Die Binnenorganisation der Seehäfen als Problem des europäischen Wettbewerbsrechts [1 ed.] 9783428538171, 9783428138173

Sarah Dwertmann befasst sich mit der Problematik des Zugangs zum Markt für Hafendienstleistungen. Zur Öffnung dieses Mar

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Die Binnenorganisation der Seehäfen als Problem des europäischen Wettbewerbsrechts [1 ed.]
 9783428538171, 9783428138173

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Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Band 56

Die Binnenorganisation der Seehäfen als Problem des europäischen Wettbewerbsrechts

Von

Sarah Dwertmann

Duncker & Humblot · Berlin

SARAH DWERTMANN

Die Binnenorganisation der Seehäfen als Problem des europäischen Wettbewerbsrechts

Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Armin Hatje, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen †, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter

Band 56

Die Binnenorganisation der Seehäfen als Problem des europäischen Wettbewerbsrechts

Von

Sarah Dwertmann

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 978-3-428-13817-3 (Print) ISBN 978-3-428-53817-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83817-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg im Wintersemester 2010 / 2011 als Dissertation angenommen. Besonders herzlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Stefan Oeter, für die Unterstützung bei der Auswahl des Themas sowie für die Betreuung und Förderung dieser Arbeit. Ausdrücklich danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Patrick Leyens für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Weiterhin danke ich den Herausgebern der Schriftenreihe „Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht“ für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe. Entstanden ist die Arbeit größtenteils im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Der Institutsleitung danke ich für den Zugang zur Bibliothek sowie für die Bereitstellung eines Leseplatzes. Hamburg, im Juni 2012

Sarah Dwertmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erster Teil Grundlagen

25

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Wirtschaftlich-rechtliche Struktur der europäischen Seehäfen . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Funktion und Wesen der Seehäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Rechtliche Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Hanseatisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Lateinisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Anglo-amerikanisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Ökonomische Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Natürliches Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Irreversible Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c) Monopolistische Bottleneck-Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Die in den Seehäfen erbrachten Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Technisch-nautische Hafendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Lotsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Schleppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Festmachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Ladungsbezogene Hafendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Sonstige Hafendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. Ebenen des Seehafenwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Erste Ebene: Wettbewerb zwischen Seehäfen und anderen Umschlagplätzen . 44 2. Zweite Ebene: Wettbewerb zwischen so genannten „port ranges“ . . . . . . . . . . 44

10

Inhaltsverzeichnis 3. Dritte Ebene: Wettbewerb zwischen Hafengruppen und Häfen innerhalb einer „port range“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4. Vierte Ebene: Wettbewerb zwischen Häfen innerhalb einer Hafengruppe . . . . 45 5. Fünfte Ebene: Wettbewerb zwischen Unternehmen innerhalb eines Seehafens . 46

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Die grundsätzliche Bedeutung des Verkehrs für die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Die grundsätzliche Bedeutung des Seeverkehrs für die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Die wirtschaftliche Bedeutung des Seeverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Die wirtschaftliche Bedeutung der Seehäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Historischer Überblick über die Seehafenpolitik der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Erste Phase: Der Zeitraum von 1957 bis 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Zweite Phase: Der Zeitraum von 1973 bis 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Dritte Phase: Der Zeitraum von 1985 bis 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Vierte Phase: Der Zeitraum von 1997 bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Zweiter Teil Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

64

A. Hafendienstleistungswettbewerb im Lichte der Vertragsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Hafensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Hafendienstleistungswirtschaft als Bestandteil des Seeverkehrs i.S.v. Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Das Urteil Französische Seeleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Das Urteil Nouvelles Frontières (Ministère/Asjes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 C. Kartellverbot, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Der kartellrechtliche Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Inhaltsverzeichnis

11

2. Hafendiensteanbieter als Unternehmen i.S.d. Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Ladungsbezogene Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Technisch-nautische Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Sonstige Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Formen unternehmerischen Zusammenwirkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen . 82 2. Preisabsprachen im Hafensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . 85 IV. Handelsbeeinträchtigung (Zwischenstaatlichkeitsklausel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Spürbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I. Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Marktbeherrschende Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Sachlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Räumlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Zeitlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Wesentlicher Teil des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) . . . 94 3. Beherrschende Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Missbräuchliche Ausnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 IV. Handelsbeeinträchtigung (Zwischenstaatlichkeitsklausel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 E. Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Hafendienstleistungsunternehmen, Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Öffentliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Begünstigte Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Unternehmen mit ausschließlichen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Unternehmen mit besonderen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Gewährungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

12

Inhaltsverzeichnis II. Den Verträgen (ehemals „dem EG-Vertrag“) widersprechende Maßnahmen . . . . . 107 1. Verstoß gegen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) i.V.m. Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) im Hafensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Verstoß gegen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) i.V.m. Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) im Hafensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Der Begriff der Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Das allgemeine wirtschaftliche Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Ladungsbezogene Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Technisch-nautische Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Betrauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IV. Verhinderungserfordernis, Art. 106 II S. 1 AEUV (ex-Art. 86 II S. 1 EG) . . . . . . 126 V. Unionsinteresse (ehemals „Gemeinschaftsinteresse“), Art. 106 II S. 2 AEUV (ex-Art. 86 II S. 2 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 G. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Dritter Teil Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

131

A. Port Package I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Der Richtlinienvorschlag über den Zugang zum Markt für Hafendienste . . . . . . . 132 1. Zielsetzung des Richtlinienvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Begründung des Richtlinienvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Geltungsbereich des Richtlinienvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Wesentliche Inhalte des Richtlinienvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Inhaltsverzeichnis

13

II. Der Richtlinienvorschlag in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Reaktionen der Anbieter von Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Reaktionen der ladungsbezogenen Hafendiensteanbieter . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Reaktionen der technisch-nautischen Hafendiensteanbieter . . . . . . . . . . . . . 144 2. Reaktionen der Nachfrager von Hafendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Reaktionen der Reeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Reaktionen der Verlader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 B. Port Package II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Inhaltliche Änderungen gegenüber Port Package I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 C. Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 D. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Vierter Teil Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen nach der „essential facilities“-Doktrin

156

A. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 B. Die „essential facilities“-Doktrin im US-amerikanischen Antitrustrecht . . . . . . . . . . . 158 I. Antitrustrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Die „essential facilities“-Doktrin in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Terminal Railroad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Associated Press . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Gamco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Otter Tail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Hecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6. MCI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 7. Aspen Skiing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 8. Trinko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 9. Bewertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

14

Inhaltsverzeichnis III. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . 174 I. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der Europäischen Kommission . . . . . 175 1. Entscheidungen der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Die „Hafenentscheidungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Der erste Hafenfall: Sealink I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Der zweite Hafenfall: Sealink II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Der dritte Hafenfall: Rødby . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 dd) Der vierte Hafenfall: Roscoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 ee) Der fünfte Hafenfall: Helsingør . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 ff) Auswertung der Hafenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Weitere aufschlussreiche Kommissionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Entscheidungspraxis vor den Hafenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (1) National Carbonizing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) London European . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (3) Aer Lingus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Entscheidungspraxis nach den Hafenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) S.W.I.F.T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Flughafen Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (3) Microsoft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Veröffentlichungen der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Berichte über die Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Telekommunikationsmitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) OECD-Studie „The Essential Facilities Concept“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der europäischen Gerichte . . . . . . . . . 201 1. Spruchpraxis des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Commercial Solvents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Télémarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Magill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d) Bronner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Inhaltsverzeichnis

15

e) IMS Health . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Spruchpraxis des EuG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Tiercé Ladbroke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) European Night Services . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Aéroports de Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 III. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Kritik an einer Übernahme in das europäische Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . 222 2. Zustimmung zu einer Übernahme in das europäische Wettbewerbsrecht . . . . . 225 D. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 E. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin . . . . . . . 229 I. Wesentliche Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Mangelnde Substituierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Mangelnde Duplizierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 II. Zugangsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Wettbewerbsbeeinträchtigung auf dem nachgelagerten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IV. Keine Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 V. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Grundsätzliche Anwendbarkeit im Hafensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 II. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Wesentliche Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Mangelnde Substituierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Mangelnde Duplizierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

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Inhaltsverzeichnis c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Zugangsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Wettbewerbsbeeinträchtigung auf dem nachgelagerten Markt . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Keine Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Kapazitätsengpass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Weitere Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 VI. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Zusammenfassende Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. EG Abs. a.E. AEUV a.F. Alt. Anm. Antitrust L.J. AöR ArchV Art. Aufl. BB Bd. Beil. BGBl. BKartA BSHL Bull. EG bzgl. bzw. CMLR CML Rev. Columbia Business L.R. Columbia L.R. DB ders. dies. Dok. DÖV DVBl. DVWG DVZ EAG ebd. ECLR EEA EG EGKS

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Alternative Anmerkung Antitrust Law Journal Archiv des öffentlichen Rechts Archiv des Völkerrechts Artikel Auflage Betriebsberater Band Beilage Bundesgesetzblatt Bundeskartellamt Bundesverband der See- und Hafenlotsen Bulletin der Europäischen Gemeinschaften bezüglich beziehungsweise Common Market Law Reports Common Market Law Review Columbia Business Law Review Columbia Law Review Der Betrieb derselbe dieselbe (n) Dokument Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft Deutsche Logistik-Zeitung Europäische Atomgemeinschaft ebenda European Competition Law Review Einheitliche Europäische Akte Europäische Gemeinschaft, Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

18 ELR endg. EP ESPO etc. ETL EU EuG EuGH EuGHE EuR EuZW EWG EWiR EWS f., ff. FIW Fn. Fordham Corp. Law Institute GA gem. ggf. GRUR Int. h.M. Hrsg. HS i. d. F. i. d. R. Intern. Verkehrswesen i.S.d. ISL i.S.v. i.V.m. JIML JZ Kap. lit. LMCLQ MMR m.w.N. NJW Nr. NVwZ Ohio Northern University L.R.

Abkürzungsverzeichnis European Law Review endgültig Europäisches Parlament European Seaports Organization et cetera European Transport Law Europäische Union Europäisches Gericht Erster Instanz Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgend (e) Schriftenreihe des Forschungsinstituts für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb Fußnote Fordham Corporate Law Institute Generalanwalt gemäß gegebenenfalls Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Internationaler Teil herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz in der Fassung in der Regel Internationales Verkehrswesen im Sinne des/der Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik im Sinne von in Verbindung mit Journal of International Maritime Law Juristen-Zeitung Kapitel litera Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly Multimedia und Recht mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Ohio Northern University Law Review

Abkürzungsverzeichnis RabelsZ RdE RIW RL Rn. Rs. Rspr. S. s. Slg. s. o. sog. std. Rspr. St. Louis University L.J. str. TranspR u. a. USA usw. verb. Rs. Verf. vgl. VO Vol. WRP WSI-Mitteilungen WuW z. B. ZDS ZHR Ziff. zit. ZögU ZVerkWiss

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Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Energiewirtschaft Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Rechtssache Rechtsprechung Seite siehe Sammlung siehe oben so genannte (r/s) ständige Rechtsprechung St. Louis University Law Journal strittig Transportrecht unter anderem United States of America und so weiter verbundene Rechtssache Verfasser vergleiche Verordnung Volume Wettbewerb in Recht und Praxis Mitteilungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung Wirtschaft und Wettbewerb zum Beispiel Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer zitiert Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen Zeitschrift für Verkehrswissenschaft

