Festtagen um vier Uhr Morgens beginnen und, wo in zwei Tagesschichten gearbeitet wird, am nächsten Werktage um ein Uhr Nachts schließen. 2. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß den jugendlichen Arbeitern eine Ruhe­ zeit von mindestens zwölf Stunden gewährt werden. 3. Zwischen den Arbeitsstunden müssen den jugendlichen Arbeitern an jedem Arbeitstage eine oder mehrere Pausen in der Gesammtdauer von minde­ stens einer Stunde gewährt werden; von diesen müssen zwei mindestens je eine Viertelstunde oder drei mindestens je zehn Minuten betragen. Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung im Betriebe nicht gestattet werden. II. Auf Steinkohlenbergwerken dürfen jugendliche Arbeiter männlichen Geschlechts über 14 Jahre in höchstens sechsstündigen Schichten unter Wegfall der im § 136 Absatz 1 Satz 3 der Gewerbe-Ordnung vorgeschriebenen Pause mit ihren Kräften an­ gemessenen Arbeiten über Tage beschäftigt werden, sofern die Art des Betriebes an sich Unterbrechungen der Beschäftigung mit sich bringt. Wegen deS Beginns und deS Schlusses dieser Beschäftigung und wegen der zwischen zwei Arbeitsschichten zu gewährenden Ruhezeit gelten die Bestimmungen unter I Ziffer 1 und 2. III. In der bei I und II bezeichneten Art dürfen jugendliche Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn durch daS Zeugniß eines von der höheren Verwaltungs­ behörde zur Ausstellung solcher Zeugnisse ermächtigten ArzteS nachgewiesen ist, daß die körperliche Entwickelung deS Arbeiters die für denselben in Aussicht genommene und genau anzugebende Beschäftigung auf dem Werke ohne Gefahr für seine Gesund­ heit zuläßt. Das ärztliche Zeugniß ist vor Beginn der Beschäftigung dem Arbeit­ geber auszuhändigen, welcher eS zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und bei Beendigung deS ArbeitSverhältniffeS dem jugendlichen Arbeiter beziehungs­ weise dessen gesetzlichen Vertreter wieder auszuhändigen hat. IV. Auf Arbeitsstellen, wo jugendliche Arbeiter nach Maßgabe der Vorschrif­ ten nnter Nr. I, n und III beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Absatz 2 der Gewerbeordnung auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter I, n und III wiedergiebt. Die höhere Verwaltungsbehörde kann einzelne Betriebe, in denen jugendliche Arbeiter nach Maßgabe der Vorschriften unter I beschäftigt werden, auf Antrag von der Angabe des Beginns uud Endes der Pausen in der nach § 138 der GewerbeOrdnung zu erstattenden Anzeige und von der entsprechenden Angabe in dem Aus­ hange für solche im Einzelnen namhaft zu machende BeschäftigungSzweige entbinden, bei denen nach der Art der Arbeit regelmäßig mindestens Arbeitsunterbrechungen von der unter 13 bestimmten Dauer eintreten. Diese schriftlich zu ertheilende Genehmi­ gung ist jederzeit widerruflich. Dte höhere Verwaltungsbehörde hat über die Betriebe, die auf Grund der Bestimmung im vorstehenden Absatz von der Angabe des Beginns und «Endes der Pausen in der nach § 138 der Gewerbe-Ordnung zu erstattenden Anzeige und von der entsprechenden Angabe in dem Anshange entbunden worden sind, nach einem vorgeschriebenen Verzeichniß zu führen. Ein Auszug auS diesem Verzeichnisse, der

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Bekanntmachung vom 8. Juli 1893.

da- abgelaufene Kalenderjahr umfaßt, ist bis zum 1. Februar jedes Jahres durch die LandeS-Centralbehörde dem Reichskanzler vorzulegen. V. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem Tage der Bekanntmachung an die Stelle der Bekanntmachung vom 17. Mürz 1892. Sie haben bis zum 1. April 1902 Gültigkeit.

31. An Stelle der Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Cigarren be­ stimmten Anlagen vom 9. Mai 1888 (R.G.Bl. S. 172) ist die

Bekanntmachung, betreffend die Einrichtn«- and de» Betrieb -er zm An­ fertigung von Cigarren bestimmten Anlagen vom 8. Juli 1893 (31©.®1 S. 218) getreten ist.

Dieselbe lautet:

Auf Grund deS § 120e und deS § 139a der Gewerbe-Ordnung hat der Bundes­ rath folgende Dorschristen über die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Cigarren bestimmten Anlagen erlaffen: § 1. Die nachstehenden Vorschriften finden Anwendung auf alle Anlagen, in welchen zur Herstellung von Cigarren erforderliche Verrichtungen vorgenommen werden, sofern in den Anlagen Personen beschäftigt werden» welche nicht zu den Familien­ gliedern des Unternehmer- gehören.

§ 2. DaS Abrippen deS Tabacks, die Anfertigung und daS Sortiren der Cigarren darf in den Räumen, deren Fußboden 0,6 Meter unter dem Straßenniveau liegt, überhaupt nicht, und in Räumen, welche unter dem Dache liegen, nur dann vor­ genommen werden, wenn das Dach mit Verschalung versehen ist. Die Arbeitsräume, in welchen die bezeichneten Vorrichtungen vorgenommen werden, dürfen weder als Wohn-, Schlaf-, Koch- oder DorrathSrüume noch als Lager- oder Trockeuräume benutzt werden. Die Zugänge zu benachbarten Räumen dieser Art müssen mit verschließbaren Thüren versehen sein, welche während der Arbeitszeit geschloffen sein müssen. §3. Die Arbeit-räume (§ 2) müssen mindestens drei Meter hoch und mit Fenster versehen sein, welche nach Zahl und Größe ausreichen, um für alle Arbeitsstellen hinreichende- Licht zu gewähr«!. Die Fenster müssen so eingerichtet fein, daß sie wenigsten- für die Hälfte ihre- FlächenraumeS geöffnet werden können. § 4. Die Arbeitsräume müssen mit einem festen und dichten Fußboden versehen sein. § 5. Die Zahl der in jedem Arbeitsraum beschäftigten Personen muß so bemessen sein, daß auf jede derselben mindestens sieben Kubikmeter Luftraum entfallen. §

6.

In den Arbeitsräumen dürfen Vorräthe von Taback und Halbfabrikaten nur in der für eine Tagesarbeit erforderlichen Menge und nur die im Laufe deS Tages

Bekanntmachung vom 8. Juli 1893.

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angefertigten Cigarren vorhanden sein. Alles weitere Lagern von Tabak und Halbfadrikaten, sowie das Trocknen von Tabak, Abfällen und Wickeln in den Arbeits­ räumen auch außerhalb der Arbeitszeit ist untersagt. § 7. Die Arbeitsräume müssen täglich zweimal mindestens eine halbe Stunde lang, und zwar während der Mittagspause und nach Beendigung der Arbeitszeit, durch vollständiges Oeffnen der Fenster und der nicht in Wohn-, Schlaf-, Koch- oder Vorrathsräume führeuden Thüren gelüftet werden. Während dieser Zeit darf den Arbeitern der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nicht gestattet werden. § 8.

Die Fußböden und Arbeitstische müssen täglich mindestens einmal durch Ab­ waschen oder feuchtes Abreiben vom Staube gereinigt werden. § 9. Kleidungsstücke, welche von den Arbeitern für die Arbeitszeit abgelegt werden, sind außerhalb der Arbeitsräume aufzubewahren. Innerhalb der Arbeitsräume ist die Aufbewahrung nur gestattet, wenn dieselbe in ausschließlich dazu bestimmten verschließbaren Schränken erfolgt. Die letzteren müssen während der Arbeitszeit ge­ schlossen sein. §

10.

Auf Antrag des Unternehmers können Abweichungen von den Vorschriften der §§ 3, 5, 7 durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden, wenn die Arbeitsräume mit einer ausreichenden Ventilationseinrichtung versehen sind. Desgleichen kann auf Antrag des Unternehmers durch die höhere Verwaltungs­ behörde eine geringere als die im § 3 vorgeschriebene Höhe für solche Arbeitsräume zugelasien werden, in welchen den Arbeitern ein größerer als der im § 5 vorge­ schriebene Luftraum gewährt wird. § 11.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern ist bis zum 1. Mai 1903 gestattet, wenn die nachstehenden Vorschriften beobachtet werden: 1- Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter müsien im unmittelbaren Arbeitsverhültniß zu dem Betriebsunternehmer stehen. Das Annehmen und Ablohnen derselben durch andere Arbeiter oder für deren Rechnung ist nicht gestattet. 2. Für männliche und weibliche Arbeiter müsien getrennte Aborte mit be­ sonderen Eingängen und, sofern vor Beginn und nach Beendigung der Arbeit ein Wechseln der Kleider stattfindet, getrennte Aus- und Ankleideraume vorhanden sein. Die Vorschrift unter Ziffer I findet auf die Arbeiter, welche zu einander in dem Verhältniß von Ehegatten, Geschwister oder von Aszendenten und Deszendenten stehen, die Vorschrift unter Ziffer 2 auf Betriebe, in welchen nicht über zehn Arbeiter be­ schäftigt werden, keine Anwendung. § 12.

An der Eingangsthüre jedes Arbeitsraumes muß ein von der Ortspolizeibehörde zur Bestätigung der Richtigkeit seines Inhaltes unterzeichneter Aushang befestigt sein, aus welchem ersichtlich ist: 1. die Länge, Breite und Höhe des Arbeitsraumes, 2. der Inhalt des Luftraumes in Kubikmeter, 3. die Zahl der Arbeiter, welche demnach in dem Arbeitsraum beschäftigt werden darf.

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Bekanntmachung vom 31. Juli 1897.

In jedem Arbeitsraum muß eine Tafel ausgehängt sein, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen der §§ 2—11 wiedergiebt. § 13. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem Tage ihrer Verkündigung an die Stelle der durch die Bek. des Reichskanzlers vom 9. Mai 1888 (R.Ges.Bl. S. 172) verkündeten Vorschriften.*)

31a.

Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Bnchdruckereien und Schriftgießereien vom 31. Juli 1897. (R.G.Bl. S. 614.) I. Auf Räume, in welchen Personen mit dem Setzen von Lettern oder mit der Herstellung von Lettern oder Stereotypplatten beschäftigt werden, finden folgende Vorschriften Anwendung: 1. Der Fußboden der ArbeitSrüume darf nicht tiefer als einen halben Meter unter dem ihn umgebenden Erdboden liegen. Ausnahmen dürfen durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden, wenn durch zweckmäßige Jsolirung des Bodens und ausreichende Licht- und Luftzufuhr den gesund­ heitlichen Anforderungen entsprochen ist. Unter dem Dache liegende Räume dürfen als Arbeitsräume nur dann benutzt werden, wenn das Dach mit gerohrter und verputzter Derschalung versehen ist. 2. In Arbeitsräumen, in welchen die Herstellung von Lettern und Stereotyp, platten erfolgt, muß die Zahl der darin beschäftigten Personen so bemessen sein, daß aus jede mindestens fünfzehn Kubikmeter Luftraum entfallen. In Räumen, in welchen Personen nur mit anderen Arbeiten beschäftigt werden, muffen auf jede Person mindestens zwölf Kubikmeter Luftraum entfallen. In Fällen vorübergehenden außerordentlichen Bedarfs kann die höhere Verwaltungsbehörde auf Antrag des Unternehmers eine dichtere Belegung der Arbeitsräume für höchstens dreißig Tage im Jahre insoweit gestatten, daß mindestens zehn Kubikmeter Luftraum auf die Person entfallen. 3. Die Räume müssen, wenn auf eine Person wenigstens fünfzehn Kubikmeter Luftraum kommen, mindestens 2,60 Meter, andernfalls mindestens 3 Meter hoch sein. Die Räume müssen mit Fenstern versehen -sein, welche nach Zahl und Größe genügen, um für alle Arbeitsstellen ausreichendes Licht zu gewähren. Die Fenster müssen so eingerichtet sein, daß sie zum Zwecke der Lüftung ausreichend geöffnet werden können. Arbeitsräume mit schräg laufender Decke dürfen im Durchschnitte keine geringere als die im Absah 1 bezeichnete Höhe haben. 4. Die Räume müssen mit einem dichten und festen Fußboden versehen sein, der eine leichte Beseitigung des Staubes auf feuchtem Wege gestattet. *) Die Cigarrettenfabriken unterliegen nicht den Bestimmungen der Bek. v. 8. Juli 1893 (Erk. d. R.G. v. 7. November 1895. Pr.Berw Bl. 1896. S. 446.

Bekanntmachung vom 31. Juli 1897.

5. 6.

7.

8.

9.

10.

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Hölzerne Fußböden müssen glatt gehobelt und gegen das Eindringen der Nässe geschützt sein. Die Wände und Decken müssen, soweit sie nicht mit einer glatten abwaschbaren Bekleidung oder mit einem Oelfarbenanstrich versehen sind. mindestens einmal jährlich mit Kalk frisch angestrichen werden. Die Be­ kleidung und der Oelfarbenanstrich müssen jährlich einmal abgewaschen und der Oelfarbenanstrich, wenn er lackirt ist, mindestens alle zehn Jahre, wenn er nicht lackirt ist, alle fünf Jahre erneuert werden. Die Seherpulte und die Regale für die Letternkasten müssen ent« weder ringsherum dichtschließend auf dem Fußboden aufsitzen, so daß sich unter denselben kein Staub ansammeln kann. oder mit so hohen Füßen versehen sein, daß die Reinigung des Fußbodens auch unter den Pulten und Schristregalen leicht ausgeführt werden kann. Die Arbeitsräume sind täglich mindestens einmal gründlich zu lüsten. Ferner ist dafür Sorge zu tragen, daß in ihnen ein ausreichender Luft­ wechsel während der Arbeitszeit stattfindet. Die Schmelzkessel für das Lettern- und Stereotypenmetall find mit flut ziehenden, ins Freie oder in einen Schornstein mündenden Abzugsvorrich­ tungen (Fangtrichtern) für entstehende Dämpfe zu überdecken. Das Legiren des Metalls und das Ausschmelzen der sogenannten Krätze darf nur in besonderen Arbeitsräumen, in anderen nur nach Ent­ fernung der mit diesen Verrichtungen nicht beschäftigten Arbeiter erfolgen. Die Räume und deren Einrichtungen, insbesondere auch Wände, Gesimse, Regale sind zweimal im Jahre gründlich zu reinigen. Die Fußböden sind täglich mindestens einmal durch Abwaschen oder feuchtes Abreiben vom Staube zu reinigen. Die Letternkasten sind. bevor sie in Gebrauch genommen werden und so­ lange sie in Benutzung stehen, nach Bedarf, mindestens aber zweimal im Jahre zu reinigen. Das Ansblasen der Kasten darf nur mittelst eines Blasebalges im Freien stattfinden und jugendliche,, Arbeitern nicht übertragen werden. In den Arbeitsräumen sind mit Wasser gefüllte und täglich zu reinigende Spucknäpfe, und zwar mindestens einer für je fünf Personen, aufzustellen. Das Ausspucken auf den Fußboden ist von den Arbeitgebern zu untersagen. Für die Seher sowie die Gießer, Polirer und Schleifer sind in den Arbeitöräumen oder in deren unmittelbarer Nähe in zweckentsprechenden Räumen ausreichende Wascheinrichtungen anzubringen und mit Seife aus­ zustatten; für jeden Arbeiter ist mindestens wöchentlich ein reines Hand­ tuch zu liefern. Soweit nicht genügende Wascheinrichtungen mit fließendem Wasser vorhanden sind, muß für höchstens je fünf Arbeiter eine Waschgelegenheit eingerichtet werden. Es muß ferner dafür gesorgt werden, daß bei der Wascheinrichtuug stets reines Wasser in ausreichender Menge vorhanden ist und daß das gebrauchte Master an Ort und Stelle ausgegasten wer­ den kann. Die Arbeitgeber haben mit Strenge darauf zu halten, daß die Ar­ beiter jedesmal, bevor sie Nahrungsmittel innerhalb des Betriebs zu sich nehmen oder den Betrieb verlassen, von der vorhandenen Waschgelegenheit Gebrauch machen.

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Bekanntmachung vom 31. Juli 1897.

11. Kleidungsstücke, welche während der Arbeitszeit abgelegt werden, sind außer­ halb der Arbeitsräume aufzubewahren. Innerhalb der Arbeitsräume ist die Aufbewahrung nur gestattet, wenn dieselbe in verschließbaren oder mit einem dicht schließenden Vorhänge versehenen, gegen das Eindringen von Staub geschützten Schränken erfolgt. Die letzteren muffen während der Arbeitszeit geschlossen sein. 12. Alle mit erheblicher Wärmeentwickelung verbundenen Beleuchtungseinrich­ tungen sind derart anzuordnen oder mit solchen Schuhvorkehrungen zu versehen, daß eine belästigende Wärmeausstrahlung nach den Arbeitsstellen vermieden wird. 13. Der Arbeitgeber hat, um die Durchführung der unter Ziffer 8, 9 Absatz 2, 10 Absatz 3 und 11 getroffenen Bestimmungen zu regeln und sicherzustellen, für die Arbeiter verbindliche Vorschriften zu erlassen. Werden in einem Betrieb in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt, so find diese Vorschriften in die nach § 134a der GewerbeOrdnung zu erlassende Arbeitsordnung aufzunehmen. II. In jedem Arbeitsraum ist ein von der Ortspolizeibehörde zur Bestätigung der Richtigkeit seines Inhalts unterzeichneter Aushang anzubringen, aus dem er­ sichtlich ist: a) die Länge, Breite und Höhe des Raume-, b) der Inhalt des Luftraums in Kubikmeter, c) die Zahl der Arbeiter, die demnach in dem Arbeitsraume beschäftigt werden darf. In jedem Arbeitsraume muß ferner an einer in die Augen fallenden Stelle eine Tafel aushängen, die in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter I wiedergiebt. III. Für die bei dem Erlasse dieser Bekanntmachung bereits im Betriebe stehenden Anlagen können während der ersten zehn Jahre nach Erlaß dieser Be­ kanntmachung auf Antrag des Unternehmers Abweichungen von den Vorschriften unter I Ziffer 2 und 3 durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden. Jedoch darf für die Arbeitsräume eine geringere als die unter I Ziffer 3 bezeichnete Höhe nur dann zugelassen werden, wenn jedem Arbeiter ein Luftraum in Gießereien von mindestens fünfzehn Kubikmeter, in Setzereien von mindestens zwölf Kubikmeter gewährt wirb- Ein geringerer als der unter I Ziffer 2 bezeichnete Luftraum darf in Gießereien nur bis zur Grenze von je zwölf Kubikmeter, in Setzereien nur bis zur Grenze von je zehn Kubikmeter und nur unter der Bedingung zugelassen werden, daß durch künstliche Ventilation für regelmäßige Lufterneuerung ausreichend gesorgt und die künstliche Beleuchtung so eingerichtet ist, daß weder strahlende Wärme noch die Arbeiter belästigende Verbrennungsprodukte in die Arbeitsräume gelangen. IV. Die vorstehenden Bestimmungen treten für neu zu errichtende Anlagen sofort in Kraft. Für Anlagen, die zur Zeit des Erlasses dieser Bestimmungen bereits im Betriebe sind, treten die Vorschriften unter I Ziffer 5 Satz 1 sowie Ziffer 7 bis 9 sofort, die übrigen Vorschriften mit Ablauf eines Jahres nach dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft.

Bekanntmachung vom 11. März 1898.

684c

31b. Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen in Konservenfabriken vom 11. März 1898. (R.G.Bl. S. 35.) I. In Konservenfabriken dürfen bei der Herstellung von Gemüse- und Obstkonserven in den Zeiten des Jahres, in denen ein vermehrtes Arbeitsbedürfniß ein­ tritt, Arbeiterinnen über sechszehn Jahre an den Werktagen mit Ausnahme der Sonnabende, abweichend von den Bestimmungen des § 137 Absatz 1 nnd 2 der Ge­ werbe-Ordnung, unter den nachstehenden Bedingungen beschäftigt werden: 1. Die tägliche Arbeitszeit darf dreizehn Stunden nicht überschreiten und nicht in die Zeit von 10 Uhr Abends bis 5‘/a Uhr Morgens fallen. 2. Werden Arbeiterinnen über sechszehn Jahre auf Grund dieser Bestimmungen an mehr als vierzig Tagen im Betriebsjahr über die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit hinaus beschäftigt, so ist die Arbeitszeit der Arbeiterinnen für den Betrieb oder die betreffende Abtheilung des Betriebs so zu regeln, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitte der Betriebstage deS Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet. Als Betriebsjahr gilt die Zeit vom 1. Mai bis zum 30. April des fol­ genden Kalenderjahrs. 3. An einer in die Augen fallenden Stelle der Detriebsstätte ist eine Tafel auszuhängen, auf der der Betriebsunternehmer oder der von ihm Beauf­ tragte noch an demselben Tage, an welchem Ueberarbeit stattfindet, neben dem Datum die Zahl der Arbeitsstunden einzutragen hat, während welcher Arbeiterinnen über sechszehn Jahre in dem Betrieb oder der betreffenden Betriebsabtheilung beschäftigt werden. 4. Findet Ueberarbeit an mehr als vierzig Tagen im Detriebsjahre statt, so werden bei der Feststellung, ob die Ueberarbeit durch Minderarbeit an anderen Tagen deS Betriebsjahrs ausgeglichen ist (Ziffer 2), für die Tage ohne Ueberarbeit die gemäß § 138 Abs. 2 a. a. O. der Ortspolizeibehörde gemachten Angaben über die regelmäßige Arbeitszeit der Arbeiterinnen zu Grunde gelegt, soweit nicht der Betriebsunternehmer eine geringere Arbeits­ dauer nachweist. Dieser Nachweis kann jedoch nur dadurch erbracht werden, daß die Zahl der Arbeitsstunden, während welcher Arbeiterinnen über sechszehn Jahre in dem Betrieb oder der betreffenden Betriebsabtheilnng beschäftigt werden, nach den Vorschriften der Ziffer 3 auch für Tage mit Minderarbeit auf der daselbst vorgeschriebenen oder auf einer anderen in gleicher Weise ausgehängten Tafel eingetragen ist. II. Die Befugniß der unteren Verwaltungsbehörden, nach Maßgabe deS § 138a Absatz 5 der Gewerbe-Ordnung Ueberarbeit zu gestatten, bleibt für die Sonn­ abende unberührt. III. In den Räumen, in denen Ueberarbeit stattfindet, muß auf oder neben der durch § 138 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung vorgeschriebenen Tafel ein Aushang angebracht sein, welcher in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter I wiedergiebt. IV. Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. Mai 1898 in Kraft und haben bis zum 30. April 1908 Gültigkeit.

684d

Verordnung vom 31. Mai 1897.

31c.

Verordnung, betreffend die Ausdehnung der §§ 135 bis 139 und § 139 b der Gewerbe-Ordnung ans die Werkstätten der Kleider- und Waschekonfektion vom 31. Mai 1897. R.G.Bl. S. 459. §1.

Auf Werkstätten, in welchen die Anfertigung oder Bearbeitung von Männerund Knabenkleidern (Röcken, Hosen, Westen. Mänteln und dergleichen), Frauenund Kinderkleidung (Mänteln, Kleidern, Umhängen und dergleichen), sowie von weißer und bunter Wäsche im Großen erfolgt (Kleider- und Wäschekonfektion), finden die Bestimmungen der §§ 135 bis 139 und des §139b der Gewerbe-Ordnung mit den aus dem Folgenden flch ergebenden Abänderungen Anwendung. §2.

(§ 135 der Gewerbe-Ordnung.) Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden. Kinder über dreizehn Jahre dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zuin Besuche der Volksschule verpflichtet sind. Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten. Junge Leute zwischen vierzehn und sechszehn Jahren dürfen nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden. §3. (§ 136 der Gewerbe-Ordnung.) Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (§ 2) dürfen nicht vor fünfeinhalb Uhr Morgens beginnen und nicht über achteinhalb Uhr Abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens entweder Mittags eine einstündige sowie Vormittags und Nachmittags je eine halbstündige, oder Mittags eine einundeinhalbstündige Pause gewährt werden. Während der Pansen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung in dem Werkstattbetrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestattet werden, wenn iu denselben diejenigen Theile des Betriebs, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden, oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht thunlich und andere geeignete Aufenthalts­ räume ohne unverhältnißmäßige Schwierigkeiten nicht beschafft werden können. An Sonn- und Festtagen, sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beicht- und Kommunionunterricht be­ stimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. §4. (§ 137 der Gewerbe-Ordnung.) Arbeiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von achteinhalb Uhr Abends bis fünfeinhalb Uhr Morgens und am Sonnabende sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach fünfeinhalb Uhr Nachmittags beschäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre darf die Dauer von elf Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage von zehn Stunden nicht überschreiten.

Verordnung vom 31. Mai 1897.

684 e

Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden. Arbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlasten, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt. Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbirten Arztes dies für zulässig erklärt.

§5. (§ 138 der Gewerbe-Ordnung.) Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde unter Angabe der Werkstätte eine schriftliche Anzeige zu machen. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß in den Werkstatträumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichniß der jugendlichen Arbeiter unter Angabe des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und unter Angabe der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehängt ist. welche in der von der Landes-Centralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen dieser Verordnung enthält. §6.

(§ 138a der Gewerbe-Ordnung.) Ueber die im § 4 Absatz 1 und 2 festgesetzte Zeit dürfen Arbeiterinnen über sechszehn Jahre an sechszig Tagen im Jahre beschäftigt werden. Diese Beschäftigung darf dreizehn Stunden täglich nicht überschreiten und nicht länger als bis zehn Uhr Abends dauern. Hierbei kommt jeder Tag in Anrechnung, an welchem auch nur eine Arbeiterin über die nach § 4 zulässige Dauer der Arbeitszeit hinaus beschäftigt ist. Gewerbetreibende, welche Arbeiterinnen über sechszehn Jahre auf Grund der vorstehenden Bestimmungen über die im § 4 Absatz 1 und 2 festgesetzte Zeit hinaus beschäftigen, sind verpflichtet, ein Verzeichniß anzulegen, in welches jeder Tag, an dem Ueberarbeit stattgefunden hat, noch am Tage der Ueberarbeit einzutragen ist. Das Verzeichniß ist aus Erfordern der Ortspolizeibehörde, sowie den Gewerbeauf. sichtsbeamten jederzeit vorzulegen.

§7. (§ 139 der Gewerbe-Ordnung.) Wenn Naturereigniffe oder Unglücksfälle den regelmäßigen Betrieb einer Werk­ stätte unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den vorstehend vorgesehenen Beschränkungen aus die Dauer von vier Wochen durch die untere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden. Wenn die Natur deS Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Werkstätten es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der durch §§ 3 und 4 Absatz 1 und 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweite Regelung hinsichtlich der Pausen durch die untere Verwaltungsbehörde, im Uebrigen durch die höhere Verwaltungsbehörde gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden. Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Verfügungen müssen schriftlich erlassen werden.

684 f

Verordnung vom 31. Mai 1897. §8 .

Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung: 1. auf Werkstätten, in welchen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen oder nur gelegentlich nicht zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt, 2 auf Werkstätten, in welchen die Herstellung oder Bearbeitung von Waaren der Kleider- und Wäschekonfektion nur gelegentlich erfolgt. §9. Diese Verordnung tritt mit dem 1. Juli 1897 in Kraft. Zu dieser Verordnung ist eine Anweisung des Handelsministers vom 16. Juli 1897 (MLSl. S. 199) ergangen. Dieselbe lautet: I. Zur Kleiderkonfektion gehört die Herren- und Knabenkonfektion ein­ schließlich der Arbeiter- und sog. Sommerkonfektion (die Herstellung von Röcken, Hosen, Westen, Mänteln u. dergl. für Männer und Knaben) und die Damen- und Kinderkonfektion (Herstellung von Mänteln, Kleidern, Umhängen u. dergl. für Frauen und Kinder). Zur Wäschefabrikation gehört die Herstellung von gestärkter und ungestärkter Wäsche, und zwar sowohl von Leibwäsche und Taschentüchern als auch von Bett- und Tischwäsche. Die Bestimmungen der V. v. 31. Mai 1897 finden nur auf Werkstätten An­ wendung, in denen die Herstellung oder Bearbeitung von Waaren der bezeichneten Arten „im Großen" erfolgt. Daher bleiben sowohl die Schneiderwerkstätten, in denen auf Bestellung nach Maß für den persönlichen Bedarf der Besteller gearbeitet wird, als auch die Näh- und Plättstuben für sog. Privatkundschaft von der Geltung der Verordnung ausgeschlossen. Dagegen ist ihre Anwendung nicht auf solche Werkstätten beschränkt, in denen Kleidungsstücke und Wäscheartikel in großer Zahl hergestellt werden. Um eine Herstellung im Großen handelt eS sich vielmehr stets dann, wenn der Unternehmer, der die fertige Waare in den Verkehr bringen will, diese Waare in Mafien herstellen läßt, — gleichgültig, ob in den einzelnen Werkstätten, die für den Unternehmer und seine Zwischenmeister arbeiten, nur wenige Stücke der Waare hergestellt werden. II. Der Arbeitgeber, der Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter beschäftigen will, hat der Ortspolizeibehörde die im § 5 Abs. 1 vorgeschriebene Anzeige schriftlich zu erstatten. Von derselben sind diese Anzeigen aufzubewahren. III. Alle Werkstätten der Kleider- und Wüschekonsektion, in denen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, hat die Ortspolizeibehörde auf Grund der Anzeigen zu II und der gemäß V vorzunehmenden Revisionen in die Derzeichnifie einzutragen, die sie nach den der Anweisung v. 26. Februar 1892 beigefügten Formularen führt. Auf den ersten Seiten dieser Verzeichnifle ist unter „Erläute­ rungen" bei Nr. 1 am Schlüsse hinter dem Worte „Gruben" hinzuzufügen, „ferner die Werkstätten der Kleider- und Wäschekonfektion". Im Formulare B kann von Ausfüllung der Spalten 5, G und in C von der der Spalten 5 bis 8 abgesehen werden, soweit die betreffenden Angaben nicht be­ kannt geworden sind. Die Spalten 8a und b des Formulars ß und 10, Unterspalte zu § 139 a des Formulars C sind nicht zu benutzen. IV. Jeder Arbeitgeber, der die in § 8 vorgeschriebene Anzeige gemacht hat, ist von der Ortspolizeibehörde auf die Führung der in den §§ 5 Abs. 2 und 6 Abs. 3 der Verordnung vorgeschriebenen Verzeichnifie, sowie, wenn er jugendliche Arbeiter beschäftigt, darauf hinzuweisen, daß der vorgeschriebene Auszug aus den

Bekanntmachung deS Reichskanzlers vom 4. März 1896.

684 g

Bestimmungen der Verordnung (vgl. M.Bl. S. 200) in deutlicher Schrift auszu­ hängen hat. V. Hinsichtlich der obrigkeitlichen Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen der Verordnung findet die Anw. v. 26. Februar 1892 sinnentsprechend An­ wendung.

316.

Bekanntmachung des Reichskanzlers betreffend den Betrieb von Backereien nnd Konditoreien vom 4. März 1896. (R.G.M. S. 55.) Auf Grund des § 120e der Gewerbe-Ordnung hat der Bundesrath nachstehende Vorschriften über den Betrieb von Bäckereien und Konditoreien erlassen: I. Der Betrieb von Bäckereien und solchen Konditoreien, in denen neben den Konditorwaaren auch Bäckerwaaren hergestellt werden, unterliegt, sofern in diesen Bäckereien und Konditoreien zur Nachtzeit zwischen achteinhalb Uhr Abends nnd fünfeinhalb Uhr Morgens Gehilfen oder Lehrlinge beschäftigt werden, folgenden Beschränkungen: 1. Die Arbeitsschicht jedes Gehülfen darf die Dauer von zwölf Stunden oder, falls die Arbeit durch eine Pause von mindestens einer Stunde unter­ brochen wird. einschließlich dieser Pause die Dauer von dreizehn Stunden nicht überschreiten. Die Zahl der Arbeitsschichten darf für jeden Gehilfen wöchentlich nicht mehr als sieben betragen. Außerhalb der zulässigen Arbeitsschichten dürfen die Gehilfen nur zu gelegentlichen Dienstleistungen und höchstens eine halbe Stunde lang bei der Herstellung des Dorteigs (Hefestücks, Sallerteigs), im übrigen aber nicht bei der Herstellung von Waaren verwendet werden. Erstreckt sich die Ar­ beitsschicht thatsächlich über eine kürzere als die im Abs. 1 bezeichnete Dauer, so dürfen die Gehülfen während des an der zulässigen Dauer der Arbeitsschicht fehlenden Zeitraums auch mit anderen als gelegentlichen Dienstleistungen beschäftigt werden. Zwischen je zwei Arbeitsschichten muß den Gehilfen eine ununter­ brochene Ruhe von mindestens acht Stunden gewährt werden. 2. Auf die Beschäftigung von Lehrlingen finden die vorstehenden Bestimmungen mit der Maßgabe Anwendung, daß die zulässige Dauer der Arbeitsschicht im ersten Lehrjahre zwei Stllnden, im zweiten Lehrjahre eine Stunde weniger beträgt als die für die Beschäftigung von Gehilfen zulässige Dauer der Arbeilsschicht, und daß die nach Ziffer 1 Abs. 3 zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit sich um eben diese Zeiträume verlängert. 3. Ueber die unter den Ziffern 1 und 2 festgesetzte Dauer dürfen Gehilfen und Lehrlinge beschäftigt werden: a) an denjenigen Tagen, an welchen zur Befriedigung eines bei Festen oder sonstigen besonderen Gelegenheiten hervortretenden Bedürfnisies die untere Verwaltungsbehörde Neberarbeit für zulässig erklärt hat ; b) außerdem an jährlich zwanzig der Bestimmung des Arbeitgebers über­ ladenen Tagen. Hierbei kommt jeder Tag in Anrechnung, an dem

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Bekanntmachrmg des Reichskanzlers vom 4. März 1896.

auch nur ein Gehilfe oder Lehrling über die unter den Ziffern 1 und 2 festgesetzte Dauer beschäftigt worden ist. Auch an solchen Tagen, mit Ausnahme des Tages vor dem Weihnachts-, Oster- und Pfingstfest, muß zwischen den Arbeitsschichten den Gehilfen eine ununterbrochene Ruhe von mindestens acht Stunden, den Lehrlingen eine solche von mindestens zehn Stunden im ersten Lehr­ jahre, mindestens neun Stunden im zweiten ^Lehrjahre gewährt werden. Die untere Verwaltungsbehörde darf die Ueberarbeit (a) für höchsten- zwanzig Tage im Jahre gestatten. 4. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß an einer in die Augen fallenden Stelle der Betriebsstätte ausgehängt ist: a) eine mit dem polizeilichen Stempel versehene Kalendertafel, auf der jeder Tag, an dem Ueberarbeit auf Grund der Bestimmung unter Ziffer 3 d stattgefunden hat, noch am Tage der Ueberarbeit mittels Durchlochung oder Durchstreichung mit Tinte kenntlich zu machen ist; b) eine Tafel, welche in deutlicher Schrift den Wortlaut dieser Bestim­ mungen (I bis V) wiedergiebt. 5. An Sonn- und Festtagen darf die Beschäftigung von Gehilfen und Lehr­ lingen auf Grund des § 105 c der Gewerbe-Ordnung und der in den §§ 105 e und 105 f a. a. O. vorgesehenen Ausnahmebewilligungen nur in so weit erfolgen, als dies mit den Bestimmungen unter den Ziffern 1 bis 3 vereinbar ist. In Betrieben, in denen den Gehilfen und Lehrlingen für den Sonntag eine mindestens vierundzwanzigstündige, spätestens am Sonnabend Abend um zehn Uhr beginnende Ruhezeit gewährt wird, dürfen die an den zwei vorhergehenden Werktagen endigenden Schichten um je zwei Stunden über die unter den Ziffern 1 und 2 bestimmte Dauer hinaus verlängert werden. Jedoch muß auch dann zwischen je zwei Arbeitsschichten den Gehilfen eine ununterbrochene Ruhepause von mindestens acht Stunden, den Lehrlingen eine solche von mindestens zehn Stunden im ersten Lehr­ jahre, mindestens neun Stunden im zweiten Lehrjahre gelassen werden. II. Als Gehilfen und Lehrlinge im Sinne der Bestimmungen unter I gelten solche Personen, welche unmittelbar bei der Herstellung von Waaren beschäftigt werden. Dabei gelten Personen unter sechzehn Jahren, welche die Ausbildung zum Gehilfen nicht erreicht haben, auch dann als Lehrlinge, wenn ein Lehrvertrag nicht abgeschlossen ist. Die Bestimmungen über die Beschäftigung von Gehilfen finden auch auf ge­ werbliche Arbeiter Anwendung, welche in Bäckereien und Konditoreien lediglich mit der Bedienung von Hilfsvorrichtungen (Kraftmaschinen, Beleuchtungsanlagen und dergleichen) beschäftigt werden. III. Die Bestimmungen unter I finden keine Anwendung auf Gehilfen und Lehrlinge, die zur Nachtzeit überhaupt nicht oder doch nur mit der Herstellung oder Herrichtung leicht verderblicher Waaren, die unmittelbar vor dem Genuß hergestellt oder hergerichtet werden müssen (Eis. Cremes und dergleichen) beschäftigt werden. IV. Die Bestimmungen unter I finden ferner keine Anwendung: 1. auf Betriebe, in denen regelmäßig nicht mehr alö dreimal wöchentlich ge­ backen wird; 2. auf Betriebe, in denen eine Beschäftigung von Gehilfen oder Lehrlingen zur Nachtzeit lediglich in einzelnen Füllen zur Befriedigung eines bei

Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. März 1896.

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Festen oder sonstigen besonderen Gelegenheiten hervortretenden Bedürfnissemit Genehmigung der unteren Verwaltungsbehörde stattfindet. Diese Genehmigung darf die untere Verwaltungsbehörde für höchstens zwanzig Nächte im Jahr ertheilen. V. Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. Juli 1896 in Kraft. Während der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1896 darf Ueberarbeit auf Grund der Bestimmung unter I Ziffer 3 a für höchstens zehn Tage und Nachtarbeit auf Grund der Bestimmung unter IV Ziffer 2 für höchstens zehn Nächte gestattet werden, sowie Ueberarbeit auf Grund der Bestimmung unter I Ziffer 3 b on höchstens zehn Tagen stattfinden.

Anweisung des Ministers für Handel und Gewerbe vom 15. April 1896 zur Ausführung der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. März 1896. M.BI. S. 84.

I. Die Abstempelung der gemäß I 4a der Bekanntmachung von dem Arbeit­ geber an der Betriebsstätte auszuhängenden Kalendertafel ist von der Ortspolizeibehörde unentgeltlich vorzunehmen. Ist die Kalendertafel nicht bereits vom Arbeit­ geber mit seinem Namen oder seiner Firma versehen worden, so hat die- durch die Ortspolizeibehörde bei der Abstempelung zu geschehen. II. Die Ortspolizeibehörde hat in jedem, zur Nachtzeit Gehilfen oder Lehrlinge beschäftigenden Betriebe, in welchem Backwaaren hergestellt werden, halb­ jährlich mindestens eine ordentliche Revision vorzunehmen. Außerordent­ liche Revisionen haben nach Bedürfniß und insbesondere dann zu erfolgen, wenn der Verdacht einer gesetzwidrigen Beschäftigung von Gehülfen oder Lehrlingen vorliegt. Bei der Revision hat der Beamte Folgendes zu beachten: 1. Von den Bestimmungen zu I der Bekanntmachung bleiben befreit: a) Betriebe, in denen keine Gehülfen oder Lehrlinge beschäftigt werden, b) Betriebe, in denen Gehülfen und Lehrlinge nur am Tage — zwischen 57a Uhr Morgens und 8'/, Uhr Abends — beschäftigt werden, oder eine Beschäftigung zur Nachtzeit nur ausnahmsweise und nur mit Ge­ nehmigung der unteren Verwaltungsbehörde stattfindet (IV 2 der Be­ kanntmachung), c) Betriebe, in denen nicht mehr als dreimal wöchentlich gebacken wird (IV 1 der Bekanntmachung). 2. Gehört der zu revidirende Betrieb nicht zu den vorstehend unter l a bis e ausgeführten Kategorien, unterliegt er also den Bestimmungen unter I der Bekanntmachung, so hat der revidirende Beamte bei der Revision insbe­ sondere festzustellen: a) ob die Arbeitsschicht jedes Gehülfen die Dauer von 12 Stunden oder, falls die Arbeit von einer Pause von mindestens einer Stunde unter* brochen wird, einschließlich dieser Pause die Dauer von 13 Stunden

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Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. Mürz 1896.

nicht überschreitet, und ob die Dauer der Arbeitsschichten der Lehrlinge im ersten Lehrjahre 2 Stunden, im zweiten Lehrjahre eine Stunde weniger beträgt, als die für die Beschäftigung von Gehülfen zulässige Dauer der Arbeitsschicht (I 1 und 2 der Bekanntmachung); b) ob zwischen den Arbeitsschichten jedem Gehülfen eine ununterbrochene Ruhezeit von 8 Stunden, den Lehrlingen eine solche von 10 Stunden im ersten Lehrjahre, von 9 Stunden im zweiten Lehrjahre gewährt wird (I 1 und 2 a. a. O.); c) ob an der Arbeitsstätte eine mit dem polizeilichen Stetnpel versehene Kalendertafel und eine Tafel mit einer Abschrift oder einem Abdruck der Bekanntmachung des Reichskanzlers ausgehängt ist (I 4 der Be­ kanntmachung) ; d) ob auf der Kalendertafel die vom Arbeitgeber ausgewählten Ueberarbeitstage vorschriftsmäßig durchlocht oder mit Tinte durchstrichen und ob etwa mehr als 20 Tage in dieser Weise als Ueberarbeitstage kenntlich gemacht sind (I 3b und 4 a. a. £).). 3. In den vorstehend unter 2 bezeichneten Betrieben hat der revidirende Beamte auf der Kalendertafel einen Revisionsvermerk zu machen. III. Die Ortspolizeibehörde hat eine Liste zu führen, in die alle revidirten Betriebe und bei jedem Betriebe die Daten der vorgenommenen Revisionen einzutragen sind. Den zuständigen Gewerbeaufsichtsbeamten ist diese Liste auf Ersuchen zur Einsicht vorzulegen. IV. Den Gewerbeaufsichtsbeamten steht gemäß § 139b Gew.-O. neben den ordentlichen Polizeibehörden die Aufsicht über die Ausführung der Bekannt­ machung des Reichskanzlers zu. Nehmen dieselben tu der Revisionsthätigkeit der Beamten der örtlichen Polizei Mängel wahr, so haben sie hiervon der vorgesetzten Behörde dieser Beamten Anzeige zu erstatten. V. Wird eine mit dem polizeilichen Stempel versehene Kalendertafel (I 4a der Bekanntmachung) im Laufe des Kalenderjahres in Folge von Beschädigungen und dergleichen unbrauchbar und deshalb der Ortspolizeibehörde eine neue Tafel zur Abstempelung vorgelegt, so hat die Ortspolizeibehörde die auf der alten Tafel durchlochten oder durchstrichenen Tage auch auf der neuen zu durchlochen oder zu durchstreichen und auf die alte Tafel den Vermerk zu sehen, daß sie ungültig sei. VI. Auf Grund der Vorschrift unter I 3a der Bekanntmachung ist die untere Verwaltungsbehörde befugt, für höchstens 20 Tage im Jahre Ueberarbeit zu gestatten. Diese Vorschrift soll in erster Linie dem Umstande Rechnung tragen, daß sich die Arbeit regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres z. B. vor den hohen Festen und vor Markttagen besonders anhäuft. Die untere Verwaltungsbehörde hat des­ halb für diejenigen Tage, an denen alljährlich regelmäßig Arbeitshäufung eintritt, im Voraus Ueberarbeit zu gestatten. Hierbei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß nicht schon alle 20 Ueberarbeitstage für unvorhergesehene Ereignisie, die allgemein einen erhöhten Bedarf an Backwaaren im Gefolge haben, z. B. für Truppenübungen aufgespart bleibt. Tritt in einzelnen Betrieben noch an andern als den von der unteren Derwaltungsbehörde allgemein als Ueberarbeitstage fteigegebenen Tagen, in Folge be­ sonderer. Umstände z. B. wegen eiliger größerer Bestellungen oder wegen erheblicher Verzögerungen in der Beendigung des Backprozesses, das Bedürfniß hervor, die regelmäßige Arbeitszeit der Gehülfen oder Lehrlinge zu überschreiten, so sind diese

Verfügung des Ministers für Handel vom 30. April 1896.

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Betriebe auf die Vorschrift unter I 3b der Bekanntmachung zu verweisen, wonach jeder Arbeitgeber höchstens 20 Tage jährlich nach eigener Wahl zur Ueberarbeit bestimmen kann. VII. Durch die Vorschrift unter IV 2 a. a. O. wird die untere Verwaltung-behörde ermächtigt, solchen Betrieben, in denen die Gehülfen und Lehrlinge nur am Tage (zwischen 5Va Uhr Morgens und 8‘/3 Uhr Abends beschäftigt werden, und auf die deshalb die Vorschriften unter I a. a. O. keine Anwendung finden, für höchstens 20 Nächte im Jahre die Genehmigung zur Nachtarbeit zu ertheilen. Auch diese Vorschrift beruht aus der Erwägung, daß unter besonderen Umständen eine außer­ gewöhnliche Arbeitshäufung und dadurch ein Bedürfniß nach Verlängerung der regel­ mäßigen Arbeitszeit eintreten kann. VIII. Die in der Bekanntmachung unter V getroffene Übergangsbestimmung für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1896 ist von der unteren Verwaltungs­ behörde genau zu beachten.

316. Verfügung der Minister für Handel und Gewerbe, des Jnuem und der geistlichen Angelegenheiten über den von Gast- und Schanlwirchen an Sonn- und Festtagen betriebenen Verkauf über die Straße vom 30. April 1896. M.Bl. S. 86. Aus den Kreisen der Handelsgewerbetreibenden sind fortgesetzt Klagen darüber laut geworden, daß die Gast. und Schankwirthe den Verkauf von Getränken, Eßwaaren und anderen Genußmitteln „über die Straße" an Sonn- und Festtagen vielfach auch außerhalb der für das Handelsgewerbe freigegebenen Stunden ausübten und dadurch den Kanflenten empfindlichen Schaden zufügten. Um diesen Klagen abzuhelfen und doch andererseits den berechtigten Bedürfniffen der Bevölkerung Rech­ nung zu tragen, bestimmen wir hierdurch folgendes: Der von den Gast- und SchankWirthen betriebene Verkauf „über die Straße" ist als Ausübung des Handelsgewerbes anzusehen und demgemäß an Sonn- und Festtagen im allgemeinen auf die für das Handelsgewerbe freigegebenen Stunden zu beschränken. Jndeffen werden die Herren Regierungspräsidenten ermächtigt, den Gast- und Schankwirthen auf Grund des § 105 e der Gewerbe-Ordnung an Sonn- und Festtagen den Ausschank von Wein und Bier vom Faß, insoweit nicht anderweite polizeiliche Vorschriften, insbesondere auch solche über die äußere Heilighaltung der Sonn- und Feiertage, entgegenstehen, unbeschränkt zu gestatten. Dagegen ist der Verkauf von Branntwein, von Wein und Bier in Flaschen, sowie von Cigarren, Konditorwaaren, Delikateßwaaren, Wurst, kaltem Aufschnitt u. bergt durch die Gast- und Schankwirthe, sofern diese Waaren nicht an Gäste des Schanklokals zum Genuß auf der Stelle verabfolgt werden, an Sonn- und Festtagen nur während der für das Handelsgewerbe allgemein freige­ gebenen Stunden zu dulden. Die Lieferung zubereiteter Speisen aus den Küchen der Gast- und Schankwirthschaften in ftemde Häuser fällt unter den Gewerbe-

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Gebührentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896.

betrieb der Köche, ist also von den Herren Regierungspräsidenten bereits auf Grund der Vorschrift unter B III Ziffer 11 unserer Anweisung betreffend die Sonntagsruhe im Gewerbebetriebe vom I I. März v. I. für Sonn- und Festtage zugelassen worden. Ew. rc. ersuchen wir ergebenst, zur Durchführung der vorstehenden Grundsätze die erforderlichen Anordnungen zu treffen und insbesondere auch darauf hinzuwirken, daß die OrtSpolizeibehörden einer mißbräuchlichen Ausübung des sonntäglichen Derkaufes „über die Straße" seitens der Gast- und Schankwirthe nachdrücklich entgegen-

treten.

31 f.

Die neue Gebiihrentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896. I. Allgemeine Bestimmungen. §i.

Den approbirten Aerzten und Zahnärzten (§ 29 Absah 1 der Gewerbe-Ordnung) stehen für ihre berufsmäßigen Leistungen in streitigen Fallen mangels einer Vereinbarung Gebühren nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen zu. §2-

Die niedrigsten Sätze gelangen zur Anwendung, wenn nachweisbar Unbemittelte oder Armenverbände die Verpflichteten .sind. Sie finden ferner Anwendung, wenn die Zahlung aus Staatsfonds, aus den Mitteln einer milden Stiftung, einer Knappschafts- oder einer Arbeiterkrankenkasse zu leisten ist, soweit nicht besondere Schwierig, feiten der ärztlichen Leistung oder das Maß des Zeitaufwandes einen höheren Satz rechtfertigen. §3. Im übrigen ist die Höhe der Gebühr innerhalb der festgesetzten Grenzen nach den besonderen Umstanden des einzelnen Falles, insbesondere nach der Beschaffenheit und Schwierigkeit der Leistung, der Vermögenslage des Zahlungspflichtigen, den öttlichen Verhältnissen rc. zu bemessen. §4. Verrichtungen, für welche diese Taxe Gebühren nicht auswirft, sind nach Maß­ gabe derjenigen Sätze, welche für ähnliche Leistungen gewährt werden, zu vergüten. §5 .