Einleitung Rund 50.000 Hafenarbeiter demonstrierten am 11. Januar 2006 europaweit gegen die geplante Einführung einer Richtlinie1 über den Marktzugang für Hafendienstleistungen2. Allein in Hamburg, dem zweitgrößten europäischen Seehafen, kamen rund 2.000 Hafenarbeiter zusammen3. Zuvor hatten in fast allen europäischen Seehäfen Informationsveranstaltungen stattgefunden, verbunden mit Arbeitsniederlegungen wie etwa einem 24-stündigen Warnstreik in Dänemark4. Zum Abschluss der Kundgebungen kam es vor dem Europaparlament in Straßburg sogar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Ein ähnliches Bild hatte sich bereits im Jahr 2003 geboten. Auch damals waren Hafenarbeiter in ganz Europa auf die Straße gegangen, um sich gegen den Erlass einer geplanten Marktzugangsrichtlinie5 zur Wehr zu setzen. Ausgelöst worden waren die Proteste auch damals durch Bestrebungen der Europäischen Kommission6, den Markt für Hafendienste europaweit zu liberalisieren. Mit der Errichtung eines ordnungspolitischen Rahmens wollte die Kommission den Zugang zum Markt für Hafendienste sicherstellen und so über einen verstärkten Wettbewerb unter den Hafendienstleistungsunternehmen die Effizienz der europäischen Seehäfen steigern7. Die Öffnung des Hafendienstleistungsmarktes sollte dabei mithilfe eines Systems von zeitlich befristeten Genehmigungen erfolgen, welche die Hafendiensteanbieter bei den zuständigen Behörden hätten beantragen müssen. Von dem in der Folge einsetzenden Wettbewerb versprach sich die Kommission neben einer Qualitäts- und Effizienzsteigerung im Bereich der Hafendienste auch eine Stärkung des Kurzstreckenseeverkehrs sowie des multimodalen Verkehrs8. Allerdings scheiterte das Gesetzgebungsverfahren zum Erlass der Richtlinie in beiden Fällen am Widerstand des Europäischen Parlaments9. Die Abgeordneten lehnten die Richtlinienentwürfe als bürokratische Überregulierung ab und wiesen darauf hin, dass in den europäischen Seehäfen bereits ausreichender Wettbewerbsdruck herrsche. Das Scheitern der Richtlinienentwürfe dürfte aber zu einem großen 1 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste vom 13. 10. 2004, KOM (2004) 654 endg. 2 Verdi mit Thurm, „Alles daran setzen, das Paket zu versenken“, S. 1. 3 Verdi mit Thurm, „Alles daran setzen, das Paket zu versenken“, S. 1. 4 Kamin, WSI-Mitteilungen 2006, S. 57, 57. 5 Mitteilung der Kommission vom 13. 02. 2001: Verbesserung der Dienstequalität in Seehäfen: Ein zentraler Aspekt für den europäischen Verkehr, KOM (2001) 35 endg. 6 Nachfolgend bezeichnet als „Kommission“. 7 Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 53. 8 Immenga/Mestmäcker-Basedow, VII. Abschnitt, C I, Rn. 10. 9 Nachfolgend bezeichnet als „Parlament“.

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Einleitung

Teil auch auf den Widerstand von Gewerkschaften und Hafenorganisationen zurückzuführen sein, welche die Abgeordneten zuvor mit ihren Protesten massiv unter Druck gesetzt hatten10. Die Kommission hat aus der zweifachen Abstimmungsniederlage ihre Konsequenzen gezogen und von der Vorlage weiterer Richtlinienentwürfe nunmehr Abstand genommen. Stattdessen veröffentlichte sie nach Durchführung zahlreicher Konsultationen mit den beteiligten Interessengruppen im Oktober 2007 eine Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik, in welcher sie ankündigte, in Zukunft nur noch mithilfe des geltenden Primärrechts sowie der Anwendung nicht bindenden „soft laws“ gegen Wettbewerbsverstöße in den europäischen Seehäfen vorgehen zu wollen11. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Problematik des Zugangs zum Markt für Hafendienstleistungen. Der Markt für Hafendienstleistungen ist nämlich – im Gegensatz zu den meisten anderen Wirtschaftssektoren – dem Wettbewerb bislang noch nicht geöffnet worden. Dies ist insofern bemerkenswert, als seit Beginn der neunziger Jahre auf europäischer Ebene damit begonnen wurde, auch solche Wirtschaftssektoren zu liberalisieren, die dem Wettbewerb zuvor entzogen waren12. Hierbei handelt es sich um eine logische Folge der Errichtung des Binnenmarktes, da ein Markt, der auf Wettbewerb und freiem Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr beruht, mit Systemen unvereinbar ist, die auf nationalen Monopolen basieren13. Die meisten Wirtschaftssektoren sind seither auch tatsächlich liberalisiert worden; beispielhaft seien hier nur der Bahn-, Telekommunikations-, Post- und Energiesektor genannt14. Einzelne Wirtschaftszweige konnten dem Wettbewerb jedoch noch nicht geöffnet werden. So ist auch der Hafendienstleistungssektor, der teilweise von monopolistischen Strukturen geprägt wird, bislang nicht liberalisiert worden. Dennoch gilt das Wettbewerbsrecht auch in diesem Wirtschaftszweig. Auch hier ist es erforderlich, einen funktionsfähigen europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Um dies zu erreichen, muss der Zugang zum Markt für Hafendienste ausreichend gewährleistet werden. Die nachfolgende Analyse beschäftigt sich daher mit der Problematik einer nachhaltigen Marktöffnung im Bereich der Hafendienste. Ziel der Untersuchung ist es dabei aufzuzeigen, wie zwischen den Hafendienstleistungsunternehmen ein funktionsfähiger Wettbewerb hergestellt werden kann. Insbesondere soll geklärt werden, ob dazu ein Eingreifen auf sekundärrechtlicher Ebene erforderlich ist oder ob die vorhandenen Instrumente des europäischen Wettbewerbsrechts ausreichen, um eine nachhaltige Marktöffnung durchzusetzen. 10

Ilschner, „Port Package II“ versenkt, S. 1. Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik vom 18. 10. 2007, KOM (2007) 616 endg. 12 Möschel, Festschrift Zöllner, S. 395, 396. 13 Van Miert, Wettbewerbspolitik, S. 5, 5. 14 Dazu im Überblick: Möschel, WuW 1999, S. 832 ff.; Paulweber/Weinand, EuZW 2001, S. 232 ff.; Theobald, NJW 2003, S. 324 ff. 11

Einleitung

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Angesichts der Tatsache, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Hafenanlagen eine unabdingbare Voraussetzung für die Herstellung funktionsfähigen Wettbewerbs im Bereich der Hafendienste ist, soll vor allem der Frage nachgegangen werden, ob sich aus dem Primärrecht Zugangsgewährungsansprüche zu den Hafenanlagen herleiten lassen. Entsprechend der oben dargelegten Zielsetzung gliedert sich die vorliegende Arbeit in vier Hauptteile. Der erste Teil der Untersuchung befasst sich mit den Grundlagen des Hafendienstleistungswettbewerbs. Dabei sollen zunächst die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Hafendienstleistungen in den europäischen Seehäfen erbracht werden, eingehend dargestellt werden. Hierzu ist es erforderlich, die ausschlaggebenden Begriffe näher zu definieren sowie eine Analyse der im Seehafensektor anzutreffenden rechtlichen und ökonomischen Besonderheiten vorzunehmen. Im Anschluss daran soll kurz die historische Entwicklung der europäischen Seehafenpolitik im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU aufgezeigt werden. Im zweiten Teil der Untersuchung werden sodann die im Hafendienstleistungssektor bestehenden wettbewerbsrechtlichen Probleme umfassend dargestellt. Dabei soll vor allem der Frage nachgegangen werden, welche Arten von Wettbewerbsverstößen im Hafensektor überhaupt denkbar sind und ob bzw. wie diese mithilfe des Primärrechts geahndet werden können. Zur Klärung dieser Frage ist es erforderlich, die einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs sowie die bisher im Hafensektor ergangenen Kommissionsentscheidungen genauer zu untersuchen. Dabei ist zu beleuchten, welche Bedeutung die Wettbewerbsregeln des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für die Hafendienstleistungsunternehmen haben. In erster Linie sind hier das Kartellverbot des Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) und das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV (exArt. 82 EG) von Interesse. Angesichts des starken staatlichen Engagements im Hafensektor soll jedoch auch die Vorschrift des Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG), die sich mit staatlichen und vom Staat privilegierten Unternehmen befasst, einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Ein besonderes Augenmerk soll schließlich auf den viel diskutierten Rechtfertigungsgrund des Art. 106 II AEUV (exArt. 86 II EG) gelegt werden. Die beihilferechtlichen Vorschriften der Art. 107 – 109 AEUV (ex-Art. 87 – 89 EG) sind indes nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Auch die Komission hat die Problematik staatlicher Beihilfen stets gesondert von der Marktzugangsproblematik behandelt und überdies die baldige Verabschiedung beihilferechtlicher Leitlinien für den Hafensektor angekündigt. Der dritte Teil der Arbeit befasst sich schließlich mit dem im Hafendienstleistungssektor ergangenen Sekundärrecht. Insbesondere die in den Jahren 2001 sowie 2004 von der Kommission vorgelegten Richtlinienentwürfe zur Liberalisierung des Marktes für Hafendienstleistungen werden in diesem Abschnitt näher dargestellt und kritisch gewürdigt. Nach einer ausführlichen Darstellung der Zielsetzung und des Inhalts der beiden Entwürfe sollen vor allem die Gründe herausgearbeitet werden, die letztlich zu ihrem Scheitern geführt haben. Dazu soll auch die von den verschiedenen Interessengruppen vorgebrachte Kritik einer genaueren Untersuchung unterzogen

24

Einleitung

werden. Anschließend wird das von der Kommission angekündigte weitere Vorgehen im Seehafensektor auf seine Effektivität hin überprüft. Im vierten und letzten Teil der Arbeit soll schließlich ein Weg zur nachhaltigen Marktöffnung im Hafendienstleistungssektor aufgezeigt werden. Dazu wird zunächst das wettbewerbsrechtliche Marktöffnungsinstrument der „essential facilities“-Doktrin näher dargestellt, welches bereits in der Diskussion um die Liberalisierung anderer Wirtschaftssektoren große Aufmerksamkeit erfahren hat15. Über die „essential facilities“-Doktrin werden sowohl im amerikanischen als auch im europäischen Recht Zugangsgewährungsansprüche zu so genannten „wesentlichen Einrichtungen“ hergeleitet. Es ist daher zu untersuchen, ob sich auch im Hafensektor mithilfe dieser Doktrin Zugangsgewährungsansprüche zu den Hafenanlagen herleiten lassen und ob sich gegebenenfalls auf diese Weise eine nachhaltige Marktöffnung erreichen lässt. Diesen Ausführungen folgt schließlich eine zusammenfassende Schlussbetrachtung, verbunden mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.

15

Vgl. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 102.

Erster Teil

Grundlagen Im ersten Teil dieser Arbeit sollen die Grundlagen dargestellt werden, auf denen die Organisation der Hafendienstleistungen basiert. Hierzu wird zunächst auf die wirtschaftliche und rechtliche Organisationsstruktur der europäischen Seehäfen als das Umfeld, in dem die Hafendienstleistungen erbracht werden, eingegangen. Im Anschluss daran wird ein Überblick über die verschiedenen Arten der Hafendienstleistungen, die in den europäischen Seehäfen erbracht werden, gegeben. Sodann wird der Begriff des Hafendienstleistungswettbewerbs näher beleuchtet. Schließlich wird ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung der europäischen Seehafenpolitik gegeben, um das Problem der Liberalisierung der Hafendienstleistungen in einen größeren Kontext einordnen zu können.

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs Vereinfacht ausgedrückt sind Hafendienstleistungen all diejenigen Dienstleistungen, die in einem Hafen erbracht werden. Gemein ist diesen Dienstleistungen, dass sie an den spezifischen Standort des Seehafens gebunden sind. Es gibt jedoch verschiedene Arten von Hafendienstleistungen, die sich zum Teil erheblich voneinander unterscheiden. Bevor näher auf die Einzelheiten dieser Differenzierung eingegangen werden kann, soll geklärt werden, in welchem Umfeld Hafendienstleistungen grundsätzlich erbracht werden. Dies ist erforderlich, da sich beispielsweise die Organisationsstruktur eines Seehafens massiv auf die Art der Erbringung der einzelnen Hafendienstleistungen und damit auch auf die rechtliche Bewertung insgesamt auswirken kann. In besonderem Maße gilt dies für die dieser Arbeit zugrunde liegende Problematik des Marktzugangs zu den Hafendienstleistungen.

I. Wirtschaftlich-rechtliche Struktur der europäischen Seehäfen Im Folgenden soll kurz auf Funktion und Wesen der europäischen Seehäfen sowie ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Strukturen und Eigenheiten eingegangen werden.

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1. Teil: Grundlagen

1. Funktion und Wesen der Seehäfen Seehäfen werden häufig als „Tore zur Welt“ bezeichnet. Diese Etikettierung verdanken sie der Tatsache, dass sie das nationale Transportsystem eines Landes mit dem internationalen Seeverkehr verbinden1. Als so genannte „Containerschleusen“2 tragen sie erheblich zur Erleichterung von Im- und Export bei. Ihre grundsätzliche Bedeutung verdanken die Seehäfen dabei ihrer Funktion als Schnittstelle zwischen Land und Wasser und damit zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern. Denn erst die Existenz eines Seehafens ermöglicht den koordinierten Transfer von Gütern und Personen von einem Seeschiff auf ein anderes Transportmittel – sei es ein anderes Schiff, ein Flugzeug oder ein landgebundenes Verkehrsmittel – und umgekehrt3. Da er das Wesen eines Seehafens überhaupt erst ausmacht, wird der Personen- und Gütertransfer meist als dessen Basisfunktion bezeichnet4. Mit der Transferfunktion ist jedoch erst eine Funktion des Gesamtkomplexes „Seehafen“ angesprochen. Ein Seehafen erfüllt darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Funktionen. So zählt zu seinen mannigfaltigen Aufgaben auch die, den Seeschiffen Schutz vor Wind und Wellengang, an manchen Küsten auch vor dem Gezeitenwechsel, zu gewähren5. Weiterhin kommt einem Seehafen auch eine Versorgungsfunktion für die Hafenstadt und ihr direktes Umland zu6. Darüber hinaus lassen sich zahlreiche weitere Funktionen finden, über deren genaue Anzahl in der Literatur jedoch keine Einigkeit besteht7. Angesichts dieser Unklarheit ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich in der Literatur bis zum heutigen Tag keine einheitliche Definition des Begriffs „Seehafen“ hat durchsetzen können. Im Gegenteil: bedingt durch die sich ständig fortentwickelnde Technologie des Seetransports unterliegt auch die Definition des „Seehafens“ permanenten Veränderungen8. Aus der Vielzahl der unterschiedlichen Seehafen-Definitionen sollen daher an dieser Stelle lediglich einige hervorgehoben werden. Einer Definition zufolge ist ein Seehafen „ein natürlich oder künstlich geschaffener Komplex von Liegeplätzen für Seeschiffe, der als Knotenpunkt zwischen Binnen- und Seeverkehr den Umschlag von Gütern und Personen sicherstellt und der zur Sicherung dieser Aufgaben über umfangreiche Einrichtungen für den Umschlag, für die Lagerung, für den An- und Abtransport der Güter sowie für den Verkehr und 1

Badura, Ports, S. 262, 263. Giszas, HANSA 1993, S. 76, 77. 3 Heeckt, Die ökonomischen Funktionen, S. 247, 258. 4 Badura, Ports, S. 262, 262; Heeckt, Die ökonomischen Funktionen, S. 247, 258; Sanmann, Die Seehäfen, S. 207, 209. 5 Biebig/Wenzel, Seehäfen der Welt, S. 18; Sanmann, Die Seehäfen, S. 207, 209. 6 Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 165. 7 Zu den unterschiedlichen Funktionen vgl. Heeckt, Die ökonomischen Funktionen, S. 247, 258 ff.; Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 165 f. sowie Regul, Die Zukunft der Seehäfen Europas, S. 135 ff. 8 Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 3. 2

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

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die Abfertigung der Seeschiffe und Binnentransportmittel im Seehafenterritorium verfügt“9. Kürzer fasst es eine andere Ansicht, nach der es sich bei einem Seehafen um eine öffentliche oder private Einrichtung handelt, die vor allem dazu dient, „Seehandelsschiffen den Umschlag ihrer Ladung und das Ein- oder Ausschiffen von Passagieren zu ermöglichen“10. Eine ähnliche Begriffsbestimmung enthielten auch die von der Europäischen Kommission in den Jahren 2001 und 2004 vorgelegten Richtlinienentwürfe zur Liberalisierung des Marktes für Hafendienstleistungen. Danach bezeichnete der Ausdruck „Seehafen“ oder „Hafen“ ein „Gebiet mit Landund Wasseranteilen, dessen Bauten und Anlagen in erster Linie die Aufnahme von Schiffen sowie deren Beladen und Löschen, die Lagerung von Gütern, die Übernahme und die Anlieferung dieser Güter sowie das Ein- und Ausschiffen von Fahrgästen ermöglichen“11. Ganz allgemein lässt sich also festhalten, dass der Begriff des Seehafens vor allem das Gebiet und dessen schifffahrtsbezogene Funktion als wesentliche Elemente enthält12. 2. Rechtliche Organisationsstruktur Mit der gefundenen Begriffsbestimmung ist indes noch nichts über die rechtliche Organisationsform der europäischen Seehäfen ausgesagt. Angesichts der heterogenen Betriebs- und Eigentumsverhältnisse in den europäischen Seehäfen verwundert dies nicht. Aufgrund unterschiedlicher historischer, politischer und rechtlicher Entwicklungen hat sich in Europa nämlich eine Vielfalt unterschiedlicher Hafenstrukturen herausgebildet13. So sind einige Seehäfen der EU rein staatlich organisiert, während andere als private Wirtschaftsunternehmen betrieben werden; zwischen beiden Extremformen existieren zudem zahlreiche weitere Organisationsformen, die Komponenten beider Modelle in unterschiedlicher Weise mit einschließen14. Die wichtigsten der in Europa existierenden Hafenorganisationsmodelle sollen im Folgenden näher dargestellt werden. 9

Biebig et al., Hafenwirtschaft, S. 9. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 97. 11 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste vom 13. 10. 2004, KOM (2004) 654 endg., S. 20. Eine ähnliche Definition fand sich bereits in dem ersten Richtlinienentwurf der Kommission aus dem Jahr 2001. Dort wurde der „Seehafen“ definiert als „ein Gebiet mit Land- und Wasseranteilen, dessen Befestigungen und Anlagen in erster Linie die Aufnahme von Schiffen sowie deren Beladen und Löschen, die Lagerung von Gütern, den Empfang und die Lieferung dieser Güter durch Landverkehrsmittel sowie das Ein- und Ausschiffen von Fahrgästen ermöglichen“, Mitteilung der Kommission vom 13. 02. 2001: Verbesserung der Dienstequalität in Seehäfen: Ein zentraler Aspekt für den europäischen Verkehr, KOM (2001) 35 endg., S. 30. 12 Lagoni, ArchVR 26 (1988), S. 261, 277. 13 Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 20; Giszas/Walla, HANSA 1996, S. 6, 6. 14 Behrendt, Der Begriff und die Funktion des „Seehafens“, S. 105, 108; Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 23. 10

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1. Teil: Grundlagen

Wesentlich ist dabei zunächst die Unterscheidung zwischen Hafeninfrastruktur und Hafensuprastruktur. Zur Infrastruktur eines Hafens zählen grundsätzlich alle in seinem Hafengebiet gelegenen See- und Flusszufahrten, seine natürlichen sowie künstlichen Wasserflächen, einschließlich der Hafenbecken, Fleete und Kanäle sowie die Schleusen und Sperrwerke15. Ferner zählen hierzu die Uferbauwerke, die Landgrundstücke im Hafennutzungsgebiet sowie die allgemeinen Verkehrsanlagen des Hafens. Schließlich gehört auch das für den Hafenausbau vorgesehene Hafenentwicklungsgebiet zur Hafeninfrastruktur. Die Infrastruktur eines Hafens reicht somit bis unter die Oberflächenbefestigung des Grundstücks, ohne dabei jedoch die Platzbefestigungen und Versorgungsleitungen einzuschließen. Darüber hinaus sind aber auch diejenigen Anlagen, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung hoheitlicher Aufgaben stehen, der Hafeninfrastruktur zuzurechnen16. Die Hafeninfrastruktur kann weiter unterteilt werden in eine allgemeine bzw. öffentliche sowie eine spezielle bzw. unternehmensbezogene Infrastruktur17. Zur allgemeinen Infrastruktur zählen sämtliche Bestandteile des für alle Nutzer offenen Verkehrswegesystems innerhalb eines Hafens sowie alle Verbindungen zum nationalen und internationalen Verkehrswegesystem. Neben den natürlichen und künstlichen Wasserwegen mit seewärtiger Zufahrt, Anschlüssen an Binnengewässer und Hafenbecken gehören dazu insbesondere auch die öffentlichen Straßen und Verkehrsflächen sowie Sicherheits-, Flutschutz- und Umweltschutzmaßnahmen18. Bei der speziellen oder „nutzerspezifischen“ Infrastruktur hingegen handelt es sich um die Bereitstellung baureifen Geländes sowie der notwendigen Kaimauern mit den davor befindlichen Liegewannen für Schiffe19. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass all diejenigen Teile der Hafeninfrastruktur zuzurechnen sind, die allgemeine, nicht spezifizierte Vorleistungen für alle bzw. eine Vielzahl von Unternehmen erbringen20. Im Gegensatz hierzu umfasst die Suprastruktur eines Hafens sämtliche auf der Infrastruktur für Zwecke des Kaiumschlags, der Lagerung und der Hafenindustrie errichteten Gebäude, Anlagen und Einrichtungen21. Insbesondere gehören dazu auch die Flächenbefestigungen, Straßen, Eisenbahngleise, Schienenwege sowie die Verund Entsorgungsleitungen22. Hinzu kommen die Umschlagsanlagen und beweglichen Geräte wie Kräne, Brücken, Rampen oder Schlepper23.

15 16 17 18 19 20 21 22 23

Vgl. zum Folgenden Lagoni, Hafenrecht 1988, S. 599, 633. Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 173. Zum Folgenden vgl. Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 14. Vgl. auch Giszas/Walla, HANSA 1996, S. 6, 7. Lagoni, Hafenrecht 2006, S. 445, 454. Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 173. Lagoni, Hafenrecht 1988, S. 599, 633. Giszas/Walla, HANSA 1996, S. 6, 7; Lagoni, Hafenrecht 1988, S. 599, 633. Lechner, Die Seehäfen, S. 21.