Die gegenwärtige Gebührenordnung tritt am 1. Januar 1897 in Kraft.

II. Gebühren für approbirte Aerzte. A. Allgemeine Verrichtungen. 1) Der erste Besuch des Arztes bei dem Kranken....................... 2—20 Mk. 2) Jeder folgende im Verlaufe derselben Krankheit .....................1—10 Mk. 3) Die erste Berathung eines Kranken in der Wohnung des Arztes 1—10 Mk. 4) Jede folgende Berathung in derselben Krankheit..................... 1—5 Mk. 5) Die Gebühr für den Besuch bezw. die Berathung schließt die Untersuchung des Kranken und die Verordnung mit ein. Findet jedoch eine besonders eingehende Untersuchung unter Anwendung des Augen-, Kehlkopf-, Ohren-, Scheidenspiegels oder deS Mikroskops statt, so können hierfür 2-5Mk. besonders berechnet werden.

Gebührentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896.

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6) Für Besuche oder Berathungen bei Tage (vgl. Nr. 10), bei denen eine derjenigen Verrichtungen vorgenommen wird, für welche nach dieser Gebührenordnung eine Gebühr von mehr alS 10 Mk. zu entrichten ist, darf eine besondere Vergütung nicht berechnet werden. 7) Muh der Arzt nach der Beschaffenheit des Falles oder auf Verlangen deS Kranken oder seiner Angehörigen länger als eine halbe Stunde verweilen, so stehen ihm für jede weitere angefangene halbe Stunde 1,50—3 Mk. zu. Diese Gebühr fällt fort, wenn bei dem Besuch eine Entschädigung für die durch denselben veranlaßte Zeitversäumnih berechnet wird. 8) Mehr als zwei Besuche an einem Tage können nur dann berechnet werden, wenn dieselben im Einverständniß mit dem Kranken und besten Angehörigen erstattet werden oder nach der Beschaffenheit des Falles geboten sind. 9) Sind mehrere zu einer Familie gehörende und in derselben Wohnung befind­ liche Kranke gleichzeitig zu behandeln, so ermäßigt sich der Gebührensatz für die zweite und jede folgende Person auf die Hälfte der Satze zu Nr. 1 und 2. Es stehen ferner zu: 10) Für Besuche oder Berathungen in der Zeit zwischen 9 Uhr Abends und 7 Uhr Morgens daS Zwei- bis Dreifache der Gebühr zu Nr. 1—4 und zu Nr. 7. Die Gebühr unter Nr. 2 ist jedoch nicht unter 3 Mk. zu bemessen. 11) Für Besuche, welche am Tage auf Verlangen des Kranken oder seiner Angehörigen sofort oder zu einer bestimmten Stunde gemacht werden, das Doppelte der Sätze zu Nr. 1 und 2. 12) Für die mündliche Berathschlagung zweier oder mehrerer Aerzte, jedem derselben (einschließlich des Besuchs) ...................................................... 5—30 Mk. 13) Für fortgesetzte Berathschlagungen in demselben Krankheitsfälle, für die zweite und folgende............................................................................ 5—20 Mk. 14) Für jeden als Beistand bei einer anderweiten ärztlichen Verrichtung (Operation rc.) hinzugezogenen anderen Arzt...............................................5—20 Mk. 15) Für die Verrichtungen zu Nr. 12, 13, 14 bei Nacht (vergl. Nr. 10) das Doppelte. 16) Für die Fuhrkosten und für die durch den Weg zum Kranken bedingte Zeitversäumniß steht dem Arzt bei Krankenbesuchen in seinem Wohnorte in der Regel eine besondere Entschädigung nicht zu; doch können die vorbenannten Umstände bei der Bemestung der Forderung für den Besuch innerhalb der zu Nr. 1 und 2 aus­ geworfenen Sätze in Betracht gezogen werden. 17) In den Fällen zu Nr. 10, 11, 12, 13, 14, 15 dagegen kann auch innerhalb des Wohnortes des Arztes, wenn die Wohuung des Kranken nicht unter 2 Kilometer von der des Arztes entfernt ist, neben der Gebühr für den Besuch eine Entschädigung für Fuhrkosten, sowie für Zeitversaumniß, und zwar für jede angefangene halbe Stunde in Höhe von 1,50-3 Mk. berechnet werden. 18) Befindet sich der Kranke außerhalb des Wohnortes des Arztes, und zwar nicht unter 1 Kilometer von der Grenze destelben und nicht unter 2 Kilometer von der Wohnung des Arztes entfernt, so hat der Arzt außer der Gebühr für den Besuch den Ersatz der für die Reise erwachsenen Fuhrkosten zu beanspruchen. Bei Benutzung eigenen Fuhrwerks ist die Entschädigung nach den ortsüblichen Fuhrlohnpreisen zu berechnen. Letzteres darf auch geschehen, wenn der Arzt ein Fuhrwerk zu seiner Be­ förderung nicht benutzt. 19) Bei Fahrten mit der Eisenbahn sind die Kosten der zweiten Wagenklaste, bei Fahrten mit dem Dampffchiff die der ersten Kajüte und außerdem für Ab- und Zugang 1,50 Mk. zu vergüten.

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Gebührentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896.

20) Außerdem hat der Arzt in den Fällen der Nr. 18 Anspruch auf Entschädigung für die durch die Zurücklegung des Weges bedingte Zeitversäumniß. und zwar: 1,50—3 Mk. für jede angefangene halbe Stunde der für die Fahrt erforderlichen Zeit. 21) Bei Reisen, welche mehr als 10 Stunden in Anspruch nehmen, findet außer der Erstattung der Reisekosten eine Vergütung von 30—150 Mk. für den Tag statt, welche die Entschädigung für Zeitversäumniß einschließt. Die ärztliche Verrichtung ist besonders zu vergüten. 22) Besucht der Arzt mehrere außerhalb seines Wohnortes befindliche Kranke (Nr. 18) auf einer Rundfahrt, so find die gesammten Fuhrkosten und die Entschädigung für Zeitversäumniß in angemessener Weise auf die einzelnen Verpflichteten zu vertheilen. 23) Wird der Arzt bei Gelegenheit der Besuche gemäß Nr. 18, 19, 20, 21, 22 noch von anderen Kranken in Anspruch genommen, so stehen ihm die Sätze unter Nr. 1 und 2 zu. 24) a. Eine kurze Bescheinigung über Gesundheit oder Krankheit eines Menschen............................................................................ 2—5 Mk. b. Ein ausführlicher Krankheitsbericht....................................3—10 Mk. c. Ein begründetesGutachten.............................................. 9—30 Mk. 25) Ein im Interesse der Heilung des Kranken zu schreibender Brief 2—10 Mk. 26) Die Befichtigung einer Leiche, auch mit Ausstellung einer kurzen Bescheini. gung, außer der Gebühr für den Besuch ............................................3— 6 Mk. 27) Die Sektton einer Leiche in Folge Privatauftrags...............10—30 Mk. 28) Ein schriftlicher Sektionsbericht............................................3—10 Mk. 29) Bemühungen zur Wiederbelebung eilies Scheintodten (ohne die etwaige Nachbehandlung) ................................................................................ 4—20 Mk. 30) Impfung der Schuhpocken (einschließlich der Nachschau und der Allsstellung des Impfscheins)........................................ ........................................... 3— 6 Mk. 31) Werden mehrere zu demselben Hausstande gehörige Personen in demselben Raume gemeinschaftlich geimpft, für jede Person.................................1—2 Mk. 32) Die Leitung eines Bades......................................................2—10 Mk. 33) Ausführung der Narkose......................................................5—15 Mk. Erfolgt dieselbe behufs Ausführung einer Operation, für welche der Arzt nicht unter 10 Mk. zu beanspruchen hat, so ist für die Narkose keine besondere Gebühr zu berechnen. 34) Massage................................................................................ 2— 5 Mk. 35) Eine hydrotherapeutische Einwicklung.................................... 2—5 Mk. 36) Anwendung des konstanten oderinduzirten Stromes .... 2—10 Mk. 37) Subcutane Einspritzung von Medikamenten (außer dem Betrage für letztere); Einspritzungen in die Harnröhre, ein Klystier.................. ..................... 1—3 Mk. 38) Einführung einer Bougie, eines Mastdarmrohres mit oder ohne Eingießung oder ähnliche Verrichtungen................................................................. 2—10 Mk. 39) Anlegung der Magensonde oder des Schlundrohres...............3—10 Mk. 40) Letztere bei Strikturen der Speiseröhre oder mit Ausspülung des Magens 5—l0 Mk. 41) Die Instrumente und Verbandmittel, welche entweder nur einen einmaligen Gebrauch erlauben, oder welche wegen besonderer Umstände haben vernichtet werden müssen, oder welche der Kranke zu fernerer Anwendung für sich behält, sind dem Arzte zu liefern oder ihrem Werthe nach zu vergüten. 42) Werden die Verrichtungen zu Nr. 35—40 längere Zeit hindurch bei der. selben Krankheit wiederholt ausgeführt, so ist nur die drei ersten Male der volle Satz, für jedes folgende Mal die Hälfte zuzubilligen, jedoch nicht unter 1 Mk. 43) Ein Aderlaß........................................................................ 2—6 Mk.

Gebührentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896.

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B. Besondere Verrichtungen. Wundärztliche Verrichtungen. 44) Eröffnung eines oberflächlichen Abceffes oder Erweiterung einer Wunde 2-10 Mk. 45) Eröffnung eines tiefliegenden Abceffes................................... 10—50 Mk. 46) Anwendung des scharfen Löffels............................................... 2—10 Mk. 47) Der erste einfache Verband einer kleinenWunde........................ 1—10 Mk. 48) Naht und erster Verband einer kleinenWunde.............................2—20 Mk. 49) Naht und erster Verband einer größeren Wunde.......................10—30 Mk. Jeder folgende Verband die Hälfte, jedoch nicht unter 1 Mk. 50) Anlegung eines größeren festen oder Streckverbandes jedesmal 5—20 Mk. 51) Unterbindung eines größeren Gefäßes als selbstständige Operation oder Operation einer Pulsadergeschwulst................................................... 20—100 Mk. 52) Eine Sehnendurchschneidung ................................................. 10—30 Mk. 53) Eine Sehnennaht...................................................................10—50 Mk. 54) Eine NerveN'Jsolirung und Durchschneidung, oder Dehnung oder Naht 10—50 Mk. 55) Entfernung fremder Körper a. aus den natürlichen Oeffnungen............................................2—10 Mk. b. aus dem Kehlkopf oder der Speiseröhre............................. 6—50 Mk. 56) Entfernung fremder Körper oder Knochensplitter aus einer Schußwunde 5—10 Mk.

57) Entleerung von Flüssigkeit mittels Einstichs a. aus dem Wafferbruch..................................................5—10 Mk. b. aus der Brusthöhle, der Bauchhöhle. derBlaseoder demEierstock 15—30 Mk. 58) Entfernung kleiner, leicht zu operirender Geschwülste an äußeren Körpertheilen............................................................................................. 3-15 Mk. 59) Entfernung großer komplizirter Geschwülste.................... 20—200 Mk. 60) Kathetrismus des Eustachischen Trompete mit Lufteinblasen oder Einsprihung.............................................................................................. 3— 6 Mk. 61) Ausstopfung der Nase . 2—5 Mk. 62) Aetzung und Abtragung von Theilen der inneren Nase mit dem Galvano­ kauter 3-30 Mk. 63) Kleine Operation am Trommelfell und in derPaukenhöhle . 2—10 Mk 64) Schwierige Operation am Mittelohr vom Gehörgang aus . . 15—30 Mk. 65) Anbohrung oder Aufmeißelung des Warzenfortsatzes . . . 15—100 Mk. 66) Entfernung a. einer Mandel........................................................................ 3—15 Mk. b. eines Nasen- oder Rachenpolypen...................................... 10—30 Mk. c. von Drüsenwucherungen im Rachenraume........................... 10—50 Mk. 67) Kleine Operationen im Kehlkopf, Einbringung von Medikamenten in den­ selben li. bergt............................................................................................ 2—10 Mk. 68) Andere große Kehlkopf-Operationen und Entfernung einer Geschwulst aus dem Kehlkopf................................................................................... 20—300 Mk. 69) Einrichtung und Verband gebrochener Knochen, und zwar: a. eines oder mehrerer Finger oder Zehen..........................2—10 Mk. b. eines gebrochenen Gesichtsknochens oder Schulterblattes . . 3—10 Mk. c. eines gebrochenen Beckenknochens, der Knochen der Hand- oder Fußwurzel, der Mittelhand oder des Mittelfußes.................................6—10 Mk. d. des Schlüsselbeines, einer oder mehrerer Rippen, des Oberarms 10—20 Mk.

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Gebührentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896.

e. des Unterarms, des Unterschenkels.......................................10—25 Mk. f. des Oberschenkels .....................................................................15-30 Mk. g. des Oberschenkelhalses................................................................. 20—50 Mk. h. der Kniescheibe ..............................................................................15—30 Mk. i. Naht der Kniescheibe............................................................ 20-100 Mk. 70) Für Errichtung und Verband gebrochener Knochen bei Durchbohrung der Haut erhöhen sich die Sähe zu Nr. 69 um 10—50 Mk. 71) Absetzung oder Auslösung von Gliedern, und zwar: a. eines Ober- und Unterarms, eines Ober- oder Unterschenkels 30—200 Mk. b. des Fußes oder der Hand.................................................... 20—150 Mk. c. eines Fingers oder einer Zehe oder einzelner Glieder derselben 10—30 Mk. 72) Ausrottung eines Finger- oder Zehennagels.............................. 3—10 Mk. 73) Trennung zusammengewachsener Finger oder Zehen .... 5—30 Mk. 74) Resektion eines Knochens der Gliedmaßen in der Kontinuität 30—150 Mk. 75) Gelenkresektion oder Resektion des Ober- und Unterkiefers. 30—300 Mk. 76) Resektion einer Rippe................................................................ 20—150 Mk. 77) Eröffnung der Schädelhöhle........................................................ 30-200 Mk. 78) Eröffnung der Oberkieferhöhle................................................................... 8—30Mk. 79) Gewaltsames Gradestrecken eines verkrümmten Gliedes oder Wiederzerbrechen eines fehlerhaft geheilten Knochenbruches..................................................................10—50Mk. 80) Eröffnung eines Gelenke- zur Drainage oder zur Entfernung eines FremdkörperS................................................................................................................... 10-100 Mk. 81) Knochenaufmeißelung..................................................................... 20—100 Mk. 82) Osteotomie.......................................................................................... 15—100 Mk. 83) Dieselbe an der Hüfte................................................................ 30—200 Mk. 84) Operation deS Klumpfußes........................................................ 30—100 Mk. 85) Einrichtung und erster Verband verrenkter Glieder, und zwar: a. des Unterkiefers.............................................................................. 10—20 Mk. b. des Oberarms.............................................................................. 10—30 Mk. c. des Unterschenkels.................................................................... 30—60 Mk. d. des Vorderarmes,Unterschenkels, Fuß- oder Handgelenks . 15—30 Mk. e. der Finger oder derZehen.............................................................2—10 Mk. 86) Für Einrichtung und Verband veralteter Verrenkungen sind die doppelten Gebühren zu gewähren. 87) Größere plastische Operationen (Augenlid-, Nasen-, Lippen-, Gaumenbildung. Operation der komplizirten Hasenscharte) ............................................... 20—200 Mk. 88) Operation der einfachen Hasenscharte...................................... 10—100 Mk. 89) Ausrottung eines Theiles der Zunge oder der ganzen Zunge 20—200 Mk. 90) Eröffnung deS Kehlkopfes oder der Luftröhre...................... 20—200 Mk. 91) Theilweise oder gänzlicheAusrottung des Kehlkopfes . . . 30—500 Mk. 92) Eröffnung des Schlundes oder der Speiseröhre................. 30—200 Mk. 93) Operation des Empyems durch Schnitt.................................. 20—150 Mk. 94) Eröffnung des oberflächlichen Verschlusses des Afters, der Harnröhre, der Schamspalte............................................................................................. .... 5—20 Mk. 95) Eröffnung tieferer Verschlüsse des Mastdarms, der Harnröhre, der Scheide, des Gebärmuttermundes 15-100 Mk. 96) Operationen an inneren Organen der Bauchhöhle .... 50—500 Mk. 97) Zurückbringung eines beweglichen Bruches oder eines Mastdarmvorfalls 3—10 Mk. 98) Zurückbringung eines eingeklemmten Bruches..........................10—50 Mk.

Gebührentaxe für Aerzte nnd Zahnärzte vom 15. Mai 1896. 99) Operation

eines

eingeklemmten

Bruches

oder

Radikaloperation

Bruches oder Anlegung eines künstlichen Afters oder Operation eines lichen Afters.................................................................................................................. 100) Operation

der

Mastdarmfistel

oder

des

684 r eines

widernatür­ 30-200 Mk.

Mastdarmvorfalls

oder

von

Hämorrhoidalknoten................................................................................................10—100 Mk. 101) Ausrottung des Mastdarms.........................................................

50 —300 Mk.

102) Kathetrismus der Harnblase beim Mann..................................3—15 Mk. 103) Derselben bei der Frau................................................................... 1,50— 5 Mk. 104) Werden ausgeführt,

fo

ist

die Operationen für die

zu Nr. 102 und 103

drei ersten Male

längere Zeit wiederholt

der volle Satz, für die folgenden die

Hälfte zu berechnen — jedoch nicht unter 1 Mk. 105) Operation der Phimose, der Paraphimose............................................... 6—20Mk. 106) Zurückbringung der Paraphimose...................................................................1—10Mk. 107) Harnröhrenschnitt...................................................................................... 10—100 Mk. 108) Operation einer Harnröhrenfistel........................ •

....

20—100 Mk.

109) Absetzung der Penis............................................................................ 15—50 Mk. 110) Spiegelung der Blase als selbständige Operation................... 5—20 Mk. 111) Ausspülung der Blase desgl.................................................................. 2— 5 Mk. 112) Steinfchnitt

oder Zertrümmerung

(in

einer

oder mehreren

Sitzungen)

60-500 Mk. 113) Operation des Blutaderbruchs..................................................................... 10—30Mk. 114) Heftpflaster-Einwickelung des Hodens......................................................... 1—5Mk. 115) Schnittoperation deS Wasserbruchs...........................................

20—100 Mk.

116) Ausrottung eines oder beiden Hoden......................................

30—100 Mk.

117) Transfusion......................................................................................................... 20—60Mk. Augenärztliche Verrichtungen. 118) Untersuchung

der Sehkraft (einschließlich Farbenblindheit

Gesichtsfeldbe-

schränkung u. s. w.).................................................................................................... 3—15 Mk. 119) Operation

der verengten

oder erweiterten Augenlidspalte oder der Ver­

wachsung der Lidspalte............................................................................................................. 5—30Mk. 120) Operation der Verwachsung der Augenlidermit dem Augapfel 20—100 Mk. 121) Operation des auswärts gewandten Lidrandes....................................10—50Mk. 122) Ausschneiden der Uebergangsfalte eines

Augenlides bei Bindehaut-Ent­

zündung

3—10 Mk.

123) Operation des einwärtsgewandten

oder

des

herabhängenden Augenlides

in einer oder mehreren Sitzungen............................................................................ 10—100 Mk. 124) Kathetrismus der Thränenwege

......................................................... 2—20 Mk.

Bei Wiederholung die ersten drei Male der volle Satz, bei weiteren die Hälfte. 125) Operation

der Thränensackfistel

oder Verödung

des Thränensackes

oder

Operation der Thränendrüsenfistel..................................................................................... 20—50Mk. 126) Ausrottung der Thränendrüse................................................................... 20—80Mk. 127) Entfernung des Flügelfelles..........................................................................10—50Mk. 128) Entfernung von Fremdkörpern, und zwar: a. aus der Bindehaut..........................................................................................2—10Mk. b. aus der Hornhaut..........................................................................................3—20Mk.

c. aus der Augenhöhle..................................................................................... 5—50Mk. d. aus dem Innern des Augapfels...........................................

20—150 Mk.

129) Schiel-Operation...................................................................................... 15—150 Mk. 130) Galvanokaustische Aetzung derBindehaut oder Hornhaut .

.

3—20 Mk.

131) Tätowirung der Hornhaut ineiner oder mehreren Sitzungen 20—50 Mk.

Gebührentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896.

684s

132) 133) 134) 135) 136) 137) 138)

Eröffnung der vorderen Augenkammer durch Schnitt.... 10—50 Mk. Jridektomie, Pupillenbildung............................................ 20—150 Mk. Operation des grauen Staars oder des Glaucoms . . . 50—300 Mk. Nachstaar-DiScision in einer oder mehreren Sitzungen . . 30—150 Mk. Entfernung des Augapfels................................................ 30—150 Mk. Auswahl und Einsehen eines künstlichen Auges.................. 2—5 Mk. Ansetzen künstlicher Blutegel ................................................ 2—3 Mk. Geburtshilfliche und gynäkologische Verrichtungen. 139) Untersuchung auf Schwangerschaft, erfolgte Geburt oder Krankheit der Geschlechtsorgane.................................................................................................. 2—10Mk. 140) Beistand bei einer natürlichen Entbindung.................................. 10—40Mk. 141) Bei einer Zwillingsgeburt um die Hälfte mehr. 142) Bei einer Geburt von mehr als zwei Stunden Dauer für jede angefangene Mk. halbe Stunde mehr...................................................................... 1,50—3 143) Künstliche Entbindung: a. durch Manual'Extraktion........................................................ 15—50Mk. b. durch Wendung mittels innerer Handgriffeoder durch Zange 15—100 Mk. c. durch Wendung, Extraktion und Zange zugleich oder durch Perforation mit oder ohne Kephalotripfie oder Zerstückelung oder mit Symphisiotomie.................................................................... 30—150 Mk. d. bei vorliegendem Mutterkuchen außerdem.................................. 10—50Mk. 144) Beistand bei einer Fehlgeburt......................................................... 6—50Mk. 145) Einleitung der künstlichen Frühgeburt oder desAbortus . . 10—15 Mk. 146) Kaiserschnitt bei einer Lebenden............................... 50—500 Mk. 147) Desgleichen bei einer Verstorbenen........................................... 20—50Mk. 148) Entfernung der Nachgeburt ohne Entbindung............................... 10—20Mk. 149) Behandlung einer Blutung nach der Geburt ohneEntbindung 10—100 Mk. 150) Operation eines frischen Dammriffes........................................... 5—20Mk. 151) Operation eines veralteten Dammriffes................. 20—200 Mk. 152) Sofern derselbe ein bis in den Darm durchgehender ist . 30—300 Mk. 153) Operation der Mastdarm. Scheidensistel. der Blasen- oder HarnleiterScheidenfistel oder Aehnliches................................................. 30—500 Mk. 154) Einlegen von Arzneistiften in die Gebärmutter oder Ausspülung derselben oder Aetzung des Gebärmutterhalses oder der Gebärmutterhöhle oder Ansehen von Blutegeln mittels des Mutterspiegels...................................................3—10 Mk. 155) Einlegung eines Mutterkranzes mit Lageverbesserung der Gebärmutter 2-20 Mk. 156) Reposition der umgestülpten Gebärmutter...................... 10—100 Mk. 157) Unblutige Erweiterung deS Muttermundes und Mutterhalses 3—20 Mk. 158) Blutige Erweiterung des Muttermundes............................. 5—50 Mk. 159) Naht alter MutterhalSrisse.................................................. 20-50 Mk. 160) Ausschabung der Gebärmutterhöhle.................................10—100 Mk. 161) Theilweise Entfernung der Gebärmutter......................... 20—100 Mk. 162) Gänzliche Entfernung der Gebärmutter............................. 50—500 Mk. 163) Untersuchung einer Amme.................................................3—10 Mk.

III. Gebühren für approbirte Zahnärzte. 1) Für die Berathung eines Zahnkranken, einschließlich der Untersuchung des Mundes und etwaiger schriftlicher Verordnung a. in der Wohnung des Zahnarztes........................................ 1—5 Mk. Nachts............................................................................... 2-10 Mk.

Gebührentaxe für Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896.

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b. in der Wohnnng des Zahnkranken........................................... 2—6 Mk. Nachts.................................................................................................. 4-15 Mk. 2) Schließt sich an die Berathung und Untersuchung in derselben Sitzung eine der Verrichtungen, für welche im Nachstehenden eine besondere Gebühr ausgeworfen ist, so darf eine solche nach Nr. 1 nicht gefordert werden. 3) Reinigung aller Zähne.................................................................... 5—10 Mk. 4) Ausziehen eines Zahns oder einer Wurzel.................................. 1—5 Mk. Beim Ausziehen mehrerer Zähne oder Wurzels in derselben Sitzung für den zweiten und die folgenden je die Hälfte, jedoch nicht unter 1 Mk. 5) Für die Füllung einer Zahnhöhle a. mit plastischem Material................................................................3—10 Mk. b. mit Gold je nach derGröße.......................................................10—30 Mk. c. mit Zinn und Gold............................................................... 5—15 Mk. 6) Für die Ueberkappung einer freiliegenden Zahnpulpa oder Extraktion oder Abtödtung einer Zahnpulpa............................................................................. 2—4 Mk. Bei Abtödtung mehrerer Zähne in derselben Sitzung für jeden folgenden Zahn die Hälfte. 7) Für jede antiseptische Behandlung einer Zahnhöhle oder eines Wurzelkanals 1-2 Mk. 8) Für Eröffnung eines Abzesses in der Mundhöhle und ähnliche blutige Ope­ ration im Munde.............................................................................................. 2—5 Mk. 9) Für größere blutige Operationen im Munde.............................. 5—30 Mk. 10) Für das Abfeilen störender Ränder an einem Zahn................. 1—3 Mk.

Für dieselbe Operation an mehreren Zähnen in derselben Sitzung für jeden solgenden die Hälfte. 11) Für die örtliche Betäubung bei einer Zahnoperation .... 2—5 Mk. 12) Für die allgemeine Betäubung bei einer Zahnoperation . . . 5—10 Mk. 13) Für die Stillung einer übermäßigen Blutung nach der Zahnoperation 2—4 Mk. 14) Findet eine der unter Nr. 4—10 aufgeführten Operationen in der Wohnung des Zahnkranken statt, so erhöht sich die für dieselbe ausgeworfene Gebühr um 3—10 Mk. Nachts um......................................................................................................5—15 Mk. 15) Für die Anfertigung einer Platte aus Kautschuk für künstlichen Zahnersatz 8—10 Mk.

IG) Für Reparatur einer solchen Platte die Hälfte. 17) Für jeden an derselbe Platte befestigten Zahn..........................5—10 Mk. Für Blockzähne mehr um je.................................................................... 2—5 Mk. 18) Für Klammern oder Einlagen aus Edelmetall zur Befestigung oder Ver­ stärkung einer Kautschukplatte........................................................................ 5 — 10 Mk. 19) Für die Anfertigung einer Zahnersatzplatte aus Edelmetall wird außer dem Metallwerth berechnet......................................................................................... 20—30 Mk. 20) Für jeden an einer solchen Platte (Nr. 19) befestigten Zahn . 10—15 Mk. 21) Für Ansehung eines Stiftzahns......................................................10—20 Mk. 22) Für Federn nebst Federträgern aus Gold an einem ganzen Gebiß 20—30 Mk. Der Preis für die Anfertigung von Obturatoren, von Schienen-Derbänden bei

Kieferbrüchen, von Apparaten zum Zweck der Rechtstellung schief stehender Zähne oder anderen zahntechnischen Apparaten sowie für Kronen- oder Brücken-Arbeiten bleibt der freien Vereinigung überlassen.

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Bekanntmachung vom 27. April 1893.

32. Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung Hon Arbeiterinnen nud jugendlichen Arbeitern in Ziegeleien vom 27. April 1893. R G Bl. S. 553.

I.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Ziegeleien unterliegt folgenden Beschränkungen: Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter dürfen zur Gewinnung und zum Trans­ port der Rohmaterialien, sowie zu Arbeiten in den Oefen und zum Befeuern der Oefen, Arbeiterinnen auch zur Handformerei (Streichen oder Schlagen) der Ziegel­ steine mit Ausnahme der Dachziegel (Dachpfannen) und der Bimssandsteine (Schwemm­ steine) nicht verwendet werden. II.

In Ziegeleien, in denen das Formen der Ziegelsteine auf die Zeit von Mitte Mürz bis Mitte November beschränkt ist, sind bei der Beschäftigung von jungen Leuten zwischen vierzehn und sechszehn Jahren und von Arbeiterinnen Abweichungen von den Vorschriften der §§ 135 Absatz 3, 136 Absah 1 Sah 1, 137 Absatz 1 und 2 der Gewerbe-Ordnung unter Beobachtung der nachfolgenden Bestimmungen zulässig: 1. Die Beschäftigung darf an keinem Tage länger als zwölf Stunden dauern. 2. Innerhalb einer Woche darf die Gesammtdaller der Beschäftigung sechsundsechszig Stunden nicht überschreiten. 3. Die Arbeitsstunden dürfen nicht vor viereinhalb Uhr Morgens beginnen und nicht über neun Uhr Abends hinaus dauern. III.

Wenn für die Beschäftigung von jungen Leuten oder von Arbeiterinnen von den unter II nachgelastenen Abweichungen auch nur zum Theil Gebrauch gemacht wird, finden die auf die Pausen bezüglichen Bestimmngen der §§ 136 Absatz 1 und 137 Absah 3. sowie die Bestimmungen des § 138 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Zwischen den Arbeitsstunden muß den jungen Leuten und den Arbeiterinnen Vormittag-, gegen Mittag und Nachmittags je eine Pause gewähtt wer­ den. Die Beschäftigung muß jedesmal nach längstens vier Stunden durch eine Pause unterbrochen werden. Die Dauer der MittagSpanse muß mindestens eine Stunde, die der übrigen Pausen mindestens je eine halbe Stunde bettagen. 2. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß an einer in die Augen fallenden Stelle der Arbeitsstätte eine Tabelle nach vorgeschriebenem Muster aus­ gehängt ist, in welche übereinstimmend mit den nach § 138 der GewerbeOrdnung der Ort-polizeibehörde gemachten Angaben die Zeitabschnitte ein­ zutragen find, während deren die jungen Leute und die Arbeiterinnen der Regel nach beschäftigt werden sollen. Daneben brauchen in dem nach § 138 Absatz 2 der Gewerbe-Ordnung an der Arbeitsstätte auszuhängenden Verzeichniß der jugendlichen Arbeiter die Arbeitszeit und die Pausen hin­ sichtlich der jungen Leute nicht angegeben zu werden.

Anweisung vom 24. Mai 1879.

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Aenderungen in [bcm regelmäßigen Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen find innerhalb der oben unter II bezeichneten Grenzen ohne vorherige Anzeige an die Ortspolizeibehörde gestattet, wenn sie durch Witterungsverhältnisse erforderlich werden. Jedoch müssen an jedem Tage, an welchem Aenderungen erfolgt sind, in die Tabelle Beginn und Ende der Zeitabschnitte, während deren die junge Leute und die Arbeiterinnen an diesem Tage beschäftigt worden sind, sowie die Gesammtdauer der aus diesen Tag fallenden Arbeitszeit eingetragen werden. Die Tabelle muß über diejenigen Tage der letzten zwei Wochen, an welchen Aenderungen erfolgt find. Auskunft geben. Der Name desjenigen, welcher die Eintra­ gungen bewirkt hat, muß aus der Tabelle zu ersehen sein. 3. An der Arbeitsstätte muß neben der nach § 138 Absatz 2 der GewerbeOrdnung auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter I, II und III wiedergiebt.

IV. Die Bestimmungen unter I treten am 1. Januar 1894, die Bestimmungen unter II und III mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Sämmtliche Bestimmungen haben bis zum 1. Januar 1898 Gültigkeit*).

33. Dienst-Anweisung für die Gewerberäthe vom 24. Mai 1879**). M.Bl. S. 152. § 1.

Der Wirkungskreis der Gewerberäthe umfaßt: I. innerhalb der durch die §§ 139 b und 154 der Gewerbe-Ordnung bezeichneten Grenzen mit Ausschluß der unter Aufsicht der Bergbehörden stehenden Anlagen: a) die Aufsicht über die Ausführung der die Beschäftigung der Arbeite­ rinnen und jugendlichen Arbeiter betreffenden Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung. b) die Aufsicht über die Aussührug des § 120 Absatz 3 der GewerbeOrdnung ; II. die Beaufsichtigung derjenigen Anlagen, welche den Bestimmungen des § 16 der Gewerbe-Ordnung und seiner Ergänzungen unterliegen. §2.

Die Gewerberäthe sollen in dem ihnen zugewiesenen Wirkungskreise nicht an die Stelle der ordentlichen Polizeibehörden treten, vielmehr durch Ergän­ zung deren Thätigkeit, sowie durch sachverständige Berathung derjenigen Pro*) Die Gültigkeitsdauer ist bis zum Ablauf deS Jahres 1898 verlängert. Bek. v. 16. Dezbr. 1897. R.G.Bl. S. 789. **) Die Vorbildung der Gewerbeaufsichtsbeamten ist durch die BorbildungSund Prüfungs-Ordnung des Ministers für Handel und Gewerbe vom 7. September 1897 und die dazu ergangene Anweisung deflelben Ministers vom 13. November 1897 (M.Bl. 1898. S. 29fgd.) geregelt.

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vinzialbehörden. welchen sie zugeordnet sind. eine sachgemäße und gleichmäßige Ausführung der Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung und der auf Grund derselben erlassenen Vorschriften in dem ihnen überwiesenen Aufsichtsbezirk herbeizuführen suchen. Dabei sollen sie ihre Ausgabe vornehmlich darin suchen, durch eine wohl­ wollend kontrollirende, berathende und vermittelnde Thätigkeit nicht nur den Arbeitem die Wohlthaten des Gesetzes zu sichern, sondern auch die Arbeitgeber in der Erfüllung der Anforderungen, welche das Gesetz an die Einrichtung und den Betrieb ihrer Anlagen stellt, taktvoll zu unterstützen, zwischen den Interessen der Gewerbeunternehmer einerseits, der Arbeiter und des Publikums an­ dererseits, auf Grund ihrer technischen Kenntnisse und amtlichen Erfahrungen in billiger Weise zu vermitteln und sowohl den Arbeitgebern alS den Arbeitem gegen­ über eine Vertrauensstellung zu gewinnen, welche sie in den Stand setzt, zur Erhaltung und Anbahnung guter Beziehungen zwischen beiden mitzuwirken. §3. Zur Erfüllung dieser Aufgabe haben sich die Gewerberäthe durch fortlau­ fende Revision der ihrer Aufsicht unterstellten Anlagen von dem Zustande und Betriebe derselben eingehende Kenntniß zu verschaffen, auf die Abstellung der dabei vorgefundenen Gesetzwidrigkeiten und Uebelstände hinzuwirken und sich ein Urtheil darüber zu bilden, ob und welche Vorschriften oder Einrichtungen erforderlich sind, um die Aussicht der ordentlichen Polizeibehörden zu einer ersprießlichen zu machen, sowie ob und welche auf Gmnd der §§ 120 Absatz 3 und 139 a der Gewerbe-Ordnung zu erlassende Vorschriften im Interesse der Industrie einerseits, der Arbeiter anderer­ seits wünschenswerth erscheinen, oder in wie weit eine Abänderung bereits bestehender derartiger Vorschriften sich empfiehlt. Einer speziellen persönlichen Revision sollen sie vornehmlich solche ge­ werblichen Anlagen unterziehen, bezüglich deren eine den gesetzlichen Anforderungen ohne Schädigung der gewerblichen Interessen gerecht werdende Aufsicht durch tech­ nische Kenntnisse und Erfahrungen bedingt ist, welche bei den Organen der ordentlichen Polizeibehörden nicht vorausgesetzt werden können, sowie solche, deren Betrieb mit besonderen Gefahren für die Arbeiter oder die Nachbar­ schaft verbunden ist. §4. Den Gewerberäthen stehen nach § 139d Absah 1 der Gew O, die amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden zu. Sie sollen indessen von dem Rechte, Strafmandate oder polizeiliche eventuell im Wege administrativen Zwanges durchzuführende Verfügungen zu erlassen, keinen Gebrauch machen. Die Abstellung einzelner Gesetzwidrigkeiten und Uebelstände sollen sie zunächst durch gütliche Vorstellungen und geeignete Rathschläge herbeizuführen suchen. Ist auf diesem Wege die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen nicht zu er­ reichen, so haben die Gewerberüthe, so weit es sich um die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter oder der Arbeiterinnen handelt, die wahrgenom­ menen Verstöße den ordentlichen Polizeibehörden mit dem Ersuchen um Herbeifüh­ rung des weiteren Verfahrens zur Kenntniß zu bringen. Soweit es sich um die Ausführung des § 120 Absatz 3 der GewerbeOrdnung handelt, haben sie in denjenigen Fällen, wo die auf Grund dieser Be­ stimmung vom Bundesrathe oder von den zuständigen Landesbehörden erlassenen Vorschriften nicht beachtet werden, an den betreffenden Gewerbeuntemehmer die im § 147 ad 4 der Gewerbe-Ordnung vorgesehene Aufforderung zu richten, und, sofern derselben innerhalb einer angemessenen Frist nicht entsprochen wird, die ordentlichen

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Polizeibehörden um Herbeiführung des weiteren Verfahrens zu ersuchen. In solchen Fällen dagegen, in denen es sich um Einrichtungen handelt, deren Herstellung zur Sicherung der Arbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit von ihnen für nothwendig gehalten wird, aber nicht für alle Anlagen der fraglichen Art vorgeschrieben ist, haben sie jene Aufforderung erst zu erlaffen, wenn sie eine dahin gehende Entscheidung der zuständigen höheren Verwaltungsbehörde herbeigeführt haben. (Vgl. § 9.) §5. Die im § 1 unter II. bezeichnete Aufsicht haben die Gewerberäthe als ständige Kommissarien derjenigen Regierungen, denen sie untergeordnet sind, wahrzunehmen. Sie haben als solche bei den von ihnen vorzunehmenden Revisionen festzustellen, ob für die den Bestimmungen des § 16 der Gewerbe-Ordnung und seiner Ergänzungen unterworfenen Anlagen die erforderliche Genehmigung erwirkt ist, und ob der Bestand und Betrieb derselben mit dem Inhalte der Genehmigung be­ ziehungsweise mit den vorgeschriebenen Bedingungen übereinstimmt. Die wahrgenom­ menen Verstöße haben sie, wenn deren Beseitigung auf ihre desfallsige Aufforderung nicht erfolgt, den ordentlichen Polizeibehörden mit dem Ersuchen um Herbeiführung des weiteren Verfahrens zur Kenntniß zu bringen. Allgemeine aus dem Betriebe gewiffer Arten von Anlagen hervorgehende Uebel­ stände haben sie mit ihren auf Abhülfe derselben gerichteten Vorschlägen zur Kenntniß der zuständigen Regierung zu bringen. § 6.

Den Kreis- und Ortspolizeibehörden gegenüber haben die Gewerbe­ räthe innerhalb ihres Wirkungskreises die Stellung von Kommiffarien der zuständigen Regierung. Die Ortspolizeibehörden haben ihnen bei Ausübung ihrer Amtsthätigkeit die innerhalb ihrer Zuständigkeit liegende Unterstützung zu Theil werden zu laffen, insonderheit auf desfallsiges Ersuchen 1. die nach Maßgabe der Anweisung für die Ortspolizeibehörden, betreffend die Ausführung der Vorschriften der Gewerbe-Ordnung über die Beschäfti­ gung der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter rc. zu führenden Ver­ zeichnisse, sowie die ihnen nach Maßgabe des § 138 Absatz 2 erstatteten Anzeigen vorzulegen; 2. bei der Revision gewerblicher Anlagen Assistenz zu leisten; 3. Revisionen und Nachrevisionen bestimmter gewerblicher Anlagen vor­ zunehmen und über das Ergebniß Mittheilung zu machen; 4. ihnen über den Ausgang des auf ihr Ersuchen eingeleiteten weiteren Verfahrens Kenntniß zu geben. § 7.

Mit den technischen Beamten der Kreise (Kreisphysikus, Kreisschul­ inspektor, Kreisbaumeister) haben sich die Gewerberäthe über die den amtlichen Wirkungskreis derselben berührenden Fragen ins Benehmen zu sehen. Halten sie in be­ sonderen Fällen eine Mitwirkung derselben bei den von ihnen vorzunehmenden Revisionen für erforderlich, so haben sie ihre daraus gerichteten Anträge bei der zu­ ständigen Regierung einzubringen. §8 .

Die Gewerberäthe sollen die Regierungen, denen sie untergeordnet sind, von allen in das Bereich ihrer Wirksamkeit fallenden Wahrnehmungen, welche für die Gewerbevenvaltung von Bedeutung sind. in fortlaufender Kenntniß erhalten

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und bei den Geschäften deS letzteren mit ihrem sachverständigen Rathe unterstützen. Zu dem Ende sollen sie, soweit die ihnen obliegende Jnspektionsthätigkeit es zuläßt, an den Sitzungen der Regierungen und an denjenigen Geschäften der­ selben. bei denen die technischen oder die Betriebsverhältniffe der Industrie oder die Verhältnisse der gewerblichen Arbeiter in Betracht kommen, gleich den technischen Räthen der Regierung Theil nehmen. Insonderheit soll ihre Zuziehung, ab­ gesehen von den durch besondere Anordnung vorgesehenen Fällen, in der Regel bei denjenigen Geschäften erfolgen, welche betreffen: 1. den Erlaß von Polizeiverordnungen oder von Anweisungen an die Nachgeordneten Behörden, welche sich auf die Ausführung der in den Wirkungskreis der Gewerberüthe fallenden Bestimmungen der GewerbeOrdnung beziehen; 2. die Genehmigung der unter die Bestimmungen deS § 16 der GewerbeOrdnung und seiner Ergänzungen fallenden Anlagen und die auf Grund des § 27 daselbst zu erlassenden Entscheidungen und Verfü­ gungen; 3. Beschwerden, welche durch den Betrieb der unter 2 erwähnten Anlagen veranlaßt sind. Die Zuziehung soll im Wege mündlicher Berathung, wo diese nicht thunlich, in den einfachsten GeschästSformen erfolgen. In denjenigen Füllen, in welchen ein Gewerberath mehreren Regierungen zugeordnet ist, wird die Zuziehung des ersteren zu den Sitzungen der letzteren durch besondere Bestimmungen geregelt. §9. In solchen Fällen, wo der Erlaß der in § 147 ad 4 der Gewerbe-Ordnung vorgesehenen Aufforderung durch die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde bedingt ist (vergl. 4 i. f.), soll dieser Entscheidung, wenn es sich um erstmalig anzu­ ordnende Einrichtungen handelt, die Vernehmung geeigneter Sachverstän­ diger vorausgehen. Bei dieser und bei den auf Grund derselben stattfindenden weiteren Verhandlungen ist der Gewerberath in der Regel persönlich zuzuziehen; wo dies nicht thunlich. vor Abgabe der Entscheidung nach beendigter Instruktion der Sache seine schriftliche Aeußerung zu veranlaflen. § 10. Im Geltungsbereich der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 können die Vorsitzenden der Provinzial- und Bezirksräthe*) bei den in §8 bezeichneten, zur Zuständigkeit der letzteren gehörenden Ge­ schäften die Mitwirkung der zuständigen Gewerberäthe in Anspruch nehmen und zu dem Ende sowohl die Theilnahme derselben an den betreffenden Sitzungen des Provinzial- bezw. BezirkSrathes*) als auch die Erstattung schriftlicher Gutachten gnordnen. Im Gleichen ist im Bereiche der Provinzialordnung den Kreis- und StadtauSschüssen bezw. den Magistraten, in der Provinz Hannover den Aemtern und Magistraten bei den die Genehmigung gewerblicher Anlagen betreffen­ den Verhandlungen die Zuziehung der Gewerberüthe nach denjenigen Grund­ sätzen gestattet, nach welchen den Kreisausschüffen mittelst Cirkularerlaffes vom 9. Mai 1874 die Zuziehung Königlicher Beamten bei Erledigung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung gestattet ist. Diese Zuziehung ist in der Regel auf *) An Stelle der Bezirksräthe sind die Bezirksausschüffe getreten.

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solche Fülle zu beschränken, in tonen entweder die Zahl der zu beschäftigenden Ar­ beiter oder die besonder- gefährliche oder gesundheitsschädliche Natur des Betriebes besondere Sorgfalt bei Feststellung der Konzesfionsbedingungen fordern- Antrüge auf solche Zuziehung find an den nächsten Vorgesetzten des Gewerberathes zu richten. § n.

Der unmittelbare Vorgesetzte des Gewerberathes ist der Präsident derjenigen Regierung, welcher der Gewerberath zugeordnet ist. Ist ein Gewerberath mehreren Regierungen zugeordnet, so wird der unmittelbare Vorgesetzte desselben besonders bestimmt. §12. Die Inhaber und Leiter der Fabriken und der in § 154 aufgeführ­ ten Anlagen, welche der Aufficht der Gewerberäche unterliegen, find verpflichtet, den letzteren den Zutritt zu denselben zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht, während die Anlagen im Betriebe find, zu gestatten, und soweit eS fich um die unter den § 16 der Gewerbe-Ordnung und seiner Ergänzung fallenden Anlagen handelt, auf Erfordern die Genehmigung-urkunde nebst den dazu gehörigen Plänen und Zeichnungen vorzulegen. § 13. Den Nachweis seiner amtlichen Eigenschaft führt der Gewerberath durch Vorzeigung einer ihm von seinen unmittelbaren Vorgesetzten auszustellenden Legiti­ mationskarte und im schriftlichen Verkehr durch Anwendung deS ihm verliehenen Dienstsiegels. §14. Die Gewerberäche find vorbehaltlich der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kenntniß gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhültnisse der ihrer Aufficht unterliegenden Anlagen verpflichtet. §15. Alljährlich haben die Gewerberäthe einen daS abgelaufene Kalenderjahr um* fassenden Jahresbericht über ihre amtliche Thätigkeit zu erstatten, welcher biS zum I.Mürz durch Vermittelung chreS unmittelbaren Vorgesetzten dem Minister für Handel und Gewerbe vorzulegen ist. Der Jahresbericht ist in folgenden Abtheilungen zu erstatten: I. Allgemeine kurze Uebersicht über die gesammte Dienstthättgkeit unter Angabe der Zahl der vorgenommenen Revifionen und der auf Dienstreisen ver­ wandten Tage; II. Thätigkeit und Erfahrungen in Beziehung auf Beschäftigung der Arbeiterin­ nen und jugendlichen Arbeiter; III. Ausführung des § 120 Absah 3 der Gewerbe-Ordnung ; IV. die nach § 16 der Gewerbe-Ordnung genehmigungspflichtigen Anlagen; V. Mittheilungen über Arbeiter und andere Verhältnisse, welche für den Wirkungskreis der Gewerberäthe von Bedeutung find» aber nicht zu den unter II bis IV aufgeführten Gegenständen gehören. In Ausführung deS ReichSgefeheS vom 1. Juni 1891 ist unterm 23. Mürz 1892 (M.Bl. S. 160) seitens des Handels-MinisterS noch eine weitere Dienstanweisung für die Gewerbeaufsichtsbeamten erlassen; dieselbe lautete wie folgt: § 1. Der Wirkungskreis der Gewerbeaufsichtsbeamten umfaßt innerhalb der durch die §§ 139b, 154, 154a und 155 der Gewerbe-Ordnung bezeichneten Grenzen die Aufficht über die Ausführung MarctnowSkk. Deutsche Gewerbe-Orduung. 6. Auflage.