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

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Eine genaue Abgrenzung zwischen Infra- und Suprastruktur kann im Einzelfall schwierig sein. Dies gilt insbesondere für solche Grundstücke, die für den Kaiumschlag genutzt werden24. Dennoch ist eine exakte Unterscheidung, vor allem vor dem Hintergrund der Frage, wer für die Bereitstellung und Finanzierung der unterschiedlichen Hafenfazilitäten25 verantwortlich ist, eminent wichtig26. So bauen auch die drei wichtigsten Hafenorganisationsmodelle auf einer genauen Abgrenzung zwischen Hafeninfra- und Hafensuprastruktur auf. Sie sollen im Folgenden näher dargestellt werden: a) Hanseatisches Modell Das so genannte „Hanseatische Modell“ ist vorwiegend auf dem nordwesteuropäischen Kontinent zu finden27. Es verdankt seinen Namen der Tatsache, dass fast alle in Nordwesteuropa beheimateten Seehäfen als städtische Häfen organisiert sind und auf eine lange hanseatische Tradition zurückblicken können28. Dieses auch als „Landlord Modell“29 bekannte Hafenorganisationsmodell sieht vor, dass die Bereitstellung der allgemeinen sowie der unternehmensbezogenen Infrastruktur durch die jeweilige Gebietskörperschaft erfolgt, während das nutzende Seehafenunternehmen für die Errichtung und Finanzierung der darauf befindlichen Suprastruktur verantwortlich ist30. Das betreffende Hafengrundstück verbleibt mithin im Eigentum der Gebietskörperschaft. Auf diese Weise behält die Gebietskörperschaft die Kontrolle über ihr Hafengebiet und damit auch über die Hafenentwicklung31. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass auf der einen Seite die staatlichen Einflussmöglichkeiten erhalten bleiben, während auf der anderen Seite die Investitionsbereitschaft und damit auch der Wettbewerb innerhalb des Hafens durch das private Engagement deutlich gestärkt werden. Die Folge ist eine Hafenentwicklungspolitik, die beidseitig von Politik und Wirtschaft beeinflusst und gelenkt werden kann32. Darüber hinaus sichert die durch die Hafenordnung klar strukturierte Aufgabenverteilung zwischen der privaten Hafenwirtschaft und der öffentlichen Hand für alle Unter24

Lechner, Die Seehäfen, S. 21. Der Begriff „Hafenfazilitäten“ umfasst alle für den Leistungserstellungsprozess eines Seehafens notwendigen materiellen Inputfaktoren; vgl. Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 173. 26 Giszas/Walla, HANSA 1996, S. 6, 7; Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 173; Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 15. 27 Behrendt, Der Begriff und die Funktion des „Seehafens“, S. 105, 108. 28 Behrendt, Der Begriff und die Funktion des „Seehafens“, S. 105, 108. 29 Vgl. Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 38. 30 Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 23; Stemmler, Standortwettbewerb, S. 56. 31 Behrendt, Der Begriff und die Funktion des „Seehafens“, S. 105, 108; Bruyninckx, The View of a Port Authority, S. 303, 305; Heitmann, Richtlinienvorschlag, S. 23, 24; Lagoni, Hafenrecht 2006, S. 445, 455. 32 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 38. 25

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1. Teil: Grundlagen

nehmen innerhalb eines Hafens gleiche Ausgangsbedingungen33. Allerdings besteht bei diesem Modell die Gefahr, dass Überkapazitäten geschaffen und Hafenfazilitäten aufgrund von Duplikationen volkswirtschaftlich nicht effizient genutzt werden. b) Lateinisches Modell Das „Lateinische Modell“ verdankt seinen Namen der Tatsache, dass es vor allem in südeuropäischen Ländern anzutreffen ist34. Eine Trennung zwischen Hafeninfraund Hafensuprastruktur findet hier nicht statt35. Sämtliche Hafenfazilitäten gehören dem Staat36. Die auf der Infrastruktur errichteten festen und mobilen Umschlagseinrichtungen werden daher grundsätzlich aus öffentlichen Haushalten finanziert37. Begründet wird dieses Modell mit dem Argument, dass ein Hafen der Allgemeinheit zur Verfügung stehen müsse, was durch eine in privaten Händen liegende Dienstleistungserbringung nicht garantiert werden könne38. Die Häfen werden als „öffentliches Gut“ angesehen, welches ein wichtiges Element des Verkehrssystems darstellt und zu der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eines Staates beiträgt39. Dementsprechend wird die Erbringung jeglicher Hafendienstleistungen als öffentliche Aufgabe verstanden40. Der Hauptvorteil dieses Ansatzes liegt in den weitreichenden Regulierungsmöglichkeiten des Staates. Die gesamte Organisation des Hafens befindet sich in einer Hand. Auch können Verluste durch die öffentliche Hand aufgefangen und der Allgemeinheit angelastet werden41. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass dort, wo der Wettbewerbsdruck gering ist, der Anreiz zu Innovationen und Investitionen fehlt. Veraltete Anlagen, mangelhafter Service, schleppende Schiffsabfertigung und hohe Kosten sind oftmals die Folge42. c) Anglo-amerikanisches Modell Schließlich existiert noch das so genannte „Anglo-amerikanische“ Hafenorganisationsmodell. Sowohl Infra- als auch Suprastruktur stehen bei diesem Modell im Eigentum einer privaten Hafenbetriebsgesellschaft43. Diese betreibt den Hafen wie ein privates Wirtschaftsunternehmen. Vor allem in den USA ist dieses Modell vor33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 38. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 59. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 59. Behrendt, Der Begriff und die Funktion des „Seehafens“, S. 105, 108. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 59. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 59. Behrendt, Der Begriff und die Funktion des „Seehafens“, S. 105, 108. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 59. Sanmann, Die Seehäfen, S. 207, 229. Sanmann, Die Seehäfen, S. 207, 228. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 60.

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

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herrschend. In Europa legte die britische Regierung in den achtziger Jahren die Grundlage für dieses Organisationsmodell, indem sie den gesamten britischen Hafensektor schrittweise privatisierte44. Doch nicht nur im anglo-amerikanischen Raum finden sich privat betriebene Häfen. Vielmehr ist das anglo-amerikanische Hafenorganisationsmodell auch in zahlreichen Beneluxstaaten und sogar in Deutschland anzutreffen45. Der Vorteil dieser Organisationsstruktur besteht darin, dass starker Wettbewerbsdruck und hohe Investitionsbereitschaft aufeinandertreffen. Für unwirtschaftliches Handeln und schlechten Service ist kein Raum, da dies unweigerlich zur Marktverdrängung führen würde. Allerdings birgt dieser marktwirtschaftlich orientierte Ansatz auch die Gefahr unkontrollierbarer Monopolbildungen. Zudem entledigt sich der Staat jeglicher politischer Einflussmöglichkeiten. Die Hafenentwicklungspolitik anglo-amerikanischer Seehäfen wird daher hauptsächlich von wirtschaftlichen Interessen geprägt. 3. Ökonomische Besonderheiten Als Knotenpunkt innerhalb des Seeverkehrsnetzes verfügt ein Seehafen über gewisse ökonomische Besonderheiten, die mit seiner Verortung im Netzsektor zusammenhängen. Diese sollen im Folgenden näher dargestellt werden. Im Netzsektor wird zwischen Netzdienstleistungen einerseits und Netzinfrastrukturen andererseits unterschieden46. Während zu den Netzdienstleistungen Märkte wie Eisenbahnverkehr, Luftverkehr, Elektrizitätshandel, Telekommunikationsdienstleistungen und Postdienste zählen, stellen Schienenwege, Bahnhöfe, Flughäfen, Elektrizitäts- und Kabelnetze Beispiele für Netzinfrastruktureinrichtungen dar47. Nach herkömmlicher Ansicht zählen die hier behandelten Seehäfen zu den Netzinfrastruktureinrichtungen48, während die in den Seehäfen erbrachten Hafendienstleistungen zu den Netzdienstleistungen gehören49. Netzgebundene Infrastruktureinrichtungen – und damit auch die europäischen Seehäfen – werden durch besondere Charakteristika geprägt. Häufig handelt es sich aufgrund von Größen- und Verbundvorteilen um natürliche Monopole50. Darüber 44 Stemmler, Standortwettbewerb, S. 60; näher dazu Fleming/Baird, Maritime Policy and Management 1999, S. 383, 385 ff.; Heaver, Maritime Policy and Management 1995, S. 125, 128; Suykens/Van de Voorde, Maritime Policy and Management 1998, S. 251, 254. 45 So steht in Deutschland beispielsweise in Nordenham und Brunsbüttel nicht nur die Hafensuprastruktur, sondern auch die Hafeninfrastruktur im Eigentum eines privaten Hafenunternehmens. Heitmann, Richtlinienvorschlag, S. 23, 24. 46 Knieps, Der disaggregierte Regulierungsansatz, S. 7, 8. 47 Knieps, Der disaggregierte Regulierungsansatz, S. 7, 8. 48 Jacobi, Third-Party-Access, S. 21. 49 Als Bestandteile des Seeverkehrsnetzes werden Seehäfen im ökonomischen Sprachgebrauch den Netzinfrastruktureinrichtungen zugeordnet, ohne dass dies jedoch Auswirkungen auf die oben vorgenommene Unterteilung in Hafeninfra- und Hafensuprastruktur hätte. 50 Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 1.

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1. Teil: Grundlagen

hinaus zeichnen sich Netzinfrastruktureinrichtungen in der Regel durch hohe irreversible Fixkosten aus51. Diese ökonomischen Merkmale können vor allem hinsichtlich der Marktzutrittsmöglichkeiten potentieller Wettbewerber negative Wirkungen hervorrufen und sollen daher im Folgenden näher erläutert werden: a) Natürliches Monopol Die so genannten Netzindustrien, zu denen auch der Seeverkehr zählt, werden traditionell durch monopolistische Strukturen geprägt52. Vorherrschend ist dabei das so genannte „natürliche Monopol“53. Was aber ist ein natürliches Monopol und worin liegen seine Besonderheiten? Grundsätzlich ist ein Monopol eine Marktform, in der auf der Anbieterseite nur ein einziges Unternehmen agiert54. Wettbewerbsstrukturen sind nicht vorhanden. In einer solchen Situation besteht die Gefahr, dass der Monopolist von den Verbrauchern überhöhte Preise für seine Leistungen verlangt und die Kosten für etwaige Fehlinvestitionen auf die Kunden abwälzt, um auf diese Weise eine so genannte Monopolrendite zu erzielen55. Da der Preismechanismus seine regulierende Wirkung nicht entfalten kann, sind mangelhafte Marktergebnisse die Folge. Dies wiederum bedingt unerwünschte Wohlfahrtsverluste56. Monopolsituationen sind daher aus volkswirtschaftlicher Sicht grundsätzlich abzulehnen57. Dies gilt jedoch nicht für jede Art von Monopol. Das traditionellste58 und auch heute noch generell anerkannte Konzept zur Begründung der Monopoleigenschaft bestimmter Sektoren ist das so genannte natürliche Monopol59. Als solches wird eine Situation bezeichnet, in der ein einzelnes Unternehmen den Markt kostengünstiger bedienen kann als jede größere Anbieterzahl60. Dies hat zur Folge, dass auf dem Markt auf Dauer kein Platz für 51

Knieps, Der disaggregierte Regulierungsansatz, S. 7, 9. Basedow, ZHR 170 (2006), S. 178, 179; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 164; Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 1. 53 Basedow, ZHR 170 (2006), S. 178, 179; Theobald, WuW 2000, S. 231, 234. 54 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 38. 55 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 38. 56 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 38. 57 Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 6 f. 58 Der der Definition des natürlichen Monopols zugrunde liegende ökonomische Sachverhalt der Kostenersparnis wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von Edwin Chadwick und John Stuart Mill für eine Vielzahl von Sektoren beschrieben, s. Chadwick, 22 Journal of the Royal Statistical Society (1859), S. 381, 385; Mill, Principles of Political Economy, S. 143 ff.; die Prägung des Begriffs des natürlichen Monopols wird jedoch Richard T. Ely zugeschrieben; vgl. Ely, Outlines of Economics, S. 623; ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung s. Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 20. 59 Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 19; Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 36 ff.; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 36; Weber, Wirtschaftsregulierung, S. 100. 60 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 21; Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 19; Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 36; Weber, Wirtschaftsregulierung, S. 101. 52