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1. der Vorschriften über die Sonntag-ruhe mit Au-nahme der die Sonntags­ ruhe im Handel-gewerbe betreffenden Bestimmungen (§§ 108a—105h a. a. O.), 2. der Vorschriften über die den Gewerbeunternehmern auf Grund der §§ 120a bi- 120e obliegenden Pflichten, 3. der die Arbeitsordnungen betreffenden Bestimmungen (§ 134a bi- § 134h), 4. der die Beschäftigung der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter betreffenden Bestimmungen (§ 135 bis § 139 a). Den Gewerbeauffichtsbeamten wird ferner als ständigen Beauftragten der Regierungs-Präsidenten (in Berlin des Polizei-Präsidenten) übertragen 5. die Beaufsichtigung derjenigen Anlagen, welche den Bestimmungen des § 16 der Gewerbe-Ordnung und seiner Ergänzungen unterliegen, 6. in den ihrer Zuständigkeit unterstehenden Betrieben die Aufsicht über die Ausführung der die Arbeitsbücher und Zeugniffe (§ 107—§ 113), sowie die Lohnzahlung (§ 115 bis § 119a) betreffenden Vorschriften. Endlich wird den für Gewerbeinspektionsbezirke angestellten Gewerbeanffichtsbeamten (§ 4) die amtliche Prüfung der Dampfkeffel ihrer Bezirke überwiesen. (Aller­ höchster Erlaß vom 27. April 1891, Ziffer H, G.S. S. 165). § 2. Die Gewerbeaufsicht wird durch Regierungs- und Gewerberäthe, durch Gewerbeinspektoren und durch HülfSarbeiter (Assistenten) ausgeübt. Die Gewerbeauffichtsbeamten sind dem für ihren Amtsbezirk zuständigen Re­ gierungspräsidenten und in höchster Instanz dem Minister für Handel und Gewerbe dienstlich unterstellt. Sind für den Amtsbezirk eines Gewerbeauffichtsbeamten mehrere RegierungsPräsidenten zuständig, so wird sein unmittelbarer Vorgesetzter besonders bestimmt. § 3. Die Regierungs- und Gewerberäthe sind technische Mitglieder der Regierungen (Allerhöchster Erlaß vom 27. April 1891 Ziffer 1). Gleichzeitig haben sie die im § 1 unter Ziffer 1—6 aufgeführten Geschäfte der Gewerbeaufsichtsbeamten wahrzunehmen, ferner die Thätigkeit der Gewerbetnspektionen ihres AuffichtSbezirkes zu überwachen und zu diesem Zweck regelmäßige Revisionen vorzunehmen. Die auf Grund der Ziffer 5 deS Allerhöchsten Erlasses vom 27. April 1891 zur Unterstützung und Berttetung der Regierung-- und Gewerberäthe bei den Regierungen angestellten Gewerbeinspektoren haben die amüiche Stellung der RegierungS-Affefforen. Soweit es sich um die Wahrnehmung der Gewerbeaufficht (§ 1, 1—6) handelt, haben sie den Anweisungen der Regierung-- und Gewerberäthe Folge zu leisten. Im Uebrigen erfolgt die nähere Regelung ihrer amüichen Thätigkeit durch dm RegierungsPräfidenten. Wenn ein RegierungS- und Gewerberath für mehrere Regierungen angestellt ist, so wird bei denjmigm Regierungm, in berat Bezirke er seinen Wohnsitz nicht hat, je ein Vertreter aus der Zahl der Gewerbeinspektoren bestellt, welchem die volle Vertretung deS RegierungS- und Gewerberathes in allen Amtsgeschästen obliegt, jedoch mit der Einschränkung, daß der Regierungspräsident in wichtigen oder zweifelhaften Frag« die Mitwirkung deS RegierungS- und Gewerberathes anordnen kann, daß diese Mitwirkung immer einzutreten hat, wenn eS sich um die Erstattung von Berichtm über Fragen der Gesetzgebung handelt und daß der Jahresbericht (§ 16) von dem RegierungS- und Gewerberathe für seinen ganzen Amtsbezirk unter Benützung deS von seinem Vertreter für feinen Bezirk zu erstattenden Berichtes erstattet wird. Den bei ben Regierungen angestellten Gewerbe-Inspektoren kann zugleich die Verwaltung einer Gewerbeinspektion (§ 4) übertragen werden.

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§ 4. Zur Durchführung der Gewerbeaufficht werden Gewerbe-Inspektion-bezirke gebildet, deren Verwaltung je einem Gewerbeinspektor übertragen wird. Die Gewerbeinspettoren find in Beziehung auf die Gewerbeaufficht (§ 1 Ziffer 1—6) Organe der Regierung-- und Gewerberäthe, deren Weisungen sie zu folgen haben. Die Gewerbeinspektoren haben die amtliche Prüfung der Dampftest^ nach den darüber erlassenen Bestimmungen wahrzunehmen. Den Gewerbeinspektoren können zu ihrer Unterstützung Assistenten überwiesen werden, welche an den Geschäften nach Anordnung der Inspektoren Theil zu nehmen haben. Diese können sich in allen ihnen obliegenden Dienstgeschäften von den ihnen überwiesenen Assistenten vertreten lasten. Den Regierungspräsidenten bleibt vorbehalten, über die Verthellung der Geschäfte besondere Anordnungen zu treffen. § 5. Die Regierung-- und Gewerberäthe in ihrer selbstständigen amtlichen Thätigkeit und die Gewerbeinspektoreu führen die ihnen verliehenen Dienstsiegel. Amtliche Schriftstücke werden gezeichnet: vou den Regierung-- und Gewerberüthen, insoweit es sich um ihre selbständige Thätigkeit handelt, Der Königliche Regierung-- und Gewerberath. (Name.) von ihren Hülfsarbeitern: Der Königliche Regierung-- und Gewerberath. Zn Vertretung. (Name.) von den Gewerbeinspektoren (§ 4): Der Königliche Gewerbeinspektor zu........... (Name.) von deren Assistenten: Der Königliche Gewerbeinspektor zu.......... In Vertretung. (Name.) Die GewerbeauffichtSbeamten führen den Nachweis ihrer amtlichen Eigenschaft durch Vorzeigung einer ihnen von dem vorgesetzten Regierungspräsidenten auszu­ stellenden Ausweiskarte. §. 6. Die GewerbeauffichtSbeamten sollen in dem ihnen zugewiesenen Wirkungs­ kreise in Erzänzung der den ordentlichen Polizeibehörden obliegenden Thätigkeit für eine möglichst vollständige und gleichmäßige Durchführung der Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung und der auf Grund ihrer eriastenen Vorschriften Sorge tragen. Dabei sollen sie ihre Aufgabe vornehmlich darin suchen, gestützt auf ihre Vertraut­ heit mit den gesetzlichen Bestimmungen, ihre technischen Kenntniste und amtlichen Er­ fahrungen durch sachverständige Berathung und wohlwollende Vermittlung eineRegelung der Betriebs, und ArbeitSverhältniste herbeizuführen» welche, ohne dem Gewerbeunternehmer unnöthige Opfer oder zwecklose Beschränkungen aufzuerlegen, den Ar­ beitern den vollen durch daS Gesetz ihnen zugedachten Schutz gewähtt und da- Publi­ kum gegen gefährdende und belästigende Einwirkungen ficher stellt. Arbeitgebern und Arbeitern sollen die GewerbeauffichtSbeamten die gleiche Be­ reitwilligkeit zur Verttetung ihrer berechtigten Interessen entgegenbringen und dadurch, wie durch die ganze Art ihrer amtlichen Thätigkeit eine Berttauensstellung zu gewinnen suchen, welche sie zur Erhaltung und Förderung guter Beziehungen zwischen beiden mitzuwirken in den Stand setzt. Die Arbeitgeber sollen fie bei Geltendmachung der Anforderung des Gesetzes in deren Erfüllung bereitwillig unterstützen und auf Wunsch auch in der Ausführung

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von Einrichtungen, welche auf die Verbesserung der Lage der Arbeiter innerhalb und außerhalb des Betriebes abzielen, zu fördern suchen. Wünsche und Beschwerden der Arbeiter sollen sie bereitwillig entgegennehmen und, fall- fie fich von ihrer Berechtigung überzeugt haben, ihnen, soweit fie es nach ihrer amllichen Stellung vermögen, Erfüllung und Abhülfe zu schaffen suchen. Die durch ihre amtliche Thätigkeit fich ihnen bietmde Gelegenheit, fich über die Verhältniffe der Arbeiterbevölkerung ihres Amtsbezirks zu unterrichtm, sollen fie sorgfältig benutzen und fich über die in diesen Berhältniffen eintretenden Veränderungen in fortlaufender Kenntniß erhalten. § 7. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben haben fich die GewerbeaufstchtSbeamten durch fortlaufende Besichtigung« der ihrer Aufsicht unterstellten Anlagen von dem Zustande und Betriebe derselben eingehende Kenntniß zu verschaffen und fich ein Urtheil darüber zu bilden, ob und inwiefern die Durchführung bestehender Vorschrift len auf Hindernisse stößt, die ihre Abänderung erforderlich erscheinen lasten, und ob und inwiefern allgemeine Mißstände hervortreten, zu deren Beseitigung es deS Er­ lasses neuer Vorschriften bedarf. Eine besondere Aufmerksamkeit haben fie zuzuwenden: 1. den Anlagen, deren wirksame Beaufsichtigung durch technische, bei den Or­ ganen der ordentlichen Polizeibehörden nicht vorauszusetzende Kenntnisse und Erfahrungen bedingt ist, 2. den Anlagen, deren Betrieb mit besonderen Gefahren für Leben und Ge­ sundheit der Arbeiter oder mit schädigenden und belästigenden Einwirkun­ gen auf die Nachbarschaft verbunden ist, 3. den Anlagen, deren Betrieb auf Grund der §§ 138a, 139 und 139a der Gewerbe-Ordnung eine besondere Regelung erfahren hat. Bei den dm Bestimmung« M § 16 der Gewerbe-Ordnung unterworfenen Anlagen haben fie darauf zu achtm, ob für fie die erforderliche Gmehmigung erwirkt ist. und ob ihr Bestand und ihr Betrieb mit dem Inhalte der Genehmigung und mit den vorgeschriebenen Bedingung« übereinstimmt. § 8. Die GewerbeaufstchtSbeamten sollen, wenn fie bei ihren Besichtigungen einzelne Gesetzwidrigkeit« und Uebelstände vorfinden, deren Abstellung zunächst durch güüiche Vorstellungen und geeignete Rachschläge herbeizuführen suchen. Ist auf diesem Wege die Erfüllung der gesetzlich« Anforderungen nicht zu erreich«, so hab« die GewerbeauffichtSbeamt« fich an die ordentlichen Polizeibehörden zu wenden, damit diese, falls eS fich um gesetzlich mit Strafe bedrohte Verstöße handelt, die Be­ strafung deS Arbeitgebers herbeiführ«, falls es fich aber um die Herstellung von Einrichtung« gemäß § 120a ff. der Gewerbe-Ordnung handell, die zur Durchführung dieser Einrichtungen erforderlich« Verfügung« treff« (§ 120 d a. a. O.). Von dem Rechte, polizeiliche Straffestsetzungen zu treff«, sollen die GewerbeAuffichtSbeamt« kein« Gebrauch mach«, von dem Rechte, polizeiliche, nöthigenfalls im Wege deS DerwaltungSzwangSverfahrenS durchzuführende Verfügungen zu er­ lass«, soll« sie nur ausnahmsweise in denjenigm Fällen, in tat« Gefahr im Ver­ züge ist, Gebrauch machen. § 9. Die Inhaber und Leiter der der Gewerbeaufficht unterstehmden gewerb» lichen Anlag« find verpflichtet, den zuständig« GewerbeauffichtSbeamt« den Zutritt zu diesen Anlag« zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht, währmd die Anlag« im Betriebe find, zu gestatten und, soweit eS fich um die unter d« § 16 der Ge­ werbe-Ordnung fallmden Anlag« oder um Dampfkessel handelt, auf Erfordern die Genehmigungsurkunde nebst Zubehör und das RevifionSbuch vorzuleg«.

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§. 10. Die GewerbeauffichtSbeamten find vorbehaltlich der Anzeige von Ge­ setzwidrigkeiten zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kenntniß gelangenden Gefchästs- und BetriebSverhältniffe der ihrer Aufficht unterstehenden Anlagen ver­ pflichtet. § 11. Die Ortspolizeibehörden haben den GewerbeauffichtSbeamten bei Aus­ übung chrer Amtsthätigkeit die innerhalb ihrer Zuständigkeit liegende Unterstützung zu Theil werden zu lassen, insbesondere auf Verlangen derselben 1. die für die Ausübung der Gewerbeaufficht wichtigen Verhandlungen, Derzeichniffe und Schriftstücke vorzulegen, 2. bei der Befichtigung gewerblicher Anlagen Unterstützung zu leisten, 3. Besichtigungen und Nachbesichtigungen bestimmter gewerblicher Anlagen vor­ zunehmen und über das Ergebniß Mittheilung zu machen, 4. ihnen von der Erledigung der auf Grund des § 120 d der Gewerbe-Ordnung erlassenen Verfügungen, sowie von dem Ergebnisse der Strafverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen solche Vorschriften der Gewerbe-Ordnung Kenntniß zu geben, deren Ausführung durch die GewerbeauffichtSbeamten zu über­ wachen ist (§ 1, 1—6). § 12. Mit den technischen Beamten der Kreise (KreisphyfikuS, Kreisbaumeister) haben sich die GewerbeauffichtSbeamten über die den amtlichen Wirkungskreis der­ selben berührenden Fragen inS Benehmen zu setzen. Halten fie in besonderen Fällen eine Mitwirkung dieser Beamten bei den von ihnen vorzunehmenden Besichtigungen für erforderlich, so haben fie ihre darauf gerichteten Anttäge bei dem zuständigen RegierungSprästdenten anzubringen. § 13. Bei den Verhandlungen über die Genehmigung gewerblicher Anlagen (§ 16 ff. der Gewerbe-Ordnung) haben auf Ersuchen der Bezirksausschüsse alle GewerbeauffichtSbeamten, auf Ersuchen der KreiS-(Stadt-) AuSschüffe sowie der zu­ ständigen Magistrate (kollegialischen Gemeindevorstände) die Gewerbeinspektoren und deren Assistenten mitzuwirken. Das Gleiche gilt für die Letzteren, hinsichtlich der Anlegung von Dampfleffeln (§ 24 a. a. O.). Im Uebrigen findet auf die Zuziehung der GewerbeauffichtSbeamten durch die Bezirks- und KreiSausschüffe zu den Geschäften der Allgemeinen Landesverwaltung der Erlaß vom 9. Mai 1874, die Zuziehung Königlicher Beamten seitens der KreisauSschüffe und DerwaltungSgerichte bei Erledigung von Geschäften der Allgemeinen Landesverwaltung betreffend. Anwendung. § 14. Werden die GewerbeauffichtSbeamten durch die Gerichte: 1. als Sachverständige, 2. als außerhalb deS Wohnortes zu vernehmende Zeugen. 3. als Zeugen über Umstände, auf welche sich ihre Pflicht zur Amtsver­ schwiegenheit bezieht, herangezogen, so haben sie ihrer vorgesetzten Dienstbehörde unter Angabe des Gegen­ standes der Vernehmung und unter Darlegung der Gründe, welche etwa im Dienst, intereffe die Vernehmung alS unzulässig oder nachtheilig erscheinen lasten, sofort An­ zeige zu machen, damit die vorgesetzte Behörde rechtzeitig, d. h. vor dem Termin, das ihr gesetzlich zustehende Einspruchsrecht wahren, auch erforderlichen Falles für die gehörige Derttetung des Geladenen während der Terminsdauer sorgen kann. Diese Anordnung erstreckt flch auch auf die Fälle, in denen die Beamten durch einen Angeklagten unmittelbar vorgeladen werden sollten. § 15. Die selbständige Uebernahme von Nebenarbeiten gegen Vergütung irgend welcher Art ist den GewerbeauffichtSbeamten untersagt. Die Erlaubniß zu Neben­ arbeiten kann indesten — vorausgesetzt, daß die dem Beamten obliegenden amtlichen

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Geschäfte dies überhaupt zulassen — durch den Regierungspräsidenten ertheilt werden, wenn die Uebernahme solcher Nebenarbeit« rat öffentlichen Jutereste nothwendig oder zweckmäßig erscheint. Die für die Nebenarbeiten zu leistenden Vergütungen werd« durch den Re­ gierungspräsident« festgesetzt und zur Staatskasse vereinnahmt, aus welcher alsdann die Auszahlung an die GewerbeauffichtSbeamten erfolgt. Auf die vor Gericht erstattet« technisch« Gutachten find« vorsteh«de Vor­ schriften keine Anw«dung. § 16. Alljährlich haben die Regierungs- und Gewerberäthe nach Maßgabe der darüber erlassen« besonder« Vorschrift« ein« das abgelaufme Kalenderjahr um­ fassenden Jahresbericht über ihre amtliche Thätigkeit zu erstatten, welcher bis zum 1. Mürz durch Vermittelung ihres unmittelbar« Vorgesetzt« dem Minister für Handel und Gewerbe vorzulegen ist. Dem RegierungS- und Gewerberache ist bis zum 15. Januar jedm Jahres von d« mit der Verwaltung der Gewerbeinspettion« seines Bezirkes beauftragten Gewerb«inspektoren (§ 4) und von den ihn an einer Regierung, an der er seinen Wohnfitz nicht hat, vertretenden Gewerbeinspektoren (§ 3 Absah 3) über die d«selben nach § 1 Ziffer 1—6 obliegend« Geschäfte und zwar in den für die Jahresberichte der RegierungS- und Gewerberäthe vorgeschrieb«« Abtheilung ein Jahresbericht zu erstatten. Ueber den von d« Gewerbeinspektoren in Betreff der Prüfung der Dampsteflel zu erstattend« Jahresbericht ist im § 39 der Anweisung, betreffenb die Genehmigung und Untersuchung der Dampfkessel vom 16. März 1892 Bestimmung getroffen. 5 17. Die vorstehenden Bestimmungen find« aus die der Bergverwaltung unterstellten Betriebe keine Anwendung. Sie treten an Stelle der Dienst­ anweisung für die Gewerberäthe vom 34. Mai 1879 und der für die Regierungsbezirke Düsseldorf und Arnsberg erlassenen Dienstan­ weisungen für die Gewerbeinfpektoren vom 23. Juni 1891 am 1. April 1892 in Kraft. In denjenigen Regierungsbezirken, in betten Gewerbeinspektion« noch nicht er­ richtet find, findet bis zur Errichtung von Gewerbeinspettion« der § 13 mit der Maßgabe Anwendung, daß die RegiemngS- und Gewerberäthe auch durch die Kreis(Stadt-) Ausschüsse sowie durch die zuständig« Magistrate und kollegialischen Gemeindevorstünde zu d« Verhandlung« über die Genehmigung gewerblicher Anlagen, sowie zu Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung zugezogm werd« können. Der in der vorstehmdm Anweisung in Bezug g«ommene Allerh. Erlaß vom 27. April 1891 (G.S. S. 165) bestimmt Folgendes: 1. Den technischen Räth« der Regiemng tret« gewerbetechuische Rathe hinzu. Diese haben zugleich die Geschäfte der in §139 d der GewerbeOrdnung vorgesehenen AuffichtSbeamten (Gewerbeinspettion) wahrzunehmen. 2. Zur Unterstützung der gewerbetechnisch« Räthe in der Wahrnehmung der Gewerbeinspettion werd« für bestimmte Bezirke gewerbetechnische Beamte angestellt, den« zugleich die Revision der Dampfkessel übertragen werd« kann. 3. Die gewerbetechntschen Räche werden vom Könige auf Vorschlag des Ministers für Handel und Gewerbe ernannt und führen den Titel Regierungs- und Gewerberath mit dem Range in der IV. Klaffe der Pro­ vinzialbeamt«. 4. Die gewerbetechnisch« Beamten für einzeltte Bezirke (Nr. 2) werden im Namen deS Königs von dem Minister für Handel und Gewerbe ernannt

Reichsgefetz vom 7. April 1876.

§ 1.

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und führen den Titel Gewerbeinspektor mit dem Range in der V. Klaffe der Provinzialbeamten. 5. Der Minister für Handel und Gewerbe wird ermächtigt, bei den Regie­ rungen zur Vertretung oder Unterstützung der Regierungs- und Gewerberäthe Gewerbeinspektoren mit der amtlichen Stellung der Regierungsaffefforen anzustellen. 6. Die Amtsbezirke der Regierungs- und Gewerberüthe und der Gewerbe­ inspektoren werden von dem Minister für Handel und Gewerbe bestimmt. 7. Die Vorschriften über die Vorbildung und Prüfung der gewerbetechnischen Beamten sind auf Vorschlag des Ministers für Handel und Gewerbe vom Staatsministerium zu erlaffen.

34.

Das Reichsgesetz über die eingeschriebenen Hülsskaffen vom 7. April 1876 in der durch das Reichsgesetz vom 1. Jnni 1884 geänderten Fassung. R.G.Bl. S. 54. (Die älteren Bestimmungen sind mit deutscher, die abändernden Vorschriften des Gesetzes vom 1. Juni 1884 mit lateinischer Schrift gedruckt.)

§ 1.

Kaffen, welche die gegenseitige Unterstützung ihrer Mitglieder für den Fall der Krankheit bezwecken und auf freier Uebereinkunft beruhen, erhalten die Rechte einer eingeschriebenen Hülfskasse unter den nachstehend angegebenen Bedingungen. Einleitung. Der Erlaß des Reich-gesetzes über die eingeschriebenen HülsSkaffen vom 7. April 1876 (R.G.B1. S. 125) ist durch die ungleiche Entwickelung veranlaßt worden, welche die zum Schuhe der arbeitenden Klaffen gegen die mit dem Eintritt von Krankheit, Alter oder Tod verbundenen Bedrängnisse organistrten Kaffen genommen hatten. Ob­ wohl das Bedürfniß einer gesetzlichen Organisation der Krankenkaflen hauptsächlich in den Kreisen des gewerblichen Lebens hervortrat, hatte das Gesetz doch nicht ledig­ lich die sogenannten „gewerblichen" Hülfskassen, sondern alle auf dem Grundsätze der Gegenseitigkeit beruhenden Kaffen gleicher Art ohne Rücksicht auf die Kreise, in welchen sie vorwiegend wirken, ins Auge gefaßt. Außer den Kaffen, welche der freien Initiative der Betheiligten ihr Entstehen verdanken, wurden auch diejenigen Kaffen der gesetzlichen Regelung unterstellt, deren Mitglieder sämmtlich oder zum Theil nur deshalb zu ihnen gehörten, weil sie in Ermangelung der Mitgliedschaft einer anderen Kaffe zum Eintritte verpflichtet waren, also diejenigen Kaffen, deren Bestand wesentlich auf einem Ortsstatute oder der Anordnung der höheren Verwaltungs­ behörde beruhte. Keine Kaffe konnte genöthigt werden, sich den Bestimmungen des Gesetze- zu unterstellen. Der Anreiz wurde nur indirekt durch die Vortheile gegeben, welche denjenigen Kaffen gewährt werden sollen, die den Anforderungen des Gesetzes

696

Reichsgesetz vom 7. April 1876.

§ 1.

entsprechen. Diese Vortheile bestehen einerseits darin, daß die Verpflichtung zum Ein­ tritt in die Hülfskaffe nur mittelst des Eintritts in eine den Anforderungen des Gesetzes genügende Kaffe erfüllt werden sonn, andererseits darin, daß diese Kaffen manche Erleichterung in ihrer Organisatton und, ohne besondere Verleihung, die Rechtsfähigkeit gewinnen. Die an die Kaffen zu stellenden Anforderungen sind auf dasjenige beschräntt, was vom Standpunkte deS öffentlichen JntereffeS unbedingt nothwendig erschien. Sie sind weniger an die erste Einrichtung der Kaffen als an die laufende Verwaltung geknüpft. In Ansehung der Einrichtung enthätt das Gesetz nur wenige Bestimmungen, welche theils dem Gesichtspunkt deS FernhattenS fremdarttger Zwecke, theils der Abficht entsprechen sollen, die Kaffen durch die Höhe ihrer Leistungen auf den Standpunkt korretter Erfüllung ihrer Aufgabe zu stellen, und die Mitglieder gegen eine ungleiche, mit dem Prinzip der Gegenseittgkeit unvereinbare Behandlung, gegen ungerechtfertigte Anforderungen seitens der Verwaltung der Kaffe und soweit möglich gegen eine Ver­ kürzung ihrer eigenen Ansprüche in Folge einer nicht vorgesehenen Erschöpfung der Kaffenmittel sicher zu stellen. In Setreff der Verwaltung der Kaffen hat sich das Gesetz auf einige Vorschriften beschränkt. Im Jntereffe der Gewährung eineS bestimmten EinflufleS der Kaffemnitglieder auf die Verwaltung begnügt sich das Gesetz damit, die Organe zu bezeichnen, welche jede Kaffe besitzen soll, die Befugniffe zu bestimmen, welche ihnen zustehen sollen, und, zum Schutze gegen etwaige Umgehungen deS GefetzeS, die Grenze zu ziehen, innerhalb deren neben ihnen noch andere Organe geschaffen werden dürfen. Erschöpfender als die Verwaltung der Kaffen ist daS AufstchtSrecht der Behörden geregelt, um einerseits zu verhüten, daß Kaffen die gesetzlichen Vorrechte genießen, welche nur zum Scheine bestehen, andererseits aber auch, um eine ordnungs­ mäßige Führung der DerwaltungSgeschüste sicher zu stellen und dem Mißbrauch der Kaffen zu irgend welchen, ihrer Bestimmung fern liegenden Zwecken vorzubeugen. Die Ermittelung über die Wirksamkeit deS Gesetzes vom 7. April 1876 ergaben die Nothwendigkeit einer Revision verschiedener Bestimmungen. Die Verwirklichung derselben mußte diS zur Emanation deS KrankenversicherungsgefetzeS vom 15. Juni 1883 ausgesetzt bleiben, da das letztere Gesetz nach verschiedenen Richtungen hin auf eine Reform des Hülfskaffenwesens hinführte. In dieser Beziehung ist namentlich hervorzuheben, daß durch die Vorschrift des § 87 Abs. 2 die Geltung deS HülfskaflengefetzeS auf diejenigen Hülfskassen beschränkt wurde, hinsichtlich deren eine Verpflichtung zum Beitritt nicht besteht, deren Entstehung und Bestand sonach auf der freien Entschließung der Mitglieder beruht; und daß die Mindest­ unterstützungen, welche die dem HülfSkaffengesetz auch ferner-unterstellten HülfSkaffen ihren Mitgliedern gewähren müssen, wenn fie durch die Mttgliedschaft einer ihnen obliegenden DersicherungSpflicht genügen sollen, durch § 75 des Krankenver­ sicherungsgesetzes neu festgestellt find. Durch die erstere Bestimmung (§ 87 Abs. 2) verloren diejenigen Vorschriften, welche nur auf Hülfskaffen, hinsichtlich deren eine Verpflichtung zum Beitritt besteht, verwendbar sind, ihre materielle Bedeutung. Durch die letztere (§ 75) entstand die Frage, ob die Zulaffung von Hülfskaffen als eingeschrieben noch ferner von der Gewährung einer Mindestunterstühung abhängig bleiben sollte. Daneben würden die bestehenden eingeschriebenen Hülfskaffen, welche dem HülfSkaffengesetz auch ferner unterstellt blieben, zum großen Theil zu einer Abünderung ihrer Statuten genöthigt sein. Um nun diese einer späteren nochmaligen Revision ihrer Statuten zu überheben, mußten die erforderlichen Abänderungen und Ergänzungen deS Gesetzes vom 7. April 1876 so zeitig zur gesetzlichen Gestaltung gebracht werden, daß fie noch vor dem vollen Inkrafttreten des KrankenversicherungsgefetzeS (1. Dezember 1884) in Wirksamkeit treten konnten.

Reichsgesetz vom 7. April 1876.

§ 1.

697

Das Reichsgesetz betreffend die Abänderungen deS Gesetzes über die ringe» schriebenen Hülfskaffen vom I.Juni 1884 (R.G.Bl. S. 54) hat demgemäß 1. die Vorschriften der §§9.11.14.21 («bs. 3) und §23 deS HülfskaffengesetzeS vollständig aufgehoben; 1. die Bestimmungen in §§ 1. 2 (Nr. 3. 5. 6), 4 (Abs. 3. 4), 6 (Abs. 1), 7.8. 10. 12. 13. 16. 20. 21. 22. 25. 26. 27. 28. 29. 33. 34 abgeändert bezw. durch neue Bestimmungen ersetzt; 3. in Zusatzbestimmungen die Verhältnisse der örtlichen Verwaltungs­ stellen (§ 3 Nr. 6a, § 19a, b, c, d), die Schließung der Kasse (§ 29 Nr. 5a) und die Gebühren- und Stempelfreiheit (§ 35a) geregelt. Durch Verordnung v. 14. Dezbr. 1892 (R.G.Bl. S. 1052)*flnd die Reichsgesetze über die eingeschriebenen Hülfskaffen auch in Helgoland eingeführt. Wenn eS fich um die Errichtung einer neuen, nach Maßgabe deS Gesetzes vom 7. April 1876 zu begründenden HülfSkafle handelt, so gelten folgende Grundsätze: DaS Gesetz schließt zwar die Aufnahme von Bestimmungen über die privatrechtlichen Verpflichtungen der Arbeiter und der Unternehmer gegenüber der Kaffe in das Kaffenstatut nicht auS und die bezüglichen Bestimmungen eines Statuts werden keinem Bedenken nnterliegen, wenn dieselben etwa dahin gehen, daß die Arbeiter einer Fabrik bei ihrem Eintritt durch Unterzeichnung deS Statuts die Verpflichtung über­ nehmen, der Kaffe beizutreten, oder wenn einer anderen Bestimmung etwa die Fassung gegeben würde, daß der zeittge Geschäftsinhaber fich verpflichte, die Hülste der von den Arbeitern entrichteten Betträge zu zahlen. Wenn aber daS Statut von vornherein allen Arbeitern der qu. Fabrik die Verpflichtung auferlegt, der Kaffe beizutreten, oder wenn die andere Bestimmung des Geschäftsinhabers schlechthin — also ohne Rücksicht auf einen etwaigen Personenwechsel — gedeutt, mithin eine Fassung vorliegt, welche die Annahme zuläßt, daß bei Abfassung deS Statuts von der Voraussetzung aus­ gegangen ist, es bestehe eine gesetzliche — öffentlich-rechtliche — Beitritts- und BeitragsPflicht der Arbeiter und des Unternehmers, oder es könne eine solche durch daS Kaffen­ statut begründet werden, so ist beides nicht zutreffend. Ist für eine Ortschaft ein Ortsstatut auf Grund des Gesetzes vom 8. April 1876 noch nicht ergangen, so kann ein etwa vorhandenes älteres Statut jedenfalls einer neuen Kaffe, die als eventuelle Zwangskaffe (Gew.O. § 141a) fungiern soll, nicht zu Grunde gelegt werden. Der Charakter als eventuelle Zwangskafle kann einer neu zu bildenden Kaffe auch nicht durch das Kassenstatut, sondern nur durch Ortsstatut gegeben werden. Ob ältere Statuten überhaupt noch zu Recht bestehen, ist nach den bestehenden DerwaltungSbestimmungen zu prüfen. Erk. d. O.D.G. v. 20. Mürz 1879. V. S. 300.

Zu 8 1. 1. Unter dem Ausdruck Kasse versteht man einerseits ein zu gemeinschaft­ lichen oder sonst bestimmten Zahlungszwecken errichtetes Institut als solches, die Ein­ richtung alS Ganzes, die Körperschaft und dergl.. andererseits daS zur lokalen 53ereinnahmung, Aufbewahrung und Verausgabung von Geldern u. s. w. bestimmte Organ, oder auch den Aufbewahrungsort. In dem ersteren Sinne finden die Bestimmungen über Schließung eingeschriebener Hülfskaffen «keine Anwendung in der Beschränkung auf örtliche Verwaltungsstellen. Erk. d. O.D.G. v. 12. Oktober 1885. XII. «it| noch verpflichtet war. Hat der Entschädigungs­ berechtigte erst nach Aüuflösung des Lehrverhältniffes von der Person des Arbeitgebers, welcher tben Lehrling verleitet oder in Arbeit genommen hat, Kenntniß erhalten^, so erlischt gegen diese der Entschädigungsan­ spruch erst, wenn derseselbe nicht innerhalb vier Wochen nach erhaltener Kenntniß geltend gemaacht ist. § 128. Wenn der Lehrherrr eine im Mißverhältnisse zu dem Umfang oder der Art seines Gewerboebetriebs stehende Zahl von Lehrlingen hält und dadurch die Ausbildungg der Lehrlinge gefährdet erscheint, so kann dem Lehrherrn von der unnteren Verwaltungsbehörde die Entlassung eines entsprechenden Theiles i der Lehrlinge auferlegt und die Annahme von Lehrlingen über einte bestimmte Zahl hinaus untersagt werden. Die Bestimmungen dess § 126a Absatz 3 finden hierbei entsprechende Anwendung. Unbeschadet der voorstehenden Bestimmung können durch Beschluß des Bundesraths für einzelne Gewerbszweige Vorschriften über die

Reichsgesetz vom 26. Juli 1897.

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§ 129.

höchste Zahl der Lehrlinge erlassen werden, welche in Betrieben dieser Gewerbszweige gehalten werden darf. Soweit solche Vorschriften nicht erlaffen find, können sie durch Anordnung der Landes-Zentralbehörde er­ laffen werden. B. Besondere Bestimmungen für Handwerker. §129.

In Handwerksbetrieben steht die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen nur denjenigen Personen zu, welche das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben und in dem Gewerbe oder in dem Zweige des Gewerbes, in welchem die Anleitung der Lehrlinge erfolgen soll, entweder die von der Handwerkskammer vorgeschriebene Lehrzeit, oder solange die Handwerkskammer eine Vorschrift über die Dauer der Lehrzeit nicht erlaffen hat, mindestens eine drei­ jährige Lehrzeit zurückgelegt und die Gesellenprüfung bestanden haben, oder fünf Jahre hindurch persönlich das Handwerk selbständig aus­ geübt haben oder als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung thätig gewesen find. Die höhere Verwaltungsbehörde kann Personen, welche diesen An­ forderungen nicht entsprechen, die Befugniß zur Anleitung von Lehr­ lingen verleihen. Gehört die Person einer Innung an oder besteht an ihrem Wohnorte für den Gewerbszweig, welchem sie angehört, eine In­ nung, so ist die letztere vor der Entscheidung von der höheren Verwal­ tungsbehörde zu hören. Die Unterweisung des Lehrlings in einzelnen technischen Hand­ griffen und Fertigkeiten durch einen Gesellen fällt nicht unter die int Absatz 1 vorgesehenen Bestimmungen. Die Zurücklegung der Lehrzeit kann auch in einem dem Gewerbe angehörenden Großbetriebe erfolgen und durch den Besuch einer Lehr­ werkstätte oder sonstigen gewerblichen Unterrichtsanstalt ersetzt werden. Die Landes-Zentralbehörden können den Prüfungszeugniffen von Lehr­ werkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder von Prüfungsbehörden, Zu B.

Die unter diesem Abschnitt zusammengefaßten Borschriften der §§ 129 bis 133 sollen nur für diejenigen Personen gelten, welche ein Gewerbe handwerksmäßig und selbständig betreiben oder zu den im § 100f Absatz 2 bezeichneten Handwerkern ge­ hören. Alle übrigen Handwerker fallen nicht unter diese Bestimmungen. (Motive.) Zu § 12».

Es versteht sich von selbst, daß für die Beurteilung der Frage, ob Jemand den Anforderungen des § 129 Absatz 1 genügt, diejenigen Vorschriften maßgebend sind, welche für ihn zur Zeit und am Orte der Lehre maßgebend waren. (Motive.)

Reichsgrsetz vom 26. Juli 1897. §§ 129 a, 129 b, 130, 130a.

810"

welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise der Be­ fähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt find, die Wirkung der Verleihung der im Absatz 1 bezeichneten Befugniß für be­ stimmte Gewerbszweige beilegen. Der Bundesrath ist befugt, für einzelne Gewerbe Ausnahmen von den Bestimmungen im Absatz 1 zuzulassen. § 129 a. Der Unternehmer eines Betriebs, in welchem mehrere Gewerbe vereinigt sind, ist befugt, in allen zu dem Betriebe vereinigten Ge­ werben Lehrlinge anzuleiten, wenn er für eines dieser Gewerbe den Vor­ aussetzungen des § 129 entspricht. Wer für einen gesondert betriebenen Zweig eines Gewerbes den Voraussetzungen des § 129 entspricht, ist berechtigt, auch in den übrigen Zweigen dieses Gewerbes Lehrlinge anzuleiten. Wer für ein Gewerbe den Voraussetzungen des § 129 entspricht, ist berechtigt, auch in den diesem verwandten Gewerben Lehrlinge anzu­ leiten. Welche Gewerbe als verwandte Gewerbe im Sinne dieser Be­ stimmung anzusehen find, bestimmt die Handwerkskammer. Das gemäß § 131c Absatz 2 dem Prüfungsausschuffe vorzulegende Lehrzeugniß darf nur für dasjenige Gewerbe ausgestellt werden, für welches der Lehrherr oder sein Vertreter (§ 127 Absatz 1) zur Anleitung von Lehrlingen befugt ist. § 129 b. Gehört der Lehrherr einer Innung an, so ist er verpflichtet, eine Abschrift des Lehrvertrages binnen vierzehn Tagen nach Abschluß desselben der Innung einzureichen; er kann hierzu durch die Ortspolizei­ behörde angehalten werden. Die Innungen können bestimmen, daß der Abschluß des Lehrver­ trages vor der Innung erfolgen soll. In diesem Falle ist dem Lehr­ herrn und dem Vater oder Vormunde des Lehrlings eine Abschrift des Lehrvertrags auszuhändigen. §130. Soweit durch den Bundesrath oder die Landes-Zentralbehörde auf Grund des § 128 Absatz 2 Vorschriften über die zulässige Zahl von Lehr­ lingen nicht erlaffen find, ist die Handwerkskammer und die Innung zum Erlasse solcher Vorschriften befugt. § 130a. Die Lehrzeit soll in der Regel drei Jahre dauern, sie darf den Zeitraum von vier Jahren nicht übersteigen. Von der Handwerkskammer kann mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde die Dauer der Lehrzeit für die einzelnen Gewerbe

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Reichsgeseh vom 26. Juli 1897. §§ 131, 131a.

oder Gewerbszweige nach Anhörung der betheiligten Innungen und der im § 103 a Absatz 3 Ziffer 2 bezeichneten Vereinigungen festgesetzt werden. Die Handwerkskammer ist befugt, Lehrlinge in Einzelfällen von der Jnnehaltung der festgesetzten Lehrzeit zu entbinden. § 131. Den Lehrlingen ist Gelegenheit zu geben, fich nach Ablauf der Lehr­ zeit der Gesellenprüfung (§ 129 Absatz 1) zu unterziehen. Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungsausschüsie. Bei jeder Zwangsinnung wird ein Prüfungsausschuß gebildet, bei anderen Innungen nur dann, wenn ihnen die Ermächtigung zur Abnahme der Prüfungen von der Handwerkskammer ertheilt ist. Soweit für die Ab­ nahme der Prüfungen für die einzelnen Gewerbe nicht durch Prüfungsausschüffe der Innungen und die im § 129 Absatz 4 bezeichneten Lehr­ werkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten und Prüfungsbehörden ge­ sorgt ist, hat die Handwerkskammer die erforderlichen Prüfungsausschüsse zu errichten. § 131a.

Die Prüfungsausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern. Der Vorsitzende des Prüfungsausschuffes wird von der Handwerks­ kammer bestellt. Von den Beisitzern wird bei dem Prüfungsausschuß einer Innung die Hälfte durch diese, die andere Hälfte aus der Zahl der Gesellen, welche eine Gesellenprüfung bestanden haben, durch den Gesellcnausschuß bestellt. Bei den von der Handwerkskammer errichteten Prüfungsausschüffen werden auch die Beisitzer von der Handwerkskammer bestellt: die Hälfte der Beisitzer muß aus Gesellen bestehen. Die Bestellung der Mitglieder der Prüfungsausschüsse erfolgt in der Regel auf drei Jahre. 3» 8131. Die Handwerkskammer wird nicht behindert sein. zu Vorsihenden der Prüfungs­ ausschüsse auch andere Personen als Handwerker, z. B. Lehrer an Fortbildungs- oder Fachschulen, zu ernennen. Die Mitglieder der Prüfungsausschüsse siud als Inhaber von Aemtern der Innungen und Handwerkskammern anzusehen. Es finden daher auf sie alle für diese Personen geltenden Gesehesvorschriften Anwendung. Wegen der den Mitgliedern der Prüfungsausschüsse für Zeitversaumniß zu ge­ währenden Entschädigung und der Vergütung ihrer baaren Auslagen ist in § 94 a Abs. 1 und § 103 e Abs. 2 das Erforderliche bestimmt. Eine Erweiterung des Prüfungsstoffes soll durch die Prüfungsordnung inso­ fern eintreten können, als die Abnahme der Prüfung in der Buch- und Rechnungsführung vorgeschrieben ist. Von dieser Befugniß wird die höhere Verwaltungsbe­ hörde nur dann Gebrauch machen können, wenn dem Prüfling in einer Fortbildungs­ oder Fachschule Gelegenheit zur Erlernung dieser Materie geboten war.

Reichsgeseh vom

Juli

26.

1897.

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§§ 131b, 131c.

Während der ersten sechs Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Be­ stimmungen können auch Gesellen (Gehülfen), welche die Gesellenprüfung nicht abgelegt haben, gewählt werden,

wenn sie eine Lehrzeit von min­

destens zwei Jahren zurückgelegt haben.

§ 131b. Die Prüfung hat den Nachweis zu erbringen, daß der Lehrling die in seinem Gewerbe gebräuchlichen Handgriffe und Fertigkeiten mit ge­ nügender Sicherheit ausübt fung, Aufbewahrung rialien,

und sowohl über den Werth,

die Beschaf­

und Behandlung der zu verarbeitenden Rohmate­

als auch über

die Kennzeichen

ihrer guten oder schlechten Be­

schaffenheit unterrichtet ist. Im Uebrigen werden

das Verfahren vor

dem Prüfungsausschuß,

der Gang der Prüfung und die Höhe der Prüfungsgebühren durch eine Prüfungsordnung geregelt,

welche von

der höheren Verwaltungsbe­

hörde im Einvernehmen mit der Handwerkskammer erlassen wird. ein Einvernehmen nicht zu Stande,

Kommt

so entscheidet die Landes-Zentral-

behörde. Durch die Prüfungsordnung kann bestimmt werden, fung auch

daß die Prü­

in der Buch- und Rechnungsführung zu erfolgen hat.

diesem Falle ist der Prüfungsausschuß befugt, verständigen zuzuziehen, recht theilnimmt.

welcher an

einen

der Prüfung

Bei Stimmengleichheit giebt

In

besonderen Sach­

mit vollem Stimm­

die Stimme

des Vor­

sitzenden den Ausschlag. Die Kosten der Prüfung werden, sofern diese von dem Prüfungs­ ausschuß einer Innung abgehalten wird, von letzterer, im Uebrigen von der Handwerkskammer

getragen.

Diesen

fließen

die

Prüfungsge­

bühren zu.

§ 131c. Die Innung

und der Lehrherr

sollen den Lehrling anhalten,

sich

nach Ablauf der Lehrzeit der Gesellenprüfung (§ 129 Absatz 1) zu unter­ ziehen. Das Gesuch um Zulassung Prüfungsausschuß

zu

richten.

zur Prüfung hat der Lehrling an den Dem

Gesuche

sind

das Lehrzeugniß

(§ 127 c) und, sofern der Prüfling während der Lehrzeit zum Besuch einer Fortbildungs- oder Fachschule verpflichtet war, die Zeugnisse über den Schulbesuch beizufügen. Der Prüfungsausschuß

hat

Lehrzeugniß oder Lehrbriefe zu

das Ergebniß beurkunden.

der Prüfung auf dem

Wird

die Prüfung nicht

Zu § 131c. Durch die Bestimmung des Prüfungsausschusses, dah die Prüfung vor Ablauf eines bestimmten Zeitraums nicht wiederholt werden darf. tritt eine Verlängerung

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Reichsgesetz vom 26. Juli 1897. §§ 132, 132 a, 133.

bestanden, so hat der Prüfungsausschuß den Zeitraum zu bestimmen, vor besten Ablaufe die Prüfung nicht wiederholt werden darf. Die Prüfungszeugniffe sind kosten- und stempelsrei. § 132. Der Vorsitzende ist berechtigt, Beschlüffe des Prüfungsausschustes mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. Ueber die Beanstandung entscheidet die Handwerkskammer (§ 103 e Ziffer 6). § 132 a. Die Landes-Zentralbehörden find befugt, die Bestellung der Prüfungsausschüffe, das Verfahren bei der Prüfung, die Gegenstände der Prüfung sowie die Prüfungsgebühren abweichend von den Vor­ schriften der §§ 131 bis 132 zu regeln, dabei darf jedoch hinsichtlich der bei der Prüfung zu stellenden Anforderungen nicht unter das im § 131b Absatz 1 bestimmte Maß herabgegangen werden. lila. Meistertitel.

§ 133. Den Meistertitel in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerkes dürfen nur Handwerker führen, wenn sie in ihrem Ge­ werbe die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen erworben (§ 129) und die Meisterprüfung bestanden haben. Zu letzterer sind sie in der Regel nur zuzulaffen, wenn sic mindestens drei Jahre als Geselle (Gehülfe) in ihrem Gewerbe thätig gewesen find. Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungskommissionen, welche aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern bestehen. der Lehrzeit an sich nicht ein, da die Dauer der Lehrzeit durch die Handwerkskammer festgesetzt wird. Sofern eine Verlängerung der Lehrzeit eintreten sollte, würde es eine natür­ liche Aufgabe der Innung und der sonstigen Vertretungen der Gewerbetreibenden sein, nöthigensalls für die Unterbringung des Lehrlings bei einem Lehrherrn Sorge zu tragen. Hierüber nähere Vorschriften zu treffen, wird Sache der Handwerks­ kammern sein. (Motive.)

3« 1132. Die Befugniß des Vorsitzenden zur Beanstandung erstreckt sich auf alle Beschlüff« des Prüfungsausschusses, sowohl über die Zulassung zur Prüfung, als auch über das Ergebniß der Prüfung. Der Ausschuß der Handwerkerkammer (§ 103c Absah 1 Nr. 6), dem die Beschlußfassung über die Beanstandung zustehen soll, wird nöthigensalls auch die Ertheilung des Prüfungszeugnisses von der Wiederholung der Prüfung abhängig machen können. (Motive.) Zu § 133. 1. Die Vorschriften über die Führung des Meistertitels sind so getroffen, daß dadurch nicht andere berechtigte Interessen beeinträchtigt werden, namentlich darf

Reichsgesetz vom 26. Juli 1897. § 133.

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Die Errichtung der Prüfungskommissionen erfolgt nach Anhörung der Handwerkskammer durch Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde, welche auch die Mitglieder ernennt; die Ernennung erfolgt auf drei Jahre. Die Prüfung hat den Nachweis der Befähigung zur selbständigen Ausführung und Kostenberechnung der gewöhnlichen Arbeiten des Ge­ werbes sowie der zu dem selbständigen Betriebe deffelben sonst noth­ wendigen Kenntnisse, insbesondere auch der Buch- und Rechnungsführung, zu erbringen. Das Verfahren vor der Prüfungskommission, der Gang der Prü­ fung und die Höhe der Prüfungsgebühren werden durch eine von der Handwerkskammer mit Genehmigüng der Landes-Zentralbehörde zu er­ lassende Prüfungsordnung geregelt. Die Kosten der Prüfungskommission fallen der Handwerks­ kammer zur Last, welcher die Prüfungsgebühren zufließen. Die Prüfungszeugnisse find kosten- und stempelfrei. Der Meisterprüfung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen können von der Landes-Zentralbehörde die von ihr angeordneten Prü­ flingen bei Anstalten und Einrichtungen der im § 129 Absatz 4 be­ zeichneten Art gleichgestellt werden, sofern bei denselben mindestens die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei den im Absatz 1 vorge­ sehenen Prüfungen. Artikel 3.

1. Der bisherige Abschnitt lila des Titels VII der GewerbeOrdnung erhält die Bezeichnung III b. 2. Der § 134 Absatz 1 der Gewerbe-Ordnung erhält folgende Faffnng: Auf Fabrikarbeiter finden die Bestimmungen der §§ 121 bis 125 oder, wenn die Fabrikarbeiter als Lehrlinge anzusehen find, die Bestimmungen der §§ 126 bis 128 Anwendung. der schon seit Jahrzehnten eingebürgerte Gebrauch, wonach auch diejenigen, welche den einzelnen Werkstätten oder Abtheilungen gewisser Großbetriebe vorstehen, als „Meister" bezeichnet werden, nicht ausgeschlossen werden. Deshalb wird die Be­ rechtigung, den Meistertitel zu führen, von der Ablegung der Meisterprüfung nur für Handwerker abhängig gemacht. Die Worte int ersten Absätze „wenn sie in ihrem Gewerbe die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen erworben" sind absichtlich so gefaßt, um klarzustellen, daß der Gewerbetreibende, der einmal diese Befugniß erworben hat, auch dann, wenn ihm diese auf Grund des § 126 b entzogen werden sollte, das einmal erworbene Recht zur Führung des Meistertitels nicht verlieren soll. Die unbefugte Führung des Meistertitels soll nach Artikel 4 Ziffer 1 straf, bar sein. Für die Uebergangszeit ist im Artikel 9 das Erforderliche vorgesehen. (Motive.)

3. Hinter § 144 der Gewerbe-Ordnung wird folgender § 144a ein­ geschoben: Personen, welche den Bestimmungen der §§ 126, 126a und 129 entgegen Lehrlinge halten, anleiten oder anleiten lassen, können von der Ortspolizeibehörde durch Zwangsstrafen zur Entlastung der Lehrlinge angehalten werden. In gleicher Weise kann die Entlastung derjenigen Lehrlinge, welche den auf Grund der §§ 81a Ziffer 3, 128 Absatz 2 und 130 erlassenen Vorschriften entgegen angenommen find, ver­ fügt werden. Artikel 4.

1. Im § 148 der Gewerbe-Ordnung werden folgende Ziffern 9 a, b und c eingeschoben: 9 a. wer den §§ 126 und 126 a zuwider Lehrlinge hält, anleitet oder anleiten läßt, 9 b. wer dem § 129 oder den auf Grund der §§128 und 130 er­ lassenen Vorschriften zuwider Lehrlinge hält, anleitet oder an­ leiten läßt, 9 c. wer unbefugt den Meistertitel führt. 2. Die Ziffer 10 des § 148 der Gewerbe-Ordnung erhält folgende Faffung: wer wissentlich der Bestimmung im § 127 c Absatz 2 zuwider einen Lehrling beschäftigt. 3. Absatz 1 Ziffer 8 und Absatz des § 149 der Gewerbe-Ordnung werden aufgehoben. 4. Im § 150 der Gewerbe-Ordnung wird folgende Ziffer 4a ein­ geschoben: der Lehrherr, welcher den Lehrvertrag nicht ordnungsmäßig ab­ schließt (§§ 103 o Absatz 1 Ziffer 1 und 126 b). 2. Durch die Fassung „gewöhnlichen Arbeiten" in Absah 3 soll auch bei der Meisterprüfung verhütet werden, daß man die Erlangung des Meistertitels nicht von der Herstellung kostspieliger Meisterstücke abhängig machen darf. Commissionsbericht S. 48.

3» Art. 4. Nach der Fassung der 9ir. 4 soll nur dann eine Bestrafung zulässig sein, wenn der Lehrherr beim Abschluß des Lehrvertrages gegen die Bestimmungen des § 126 b oder die von der Handwerkerkammer erlassenen Borschriften über Form, Inhalt und Abschluß des Lehrvertrages verstößt. Soweit solche Vorschriften von der Innung erlassen sind, bedarf es einer Strafbestimmung nicht, da die Innung auf Grund des § 92c berechtigt ist, die Beobachtung ihrer Vorschriften durch Ordnungsstrafe» zu sichern. (Motive.)

Reichsgesey vom 26. Juli 1897. § 133.

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Artikel 5.

Soweit in anderen Gesetzen auf Bestimmungen der bisherigen Titel VI und VII der Gewerbe-Ordnung Bezug genommen wird, treten die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes an deren Stelle. Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden im § 126b Absatz 2 Satz 1 des Artikels 2 die Worte „Vater oder Vor­ munde" durch die Worte „gesetzlichen Stellvertreter" ersetzt. Uebergangsbestimmungen. Artikel 6.

1. Auf bestehende Innungen finden die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung; fie haben innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten der in den §§ 81 bis 99 des Artikels 1 vorgesehenen Be­ stimmungen ihre Verfassung diesen Vorschriften entsprechend umzuge­ stalten. Wird die Umgestaltung nicht bewirkt, so hat die höhere Ver­ waltungsbehörde die erforderliche Abänderung anzuordnen und, falls dieser Anordnung nicht Folge gegeben wird, entweder die Aenderung mit rechtsverbindlicher Kraft zu verfügen oder die Innung zu schließen. 2. Die von der höheren Verwaltungsbehörde auf Grund der bis­ herigen §§ 100e und 100k der Gewerbe-Ordnung getroffenen Bestim­ mungen werden mit dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten der §§ 81 bis 99 des Artikels 1 aufgehoben. Wird innerhalb dieser Frist der Antrag aus Erlaß der im § 100 Absatz 1 des Artikels 1 bezeichneten Anordnung von einer Innung ge­ stellt, für welche Bestimmungen auf Grund der bisherigen §§ 100e oder 100k ergangen sind, so kann demselben stattgegeben werden, ohne daß die Voraussetzungen des § 100 Absatz 1 Ziffer 1 und 2 zutreffen. 3. Die Jnnungskrankenkassen haben ihre Statuten gemäß den Vorschriften des §-90 dieses Gesetzes zu ändern. Falls dies binnen einer von der Aufsichtsbehörde zu bestimmenden Frist nicht geschieht, so können sie, soweit nicht die Bestimmungen des § 1001 Anwendung finden, geschloffen werden. 4. Tritt an Stelle einer beim Inkrafttreten dieses Gesetzes einem Jnnungsausfchuß oder Jnnungsverband angehörigen Innung eine Zwangsinnung, so wird fie bis zur anderweiten Beschlußfassung der Jnnungsversammlung mit allen Rechten und Verbindlichkeiten Mitglied des JnnungsausschuffeS oder Znnungsverbandes. Zu Art. 6. Die unter Nr. 4 vorgesehene Vorschrift verfolgt den Zweck, eine Beeinflussung des Bestandes der JnnungsauSfchüsse und Jnnungsverbände durch die Errichtung einer Zwangsinnung an Stelle der freien Innung zu verhindern. (Motive.)

Artikel 7. Gewerbetreibende, welche bei Erlaß des Gesetzes Lehrlinge halten, find berechtigt, diese Lehrlinge auszulehren. Auf Personen, welche beim Inkrafttreten dieser Bestimmungen das fiebzehnte Lebensjahr vollendet haben, findet § 129 Absatz 1 des Arti­ kels 2 mit der Maßgabe Anwendung, daß denselben die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen auch dann zusteht, wenn sie nur eine zwei­ jährige Lehrzeit zurückgelegt haben. Die untere Verwaltungsbehörde ist befugt, Personen, welche den Voraussetzungen des Absatz 2 nicht entsprechen, die Befugniß zur An­ leitung von Lehrlingen zu verleihen. Die Landes-Zentralbehörde kann für einzelne Gewerbe oder Zweige eines Gewerbes bestimmen, daß den im Absatz 2 bezeichneten Personen die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen auch dann zusteht, wenn sie eine kürzere als zweijährige Lehrzeit zurückgelegt haben. Artikel 8. Wer beim Inkrafttreten dieser Bestimmungen persönlich ein Hand­ werk selbständig ausübt, ist befugt, den Meistertitel (Artikel 2 § 133) zu führen, wenn er in diesem Gewerbe die Befugniß zur Anleitung von Lehrlingen besitzt. Artikel S. Dieses Gesetz tritt, soweit es sich um die zu seiner Durch­ führung erforderlichen Maßnahmen handelt, sofort in Kraft. Der Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz im Uebrigen ganz oder theilweise in Kraft tritt, wird durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths bestimmt.

Anweisung deS Haudelsministers zm Ausführung des Gesetzes, be­ treffend die Abändenmg der Gewerbe-Ordnung, vom 26. Juli 1897. Vom 1. März 1898. M.Bl. 6. 45. Zur Ausführung des Gesetzes vom 26. Juli 1897, betreffend die Abänderung der Gewerbe-Ordnung, wird Folgendes bestimmt: Abschnitt I.

Behörden.

(Bekanntmachung vom 15. August 1897.) 1. Unter der Bezeichnung „weiterer Kommunalverband" sind zu ver­ stehen: die Provinzialverbände, die kommunalständischen Verbände der Regierungs­ bezirke Cassel und Wiesbaden, die Kreisverbände, der Landeskommunalverband und

Anweisung deS Handelsministers vom 1. März 1898.

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die Oberamtsbezirke in Hohenzollern, die Landbürgermeistereien der Rheinprovinz und die Aemter in Westfalen. 2. Unter der Bezeichnung „höhere Verwaltungsbehörde" sind zu ver­ stehen : a) die Bezirksausschüsse: 1. in den Fällen der Genehmigung der Statuten (§ 124 des Zuständig keitsgesetzes) und Nebenstatuten der Innungen, 2. in den im § 97 bezeichneten Fällen der Schließung einer Innung (§ 126 des Zuständigkeitsgesetzes) und in den Fällen der Schließung eines Jnnungsausschusses, 3. in den Fällen der Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gemeinden und Innungen in Folge der Auflösung oder Schließung (§ 125 Abs. 1 des Zuständigkeitsgesetzes). Im Stadtkreise Berlin tritt in den unter a bezeichneten Fällen der Polizei-Präsident an die Stelle des Bezirksausschusses (vgl. § 161 des Zuständigkeitsgesetzes). b) die Regierungspräsidenten in allen übrigen Fällen, sofern nicht für Handwerkskammern abweichende Bestimmungen getroffen werden (§§ 103 ff., 100t Abs. 4, 130a Abs. 2, 131 b Abs. 2 und 133). Im Stadtkreise Berlin tritt in den Fällen der §§ 101 Abs. 2, 104c Abs. 1 und 2, 104d Abs. 2, 104h Abs. 2, 104k, 126a Abs. 4, 129 Abs. 2 und des Artikels 6 Ziff. 1 der Polizei-Präsident und in den übrigen Fällen der Oberpräsident an die Stelle des Regierungspräsidenten. 3. Unter der Bezeichnung „untere Verwaltungsbehörde sind zu verstehen: in Städten über 10000 Einwohnern — in der Provinz Hannover in Städten, auf welche die revidirte Hannoversche Städteordnung vom 24. Juni 1858 Anwendung findet, mit Ausnahme der im § 27 Abs. 2 der Hanno­ verschen Kreisordnung benannten Städte — dieGemeindebehörde, im Uebrigen der Landrath, in den Hohenzollernschen Landen der Oberamtmann. 4. Unter der Bezeichnung „Gemeindebehörde" ist zu verstehen der Vor­ stand der Gemeinde, in Gutsbezirken der Gutsvorsteher. Abschnitt IL

Innungen.

A. Freie Innungen. 5. Diejenigen Gewerbetreibenden, welche zu einer freien Innung zusammen­ treten wollen, haben den von ihnen vollzogenen Entwurf des Statuts in zwei Exemplaren der unteren Verwaltungsbehörde (Ziff. 3) einzureichen, in deren Bezirk die Innung ihren Sitz haben soll und dabei Bevollmächtigte zu bezeichnen, welche bis zur Konstituirung (Ziff. 8) der Innung zu ihrer Vertretung befugt sein sollen. Die untere Verwaltungsbehörde (Ziff. 3) hat diese Vorlagen dem Bezirksausschuß (in Berlin, dem Polizei-Präsidenten) zu übersenden und dabei anzuzeigen, a) ob in dem Jnnungsbezirk für diejenigen Gewerbe, welche die Innung um­ fassen soll, bereits eine freie oder Zwangsinnung besteht und b) wenn eine solche freie Innung besteht, ob für den Fall der Errichtung der neuen Innung beiden Innungen die Erfüllung der ihnen obliegenden Auf­ gaben möglich sein würde. 6. Soll der Bezirk der Innung über den Regierungsbezirk, den Bezirk deS Stadtkreises Berlin oder über die Grenzen des Staatsgebietes hinausgehen, so hat der Bezirksausschuß (in Berlin, der Polizei-Präsident) zunächst beim Minister für

81060

Anweisung des Handelsministers vom 1. März 1898.

Handel und Gewerbe die Ertheilung der Genehmigung (§ 82 Abs. 1 und 2) zu er­ wirken. 7. Ergeben sich gegen die Genehmigung des Statuts Bedenken, welche sich durch Verhandlungen mit den Antragstellern nicht beseitigen lassen, so erlagt der Be­ zirksausschuß (in Berlin, der Polizei-Präsident) einen schriftlichen Bescheid, in welchem die Gründe für die Versagung der Genehmigung anzugeben sind. Zugleich hat der Bezirksausschuß den Antragstellern zu eröffnen, daß sie befugt sind, binnen zwei Wochen bei dem Bezirksausschuß entweder auf Beschlußfaffung durch das Kollegium oder auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren anzutragen. Ter Polizei-Präsident in Berlin hat darauf hinzuweisen, daß gegen seinen ablehnenden Bescheid binnen zwei Wochen die Klage beim Bezirksausschuß in Berlin zulässig ist. Ein Exemplar des genehmigten Statuts ist durch Vermittelung der unteren Verwaltungsbehörde (Ziff. 3) den Bevollmächtigten (Ziff. 5) auszuhändigen. 8. Nach Eingang des genehmigten Statuts hat die untere Verwaltungsbe­ hörde (Ziff. 3) die Unterzeichner des Statuts zu einer Versammlung zu berufen, in welcher die Innung konstituirt wird imb die Vertreter, sofern die Jnnungsversammlung aus solchen bestehen soll (§ 92 Abs. 3), der Jnnungsvorstand und thunlichst auch die Inhaber der übrigen Jnnungsämter gewählt werden. 9. Die Aufsichtsbehörde hat über die Zusammensetzung des Vorstandes nach Maßgabe der eingehenden Anzeigen ein Derzeichniß zu sühren, in welches Jedem Einsicht zu gewähren ist. Auf Grund desselben sind die im § 92 b Abs. 2 erwähnten Bescheinigungen auszustellen. 10. Die Aufsichtsbehörde hat den Jnnungsvorstand anzuweisen. Zeit und Ort jeder von der Innung zu veranstaltenden Prüfung rechtzeitig anzuzeigen und von ihrem Recht, zu den Prüfungen einen Vertreter zu entsenden, in der Regel Gebrauch zu' machen. 11. Die Aufsichtsbehörde führt ein fortlaufendes Verzeichnis; über die im Eigen­ thum der Innung stehenden Grundstücke und deren dingliche Belastung, sowie über die der Innung gehörenden Gegenstände, welche einen geschichtlichen, wissenschaft­ lichen und Kuustwerth haben. 12. Beschwerden über die Rechtsgültigkeit der Wahlen werden durch die Auf­ sichtsbehörde endgültig entschieden. 13. Beschließt die Innung ihre Auflösung, so hat die Aufsichtsbehörde zu prüfen, ob die Voraussetzungen zutreffen und die Form beobachtet ist. welche das Gesetz (§ 90 Abs. 0) und das Statut für diesen Fall vorgesehen haben. 14. In den Fällen des § 97 Absah 1 Ziffer 1 und 2 hat die Aufsichtsbehörde die Innung aufzufordern, binnen einer angemessenen Frist die erforderliche Aende­ rung des Statuts zu bewirken oder ihrer Verpflichtung zur Erfüllung der gesetzlichen Ausgaben nachzukommen. Entspricht die Innung der Aufforderung nicht, so ist dem Jnnungsvorstand eine neue Frist zu sehen und ihm gleichzeitig zu Protokoll zu er­ öffnen, daß bei abermaliger Versäumung dieser Frist die Schließung der Innung werde in Erwägung gezogen werden. Ist dies ohne Erfolg, so hat die Aufsichts­ behörde die Klage auf Schließung der Innung beim Bezirksausschuß zu erheben. In den Fällen des § 97 Absah 1 Ziffer 3 und 4 ist die Klage ohne Weiteres zu erheben. 15. Wird die Auflösung der Innung beschlossen, so liegt die Abwickelung der Geschäfte zunächst dem Vorstand oder den durch Jnnungsbeschluß besonders beauf­ tragten Personen ob. Die Aufsichtsbehörde übt hierbei dieselben Befugnisse auö, welche ihr bei der lausenden Verwaltung von Angelegenheiten der Innungen zu­ stehen. Wenn jedoch der Vorstand oder die Beauftragten der Innung ihrer Ver-

1. März 1898.

Anweisung des Handelsministers vom pflichtung nicht genügen, schlüffe

nicht beachten

insbesondere die Gesetze,

und

81061

das Statut oder die Jnnungsbe-

wiederholte Aufforderungen

zur

ordnungsmäßigen Ab­

wickelung der Geschäfte unbefolgt lassen, so übernimmt die Aufsichtsbehörde oder ihr Beauftragter die Erledigung der Geschäfte. Im Fall der Schließung

der Innung

erfolgt

die Abwickelung

der Geschäfte

durch die Aufsichtsbehörde oder durch ihre Beauftragte. Bei der Auflösung oder Schließung kann der Oberpräsident)

den

von

der Innung

der Regierungspräsident

errichteten,

sicherungsgesehes fallenden Unterstühungskassen Korporationsrechte das Vermögen ausgelöster

(in Berlin,

nicht unter § 73 Krankenverertheilen.

oder geschloffener Innungs-Krankenkassen

Ueber

(§ 73 Kranken-

versicherungsgesehes) ist nach Maßgabe des § 47 Absatz 3 bis 6 des Kranken versicherungsgesehes zu verfügen. 16.

Die Nebenstatuten sind ausschließlich zur Ordnung derjenigen Einrich-

tungen bestimmt, durch

das

welche

Hauptstatut

zur Erfüllung unter

der

die Zwecke

im § 81 b Ziffer 3 bis 5 der

Innung

aufgeführten,

aufgenommenen Aufgaben

dienen sollen. 17.

Der Entwurf

der Nebenstatuten

einer Ausfertigung des Beschlusses einzureichen.

ist in zwei Exemplaren

der Jnnungsversammlung

unter Anschluß

der

Aufsichtsbehörde

Diese hat daraus zu achten, daß die etwa erforderliche Zuziehung des

Gesellenausschuffes erfolgt, und die Vorgänge nach Anhörung des Gemeindevorstandes (h 83 Abs. 1) mit einer gutachtlichen Aeußerung dem Bezirksausschuß (in Berlin, betn Polizeipräsidenten) zu überweisen. tltng überhaupt

oder in der

Darüber,

ob die beabsichtigte Nebeneinrich-

beantragten Form zuzulassen ist,

ist

nach freiem Er­

messen ztt befinden, wobei insbesondere zu prüfen ist, ob durch die beabsichtigte Ein­ richtung der Bestand ähnlicher an denselben Orten bereits bestehender Organisationen gefährdet wird.

Daß

gaben der Innung

das Statut der Innung diese Einrichtungen

aufgenommen hat

und

mit

unter

dieser Bestimmung

giebt der Innung keinen Anspruch auf Genehmigung des Nebenstatuts. statuten müssen Bestimmungen über die Voraussetzungen

und

die Auf­

genehmigt

ist,

Die Neben-

die Form ihrer Auf­

hebung treffen. 18.

Wird die Genehmigung ertheilt,

so

ist

ein

Exemplar

des

genehmigten

Nebenstatuts dem Jnnungsvorstand durch Vermittelung der Aufsichtsbehörde händigen.

auszn-

Für ben Fall der Versagung der Genehmigung ist dem Jnnungsvorstand

ein mit Gründen versehener Bescheid zuzustellen,

in welchem darauf hinzuweisen ist,

daß binnen vier Wochen die Beschwerde an den Minister

für Handel und Gewerbe

eingelegt werden kann. B. 19.

Zwangsinnungen.

Zwangsinnungen können nur für Gewerbetreibende, welche das gleiche

Handwerk oder verwandte Handwerke betreiben, gebildet werden. Der Antrag auf Errichtung einer Zwangsinnung ist bei der unteren Verwaltungsbehörde (Ziffer 3), in deren Bezirk die Zwangsinnung ihren Sitz haben soll, anzubringen und muß enthalten: die Angabe a) des Handwerks

oder der Handwerker,

für welche die Zwangsinnung er­

richtet werden soll, b) des Bezirks der Zwangsinnung, c) der ungefähren Zahl der betheiligten Handwerker. d) der zur Führung der weiteren Verhandlungen Bevollmächtigten. Der Antrag ist von

allen Antragstellern zu unterschreiben.

von einer freien Innung gestellt, nungsversammlung beizufügen.

so ist

eine Ausfertigung

Wird

der Antrag

des Beschlusses der Jn­

810"

Anweisung deS Handelsministers vom l.März 1898.

Die untere Verwaltungsbehörde hat den Antrag mittelst gutachtlicher Aeußerung dem Regierungspräsidenten (in Berlin, dem Oberpräsidenten) einzureichen. Die Aeußerung hat sich insbesondere darauf zu erstrecken: a) ob im Bezirk der beabsichtigten Awangsinnung freie Innungen für die gleichen Gewerbe bestehen; b) ob der Bezirk der Zwangsinnung so abgegrenzt ist. daß kein Mitglied durch die Entfernung seines Wohnorts vom Sitze der Innung behindert wird, am Jnnungsleben Theil zu nehmen und die Jnnungseinrichtungen zu benutzen; c) ob die Zahl der im Bezirke vorhandenen Handwerker, die im Falle der Errichtung der beantragten Zwangsinnung dieser angehören würden, zur Bildung einer leistungsfähigen Innung ausreicht; d) in welchem Verhältniß die Zahl der Antragsteller zu der Zahl der be­ theiligten Handwerker im Bezirk der Zwangsinnung überhaupt steht und e) ob andere Einrichtungen (Vereinigungen, Gewerbevereine u. s. w.) bestehen, durch welche für die Wahrnehmung der gemeinsamen gewerblichen Inter­ essen der betheiligten Handwerker ausreichende Fürsorge getroffen ist. 20. Ergiebt sich, daß eine der im § 100 Absatz 4 bezeichneten Voraussetzungen vorliegt, so ist der Antrag ohne Herbeiführung einer Abstimmung abzulehnen. Das Gleiche gilt, wenn der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) die Ueber« zeugung gewinnt, daß der Bezirk den Anforderungen deö § 100 Absatz 1 Ziffer 2 nicht entspricht, oder die Zahl der Handwerker zur Bildung einer leistungsfähigen Innung nicht ausreicht (§ 100 Absah 1 Ziffer 3) oder wenn die Voraussetzungen der Ziffer 19 Absatz 1 nicht zutreffen. 21. Liegen mehrere Anträge vor. welche hinsichtlich des Bezirks der Zwangs­ innung oder hinsichtlich der einzubeziehenden Handwerke oder Handwerker mit ein­ ander in Widerspruch stehen und zu Bedenken der in Ziffer 20 bezeichneten Art keinen Anlaß geben, so ist zunächst der Versuch zu machen, im Wege mündlicher Besprechung eine Verständigung der Antragsteller über einen Antrag herbeizuführen. Kommt eine solche Einigung nicht zu Stande, so sind die Anträge nach einander zur Abstimmung zu bringen. Findet ein Antrag die Mehrheit, so werden alle übrigen Anträge gegen­ standslos, wovon den Unterzeichnern Mittheilung zu machen ist. 22. Zur Ermittelung der Mehrheit der betheiligten Handwerker (§ 100 Absatz 1 Ziffer 1) hat der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) einen Kommissar zu bestellen und dies im Regierungsamtsblatt bekannt zu machen. Der Kommiffar erläßt eine Bekanntmachung über Art und Zeit der Abstim­ mung nach Maßgabe des bestimmten Formulars, welche von den Gemeiudevorständen deS Bezirks der Zwangsinnung in ortsüblicher Weise zur Kenntniß der Be­ theiligten zu bringen ist. Die Erklärungen hat der Kommiffar in die Liste einzu­ tragen. Nach Ablauf der Frist für die Abstimmung hat der Kommissar die Liste zu schließen und während zwei Wochen zur Einsicht und Erhebung etwaiger Einsprüche der Betheiligten öffentlich auszulegen. Zeit und Ort der Auslegung sind mit dem Hinweise darauf öffentlich bekannt zu machen, daß nach Ablauf der Frist angebrachte Einsprüche unberücksichtigt bleiben. Demnächst hat der Kommissar die Listen dem Regierungspräsidenten (in Berlin, dem Oberpräsideuten) einzureichen, welcher über die Einsprüche entscheidet. 23. Ergiebt die Abstimmung, daß die Mehrheit sich gegen die Einführung des Beitrittözwanges erklärt hat, so hat der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) den Antragstellern unter Mittheilung des Ergebnisses der Abstimmung einen ablehnenden Bescheid zuzustellen.

Anweisung des Handelsministers vom 1. März 1898.

81063

Hat sich jedoch die Mehrheit dafür ausgesprochen, so hat der Regierungsprä­ sident (in Berlin, der Oberpräsident) die Anordnung über die Errichtung der Zwangs­ innung zu erlassen. Die Bekanntmachung ist im Regierungsamisblatte zu ver­ öffentlichen. 24. Ist die Anordnung über die Errichtung der Zwangsinnung rechtskräftig geworden, so hat die in Ziffer 3 bezeichnete untere Verwaltungsbehörde die Antrag­ steller zur Einreichung eines Entwurfs des Jnn ungsstatuts aufzufordern. Kommen sie dieser Aufforderung innerhalb der gestellten Frist nicht nach. so hat die untere Verwaltungsbehörde ein Znnungsstatut zu entwerfen und die in die Zwangsinnung einzubeziehenden Handwerker oder die von diesen zu wählenden Vertreter durch orts­ übliche Bekanntmachung zu einer Beschlußfaffung über den Entwurf zusammenzube­ rufen. Das beschloffene Statut ist in zwei Exemplaren dem Bezirksausschuß (in Berlin, dem Polizeipräsidenten) mit dem Antrage auf Genehmigung einzureichen. Ergiebt sich bei der Prüfung die Unzweckmäßigkeit einzelner Bestimmungen, so ist auf ihre Abänderung hinzuwirken. Wird die Genehmigung endgültig versagt, so ist eine erneute Beschlußfaffung herbeizuführen und das Ergebniß der Beschlußfaffung der Genehmigungsbehörde wiederum vorzulegen. Sofern die Genehmigung abermals endgültig versagt wird, so hat der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) das Statut mit rechts­ verbindlicher Kraft zu erlassen. Der Vorstand bet Zwangsinnung ist anzuweisen, jedem Mitgliede einen Ab­ druck des Statuts auszuhändigen. 25. Mit dem Zeitpunkte des Inkrafttretens der Anordnung über die Errich­ tung der Zwangsinnung sind die für die gleichen Gewerbszweige bestehenden freien Innungen, deren Sitz sich im Bezirk der Zwangsinnung befindet, durch den Re­ gierungspräsidenten (in Berlin, den Oberpräsidenten) zu schließen. Die Aufsichtsbehörde der freien Innung überwacht die Abwickelung der Geschäfte und den Ueber« gang des Vennögens der freien Innung auf die Zwangsinnung. Der Bestand des Vermögens der freien Innung ist durch den Regierungspräsidenten (in Berlin, den Oberpräsidenten) in urkundlicher Form festzustellen. 26. Bestehen bei der freien Innung Unterstützungskassen, auf welche die Vorschriften des § 73 Krankenversicherungsgesetzes keine Anwendung finden, so hat die Aufsichtsbehörde alsbald nach Veröffentlichung der Anordnung zur Beschluß­ fassung wegen Uebernahme der Kaffe auf die Zwangsinnung, unter Aushebung des Beitrittszwanges, eine Versammlung der in die Zwangsinnung einzubeziehenden Handwerker oder der von ihnen zu wählenden Vertreter einzuberufen. Wird die Uebernahme der Kasse beschloffen und von der bisherigen Vertretung der Kaffe hierzn die Zustimmung ertheilt, so hat die Aufsichtsbehörde gleich nach Errichtung der Zwangsinnung die Aenderung des Nebenstatuts herbeizuführen. Lehnt die Versammlung die Uebernahme der Kaffe auf die Zwangsinnung ab oder verweigert die bisherige Vertretung die Zustimmung, so hat die Aufsichtsbe­ hörde die Entschließung des Regierungspräsidenten (in Berlin, des Oberpräsidenten) über die Verleihung der Korporationsrechte an die Kasse einzuholen. Wird die Ver­ leihung abgelehnt, so haben die Aufsichtsbehörde oder ihre Beauftragte das Ver­ mögen der Kasse zur Berichtigung der vorhandenen Schulden und zur Erfüllung der sonstigen Verbindlichkeiten der Kasse zu verwenden. Der Rest ist nach Maßgabe des Nebenstatuts zu behandeln, doch kann, sofern nicht das Nebenstatut eine entgegen­ stehende Bestimmung enthält, die Vertretung der Kaffe beschließen, daß jedem Mit» gliede seine Beiträge zurückgezahlt werden sollen. Der hiemach verbleibende Rest

81064

Anweisung deS iHandelsmmisters vom 1. März 1898.

ist der Gemeinde, in welcher die freie Innung ihren Sitz hatte, zur Benutzung für gewerbliche Zwecke zu überweisen. 27. Besteht bei der freien Innung eine Innungs-Krankenkasse (§ 73 Krankenversicherungsgesehes), so hat die Aufsichtsbehörde in den Fallen, in denen nach § 1001 Absatz 2 die Schließung der Kaste erfolgen kann, die Entschließung des Regierungspräsidenten (in Berlin, des Oberpräsidenten) wegen Schließung der Kasse herbeizuführen. Erfolgt die Schließung, so ist nach § 47 Absah 3 bis 6 Kranken­ versicherungsgesetzes zu verfahren, andernfalls geht die Kaste mit ihren Rechten und Verbindlichkeiten auf die Zwangsinnung über. Ihre Verwaltung erfolgt, solange nicht der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) die Abänderungen des Nebenstatuts vollzogen hat, durch die bisherigen Kastenorgane. Verweigern diese die Dienstleistung, so hat die Aufsichtsbehörde die Verwaltung zu übernehmen (§ 45 Absatz 5 Krankenversicherungsgesetzes). 28. Bestehen bei der freien Innung gemeinsame Geschäftsbetriebe, so hat die Aufsichtsbehörde die freie Innung alsbald nach Veröffentlichung der Anord­ nung über die Errichtung der Zwangsinnung darauf hinzuweisen, daß die Um­ wandlung in eine Erwerbs- und Wirthschaftsgenoflenschast binnen sechs Monaten erfolgt sein muffe, widrigenfalls der Geschäftsbetrieb geschlossen und das Vermögen nach Vorschrift des Statuts verwendet werde. Nach der Umwandlung ist der aus­ gesonderte Theil des Vermögens durch die Aufsichtsbehörde der Genossenschaft zu überweisen. Wird die Umwandlung abgelehnt, so ist mit dem ausgesonderten Ver­ mögen nach Maßgabe der statutarischen ^Bestimmungen zu verfahren. 29. Ist die Aufsichtsbehörde der Ansicht, daß an der Erhaltung des gemein­ samen Geschäftsbetriebes ein über den Kreis der Theilnehmer hinausgehendes öffentliches Jntereste besteht, so hat sie alsbald nach Veröffentlichung der Anordnung über die Errichtung der Zwangsinnung einen Beschluß der in diese einzubeziehende,! Handwerker oder ihrer Vertreter wegen Fortführung der Geschäftsbetriebe durch die Zwangsinnung herbeizuführen und den die Uebernahme aussprechenden Beschluß dem Regierungspräsidenten (in Berlin, dem Oberpräsidenten) zur Genehmigung vorzu­ legen. Nach Errichtung der Zwangsinnung ist ein förmlicher Beschluß der Znnungsversammlung wegen Uebernahme des Geschäftsbetriebes und dessen Genehmigung durch den Regierungspräsidenten (in Berlin, den Oberpräsidenten) herbeizuführen. Kommt ein solcher Beschluß nicht zu Stande oder wird die Genehmigung ver sagt, so ist nach Maßgabe der Ziffer 26 Absatz 2 Sah 3 und 4 zu verfahren. 30. Bleibt eine freie Innung unter Ausscheidung des in eine Zwangs­ innung einbezogenen Theiles ihrer Mitglieder bestehen, so hat die Aufsichtsbehörde zunächst durch Verhandlung mit den Vorständen den Versuch einer Einigung über die Art der Vertheilung des Vermögens zu machen und demnächst eine Beschlußfastung der Innungen zu veranlasten. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so hat der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) über die Vertheilung unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Zahl der ausgeschiedenen Mitglieder zu der Zahl der in der freien Innung verbleibenden Mitglieder Bestimmung zu treffen (§ 100k Absatz 2). Besteht bei der freien Innung eine Innungs-Krankenkasse, so ist über die Vertheilung ihres Vermögens auf eine Verständigung zwischen der Innung und den Orts-Krankenkasten (Gemeinde-Krankenversicherung) hinzuwirken. Ist eine solche nicht zu erzielen, so hat der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) über die Vertheilung des Vermögens nach Maßgabe des § 100 m zu bestimmen. Von einer Bertheilung des Vermögens wird abzusehen sein, wenn auS der Kaffe nur einzelne

Anweisung des Handelsministers vom 1. März 1898.

81065

Mitglieder ausscheiden, oder die bei den Ausscheidenden beschäftigten Personen sich auf eine größere Zahl von Kasseneinrichtungen derart vertheilen, daß die auf die einzelnen Einrichtungen entfallenden Antheile der mit der Ueberweisung verbundenen Mühewaltung nicht entsprechen würden. 31. Wird von der Jnnungsversammlung der Zwangsinnung die Ausdeh­ nung auf einen größeren Bezirk oder auf andere als die bereits einbezogenen, ver­ wandten Gewerbszweige oder auf die Handwerker, die der Regel nach weder Ge­ sellen noch Lehrlinge halten, beantragt, so finden, sofern nicht der Antrag aus den in Ziffer 20 bezeichneten Gründen abzulehnen ist, bei Ermittelung darüber, ob die Mehrheit der in die Zwangsinnung einzubeziehenden Gewerbetreibenden der Einbe­ ziehung zustimmt, die Vorschriften der Ziffern 22 und 23 entsprechende Anwendung. Der Zeitpunkt, mit welchein die Aenderung des Bestandes der Zwangsinnung er­ folgt, ist so zu bestimmen, daß vorher die erforderliche Aenderung des Statuts her­ beigeführt und die durch die etwaige Schließung einer freien Innung erforderlichen Maßnahmen zum Abschluß gebracht werden können. Ueber die Abänderung des Statuts beschließt die Jnnungsversammlung der Zwangsinnung; wird die Geneh­ migung der Abänderungen wiederholt versagt, so hat der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) die Abänderung mit rechtsverbindlicher Kraft zu verfügen. 32. Soll ein Theil der Mitglieder einer Zwangsinnung in eine neue oder in ihrem Bestände erweiterte Zwangsinnung (§ 100u Absatz 2) übertreten, so hat der Regierungspräsident (in Berlin, der Oberpräsident) zu dem Zeitpunkt, mit welchem die ZwangSinnung errichtet wird, oder die Erweiterung des Bestandes der anderen Zwangsinnung Platz greift, die Ausscheidung anzuordnen. Wird von der Zwangsinnung die Ausscheidung eines Theils ihres Bezirks oder eines ihr angehürigen Gewerbszweiges beantragt (§ 100 u Absatz 2), so ist dem Antrage eine Ausfertigung des Beschlusses der Jnnungsversammlung beizufügen, aus welcher die Abstimmung der aus der Zwangsinnung auszuscheidenden Mitglieder zu ersehen ist. Ueber Anträge der Mehrheit der auszuscheidenden Mitglieder hat die Aufsichtsbehörde zunächst die Jnnungsversammlung zu hören. 33. Hat die Einbeziehung neuer Mitglieder in die ZwangSinnung (§ 100 u Absah 1) das Ausscheiden von Handwerkern aus einer freien Innung zur Folge, so ist nach Ziffer 30 zu verfahren. Dasselbe gilt, wenn diejenigen, welche in Folge der Veränderung deS Bezirks der Zwangsinnung oder des Ausscheidens von Gewerbszweigen ausscheiden. Mitglieder einer Zwangsinnung werden. 34. Auf die Beaufsichtigung der Zwangsinnungen finden die Bestimmungen in Ziffer 9 bis 12 mit den aus den §§ 100o und 100s Absah 5 und 6 sich ergebenden Abänderungen entsprechende Anwendung. Für die Nebenstatuten gelten die Bestimnumgen unter Ziffer 16 bis 18 mit der Maßgabe, daß gemeinsame Geschäftsbetriebe nicht errichtet werden dürfen. 35. Zu Jnnnngsversammlungen, in welchen über Anträge auf Zurücknahme der Anordnung wegen Errichtung der Zwangsinnung (§ 100t) oder auf Aenderung des Bestandes (§ 100 u) beschlossen werden soll, hat die Aufsichtsbehörde einen Ver­ treter zu entsenden. Dabei ist 311 beachten, daß an der Abstimmung über Anträge auf Zurücknahme der Anordnung wegen Errichtung der Zwangsinnung nur die bei­ trittspflichtigen Mitglieder Theil nehmen dürfen. Erfolgt die Schließung der Zwangsinnung aus den im § 97 Absah 1 Ziffer 2 bis 4 angeführeen Gründen, so hat nach Rechtskraft der Entscheidung der RegierungsPräsident (in Berlin, der Oberpräsident) bekannt zu machen, daß die Anordnung über die Errichtung der Zwangsinnung außer Kraft getreten ist. Auf die Abwickelung

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Anweisung des Handelsministers vom 1. März 1898.

der Geschäfte und die Verwendung des Vermögens finden die Bestimmungen der Ziffer 15 Absatz 2 und 3 mit den aus § 100 t Absatz 4 sich ergebenden Aenderungen Anwendung. C. 36.

Jnnungsausschüsse.

Der Entwurf des Statuts des Jnnungsausschusses ist in zwei Exem­

plaren unter Anschluß von Ausfertigungen der Beschlüsse derjenigen Innungen, welche ben Jnnungsausschuß errichten wollen, durch Vermittelung der Aufsichtsbehörde dem Regierungspräsidenten (in Berlin, dem Polizeipräsidenten) einzureichen. Das Statut muß Bestimmung treffen über: 1. Namen, Zweck und Sitz des Jnnungsausschusses, 2.

die Bedingungen der Aufnahme und des Ausscheidens,

3. Bildung und Befugnisse des Vorstandes und der Versammlung des Jn­ nungsausschusses, 4. die Beiträge, 5. die Voraussetzungen und die Formen der Abänderung des Statuts und der Auflösung des Jnnungsausschusses. Das Statut darf keine Bestimmungen enthalten, welche mit den gesetzlichen Zwecken des Jnnungsausschusses nicht in Verbindung stehen, oder gesetzlichen Vor­ schriften zuwiderlaufen. D. 37.

Jnnungsverbände.

Wird die Errichtung eines Jnnungsverbandes beschlossen, so ist das für

denselben entworfene Statut in zwei Exemplaren mit den Ausfertigungen der Be­ schlüsse der Innungen dem Regierungspräsidenten (in Berlin, dem Polizeipräsidenten) einzureichen, in dessen Verwaltungsbezirk der Jnnungsverband seinen Sitz haben soll. Dieser giebt die Vorlagen mit einer gutachtlichen Aeußerung an den Minister für Handel und Gewerbe ab, falls er nicht selbst über die Genehmigung zu beschließen hat. 38.

Anträge auf Verleihung von Korporationsrechten sind durch Vermittelung

des für den Sitz des Jnnungsverbandes

zuständigen Regierungspräsidenten

(in

Berlin, des Polizeipräsidenten) dem Minister für Handel und Gewerbe einzureichen. 39.

Die Regierungspräsidenten (in Berlin, der

Polizeipräsident) haben im

Februar jeden Jahres dem Minister für Handel und Gewerbe anzuzeigen, welche Jnnungsverbände in ihrem Bezirk bestehen, wie viele Innungen jedem derselben an­ gehören und welche Personen die Vorstände der einzelnen Verbände bilden.

Bekanntmachung. Hierdurch mache ich bekannt, daß die Aeußerungen für oder gegen die Errich­ tung einer Zwangsinnung für das ........................................... Handwerk im Bezirk der Gemeinde^ .................................................. schriftlich bis zum ............................... oder mündlich in der Zeit vom -................. bis ................... d. M?) bei mir abzugeben sind. Die Abgabe der mündlichen (Aeußerung) kann während des angegebenen Zeit­ raumes werktäglich von............ bis............Uhr in den Diensträumen der ......................... ........................ Zimmer Nr. ............ erfolgen. Ich fordere hierdurch alle Handwerker, welche im Bezirk der Gemeinde^ das ............................................Handwerk betreiben [mit) der Regel nach Gesellen und Lehr­ linge Haltens zur Abgabe ihrer Aeußerung mit dem Bemerken auf, daß nur solche 2) Die Frist ist auf mindestens eine Woche festzusetzen.

Anweisung des Handelsministers vom 1. März 1898.

81067

Erklärungen, welche erkennen lassen, ob der Erklärende der Errichtung der Zwangsinnung Zustimmt oder nicht, gültig sind und daß nach Ablauf des obigen Zeitpunktes eingehende Aeußerungen unberücksichtigt bleiben. .................................................., den............ ten...........................................1898. Der Kommissar. N. N. Landrath (Oberbürgermeister).

B. Gemeinde: .....................................

Liste Handwerker, welche an

der der Abstimmung über die Errichtung einer Zwangsinnung

für das ......................... Handwerk im Bezirk der Gemeinde^ ........................ Theil genommen haben.

Lfd. Nr.

Name und Vorname

Bezeichnung des (haupt­ sächlich betriebenen) Handwerks

Anzahl des Hülfspersonals l) Geselle (Gehülfe)

Lehr­ linge

Abstimmung Bemerkungen2) für

gegen

C. Bekanntmachung. Nachdem bei der Abstimmung sich die Mehrheit der betheiligten Gewerbetreiben­ für die Einführung des Beitrittszwanges erklärt hat, ordne ich hiermit an, daß zum ..................................... 3) eine Zwangsinnung für das ...................................... Handwerk in dem Bezirke der Gemeinde^ ..................................... mit dem Sitze in........................ ......................... und dem Namen .................................................. errichtet werde. Von dem genannten Zeitpunkt ab gehören alle Gewerbetreibende, welche das .................................................. Handwerk betreiben [imb in der Regel Gesellen oder Lehr­ linge beschäftigen^ dieser Innung an. ^Zugleich schließe ich zu demselben Zeitpunkte die ................................................. ..................................

-Jnnung^ens in .........................................................]

.................................................. , den ...................ten................................................. 189...... . Regierungspräsident. 1) Nur auszufüllen, wenn der Antrag auf Einbeziehung nur der personal­ beschäftigenden Handwerker gestellt ist und der Gewerbetreibende der Regel nach Hülfspersonal beschäftigt. 2) Hier sind auch die Einsprüche gegen die Abstimmung einzutragen. 3) Der Zeitpunkt ist so zu bestimmen, daß inzwischen die Genehmigung zu dem Statut der Zwangsinnung und zu der Abänderung des Statuts einer bestehenden Innungs-Krankenkasse erfolgen und die sonstigen durch die etwaige Schließung einer freien Innung erforderlichen Maßnahmen zum Abschluß gebracht werden können.

810"

Verordnung vom 14. März 1898.

Verordnung über die theilweise Inkraftsetzung des Gesetzes, betreffend die Abändemng der Gewerbe-Ordnung, vom 26. Juli 1897. Vom 14. März 1898. R.G.Bl. S. 37.

Die §§81 bis 102, 104 bis 104 n deS Artikels 1, die §§ 126 bis 128 des Artikels 2 und die darauf bezüglichen Bestimmungen der Artikel 3 bis 7 des Ge setzes, betreffend die Abänderung der Gewerbe-Ordnung, vom 26. Juli 1897 (ReichsGesehbl. S. 663) treten mit dem 1. April 1898 in Kraft.

III. Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896. R.G.M. S. 145.

§1. Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilun­ gen, welche für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse,

insbesondere über die Beschaffen­

heit, die Herstellungsart oder die Preisbemeffung von Waaren oder ge­ werblichen Leistungen, über die Art des Bezuges oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben thatsächlicher Art macht, welche geeignet sind,

den Anschein eines besonders günstigen

3u §L 1. alle

Da

sich

bei den Kommissionsberathungen die Unmöglichkeit herausstellte,

einzelnen Arten

des

unlautern Wettbewerbes

namhaft

zu

Reichstag abweichend von der Gesetzesvorlage die Generalklausel liche Verhältnisse insbesondere" einzelner Fälle ausgegeben. beschränkt,

in

machen,

hat

der

„über geschäft­

eingeschaltet und dadurch die Spezialisirung

Die Anwendung des § 1 ist indeß auf diejenigen Fälle

denen die betreffenden Handlungen geeignet

sind,

nicht

etwa den

einen oder andern unvernünftigen Menschen, sondern das Publikum über die Güte des Angebotes zu täuschen und dadurch den Konkurrenten zu schaden. eine

unwahre Angabe

Güte einer Waare kurrenten

thatsächlicher Art,

irre zu

abzuwenden,

so

führen, soll

die

geeignet

ist,

Macht Jemand

das Publikum über die

dasselbe heranzuziehen und dem ehrlichen Kon­

der letztere

berechtigt sein,

solchen marktschreierischen Reklame zu verlangen.

die Untersuchung einer

Lächerliche Marktschreiereien,

die

jeder vernünftige Mensch als solche erkennt, gehören nicht hierher, weil sie zur Täu­ schung nicht geeignet sind.

Auf die Absicht des unredlichen Konkurrenten kommt es

für die Anwendung des § 1 nicht allein an. Vgl. Stenogr. Bericht v. 7. Mai 1896 S. 2174. 2175. 2. welcher

Der für ein Preßerzeugniß verantwortliche Redakteur oder derjenige, an

antwortung

seiner Stelle haftbar ist, gezogen

werden,

wenn

erfüllt sind. Kommiss.-Bericht S. 11.

kann

auf Grund des § 1 nur dann zur Ver­

in seiner Person die Voraussetzungen des § 1

81070

Reichsgesetz vom 27. Mai 1896.

Angebots

§ 1.

hervorzurufen, kann auf Unterlassung

gaben in Anspruch genommen werden.

Gewerbetreibenden, der Waaren oder Leistungen ter Art herstellt oder

in

den

der

unrichtigen

An­

Dieser Anspruch kann von jedem gleicher oder verwand­

geschäftlichen Verkehr

bringt,

oder von

Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden, soweit die Verbände als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können. Neben Angaben 3.

dem

Anspruch

auf

Unterlassung

der

unrichtigen

haben die vorerwähnten Gewerbetreibenden auch Anspruch

Die wesentlichsten Punkte, aus die sich der Entwurf bezieht, sind folgende.

Einmal sollen die Auswüchse des Reklamewesens, welche dem ehrbaren minder starken Gewerbetreibenden so überaus schädlich sind, eingeengt und, wenn thunlich, abgestellt werden.

Es soll ferner ein Schutz gewährt werden gegenüber der unberechtigten

Ausnutzung von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen.

Es kommt darauf an. bestimmte

nach den bisherigen Erfahrungen für den redlichen Erwerbsgenossen besonders nach­ theilige Mißbräuche zu verhindern. In erster Linie soll dem unlauteren Wettbewerbe dadurch

entgegengewirkt werden,

daß dein Geschädigten ein in

den Formen des

bürgerlichen Rechtsstreites geltend zu machender Anspruch auf Schadenersatz und auf Unterlassung künftiger Benachtheiligungen gewährt wird. Da sich indeß der unlautere Wettbewerb in zahlreichen Fällen nach den Mitteln, die er anwendet, und nach den Zwecken, die er verfolgt, als eine gröbliche Verletzung der die Grundlage des geschäftlichen Verkehrs bildenden Principien von Treu und Glauben und somit als ein Bruch der allgemeinen Rechtsordnung darstellt, der vom sittlichen Standpunkt säum milder als Betrug,

strafbarer Eigennutz oder Untreue

anzusehen ist, so erfordert das öffentliche Interesse auch eine strafrechtliche Sühne. Es ist indeß nur insoweit,

als gewisse moralisch verwerfliche, nach den bisherigen

Gesehen aber nicht verbotene Mittel zu dem Zwecke angewendet werden, um unbe­ rechtigte Vortheile gegenüber den Konkurrenten zu gewinnen, Abhülfe nöthig und erreichbar. Es handelt sich darum, allgemein verbindliche Grundsätze aufzustellen. Besondere Mißstände, welche sich bei einzelnen Gruppen von Gewerbetreibenden in bestimmten Zweigen der Erwerbsthätigkeit

oder in örtlich abgegrenzten Gebieten

fühlbar machen, können daher nur insoweit Berücksichtigung finden, als die zur Ab­ hülfe dienlichen Maßregeln sich zur allgemeinen Anwendung eignen.

Endlich kann

es nicht die Aufgabe des beabsichtigten Sondergefetzes sein, in Gebiete überzugreifen, die durch allgemeine Reichsgesehe, wie das Handelsgesetzbuch, die Gewerbe-Ordnung, die Konkursordnung, die Gesetze über den Verkehr mit Nahrungsmitteln rc., mit Ersatzmitteln für Butter, mit Wein rc. geregelt sind, oder welche, wie daS landesrechtlich nach verschiedenen Grundsätzen gestaltete Hypothekenrecht, einer reichsgesehlichen Abänderung in Einzelheiten widerstreben. Der leitende Gedanke des Gesetzes in allen seinen Theilen ist der, daß der red­ liche Wettbewerber gegen den Schaden geschützt werden soll,

der ihm aus verwerf­

lichen Operationen seines unlauteren Mitbewerbers erwachsen könnte. (Motive S. 7. 8.) 4.

Als unrichtige Angaben über den Anlaß oder Zweck des Ver­

kaufs werden in

den Motiven namentlich hervorgehoben: Gelegenheitskauf, Be­

schädigung der Waare durch Feuer oder Waffer, verkauf (wenn

Erwerb durch Schmuggel, Aus­

in Wirklichkeit eine Veräußerung der vorhandenen Vorräthe zum

Zweck der Beendigung sei es des Geschäftsbetriebes im Ganzen sei es des Verkaufs

Reichsgesetz vom 27. Mai 1896. § 1.