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

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mehrere Anbieter ist, so dass am Ende nur der Monopolist übrig bleibt61. Ökonomisch betrachtet liegt ein natürliches Monopol immer dann vor, wenn der Verlauf der Kosten strikt „subadditiv“ ist62. Dies bedeutet, dass keine Aufteilung der Gesamtproduktion auf zwei oder mehr Unternehmen existiert, die nicht zu höheren Gesamtkosten führt als bei monopolistischer Produktion63. Ein subadditiver Kostenverlauf kann auf Größenvorteilen64 (economies of scale) oder auf Verbundvorteilen65 (economies of scope) beruhen66. Da in einem natürlichen Monopol ein einziges Unternehmen den Markt kostengünstiger bedienen kann als jede größere Anbieterzahl, würde die Durchbrechung der monopolistischen Struktur zu einem signifikanten Kostenanstieg der erbrachten Dienstleistungen in dem betreffenden Markt führen67. Aus volkswirtschaftlicher Sicht kann es daher erstrebenswert sein, das natürliche Monopol zu erhalten, um auf diese Weise die Größen- bzw. Verbundvorteile zu realisieren68. Doch trotz der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit ergeben sich auch bei einem natürlichen Monopol Probleme. So bestehen die für Monopole typischen Gefahren von Wohlfahrtsverlusten etwa aufgrund überhöhter Preise oder sonstiger Formen des Marktmissbrauchs. Um dies zu verhindern, wird im Falle eines natürlichen Monopols häufig versucht, mithilfe des Wettbewerbsrechts die Marktmacht des Monopolisten aufzubrechen. Diese Problematik ist auch im Seehafensektor anzutreffen, da Seehäfen herkömmlicher Weise als natürliche Monopole angesehen werden69. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Netzinfrastrukturen differenzierter betrachtet werden müssen. Sie werden heutzutage nicht mehr automatisch und in Gänze als natürliche Monopole angesehen, sondern in der Analyse in Teilbereiche zerlegt, von denen jeder für sich daraufhin zu untersuchen ist, ob er wettbewerblich organisierbar ist70. Folglich können auch nur bestimmte Segmente einer Netzinfrastruktur als natürliches Monopol angesehen werden. Innerhalb eines Seehafens stellen vor allem die Hafenanlagen derartige Segmente dar. Während die in den Seehäfen erbrachten Hafen61

Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 15. Knieps, ZVerkWiss 2004, S. 133, 135; Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 36; Weber, Wirtschaftsregulierung, S. 101. 63 Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 22. 64 Größenvorteile liegen vor, wenn eine proportionale Erhöhung aller Inputfaktoren zu einer überproportionale Erhöhung aller Outputfaktoren führt; s. Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 24. 65 Verbundvorteile liegen vor, wenn es kostengünstiger ist, dass ein einziges Unternehmen alle Produkte zusammen produziert, als wenn verschiedene Unternehmen sich auf die Produktion einzelner Produkte spezialisieren; s. Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 26. 66 Theobald, WuW 2000, S. 231, 234. 67 Weber, Wirtschaftsregulierung, S. 101. 68 Zum Folgenden vgl. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 41. 69 Börner, Der Netzzugang für Dritte als grundsätzliches rechtliches Problem, S. 137, 139; Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 173; Slot/Skudder, Tijdschrift Vervoer & Recht 2000, S. 1, 1. 70 Bundeskartellamt, Zugang zu Netzen, S. 4; Knieps, ZVerkWiss 2004, S. 133, 134. 62

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1. Teil: Grundlagen

dienstleistungen nämlich durchaus wettbewerblich organisierbar sind, ist dies für die einzelnen Hafenanlagen nicht der Fall. Aufgrund von Bündelungsvorteilen kann ein Anbieter den Markt hier kostengünstiger bedienen als jede größere Anbieterzahl. Daher liegt ein natürliches Monopol vor. Aus volkswirtschaftlicher Sicht mag dies sinnvoll sein, da Kostenduplikationen vermieden werden. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht stellt sich jedoch die Frage, ob eine Marktmachtbegrenzung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass ein natürliches Monopol grundsätzlich angreifbar ist, da ineffiziente Produktion oder positive Gewinne unmittelbar zu einer Verdrängung des etablierten Anbieters durch einen Marktneuling führen71. Kommen zum Vorliegen eines natürlichen Monopols jedoch erhebliche irreversible Kosten hinzu, so vergrößert sich die Machtposition des Monopolisten. Man spricht dann von einer „nicht angreifbaren Netzinfrastruktur“72. Die Angreifbarkeit eines natürlichen Monopols hängt also vor allem davon ab, in welchem Maß irreversible Kosten vorliegen73. Diese Frage soll für den Hafensektor im Folgenden beantwortet werden: b) Irreversible Kosten Lassen sich die für einen Markteintritt erforderlichen Investitionen im Falle eines Marktaustritts nicht vollständig wiederverwenden, spricht man, da die Investitionen im Falle eines Marktaustritts unwiederbringlich verloren sind, von einer Irreversibilität der Investitionen74. Die Infrastruktur ist mit ihrer Errichtung auf die geplante Verwendung festgelegt75. Die durch solche Investitionen verursachten Kosten bezeichnet man als irreversible oder „versunkene“ Kosten („sunk costs“)76. Irreversible Kosten ergeben sich mithin aus der Differenz zwischen Anschaffungs- und Wiederverkaufswert77. Da sie gewissermaßen die Kosten für ein Scheitern eines Marktzutritts darstellen, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Marktzutritt umso höher, je niedriger die mit einem Marktaustritt verbundenen sunk costs sind78. Hohe sunk costs stellen daher die eigentliche Ursache für Marktzutrittsschranken dar79. In dem Augenblick, in dem ein neuer Wettbewerber beabsichtigt, in den Markt einzutreten, hat das alteingesessene Unternehmen in der Kalkulation meist nur noch die 71

Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 31. Knieps, MMR 1998, S. 275, 276. 73 Theobald, WuW 2000, S. 231, 235. 74 Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen, S. 204; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 30; Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 41. 75 Kruse, Ökonomie der Monopolregulierung, S. 41. 76 Im Gegensatz dazu stehen mit den so genannten „reversiblen Aufwendungen“ jene Ressourcen, die ohne Wertverlust für andere Zwecke verwendbar sind. Dazu näher Fritsch/ Wein/Ewers, Marktversagen, S. 204. 77 Hautau, ZVerkWiss 2002, S. 179, 183. 78 Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen, S. 204. 79 Jacobi, Third-Party-Access, S. 22; Schellhaaß/Neumann, WuW 1986, S. 196, 199. Näher zu den verschiedenen Marktzutrittsschranken: Jickeli, Marktzutrittsschranken, S. 1 ff. 72

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

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Restabschreibungen zu berücksichtigen, während der Neukonkurrent die vollen Anschaffungskosten ansetzen muss80. Dies versetzt das alteingesessene Unternehmen in die Lage, die Berechnung seiner Preise nur noch auf die Deckung der variablen Kosten zu stützen81. Mit einem solchen Preis kann ein neuer Anbieter aber langfristig kaum mithalten. Irreversible Kosten sind daher für alteingesessene Unternehmen meist nicht mehr entscheidungsrelevant, wohl aber für potentielle Wettbewerber82. Der Hafensektor ist geprägt durch eine hohe Marktirreversibilität, da Hafeninfraund Hafensuprastruktur hohe Kapitalinvestitionen benötigen83. Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich des Containerumschlags, der sich durch seine Ortsgebundenheit sowie eine weitestgehende Immobilität der Güter auszeichnet84. So sind beispielsweise Containerbrücken standortspezifisch konzipiert und in gebrauchter Form kaum marktgängig85. Eine Standortverlegung wäre in höchstem Maße kapitalaufwendig und somit wirtschaftlich kaum vertretbar. Aufgrund mangelnder Drittverwertbarkeit sind die in derartige Anlagen getätigten Investitionen im Falle eines Marktaustritts unwiederbringlich verloren. Für die fest mit dem Erdboden verbundenen Kranbahnen, Gleisanlagen, verlegten Leitungen, Lager- und Ausrüstungshallen gilt nichts anderes. Und auch aus dem Bau einer Kaimauer resultiert eine Kostenstruktur mit sehr hohen Fixkosten86. Sobald Hafenanlagen einmal gebaut wurden, ist daher kaum noch mit weiteren Markteintritten zu rechnen87. Bei den durch Investitionen in Containerbrücken und ähnliche Anlagen verursachten Kosten handelt es sich demzufolge um irreversible Kosten. Anders verhält es sich hingegen mit solchen Investitionen, die z. B. zur Anschaffung von Schleppern getätigt wurden. Die in einem Seehafen eingesetzten Schlepper können problemlos an einen anderen Hafenstandort transferiert werden, sollte sich die Wettbewerbssituation einmal ändern. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass vor allem der Bereich des Containerumschlags durch eine hohe Marktirreversibilität gekennzeichnet ist.

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Schellhaaß/Neumann, WuW 1986, S. 196, 199. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 44. 82 Knieps, Netzzugang für Dritte, S. 29, 32. 83 Zachcial/Hautau, Das „user cost“-Prinzip als Basis der Preisbildung in den europäischen Seehäfen, S. 123, 128. 84 ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 3. 85 Vgl. zum Folgenden ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 9. 86 Zachcial/Hautau, Das „user cost“-Prinzip als Basis der Preisbildung in den europäischen Seehäfen, S. 123, 128. 87 Hautau, ZVerkWiss 2002, 179, 184. 81

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1. Teil: Grundlagen

c) Monopolistische Bottleneck-Einrichtung Stabile netzspezifische Marktmacht und damit einhergehender Regulierungsbedarf ist jedoch nur bei Vorliegen einer so genannten monopolistischen BottleneckEinrichtung gegeben88. Eine solche liegt aus ökonomischer Sicht dann vor, wenn aufgrund von Bündelungsvorteilen eine natürliche Monopolsituation gegeben ist, die zusätzlich durch irreversible Kosten gekennzeichnet ist89. Im Hafensektor ist dies für den Bereich der Hafenanlagen der Fall. Wie oben herausgearbeitet wurde, hat der Betreiber einer Hafenanlage in der Regel aufgrund von Bündelungsvorteilen ein natürliches Monopol inne, das durch irreversible Kosten gekennzeichnet ist. Eine solche Situation ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Zum einen führt die stabile Marktmacht zu der Gefahr, dass die Leistungen von Bottleneck-Einrichtungen zu überhöhten Preisen angeboten werden; zum anderen müssen die Zugangsbedingungen zu den monopolistischen Bottlenecks reguliert werden, damit der aktive und der potentielle Wettbewerb auf den nachgelagerten Märkten funktionsfähig wird90. In monopolistischen Bottleneck-Bereichen kann es daher erstrebenswert sein, dritten Unternehmen die Mitbenutzung der betreffenden Infrastruktur zu gestatten91. Auf diese Weise kann der Gefahr überhöhter Preise begegnet und der Wettbewerb auf den nachgelagerten Märkten intensiviert werden92. Darüber hinaus können volkswirtschaftlich unsinnige Doppelinvestitionen, die bei der Errichtung einer Parallelinfrastruktur anfallen, vermieden werden93. Im Grundsatz lässt sich also festhalten, dass Bündelungsvorteile in Kombination mit irreversiblen Kosten, wie sie bei Seehäfen auftreten, staatliche Regulierungseingriffe zur Förderung des Wettbewerbs durchaus rechtfertigen können94.