81071

auf Ersatz des durch die unrichtigen Angaben verursachten Schadens gegen denjenigen, der die Angaben gemacht hat, falls dieser ihre Un­ richtigkeit kannte oder kennen mußte. Der Anspruch auf Schadensersatz kann gegen Redakteure, Verleger, Drucker oder Verbreiter von periodischen Denkschriften nur geltend gemacht werden, wenn die­ selben die Unrichtigkeit der Angaben kannten. Die Verwendung von Namen, welche nach dem Handels­ gebrauch zur Benennung gewisser Waaren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen, fällt unter die vorstehenden Bestimmun­ gen nicht. einer gewissen Waarengattung gar nicht beabsichtigt wird, vielmehr eine regelmäßige oder gelegentliche Vervollständigung des Lagers durch Nachschiebung neuer Waaren stattfindet). Die Verfolgung unrichtiger wenn auch nur mündlicher Angaben soll nicht davon abhängig sein, ob die beabsichtigte Wirkung thatsächlich eingetreten ist. Die Fassung der §§ 1 und 4 schließt jede wenn auch erfolglose Thätigkeit ein, die das Ergebniß haben kann, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, sofern die Angaben an sich geeignet sind, diesen Anschein zu erwecken. Scherzhafte und harmlose Uebertretungen im Reklamewesen, welche als solche von Zedermann leicht zu erkennen sind, kommen daher nicht in Betracht (Motive S. 12). 5. Ein praktisches Bedürfniß zur Verfolgung besteht nur insoweit, als Un­ wahrheiten nach dem Gegenstände, auf den sie sich beziehen, geeignet sind, das An­ gebot als ein besonders günstiges erscheinen zu taffen und dadurch zum Nachtheil redlicher Mitbewerber Kunden anzulocken. Unrichtige Angaben über die Preis bemessung kommen insbesondere dann in Betracht, wenn im Widerspruch mit dem Sachverhalt Waaren als unter dem Einkaufspreis n. s. w. erhältlich angeboten werden, oder wenn — etwa in den Auslagen von Schaufenstern — billigere Preise zur Ankündigung gelangen, als sie beim Kaufe thatsächlich in Rechnung gestellt werden. Motive. S. 10. ti. Hinsichtlich der Herstellungsart ist es für die Würdigung einer Waare oft von erheblichem Einfluß, ob sie als Natur- oder als Kunstprodukt, als eigenes oder ftemdes Erzeugniß, als Hand- oder Fabrikarbeit bezeichnet wird. Motive. S. 10. 7. Der Begriff „Bezugsquelle" soll sich auf Ursprungsangaben nicht geo­ graphischen Charakters erstrecken. Die fälschliche Verwendung von Ortsnamen in geschäftlichen Ankündigungen ist bereits durch h 16 des Waarenbezeichnungsgesetzes in einem dem Bedürfniß des redlichen Verkehrs genügenden Umfange eingeschränkt worden. Hier handelt es sich nur darum, Täuschungen entgegen zu wirken, wie solche durch anderweitige falsche Hinweise auf die Herkunft von Waaren (z. B. Domainenbutter — aus einem Konkurse, einem Nachlasse herrührend —- direkt ohne Zwischenhändler bezogen) häufig versucht werden. Motive. S. 11. 8, Eine Klagr im Sinne des § 1 steht mir dem Mitbewerber, nicht aber dem durch die betrügerischen Vorspiegelungen geschädigten Käufer zu. Der Anspruch richtet sich gegen denjenigen, der sich unwahrer Angaben schuldig gemacht

Reichsgesetz vom 27. Mai 1896. §§ 2, 3.

810"

Im Sinne der Bestimmungen des Absatzes 1 und 2 sind den An­ gaben thatsächlicher Art bildliche Darstellungen und sonstige Ver­ anstaltungen gleich zu achten, die darauf berechnet und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen. Unter Waaren im Sinne des Gesetzes sind auch landwirthschaftliche Erzeugniffc, unter gewerblichen Leistungen auch landwirthschaftliche zu verstehen. §2.

Für Klagen auf Grund des § 1 ist ausschließlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Für Personen, welche im Anlande weder eine gewerb­ liche Niederlassung noch einen Wohnsitz haben, ist ausschließlich zu­ ständig das Gericht des inländischen Aufenthaltsortes, oder wenn ein solcher nicht bekannt ist, das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung be­ gangen ist. §3. Zur Sicherung des int § 1 Absah 1 bezeichneten Anspruchs können einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in den §§ 814, 819 der Civilproceßordnung bezeichneten Voraussetzungen nicht hat, mag er der Inhaber, oder der Angestellte, Gehülfe. Reisende eines Geschäftes sein. Auch dritte Personen, welche zu Gunsten eines Ermerbsgeschäfts unrichtige Angaben verbreiten, werden von dem Ansprüche getroffen. Inwieweit der Geschäfts­ herr für die von seinen Angestellten oder von dritten Personen gemachten unwahren Angaben haftet, bestimmt sich nach allgemeinen Rechtsgrundsähen. Motive. S. 14. tt. Die Berechtigung zur Anstellung der Unterlassungsklage bezw. zum Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist an den Nachweis eines besondern rechtlichen Interesses nicht gebunden. Bei den Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen macht es keinen Unterschied, ob ein solcher Verein den Schuh des durch die Reklame betroffenen Gewerbezweiges sich zur besonderen Aufgabe gemacht hat oder Ziele allgemeinerer Art verfolgt. Motive. S. 13. 3» Abs. 2.

Ueber die Frage, ob ein Schaden entstanden ist, und wie hoch sich derselbe beläuft, ist im Streitfälle vom Gericht nach Maßgabe des § 260 der Civil-Proz.O. zu entscheiden. Motive. S. 14. 3u §3. 1. Zur Begründung des Antrages auf eine einstweilige Verfügung ist es unter allen Umständen erforderlich, daß die thatsächlichen Voraussetzungen, von denen das Gesetz den Anspruch auf Unterlaffung der unrichtigen Angaben abhängig

Reichsgeseh vom 27. Mai 1896. § 4.

810"

zutreffen. Zuständig ist auch das Amtsgericht, in dessen Bezirk die den Anspruch begründende Handlung begangen ist; im Uebrigen finden die Vorschriften des § 820 der Civilprozeßordnung Anwendung. §4. Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, welche für einen größeren Kreis von Personen be­ stimmt sind, über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemeffung von Waaren oder gewerblichen Leistungen, über die Art des Bezuges oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck deS Verkaufs wissentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben thatsäch­ licher Art macht, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft. Ist der Thäter bereits einmal wegen einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Vorschrift bestraft, so kann neben oder statt der Geld­ strafe auf Haft oder auf Gefängniß bis zu sechs Monaten erkannt werden; die Bestimmungen des §245 des Strafgesetzbuchs finden ent­ sprechende Anwendung. macht, dargelegt werden. Auch müssen diese Voraussetzungen gemäß §§ 815. 800 der Civil-Prozeßordnung glaubhaft gemacht werden, sofern nicht eine vom Gericht für hinreichend erachtete Sicherheit (§801) bestellt wird. Im Uebrigen hat das Gericht nach freiem Ermessen darüber zu befinden, ob und in welcher Art nach Lage deS Falles eine vorläufige Anordnung zu treffen ist. Motive. S. 13. 2. Die in § 3 citirten Vorschriften der Civil-Prozeßordnung lauten: 8 #14. Einstweilige Verfügungen in Beziehung auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist. daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustan­ des die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. 8 819. Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältniß zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältniffen zur Abwendung wesentlicher Nachtheile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus andern Gründen nothwendig erscheint. 8 820. In dringenden Fällen kann daS Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Streitgegenstand befindet, eine einstweilige Verfügung erlassen, unter Be­ stimmung einer Frist, innerhalb welcher der Gegner zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung vor das Gericht der Haupt­ sache zu laden ist. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat das Amtsgericht auf Antrag die erlassene Verfügung aufzuheben. Die in diesem Paragraphen erwähnte Entscheidungen des Amtsgerichts können ohne vorgängige mündliche Verhand­ lung erfolgen.

Reichsgeseh vom 27. Mai 1896. § 5.

810"

§ 5. Durch Beschluß des Bundesraths kann festgesetzt werden, daß bestimmte Waaren im Einzelverkehr nur in vor­ geschriebenen Einheiten der Zahl, der Länge und des Gewichts oder mit einer auf der Waare oder ihrer Auf­ machung anzubringenden Angabe über Zahl, Länge oder Gewicht gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten werden dürfen. Für den Einzelverkehr mit Bier in Flaschen oder Krügen kann die Angabe des Inhaltes unter Festsetzung angemesfener Fehler­ grenzen vorgeschrieben werden. Die durch Beschluß des Bundesraths getroffenen Bestimmungen sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstag sogleich oder bei seinem nächsten Zusammentritt vorzulegen. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Bundes­ raths werden mit Geldstrafe bis einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft. 3u § 5.

1. Es ist hierbei insbesondere an den Handel mit Garn und mit Bier gedacht, bei welchem sich die Gepflogenheit herausgebildet hat, durch eine für den Konsumenten schwer bemerkbare Verkleinerung des im Einzelverkehr sonst üblichen Mengenverhältnisses den irreführenden Anschein einer Preisermäßigung hervorzurufen und hierdurch zum Schaden derjenigen Gewerbsgenossen, welche zu solchen Mitteln nicht greifen, Kunden heranzuziehen. Auch bei dem Verkauf von Bier in Fässern und beim Kleinhandel mit einzelnen andern Waaren (Chokolade, Zucker, Bindfaden, Seife. Stearinkerzen, Stahlfedern) sind Quantitätsverschleierungen beobachtet worden. Es ist anzunehmen, daß sich die Anordnungen des Bundesrathö in den Grenzen des praktischen Verkehrsbedürfnisses bewegen werden, daß hierbei eine eingehende Prüfung der Verhältnisse stattfinden wird imb auch die betheiligten Kreise gehört werden. Der Anwendungsbereich der zu erlassenden Vorschriften wird sich auf den Einzelverkehr im Jnlande zu beschränken haben, wobei selbstverständlich die in den inländischen Einzelverkehr gelangenden Waaren ausländischen Ursprungs mit be« troffen werden. Durch die alternative Fassung des § 5 soll nicht ausgeschlossen werden, daß im Bedürfnißfalle die beiden in Frage kommenden Anordnungen der­ gestalt verbunden werden, daß eine bestimmte Waare nur in bestimmten Mengeneinheiten und mit einer Angabe der Menge versehen zum Einzelverkehr zuge­ lassen wird. Insoweit die Angabe der Menge angeordnet ist, wird sich einer Zuwider­ handlung auch derjenige schuldig machen, welcher nicht die thatsächlich vorhandene Menge angiebt. Motive. S. 15. 16. 2. Unter dem Ausdruck „Menge" ist auch die Gewichtsmenge einbegriffen. Konnniss.-Bericht S. 16.

Reichsgesetz vom 27. Mai 1896.

810"

§§ 6, 7, 8.

§ 6. Wer zu Zwecken des Wettbewerbes über das Erwerbsgeschäft eines Anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Ge­ schäfts, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines Anderen Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind,

den Betrieb des

Geschäfts

oder den Kredit

des Inhabers zu schädigen, ist, sofern die Behauptungen nicht er­ weislich wahr sind, dem Verletzten zum Ersätze des entstandenen Schadens verpflichtet. Auch kann der Verletzte den Anspruch geltend machen,

daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen

unterbleibe. Die Bestimmungen des ersten Absatzes finden keine Anwendung, wenn der Mittheilende oder der Empfänger der Mittheilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat.

8 7. Wer wider besseres Wissen über das Erwerbsgeschäft eines Anderen,

über die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts,

über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines Anderen unnwahre Behauptun-gen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Betrieb des Geschäfts zu schädigen, wird mit Geld­ strafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. §

8.

Wer im geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma oder die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts, eines ge­ werblichen Unternehmens oder einer Druckschrift in einer Weise

Zu 8 6 Abs. 2. Wer

eine Auskunft

einem Andern zu regeln,

nachsucht,

um

hiernach

seine Geschäftsbeziehungen

zu

und wer eine solche Auskunft nach bestem Wissen ertheilt,

behindert sich in der Wahrnehmung

berechtigter

Interessen

und darf auch

dann nicht haftbar gemacht werden, wenn die Auskunft ungünstig lautet. Motive.

S. 18.

Zu § 8. 1. Namen

Es liegt nicht in der Absicht des Gesetzes, einen Gewerbetreibenden, dessen mit

der Firma

eines

an

einem andern Orte domizilirenden Konkurrenten

übereinstimmt, an der Führung seines Namens als Finna schlechthin zu verhindern. ES soll ihm aber im Interesse der geschäftlichen Moral verboten werden, die Synonymitat, mag dieselbe eine zufällige oder eine absichtlich herbeigeführte sein, in einer Weise auszubeuten, rufen.

welche

gerade

darauf berechnet ist,

Er wird also beispielsweise auf der Waare,

respondenzen

seinen Namen

Verwechselungen hervorzu­

in Empfehlungskarten,

nicht in einer Weise anbringen dürfen,

welche

in Kor­ auf die

810"

Reichsgeseh vom 27. Mai 1896.

§ 9.

benutzt, welche darauf berechnet und geeignet ist, Verwechselungen mit dem Namen,

der Firma oder der besonderen Bezeichnung hervor­

zurufen, deren sich ein Anderer befugterweise bedient, Ersätze des Schadens verpflichtet.

ist diesem zum

Auch kann der Anspruch auf Unter­

lassung der mitzbräuchlichen Art der Benutzung geltend gemacht werden. §

9.

Mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre wird bestraft, wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes Geschäfts- oder BetriebsgeheimJrreführung

des Publikums

zum Nachtheil

kannten Trägers gleichen Namens abzielt. lich in allen Fällen,

eines

in der Geschäftswelt bereits be­

Der beabsichtigte Schutz ist selbstverständ­

die der Ausdruck „die besondere Bezeichnung eines Erwerbs

geschäfts" umfaßt, dadurch bedingt, daß die Bezeichnung einen eigenthümlichen und unterscheidenden Charakter hat. bazar",

„Steh'Bierhalle".

Allgemein übliche Bezeichnung, wie z. B. „Kleider­

können

nicht

zu Gunsten

eines Einzelnen,

selbst wenn

derselbe an einem bestimmten Orte sich zuerst dieser Bezeichnung bedient haben sollte, monopolisirt werden. muß

Zn dieser Beziehung die Grenze des Zulässigen festzustellen,

der Entscheidung des einzelnen Falles überlassen bleiben.

es im Sinne der Bestimmung, eines Erwerbsgeschäfts,

daß

der Schutz

Im Uebrigen liegt

nicht nur der Gesannntbezeichnung

sondern auch den Benennungen einzelner zu einem solchen

gehöriger Unternehmungen zu gewähren ist,

also z. B. einem Zeitungsnamen oder

einer Gasthofsbenennung auch dann, wenn sich die gewerbliche Thätigkeit des Unter­ nehmers

nicht

Gasthofs

auf die Herausgabe

beschränkt.

Doppeltes:

Der

der einen Zeitung oder den Vertrieb des einen

Ausdruck

Erwerbsgeschäft

einerseits die Gesammtheit des Betriebes,

umfaßt

andererseits

also

ein

die einzelnen

zu diesem Betriebe gehörige Unternehmungen. Es ist selbstverständlich, daß durch geringfügige, im Verkehr schwer erkennbare Abweichungen oder Abkürzungen beim unbefugten Gebrauch fremder Name«, Firmen oder sonstigen Bezeichnungen die Anwendbarkeit des § 8 nicht ausgeschlossen wird. Der Geschädigte Schadensersatz

und

hat

sein Recht

auf Unterlassung

im Wege fernerer

einer civilprozessnlalen Klage auf

Eingriffe

geltend

zu

machen;

auch

eiustweilige Verfügungen können nach Maßgabe der Bestimmungen der Civilprozeßordnung erwirkt werden.

Eine Strafandrohung ist hier schon deswegen entbehrlich,

weil nur die Verletzung berechtigter Interessen von bern in Frage kommt. 2.

einzelnen

bestimmten Mitbewer-

(Motive S. 19. 20.)

Ein von einem Schriftsteller benutztes Pseudonym ist gleichfalls als ein

Name im Sinne des § 8 anzusehen.

Wenn

dieser Name

und weiter von einem andern Schriftsteller in einer Weise eignet und darauf berechnet ist,

im

geschäftlichen Verkehr

benutzt

Verwechselungen hervorzurufen,

ist

wird,

welche ge­

die Anwendung

des § 8 gerechtfertigt. Vgl. Stenogr. Bericht v. 7. Mai 1896.

S. 2485.

3» »r>. 1#

Daß die Verantwortlichkeit nur dann eintreten kann,

wenn

dem Benutzer

diejenigen thatsächlichen Umstände bekannt waren, in denen die Merkmale des einem Angestellten zur Last

fallenden Verraths

gefunden werden,

meinen strafrechtlichen Grundsätzen (§ 59 St.G.B.).

ergiebt sich

ans

allge-

Reichsgesetz vom 27. Mai 1896.

810”

§ 9.

nisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden find, während der Geltungsdauer des Dienst­ verhältnisses unbefugt an Andere zu Zwecken des Wettbewerbes oder

in

der Absicht,

dem Inhaber

des

Geschäftsbetriebes

Schaden zuzufügen, mittheilt. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher Geschäftsgeheimniffe, deren Kenntniß er durch eine der im Absatz 1 bezeichneten Mittheilungen oder durch eine gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende eigene Handlung erlangt hat, zu Zwecken

des Wettbewerbes unbefugt ver­

werthet oder an Andere mittheilt. Zuwiderhandlungen standenen Schadens.

verpflichten

außerdem zum Ersätze des ent­

Mehrere Verpflichtete haften als Gesammtschuldner.

Der Verwerthung ist, als für den Geschädigten in gleichem Maaße nachtheilig, die Mittheilung an Andre gleichgestellt.

Hierunter wird auch die Bekanntgabe eines

Geheimnisies zu verstehen sein. Die Definition deS Begriffs „Geheimniß"

ist im Gesetz vermieden.

Nach

der Aeußerung des Kommiffars des BundeSraths in der Reichötagssihung vom 13. Dzb. 1895 ist ein Geheimniß im Sinne eines Geschäftsinhabers, ein Fabrik, oder Geschäfts-Geheimniß,

das,

was seiner Geschäftsgebahrung,

seiner Handwerksthätigkeit so eigenthümlich ist. sonnt ist und nicht zur Anwendung kommt.

seinem Fabrikbetriebe,

daß es in andern Kreisen nicht be­

Bei dieser Interpretation ist.es völlig

ausgeschloffen, die Verwerthung der erlernten Kunstfertigkeit von Handgriffen, die auch sonst üblich sind, von Kenntniffen, die sich auf den gewöhnlichen Geschäftsbezw. Fabrikbetrieb beziehen, zum Ausgangspunkt machen.

der Anwendung der Zh 9 ff. zu

WaS der Oeffentlichkeit oder einer Mehrzahl von Personen bekannt ist,

kann im Sinne dieses Gesetzes nicht als Geheimniß gelten. Insoweit es sich um die Mittheilung eines fremden Geheimnisies handelt, ist die in den Worten „zu Zwecken des Wettbewerbes"

liegende Voraussetzung

als er­

füllt anzusehen, gleichviel ob auf Seiten des Mittheilenden oder auf Seiten desjenigen, der die Mittheilung entgegennimmt, die Absicht des Wettbewerbes vorhanden ist. Motive S. 23. 2.

Sitzungsbericht des Reichstags vom 13. Dzbr. 1895 S. 108.

Die Kommission des Reichstages war darüber einig,

daß der Angestellte,

Lehrling oder Arbeiter, der während der Däner des Dienstverhältnisses die schuldige Diskretion verletzt, sich eines Vertragsbruchs schuldig macht, auf Grund deffen zweifellos auch seine sofortige Entlassung vom Arbeitgeber verfügt werden kann. Derh. d. Reichstages v. 17. April 1896. 3.

werb zu verstehen. Derh. d. Reichstages v. 17. April 1896. 4.

S. 1723.

Unter Wettbewerb in §§ 9. 10 ist selbstredend der unlautere Wettbe­ S. 1742.

Voraussetzung für die Anwendung des § 9 ist unter allen Umständen der

dolus und zwar muß dieser sich auf alle Thatbestandsmomente erstrecken, welche im § 9 die Voraussetzung der Strafbarkeit bilden. 1. Zunächst muß der Angestellte u. s. w. missen, daß es ein Geheimniß ist, das er ausplaudert. Hat er diese Kenntniß nicht, sind ihm die Umstände fremd, aus denen es sich ergiebt, daß es sich um ein Geheimniß des Prin­ zipals handelt, so kann eine Strafe überhaupt nicht eintreten.

Reichsgeseh vom 27. Mai 1896. §§ 10. 11, 12.

810"

§ io. Wer zum Zweck des Wettbewerbes es unternimmt, einen Anderen zu einer unbefugten Mittheilung der im § 9 Absatz 1 bezeichneten Art zu bestimmen, wird mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder mit Gefängniß bis zu neun Monaten bestraft.

§ n. Die in den §§ 1, 6, 8. 9 bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz verjähren in sechs Monaten von dem Zeitpunkte an, in welchem der Anspruchsberechtigte von der Handlung und von der Person des Verpflichteten Kenntniß erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntniß in drei Jahren von der Begehung der Handlung an. Für die Ansprüche auf Schadensersatz beginnt der Lauf der Verjährung nicht vor dem Zeitpunkt, in welchem ein Schaden ent­ standen ist. § 12. Die Strafverfolgung tritt mit Ausnahme der im § 5 bezeich­ neten Fälle nur auf Antrag ein. In den Fällen des §4 hat das Recht den Strafantrag zu stellen, jeder der im § 1 Absatz 1 bezeichneten Gewerbetreibenden und Verbände. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. Strafbare Handlungen, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, können von den zum Strafantrage Berechtigten im Wege der Privat2. Es ist ferner nothwendig daß er zur Kenntniß dieses Geheimnisses ver­ möge des Vertrauens seines Dienstherrn ober durch die Verhält­ nisse des Dienstbetriebes gekommen ist. 3. Die Mittheilung muß unbefugt sein. 4. Es muß in der Person deS Mittheilenden das Requisit gegeben sein, daß der Verrath entweder zu Zwecken des Wettbewerbes (.}. B. um dem Mitbewerber die Benutzung eines in einem andern Geschäft üblichen Ver­ fahrens zu ermöglichen) ober in der Absicht, den Geschäftsinhaber zu schädigen, erfolgte. Berh. d. Reichstages v. 17. April 1896. S. 1736.

3“ 81°. Es macht keinen Unterschied, ob der Umstand, daß die Mittheilung zu Zwecken des Wettbewerbes erfolgen soll, nur dem Verleitenden ober, wie zur Strafbarkeit aus Grund des § 9 erfordert wird, auch dem Anderen bekannt mar. In den Fällen, in denen die Anstiftung thatsächlich zum Verrath führt, trifft nach allgemeinem Rechts­ grundsatze (§ 48 St G B ) den Anstifter die gleiche Strafe wie den Thäter. Motive. S. 25. Zu § 12.

Ans das Verfahren bei der Privatklage finden die allgemeinen Bestimmungen der Prozeßgesetze insbesondere die §§ 414-434 der Stras-Proz.-O. entsprechende

Anwendung.

Reichsgeseh

vom 27.

Mai

1896.

§§ 13, 14, 15.

810"

klage verfolgt werden, ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwalfchaft bedarf. Die öffentliche Klage wird von der Staatsanwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffentlichen In­ teresse liegt. Geschieht die Verfolgung im Wege der Privatklage, so find die Schöffengerichte zuständig. § 13.

Wird in den Fällen des § 4 auf Strafe erkannt, so kann ange­ ordnet werden, daß die Verurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen sei. Wird in den Fällen des § 7 auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Verurtheilten öffentlich bekannt zu machen. Auf Antrag des freigesprochenen Angeschuldigten kann das Gericht die öffentliche Bekanntmachung der Freisprechung anordnen; die Staats­ kasse trägt die Kosten, insofern dieselben nicht dem Anzeigenden oder dem Privatkläger auferlegt worden find. Ist in den Fällen der §§1,6 und 8 auf Unterlassung Klage er­ hoben, so kann in dem Urtheile der obsiegenden Partei die Befugniß zugesprochen werden, den verfügenden Theil des Urtheils innerhalb be­ stimmter Frist auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung ist im Urtheil zu bestimmen. § 14.

Neben einer nach Maßgabe dieses Gesetzes verhängten Strafe kann auf Verlangen des Verletzten auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von zehntausend Mark erkannt werden. Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Ent­ schädigungsanspruchs aus. § 15. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht ist, gehören, insoweit in erster Instanz die Zuständigkeit der Landgerichte be­ gründet ist, vor die Kammer für Handelssachen. Die Verhand­ lung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Ein­ führungsgesetzes zum Gerichtsverfaffungsgesetze wird dem Reichsgericht zugewiesen.

810'°

Reichsgesetz born 27.

Mai

1896.

§§ 16, 17.

§ 16. Wer im Znlande eine Hauptniederlaffung nicht besitzt, hat auf den Schutz dieses Gesetzes nur in soweit Anspruch, als in dem Staate, in welchem seine Hauptniederlaffung sich befindet, nach einer im ReichsGesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung deutsche Gewerbetreibende einen entsprechenden Schutz genießen. § 17.

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1896 in Kraft.

3« § 16. Der Ausdruck „Hauptniederlassung" ist den mit Oesterreich-Nngarn und mit

anderen Staaten

schütz rc. entlehnt.

getroffenen

Es soll

schäftlich ansässige Person

Übereinkommen

verhüten, auch

kann, wenn sie in einem Staate,

dann

daß

eine

in

Ansprüche

mit welchem

über

den

gegenseitigen Patent-

mehreren

fremden Staaten ge­

aus

dem Gesetze

geltend, machen

die Gegenseitigkeit verbürgt ist,

nur

eine Filiale besitzt, während die Hauptniederlaffung einem Staate angehört, zu dem eine solche Beziehung nicht besteht. Motive.

S. 27.

Inhalt zum ötroetbefieuergtfefc.

811

IV. Die Preußischen Gesetze, betreffend die Besteuerung der stehenden Gewerbe und des Gewerbebetriebes im Umherziehen. Seite

A.

B.

Das Gesetz vom 24.Juni 1891 wegen der Entrichtung der Werbesteuer vom stehenden Gewerbe................................ 1. Gegenstand der Besteuerung §§ 1. 2......................................................... 2. ^Befreiungen §§ 3. 4. 5.............................................................................. 3. Steuerklassen §§ 6. 7. 8.............................................................................. 4. Veranlagung in Klasse I §§ 9. 10.................... 5. Veranlagung in Klasse II—I V §§ 11. 12............................................. 6. Steuergesellschaften § 13.................................... 7. Steuersätze § 14.......................................................................................... 8. Steuerausschüsse §§ 15. 16......................................................................... 9. Ort der Veranlagung und Veranlagungsgrundsätze §§ 17—24 . . . 10. Befugnisse des Steuerausschusses bezw. des Vorsitzenden §§ 25. 26. 27 11. Besondere Verpflichtung der Aktiengesellschaften § 28 ............................ 12. Namentliche Nachweisungen für Klaffe II—IV § 29 ............................ 13. Berufungsrecht des Vorfihenden in Klaffe I § 30 ................................ 14. Gewerbesteuerrolle § 31.............................................................................. 15. Benachrichtigung des Steuerpflichtigen § 32 ......................................... 16. Begrenzung der Steuerpflicht § 33 ......................................................... 17. Zugang im Laufe des Jahres § 34 ......................................................... 18. Rechtsmittel §§ 35. 36. 37 ..................................................................... 19. Vertheilung des Steuersatzes auf mehrere Kommunalbezirke § 38 . . 20. Steuerhebung §§ 39-43 .............................................................................. 21. Ermäßigung im Laufe des Steuerjahres §§ 44. 45 ............................ 22. Bildung und Geschäftsführung der Steuerausschüffe §§ 46—51 . . . 23. An- und Abmeldung des Gewerbes §§ 52—58 ..................................... 24. Betriebssteuer tzh 59-69 .......................................................................... 25. Strafbestimmungen §§ 70—73 ................................................................. 26. Kosten §§ 74. 75 .......................................................................................... 27. Oberaufsicht §§ 76. 77 .............................................................................. 28. Nachsteuer § 78 .......................................................................................... 29. Schlußbestimmungen §§ 79—82 ............................................................. Das Gesetz vom 3. Juli 1876 betreffend die Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen..................................... 1. Gegenstand der Besteuerung § 1............................................................. 2. Ausnahmen § 2.......................................................................................... 3. Gewerbebetrieb der Ausländer § 3......................................................... 4. Besteuerung als stehender Gewerbebetrieb§§ 4. 5................................... 5. Anmeldung des Gewerbebetriebes und Einlösung des Gewerbescheines §§ 5. 7......................................................................................................

813 813 818 821 822 823 823 823 824 825 827 828 829 829 829 829 830 830 831 832 833 834 834 836 839 841 843 843 843 844

847 847 848 849 850 851

812

Inhalt zum Gewerbesteuerqesetz. Seite

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. C.

Verpflichtungen des Inhabers des Gewerbescheines § 8...................... Betrag der Steller §§ 9—12 incl.................................................................. Befreiung von der Steuer § 13................................................................. Vorbehalte wegen der nicht preußischen Gewerbetreibenden § 14 . . . Erstattung der Steuer § 15......................................................................... Verlust des Gewerbescheines § 16................................................................. Strafbestimmungen §§ 18—26 incl................................................................ Strafverfahren §§ 27—30 incl........................................................................ Allgemeine Bestimmungen §§ 31. 32 ........................................................ Übergangsbestimmungen § 33 ...............................................

853 853 855 855 856 857 857 858 860 860

Das Gesetz vom 27. Februar 1880 betreffend die Besteuerung des Wanderlagerbetriebes........................................................ 1. Gegenstand §§ 1. 2........................................................................................... 2. Steuerbefreiungen § 3...................................................................................... 3. Betrag der Steuer § 4.................................................................................. 4. Verwendung der Steuer § 5......................................................................... 5. Anmeldepflicht § 6........................................................................................... 6. Strafvorschriften §§ 7—10 incl........................................................................ 7. Allgemeine Bestimmungen §§ 11. 12........................................................

861 861 862 863 863 864 864 865

IV. Die Preußischen Gesetze betreffend die Lestenernng der stehenden Gewerbe und des Gewerbebetriebes im Umherziehen.

A. Die gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Besteuerung der stehenden Gewerbe. Gewerbesteuergrsetz vom 24. Juni 1891. Ges.S. S. 205.

Gegenstand der Besteuerung.

§ lDer Besteuerung nach diesem Gesetze unterliegen die in Preußen betriebenen stehenden Gewerbe. Hinsichtlich der Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umher­ ziehen und des Wanderlagerbetriebes bewendet es bei den bestehen­ den Vorschriften mit der Maßgabe, daß im Sinne der §§ 4 und 5 des Gesetzes mehr

vom

als

27. Februar

1880 (Gesetzsamml. S. 174) Städte

50000 Einwohnern

als

Orte

der

ersten

mit

Gewerbesteuer­

abtheilung, Städte mit mehr als 10000 bis 50000 Einwohnern als 1.

Die Gewerbe- und Betriebssteuer sind durch Gesetz v. 14. Juli 1893 wegen

Aufhebung

direkter Staatssteuern (Ges.S. S. 119)

1. April 1895

ab außer Hebung

unter Aufrechterhaltung

der

gesetzt.

dieserhalb

gegenüber

Die Veranlagung bestehenden

der Staatskasse und Verwaltung

gesetzlichen

vom wird

Einrichtungen vom

Staate für die Zwecke der kommunalen Besteuerung ausgeführt. tz 3 a. a. O. 2.

Die Veranlagung ist auf diejenigen Gewerbebetriebe auszudehnen, welche

von der Staatssteuer freigeblieben,

aber gemäß den Bestimmungen des Kommunal-

abgabengesehes der Kommunalsteuerpflicht unterworfen gelten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, entsprechenden Staatssteuern anzuwenden

sind.

welche bei

gewesen

sein

gegen die Veranlagung dieselben Rechtsmittel zulässig,

Für

würden. mit

die Veranlagung

der Heranziehung zu den denen

der entsprechenden Staatssteuer hätte angefochten werden können.

Insbesondere sind die Veranlagung

814

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§ 1.

Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, welche von der Veranlagung ander» weite Rechtsfolgen insbesondere die Begründung von Rechten oder Pflichten abhängig machen, bleiben aufrecht erhalten. ausgesetzt wird,

So

weit aber

die Entrichtung

der Steuer vor»

treten an die Stelle der zu entrichtenden die veranlagten Beträge.

§§ 4. 5 a. a. O. 8.

Soweit die Bestrafung

von Zuwiderhandlungen

schriften über die Gewerbesteuer von Steuer

gegenüber

dem

gegen

die Vor­

der Vorenthaltung oder von dem Verluste der

Staate abhängig

gemacht

ist

(§ 70 des Ges. v. 24. Juni

1891) gilt als vorenthalten derjenige Betrag, welcher im Falle fortdauernder Hebung der Steuer zur Staatskasse nach Maßgabe der Veranlagung

zu entrichten

gewesen

sein würde. Zum Bezüge von Nachsteuern (§§ 70. 78 a. a. O.) ist rechtigt,

welcher nach den Bestimmungen

diejenige Gemeinde be-

des Kommunalabgabengesetzes

das

ent­

sprechende Steueraufkommen zusteht. §§ 8. 9 a. a. O. 4.

Die Bestimmungen im § 81 des Gewerbesteuergesetzes werden aufgehoben.

Das Aufhören eines steuerpflichtigen Gewerbes ist nicht der Hebestelle (§ 58 Abs. 1), sondern dem Vorsitzenden

des für

die Veranlagung

zuständigen

Steuerausschufses

anzuzeigen. § 10 a. a. O. 6.

Die Hebung und Beitreibung der Gewerbesteuer liegt derjenigen Ge­

meinde ob, welche nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesehes zuge des entsprechenden Steueraufkommens Gemeindekaffe.

Die Ermächtigung

berechtigt

ist.

zum Be-

Die Ausfälle treffen die

zum Erlaß und zur Ermäßigung

veranlagter

Steuer (§ 44. 45 Gew.St.Ges.) geht auf die Gemeinden über. § 11 a. a. O. 8.

Die auf die Betriebs st euer bezüglichen Vorschriften gelangen nach Maß­

gabe folgender Bestimmungen zur Anwendung: 1. Erstreckt sich ein betriebssteuerpflichtiges Gewerbe ist

für jeden

dieser Kreise

Steuersätze zu entrichten.

die Hälfte der

Auf

über mehrere Kreise, so

im § 60 Nr. 1. 2 bestimmten

die im § 60 Abs. 2

bezeichneten Betriebs»

stätten findet diese Bestimmung keine Anwendung. 2. Die Betriebssteuer wird in den Landkreisen vom Landrath, in den Stadt­ kreisen vom Gemeindevorstande, in Berlin von der Direktion für die Ver­ waltung der direkten Steuern festgestellt.

Diesen Behörden

Befugniß zur Herabsetzung der Betriebssteuer gemäß § 61

steht auch die und die ander-

weite Festsetzung gemäß § 65 Abs. 2 zu. 3. Die Betriebssteuer ist binnen zwei Wochen nach erfolgter Behändigung der Steuerzuschrift in einer Summe zu entrichten. Die im §61

bezeichneten Steuerpflichtigen

deS Betriebes zu entrichten, händigt ist,

einen von

haben

die Steuer vor Eröffnung

oder, falls bis dahin die Steuerzuschrift noch nicht de-

dem Gemeinde» (Guts-) Vorstände zu

bestimmenden Geld»

betrag bei der gleichzeitig zu bezeichnenden Kaffe zur Deckung der Steuer zu hinter» legen,

widrigenfalls

ihnen

die Ausübung

des Betriebe-

nach Maßgabe

deS § 63

untersagt werden kann. § 12 a. a. O. Die Gemeinden (GutSbezirke) haben die Betriebssteuer in den veranlagten Be» trügen

von

den Pflichtigen

ihres Bezirks zu

erheben.

Die Gemeinden (Gutsbe»

zirke) der Landkreise haben die erhobenen Beträge am Schluffe jahres an die Kreiskommunalkafle abzuführen.

eines

jeden Viertel­

Gesetz vom

24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.)

§ 1.

815

Sofern die Gemeinden nach den Bestimmungen deS Kommunalabgabengesetzes besondere Betriebssteuern eingeführt haben, müssen fie denjenigen Betrag, welcher sich bei Anwendung der Bestimmungen der §§ 60—69 de- Gew.St.GesetzeS ' ergeben würde, an die Kreiskommunalkasse abführen. Die Kreise haben das ihnen zufließende Aufkommen der Betriebssteuer zur Bestreitung ihrer Ausgaben zu verwenden. § 13 a. a. O. 7.

Die Kosten der Veranlagung und Verwaltung der Gewerbesteuer

werden, soweit sie nicht durch die den Gemeinden hierbei übertragenen Geschäfte ent­ stehen, aus der Staatskasse bestritten. Das Aufkommen an Gebühren, Kosten und Strafen im Bereiche der Gewerbe-(Betriebs')Steuer fließt in die Staatskasse. § 14 a. a. O. Die Kosten

der Hebung und Beitreibung sind von den Gemeinden

zu tragen. § 15 a. a. O. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Ansprüche der Gemeinden (Gutsbezirke) auf den Bezug von Vergütungen für die bei Veranlagung der Gewerbesteuer ihnen übertragenen Geschäfte (§ 75 Abs. 1 Gew.St.Ges.) treten außer Kraft. § 16 a. a. O. 8.

Außer diesen Vorschriften deS Gesetze- wegen Aufhebung direkter Staat--

steuern, kommen für die Gewerbesteuer noch folgende Bestimmungen deS Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (G.S. S. 152) in Betracht. a. Vorschriften, welche eine Befreiung von Gewerbesteuer in sich schließen, finden auf Gewerbe, welche nach Verkündigung deS Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 in Betrieb gesetzt werden, keine Anwendung. Die Gemeinden find berechtigt,

die bestehenden Befreiungen

durch Zahlung

deS

137, fachen JahreS-

Werths derselben nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem 1. April des­ jenigen Rechnungsjahres, in welchem die Ablösung beschlossen wird, abzulösen.

Steht

ein anderer Entschädigungsmaßstab fest, so hat es dabei sein Bewenden. § 22 Komm.Abg.Ges. b.

Den Gewerbesteuern unterliegen in den Gemeinden,

in denen der

Betrieb stattfindet, 1.

die nach dem Gew.St.Ges. v. 24. Juni 1891 zu veranlagenden stehenden Gewerbe,

2. die landwirthschastlichen Brennereien, 3. der Bergbau, 4.

die gewerbsmäßige Gewinnung von Bernstein. Ausbeutung von Torfstichen, von Sand-, Kies-, Lehm-, Mergel-, Thon- und dergleichen Gruden, von

5.

die Gewerbebetriebe kommunaler und anderer öffentlichen Verbände,

6.

die Gewerbebetriebe des Staates und der Reichsbank.

Stein-, Schiefer-, Kalk-, Kreide- und dergleichen Brüchen,

Diejenigen zu Nr. 2 bis 6 bezeichneten Betriebe, bei denen weder der jährliche Betrag 1500 Mark noch das Anlage- und Betriebskapital 3000 Mark erreicht, in­ gleichen die nach tz 3 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 steuerfreien Gewerbebetriebe der Kommunalverbände bleiben von der Gewerbesteuer befreit. Auf den Betriebsstand findet diese Bestimmung keine Anwendung. Der Betrieb der Staatseisenbahnen und der der Eisenbahnab­ gabe unterliegenden Privateisenbahnen ist gewerbesteuerfrei.

816

Gesetz vom 24. Sinti 1891. (Gewerbesteuer.)

§ 1.

Der Gewerbebetrieb im Umherziehen ist der Gewerbesteuer in den Ge­ meinden nicht unterworfen§ 28 Kommunalabgabenges. v. 14. Juli 1893. Den Gemeinden ist die Einführung besonderer Gewerbesteuern ge.' stattet. Dieselben können namentlich bemessen werden nach dem Erttage des letzten Jahres oder einer Reihe von Jahren, nach dem Werthe des Anlagekapitals oder des Anlage- und Betriebskapitals, nach sonstigen Merkmalen für den Umfang des Betriebe- oder nach einer Verbindung mehrerer dieser Maßstäbe. § 29 a. a. O. Sind besondere Gewerbesteuern nicht eingeführt, so erfolgt die Besteuerung in Prozenten der vom Staate veranlagten Gewerbesteuer. Die auf Grund der Einlegung von Rechtsmitteln erfolgte Erhöhung oder Er­ mäßigung der veranlagten Gewerbesteuer zieht die entsprechende Abänderung der Veranlagung zur Gemeindesteuer nach sich. Die Veranlagung hat sich auf sämmtliche Gewerbebetriebe einschließlich des Bergbau- zu erstrecken, welche der Gemeindebesteuerung unterliegen. § 30 o. o. O. Eine verschiedene Abstufung der Gewerbesteuersähe und Prozente ist zulässig: 1. wenn die einzelnen Gewerbearten in verschiedenem Maße von den Ver­ anstaltungen der Gemeinde Vortheil ziehen oder der Gemeinde Kosten verursachen, und soweit die Ausgleichung nicht nach §§ 4. 9. 10 oder 20 erfolgt; 2. wenn die gewerblichen Gebäude in stärkerem Verhältniß zur Gebäudesteuer herangezogen werden, als es auf Grundlage der staatlichen'Gebäudesteuer der Fall sein würde, oder wenn die gewerblich benutzten Räume einer Miethssteuer unterliegen. Die verschiedene Abstufung bedarf der Genehmigung. § 31 a. a. O. c) Erstreckt sich der Gewerbebetrieb über mehrere Gemeinde­ bezirke, so hat für den Fall der Erhebung von Prozenten der veranlagten'Gewerbesteuer der zuständige Steuerausschuß auch' für die im § 28 Nr. 2 bis ^bezeichneten Betriebe die Zerlegung des Gesammtsteuersatzes und die auf die einzelnen^Gemeinden entfallenden Theilbetrüge zu bewirken (§ 38 Gew.St.Ges. vom 24. Juni 1891). Werden besondere Gewerbesteuern umgelegt, so hat die Veranlagung nur7nach Maßgabe des in der Gemeinde belegenen Theiles des Gewerbebetriebes zu erfolgen, bei besonderen Gewerbesteuern nach dem Ertrage unter sinngemäßer Anwendung der in den §§ 47. 48 dieses Gesetze- getroffenen Bestimmungen. § 32 a. a. O.

3» 8 i. L Dergl. Art. 1 der Ausführungsanweisung vom 10. April 1892. Danach ist zum stehenden Gewerbe in steuerlicher Hinsicht jeder Gewerbebetrieb zu rechnen, welcher nicht nach den bestehenden Bestimmungen als Gewerbebetrieb im Umherziehen in Bezug ans die Besteuerung zu behandeln ist. Eine nähere Begriffsbestimmung darüber, was als „Gewerbe" anzu­ sehen sei. ist in dem neuen Gewerbesteuergesehe ebensowenig wie in dem früheren oder in der Gewerbe-Ordnung enthalten. Es bewendet in dieser Beziehung bei dem durch bisherige Entscheidungen Festgestellten. Bei einem auf die Erzielung von Einnahmen (Erwerb) gerichteten Geschüstsunternehmen macht es regelmäßig

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

817

§2.

Orte der zweiten Gewerbesteuerabtheilung, Städte mit mehr als 2000 bis 10000 Einwohnern als Orte der dritten und alle übrigen Orte als solche der vierten Gewerbesteuerabtheilung gelten. Vorstehende Eintheilung findet auch Anwendung,

wo in anderen

Gesetzen auf die bisherigen Gewerbesteuerabtheilungen Bezug ge­ nommen ist. Die Einwohnerzahl bestimmt sich nach dem Ergebnisse der zuletzt vorangegangenen Volkszählung. Gewerbliche Sitz haben,

§ 2. welche

Unternehmen,

außerhalb

Preußens ihren

aber in Preußen durch Errichtung einer Zweignieder­

lassung, Fabrikations-, Ein- oder Verkaufsstätte oder in sonsti­ ger Weise einen oder mehrere stehende Betriebe unterhalten, find nach keinen Unterschied,

ob dabei zugleich oder schließlich

wohlthätige oder gemeinnützige

Zwecke verfolgt werden. Der Besteuerung sind nicht, werben,

welche

zu

Speisewirthschaft worfen.

den

wie seither,

bisherigen

u. s. w.

mir bestimmte Gattungen von Ge­

Steuerklassen

gehören,

sondern

die

für Handel, Gewerbe

Dieser Ausdehnung der Besteuerung auf

gattungen stehen jedoch

bisher

Gast-, Schank- und

aller Gattungen

unter­

nicht

besteuerte Gewerbe­

andererseits bedeutende Einschränkungen

der Steuerpflichtig-

keit gegenüber. 2.

Als

stehende

Gewerbebetriebe

im

Sinne

des

Gewerbesteuergesetzes vom

24. Juni 1891 gelten nicht nur die dem Gewerbe dienenden sichtbaren Anstalten wie Zweigniederlaflungen,

Fabrikations-, Ein- und Verkaufsstätten.

lager, Comtoire,

sondern auch alle

Ausübung eines

stehenden Gewerbes

Speicher,

sonstigen Geschäftseinrichtungen, in Preußen

darstellen.

Waaren-

welche sich als

Insbesondere

genügt

die Ausübung des stehenden Gewerbebetriebes durch dauernd sich zu diesem Zweck in Preußen aufhaltende Geschäftstheilnehmer, Prokuristen oder andre ständige Vertreter, welche entweder in

einem Dienstverhältniffe

zu dem Inhaber des Gewerbes stehen,

oder ohne solches Geschäfte in seinen Namen und für seine Rechnung auf Gnind all­ gemeiner oder besonderer Ermächtigung abschließen. Art. 3 Nr. 1 Abs. 2 der Anw. v. 10. April 1892. Dgl. auch Art. 2 Nr. 3 Abs. 2 der Anw. v. 3. April 1894 zum Ergänzungsstenergesetz vom 14. Juli 1893. 3.

R. d. F.M. v.

17. Oktober 1893

betreffend

Besteuerung

der Rhedereien

(M. 29 S. 30). R. d. F.M. v. 3. September 1892 betreffend Steuerfreiheit

des Ankaufs

und

Erbauens von Häusern (M. 26 S. 34). 4.

Vergl. Anfangsnote Nr. 8 b.

5.

Die Königlichen Lotterieeinnehmer unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Erk. d. O.V.G. v. 28. Novbr. 1895. Pr. V.Bl. 1896. S. 315. Dgl. auch C.R. d. F.M. v. 8. Dezbr. 1896.

M. 34 S. 33.

Zu § 2. Privatversi che rungsgesell schäften unterliegen,

soweit

nicht

nach

ihren

besonderen Einrichtungen die Annahme eines Gewerbebetriebes überhaupt ausgeschlossen ist, der Steuerpflicht.

Bei den auf Gegenseitigkeit beruhenden ist ein Gewerbe­

betrieb nicht vorhanden,

wenn die Beiträge der Mitglieder (Prämien)

lediglich

zur

818

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§ 3.

Maßgabe derselben der Gewerbesteuer in Preußen unterworfen. Drselben find verpflichtet, auf Erfordern bei der Steuerverwaltung einet in Preußen wohnhaften Vertreter zu bestellen, welcher für die Erfülung aller dem Inhaber des Unternehmens obliegenden Verpflichtunget solidarisch hastet. Befreiungen. § 3. Von der Gewerbesteuer sind befreit: 1. das Deutsche Reich und der Preußische Staat; 2. die Reichsbank; 3. die landschaftlichen Kreditverbände, sowie die öffentlichen Versicherungsanstalten; 4. die Kommunalverbände wegen folgender von ihnen betrie­ benen gewerblichen Unternehmungen: a) der zu gemeinnützigen Zwecken dienenden Geld- und Kredit­ anstalten, als Sparkassen, Landeskreditkassen, LandeSkultur-Rentenbanken, Bezirks- und ProvinzialHülss- und DarlehnSkassen u. s. w.; b) der Kanalisations- und Wasserwerke, letzterer jedoch nur, soweit fich der Betrieb auf den Bezirk der unter­ nehmenden Gemeinde beschränkt; c) der Schlachthäuser und Viehhöfe; d) der Markthallen; e) der Volksbäder; f) der Anstalten zur Beleihung von Pfandstücken. Der Finanzminister ist ermächtigt, auch für andere im öffent­ lichen Jntereffe unternommene gewerbliche Betriebe der KommunalverErfüllung der aus den Versicherungen entstandenen Verpflichtungeil und zur Deckung der Geschäftsunkosten verwendet, die etwa überschießenden Beträge den Mitgliedern zurückerstattet oder angerechnet und daneben Erwerbszwecke nicht verfolgt werden. Dgl. Art. 3. 19 Anw.

3« »3, «bf.1, Nr. 1-3. Dergl. Art. 4 Anw., Nr. 1-4; Art. 5 Anw.. Abs. 2; Art. 6 Anw., Abs. 3. ; Art. 7 Anw. R. d. F.M. v. 11. April 1892 betreffend Steuerfreiheit der Seehandlun^g (M. 26 S. 35).

3u 13. Vgl. die Anfangsnoten Nr. 2 u. 8a und R. v. 7. Dezember 1894 betreff, dass Guthaben der Mitglieder eines Post-, Spar- und Vorschußvereins. M. 30 S. 47.

Zu § 3 Nr. 4. R. d. F.M. v. 3. Oktober 1893 betreffend die Besteuerung städuscher Wasser? werke (M. 29 S. 31), u. R. d. F.M. v. 4. März 1893 betreffend die Besteuerungg städtischer Gasanstalten (M. 26 S. 35).

bände Steuerfreiheit zu gewähren. So lange solche Betriebe ertrag« lo8 find, muß auf Antrag vom Finanzminister die Steuerfreiheit ge­ währt werden. Der Finanzminister ist ermächtigt, vorstehende Bestimmungen auch auf Unternehmungen anderer Korporationen, Vereine und Personen, welche nur wohlthätige oder gemeinnützige Zwecke unter Aus­ schluß eines Gewinnes für die Unternehmer verfolgen (z. B. öffentliche Volksküchen, Kaffeeschänken, Volksbibliotheken und dergleichen), zu erstrecken, und finden dieselben zugleich in betreff der Betriebssteuer (§§ 59 ff.) Anwendung. §4. Der Gewerbesteuer unterliegen nicht: 1. die Land-und Forstwirthschaft, die Viehzucht, die Jagd, die Fischzucht, der Obst- und Weinbau, der Garteubau — mit Ausnahme der Kunst- und Handelsgärtnerei — einschließ­ lich des Absatzes der selbstgewonneneu Erzeugniffe in rohem Zustande oder nach einer Verarbeitung, welche in dem Bereiche des betreffenden Erwerbszweiges liegt. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung auf die­ jenigen, welche gewerbsweise Vieh von erkauftem Futter unter­ halten, um es zum Verkaufe zu mästen oder mit der Milch zu handeln, sowie auf diejenigen, welche die Milch einer Heerde, das Obst eines Gartens, den Fischfang in geschloffenen Ge­ wässern und ähnliche Nutzungen abgesondert zum Gewerbebetriebe pachten; 2. die landwirthschaftlichen Branntweinbrennereien (§41 Ia des Gesetzes, betreffend die Besteuerung deS Brannt­ weins, vom 24. Juni 1887, Reichs-Gesetzbl. S. 253); 3a § 4 Nr. I. Vgl. Art. 8 der Anw. u. C.R. v. 14. Februar 1894 betreff, die Gewerbesteuerpflicht der Kunst- und Handelsgärtnereien. M. 30 S. 46.

3« § 4 Nr. 2. Als landwirthschaftliche Brennereien gelten solche, bei deren Betrieb a) ausschließlich Getreide oder Kartoffeln verarbeitet; b) sämmtliche Rückstände in einer oder mehreren den Brennereibefltzern gehörenden oder von denselben betriebenen Wirthschaften verfüttert werden, und c) der erzeugte Dünger vollständig auf dem den Brennereibefltzern ge­ hörigen oder von denselben bewirthschafteten Grund und Boden ver­ wendet wird. Vgl. auch C.R. v. 17. Dezember 1894 betreff, landwirthschaftliche Brennereien. M. 30 S. 48.

820

Gesetz vom 24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.) § S.

3. der Bergbau; 4. die Ausbeutung von Torfstichen, von Saud-, sKies-, Lehm-, Mergel-, Thon- und dergleichen Gruben, von Stein-, Schiefer-, Kalk-, Kreide- und dergleichen Brüchen, einschließlich des Absatzes der felbstgewonnenen Erzeugnisse, sofern nicht eine weitere Bearbeitung behufs Darstellung einer Handels­ waare hinzutritt; 5. der Handel außerpreußifcher Gewerbetreibender a) auf Messen und Jahrmärkten, b) mit Verzehrungsgegenständen des Wochenmarktverkehrs auf Wochenmärkten; 6. der Betrieb der Eisenbahnen, welche der Eisenbahnabgabe nach Maßgabe der Gesetze vom 30. Mai 1853 (Gesetzsamml. S. 449) und vom 16. März 1867 (Gesetzsamml. S. 465) unter­ liegen; 7. die Ausübung eines amtlichen Berufes, der Kunst, einer wissenschaftlichen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erziehenden Thätigkeit, insbesondere auch des Berufes als Arzt, als Rechtsanwalt, al« vereideter Land- und Feldmesser, sowie als Markscheider. §5. Der Gewerbesteuer sind ferner nicht unterworfen: Ver­ eine, eingetragene Genossenschaften und Korporationen, welche nur die eigenen Bedürfnisse ihrer Mitglieder an Geld, Lebensmitteln und anderen Gegenständen zu beschaffen bezwecken, wenn fie satzungsgemäß und thatsächlich ihren Verkehr auf ihre Mitglieder beschränken und 3« I 4 Xr. 8. 4. Sgl. Art. 8 u. 9 Anw. R. d. F.M. v. 30. Oktober 1893 betreffend die Steuerfreiheit des Bergbaues und der bergbaulichen Nebenbetriebe (M. 29 S. 30) und R. d. F.M. v. 16. Januar 1893 betreffend dir Steuerpflicht der Salinen (M. 26 S. 34).

Zuß 4 Nr. 6-7. Brrgl. Art. 10 Anw.

Zu 8 6 Abs. 1. 2. Die Beschränkung deS Verkehrs auf die Mitglieder muß nicht nur in den Statuten angeordnet sein, sondern auch thatsächlich geübt werden. Daffelbe gilt von der Ausschließung der Gewinnvercheilung. Als Gewinnvertheilung gilt so­ wohl die baarr Auszahlung als auch die Gutschreibung der Gewinne. AIS offener Laden ist nicht nur ein mit WaarenauSlagen oder sonstigen Ein­ richtungen zur Anziehung deS Publikums (Schaufenster u. f. w.) versehenes Geschäft, sondern überhaupt jedes Lokal anzusehen, welches zum Verkauf von vorhandenen Waarenvorräthen im Kleinverkehr an daS Publikum dient. Vgl. auch Art. 11 Anw.

Gesetz vom 24. Jmii 1891. (Gewerbesteuer.) §§ 6, 7.

82 t

keinen Gewinn unter die Mitglieder vertheilen, auch eine Ber­ theilung des auS dem Gewinne angesammelten Vermögens unter die Mitglieder für den Fall der Auflösung ausschließen. Konsumvereine mit offenem Laden unterliegen der Besteue­ rung; ebenso unter derselben Voraussetzung Konsumanstalten, welche von gewerblichen Unternehmern im Nebenbetriebe unterhalten werden. Molkereigenossenschaften, Winzervereine und andere Ver­ einigungen zur Bearbeitung und Verwerthung der selbstgewonnenen Er­ zeugnisse der Theilnehmcr unterliegen der Gewerbesteuer nur unter den­ selben Voraussetzungen, unter welchen auch der gleiche Geschäftsbetrieb des einzelnen Mitgliedes hinsichtlich seiner selbstgewonnenen Erzeugnisse der Gewerbesteuer unterworfen ist. Steuerklassen. § 6.

Die Besteuerung erfolgt in vier Gewerbestenerklassen. In Klasse I find diejenigen Betriebe zu besteuern, deren jährlicher Ertrag 50000 Mark oder mehr, oder bei denen der Werth des Anlageund Betriebskapitals 1000 000 Mark oder mehr beträgt. Die Gewerbesteuerklasse II umfaßt die Betriebe mit einem jähr­ lichen Ertrage von 20000 bis ausschließlich 50000 Mark, oder mit einem Anlage- und BetriebSkapitale im Werthe von 150000 bis aus­ schließlich 1000000 Mark. Zur Gewerbesteuerklasse III gehören die Betriebe mit einem jährlichen Ertrage von 4000 bis ausschließlich 20000 Mark, oder mit einem Anlage- und Betriebskapitale im Wnrthe von 30000 bis aus­ schließlich 150 000 Mark. Zur Gewerbesteuerklasse IV gehören die Betriebe mit einem jähr­ lichen Ertrage von 1500 bis ausschließlich 4000 Mark, oder mit einem Anlage- und Betriebskapitale von 3000 bis ausschließlich 30 000 Mark. § 7.

Betriebe, bei denen weder der jährliche Ertrag 1500 Mark noch das Anlage- und Betriebskapital 3000 Mark erreicht, bleiben von der Gewerbesteuer befreit. R. d. F. M. v. 22. November 1892 betreffend Depositen, und Spareinlagen der Vorschub- und Kreditverrine (M. 26 S. 35) u. v. 25. November 1893 betreffend denselben Gegenstand (M. 29 S. 31).

3« § 6 «bs.3. Dgl. § 67 d. Ges. und Art. 8 der Anw.

3-8«. Vgl. Art. 15 Anw. R. v. 1. Dezember 1892 betreffend Berechnung des Anlage, unb Betriebskapitals (M. 26 S. 36) und v. 21. März 1893 (M. 26 S. 37).

822

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 8, 9, 10.

Auf die Betriebssteuer (§§ 59ff. dieses Gesetzes) findet diese Bestimmung keine Anwendung. § 8.

Betriebe, deren Zugehörigkeit zu einer der Steuerklassen I, II, III lediglich durch die Höhe des Anlage- und Betriebskapitals bedingt ist, find auf Antrag des Steuerpflichtigen in die dem Ertrage entsprechende Steuerklaffe zu versetzen, wenn der erzielte Ertrag nachweislich zwei Jahre lang die Höhe von 30 000 Mark in Klaffe I, 15 000 Mark in Klaffe II und von 3000 Mark in Klaffe III nicht erreicht hat. Auf Konsumvereine und Konsumanstalten, welche nach § 5 gewerbesteuerpflichtig find, findet diese Bestimmung keine Anwendung. Veranlagung in Klasse!. §9. Die Steuer ist in Klasse I von jedem Gewerbebetriebe mit Einem vom Hundert des jährlichen Ertrages mit der Maßgabe zu entrichten, daß bei einem Ertrage von 50 000 bis 54 800 Mark (ausschließlich) die Steuer — 524 Mark betrügt, und für die höheren, in Stufen von je 4800 Mark steigenden Erträge die Steuersätze in Stufen von je 48 Mark steigen. Für Erträge unter 50 000 Mark tönneu geringere Steuersätze als 524 Mark, jedoch nicht unter 300 Mark unter Beachtung der Vor­ schrift im letzten Absätze des § 14 angesetzt werden. § 10.

Veranlagungsbezirke für die Klaffe I find die einzelnen Pro­ vinzen und die Stadt Berlin. Die Veranlagung erfolgt durch den für jeden BeranlagungSbezirk zu bildenden Steuerausschuß, deffen Mitgliederzahl vom Finanzminister zu bestimmen ist, jedoch wenigstens aus sechs Personen bestehen muß. Zwei Drittel derselben werden für drei Jahre von dem PrvvinzialauSschuffe, in Berlin vom Magistrate und der Stadtverordnetenversammlung in gemeinschaftlicher Sitzung aus den Gewerbetreibenden des Bezirks gewählt. Ein Drittel der Mit­ glieder und den Vorfitzendrn des SteuerauSschuffes ernennt der Finanz­ minister. Der Vorfitzende und die ernannten Mitglieder können den Steuerausschüffen mehrerer Provinzen angehören. 3» »7. Dgl. Art. 1 Anw.

3n §S 8. 9. Vgl. Art. 15 Anw. u. R. v. 3. Juni 1893 (M. 29 S. 32) und C R. v. 8. Septbr. 1894 betreff, die Veranlagung der Betriebe der Steuerklaffe. I. M. 30 S. 49.

3« § 10. Vgl. Art. 20, 21 Anw.

Gesetz vom 24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.) §§ 11, 12, 13, 14

823

Veranlagung in Klasse II bis IV. § 11.

Veranlagungsbezirke bilden für Klasse II die Regierungsbezirke, für Klassen III und IV die Kreise. Die Stadt Berlin bildet für jede Klaffe einen Veranlagungsbezirk. § 12.

Durch Bestimmung des Finanzministers können innerhalb der Provinz für Klaffe I, des Regierungsbezirks für Klaffe II und des Kreises für die Klaffen III und IV, sowie innerhalb der Stadt Berlin für jede Klaffe mehrere Veranlagungsbezirke gebildet werden. In gleicher Weise können für die Klaffen III und IV mehrere Kreise zu einem Veranlagungsbezirke vereinigt werden. Steuergesellschasten. § 13. Die Steuerpflichtigen des Veranlagungsbezirks werden in jeder der Klassen II bis IV zu einer Steuergesellschaft vereinigt, welche für das Veranlagungsjahr die Summe der für jeden Betrieb in Ansatz kommenden Mittelsätze — abzüglich beziehungsweise zusätzlich des durch Entscheidungen über eingelegte Rechtsmittel (§§ 35 ff.) verursachten Zu­ beziehungsweise Abgangs gegen die Veranlagung des Vorjahres — aus­ zubringen hat. Die aufzubringende Steuersumme wird auf den durch die zuläsfigen Steuersätze darstellbaren Betrag abgerundet. Steuersätze. § 14. Die Mittelsätze betragen: in Klaffe II.................................. 300 Mark, in Klaffe III........................................80 in Klaffe IV........................................ 16 Die bei der Steuervertheilung zuläsfigen geringsten und höchsten Steuersätze bettagen in Klaffe II........................ 156 bis 480Mark, in Klaffe III..........................32 bis 192 in Klaffe IV.................... 4 bis 36 3» 88 u. 12. Vgl. Art. 20 Anw.

3«S 13. Vgl. Art. 15 Anw. und R. v. 2. Februar 1894.

M. 30 S. 51.

3» § M. Vgl. Art. 15 Anw. u. R. v. 26. Oktober 1893 («Dl. 29 S. 34).

Die Steuersätze sollen bis zu 40 Marl um je 4 Mark, von da ab bis 96 Mark um je 8 Mark, weiter bis 192 Mark um je 12 Mark und weiter bis zu 480 Mark um je 36 Mark steigend ab­ gestuft werden. SteuerausschLsse. § 15. 1. Behufs Veranlagung der Gewerbesteuer der Klaffen II, III und IV wird für jede Klaffe und jeden Bezirk (§§ 6,11 und 12) ein Steuerausschuß gebildet, welcher aus einem Kommissar der Dezirksregierung als Vorsitzenden und von den Steuerpflichtigen der betreffenden Klaffe (Steuergesellschast) aus ihrer Mitte für drei Jahre gewählten Abgeordneten besteht. Letztere, deren Anzahl vom Finanzminister bestimmt wird, haben die Steuersumme nach ihrer Kenntniß oder Schätzung des ErtragsverhältniffcS unter die einzelnen Mitglieder der Steuergesellschaft zu ver­ theilen. Dem Kommissar der Regierung steht die Befugniß zu, hierbei den Vorsitz zu übernehmen; er hat jedoch nur im Falle der Gleichheit der Stimmen der Abgeordneten ein Stimmrecht. 2. Mit Ausnahme derjenigen Betriebe, welche bei geringerem als dem für die betreffende Klaffe maßgebenden Ertrage (§ 6) wegen der Höhe des Anlage- und Betriebskapitals der Steuergesellschast zugehören, soll die Steuer der einzelnen Gewerbebetriebe den für Klaffe I vor­ geschriebenen Prozentsatz des Ertrages unter Berückfichtigug der zulässigen Steuersätze (§ 14) nicht übersteigen. Ermäßigung bis aus den diesem Prozentsätze entsprechenden Steuersatz kann von den Steuerpflichtigen im Wege des Einspruchs und der Berufung (§§ 35 ff.) beansprucht werden. 3. Sollte die Steuersumme einer Gesellschaft bei vorschriftsmäßiger Steuervertheilung nicht ausgebracht werden können, ohne die Gewerbe­ betriebe, deren Ertrag die für die betreffende Klaffe maßgebende Höhe erreicht (§ 6), mit Steuersätzen zu belegen, welche das vorstehend (Nr. 2) bestimmte Maß übersteigen, so hat der Finanzminister die erforderliche Herabsetzung der Steuersumme zu verfügen. § 16. Die erstmaligen Wahlen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden für Klaffe II von den Steuerpflichtigen der bisherigen Klaffe AI 3» § 15. Dgl. Art. 15, 21, 22 Anw. u. R. v. 9. Mai 1893 (M. 29 S. 34) u. 2. August 1893 u. 15. November 1893 (M. 29 S. 35).

Gesetz vom

24.

Juni

1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 16, 17, 18, 19.

825

bewirkt, für Klaffe III von den übrigen Steuerpflichtigen, deren bis­ heriger Gewerbesteuersatz 36 Mark oder mehr beträgt, für Klaffe IV von den Steuerpflichtigen mit einem bisherigen Steuersätze von weniger als 36 Mark nach Ausscheidung derjenigen, deren Befreiung von der Ge­ werbesteuer auf Grund des § 7 nach der Feststellung der bisherigen Veranlagungsbehörde keinem Zweifel unterliegt. Ort der Veranlagung und Veranlagungsgrundsätze. § 17.

Mehrere Betriebe derselben Person werden als ein steuer­ pflichtiges Gewerbe zur Steuer veranlagt. Die auf Grund des § 5 steuerpflichtigen Konsumanstalten gewerblicher Unternehmer find jedoch von den sonstigen Betrieben der Unternehmer getrennt zur Steuer heran­ zuziehen. Die Besteuerung erfolgt in dem Veranlagungsbezirke, in welchem das Gewerbe betrieben wird. Findet der Betrieb in mehreren Veranlagungsbezirken statt, so erfolgt die Besteuerung in dem Bezirke, in welchem die Geschäfts­ leitung des Unternehmens ihren Sitz oder der in § 2 Abs. 2 erwähnte Vertreter seinen Wohnsitz hat. Daffelbe gilt, wenn mehrere Gewerbe von derselben Person betrieben werden. Erforderlichenfalls bestimmt der Finanzminister endgültig den Veranlagungsbezirk, in welchem die Besteuerung stattzufinden hat. § 18. Gewerbe, welche von mehreren Personen gemeinschaftlich betrieben werden, find ebenso zn besteuern, als wenn sie nur von einer Person betrieben würden. Für die Erfüllung der nach diesem Gesetze den Steuerpflichtigen obliegenden Verpflichtungen hasten die Theilnehmer (Gesellschafter) soli­ darisch. § 19.

Der Gewerbebetrieb der juristischen Personen und Vereine wird wie derjenige physischer Personen besteuert. 3« § 17. Vgl. Art. 2 Anw. und R. v. 1. Dezbr. 1894 (Ort der Veranlagung der Dampf­ schiff-Restaurateure. M- 30 S. 51). Bek. v. 22. Dezember 1894 betreff, die Veranlagung der Gewerbebetriebe des Staats. M. 30 S. 52.

3- M 18-20. Vgl. Art. 12 Anw.

826

Gesetz vom 24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.) §§ 20, 21, 22.

Für die Erfüllung der nach diesem Gesetze den Steuerpflichtigen ob­ liegenden Verpflichtungen haften bei Aktiengesellschaften und sonstigen durch einen Vorstand vertretenen Gesellschaften, Genoffenschasten u. s. w. und bei juristischen Personen der Vorsitzende und jedes Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes, bei Kommanditgesellschaften und Kom­ manditgesellschaften auf Aktien die persönlich hastenden Gesellschafter. Die Erfüllung der Verpflichtung seitens Eines der dafür Hastenden befreit die übrigen von ihrer Verbindlichkeit. § 20.

Betreibt die Ehefrau eines Gewerbetreibenden, welche nicht dauernd von demselben getrennt lebt, ein eigenes Gewerbe, so ist der Ertrag beziehungsweise das Anlage- und Betriebskapital dieses Gewerbes demjenigen des Ehemannes zuzurechnen und findet eine gesonderte Be­ steuerung des ersteren nicht statt. §

21.

Bei inländischen Gewerben, welche außerhalb Preußens einen stehenden Betrieb durch Errichtung einer Zweigniederlassung, Fabri­ kations-, Ein- oder Verkaufsstätte oder in sonstiger Weise unter­ halten, bleibt derjenige Betrag des Ertrages beziehungsweise des Anlageund Betriebskapitals, welcher aus den in anderen Bundesstaaten unterhaltenen Betrieb entfällt, für die Besteuerung außer Ansatz, jedoch nach Abzug des auf die in Preußen befindliche Geschäftsleitung zu rechnenden Antheils von einem Zehntel des Ertrages, soweit nicht das Reichsgesetz wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 119) entgegensteht. §

22.

Bei AuSmittelung des Ertrages kommen alle Betriebskosten und die Abschreibungen, welche einer angemessenen Berücksichtigung der Werthsverminderung entsprechen, in Abzug. Insbesondere kann auch die Werthsverminderung derjenigen Gegenstände, welche aus dem Bettiebe 3« I 21. 1. Rach § 3 des ritirtm Gesetze- darf der Grundbesitz und der Betrieb eines Gewerbes, sowie das aus diesen Ouellen herrührende Einkommen nur von demjenigen Bundesstaate besteuert werden, in welchem der Gmndbesitz liegt oder das Gewerbe betrieben wird. 2. De» Bundesstaaten stehen das Reichsland Elsaß-Lothringen und die deut­ schen Schutzgebiete gleich. § 6 Abs. 3 R.Ges. v. 15. März 1888. R.Ges.Bl. S. 71. 8. Bgl. Art. 3,19 Anw.

3® § 22. Als zur Verbesserung oder Geschäftserweiterung verwendet gelten diejenigen Ausgaben, welche weder zur Deckung von laufenden Betriebsunkosten noch

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

827

§§ 23, 24, 25.

ausscheiden, nach Maßgabe ihres Buchwerthes abgeschrieben werden. Dem Ertrage zuzurechnen find die aus den Betriebseinnahmen bestritte­ nen Ausgaben für Verbefferungen und Geschäftserweiterungen, sowie für den Unterhalt des Gewerbetreibenden und seiner Angehörigen. Nicht abzugsfähig find Zinsen für das Anlage- und Betriebskapital, dasselbe mag dem Gewerbetreibenden selbst oder Dritten gehören, und für Schulden, welche behufs Anlage oder Erweiterung des Geschäfts, Ver­ stärkung des Betriebskapitals oder zu sonstigen Verbesserungen auf­ genommen find. § 23.

Das Anlage- und Betriebskapital umfaßt sämmtliche dem be­ treffenden Gewerbebetriebe dauernd gewidmeten Werthe. § 24.

Die

Veranlagung

der

Gewerbesteuer

erfolgt

für

jedes

Steuerjahr. Für die Steuerveranlagung maßgebend ist der Ertrag des bei Vor­ nahme derselben abgelaufenen Jahres, beziehungsweise das Anlage- und Betriebskapital nach seinem mittleren Stande im abgelaufenen Jahre. Besteht der Gewerbebetrieb noch nicht ein Jahr lang, so ist der Ertrag und das Betriebskapital nach dem zur Zeit der Veranlagung vorliegenden Anhalt zu schätzen. Während des Steuerjahres eintretende Aenderungen find erst bei der Besteuerung für das folgende Jahr zu berückfichtigen. Befugnisse des Steuerausschusses beziehnngweise des Vorsitzenden. § 25.

Der Vorsitzende des Steueransschusses, welcher zugleich das Interesse des Staates vertritt, hat die Geschäfte des Steueransschusses vorzubereiten, zu leiten und dessen Beschlüsse auszuführen. Zum Zweck der richtigen Veranlagung der Steuerpflichtigen hat er die erforderlichen Nachrichten über ihren Gewerbebetrieb einzuziehen. zur Erhaltung imb Fortführung sondern

des Betriebes

mit welchen Einrichtungen

in dem bisherigen Umfange dienen,

oder Anlagen

zur Erzielung eines höheren Be­

trages oder zur Ausdehnung des Betriebsumfanges bestritten

werden.

Vergl. auch

Art. 16 Anw.

3« § 23. Vgl. Art. 17 Anw.



.

8 24

Vgl. Art. 18 Anw. u. R. v. 23. Dezember 1893 betreffend ii. v. 3. November 1893 (M. 29 S. 33, 36).

3» § 25 Abs. 1. Vgl. Art. 22, 23 Anw.

Aktiengesellschaften

828

Gesetz vom 24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.) §§ 26, 27, 28.

Hierbei kann er sich nach seinem Ermessen der Mitwirkung der Gemeinde-(Guts-)Vorstände und der Verwaltungsbehörden be­ dienen, welche seinen Aufforderungen Folge zu leisten schuldig sind. Der Vorsitzende kann den Steuerpflichtigen auf Antrag oder von Amtswegen Gelegenheit zur persönlichen Verhandlung über die für die Veranlagung erheblichen Thatsachen und Verhältniffe gewähren, auch eine Besichtigung der gewerblichen Anlagen, Betriebsstätten und Vorräthe während der Arbeitsstunden veranlassen. Sämmtliche Staats- und Kommunalbehörden haben dem Vorsitzen­ den die Einsicht aller, die Gewerbsverhältniffe der Steuerpflichtigen be­ treffenden Bücher, Akten, Urkunden u. s. w. zu gestatten, sofern nicht be­ sondere gesetzliche Bestimmungen oder dienstliche Rücksichten entgegenstehen. § 26. Der Steuerausschuß ist berechtigt, Sachverständige und Aus­ kunstspersonen zu vernehmen, nöthigensalls auch dieselben zu beeidigen oder deren eidliche Vernehmung zu veranlassen. Dieselben können die Auskunstertheilung auf die ihnen vorgelegten Fragen nur aus den nach Bestimmung der Civilprozeßordnung zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigenden Gründen ablehnen. Per­ sonen, welche bei dem Steuerpflichtigen bedienstet sind oder waren, bleiben von der Vernehmung ausgeschlossen, insofern der Steuerpflichtige damit nicht einverstanden ist. § 27. Eine Vorlegung der Geschäftsbücher des Gewerbetreibenden findet nur statt, wenn dieser selbst dazu bereit ist. Zur Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen ist der Ge­ werbetreibende in keinem Falle verpflichtet. Mit der Besichtigung der Anlagen, Betriebsstätten und Vorräthe (§ 25 Absatz 4) können ohne Zustimmung des Gewerbe­ treibenden andere Personen, als Staatsbeamte, nicht beauftragt werden. Besondere Verpflichtungen der Aktiengesellschaften. § 28. Juristische Personen, Aktiengesellschaften, Kommandit­ gesellschaften aus Aktien, eingetragene Genossenschaften und 3u | 26. Dgl. Art. 24 Anw. 3« § 27. Vgl. Art. 23, 24 Anw. und R. d. F.M. v. 18. August 1896 betreffend Vor­ legung der Geschäftsbücher. M. 34 S. 34. 3« § 28. Vgl. R. d. F.M. v. 27. Mai 1896 betreff, die Verpflichtung der Genossenschaften zur Einreichung ihrer Bilanzen und Geschäftsberichte. M. 34 S. 33.

Geseh vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 29, 30, 31, 32.

829

alle zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten gewerblichen Unter­ nehmungen find verpflichtet, ihre Geschäftsberichte und Jahresabschlüsse, sowie darauf bezügliche Beschlüffe der Generalversammlungen nach den näheren Bestimmungen des Finanzministers

alljährlich der Bezirks­

regierung einzureichen. Namentliche Nachweisungen für Klasse II bis IV.

§ 29. Die der Veranlagung zu Grunde zu legende namentliche Nach­ weisung der Steuerpflichtigen wird für die Klaffen II, III und IV durch die Steuerausschüsse festgestellt. Dem Vorsitzenden steht das Recht der Berufung an die Bezirksregierung zu. Er hat von der Ausübung dieses Rechts dem Steuerausschuffe Mittheilung zu machen, auch dessen Erklärung darüber zu erfordern und der Berufungsschrift beizufügen. Gegen die Entscheidung der Bezirksregierung steht nur dem Steuer­ ausschusse binnen zehntägiger Ausschlußfrist nach erfolgter Mittheilung an die Mitglieder die Beschwerde an den Finanzminister zu. Berufungsrecht des Vorsitzenden in Klasse I.

§ 30. Gegen die Veranlagungsbeschlüffe des Steuerausschuffes der Klaffe I steht dem Vorsitzenden die Berufung an die Bezirksregierung am Sitz des Steuerausschuffes zu. Dem Steuerausschuffe ist davon Mit­ theilung zu machen und Gelegenheit zu geben,

den augefochtenen Be­

schluß zu begründen. Gewerbesteuerrolle.

§ 31. Die aus den Steuerlisten der einzelnen Steuerklassen zusammen­ zustellenden Gewerbesteuerrollen für die Erhebungsbezirke werden von der Bezirksregierung festgesetzt.

Dieselbe ist befugt, Rechnungsfehler zu

berichtigen. Die Gewerbesteuerrolle ist zur Einsicht der Steuerpflichtigen des Veranlagungsbezirkes während einer Woche öffentlich auszulegen. Diese Auslegung ist eine Woche vorher bekannt zu machen. Benachrichtigung der Steuerpflichtigen.

§ 32. Das Ergebniß der Veranlagung hat der Vorsitzende des Steuer­ ausschusses jedem Steuerpflichtigen mittelst einer, zugleich eine Beleh­ rung über die Rechtsmittel enthaltenen Zuschrift bekannt zu machen.

Zu § 32 Abs. 2. 1.

Die Zustellungen sind hiernach durch einen öffentlichen Beamten unter Be­

scheinigung der Behändigung Zustellung ersucht werden.

auszuführen.

Die Post kann

um

die Bewirkung der

In beiden Fällen gilt die Zustellung für vollzogen, auch

wenn die Annahme verweigert wird.

830

Gesetz vom 24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.) §§33, 34.

Auf die von betn Vorsitzenden des Steuerausschufses zu bewirkenden Zustellungen an Steuerpflichtige finden die Bestimmungen im § 53 des Einkommensteuergesetzes Anwendung. Begrenzung der Steuerpflicht. § 33. Die Steuerpflicht beginnt mit dem Anfange des auf die Er­ öffnung des Betriebes folgenden Kalendervierteljahres und dauert bis zum Ende desjenigen Kalendervierteljahres, in welchem das Gewerbe abgemeldet wird. Erfolgt die Abmeldung in demselben Vierteljahr, in welchem der Betrieb begann, so ist der Gewerbetreibende für ein Vierteljahr steuerpflichtig. Zeitweilige durch die Natur des Gewerbes bedingte Unterbrechung befreit nicht von der Steuerverpflichtung für die Zwischenzeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebes im Laufe deffelben oder des nächstfolgenden Jahres. Zugang im Laufe des Jahres. § 34. Gewerbetreibende, welche nach Beginn der jährlichen Veranlagung einen Betrieb anfangen, sind durch den Vorsitzenden des Steuerausschuffes der Klaffe IV nach der Höhe des muthmaßlichen Ertrages beziehungs­ weise Anlage- und Betriebskapitals der entsprechenden Steuerklasse zu' zuweisen. Dieselben werden in Klaffe II bis IV mit dem Mittelsatze (§ 14), in Klaffe I, vorbehaltlich der Feststellung des Steuersatzes durch den Steuerausschuß bei dem Zusammentreten desselben, vorläufig mit dem vom Vorsitzenden bestimmten Steuersätze in Zugang gestellt. Die Feststellung durch den Steuerausschuß der Klasse I hat — auch wenn sie erst im nächstfolgenden Steuerjahre stattfindet — die Wirkung, daß der Steuerpflichtige zur Nachentrichtung des infolge der vorläufigen Bestimmung des Steuersatzes durch den Vorsitzenden zu Sind Wohnsitz und Aufenthalt unbekannt, so kann die Zustellung durch An­ heftung des zuzustellenden Schriftstücks an der zu Aushängen der Gemeinde des Beranlagungsortes bestimmten Stelle erfolgen. Die Zustellung gilt für vollzogen, wenn seit der Anheftung zwei Wochen verstrichen sind. Auf die Gültigkeit der Zu­ stellung hat es keinen Einfluß, wenn das Schriftstück von dem Orte der Anheftung zu früh entfernt wird. Die außerhalb Preußens zu bewirkenden Zustellungen könne» mittelst einge­ schriebener Briefe erfolgen. Die Zustellung gilt mit der Aufgabe zur Post für vollzogen. 2. Wegen des Verschlusses des VeranlagungS-Benachrichtigungsschreibeus vgl. R. d. F.M. v. 25. Juli 1896. M. 34 S. 34. Zu ft 33.

Dgl. Art. 13 d. Anw. u. R. v. 11. November 1893 (M. 29 S. 33).

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 35, 36, 37.

831

wenig Gezahlten verbunden ist und ein zuviel gezahlter Betrag er­ stattet wird. Die Bekanntmachung an den Steuerpflichtigen erfolgt nach Vor­ schrift des § 32. Den Steuerpflichtigen der Klasse I stehen gegen die Fest­ setzung des Steuerausschuffes die Rechtsmittel nach Maßgabe der §§ 35ff. offen. Die Steuerpflichtigen der Klasse II, III, IV können dieselben Rechtsmittel nur wegen vermeintlich unrichtiger Bestimmung der Steuer­ klasse einlegen. Rechtsmittel. § 35. Gegen das Ergebniß der Veranlagung steht dem Steuerpflichtigen das Rechtsmittel des Einspruchs bei dem StcuerauSschuffe zu. Daffelbe ist bei dem Vorsitzenden des Ausschusses binnen einer Ausschlußfrist von vier Wochen einzulegen, welche von dem aus die Zu­ stellung der Steuerzuschrist (§§ 32 und 34) folgenden Tage ab läuft. § 36. Gegen die Entscheidung des Steuerausschuffes über den Einspruch steht sowohl dem Vorsitzenden als dem Steuerpflichtigen binnen der im § 35 bestimmten AuSschlußfrist das Rechtsmittel der Berufung an die Bezirksregierung (§§ 29 und 30) zu. Der Steuerpflichtige hat das Rechtsmittel beim Vorsitzenden des Steuerausschuffes einzulegen. Für den Vorsitzenden läuft diese Frist vom Tage der Entscheidung. § 37. Gegen die Entscheidung über die Bemfung steht dem Steuer­ pflichtigen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, welche innerhalb der im § 35 bestimmten Ausschlußfrist bei der Bezirks­ regierung (§§ 29 und 30) einzulegen ist, und nur darauf gestützt wer­ den kann: 1. daß die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts, ins­ besondere auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständig­ keit erlassenen Verordnungen beruhe; 2. daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. 8 45

.

Vgl. b. R. d. F. M. v. 26. April u. 28. August 1893 (M. 29 S. 39).

Zu 9 37 Abs. 3. Die citirten Bestimmungen lauten: §45. Der Vorsitzende der Berufungskommission überreicht die bei ihm eingegangene Beschwerde des Steuerpflichtigen mit seiner Gegenerklärung, soweit er solche für er­ forderlich erachtet, dem Obervenvaltungsgericht. Die Beschwerde des Vorsitzenden

832

Gesetz vom 24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.) § 38.

In der Beschwerde ist anzugeben, worin die behauptete Nicht­ anwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, oder worin die behaupteten Mängel des Verfahrens gefunden werden. Die Bestimmungen in §§ 45 bis 49 des Einkommensteuer­ gesetzes finden sinngemäße Anwendung. Verkeilung des Steuersatzes auf mehrere Kommunalbezirke. § 38. Erstreckt sich ein Gewerbebetrieb über mehrere Kommunal­ bezirke und wird für die Zwecke der kommunalen Besteuerung oder kommunaler Wahlen die Zerlegung des Steuersatzes in die auf die einder Berufungskommisflon wird dem Steuerpflichtigen zur schriftlichen Gegenerklärung innerhalb einer bestimmten, von einer bis zu vier Wochen zu bemessenden Frist zugefertigt. §46. Das Oberverwaltungsgericht erläßt seine Entscheidungen in nicht öffentlicher Sitzung, der Regel nach ohne vorherige mündliche Anhörung des Steuerpflichtigen. Es kann jedoch dem Steuerpflichtigen von Amtswegen oder auf Antrag Gelegenheit zur persönlichen Verhandlung über den Gegenstand der Beschwerde ge­ währen. Bei seiner Entscheidung ist es an diejenigen Gründe nicht gebunden, welche zur Rechtfertigung der gestellten Anträge geltend gemacht worden sind. §47. Erachtet das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde für begründet, so kann es die Angelegenheit zur anderweiten Entscheidung an die Berufungskommission zurück­ geben oder selbst die Steuerfestsetzung berichtigen. Im ersteren Falle sind die von dem Gerichtshöfe über die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften gegebenen Weisungen zu befolgen. § 48. Ueber Beschwerden, welche das Verfahren des Vorsitzenden der Berufungs­ kommission aus Anlaß der nach § 44 eingerichteten Beschwerden betreffen, beschließt das Oberverwaltungsgericht. §49. Zm Uebrigen finden auf das Verfahren zum Zwecke der Entscheidung über die Beschwerden (§ 44) die über das Verwaltungsstreitversahren auf Klagen- vor dem Oberverwaltungsgerichte bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere diejenigen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (GesetzSamml. S. 195), des Gesetzes betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte rc. vom V «uguf/mo (Geseh'Samml. 1880 S. 328) und des Gesetzes zur Abänderung des § 29 des letzteren vom 27. Mai 1888 (Geseh-Samml. S. 226) mit der Maßgabe sinngemäße Anwendung, daß die Erhebung eines Pauschquantums auch dann statt­ findet, wenn die Entscheidung ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgt ist, und daß ein Anspruch auf Ersah der Anwaltsgebühren nicht stattfindet.

Zu #38. Dgl. R. d. F. M. v. 28. December 1893 (M. 29 S. 36) u. Anfangsnote 8 c. Vgl. auch R. d. F.M. v. 26. Oktober u. 15. Dezbr. 1896 betreff. Zerlegung des Steuersatzes. M. 34 S. 35.

Gesetz

vom

24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 39, 40, 41, 42, 43.

833

zelnen Betriebsorte entfallenden Thcilbeträge erforderlich, so ist diese von dem veranlagenden Steuerausfchusse zu bewirken. Der Beschluß ist sowohl den betheiligten Kommunen als dem Steuerpflichtigen zuzustellen. Denselben stehen binnen einer Ausschlußsrist von vier Wochen die Berufung an die Bezirksregierung (§§ 29 und 30) und gegen die Berufungsentscheidung in gleicher Frist die Beschwerde an das Ober­ verwaltungsgericht zu. Steuererhebung. § 39. Die Steuer ist in vierteljährlichen Beträgen in der ersten Hälfte des zweiten Monats eines jeden Vierteljahres an die vom Finanzminister als zuständig bezeichnete Stelle abzuführen. Vorausbezahlungen bis zum Jahresbetrage find zuläsfig. § 40. Die Zahlung der veranlagten Steuer wird durch die Einlegung von Rechtsmitteln nicht aufgehalten, muß vielmehr, mit Vorbehalt späterer Erstattung, in den vorgeschriebenen Fristen erfolgen. § 41. Wird ein Gewerbebetrieb von eine^r anderen Person un­ verändert fortgesetzt (z. B. im Falle der Vererbung, Verpachtung, Veräußerung), so ist die veranlagte Steuer bis zum Ablaufe des Steuer­ jahres fortzuentrichten und findet nur eine Umschreibung des Na­ mens statt. Der Verpächter eines Gewerbes hastet für die Jahressteuer solidarisch mit dem Pächter desselben. § 42. Bei Verlegung des Betriebsortes oder des Sitzes der Ge­ schäftsleitung, beziehungsweise des Wohnortes des Gewerbe­ treibenden tritt die erforderliche Uebertragung der Steuer für den Rest des Jahres ohne neue Veranlagung ein. § 43. Im Uebrigen wird das Verfahren bei Zu- und Abgängen durch Bestimmung des Finanzministers geregelt. 3» § 89. Vgl. AnfangSnote Nr. 5.

3« 8 41. Vgl. Art. 12 u. 14 der Anweisung. MarcinowSki, Deutsche Gewerbe-Ordnung. 6. Auflage.

834

Gesetz vom 24.

Juni

1891. (Gewerbesteuer.) §§ 44, 45, 46, 47.

Ermäßigung im Laufe des Steuerjahres. § 44. Wird ein Betrieb durch Tod ober Krankheit des Inhabers, Brand­ unglück, Ueberfchwemmung oder sonstige Ereignisse wesentlich geschädigt, so kann die Steuer für die folgenden Vierteljahre ermäßigt oder er­ lassen werden. Die Entscheidung trifft die Bezirksregierung und auf Beschwerde der Finanzminister. § 45. Veranlagte Gewerbesteuerbeträge können in einzelnen Fällen nieder­ geschlagen werden, wenn deren zwangsweise Beitreibung die Steuer­ pflichtigen in ihrer wirthschastlichen Existenz gefährden, oder wenn das Beilreibungsverfahren voraussichtlich ohne Erfolg sein würde. Bildung und Geschäftsführung der Steuerausschüsse. § 46. Die Wahl der Mitglieder der Steuerausschüsse und einer gleichen Anzahl Stellvertreter findet alle drei Jahre statt. Die Wahlen erfolgen nach relativer Stimmenmehrheit. Das Wahlverfahren wird für die Steuerklaffen II bis IV durch Bestimmung des Finanz­ ministers geregelt. §47. Wählbar find nur solche männliche Mitglieder der betreffenden Klaffe, welche das sünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben und sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. Von mehreren Inhabern eines Geschäfts ist nur Einer wählbar und zur Ausübung der Wahlbefugniß zu verstatten. Aktien- und ähn­ liche Gesellschaften üben die Wahlbefugniß durch einen von dem geschäfts­ führenden Vorstande zu bezeichnenden Beauftragten aus; wählbar ist von den Mitgliedern des geschästsführenden Vorstandes nur Eines. Minderjährige und Frauen können die Wahlbefugniß durch Bevollmäch­ tigte ausüben, wählbar find letztere nicht. 3« §8 44. 46. Vgl. Anfangsnote Nr. 5.

Zu 8§ 46-48. Dgl. Art. 21 der Anweisung. Zu * 47, Abs. S. Zur Ablehnung oder früheren Niederlegung berechtigen folgende Entfch ul digungs gründe: 1. anhaltende Krankheit, 2. Geschäfte, die eine häufige oder lange dauernde Abwesenheit vom Wohnorte mit fich bringen,

Niemand darf mehr als eine Stimme abgeben; die Uebertragung des Stimmrechts ist unzulässig. Die Wahl darf nur aus den im §8 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 (Gesetzsamml. S. 661) an­ gegebenen Gründen abgelehnt werden. Ueber die Zulässigkeit der Ab­ lehnung entscheidet der Vorsitzende des Steuerausschuffes. §48. Wird die Wahl der Abgeordneten und Stellvertreter seitens einer Steuergcsellschaft verweigert oder nicht ordnungsmäßig bewirkt, oder verweigern die Gewählten die ordnungsmäßige Mitwirkung, so gehen die dem Steuerausschusie zustehenden ^Befugnisse für das betref­ fende Steuerjahr auf den Vorsitzenden über. §49. Die Mitglieder der Steuerausschüsfe und deren Stell­ vertreter haben dem Vorsitzenden mittelst Handschlags an Eides­ statt zu geloben, daß sie bei den AuSfchußverhandlungen ohne Ansehen der Person, nach bestem Wissen und Gewissen verfahren und die Verhandlungen, sowie die hierbei zu ihrer Kenntniß gelangenden Berhältniffe der Steuerpflichtigen strengstens geheim halten werden. Das gleiche Gelöbniß haben vor einem Kommiffar der Bezirks­ regierung diejmigen Vorsitzenden abzulegen, welche nicht schon als Beamte beeidigt find. Die bei der Steuerveranlagung betheiligten Beamten find zur Geheimhaltung der Ausschußverhandlungen sowie der zu ihrer Kenntniß gelangenden Verhältnisse der Steuerpflichtigen kraft des von ihnen ge­ leisteten Amtseides verpflichtet. §50. So lange über die Veranlagung oder den Einspruch eines Aus­ schußmitgliedes oder seiner Verwandten oder Verschwägerten in auf- und absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der Seitenlinien berathen und abgestimmt wird, hat dasselbe abzutreten. Der Vorsitzende hat in gleichem Falle den Vorsitz an ein Mitglied abzugeben. §51. Die Bestimmung des Artikels I, Ib und II der Verordnung, be­ treffend die Tagegelder und Reisekosten u. s. w., vom 20. Dezember 3. das Alter von 60 Jahren, 4. die Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes, 5. sonstige besondere Verhältnisse, welche eine gültige Entschuldigung be­ gründen.

Zu §§ 48-51, Abs. 1. Vgl. Art. 22 Anw.

836

Geseh vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 52, 53.

1876 (Gesehsamml. 1877, S. 3) findet auf die Mitglieder der ©teuer« ausschüffe entsprechende Anwendung. Die Gebühren für Zeugen und Sachverständige (§26) werden nach den in Civilprozeffen zur Anwendung kommenden Vorschrif­ ten berechnet. An- und Abmeldung des Gewerbes. §52. Wer den Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, muß der Ge­ meindebehörde des Ortes, wo solches geschieht, vorher oder gleichzeitig Anzeige davon machen. Dieser Verpflichtung wird, soweit nicht im folgenden etwas Anderes bestimmt ist, durch die nach Vorschrift der Gewerbe­ ordnung für das Deutsche Reich (§14) zu machende Anzeige genügt. In der Stadt Berlin ist die vorgeschriebene Anzeige bei der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern zu bewirken. §53. Die Vorstände der Gemeinden(Gutsbezirke) find verpflichtet, von allen bei ihnen eingehenden Gewerbeanmeldungen in der von der Bezirksregierung anzuordnenden Frist der ihnen bezeichneten Veran3» * 61, Abs. 1. 1. Die betreffenden Bestimmungen der Verordnung vom 20. December 1876 lauten wie folgt: 1. An Tagegeldern siud zu gewähren: a)................ b) den zur Veranlagung der Gewerbesteuer der Steuerklaffe A I gewählten Abgeordneten (§9 zu 1. und 4. des Gesetzes vom 19. Juli 1861, betreffend einige Abänderungen des Gesetzes wegen Entrichtung der Ge­ werbesteuer vom 30. Mai 1820, Gesetz-Samml. S. 697), 9 Mark. II. An Reisekosten sind zu gewähren: a) bei Reisen, welche auf Eisenbahnen oder Dampffchiffen gemacht werden können, 13 Pfennige für daS Kilometer und 3 Mark für jeden Zu- und Abgang; b) bei Reisen, welche nicht auf Eisenbahnen oder Dampffchiffen zurückgelegt werden können, für das Kilometer, 1..................... 2. den zu I. unter b aufgeführten Personen 40 Pfennige. 2. Die Vorschriften des § 51, Abs. 1 ist durch das Gesetz v. 22. April 1892 Ges.S. S. 93. dahin deklarirt, daß die daselbst vorgesehenen Sätze der Tagegelder und Reisekosten im Wege der Königlichen Verordnung geändert oder neu be­ stimmt werden können. Diese Verordnung ist unterm 4. Juli 1892 (G.S. S. 201) ergangen.

3a § 51, Abs. 2. Vgl. Art. 24 Anw.

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 54, 55.

837

lagungsstclle Mittheilung zu machen, auch nach Anstellung der erforder­ lichen Erkundigungen über die Steuerpflichtigkeit, beziehungsweise dar­ über, in welcher Klaffe die Besteuerung zu erfolgen hat, sich gutachtlich zu äußern. §.54. Jeder Gewerbetreibende ist verpflichtet, auf Aufforderung des Ge­ meindevorstandes oder des Vorsitzenden des zuständigen Steuerausschuffes, innerhalb der zu bestimmenden, mindestens einwöchentlichen Frist schrift­ lich zu erklären, welches oder welche Gewerbe er treibt oder zu treiben beginnt, welche Betriebsstätten er unterhält, welche Gattungen und wie viele Hülfsperfonen, Gehülfen und Arbeiter und welche Gattung und wie viele Maschinen einschließlich der Mo­ toren im Gewerbebetriebe verwendet werden. Auch andere auf die äußerlich erkennbaren Merkmale des Betrie­ bes gerichtete Fragen ist der Gewerbetreibende wahrheitsgemäß zu be­ antworten verpflichtet. §55. Aus besondere Aufforderung des Vorsitzenden eines zuständigen Steuerausschuffes des Veranlagungsbezirks ist jeder Gewerbetreibende verpflichtet, in verschlossenem Schreiben oder mündlich zu Protokoll zu erklären, ob der jährliche Erttag seines Gewerbebetriebes 1500 bis ausschließlich 4000 Mark, oder 4000 bis ausschließlich 20000 „ oder 20000 bis ausschließlich 50000 „ oder 50000 Mark oder mehr beträgt, und ob der Werth des Anlage- und Betriebskapitals 3000 bis ausschließlich 30000 Mark, oder 30000 bis ausschließlich 150000 „ oder 150000 bis ausschließlich 1000000 „ oder 1000000 Mark oder mehr beträgt. Solche Erklärungen find geheim aufzubewahren. Weitergehende Auskunftsertheilung über die Höhe des Er­ trages, sowie den Werth des Anlage- und Betriebskapitals ist der Gewerbetreibende abzulehnen berechtigt. Die im vorstehenden vor­ geschriebene Auskunft über die Höhe des Anlage- und Betriebskapitals zu ertheilen, find auch diejenigen verpflichtet, welche einen Betrieb neu beginnen.

838

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 56, 57, 58.

Dem Steuerpflichtigen ist aus seinen Antrag, in Fällen, in welchen es fich um einen nur durch Schätzung zu ermittelnden Erttag handelt, gestattet, statt der im Abs. 1 erwähnten Erklärung diejenigen Nach­ weisungen zu geben, deren der Steueransschuß zur Schätzung des Er­ trages bedarf. §56. Die nach den §§ 52 bis 55 den Gewerbetreibenden obliegenden Verpflichtungen find: 1. für Personen, welche unter väterlicher Gewalt, Pflegschaft oder Vormundschaft stehen, von deren Vertretern, 2. für Gewerbebetriebe der Gesellschaften, Genoflenschasten, juristi­ schen Personen, Vereine u. s. w. von den in §§ 18 und 19 be­ ziehungsweise § 2 Abs. 2 bezeichneten Personen zu erfüllen. § 57. Zum Zwecke der erstmaligen Veranlagung der Gewerbe­ steuer nach diesem Gesetze haben 1. für die Orte der bisherigen ersten, zweiten und dritten Ge­ werbesteuerabtheilung die Gemeindevorstände, für die Orte der bisherigen vierten Gewerbesteuerabtheilung des Kreises die Landräthe ein Verzeichniß sämmtlicher daselbst vorhandener Gewerbebetriebe, welche nicht bereits in der letzten Gewerbe­ steuerrolle und den Zugangslisten des letzten Jahres aufgeführt find, aufzustellen und mit gutachtlicher Aeußerung über deren Besteuerung der Bezirksregierung vorzulegen. 2. Die Gewerbetreibenden, welche in mehreren Orten einen be­ stehenden Betrieb unterhalten, haben in der durch öffentliche Aufforderung bestimmten Frist eine schriftliche Erklärung über Ort und Art der einzelnen Bettiebe und über den Sitz der Geschästsleitung an die in der Bekanntmachung bestimmten Stellen einzureichen. In der Folgezeit eintretende Aenderungen des in der Erklärung angegebenen Zustandes find dem Vorsitzenden des Steuerausschuffes, von welchem die Steuer veranlagt wird, schriftlich anzuzeigen. § 58. Das Aufhören eines steuerpflichtigen Gewerbes ist der Hebestelle, an welche die Steuer entrichtet wird — in der Stadt Berlin der Dtrektton für die Verwaltung der direkten Steuern daselbst —, schriftlich anzuzeigen. Die Bezirksregierung kann die Steuer vom Beginne des aus die Betriebsbeendigung folgenden Vierteljahres an in Abgang stellen laffen,

wenn der Zeitpunkt der letzteren feststeht, namentlich im Falle des Todes des Steuerpflichtigen, sofern das Gewerbe von den Erben nicht fortgesetzt ist, im Falle der Konkurseröffnung und in ähnlichen Fallen einer unfreiwilligen Einstellung des Betriebes, sowie im Falle der Uebertragung des Gewerbes auf einen Anderen, wenn letzterer die Steuer fortentrichtet hat. Betriebssteuer. § 59.