II. Die in den Seehäfen erbrachten Hafendienstleistungen Nachdem im vorherigen Abschnitt die äußeren Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs erläutert worden sind, sollen im Folgenden die in den Seehäfen erbrachten Hafendienstleistungen näher dargestellt werden. Der Begriff der Hafendienstleistung umfasst dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Dienstleistungen. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um gebührenpflichtige Dienstleistungen für Schiffe und Fracht, die nicht in den eigentlichen Hafengebühren enthalten sind95. 88 89 90 91 92 93 94 95

Knieps, ZVerkWiss 2004, S. 133, 134. Knieps, MMR 1998, S. 275, 276. Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 33. Jacobi, Third-Party-Access, S. 22. Jacobi, Third-Party-Access, S. 22. Jacobi, Third-Party-Access, S. 22 mit Verweis auf Fehling, AöR 121 (1996), S. 59, 60. Hautau, ZVerkWiss 2002, S. 179, 185. Langenhagen, Die See- und Hafenpolitik der Europäischen Union, S. 160, 164.

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

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Hafendienstleistungen (oder kurz: Hafendienste) sind das so genannte „Nebengewerbe“96 oder „Verkehrshilfsgewerbe“97 zum „Hauptgewerbe“ Seeschifffahrt. Während unter dem Begriff Hauptgewerbe in Bezug auf die Seeschifffahrt „die eigentliche Beförderungsleistungsproduktion der Reeder“ zu verstehen ist98, fallen unter den Begriff des Nebengewerbes die „wirtschaftlich mit dem Hauptgewerbe verknüpften speziellen selbständigen Gewerbetätigkeiten im Bereich eines Seehafens“99. Zum Verkehrshilfsgewerbe gehören dementsprechend solche Unternehmen, die zwar selbst keine Seeschifffahrt betreiben, regelmäßig aber „technisch und wirtschaftlich ihrer Verbindung zu anderen Verkehrsarten dienen“100. Dieser spezielle Dienstleistungssektor innerhalb eines Hafens wird auch als „Seehafenverkehrswirtschaft“ bezeichnet101. Vereinfacht ausgedrückt sind Hafendienstleistungsunternehmen danach Unternehmen, die in einem Seehafen angesiedelt sind und deren Tätigkeit mit dem Seetransport im Zusammenhang steht102. Eine genauere Definition des Hafendienstleistungsbegriffs findet sich in den beiden Richtlinienentwürfen der Europäischen Kommission aus den Jahren 2001 und 2004. Danach sind Hafendienste „Dienstleistungen eines bestimmten Handelswerts, die für Hafenbenutzer in einem Seehafen gegen Entgelt erbracht werden und deren Bezahlung normalerweise nicht in den Gebühren enthalten ist, die erhoben werden, bevor ein Hafenbenutzer die Erlaubnis erhält, einen Hafen anzulaufen oder dort tätig zu sein“103. Die Hafendienste umfassen dem Richtlinienvorschlag zufolge „die technisch-nautischen Dienste Lotsen, Schleppen und Festmachen, sämtliche Tätigkeiten des Ladungsumschlags (einschließlich Löschen und Laden, Stauen, Umladen und andere Transporttätigkeiten am Terminal) sowie Fahrgastdienste (einschließlich Ein- und Ausschiffen)“104. Diese Dienste werden entweder innerhalb des Hafengebiets oder auf der Wasserstraße, die den Zugang zu dem Hafen darstellt, erbracht105. „Hafendiensteanbieter“ oder 96

Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 39 ff.; Lechner, Die Seehäfen, S. 20; Stabenow, Die Seehäfen, S. 63, 73. 97 Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 204. 98 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 39. 99 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 39. 100 Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 204. 101 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 138; Jolmes, Festgabe Berkenkopf, S. 112, 135. 102 Lechner, Die Seehäfen, S. 17. 103 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste vom 13. 10. 2004, KOM (2004) 654 endg., S. 4. 104 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste vom 13. 10. 2004, KOM (2004) 654 endg., S. 21. 105 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste vom 13. 10. 2004, KOM (2004) 654 endg., S. 21.

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1. Teil: Grundlagen

„Diensteanbieter“ ist demzufolge jede „natürliche oder juristische Person, die gegen Entgelt eine oder mehrere Kategorien von Hafendienstleistungen erbringt oder dies beabsichtigt“106. Der obigen Definition entsprechend lassen sich die Hafendienste in verschiedene Kategorien einteilen. Man differenziert zwischen zwei großen Gruppen, den technisch-nautischen und den ladungsbezogenen Diensten. All diejenigen Dienste, die sich nicht in diese beiden Kategorien einordnen lassen, werden der Einfachheit halber unter den Begriff der „sonstigen Hafendienste“ zusammengefasst. 1. Technisch-nautische Hafendienste Die erste Kategorie bilden die so genannten technisch-nautischen Dienste. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich hierbei um schiffsbezogenen Dienstleistungen, die erbracht werden, um einen reibungslosen Ablauf des Hafenumschlags zu gewährleisten107. Zu den technisch-nautischen Hafendienstleistungen zählen vor allem die Lotsen-, Schlepp- und Festmacherdienste. Aber auch eine Reihe von Versorgungsleistungen, wie z. B. die Bereitstellung von Treibstoff oder Wasser, wird teilweise den technisch-nautischen Hafendiensten zugerechnet108. Die Inanspruchnahme technisch-nautischer Hafendienste ist in vielen Häfen der EU obligatorisch109. Durch ihre Erbringung wird die Sicherheit von Schiffen, Ladung, Fahrgästen und der gesamten Hafengemeinschaft sichergestellt110. Die drei wichtigsten schiffsbezogenen Hafendienste sollen im Folgenden näher dargestellt werden. Gemein ist ihnen, dass die Diensteanbieter jederzeit und bei jeder Wetterlage einsatzbereit sein müssen. Eine weitere Gemeinsamkeit ist darin zu sehen, dass in allen drei Kategorien dem Aspekt der Sicherheit eine wesentliche Bedeutung zukommt, wobei dieser Aspekt vor allem für die Lots- und Schleppdienste von besonderer Bedeutung ist. a) Lotsen Eine der bedeutendsten Aufgaben im Bereich der technisch-nautischen Hafendienstleistungen kommt den Lotsen zu. Lotsendienste bestehen grundsätzlich darin, dass ein Lotse den Kapitän bei der Einfahrt in den Hafen sowie beim Anlegen durch die Angabe der Fahrtroute und die Mitwirkung bei den erforderlichen Manövern 106 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste vom 13. 10. 2004, KOM (2004) 654 endg., S. 21. 107 Carbone/Munari, LMCLQ 1996, S. 67, 67; Lechner, Wettbewerb und EG-Freiheiten, S. 147, 147; Van Hooydonk, The Regime of Port Authorities, S. 79, 99. 108 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 33. 109 Van Hooydonk, The Regime of Port Authorities, S. 79, 100. 110 Lechner, Wettbewerb und EG-Freiheiten, S. 147, 147.

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

39

unterstützt111. In der Regel überlässt der Kapitän dem Lotsen dabei die nautische Führung des Schiffes112. Der Lotse manövriert dann das Schiff, gibt die Kurse, Ruderlagen und Geschwindigkeiten an und kontrolliert deren Einhaltung113. Lotsen bringen das Schiff also sicher vom Strom in das jeweilige Hafenbecken und wieder zurück114. Sie klettern nicht nur über Lotsenleitern an Bord, sondern lassen sich auch per Hubschrauber aus der Luft an Deck abseilen115. Zumeist wird die Lotsenberatung an Bord eines Schiffes vorgenommen; bei schlechten Sichtverhältnissen beraten jedoch zusätzlich Lotsen in den Radarzentralen von Land aus die Schiffsführung über Funk116. In fast allen Mitgliedstaaten der EU sind die Lotsen freiberuflich tätig und in genossenschaftsähnlichen Zusammenschlüssen organisiert117. Teilweise sind sie jedoch auch fest bei der jeweiligen Hafenverwaltung angestellt118. Lediglich in Rotterdam sind die Lotsendienste bereits 1988 vollständig privatisiert worden; die „Pilot Corporation of the Port of Rotterdam“ arbeitet jedoch unter strenger Aufsicht des niederländischen Verkehrsministeriums119. Eine intensive Kontrolle ist indes auch in anderen Mitgliedstaaten die Regel. Die in der EU tätigen Lotsen haben sich stets nach den Vorschriften ihrer jeweiligen nationalen Lotsgesetze zu richten, deren Einhaltung vom Verkehrsministerium oder einer anderen regionalen Behörde genauestens überwacht wird120. In Deutschland unterscheidet man zwischen See- und Hafenlotsen. Seelotse ist „wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtsstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater begleitet“, § 1 Seelotsgesetz121. Nach dem Leitbild des bereits im Jahre 1954 errichteten Seelotsgesetzes ist der Lotsdienst eine öffentliche Aufgabe, die der Sicherheit der Schifffahrt und dem Schutz der Umwelt dient. Jeder deutsche Seelotse ist Inhaber des höchsten nautischen Patents (Kapitän auf großer Fahrt)122. Die deutschen Seelotsen üben ihre Tätigkeit als Freiberufler aus, sind jedoch in Brüderschaften zusammen111 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge, EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, S. I-1783, 1785, Rn. 1. (Corsica Ferries Italia). 112 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 113 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 114 Abtmeyer, TranspR 1981, S. 33, 33. 115 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 116 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 117 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 38; Ecorys, Evaluation Study, S. 23; ESPO, Factual Report on the European Port Sector, S. 117 ff. 118 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 38. 119 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 38 f. 120 Carbone/Munari, LMCLQ 1996, S. 67, 71; Ecorys, Evaluation Study, S. 24. 121 Gesetz über das Seelotswesen (Seelotsgesetz) vom 13. 09. 1984, BGBl. I, S. 1213, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. 07. 2008, BGBl. I, S. 1507. 122 BSHL, Über Lotsen, S. 1.

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1. Teil: Grundlagen

geschlossen123. Derzeit existieren in Deutschland sieben derartige Lotsenbrüderschaften124. Zusammen bilden sie die Bundeslotsenkammer. Während sich die unmittelbare Verwaltung des Bundes auf die Tarifgebung sowie die Bereitstellung und den Betrieb der Lotseneinrichtungen (Lotsenstationen und Versetzboote) beschränkt, organisieren die Lotsenbrüderschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts die ständige Verfügbarkeit ihrer Lotsen im Rahmen einer Selbstverwaltungsaufgabe125. Mithilfe der so genannten „Reihenbört“ wird sichergestellt, dass jederzeit ein für das Revier qualifizierter Lotse zur Verfügung steht126. Dieses System lässt sich mit der Arbeitsweise an einem Taxistand vergleichen: wer ganz vorne steht, hat das nächste ankommende Schiff zu lotsen127. Hat der Lotse seinen Dienst an Bord beendet, stellt er sich wieder hinten an und rückt solange nach, bis er erneut an der Reihe ist128. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Hafenlotsen sind derzeit rund 800 deutsche Seelotsen in den sieben Lotsrevieren tätig129. Die behördliche Zulassung in den einzelnen Lotsrevieren erfolgt dabei durch die zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion130. Hat das zu lotsende Schiff das Hafengebiet erreicht, geht der Seelotse von Bord und wird von einem Hafenlotsen abgelöst. Hafenlotse ist beispielsweise im Hamburger Hafen „wer nach behördlicher Zulassung im Hafenlotsrevier berufsmäßig Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater begleitet“, § 1 I Hafenlotsgesetz131. Tatsächlich überlässt aber auch hier der Kapitän dem Lotsen zumeist die nautische Führung seines Schiffes. Auch sonst ist das Hafenlotswesen ähnlich organisiert wie das Seelotswesen. So üben auch die Hafenlotsen ihren Dienst in einer nach der so genannten „Börteordnung“ bestimmten Reihenfolge aus132. Der Dienst wird dann auf der Grundlage einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Reeder ausgeführt133. Wie die Seelotsen sind auch die Hafenlotsen freiberuflich tätig und in Brüderschaften organisiert. Den größten Zusammenschluss bilden in Deutschland die Hamburger Hafenlotsen mit derzeit 75 Mitgliedern134. Eine Dachorganisation stellt der Bundesverband der deutschen See- und Hafenlotsen dar.