Für den Betrieb der Gastwirthschaft, der Schankwirthschaft, sowie des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus ist jähr­ lich eine besondere Betriebssteuer zu entrichten. § 60. Die Betriebssteuer beträgt für jeden, welcher eines oder mehrere dieser Gewerbe, allein oder in Verbindung mit anderen Gewerben betreibt, 1. wenn er von der Gewerbesteuer wegen eines hinter der Grenze der Steuerpflicht zurückbleibenden Ertrages und Anlage- und Betriebskapitals befreit ist (§ 7), 10 Mark; 2. wenn er zur Gewerbesteuer veranlagt ist: a) in derKlaffe IV............................................. 15 Mark, b) in derKlaffe III............................................. 25 „ c) in derKlaffe II............................................. 50 „ d) in derKlaffe I ............................................100 „ Die Steuer wird bei allen Betrieben, welche geistige Getränke ver­ abfolgen, für jede Betriebsstätte besonders erhoben. § 61. Wenn die Heranziehung zur Betriebssteuer lediglich durch einen vor­ übergehenden, bei außergewöhnlichen Gelegenheiten (Festen, Truppenzusammenziehungen und dergleichen) stattfindenden Ge3u § 68, Abs. 2. Vgl. Art. 13, Abs. 2 Amv. Vgl. auch Ansangsnote Nr. 4.

3» § 68 fgd. Vgl. Anfangsnote Nr. 6. 3” § 68. Vgl. R. v. 8. August 1893 (M. 29 S. 41) u. R. v. 10. Oktober u. 18. August 1893 (9)1. 29 S. 40), R. v. 8. August u. 14. September 1893 (9)1.29 S. 41). R. v. 19. Dezbr. 1894 (M. 30 S. 55). R. v. 2. und 9. Oktober 1894 (M. 30 S. 56). R. v. 30. Novbr. 1894 (9)1. 30 S. 57) u. C.R. v. 1. April 1896 (9)1. 33 S. 56).

3» § 61. R. v. 27. Oktober u. 12. November 1893 (9)1. 29 S. 42) u. R. v. 7. Oktober u. 1. December 1893 (9)1. 29 S. 43).

840

Gesetz vom 24. Juni ISSI. (Gewerbesteuer.) §§ 62, G3, 64, 65, 66.

Werbebetrieb bedingt ist, so kann die Bezirksregierung auf Antrag des Steuerpflichtigen den Betrag der Steuer bis auf den Satz von 5 Mark herabsetzen. § 62. Die Feststellung der Betriebssteuer erfolgt von dem Vor­ sitzenden des Steuerausschuffes für alle von dem letzteren zur Gewerbe­ steuer Veranlagten, welche ein der Betriebssteuer unterliegendes Gewerbe betreiben. Der Vorsitzende des Steuerausschuffes der Klaffe IV hat außerdem die Betriebssteuer für alle im § 60 Nr. 1 bezeichneten Steuerpflichtigen des Veranlagungsbezirks festzustellen. § 63. Der festgestellte Steuersatz ist einem jeden Steuerpflichtigen in Ge­ mäßheit des § 32 bekannt zu machen. Die Erhebung erfolgt nach Maßgabe des § 39. Die im § 61 bezeichneten Steuerpflichtigen haben den Betrag der Jahressteuer binnen vierzehn Tagen nach erfolgter Mittheilung an die ihnen bezeichnete Hebestelle in einer Summe zu entrichten. Nach fruchtloser Zwangsvollstreckung kann bis zur vollständigen Entrichtung des Rückstandes die fernere Ausübung des steuerpflichtigen Betriebes untersagt und die Einstellung deffelben durch Schließung und Versiegelung der Geschäftsräume erzwungen werden. § 64. Eine Erstattung der Detriebssteuer wegen Einstellung des Be­ triebes im Laufe des Steuerjahres findet nicht statt. § 65. Ueber Beschwerde wegen Verpflichtung zur Entrichtung der Be­ triebssteuer oder wegen der Höhe derselben entscheidet die Bezirks­ regierung (§29 und 30), und in weiterer Instanz der Finanz­ minister. Die Entscheidungen des letzteren find endgültig. Soweit durch die Entscheidungen, welche bezüglich der Gewerbe­ steuer im Wege der Rechtsmittel ergehen, Abänderungen der festgestellten Betriebssteuergesetze bedingt werden, haben die Vorsitzenden der Steuerausschüffe die anderweite Feststellung zu bewirken. § 66.

Die zur Ertheilung der Erlaubniß für die im § 59 bezeichneten Betriebe oder für die Eröffnung einer neuen Betriebsstätte zuständigen Behörden haben von jeder Erlaubnißertheilung der ihnen be­ zeichneten Veranlagungsstelle Mittheilung zu machen.

Gesetz vom 24. Juni 1891. (Gewerbesteuer.) §§ 67. 68. 69, 70, 71.

841

§ 67. Weinbauer, welche selbst gewonnenen Most oder Wein im Polizei­ bezirke ihres Weingutes oder Wohnortes nicht über drei Monate lang zum Genuffe aus der Stelle verkaufen, haben hierfür weder Gewerbenoch Betriebssteuer zu entrichten. § 68.

Behufs erstmaliger Erhebung der Betriebssteuer für das Steuerjahr 1893/94 haben für die Städte die Gemeindebehörden, für die Landgemeinden und Gutsbezirke des Kreises der Landrath eine Nach­ weisung aller daselbst vorhandenen, im §59 bezeichneten Gewerbebetriebe unter Angabe der einzelnen Betriebsstätten und der Art des Betriebes aufzustellen und bis zum 1. Februar 1893 der Bezirksregierung vorzulegen. Auf Anordnung der Bezirksregierung ist nach Bedürfniß auch in den folgenden Jahren die vorstehend vorgeschriebene Nachweisung von den genannten Behörden aufzustellen und vorzulegen. § 69. Die Beranlagungsgrundsätze der §§ 18 und 19 finden auf die Vetriebssteuer Anwendung. Wegen des jährlichen Zu- und Abganges wird das Erforderliche von dem Finanzminister geregelt. Strafbestimmungen. § 70. Wer die gesetzliche Verpflichtung zur Anmeldung eines steuerpflichtigen Gewerbes innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht er­ füllt, verfällt in eine dem doppelten Bettage der einjährigen Steuer gleiche Geldstrafe. Daneben ist die vorenthaltene Steuer zu entrichten. Die Festsetzung der Nachsteuer steht der Regierung zu, gegen deren Entscheidung nur Beschwerde an den Finanzminister zulässig ist. § 71. Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark wird bestraft: 1. wer die nach den Bestimmungen der §§ 28, 54, 55 und 56 dieses Gesetzes ihm obliegende Verpflichtung nicht erfüllt; ins­ besondere auch wer die erforderte Erklärung, zu welcher er nach Vorschrift der §§ 54 bis 56 verpflichtet ist, wiffentlich unvoll­ ständig oder unrichtig abgiebt; 2. wer dem nach § 25 Abs. 4 Zuständigen die Einsicht der ge­ werblichen Anlagen, Betriebsstätten oder Vorräthe verweigert. 3« * 67. Vgl. Art. 8 Anw. 3« *70. Vgl. Anfangsnote Nr. 3.

842

Gesetz vom 24. Juni 18Sl.

(Gewerbesteuer.)

§§ 72, 73.

§ 72. Die bei der Steuerveranlagung betheiligten Beamten,

sowie die

Mitglieder der Steuerausschüsse und deren Stellvertreter wer­ den, wenn sie die zu ihrer Kenntniß gelangten Erwerbs-, Vermögens-, oder Einkommensverhältnifse oder die Geschäftsgeheimnisse eines Steuer­ pflichtigen,

insbesondere

auch

den Inhalt der int § 55

bezeichneten

Erklärungen oder der darüber gepflogenen Verhandlungen unbefugt offen­ baren, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Ge­ fängniß bis zu drei Monaten bestraft. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag

ein

und muß

stattfinden, insofern der durch die Verletzung des Geheimniffes betroffene Steuerpflichtige dieselbe unter Darlegung des Sachverhalts beansprucht und nicht Rücksichten des öffentlichen Wohles entgegenstehen.

Für die

Stellung des Antrages gegen Vorsitzende und Mitglieder der Steuer­ ausschüsse der Klasse I und gegen deren Stellvertreter ist der Finanz­ minister, im übrigen die Bezirksregierung zuständig. § 73. Die auf Grund der §§ 70 und 71 festzusetzenden, aber unbeitreiblichen Geldstrafen find nach Maßgabe der für Uebertretungen geltenden Bestimmungen

des Strafgesetzbuches für das Deutsche

Reich (§§ 28

und 29) in Haft umzuwandeln. Die Untersuchung und Entscheidung in betreff der

in den

§§ 70 und 71 bezeichneten strafbaren Handlungen steht dem Gerichte zu, wenn nicht der Beschuldigte die von der Regierung vorläufig fest­ gesetzte Geldstrafe nebst den durch das Verfahren gegen ihn entstandenen Kosten binnen einer ihm bekanntgemachten Frist freiwillig zahlt. Die Regierungen find ermächtigt, hierbei eine mildere, als die im § 70 vorgeschriebene Strafe in Anwendung zu bringen. Hat der Beschuldigte in Preußen keinen Wohnsitz, so erfolgt das Einschreiten des Gerichts ohne vorläufige Festsetzung der Strafe durch die Regierung.

Daffelbe findet statt, wenn die Regierung aus sonstigen

Gründen von der vorläufigen Festsetzung der Strafe Abstand zu nehmen erklärt oder der Angeschuldigte hierauf verzichtet Bei den gerichtlichen Entscheidungen ist hinsichtlich der Höhe der im § 70 vorgeschriebenen Geldstrafe die von der Regierung festzusetzende Jahressteuer zu Grunde zu legen. Die Entscheidung wegen der hinterzogenen Steuer verbleibt in allen Fällen den Verwaltungsbehörden.

Zu § 73. R. u. 18. Oktober 1894 betr. die Festsetzung ermäßigter Nachsteuern.

M. 30 S. 57.

C R. b. F.M. v. 30. Juni 1896 betr. die Niederschlagung von Nachsteuer. M. 34 S. 37.

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§§ 74, 75, 76, 77, 78.

843

In betreff der Zuwiderhandlungen wegen der Verpflichtung zur Geheimhaltung (§ 72) findet nur das gerichtliche Strafverfahren statt.

Kosten. §74. Die Kosten der Steuerveranlagung und Erhebung fallen der Staatskaffe zur Last. Jedoch find diejenigen Kosten, welche durch die gelegentlich der eingelegten Rechtsmittel erfolgenden Ermittelungen veranlaßt werden, von dem Steuerpflichtigen zu erstatten, wenn fich seine Angaben in wesentlichen Punkten als unrichtig erweisen. Die Festsetzung der zu erstattenden Kosten erfolgt durch die Regierung, gegen deren Entscheidung die Beschwerde an den Finanzminister gestattet ist. §75. Den Gemeinden werden als Vergütung für die bei Veran­ lagung der Steuer (einschließlich der Betriebssteuer) ihnen übertragenen Geschäfte zwei Prozent der eingegangenen Steuer gewährt. Hinsichtlich der örtlichen Erhebung der Steuer verbleibt es bis auf weiteres bei den bestehenden Bestimmungen mit der Maßgabe, daß die bisher zur örtlichen Erhebung der Gewerbesteuer verpflichteten Ge­ meinden die Gewerbe- und die Betriebssteuer zu erheben haben. Die Gemeinden erhalten für die Steuererhebung eine Ver­ gütung von zwei Prozent der Jsteinnahme der zu erhebenden Steuer. Oberaufsicht. §76. Die oberste Leitung des Veranlagungsgeschäfts im Staat gebührt dem Finanzminister. Ueber Beschwerden gegen das Verfahren der Steuerausschüsse und der Vorsitzenden derselben entscheidet die Dezirksregierung (§§ 29 und 30) und in weiterer Instanz der Finanz­ minister. Die Entscheidungen des letzteren find endgültig. §77. Die in diesem Gesetze den Bezirksregierungen zugewiesenen Befug­ nisse und Obliegenheiten werden für die Haupt- und Residenzstadt Berlin von der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin wahrgenommen. N a ch st e u e r. §78. Steuerpflichtige, welche, entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes, bei der Veranlagung übergangen oder steuerfrei geblieben find, ohne Zu §§74. 75. Vgl. Anfangsnote Nr. 7.

3» § 78. Dgl. Note zu § 70.

844

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§ 79.

daß eine strafbare Hinterziehung der Steuer stattgefunden hat (§§ 70ff.), find zur Entrichtung des der Staatskafie entzogenen Betrages verpflichtet. Die Verpflichtung erstreckt fich auf die drei Steuerjahre zurück, weiche dem Steuerjahre, in welchem die Verkürzung festgestellt worden, voraus­ gegangen find. Die Verpflichtung zur Zahlung der Nachsteuer geht aus die Er­ ben, jedoch nur bis zur Höhe ihres Erbtheils, über. Die Veranlagung der Nachsteuer erfolgt einheitlich für den ganzen Zeitraum, auf welchen fich die Verpflichtung erstreckt, nach den Vorschrif­ ten dieses Gesetzes durch die Bezirksregierung. Schlußbestimmungen. §79. Soweit das gegenwärtige Gesetz abweichende Bestimmungen nicht enthält, finden die Vorschriften des Gesetzes über die Verjährungsfristen bei öffentlichen Abgaben vom 18. Juni 1840 (Gesehsamml. S. 140) aus die Steuern vom stehenden Gewerbe und die Betriebssteuer An­ wendung. 3« § 78. Die bezüglichen Bestimmungen des Gesetzes v. 18. Juni 1840 lauten: §1.

Reklamationen gegen die Gewerbesteuer müssen ohne Unterschied, ob sie aus Ermäßigung oder gänzliche Besreiung gerichtet sind, binnen drei Monaten vom Tage der Bekanntmachung der Heberolle, oder, wenn die Steuer im Lause des Jahres auferlegt worden, binnen drei Monaten nach erfolgter Benachrichtigung von deren Betrage .... bei der Behörde angebracht werden. Wird diese Frist versäumt, so erlischt der Anspruch aus Steuerermäßigung oder Besteinng, sowie auf Rückerstattung für das laufende Kalenderjahr.*) Ist die Reklamation vor dem Ablauf der Frist angebracht und wird solch« be> gründet gefunden, so erfolgt die Ermäßigung oder gänzlich« Besteiung für das lau­ sende Jahr. Für verstostene Jahre wird keine Rückzahlung gewährt. Tritt eine solche Beründerung ein. wodurch die bisherige Steuerverpfiichtung aufgehoben wird, so muß davon der Behörde Anzeige gemacht werden. Bis zu Ende deö Monats, in welchem diese Anzeige erfolgt, kann die Entrichtung der Steuer gefordert werden.**) §3. Wird in den Fällen bet §§ 1 . . . . die Reklamation zurückgewiesen, so ist da­ gegen der Rekurs an die vorgesetzte Behörde binnen einer Präklusivfrist von sechs Wochen, vom Tage der Bekanntmachung des Bescheides gerechnet, zulässig. Wendet fich der ReNamant an eine inkompetente Behörde, so hat diese das Rekursgesuch an die kompetente Behörde abzugeben, ohne daß dem Reklamanten die Zwischenzeit auf die Frist anzurechnen ist. )

sogi. Olt oiuit ju s«.

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**) Wegen der im ReÜamationsversahren entstandenen Kosten vgl. R. d. tS-Tl. v. 29. Januar 1878 (Mitth. 10 S. 26).

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer).

§§ 80, 81.

845

§80. Wo in den Gesetzen auf die bisherigen Steuerklassen Bezug ge­ nommen ist, treten an die Stelle der bisherigen Klaffe A I die Klaffen I und II; an Stelle der bisherigen Klaffe All die Klaffe III, und an Stelle der bisherigen Klaffe B die Klaffe IV dieses Gesetzes; imgleichen an Stelle des Mittelsatzes der bisherigen Klaffe A I ein Steuerbetrag von 300 Mark. § 81. Uebersteigt das Veranlagungssoll des Jahres 1893/94 einschließlich der Betriebssteuer den Betrag von 19811359 Mark um mehr als fünf Prozent, so findet in dem VerhLltniffe des ganzen Mehrbetrages zu der genannten Summe eine Herabsetzung sowohl des Prozentsatzes für Klaffe I (§ 9) als auch der Mittelsütze für die Klaffen II, III und IV (§ 14) sowie der höchsten und — mit Ausschluß der Klaffe IV — der niedrigsten Steuersätze statt. Diese Herabsetzung wird in angemeffener Abrundung durch Königliche Verordnung festgestellt. Die in letzterer bestimmten §6.

Die Nachforderung von ... Gewerbesteuer findet im Falle gänzlicher Uebergehung nach den im § 5 — d. i. nur für das Kalenderjahr, *) worin die Nach­ forderung geltend gemacht wird — enthaltenen Regeln statt. Im Fall eines zu ge­ ringen Ansatzes fällt bei dieser Steuer jede Nachforderung weg, jedoch unbeschadet der gesetzlichen Wiederumlage bei Gewerbesteuergesellschasten, welche nach Mittelsätzen steuern. §8.

Zur Hebung gestellte direkte . . . Steuern, welche im Rückstände ver­ blieben sind, verjähren in vier Jahren, von dem Ablaufe des Jahres an ge­ rechnet, in welches ihr Zahlungstermin fällt. Die Verjährung wird durch eine an den Steuerpflichtigen erlaffene Aufforde­ rung zur Zahlung sowie durch Verfügung der Exekution oder durch bewilligte Stun­ dung der Steuer unterbrochen. Nach Ablauf des Jahres, in welchem die letzte Aufforderung zugestellt, Exefution verfügt worden oder die bewilligte Frist abgelaufen ist, beginnt eine neue vier­ jährige Verjährungsfrist. §10.

Ist in der unterlassenen Entrichtung der ganzen Steuer oder eines Theils der­ selben eine Contravention gegen die Steuergesehe enthalten, so verjährt die Nachsteller nur gleichzeitig mit der gesetzlichen Strafe.

§ H. Die in diesem Gesetze festgesetzten Fristen laufen auch gegen Minderjährige und bevormundete Personen, sowie gegen moralische Personen, denen ge­ setzlich die Rechte der Minderjährigen zustehen, ohne Zulasfiing der Medereinsetzllng *) An Stelle des Kalenderjahres ist das Etatsjahr getreten. Dasselbe be­ ginnt mit dem 1. April und schließt mit dem 31. März jeden Jahres. Ges. v. 29. Juni 1876. Ges.S. S. 177. Ges. v. 12. Juli 1876. Ges.S. S. 288.

846

Gesetz vom 24. Juni 1891.

(Gewerbesteuer.)

§ 82.

Sätze find für die Veranlagung für das Steuerjahr 1894/95 und die folgenden Jahre maßgebend. Bleibt das Veranlagungssoll des Jahres 1893/94 hinter dem oben bezeichneten Betrage um mehr als fünf Prozent zurück, so findet in gleicher Weife nach Maßgabe des vorstehenden eine entsprechende Er­ höhung de- Prozentsatzes für die Klaffe I und der Mittelsätze, sowie der höchsten und der niedrigsten Steuersätze statt. Diese Erhöhung wird durch Königliche Verordnung für die Folgezeit wieder außer Kraft ge­ setzt, wenn da- unter Anwendung der Prozent- und Mittelsätze der §§ 9 und 14 berechnete Veranlagungssoll der Gewerbesteuer einschließlich der Betriebssteuer den Betrag von 19 811359 Mark — zuzüglich einer Steigerung von zwei Prozent dieses Betrages für jedes auf 1893/94 folgende Steuerjahr — erreicht. § 82.

Dieses Gesetz kommt zunächst bei der Veranlagung für das Jahr 1893/94 zur Anwendung. Mit dieser Maßgabe und vorbehaltlich der Anwendung auf frühere Fälle treten die ans die Veranlagung und Entrichtung der Gewerbesteuer bezüglichen Vorschriften, insbesondere die Gesetze vom 30. Mai 1820 (Gesehsamml. S. 147), 19. Juli 1861 (Gesetzsamml. S. 697), in den vorigen Stand, jedoch mit Vorbehalt deS Regresses gegen die Vormünder und Verwalter. §12.

Durch den Ablauf der Verjährungsfrist wird der Steuerpflichtige von jedem ferneren Anspruch sowohl des Staates als der Steuerdeamten und der Steuersozietät befreit. Gesetz, betreffend die Erweiterung des Rechtsweges, vom 24. Mai 1861. (Ges.S. S. 241.) §9Wegen allgemeiner . . . Abgaben . . . kann aus Grund der Behauptung, daß die einzelne Forderung bereits früher getilgt oder verjährt fei, die Klage auf Er­ stattung des Gezahlten angestellt werden, jedoch bei Verlust des KlagerechtS nur binnen spätestens sechs Monaten nach erfolgter Beitreibung der geleisteten Zahlung. §

10.

Der Rechtsweg findet ferner statt, wenn der Herangezogene behauptet, daß die geforderte Abgabe keine öffentliche Abgabe fei, sondern auf einem aufge­ hobenen privatrechllichen Fundamente, insbesondere einem früheren gutsherrlichen, schuhherrlichen oder grundherrlichen Verhältnifle beruhe. Zu * 81. Vgl. AnfangSnote Nr. 4.

Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Hausir-Gewerbesteuer.)

§ 1.

847

20. März 1872 (Gesetzsamml. S. 285), 5. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 219) am 1. April 1893 außer Kraft. § 83. Der Finanzminister wird mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

B. Gesetz, betreffend die Bestenemng des Gewerbebetriebes im Umherziehen, vom 3. In« 1876.*) Gegenstand der Besteuerung. § 1.

Wer außerhalb seines Wohnortes') ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und ohne vorgängige Bestel­ lung in eigener Person 1. Waaren irgend einer Art, mit Ausschluß der selbstgewonnenen Erzeugniffe der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues, der Jagd und des Fischfanges, feilbieten, 2. Waaren irgend einer Art bei anderen Personen, als bei Kauf­ leuten, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen, zum Wiederverkauf ankaufen, 3. Waarenbestellungen aufsuchen'), 4. gewerbliche oder künstlerische Leistungen oder Schaustellungen, bei welchen ein höheres wissenschaftliches oder Kunstinteresse nicht obwaltet'), feilbieten will, unterliegt der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen. *) Dieses Gesetz gilt für den Gesammtumfang der preußischen Monarchie.

3«»i. ') Dgl. R. d. F.M. v. 31. Januar 1882, betr. den Begriff der Bestellung beim Gewerbebetriebe außerhalb des Wohnortes (Mitth. 14 S. 42). -) Dgl. R. d. F.M. v. 12. April 1876. betr. das Sammeln von Subskriptionen (Mitth. 2 S. 46). 3) Dgl. 91. d. F.M. v. 11. Februar 1879, betr. die Heranziehung der Tanzlehrer zur Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen (Mitth. 10 S. 36); R. d. F.M. v. 6. Novbr. 1880, betr. die Steuerpflicht des Feilbietens von Gegenständen der Kunst (Mitth. 14 S. 35); R. d. M. d. I., H.M., K.M. u. F.M. v. 21. Februar 1887, betr. die Aus­ stellung von anatomischen Museen (Mitth. 21 S. 76); R. d. F.M. v. 15. Mai 1882, betr. die Ausübung der Heilkunde im Umherziehen (Mitth. 14 S. 59); R. d. H.M., M. d. I., K.M. u. F.M. v. 16. Mai 1887, betr. die Ertheilung von Wanderge­ werbescheinen an Zahntechniker (Mitth. 21 S. 79). Im Uebrigen vergl. di« 9t. v. 10. Dezember 1880, 16. Oktober 1875 und 11. Februar 1876. Dgl. auch die AnWeisung v. 3. September 1876 zur Ausführung des Gesetzes vom 3. Juli 1876 und deren Nachtrag vom 22. August 1883.

Gesetz vom 3. Juli 1876.

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(Hauslr-Gewerbesteuer.)

§ 2.

Ausnahmen.

§ 2. Der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen nicht unter­ worfen sind: 1. Kaufleute, Fabrikanten und andere Personen, welche ein stehen­ des Gewerbe betreiben, sowie in deren Diensten stehende Rei­ sende, welche außerhalb des Ortes ihrer gewerblichen Nieder­ lassung, beziehungsweise der gewerblichen Niederlassung ihrer Geschästsherren, a) Waarenbestellungen suchen, wenn sie von den Waaren, auf welche sie Bestellungen suchen, nur Proben oder Muster mit sich führen, b) Waaren aufkaufen, wenn sie die aufgekauften Waaren nur behufs deren Beförderung nach dem Bestimmungsorte mit 2.

sich führen'); Diejenigen, welche ausschließlich im Meß- und Marktverkehr die im § 1 unter 1 bis 3 bezeichneten Arten des Gewerbebetriebes

ausüben; 3. Diejenigen, welche selbstgewonnene Waaren'), hinsichtlich deren dies nach Landesgebrauch hergebracht ist, zu Wasier verfahren 4.

und vom Fahrzeuge aus feilbieten; Gewerbetreibende, welche außerhalb ihres Wohnortes bei öffent­ lichen Festen, Truppenzusammenziehungen und anderen außer­ gewöhnlichen Gelegenheiten solche Waaren, hinsichtlich deren dies von den zuständigen Behörden gestattet ist, feilbieten');

5. Gewerbetreibende, welche in nicht größerer Entfernung als 15 Kilo­ meter') vom Wohnorte a) selbstverfertigte Waaren, welche zu den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs') gehören, feilbieten, ') Vgl. R. d. F.M. v. 22. März 1877, bett. die Steuerpflicht des WaarenaufkaufS auherhalt» des Wohnortes (Mitth. 7 S. 46). J) Dgl. R. b. F.M. v. 20. Sept. 1884, betr. das Feilbieten von selbstgewonnenen Erzeugnissen und selbstgewonnenen Waaren (Milih. 17 S. 96); R. b. F.M. v. 5. Oktober 1888, betr. die Steuerpflicht des Feilbietens von selbstgewonnenem Sand (Mitth. 23 S. 29).

R. b. F.M. v.

13. April 1886 betr. die Steuerpflicht des Feilbietens selbstgewonnener Waare durch Stellvertreter (Mitth. 21 S. 56). R. b. F.M. u. I M. v. 2. Februar 1888 betr. Wanbergewerbescheinpflicht und Steuerpflicht des Handels mit selbstgesammelten Beeren und Blumen (Mitth. 21 S. 80).

-) Vgl. R. b. F.M. v. 31. Mai 1882 u. v.

20. Dezember 1886, betr. den Gewerbebetrieb auf Festen ober bei andern besonderen Gelegenheiten (Mitth. 14 S. 46, 21 S. 76). *) Vgl. R. b. F.M. v. 8. April 1881, betr. die Berechnung bei Entfernung von 15 km vom Wohnort beim Gewerbebetrieb im Umherziehen (Mitth. 14 S. 37). ») Vgl. R. b. F.M. v. 18. August 1876, betr. die Gewerbescheinpflichtigkeit des Handels auf Wochenmärkten mit solchen Gegen-

Gesetz vom S. Juli 1876.

(Hausir-Gewerbesteuer.)

§ 3.

849

b) gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies nach Landes­ gebrauch hergebracht ist, anbieten, c) das Mufikergewerbe ausüben'); 6. Gewerbetreibende, welche außerhalb ihres Wohnortes, aber inner­ halb des Gemeindebezirks und der etwa durch besondere An­ ordnung der Regierung dem Gemeindebezirk des Wohnortes in dieser Hinsicht gleichgestellten nächsten Umgebung deffelben Waaren aufkaufen, Waaren oder Leistungen feilbieten oder Waarenbestellungen suchen. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf Diejenigen keine Anwen­ dung, welche nach den reichsgesetzlichen Vorschriften zum Auftuchen von Be­ stellungen oder zum Ankauf von Waaren eines Wandergewerbescheins bedürfen. Die Gewerbescheine für Reisende zu den vorstehend zu a. b. be­ zeichneten Zwecken find, wenn im Laufe des Jahres ein Wechsel in der Person des Reisenden eintritt, für den Rest ihrer Gültigkeitsdauer steuer­ frei aus die Person des Nachfolgers durch Umschreibung ober ander­ weite Ausfertigung zu übertragen. Gewerbebetrieb der Ausländer. § 3.

In Betreff der Angehörigen außerdeutscherStaaten, welche weder ihren Wohnsitz noch eine gewerbliche Niederlaffung in einem deut­ schen Staate haben, treten, sofern nicht durch Verträge oder Vereinbarungen oder durch Anordnungen des Finanzministers anderweite Festsetzungen getroffen find, nachstehende besondere Bestimmungen ein: 1. Dieselben sind der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen auch dann unterworfen, wenn sie selbstgewonnene Erzeugniffe der Land- und Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues, ständen, welche nicht zu den Wochenmarktsartikeln gehören (Mitth. 5 S. 35); SR. d. F.M. v. 29. Februar 1884, bett. Zurechnung von Kochsalz zu den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs; SR. d. F.M. v. 23. Novbr. 1886, betr. das Feilbiete» selbst­ verfertigter Waare» durch Familienangehörige, Gehülfen und Dienstboten (Mitth. 21 S. 67.) ’) SR. d. F.M. v. 11. März 1889 betr. die Ertheilung von Wandergewerbe­ scheinen an Musiker im Umkreise von 15 km (Mitth. 23 S. 31). SR. v. 5. August 1895 betr. den Handel mit Grundstücken (M. 33 S. 57) u. v. 23. März 1896 (M. 33 S. 58).

Zu § 2. Die beiden letzten Absätze sind eingefügt.

durch Ges. v. 23. Dezbr. 1896 (G.S. S. 273)

Die Aussührungsbestimmungen sind in dem SR. v. 15. Dezember 1896

(Mitth. 34 S. 38) enthalten.

Zu § 3. Vgl. SR. d. F.M. v. 9. November 1876, betr. Ertheilung von Gewerbescheinen zu ermäßigten Steuersätzen zum Hausirhandel an Ausländer (Mitth. 5 S. 42); SR. d. HM., F.M. u. M. d. I. v. 26. Oktober 1881, betr. den Gewerbebetrieb der Aus­ länder im Umherziehen.

Dgl. auch Erk. d. K.G. v. 29. Dezbr. 1892.

Marcioow-kl, Deutsche Gewerbe-Ordnung.

6. Auflage.

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XIII. S. 322.

der Jagd und des Fischfanges ohne vorgängige Bestellung in eigener Person feilbieten wollen (§ 1 Nr 1). 2. Die Bestimmungen des § 2 finden auf dieselben und auf die in ihren Diensten stehenden Reisenden, welche für deren im AuSlande betriebenes Geschäft Waaren auflaufen oder Waarenbcstellungen suchen (§ 2 Nr. 1), keine Anwendung. 3. Aller Handel (Verkauf und Ankauf von Waaren und Suchen von Waarenbestellungen) der Ausländer auf Messen und Jahr­ märkten bleibt von der Gewerbesteuer frei. 4. Desgleichen ist ihnen das Feilbieten von Verzehrungsgegenständen, welche zu den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs gehören, und der Waarenankauf auf Wochenmärkten gewerbefteuerfrei gestattet. 5. Die Regierungen find ferner ermächtigt, ihnen das Feilbieten solcher selbstgewonnenen Erzeugnisse und selbstversertigten Waaren, welche zu den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs gehören, im Umherziehen innerhalb eines näher zu bestimmenden, nicht über 15 Kilometer von der Grenze zu erstreckenden Bezirks gewerbesteuersrei zu gestatten. Besteuerung als stehender Gewerbebetrieb. §4. Die im § 2 ausgeführten, sowie alle anderen der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen nicht unterliegenden Arten der Ausübung des Gewerbebetriebes außerhalb des Wohnortes und ohne Begründung einer gewerblichen Niederlalsung werden hinsichtlich der Besteuerung der Preußischen und der einem anderen Deutschen Staate angehörigen Ge­ werbetreibenden, sowie derjenigen ausländischen Gewerbe­ treibenden (§3), welche ihren Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung in Deutschland haben, dem stehenden Gewerbe­ betriebe derselben zugerechnet. Preußische Gewerbetreibende, welche die vorbezeichnetenArten des Gewerbebetriebes ausüben oder durch Stell­ vertreter ausüben lassen, ohne dasselbe Gewerbe als stehendes zu betreiben, sind verpflichtet, dieses Gewerbe vor dessen Beginn, sofern sie einen Wohnsitz in Preußen haben, bei der Kommunalbehörde ihres Wohn­ ortes — in Ermangelung eines solchen bei der Kommunalbehörde des Ortes, wo der Gewerbebetrieb begonnen werden soll — anzumelden, und unterliegen der Besteuerung vom stehenden Gewerbe in der entsprechen­ den Steuerklasse nach Maßgabe der für dieselbe bestehenden Vorschriften (§17 dieses Gesetzes). Die gleiche Anmeldungsverpflichtung und Besteuerung trifft die einem anderen Deutschen Staate angehörigen Gewerbetrei-

Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Hausir-Gewerbesteuer.)

§§ 5. 6.

851

benden nur dann, wenn sie nicht dasselbe Gewerbe in einem anderen Deutschen Staate als stehendes betreiben. Ausländische Gewerbetreibende, welche ihren Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlaffung in Deutschland haben (§ 3), werden in dieser Hinsicht den Gewerbetreibenden desjenigen Staates gleichgestellt, in welchem sie ihren Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlaffung haben. § 5. Wer ein der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen unter­ worfenes Gewerbe nach Entrichtung dieser Steuer auch an seinem Wohnorte ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung vorübergehend ausübt, unterliegt dieserhalb nicht der Steuer vom stehen­ den Gewerbebetriebe. Anmeldung des Gewerbebetriebes im Umherziehen und Einlösung des Gewerbescheines. § 6.

Wer ein der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen unter­ liegendes Gewerbe (§§ 1 und 3) ausüben will, ist verpflichtet, daffelbe für jedes Jahr, in welchem der Gewerbebetrieb stattfinden soll, behufs Entrichtung der Steuer anzumelden und einen die Bezeichnung der Person, der Art und des Gegenstandes des Gewerbebetriebes, der Anzahl der mitzuführenden Begleiter, Fuhrwerke oder Wafferfahrzeuge, sowie die Festsetzung der Steuer und die Quittung über deren Entrichtung oder die Bescheinigung der Steuerfreiheit (§ 13) enthaltenden Gewerbe­ schein für das betreffende Jahr vor Beginn des Gewerbebetriebes ein­ zulösen. Der Gewerbeschein ist nur für die Person und das Kalender­ jahr gültig, für welche derselbe ausgefertigt ist. 3® § .... Vergl. SR. b. F M. v. 31. Juli 1884, bett. die Erlheilung von Wanbergewerbe­ scheinen an Ehefrauen (Milth. 17 S. 98); R. b. H.M., M. b. I. u. F.M. v. 4. Mai 1884, bett. Wandergewerbescheine für Gewerbetreibende auS der 4. Gewerbesteuer-Abtheilung (Mitth. 17 S. 99); SR. b. H.M., M. b. I. u. b. F.M. v. 1. März 1886, betr. die Ausstellung von Wanbergewerbescheinen bei verschiedenen Gewerbebetrieben (Mitth. 19 S. 28). Bergt. SR. b. F.M. v. 12. Mai 1882, bett. die Straflosigkeit bet Benutzung nicht angemeldeter Transportmittel (Mitth. 14 S. 63); R. b. F.M. v. 2. Februar 1882, betr. die Deposition des Steuerbetrages für Gewerbescheine (Mitth. 14 S. 43); SR. b. F.M. v. 11. Oktober 1886, betr. die Anträge auf Ertheilung von Wan­ bergewerbescheinen und Gewerbescheinen (Mitth. 21 S. 67); 9t. b. H.M. u. F.M. v. 26. Februar 1884, betr. die Ausstellung von Wandergewerbescheinen und Ausübung des Gewerbes auf Grund derselben (Mitth. 17 S. 91);

54*

852

Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Haufir-Gewerbesteuer.)

§ 6.

Die Anmeldung ist, insofern es zu dem beabsichtigten Gewerbe­ betriebe nach den Vorschriften der Reichs-Gewerbeordnung des Legiti­ mationsscheines einer Preußischen Behörde bedarf, mit dem Antrage auf Ertheilung des letzteren zu verbinden und wird alsdann regelmäßig auch der Gewerbeschein mit dem Legitimationsschein verbunden. Andernfalls ist die Anmeldung bei der Polizeibehörde des Wohn­ ortes des Gewerbetreibenden, und wenn derselbe innerhalb des Preußischen Staates keinen Wohnsitz hat, bei der Polizeibehörde des Ortes, an welchem er den Gewerbebetrieb in Preußen beginnen will, — in Berlin stets bei der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern — schriftlich oder zu Protokoll zu bewirken. Für Ortschaften der vierten Gewerbesteuer-Abtheilung erfolgt die Anmeldung bei der Polizeibehörde des Kreises (Landrath rc.). Bei der Anmeldung muß der Gegenstand des Gewerbebetriebes, die Anzahl der mitzusührenden Begleiter, Fuhr­ werke oder Waffersahrzeuge angegeben, auch auf Erfordern über die Ver­ richtungen der Begleiter, die Beschaffenheit und Bestimmung der Trans­ portmittel Auskunft ertheilt werden. Nach Maßgabe der Anmeldung fertigt diejenige Behörde, welcher die Festsetzung der Steuer obliegt, den Gewerbeschein aus und überweist denselben der mit der Einziehung der Steuer beauftragten Klaffe zur Aushändigung gegen Erlegung der Steuer. Die Festsetzung der Steuer erfolgt durch die Regierung, kann jedoch für einzelne Gattungen des Gewerbebetriebes im Umherziehen den der Regierung Nachgeordneten Verwaltungsbehörden von dem Finanz­ minister übertragen werden. Wegen der Form der Gewerbescheine, wegen der Verbindung derselben mit den Legitimationsscheinen und wegen des sonstigen Ver­ fahrens hat der Finanzminister die erforderlichen Anordnungm zu erR. d. H.M., M. d. I. u. F.M. v. 15. Februar 1883, bett. die Vollziehung der Legitimation-- und Gewerbescheine (Mitth. 1? S. 75); R. d. H.M., M. d. I. u. F.M. v. 28. März 1884, betr. das Formular zu Gewerbescheinen für ausländische Handlungsreisende (Mitth. 17 S. 93). R. d. H.M., M. d. I. u. F.M. v. 13. September 1888, betr. die Kosten der Formulare zu ben Nachweisungen der Anträge auf Ertheilung von Wandergewerbe­ scheinen (Mitth. 23 S. 28). R. d. H.M., M. d. I. u. F.M. v. 28. Februar 1889, betr. Unterschrift des InHabers auf den Wandergewerbescheinen (Mitth. 23 S. 30). R. d. F.M. v. 12. März 1891, betr. Betrieb des Wandergewerbes der Ausländer (M. 26 S. 38). R. d. F.M. v. 3. Dezember 1889, betr. Aushändigung d. Gewerbescheine an Ausländer (M. 26 S. 37). R. d. H.M. u. F.M. v. 26. August 1892, betr. Ausführung des Handelsvertrages mit Belgien, u. v. 2*2. Dezember 1892 wie vor. mit Italien (M. 26 S. 39, 40).

Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Haufir-Gewerbesteuer.)

§§ 7, 8, 9.

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lassen. In die mit einem Legitimationsscheine nicht verbundenen Ge­ werbescheine kann auch das Signalement des Inhabers ausgenommen werden. § 7.

Will der Gewerbetreibende nach Einlösung des Gewerbe­ scheines im Laufe des Jahres ein anderes als das darin bezeichnete Gewerbe im Umherziehen beginnen oder letzteres aus andere als die im Gewerbescheine bezeichneten Gegenstände, Waaren oder Leistungen ausdehnen, oder Begleiter, Fuhr­ werk oder Wasserfahrzeuge mitführen, ohne daß dies im Ge­ werbescheine vermerkt ist, oder in größerer als der darin angegebenen Anzahl, so ist er verpflichtet, hiervon vorherige Anmeldung behufs Aen­ derung beziehungsweise Ergänzung des eingelösten oder Ertheilung eines anderen Gewerbescheines zu machen. Die Bestimmungen des § 6 finden hierbei gleichmäßige Anwendung. Insofern die beabsichtigte Aenderung des Gewerbebetriebes eine Erhöhung der Steuer (§ 9) oder die Entziehung der Steuerfreiheit (§ 13) bedingt, hat die Regierung zugleich den zu entrichtenden Steuer­ satz, auf welchen jedoch der für das betreffende Jahr bereits entrichtete Steuerbetrag in Anrechnung gebracht wird, anderweit festzusetzen und die Aushändigung des Gewerbescheines gegen Erlegung des Mehrbetrages zu veranlassen. Verpflichtungen des Inhabers des Gewerbescheines. §8.

Der Inhaber eines Gewerbescheines ist verpflichtet, diesen während der thatsächlichen Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen und auf Erfordern den zuständigen Behörden und Beamten vorzuzeigen; er darf weder den Gewerbeschein an einen Anderen überlassen, noch Be­ gleiter in größerer als'der in dem Gewerbescheine angegebenen Anzahl mitführen. Betrag der Steuer. § 9. Die Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen beträgt in der Regel 48 Mark für jedes Kalenderjahr. Die Regierungen find jedoch ermächtigt, nach näherer Anweisung des Finanzministers 1. für Gewerbe geringerer Art (vergl. nachstehend unter a und b), sofern solche nicht in einem für dieselben ungewöhn­ lichen Umfange betrieben werden, sowie auch für andere Ge­ werbe, wenn sie in erheblich geringerem als dem gewöhnlichen

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Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Hausir-Gewerbesteuer.)

§§ 10, 11.

Umfange betrieben werden, oder der Gewerbebetrieb durch be­ sondere Umstände (körperliche Gebrechen, hohes Alter des Ge­ werbetreibenden u. dergl. m.) beeinträchtigt wird, crmätzigte Jahressteuersätze von 36,.24, 18, 12 und 6 Mark, 2. für Gewerbebetriebe von bedeutendem Umfange, wie diejenigen der Vorsteher großer Schauspieler-, Musiker-, Kunst­ reiter- und ähnlicher Gesellschaften, der Pferde- und Vieh­ händler mit erheblichem Betriebskapital und Umsatz, der mit größeren Waarenlagern umherziehenden Handeltreibenden u. s. w. erhöhte Jahressteuersütze von 72, 96 oder 144 Mark festzusetzen. Insbesondere kann zufolge der Bestimmung unter I die Steuer a) für das Sammeln geringwerthiger Erzeugnisse und Abgänge der Haus- und Landwirthschast und für das Anbieten ge­ werblicher Leistungen von untergeordneter Beschaffenheit (AuSbeffern grober Geräthe rc.) und diesen gleichzustellende Ge­ werbebetriebe bis auf 6 Mark, b) für das Feilbieten von Lebensmitteln, HauShaltungs- und Wirthschaftsbedürfniffen und anderen Waaren von geringem Werthe (groben Holz-, Eisen-, Thon-, Bürstenbinderwaaren u. dergl.) und diesen gleichzustellende Gewerbebetriebe bis auf 12 Mark, ausnahmsweise auch bis auf 6 Mark ermäßigt werden und soll, falls nicht aus der Art und Weise der Ausübung des Gewerbes (Anzahl der Begleiter u. dergl.) oder sonstigen Umständen aus einen größeren als den bei diesen Gewerben gewöhnlichen Umfang zu schließen ist, für die Gewerbe­ betriebe zu a. und b. den Steuersatz von 24 Mark nicht überschreiten. § 10.

Den Mitgliedern von Musiker-, Schauspieler-, Kunst­ reiter- und ähnlichen Gesellschaften, welche aus mindestens vier Personen bestehen und unter einem Vorsteher ihre Gewerbe be­ treiben, können ermäßigte Steuersätze in gleicher Weise, wie den im §9 unter b. bezeichneten Gewerbetreibenden bewilligt werden. Die Gewerbe­ scheine für die Vorsteher und die Mitglieder solcher Gesellschaften können in einen Gewerbeschein zusammengefaßt werden. § n.

Die Steuer für den ausschließlich auf die Hohenzollernschen Lande beschräutten Gewerbebetrieb im Umherziehen beträgt in der Regel 3« 6 io. Vergl. R. d. H.M., F.M. u. M. b. I. v. 4. August 1879, betr. die Ausstellung von Legtttmationsscheinen zum Gewerbebetrieb im Umherziehen für Gesellschaften von Musikem, Schauspielern rc. (Mitth. 14 S. 40).

Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Haufir-Gewerbesteuer.)

§§ 12, 13, 14.

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10 Mark für jedes Jahr. Die Regierung in Sigmaringen ist jedoch ermächtigt, nach näherer Anweisung des Finauzministers unter den im § 9 zu 1 bezeichneten Voraussetzungen ermäßigte Steuersätze von 7, 5, 4 oder 2 Mark festzusetzen und für Mitglieder von Musiker-, Schau­ spieler-, Kunstreiter- und ähnlichen Gesellschaften, welche nur während einer Zeit von höchstens vier Wochen in den Hohenzollernschen Landen ihr Gewerbe ausüben, noch niedrigere Sätze anzuwenden. Wer nach Entrichtung der Steuer vom Gewerbebetriebe im Um­ herziehen in den Hohenzollernschen Landen feinen Gewerbebetrieb in einem anderen Theile der Monarchie im Umherziehen ausüben will, ist ver­ pflichtet, zuvor die Ausdehnung des Gewerbescheines durch diejenige Re­ gierung, in deren Bezirk das Gewerbe zuerst betrieben werden soll, zu beantragen und die nach den Vorschriften in § 9 zu bestimmende Steuer, jedoch unter Anrechnung des in den Hohenzollernschen Landen erlegten Betrages, zu entrichten. § 12.

Die Angehörigen solcher außerdeutschen Staaten (§ 3), mit denen kein Uebereinkommen dieserhalb getroffen ist, haben auf eine Ermäßigung des Steuersatzes nach Maßgabe der Bestimmungen im § 9 unter 1 und im § 11 keinen Anspruch. Befreiung von der Steuer. §13. Der Finanzminister kann ausnahmsweise für gewisse Gewerbsarten oder in einzelnen Fällen den Gewerbebetrieb steuerfrei gestatten und demgemäß die Regierungen zur Ertheilung steuerfreier Gewerbescheine ermächtigen. Vorbehalte wegen der nichtpreußischen Gewerbetreibenden. §14. Insoweit nach der Versaffung und den Gesetzen des Deutschen Reichs oder nach besonderen Verträgen und Vereinbarungen nicht­ preußische Gewerbetreibende aus Befreiung von der Gewerbesteuer 3« § 13. Dergl. R. d. F.M. v. 4. Oktober 1878, betr. die Ertheilung steuerfreier Gewerbe­ scheine (Mitth. 10 S. 29); R. d. F.M. v. 27. Juli 1880 denselben Gegenstand betreffend (Mitth. 14 S. 47); R. d. F.M. v. 24. November 1880 und 24. Dezember 1881, betr. die Erwachtigung zur Ertheilung steuerfreier Gewerbescheine (Mitth. 14 S. 48); R. d. F.M. v. 23. August 1883, betr. die Bewilligung von steuerfreien Gewerbe­ scheinen und von Gewerbescheinen zu ermäßigten Steuersätzen (Mitth. 17 S. 76); R. d. F.M. v. 1. Juli 1884 und 15. Dezember 1888, betr. die Bewilligung steuersteier Gewerbescheine (Mitth. 17 S. 98 und 23 S. 29).

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Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Haufir-Gewerbesteuer.)

§ 15.

ober aus Ermäßigung derselben für Ausübung be8 Gewerbebetriebes in Preußen Anspruch haben, wird hieran durch dieses Gesetz nichts geändert. Angleichen bewendet es bei der dem Finanzminister ertheilten Er­ mächtigung für die Angehörigen solcher Länder, in welchen die diesseitigen Staatsangehörigen minder günstig als die eigenen Angehörigen behan­ delt und außer Verhältniß zu den von den Angehörigen anderer Länder in Preußen zu entrichtenden ©teuern belastet werden, wie für diejenigen, welche für Rechnung der Angehörigen solcher Länder ein Gewerbe im Umherziehen in Preußen betreiben wollen, die Steuer bis aus das Acht­ fache zu erhöhen. Erstattung der Steuer. §15.

Wegen Abstandnahme vom Beginn des Gewerbebetriebes, sowie wegen Einstellung, Unterbrechung oder Verminderung des Be­ triebes im Laufe des Jahres findet eine Erstattung der Steuer für den eingelösten Gewerbeschein oder eines Theiles derselben in der Regel nicht statt. Ist jedoch wegen unvorhergesehener, von dem Willen des Inhabers des Gewerbescheines unabhängiger Ereignisse der Beginn des Gewerbe­ betriebes unterblieben oder der Betrieb eingestellt worden und wird der Gewerbeschein innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach der Einlösung zurückgegeben, so kann die entrichtete Steuer ersteren Falls ganz, im letzteren Falle zu einem verhältnißmäßigen Theile erstattet werden. In Fällen solcher Art find die Regierungen auch ermäch­ tigt, auf Antrag des Inhabers des Gewerbescheines oder seiner Hinter­ bliebenen behufs Fortsetzung des Gewerbebetriebes für deren Rechnung einen neuen Gewerbeschein für den Rest des Jahres zu ermäßig­ tem Steuersätze oder steuerfrei zu ertheilen. Tritt in Folge unvorhergesehener Ereigniffe eine allgemeine Unter­ brechung der Ausübung des Gewerbebetriebes im Umherziehen oder ein­ zelner Gattungen desselben, wenn auch nur in einem Theile der Monarchie, ein, so ist der Finanzminister ermächtigt, den davon betroffenen Gewerbe­ treibenden die erlegte Gewerbesteuer ganz oder theilweise erstatten zu lassen. 3« 8 14. Dergl. R. b. F.M., M. b. I. u. H.M. v. 24. Mai 1877, bett. ben Gewerbe­ betrieb btt Ausländer im Umherziehen (Mitth. 7 S. 47).

3« 6 15. Bergl. R. b. F.M. v. 13. Mürz 1880, betr. die Beseitigung der Nachweisungen über erstattete Steuern vom Gewerbebetrieb im Umherziehen (Mitth. 14 S. 26). R. b. F.M. u. H.M. v. 15. Oktober 1884, betr. die Unzulässigkeit ber Umschreidüng eines Wanbergewerbescheins auf anbete Personen. M. 19 S. 27.

Gesetz vom 3. Zuli 1876. (Hausir-Gewerbesteuer.) §§ 16, 17, 18, 19, 20.

857

Verlust des Gewerbescheines. §16. Ist es glaubhaft gemacht, daß ein Gewerbeschein verloren, vernichtet oder unbrauchbar geworden, so kann dieErtheilung einer neuen Ausfertigung deffelben gegen Erstattung der Auslagen einschließlich der etwaigen Amortisationskosten verlangt werden. Durch das Vorzeigen beglaubigter Abschriften kann den Vorschriften des § 8 nicht genügt werden. §17. Wer den gesetzlichen Vorschriften wegen Entrichtung der Gewerbe­ steuer entgegen den Ansang eines steuerpflichtigen stehenden Gewer­ bes nicht anzeigt, verfällt in eine Geldstrafe, welche dem doppelten Be­ trage der einjährigen Steuer gleichkommt. Strafbestimmung. §18. Wer, ohne einen Gewerbeschein eingelöst zu haben, ein der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen unterworfenes Gewerbe betreibt, wird mit einer dem doppelten Betrage der Jahres­ steuer*) für das betriebene Gewerbe gleichen Geldstrafe bestraft. §19. Wer nach Einlösung eines Gewerbescheines für das be­ treffende Jahr ein anderes der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen unterliegendes Gewerbe betreibt, als das in dem Ge­ werbeschein bezeichnete, oder den Gewerbebetrieb im Umherziehen auf andere als die darin bezeichneten Gegenstände (Waaren oder Leistungen) ausdehnt, verfällt in eine Geldstrafe, die dem Doppelten desjenigen Betrages gleichkommt, um welchen die entrichtete Steuer ge­ ringer ist, als die dem thatsächlich ausgeübten Gewerbebetriebe ent­ sprechende Steuer. §20.

Die Bestimmungen der §§ 18 und 19 finden, wenn die Gegen­ stände des Gewerbebetriebes zu denjenigen gehören, welche vom Anunb Verkauf im Umherziehen ausgeschlossen sind (§56 der Reichs-Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869), ebenfalls, jedoch mit der Maßgabe Anwendung, daß stets, auch in den Fällen des § 19, auf eine dem doppelten Betrage des Jahressteuersatzes von 48 Mark, in den *) Dgl. R. d. F.M. v. 3. Dezember 1888, betr. den bei der Bestrafung von Hausirsteuerkontraventionen zu Grunde zu legenden Steuersatz (Mitth. 23 S. 27).

Zu § 17. Vgl. § 70 Ges. v. 24. Juni 1891.

3« 8 18. Vgl. Erk. d. KG. v. 7. März 1892.

XIII. S. 318.

858

Gesetz vom 3. Juli 1876. (Hansir.Gewerbesteuer.) §§ 21,22,23,24,25,26,27.

Hohenzollernschen Landen von 10 Mark, gleichkommende Geldstrafe zu erkennen ist. § 21.

Wer nach Entrichtung der Steuer vom Gewerbebetriebe im Umher­ ziehen in den Hohenzollernschen Landen sein Gewerbe den Vor­ schriften im § 11 entgegen in einem anderen Theile der Monarchie im Umherziehen betreibt, ohne vorherige Einlösung des ausgedehnten Ge­ werbescheines, hat eine dem doppelten Betrage der für die Ausdehnung des Gewerbescheines zu erlegenden Steuer gleiche Geldstrafe verwirkt. §22.

Neben den in den §§ 17,18,19 und 21 vorgeschriebenen Geldstrafen ist die vorenthaltene Steuer zu entrichten. §23. Wird festgestellt, daß die in den §§ 18 bis 21 bezeichneten straf­ baren Handlungen im Aufträge und für Rechnung einer anderen Person ausgeübt find, so ist gegen den Auftraggeber auf die gleiche Strafe, wie gegen den Beauftragten zu erkennen, und haften Beide solidarisch für die Hastbeträge, die Kosten und die vorenthaltene Steuer. §24. Wird festgestellt, daß in den Fällen der §§ 18, 19 und 21 der thatsächlich ausgeübte Gewerbebetrieb bei rechtzeitiger Beobachtung der Vorschriften in den §§ 6. 7 und 11 steuerfrei, beziehungsweise ohne Er­ höhung des schon entrichteten Steuersatzes hätte stattfinden dürfen, so tritt an die Stelle der in den §§ 18 bis 21 bestimmten Geldstrafen eine solche zum Betrage von 1 bis 30 Mark. §25. Für jede Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des § 8 trifft den Inhaber eines Gewerbescheines eine Geldstrafe von 1 bis 30 Mark, sofern nicht wegen Verbindung des Legitimationsscheines mit dem Gewerbescheine aus dieselbe Handlung oder Unterlassung schon die Strafbestimmungen im § 149 unter Nr. 2, 4, 5 der Reichs-Gewerbe­ ordnung Anwendung finden. §26. Die auf Grund dieses Gesetzes festzusetzenden, aber nicht beizutrei­ benden Geldstrafen find nach Maßgabe der für Uebertrctungcn geltenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich (§§ 28 und 29) in Hast umzuwandeln. Strafverfahren. § 27.. Die Untersuchung und Entscheidung in Betreff der in den §§ 17 bis 24 bezeichneten strafbaren Handlungen steht dem Gerichte zu, wenn

Gesetz vom 3. Juli 1876.

(Haustr-Gewerbesteuer.)

§§ 28, 29, 30.

859

nicht der Beschuldigte die von der Regierung vorläufig festzu­ setzende Geldstrafe nebst den durch daS Verfahren gegen ihn entstan­ denen Kosten binnen einer ihm bekannt gemachten Frist freiwillig zahlt. Die Regierungen find ermächtigt, hierbei eine mildere als die in den §§ 17 bis 21 vorgeschriebene Strafe in Anwendung zu bringen. Ist der Beschuldigte in Haft oder hat derselbe in Preußen keinen Wohnsitz, so erfolgt das Einschreiten des Gerichts ohne vorläufige Festsetzung der Strafe durch die Regierung. Daffelbe findet statt, wenn die Regierung aus sonstigen Gründen von der vorläufigen Festsetzung der Strafe Abstand zu nehmen erklärt oder der Angeschul­ digte hierauf verzichtet. Bei den gerichtlichen Untersuchungen kommen auch ferner die be­ stehenden Vorschriften in Anwendung, welche ein administratives Straf­ verfahren voraussetzen. §28. Bei den gerichtlichen Entscheidungen ist hinfichtlich der Höhe der in den §§ 17,18,19 und 21 vorgeschriebenen Geldstrafen die von der Regierung festzusetzende Jahressteuer') zum Grunde zu legen. Jngleichen ist für die im § 24 bezeichnete Feststellung im gericht­ lichen Verfahren die einzuholende Erklärung der Regierung maßgebend. Die Entscheidung wegen der vorenthaltenen Steuer (§ 22) verbleibt in allen Fällen der Regierung. §29. In den in den §§ 18 bis 21 gedachten Fällen können die zum Gewerbebetriebe im Umherziehen mitgeführten Gegenstände, soweit es zur Sicherstellung der Steuer, Strafe und der Kosten oder zum Be­ weise der strafbaren Handlung erforderlich ist, in Beschlag genom­ men werden. §30. Bei der Untersuchung und Entscheidung wegen der im § 25 dieses Gesetzes und im § 39 unter a. des Gesetzes wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820 bezeichneten strafbaren Handlungen (Unterlassen der Anmeldung eines nicht steuerpflichtigen Gewerbes und Zu 8 28. Dgl. die Note zu § 18.

Wegen der Strafaussetzung bei gerichtlich erkannten

Steuerstrasen vgl. R. d. J.M. v. 18. September 1889 (Mitth. 23 S. 32).

3u § 29. Dergl. R. d. M. d. I. und F.M. v. 14. Mai 1884, betr. die Befugniß der Gensdarmen zu Beschlagnahmen

bei Hausirsteuerkontraventionen (Mitth. 17 S. 97).

3« 8 80. Dgl. §§ 70 ff. des Ges. v. 24. Juni 1891.

des Aufhörens eines Gewerbes) findet eine Festsetzung der Strafe durch die Regierung (§ 27) nicht statt. Allgemeine Bestimmungen. §31. Die in diesem Gesetz den Regierungen zugewiesenen Besugniffe und Obliegenheiten kommen gleichmäßig der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin für deren Geschästsbezirk zu. §32. Die Vorschriften des Gesetzes über die Verjährungsfristen bei öffent­ lichen Abgaben vom 18. Juni 1840 (Gesetz-Samml. S. 140) finden, so­ weit nicht das gegenwärtige Gesetz etwas Anderes bestimmt, auch auf die Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen Anwendung. UebergangSbestimmungen. §33. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1876 in Kraft. Die bisherigen Vorschriften über die Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen, insbesondere die §§ 7, 8, 20 bis 24, 34 unter b., 40 und 42 unter a., des Gewerbesteuergesetzes vom 30. Mai 1820 (Gesetz-Samml. S. 147), die Bestimmungen der Beilage B. zu demselben Gesetze unter Litr. L, der § 20 und der § 21 unter 3 des Gesetzes vom 19. Juli 1861, betreffend einige Abänderungen des Gesetzes wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820 (Gesetz-Samml. S. 147), das Re­ gulativ über den Gewerbebetrieb im Umherziehen vom 28: April/21. Mai 1824 (Gesetz-Samml. S. 125), das Regulativ vom 4. Dezember 1836, den Gewerbebetrieb im Umherziehen betreffend (Gesetz-Samml. für 1837 S. 14), die Allerhöchsten Kabinets-Ordres vom 6. Oktober 1829 (GesetzSamml. für 1830 S. 1), vom 30. Juni 1833 (Gesetz-Samml. S. 81). vom 14. Oktober 1833 (Gesetz-Samml. S. 126), vom 31. Dezember 1836 (Gesetz-Samml. 1837 S. 13), der §4 des Gesetzes vom 5. Juni 1874, betreffend einige Abänderungen der Vorschriften über die Besteuerung der Gewerbe der Bäcker, Fleischer, Brauer, der Agenten der VerficherungSgesellschasten, der Kleinhändler und des Gewerbebetriebes im Umher3» | 82. Vergl. R. d. F.M. v. 6. Mai 1877, betr. die Anwendung der Vorschriften des VerjährungSgesetzeS v. 18. Juni 1840 bezüglich der Erhebung der Reklamation und des Rekurses auf die Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen (Mitth. 7 S. 46). R. d. F.M. v. 24. Februar 1879, betr. die Reklamationen und Rekurse gegen Festsetzung der Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen (Mitth. 14 S. 46); R. d. F.M. v. 23. April 1881, betr. den Beginn der Reklamationsfrist bezüglich der Gewerbesteuer im Umherziehen (Mitth. 14 S. 47). Vgl. auch Erk. d. K.G. v. 15. Februar 1892. XIII. S. 323.

Gesetz vom 27. Februar 1880.

tWaaderlagersteuer.)

§ 1.

861

ziehen (Gesetz-Samml. @.219), das Gesetz, betreffend den Gewerbe­ betrieb im Umherziehen in den Hohenzollernschen Landen vom 14. Sep­ tember 1857 (Gesetz-Samml. für 1858 S. 9) und die §§ 4 und 5 des Gesetzes vom 25. März 1875, betreffend einige Aenderungen der direkten Steuern in den Hohenzollernschen Landen (Gesetz-Samml. S. 181), wer­ den vom 1. Oktober 1876 ab, vorbehaltlich der Anwendung auf frühere Fälle, außer Kraft gesetzt.

6.

Gesetz, betreffend die Besteuerung des Wanderlagerbetriebes vom 27. Februar 1880. (Gef.S. S. 174.)

§ 1.

Wer außerhalb seines Wohnortes und ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung die Waaren eines Wander­ lagers von einer festen Berkaufsstätte aus feilbieten will, hat vom 1. April 1880 ab neben und unabhängig von der Steuer für den Gewerbebetrieb im Umherziehen (Gesetz vom 3. Juli 1876 Ges.-Samml. S. 247) in jedem Orte, an welchem er das Geschäft betreibt oder durch Vermittelung eines daselbst einheimischen Verkäufers oder Auktionators betreiben läßt, eine nach den folgenden Vor­ schriften für die Gemeinden beziehungsweise Kreise zu erhebende Steuer zu entrichten. 3» § l. Bergl. R. d. F.M. v. 11. Mai 1881, betr. die Steuerfreiheit des Feildietens von Konkursmassen durch den KonkurSkurator (Mitth. 14 S. 70); R. d. F.M. v. 28. Juni 1880, betr. den Begriff fester Verkaufsstätten (Mitth. 14 S. 64); R. d. F.M. v. 8. Januar 1881 betr. den Begriff des Waarenlagers, der festen Berkaufsstätte, sowie die Unabhängigkeit der Verpflichtung zur Entrichtung der Wander­ lagersteuer von der Verpflichtung zur Entrichtung der Haustrsteuer (Mitth. 14 S. 66); R. d. F.M. v. 22. September 1882, betr. das Feilbieten von Waaren von einer festen Verkaufsstelle aus (Mitth. 17 S. 100); R. d. F.M. v. 7. Januar 1886, betr. die Befreiung der Photographen von der Wanderlagersteuer (Mitth. 19 S. 30); R. d. F.M. v. 12. April 1882, betr. die Steuerpflicht des Aukttonirens von Gattenerzeugniffen (Mitth. 14 S. 68); R. d. F.M. v. 26. März 1888, betr. die Steuerfreiheit des Verkaufs selbst­ gewonnener Gartenprodukte seitens der Gärtner (Mitth. 21 S. 55); R. d. F.M. v. 10. Dezember 1887, betr. den Ankauf der feilgebotenen Waaren am Orte des Verkaufs (Mitth. 21 S. 83). Vgl. auch Erk. d. K.G. v. 7. März 1892. XIII. S. 318.

862

Gesetz vom 27. Februar 1880.

(Wanderlagersteuer.)

§§ 2, 3.

Durch die Erfüllung der gesetzlichen Förmlichkeiten der Begründung des Wohnsitzes oder einer gewerblichen Niederlaffung wird der Inhaber eines Wanderlagers von der Entrichtung der Steuer nicht befreit, wenn die begleitenden Umstände erkennen lassen, daß die Förmlichkeiten behufs Verdeckung des WanderlagerbetriebeS erfüllt find. DaS Veranstalten einer Auktion von Waaren eines Wander­ lagers wird dem Feilbieten derselben gleich geachtet. §2.

Werden die Waaren des Wanderlagers an einem Orte in mehre­ ren Verkaufslokalen (gleichzeitig oder nach einander) feilgeboten, so ist für jedes derselben die Steuer besonders zu entrichten. §3. Der in diesem Gesetze vorgeschriebenen Besteuerung ist nicht unterworfen: 1. -er Markt- und Meßverkehr, sowie der Verkauf von Ausstellungs­ objekten auf öffentlichen, von den zuständigen Behörden geneh­ migten Ausstellungen, 2. die Errichtung fester Verkaufsstellen für die Dauer der Kurzeit (Saison) in Bade-, Brunnen- und ähnlichen Orten, 3. das Feilbieten von Gegenständen des Wochenmarktverkehrs vom Schiffe aus — mit Ausnahme derjenigen Handwerkerwaaren,

Su»«. Bergl. R. b. F.M. v. 30. Januar 1884, bett. das Feilbieten von Waaren zur Marktzeit aber außerhalb deS Marktverkehrs (Mitth. 17 S. 101); R. b. F.M. v. 13. Mai 1884 unb 21. Februar 1885, betr. beit JahrmarktsVerkehr (Mitth. 17 S. 101; Mitth. 19 S. 30); R. b. F.M. v. 9. Mai 1882, betr. tue Steuerpflicht beS WanberlagerdetriebeS auf Festen ober bei anbeten außergewöhnlichen Gelegenheiten (Mitth. 14 S. 69); R. b. F.M. v. 27. November 1880, betr. bie Befreiung des Feilbieteus der Steinkohlen vom Schiffe auö von ber Wanderlagersteuer (Mitth. 14 S. 65); R. b. F.M. v. 29. September 1880, betr. bie Befreiung des Feilbieteus von Weintrauben von bet Wanderlagersteuer (Mitth. 14 S. 65); R. b. F.M. v. 11. März 1881, betr. bie Befreiung des Handels mit Töpfer waaren von ber Wanderlagersteuer (Mitth. 14 S. 67); R. b. H.M. u. F.M. v. 10. Januar 1887, betr. bas Feilbieten von Wein (Mitth. 21 S. 82); R. d. F.M. v. 5. Juli 1887, betr. bas Feilbieten von Honigkuchen (Mitth. 21 S. 83). R. b. F.M. v. 4. Januar 1890 u. 26. Oktober 1892, betr. Gewerbebetrieb auf Ausstellungen (M. 26 S. 41, 42). R. b. F.M. v. 8. Januar 1894, betr. das Feilbieten von Schweinen unb Vieh. M. 30 S. 58. R. b. F.M. v. 15. Mai 1894, betr. das Feilbieten von Glas unb Porzellan auf Schützenfesten. M. 30 S. 58.

Gesetz vom 27. Februar 1880.

(Wanderlagersteurr.) §§ 4, 5.

863

mit denen nur den einheimischen Verkäufern der Wochenmarkt­ verkehr gestattet ist (§ 64 der Reichsgewerbeordnung vom 21. Juni 1869, Bundes-Gesetzbl. S. 245), 4. das Feilbieten von Lebensmitteln aller Art. 5. Außerdem kann der Finanzminister für gewiffe Gewerbsarten oder in einzelnen Fällen den Geschäftsbetrieb steuerfrei ge­ statten. §4. Die Steuer beträgt für jede Woche der Dauer des Wander­ lagerbetriebes in den Orten: der ersten Steuergewerbeabtheilung..................... 50 Mark, der zweiten und dritten Gewerbesteuerabtheilung . 40 „ der vierten Gewerbesteuerabtheilung, sowie in den Hohenzollernschen Landen.................................. 30 „ Eine Theilung der Steuersätze für einen kürzeren als einwöchent­ lichen Betrieb findet nicht statt. Die Woche wird vom Tage der Eröffnung des Betriebes bis zum Anfang des entfprechenden Tages der nächsten Kalenderwoche gerechnet. Eine Unterbrechung oder frühere Beendigung des Betriebes vor Ablauf der Woche bleibt unberücksichtigt. Für die Wanderauktionen wird dieselbe Steuer für den Tag erhoben. §5. Die Jsteinnahme der Steuer wird a) in den Orten der ersten, zweiten und dritten Gewerbesteuerabtheilung der Gemeinde, in deren Bezirk der Wanderlager­ betrieb stattgefunden hat, b) in den Orten der vierten Gewerbesteuerabtheilung den be­ treffenden Kreisen, in den Hohenzollernschen Landen den betreffenden Amtsverbändcn überwiesen. Ueber die Verwendung haben im Falle zu Litr. b. die Kreis­ vertretungen beziehungsweise in den Hohenzollernschen Landen die Amts­ versammlungen zu Gunsten der betheiligten Gemeinden und Gutsbezirke zu beschließen. Insoweit die Erhebung der Steuer durch Staatsbeamte (Steuer­ empfänger, Steuerkaffe in Berlin, Kreiskaffe in Frankfurt a. M.) bewirkt 3« §» 4. 6. Vergl. R. d. F.M. v. 21. Januar 1893 (M. 26 S. 43). Vergl. § 1 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes v. 24. Juni 1891.

864

Gesetz vom 27. Februar 1880.

(Wandertagersteuer.)

§§ 6, 7, 8, 9.

wird, find von der zu überweisenden Zsteinnahme drei Prozent als Er­ hebungskosten für die Staatskaffe vorweg in Abzug zu bringen. Im Uebrigen steht weder dem Staate noch den Gemeinden für ihre Mitwirkung bei Festsetzung und Erhebung der Steuer ein Anspruch auf Vergütung zu. § 6. Wer ein nach § 1 steuerpflichtiges Geschäft beginnen, oder nach Ablauf der Zeit (§ 4), für welche die Steuer entrichtet ist, fortsetzen oder wieder beginnen will, ist verpflichtet, davon der Gemeindebehörde des Ortes — in Berlin der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern — unter Angabe der Verkaufsstelle und der Dauer des Be­ triebes (§ 4) Anzeige zu machen und den in der Anmeldungs­ bescheinigung bestimmten Steuerbetrag an die daselbst bezeichnete Em­ pfangsstelle gegen Quittung vor Eröffnung des Betriebes zu entrichten. In den Fällen des § 2 ist die gleiche Verpflichtung für jede Ver­ kaufsstelle zu erfüllen. § 7.

Wer ein nach §§ 1 und 2 steuerpflichtiges Geschäft beginnt, be­ ziehungsweise forffetzt, ohne die im § 6 bestimmten Verpflichtungen er­ füllt zu haben, wird mit einer dem doppelten Betrage der vorenthaltenen Steuer (§ 4) gleichen Geldstrafe bestraft. Außerdem ist die vorenthaltene Steuer zu entrichten. § 8.

Wird festgestellt, daß die strafbare Handlung (§ 7) im Aufträge und für Rechnung einer anderen Person ausgeübt ist, so ist gegen den Auftraggeber auf die gleiche Strafe wie gegen den Beauftragten zu erkennen, und hasten Beide solidarisch für die Strasbeträge'., die Kosten und die vorenthaltene Steuer. § 9. Die empfangene Steuerquittung muß bei jeder Verkaufsstelle während der Dauer des Geschäftsbetriebes den zuständigen Beamten auf Erfordern vorgezeigt werden. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift werden mit Geldstrafe bis zu 30 Mark bestraft. Sn § e. 7. Bergt. R. d. F.M. v. 3. September 1891, betr. Wanderlagersteuerkontraventionen in Verbindung mit Gewerbestenerkontraventionen.

Sn §7. Dgl. R. d. F.M. v. 24. September 1884, betr. die Zulässigkeit des Erlöstes der Wandertagenkachsteuer (Miith. 19 S. 29).

Gesetz vom 27. Februar 1876. (Wanderlagersteuer.) §§ 10, 11, 12.

865

§ io. In Betreff der Umwandlung der Geldstrafen in Haft, des Strafverfahrens und der Beschlagnahme der zum Geschäftsbetriebe mitgeführten Gegenstände finden die §§ 26 dis einschließlich 29 des Gesetzes vom 3. Juli 1876 (Gefetz-Samml. S. 247) entsprechende An­ wendung. In den Fällen des § 9 findet eine vorläufige Festsetzung der Strafe durch die Regierung nicht statt. § 11.

In Betreff des Beschwerdeverfahrens, der Verpflichtungen der Kommunal- und Kreisbehörden sowie der Kommunen bezüglich der Er­ mittelung und Erhebung der Steuer find auf die nach Vorschrift dieses Gesetzes zu erhebende Steuer, soweit in demselben nicht etwas Anderes bestimmt ist, die wegen der Gewerbesteuer vom stehenden Ge­ werbebetriebe geltenden Bestimmungen anzuwenden. Daffelbe gilt bezüglich der Vorschriften des Gesetzes über die Ver­ jährungsfristen bei öffentlichen Abgaben vom 18. Juni 1840 (GesetzSamml. S. 140). § 12.

Mit der Ausführung dieses Gesetzes find die Minister des Innern und der Finanzen beauftragt. 3» § io. Bergt. R. b. F.M, v, 14. November 1893, bett. die Feststellung ermäßigter Nach­ steuer durch die Regierungen (Mitth. XXIX S. 45). Durch eine allgemeine Verfügung d. M. b. I. u. b. F.M. v. 31. Januar 1893 sind den Regierungen bezw. bet Direktion der Verwaltung der direkten Steuern zu Berlin hinsichtlich der durch das Gewerbesteuergesetz vom 2l.Juni 1891 verursachte» Aenderungen der Vorschriften über die Besteuerung des Wanderlagerbetriebes die nachstehenden Weisungen ertheilt. Rach § 1 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (G.S. S. 205) bewendet es hinsichtlich der Besteuerung des Wanderlagerbetriebes bei den bestehenden Vorschriften mit der Maßgabe, daß die bisherige Einrichtung von vier GewerbesteuerAbtheilungen aufgehoben wird und im Sinne der §§ 4 und 5 des Gesetzes vom 27. Februar 1880 (G.S. S. 174) Städte mit mehr als 50000 Einwohnern als Orte der erste» Gewerbesteuerabtheilung, Städte mit mehr als 10000 bis 50000 Ein­ wohnern als Orte der zweite» Gewerbesteuerabtheilung, Städte mit mehr als 2000 bis 10000 Einwohnern als Orte der dritten und alle übrigen Orte als solche der vierten Gewerbesteuerabtheilung gelten. Die Einwohnerzahl bestimmt sich laut Abs. 4 ebendaselbst nach dem Ergebnisse der zuletzt vorangegangene» Volkszählung. Hieraus ergeben sich mit dem Inkrafttreten des Gewerbesteuergesetzes, d- h. vom 1. April 1893 ab, folgende Aenderungen bezüglich der Vorschriften des Gesetzes vom 27. Februar 1880 und der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen vom 4. Mürz 1880: MarciuowSki, Deutsche Vewerbe-Orduung. 6. Auflage.

866

Gesetz vom 27. Februar 1876.

(Wanderlagersteuer.)

§ 12.

1. (zu tz 4 des Gesetzes): Die Steuer beträgt für jede Woche der Dauer eines Wanderlagerbetriebes, bezw. für jeden Tag einer Wanderauktion, von dem angegebenen Zeitpunkt ab a) in den Städten und den im Stande der Städte vertretenen Ortschaften (§ 22 deS Zust.Ges. vom 1. August 1883, G.S. S. 237) mit mehr als 50 000 Einwohnern.....................................................................50 Mark, mit mehr als 2000 bis 50 000 Einwohnern...........................50 « b) in allen übrigen Orten, d. h. in den Städten mit 2000 oder weniger Einwohnern, und in sämmtlichen Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirken................................................ 30 2. (zu § 5 des Gesetzes): Die Jsteinnahme der Steuer gebührt vom 1. April 1893 ab a) in den Städten mit mehr als 2000 Einwohnern (vergl. la) der Ge­ meinde, in deren Bezirk der Wanderlagerbetrieb stattgefunden hat, b) in allen übrigen Orten (vergl. lb) den betreffenden Kreisen. 3. (zu Nr. 9 der Ausführungs-Anweisung): Beschwerden über die Steuerfest, setzung (Reklamattonen und Rekurse) find a) in den Städten mit mehr als 2000 Einwohnern (vergl. la) bei der Behörde, welche die Steuer festgesetzt hat, b) in allen übrigen Orten (vergl. lb) beim Landrath anzubringen. Im Uebrigen verbleibt es bei dem bisherigen Beschwerdeverfahren, für welches nach wie vor die Vorschriften des Gesetzes über die BerjührungSfristen bei öffentlichen Abgaben vom 18. Juni 1840 (G.S. S. 140) maß­ gebend find. 4. Wo in anderen Bestimmungen der Ausführungsanweisung vom 4. März 1880 oder der Cirkularverfügung vom gleichen Tage auf die bisherigen Gewerbesteuerabtheilungen Bezug genommen ist, ist ebenfalls lediglich die im Eingänge angeführte Einteilung der Orte maßgebend. Die Vorschrift unter Nr. 12 der Ausführungsanweisung verliert mit dem 1. April 1893 ihre Anwendbarkeit.

V. Gesetz, betreffend die Einführung der Gewerbe-Ordnung in Elsatz-Lothringen vom 27. Februar 1888. (RGBl. S. 57.) § 1.

Die Gewerbe-Ordnung für das Deutsche Reich in der Faffung, welche durch Artikel 16 des Gesetzes vom 1. Juli 1883, betreffend Ab­ änderung der Gewerbe-Ordnung (Reichs-Gesetzbl. S. 159), durch das Gesetz vom 8. Dezember 1884 wegen Ergänzung des § 100 e des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbe-Ordnung vom 18. Juli 1881 (Reichs-Gesetzbl. 1884 S. 255), durch das Gesetz vom 23. April 1886, betreffend die Abänderung der GewerbeOrdnung (Reichs-Gesetzbl. S. 125), durch das Gesetz vom 6. Juli 1887, betreffend die Abänderung der.Gewerbe-Ordnung (ReichsGesetzbl. S. 281), sowie durch die am 4. Januar 1885, am 24. April 1885, 1. April 1886 und 5. Januar 1887 bekannt gemachten, vom Reichstag genehmigten Beschlüsse des Bundesraths (Reichs-Gesetzbl. des Jahres 1885 S. 2 und 92, des Jahres 1886 S. 68 und des Jahres 1887 S. 4) festgestellt ist, tritt in Elsaß-Lothringen, vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 2 bis 6 dieses Gesetzes, am 1. Januar 1889 als Reichs­ gesetz in Kraft. §2.

Hinsichtlich des Gewerbebetriebes, welcher die Herstellung, den Umsatz und die Verbreitung von Schriften, Drucksachen und bildlichen Darstellungen jeder Art zum Gegenstände hat, bleiben an Stelle der Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung die Landesgesetze maßgebend. §3. Die auf die Theaterpolizei bezüglichen Bestimmungen derLandesg es ehe bleiben neben den Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung in Kraft.

868

R.Geseh vom 27. Februar 1888.

(Einf.-Ges. i. Elsaß-Lothr.)

§4. Die Schließung von Wirthschaften kann auch fernerhin in den landesgesetzlich vorgesehenen Fällen erfolgen. Die Fortsetzung des Wirthschaftsbetriebes entgegen einer auf Grund der Landes­ gesetze angeordneten Schließung unterliegt der Strafe des § 147 der Gewerbe-Ordnung. § 5.

Die Bestimmungen der Landesgesetze über die Befugniß zur Ab­ haltung von öffentlichen Versteigerungen bleiben unberührt. § 6.

Die Bestimmungen über die Anlegung von Dampfkesseln bleiben der landesgesetzlichen Regelung überlassen. Es finden jedoch die aus Gmnd deS § 24 Absatz 2 der GewerbeOrdnung vom Bundesrath erlassenen allgemeinen polizeilichen Bestim­ mungen auch in Elsaß-Lothringen insoweit Anwendung, als dies vom Bundesrath beschloffen wird. § 7.

Die höhere Verwaltungsbehörde kann gestatten, daß jugend­ liche Arbeiter (§135 der Gewerbe-Ordnung), welche zur Zeit des In­ krafttretens dieses Gesetzes in einer Fabrik bereits beschäftigt waren, daselbst bis zum 1. Januar 1891 in der durch das Gesetz, betreffend die Beschäftigung der Kinder in Fabriken u. s. w., vom 22. März 1841 (bulletin des lois IX. serie No. 9203) zugelassenen Ausdehnung weiter beschäftigt werden. § 8.

Die Bezeichnung der nach den Landesgesetzen zuständigen Be­ hörden, sowie die näheren Bestimmungen über das Verfahren bezüglich der Genehmigung der im § 16 der Gewerbe-Ordnung aufgeführten gewerblichen Anlagen erfolgen durch Kaiserliche Ver­ ordnung. Durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 22. De­ zember 1888 (R.G.Bl. S. 301) betreffend Ausführungsbestimmungen zu dem R.Ges. vom 27. Februar 1888 sind in Elsaß-Lothringen ein­ geführt: I. Die Bekanntmachungen bekreffend die Arbeit in Walzwerken, Glas­ hütten, Spinnereien, Steinkohlenbergwerken (§ 139a Gew.O.); II. die Ausführungsbestimmungen über den Geschäftsbetrieb der Gold- und Silberwaarenfabrikanten, den Geschäftsbetrieb der Ausländer im Umherziehen und der Formulare für die Wander­ gewerbescheine (§ 44 Abs. 2., 56d und 60 Abs. 4 Gew.O.);

R.Gesetz vom 27. Februar 1888.

(Einf.-Ges, i. Elsah-Lothr.)

869

III. die Bek. v. 11. Juli 1884, betreff. Vorschriften über die in An­ lagen, welche zur Anfertigung von Zündhölzern unter Verwen­ dung von weißem Phosphor dienen, zu treffenden Einrichtungen (§ 120 Abs. 3 Gew.O.); IV. die Bek. v. 3. Februar 1886 betreff. Drahtziehereien (§ 139a Gew.O); V. die Bek. v. 12. April 1886 betreff. Bleifarben- und Bleizucker­ fabriken (§ 120 Abs. 3 Gew.O.); VI. die Bek. v. 9. Mai 1888 betreff. Cigarrenfabriken (§ 120 Abs. 3 § 139a Abs. 1 Gew.O.); VII. die Bek. v. 16. Juli 1888 betreff, die Genehmigung von An­ lagen zur Zubereitung von Thierfellen u. s. w. (§ 16 Gew.O.); VIII. die Bek. v. 21. Juli 1888 betreff. Gummifabriken (§ 139a Gew.O). Dem durch die Bek. v. 22. Dezember 1888 veröffentlichten Beschluß des Bundesraths, soweit sich derselbe auf den § 16 Abs. 3 Gew O, stützt, hat der Reichstag unterm 4. Februar 1889 die Genehmigung ertheilt. Bek. v. 4. März 1889. R.G.Bl. S. 46.

Alphabetisches Sachregister.*) A. Abänderung der Statuten der Innungen 251. eingeschriebener Hülfskassen 700. Abdeckerei» Genehmigung zur Anlage 40. Abdeckereiberechtigung» Einfluß der Gew.O. 19, 21. Aufhebung und Ablösung derselben 21, 24. Abel'scher Petroleumprober 442. Abgaben» gewerbliche, deren Aufhebung 20. für öffentliche Lustbarkeiten 19. für den Marktverkehr 237. Beschlagnahme des Arbeils- und Dienstlohnes für Abgaben 310. Ablösung von Gewerbeberechtigungen 21, 51. Befugniß zu derselben 21. Entschädigung 21. Streitigkeiten 22. Verfahren 23. bei Abdeckereiberechtigungen 24. in den neu erworbenen Landestheilen 23. Kosten des Verfahrens 533. Abmeldung» Gewerbesteuer 836. Abtheilungen» Gewerbesteuer 821. Advokatur, Anwendung der Gew.O. 16, 29. Aenderung der Anlage einer Betriebs­ stätte 72. Aerzte» deren Approbation 76, 405. deren Prüfung 76, 559. Entbindung von derselben 574. Befugniß zum Impfen 79. Annahme des Titels Arzt 79, 405. vereidete Medizinalpersonen 243. Taxen 243. 684 m. Zwang zu ärztlicher Hülfe 396. Aerztliche Abhandlung» Bestreitung der Kosten derselben aus Hülfskassenfonds 704. Agenten» Gewerbebetrieb 129. im Umherziehen 150. 171. Aktiengesellschaften, Gewerbesteuer 828. Albuminpapier» Anlagen zur Herstellung 40. Alimente» Beschlagnahme des Arbeits­ und Dienstlohnes 416.

I Alkoholgehalt, Schank und Kleinhandel | mit Branntwein und Spiritus 114. Anilinfarben, deren Verwendung 476. Anlagen, gewerbliche, deren Genehmigung 40, 74. 404. Voraussetzungen 43. Anmeldung der Arbeiter zum Eintritt in eine Hülfskaffe 392. der Gewerbesteuer 836. Annahme von Gesellen, Lehrlingen rc. 138. Anstiftung zur Gewerbesteuer-Kontraven­ tion 858. Antheilfcheine, Lotterie 190, 194. Werthpapiere 187, 202. Antimon als Farbeninhalt 433. Antiquare, Anzeige des Gewerbebetriebes 33. AutrittSgeld für die Aufnahme in eine Innung 249. Anzeige des Gewerbebetriebes s. Gewerbe­ betrieb. vergl. auch 836. derBeschäftigung jugendlicher Arbeiter 369. des beabsichtigten Schankbetriebes 402. desAufhörens d.Gewerbebetriebes 836. Apotheken, Einrichtung und Verlegung 15, 18, 77. Verkauf, Verpachtung 78. Vertrieb von Petroleum 442. Apotheker, deren Gewerbebetrieb 16, 17. deren Approbation 76. deren Prüfung 582. Berechtigung zur Annahme von Ge­ hülfen und Lehrlingen 138. Zurücknahme der Approbation 160. Taxen 243. Apothekergehülfen, ihre gewerbliche Stellung 291, 415, 587, 588, 720, 746, 754. Apothekerlehrlinge, ihre gewerbliche Stellung 291, 415, 588. 720, 746, 754. Apotheken-Visttationen» Gebühren für , deren Abhaltung 246. Apothekerwaaren, deren Betrieb 18. ! Approbation der Apotheker 75, 582. der Aerzte 76, 405. der Wundärzte 76, 80. der Augenärzte 76. der Zahnärzte 76. der Geburtshelfer 76.

*) Vgl. auch das ausführliche Jnhaltsverzeichniß der Gewerbe-Ordnung (V bis XII), der Reichsgesetze zur Ergänzung der Gewerbe-Ordnung (S. 421—426) und der Preußischen Gesetze betreff, die Besteuerung der Gewerbe (S. 811, 812).

871

Alphabetisches Sachregister. der Thierärzte 76. Verfahren bei der Approbation 582. Zurücknahme derselben 81, 160. Hraf, Art des Branntweins 101. Arbeit an Sonn- und Festtagen siehe

Auktionatoren» deren Gewerbebetrieb 125,

Besugniß zu ihrer Annahme 138. ihre gewerbliche Stellung 289, 720. unter 13 Jahren 364, 366. zwischen 14 und 16 Jahren 365, 366. unter 18 Jahren 305, 325, 326. über 16 Jahren (Pflicht zum Anschluß an eine Hülfskasse) 392. in Bergwerken, Salinen, Ausbereitungsanstalten, unterirdischen Brü­ chen und Gruben 21*, 327. in Walz. und Hammerwerken 673. in Glashütten 674. in Spinnereien 676. Arbeiterinnen» deren gewerbliche Beschäftigung 369, 383, 418, 667, 669, 671. 673, 676,‘ 679, 680. 684. Arbeitgeber» Verhältniß zu den Arbeitern 289, 344, 355, 720. Beitritt zu gewerblichen Hülfskassen 699. Arbeitsausschüsse» ständige 363, 758. Arbeitsbücher 306, 763. Arbeitskarten der Lehrlinge 367. Arbeitslohn» Beschlagnahme 316. Art der Entrichtung 314, 356, 720. Arbeitsordnungen 21*, 358fgde., 755. Arbeitspausen siehe Ruhezeit. ArbeitSschicht in Walz- iiub Hammerwerken 673. in Glashütten 676. Arbeitsstunden 360. Arrestbruch 317. Arsenik als Farbeninhalt 433. als Fälschungsmittel 475. Arzneimittel» deren Verkauf 16, 18, 199, 462. ASphaltkochereien, deren Anlage 40. AufbereitnngSanftalten, Arbeit in den­ selben 327, 392, 417, 418. 746. Sonntagsruhe 296. Arbeiter in denselben 327. Hülfskassenangelegenheiten 394. Aufbewahrung von Nahrungs- und Ge nußmitteln 433, 434, 479. Aufkauf im Umherziehen 147, 180. Aufkündigung der Gesellen und Gehülfen 345, 346. Auflösung von Innungen 251, 278, 285, 288. 8102» «o. des Lehrlingsverhältniffes 350fgde. Eingeschriebene Hülfskassen 713. Auftrag zum steuerpflichtigen Hausirbetrieb 858. Augenärzte» deren Approbation 7jB.

Gewerbebetrieb im Umherziehen 206 fgde., 218, 230. gewerblicher Marktverkehr 234. Gewerbesteuer 818, 849, 850. Ausschließung vom Gewerbebetriebe 11. von Mitgliedern aus einer eingeschriedenen Hülfskasse 705. bei Innungen 249. Ausschuß bei eingeschriebenen Hülfskassen 706. Ausspielen beim Hausirhandel 184, 189, 190, 195, 203, 219. AuSwanderungSagente«» Gewerbebe trieb 16. AuSwanderungSuuternehmer» Gewer­ bebetrieb 16, 27, 28. Automaten 139.

131.

AufstchtSführung» Innungen 253, 288. Aufsuchen von Bestellungen siehe Be­ stellung. Sonntagsruhe. Ausbildung der Lehrlinge 348. Arbeiter» Maßregeln zum Schuh ihrer Ausländer» Beschränkungen im Gewerbe­ Gesundheit, vergl. Schutzmaßregeln. betriebe 27.

B. Batkwaaren» Preis- undGewichtsverzeichniß 240.

Badeanstalten» deren Betrieb 125. Bäeker» Zwangsrechte derselben 20. Bekanntmachung des Preises und Ge­ wichtes ihrer Waaren 240. Gewerbebetrieb 343. 684 g. Ballkleider» deren Färbung 476. Bannrechte» Aufhebung und Ablösulig 19, 25. fernere Begründung 25. Baryum als Farbeninhalt 433. Bauhöfe, Arbeit auf denselben 296, 415. Baukonstruktiouen» eiserne. Anlage zur Erbauung 40. Baumwolle» Hausirbetrieb 186. Bauunternehmer» Verantwortlichkeit für Schäden 332, 333. Beamte, Beschränkung im Gewerbebetriebe 27. 28. 29. Beschlagnahme des Gehaltes 316. Bedürfniß» Prüfung bei Schauspielunter­ nehmungen 90. bei derGast- undSchankwirthschaft97. beim Gewerbe der Pfandleiher 123. beim Hausirgewerbe der Ausländer 206, 207. Befreiung von der Gewerbesteuer siehe

Gewerbesteuer. Begleiter beim Gewerbebetrieb im Um­ herziehen 230. ausländischer Hausirer 207. Angabe der Begleiter bei der Anmel­ dung des Hausirgewerbes zumZweck der Besteuerung 851, 853, 854.

872

Alphabetisches Sachregister. beim Marktverkehr 239.

Beichtuuterricht der jugendlichen Arbei-

Beschreibungen bei Antragen zur Ge­

ter 367.

nehmigung gewerblicher Anlagen 60. bei gleichen Anträgen betr. Dampf­ kessel-Anlagen 64. j ; Beschwerde gegen gewerbepolizeiliche Ver­ fügungen 34, 281, 285. Mitwirkung der Gewerberäthe 688. gegen Versagung des Vertriebs von Sprengstoffen 500. Bestallung, Zurücknahme derselben 160. Bestellung, Aufsuchen derselben 178, 498. beim Gewerbebetrieb im Umherziehen 167, 178, 202. Gewerbesteller 847. Besteuerung siehe Gewerbesteuer. BetriebSbeamte 353, 725, 755. Betriebsleiter 337. Betriebslokal siehe Lokal. BetriebSfteuer 839. BetriebSveränderung siehe Berände-

Beitrage für eingeschriebene Hülfskasten 698. für Innungen 251, 271 fgde. Bekanntmachung bei einer zu errichtenden gewerblichen Anlage 55, 60. bei Veränderung einer gewerblichen Anlage 73. bei Approbationen 588. des Preises und Gewichts von Back­ waaren 240. siehe auch Veröffentlichung. BekleidungSgegenstände, Herstellung 434, 435, 461, 475. Berechtigung zur Auferlegung von Ab­ gaben 20, 521. zum Gewerbebetriebe 1, 395. Bergbehörden, deren Besugnisie 768. Bergwerke, Arbeiter in denselben 331, 392, 418, 746, 755. Sonntagsruhe 296. Entschädigung bei Tüdtungen und Verletzungen 327, 331. Hülfskasten-Angelegenheiten 394. Gewerbesteuer 820. Bergwesen, Anwendung der Gew O. 16. Berlin, Zuständigkeit der Behörden in Gewerbepolizeisachen 51. Ausfertigung der Legitimationsscheine 172. Gewerbesteuer 823, 836. Berufung gegen Entscheidungen der Ge­ werbegerichte 739. Gewerbesteuer 829, 831. Bescheinigung der Anzeige des Gewerbebetriebes 33. Beschlagnahme bei Defraudation von Postporto 12. des Arbeits- oder Dienstlohnes 316. beiHausirgewerbesteuer-Kontraventionen 858. bei der Verfälschung von NahrnngsMitteln 431. Beschränkungen des Gewerbebetriebes durch Vertrage 9. durch die Postgesehe 11, 14, 15. durch das Telegraphengesetz 12. durch die Steuergesetze 15. durch die Zollgesetze 14. durch daS Pretzgesetz 15. der Ausländer 27. der Soldaten 28. der Beamten 28, 29. hinsichtlich des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen 15. bei Schankwirthschaft und Kleinhandel 108. zum Schutz gegen Rinderpest und Viehseuchen 15. beim Hausirgewerbe 173.

rung. Betrug, Begriff 428. als Strafgrund 452.

Bette», gebrauchte. Hausirhandel 186. Bettfeder« 186. Beweisaufnahme vor dem GewerbeI

gericht 736.

Bezirksausschuß, besten Zuständigkeit 23, 25, 37. 38, 47, 48, 49, 50. 51, 60. 85, 166, 205, 216, 221, 223, 231, 238, 395, 536, 702, 712, 752. BezirkSverwaltungSgericht, Zuständig feit bei Ablösung von Gewerbeberechti­ gungen 22. in Gewerbepolizeisachen 34, 85. Bezugscheine, Hausirhandel 187, 202. Bibeln, deren Kolportage 9, 180. Bienenzucht, Hausirbetrieb 216. Bier, Erlaubniß zum Ausschank 94. Kleinhandel (Gewerbesteuer) 839. Verfälschung 451, 472. Biestmilch, Verkauf 482. Bilder, Verkäufer derselben, Anzeige 33. Erlaubniß zum öffentlichen Verfalls 144, 200. Blätter, künstliche 436. Blechgefäß-Fabriken, Anlegung 40. Bleierzbergwerke, Betrieb 667. Blei als Farbeninhalt 433, 437. Bleifarben-Fabrikation 9, 659. Bleisalze als Fälschungsmittel 475. Bleizucker-Fabrikation 9, 659. Blumen» künstliche, deren Färbung 436. Blumentopfgitter, deren Färbung 476. Bodenseeschifffahrt, Regelung derselben 89. Bodenprodukte siehe Erzeugnisse. Bonbons, deren Verfälschung 470. BonS als Zahlungsmittel an Arbeiter 319. Borsäure als Milchzusah 480. Broker, deren Gewerbebetrieb 131.

Alphabetisches Sachregister.

Branntwein, Handel im Grenzbezirk 14.

873

Nr. 197-201 S. 3, 10. Nr. 202 S. 20. Nr. 203 S. 31. Nr. 204, 206, 207 S. 41, 42. Nr. 208 S. 73. Nr. 209 S. 76. Nr. 210, 211 S. 94. Nr. 212 S. 136. Nr. 215 S. 202. Nr. 217 S. 207. Nr. 223 S. 365. Nr. 224 S. 384. Britanniametall, dessen Herstellling 477. Nr. 225 S. 392. Brodkörbchen» Färbung 477. Nr. 226 S. 358. Brodtaxen 241. Nr. 273 S. 333. Bruchgold, Hansirbetrieb 186. Nr. 298. 299 S. 333. Brüche, Arbeiter in denselben 296, 415, Nr. 300 S. 334. 418, 746. Nr. 301 S. 331. Hülfskassen - Angelegenheiten der Ar­ Nr. 303 S. 331. beiter 394. Nr. 304 S. 334. Gewerbesteller 820. Nr. 305 S. 334. Bruchfilber, Hansirbetrieb 186. Nr. 457-463 S. 209, 210. Brücken, eiserne Anlagen zur Erbauung Nr. 470