123

Herber, Seehandelsrecht, S. 165. BSHL, Über Lotsen, S. 3. 125 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 38. 126 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 127 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 128 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 129 Bundeslotsenkammer, Pressemitteilung, S. 1. 130 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 38. 131 Gesetz über das Hafenlotswesen (Hafenlotsgesetz) vom 19. 01. 1981, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1981, S. 9, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. 12. 1985, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1985, S. 293. 132 Lagoni, Hafenrecht 2006, S. 445, 462. 133 Lagoni, Hafenrecht 2006, S. 445, 462. 134 Hamburg Pilot, Der Lotse im Brückenteam, S. 1. 124

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

41

b) Schleppen Schlepper ziehen oder schieben ein Schiff im Hafen, während dieses anlegt, ablegt oder sich anderweitig im Hafenbecken bewegt. Sie sind notwendig, da ein Schiff seine Geschwindigkeit im Hafen aufgrund des langen Bremsweges stark drosseln muss. Beim An- und Ablegen sowie beim Verholen im Hafen wird ein Schiff daher von einem oder mehreren – stark motorisierten – Schleppern unterstützt135. Man spricht von Seeschiffsassistenz136. Wie viele Schlepper eingesetzt werden, hängt u. a. von der Größe des Schiffes und dem Wetter ab. Die in den europäischen Seehäfen tätigen Anbieter von Schleppdienstleistungen müssen in der Regel eine besondere Ausbildung absolvieren und über ein nautisches Diplom verfügen137. Zumeist haben sie den Status eines Kapitäns138. In Deutschland sind die verschiedenen Schleppreedereien meist zu Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haben sie sich nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften zu richten. So schreibt beispielsweise § 19 a des Hamburgischen Hafenverkehrs- und Schifffahrtsgesetzes139 vor, dass das Betreiben der Seeschiffsassistenz im Hamburger Hafen genehmigungsbedürftig ist. Darüber hinaus ordnet die Seeschiffsassistenzverordnung140 aus dem Jahre 1997 bestimmte Sicherheitsstandards für alle Assistenzschlepper sowie Erlaubnisse für Betriebsunternehmen und Fahrzeugführer, eine Mindestbesatzung der Schiffe sowie eine jederzeitige Einsatzbereitschaft zwingend an141. c) Festmachen Aufgabe der Festmacher ist es, Seeschiffe sicher und schnell an den Hafenanlagen zu befestigen und später wieder zu lösen142. Werden die Festmacher angefordert, übernehmen sie am Terminal die Leinen ankommender Seeschiffe und machen sie am Poller fest143. Meist sind bei einem Auftrag zwei bis acht Festmacher unterwegs144. Rund 80 Prozent der Aufträge erledigen die Festmacher vom Land aus, 135

Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 100. Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 36. 137 Carbone/Munari, LMCLQ 1996, S. 67, 71. 138 Carbone/Munari, LMCLQ 1996, S. 67, 71. 139 Hafenverkehrs- und Schifffahrtsgesetz vom 03. 07. 1979, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1979, S. 177, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 06. 10. 2005, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2005, S. 424. 140 Verordnung zur Durchführung der Seeschiffsassistenz im Hamburger Hafen (Seeschiffsassistenzverordnung) vom 11. 03. 1997, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1997, S. 65. 141 Lagoni, Hafenrecht 2006, S. 445, 460. 142 Arbeitsgemeinschaft Hamburger Schiffsbefestiger, Wir über uns, S. 1. 143 Hamburger Abendblatt v. 10. 07. 2006, Festmachen, aber fix, S. 1. 144 Hamburger Abendblatt v. 10. 07. 2006, Festmachen, aber fix, S. 1. 136

42

1. Teil: Grundlagen

wobei sie so genannte Winsch-Fahrzeuge zur Unterstützung einsetzen145. Hierbei handelt es sich um spezielle Fahrzeuge, auf deren Ladeflächen Winden für die Leinen verschraubt sind146. Dort, wo die Winsch-Fahrzeuge nicht hinkommen, werden Festmacherboote eingesetzt werden147. Für diese Festmacherboote ist ein eigenes Hafenpatent erforderlich148. Sie unterliegen der jeweiligen ortsspezifischen Hafenfahrzeugverordnung149. Grundsätzlich werden die Festmacher vom jeweiligen Reeder bestimmt150. In den deutschen Seehäfen haben sich die verschiedenen Festmacherbetriebe zu Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen151. 2. Ladungsbezogene Hafendienste Zur Gruppe der ladungsbezogenen Dienste zählen das Löschen, Laden, Stauen, Umladen und andere Transporttätigkeiten am Terminal, die Lagerung und Einlagerung sowie das Zusammenstellen von Sammelladungen152. Seit der Erfindung des Standardcontainers TEU153 in den sechziger Jahren hat sich der Markt für Ladungsumschlag grundlegend gewandelt154. Gemessen am Stückgutumschlag sind seither hohe Containerisierungsgrade zu verzeichnen. Im Hamburger Hafen hat der Containerisierungsgrad beispielsweise im Jahr 2010 die Marke von 96,8 Prozent erreicht155. Auf europäischer Ebene hat die Einführung automatisierter Containerterminals zu einer achtfach höheren Produktivität geführt156. Zwingende Voraussetzung für die lukrative Erbringung von Umschlagsdienstleistungen ist folglich der Zugang zu Hafeninfra- und Suprastruktureinrichtungen. Die Effizienz und Produktivität eines Terminals hängt dann von der Leistungsfähigkeit des eingesetzten Umschlagequipments ab157. Für den einzelnen Anbieter ladungsbezogener Dienste lässt sich die Produktivität seines Terminals individuell berechnen. So lässt sich anhand der Kranrate ablesen, wie viel Ladung ein einzelner Kran pro Zeiteinheit umsetzen kann; durch die Multiplikation der Kranrate mit der Anzahl der eingesetzten Kräne lässt sich dann die Terminalproduktivität bestimmen, die wiederum 145

Stimming, Hamburger Abendblatt v. 21. 06. 2005, S. 1. Stimming, Hamburger Abendblatt v. 21. 06. 2005, S. 1. 147 Stimming, Hamburger Abendblatt v. 21. 06. 2005, S. 1. 148 Arbeitsgemeinschaft Hamburger Schiffsbefestiger, Wir über uns, S. 1. 149 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 38. 150 Abtmeyer, TranspR 1981, S. 33, 33. 151 Arbeitsgemeinschaft Hamburger Schiffsbefestiger, Wir über uns, S. 1. 152 Mitteilung der Kommission vom 13. 02. 2001: Verbesserung der Dienstequalität in Seehäfen: Ein zentraler Aspekt für den europäischen Verkehr, KOM (2001) 35 endg., S. 38. 153 Twenty Foot Equivalent Unit, Maßeinheit für 20-Fuß Container. 154 Vgl. GDV, Containerhandbuch, S. 1. 155 Vgl. die Informationen des Hamburger Hafens unter www.hafen-hamburg.de/de/list/ facts. 156 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 4. 157 Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 174 f. 146

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

43

angibt wie viele Container alle eingesetzten Kräne an einem Schiff in einem bestimmten Zeitraum be- und entladen können158. Auf diese Weise lässt sich stets berechnen, wie produktiv der einzelne Containerterminal ist. Grundsätzlich können ladungsbezogene Hafendienstleistungen auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen erbracht werden159. Sie können unmittelbar von den Hafenbehörden selbst oder durch Dritte, wie beispielsweise Konzessionäre, erbracht werden, wobei es derzeit keine europarechtlichen Vorschriften über Dienstleistungskonzessionen im Bereich der Häfen gibt160. Viele der in Europa existierenden Hafenterminals werden jedoch von Konzessionären betrieben, denen eine zeitweilige Genehmigung zur Nutzung des Hafengeländes erteilt wurde161. In der Regel wird eine derartige Genehmigung für einen Zeitraum von etwa dreißig Jahre erteilt162. Der Konzessionär wird entweder im Wege der Ausschreibung oder nach dem Ermessen der Behörde ausgewählt163. Hierbei ist oft eine Diskriminierung einzelner privater Anbieter zu Gunsten privatrechtlich organisierter Unternehmen mit langer Tradition am jeweiligen Hafenstandort zu beobachten164. 3. Sonstige Hafendienste Schließlich existiert eine dritte Kategorie von Hafendiensten, die so genannten Hilfsdienste. Hierzu zählen insbesondere die Feuerlösch- und Bunkerdienste sowie die in den Auffanganlagen geleisteten Dienste165. Aber auch die Tätigkeiten des Seehafen-Spediteurs, des Schiffsmaklers, des Seegüterkontrolleurs oder auch des Reedereikaufmanns zählen zu den sonstigen Hafendiensten166. Da wettbewerbswidrige Verhaltensweisen in diesem Bereich selten zu beobachten sind, werden die Hilfsdienste im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt.

158

Maennig/Sames, ZVerkWiss 2000, S. 163, 175. Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik vom 18. 10. 2007, KOM (2007) 616 endg., S. 10. 160 Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik vom 18. 10. 2007, KOM (2007) 616 endg., S. 10. 161 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 18. 10. 2007: Begleitdokument zur Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik, SEK (2007) 1340, S. 4. 162 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 35. 163 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 18. 10. 2007: Begleitdokument zur Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik, SEK (2007) 1340, S. 4. 164 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 35. 165 Grünbuch der Kommission vom 10. 12. 1997 über Seehäfen und Seeverkehrsinfrastruktur, KOM (97) 678 endg. 166 Zu den Berufen im Einzelnen: Abtmeyer, TranspR 1981, S. 33 f. 159

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1. Teil: Grundlagen

III. Ebenen des Seehafenwettbewerbs Nachdem im vorherigen Abschnitt die verschiedenen Hafendienstleistungen näher dargestellt worden sind, soll im Folgenden erläutert werden, was unter dem Begriff des Hafendienstleistungswettbewerbs zu verstehen ist. Nach Verhoeff167, der sich als Erster mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, lässt sich der Seehafenwettbewerb in verschiedene Ebenen unterteilen, deren Grenzen jedoch teilweise fließend ineinander übergehen168. So können Häfen bzw. Hafenunternehmen, die innerhalb einer Ebene miteinander in Wettbewerb stehen, durchaus auf höheren Ebenen in kooperativen Ausschüssen zusammenarbeiten, um gemeinschaftliche Ziele zu verfolgen und mit gemeinsamen Wettbewerbern zu konkurrieren169. Grundsätzlich stehen die Ebenen jedoch in einem hierarchischen Verhältnis zueinander und werden nach räumlichen bzw. Verwaltungsebenen abgegrenzt, wobei sich die Abgrenzung meist nach dem Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Verwaltung richtet170.

1. Erste Ebene: Wettbewerb zwischen Seehäfen und anderen Umschlagplätzen Die erste Ebene des Seehafenwettbewerbs betrifft den Wettbewerb zwischen Seehäfen und anderen Umschlagplätzen. Als spezifische Knotenpunkte des Seeverkehrs stehen die Seehäfen mit anderen binnenländischen Verkehrsknoten in Konkurrenz171. Die Unterscheidung betrifft damit die Wahl von Transportwegen, entlang derer ein bestimmter Warenstrom bewegt wird172. Man spricht auch vom Verkehrsträgerwettbewerb173. 2. Zweite Ebene: Wettbewerb zwischen so genannten „port ranges“ Wettbewerb kann aber auch zwischen verschiedenen so genannten „port ranges“ bestehen. Eine „port range“ kann dabei als eine Gesamtheit von Häfen entlang derselben Küste definiert werden, die ein im Wesentlichen gemeinsames potentielles Hinterland bedienen174. Wettbewerbsbeziehungen zwischen mehreren port ranges entstehen dann, wenn sich deren Hinterlandregionen wenigstens partiell über167 168 169 170 171 172 173 174

Verhoeff, Maritime Policy and Management 1981, S. 49, 49 ff. Hinricher, Die Zukunftschancen kleiner und mittlerer Seehäfen, S. 56. Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 156. Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 156. Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 155. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 35. Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 155. Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 156.

A. Rahmenbedingungen des Hafendienstleistungswettbewerbs

45

schneiden, oder auf interkontinentaler Ebene, wenn ökonomische, technische oder politische Entwicklungen zu einer wesentlichen Routenverschiebung führen175. Typisches Beispiel sind in Europa etwa die Häfen der Nordrange, die gemeinsam gegen die Südrangehäfen im Mittelmeer konkurrieren176. 3. Dritte Ebene: Wettbewerb zwischen Hafengruppen und Häfen innerhalb einer „port range“ Auch innerhalb einer solchen port range können Wettbewerbsbeziehungen entstehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn verschiedene Hafengruppen miteinander konkurrieren. Unter einer Hafengruppe versteht man eine geographisch zusammenhängende Region innerhalb eines Landes, in welcher mehrere Seehäfen verhältnismäßig nah beieinander liegen177. Da sich eine port range in der Regel über mehrere Staaten erstreckt, während die Hafengruppen sowie einzelne Häfen jeweils nur einem Staat angehören, findet auf dieser Ebene häufig ein Wettbewerb zwischen den Staaten statt, die eine Hafenpolitik im Interesse ihres Landes betreiben178. Als Beispiel können hier etwa die Niederlande herangezogen werden, die unlängst verschiedene Maßnahmen ergriffen haben, um die Wettbewerbsposition ihrer Häfen im „angestammten“ Hinterland der deutschen Seehäfen zu verbessern179. Diese dritte Ebene wird in der Hafenpolitik oftmals als die entscheidende angesehen180. 4. Vierte Ebene: Wettbewerb zwischen Häfen innerhalb einer Hafengruppe Eine Konkurrenzsituation kann aber auch zwischen den Häfen innerhalb einer Hafengruppe entstehen. So existieren zum Beispiel innerhalb der Gruppe der deutschen Nordseehäfen zum Teil sehr ausgeprägte Wettbewerbsbeziehungen, wie z. B. zwischen dem Hamburger Hafen und den Bremischen Häfen181. Die Frage, ob sich ein solcher Wettbewerb entwickelt, hängt dabei sehr stark von der national unterschiedlichen Ausgestaltung der Hafenpolitik bzw. von der Kompetenzverteilung auf verschiedene Verwaltungseinheiten ab182. Durch die Zunahme horizontaler

175

Hinricher, Die Zukunftschancen kleiner und mittlerer Seehäfen, S. 57. Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 156. 177 Hinricher, Die Zukunftschancen kleiner und mittlerer Seehäfen, S. 57. 178 Goss, Maritime Policy and Management 1990, S. 273, 275; Hinricher, Die Zukunftschancen kleiner und mittlerer Seehäfen, S. 57. 179 Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 156. 180 Stemmler, Standortwettbewerb, S. 36. 181 Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 157. 182 Hinricher, Die Zukunftschancen kleiner und mittlerer Seehäfen, S. 58. 176

46

1. Teil: Grundlagen

Integrationsbemühungen der Umschlagunternehmen verändert sich der Charakter des Hafenwettbewerbs auf dieser Ebene zunehmend183. 5. Fünfte Ebene: Wettbewerb zwischen Unternehmen innerhalb eines Seehafens Schließlich kann Wettbewerb zwischen den einzelnen Unternehmen innerhalb eines Hafens entstehen. Mehrere in einem Hafen ansässige Seehafenunternehmen konkurrieren dann miteinander um Reeder- oder Abladerkunden184. Seehafenwettbewerb ist somit in Teilbereichen auch Unternehmenswettbewerb185. Aus Sicht der Hafennutzer ist die Frage des Seehafenwettbewerbs eine, die sich vornehmlich auf „unternehmensspezifische Charakteristika“ bezieht186. Die für die Hafenwahl verantwortlichen Entscheidungsträger greifen dabei zumeist auf Erfahrungswerte oder Kundenbeziehungen zurück. Im Grundsatz unterscheidet sich der auf dieser Ebene stattfindende Wettbewerb damit nicht von dem Unternehmenswettbewerb anderer Industriezweige. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Grenzen zu der dritten und vierten Ebene fließend sind. So kann die Frage, ob die maßgeblichen Faktoren, die letztlich zu der Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Hafen führen, auf der Ebene drei, vier oder fünf zu verorten sind, meist nicht eindeutig beantwortet werden. Grund hierfür sind vor allem die bereits oben erwähnten horizontalen Integrationstendenzen der Umschlagunternehmen. Die vorliegende Arbeit befasst sich folglich mit dem auf der dritten, vierten und fünften Ebene stattfindenden Seehafenwettbewerb, wobei der Schwerpunkt jedoch eindeutig auf der fünften Ebene zu verorten ist.

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU Obwohl vielfach gefordert187, gibt es bis zum heutigen Tag keine klar und eindeutig formulierte gemeinsame „Seehafenpolitik“ bzw. „Seehafenverkehrspolitik“188 der Europäischen Union189. Sowohl das Europäische Parlament als auch die Europäische Kommission haben in den letzten Jahrzehnten zwar wiederholt ver183

Heitmann, Schiff und Hafen 2000, S. 237, 238; Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 157; Suykens, Competition between Ports, S. 217, 220. 184 Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 157. 185 Holocher, Hinterlandverbindungen und Seehafenwettbewerb, S. 155, 157. 186 Zum Folgenden Hinricher, Die Zukunftschancen kleiner und mittlerer Seehäfen, S. 58 f. 187 Vgl. bereits Oldewage, Die Nordseehäfen im EWG-Raum, S. 153. 188 Zur begrifflichen Unterscheidung, s. Kapteyn, Europa sucht eine gemeinsame Verkehrspolitik, S. 127. Der Einfachheit halber wird im Folgenden der Begriff „Seehafenpolitik“ verwendet. 189 Lechner, Die Seehäfen, S. 15.

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

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sucht, eine solche auf Gemeinschafts- bzw. Unionsebene durchzusetzen190 ; diese Harmonisierungsbemühungen sind jedoch alle mehr oder weniger im Sande verlaufen191. Als Hauptursache für das Scheitern wurde der EU-Anspruch auf Einführung einer allgemein verbindlichen und allumfassenden europäischen Seehafenpolitik ausgemacht192. Widerstreitende nationale Interessen und die Furcht vor einer zentralistischen Koordinationspolitik haben den Weg zu einer gemeinsamen Seehafenpolitik über Jahre hinweg erheblich erschwert. Seit Beginn der neunziger Jahre ist jedoch ein Paradigmenwechsel erkennbar. Die Mitgliedstaaten haben die strategische Notwendigkeit erkannt, effiziente und wettbewerbsfähige Seehäfen in das multimodale europäische Transportnetz zu integrieren. Sie haben eingesehen, dass sie die Vorteile, die ein gemeinsames Vorgehen im Seehafenbereich bietet, nutzen müssen, um mit der ständig fortschreitenden Globalisierung Schritt halten zu können. Dieser beschwerliche Weg hin zu einer gemeinsamen EU-Seehafenpolitik soll im Folgenden näher dargestellt werden. Dabei wird zunächst in einem kurzen Überblick die grundsätzliche Bedeutung des Verkehrs für die Europäische Union erläutert. Um die Notwendigkeit effizienter Strukturen in den europäischen Seehäfen zu verdeutlichen, soll sodann auf die Bedeutung des Seeverkehrs und insbesondere der Seehäfen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der EU eingegangen werden. Schließlich wird ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung der Seehafenpolitik gegeben.

I. Die grundsätzliche Bedeutung des Verkehrs für die EU Der Verkehr galt lange Zeit als vernachlässigter und deutlich unterbewerteter Teil des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts. Es wurde kritisiert, die gemeinsame Verkehrspolitik habe über Jahrzehnte hinweg ein „Schattendasein“ geführt193 und sei „das typische Beispiel für die schwerfällige Handlungsweise der Gemeinschaft“194. Dabei verhalte sich die Funktion des Verkehrs mit seiner ständig gewachsenen Fähigkeit, immer größere Räume in immer schnellerer Zeit zu überwinden, diametral entgegengesetzt zu den dürftigen Fortschritten der gemeinsamen Verkehrspolitik195, die eine „Biedermeieridylle“ geblieben sei196. Die Verkehrspolitik wurde in diesem 190 Zu den verschiedenen Entschließungen des Europäischen Parlaments vgl. Giari, Marine Affairs Journal 1982, S. 1 ff. 191 Mester, Wettbewerb und EG-Freiheiten, S. 139, 139. 192 Biebig et al., Hafenwirtschaft, S. 16; Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 71; Hinz, Maritime Policy and Management 1996, S. 337, 337; Mester, Wettbewerb und EGFreiheiten, S. 139, 139. 193 Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 157. 194 Erdmenger, EuR 1985, S. 375, 375. Zum Folgenden Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 66. 195 Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 190. 196 Hallstein, Die europäische Gemeinschaft, S. 273.

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1. Teil: Grundlagen

Zusammenhang auch als „ironisches Kapitel“197 der europäischen Integration oder als „gestrandetes Schiff“198 bezeichnet. Tatsächlich war, wie noch zu zeigen sein wird, eine gemeinsame Politik auf dem Verkehrssektor lange Zeit nicht zu erkennen. Dies erstaunt angesichts der immensen Bedeutung, die dem Verkehr für den Prozess der europäischen Integration zukommt. Der Verkehr ist nämlich zugleich „Instrument und Gegenstand der Integration“199. Zunächst dient er der praktischen Verwirklichung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie der Freizügigkeit in der Europäischen Union; dies macht ihn zum Instrument der Integration200. Nur wenn der Verkehr technisch reibungslos und zu volkswirtschaftlich niedrigen Kosten funktioniert, kann sich die Arbeitsteilung auf Gemeinschafts- bzw. Unionsebene so vollziehen, wie es den Zielsetzungen der Verträge entspricht201. Umgekehrt können unzureichende Verkehrswege und Verkehrsdienste negative Auswirkungen auf die Umsetzung der vertraglich festgelegten Ziele haben202. So können Wettbewerbsbeschränkungen auf den europäischen Verkehrsmärkten, ähnlich wie Zölle, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten umleiten oder gar gänzlich verhindern203. Der Verkehr schafft also fundamentale Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes und hilft, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Europäischen Union zu festigen204. Im Binnenmarktkonzept kommt ihm daher eine Schlüsselfunktion zu205. All dies zeichnet den Verkehr als Instrument der Integration aus. Darüber hinaus kommt dem Verkehr aber auch als Gegenstand der Integration Bedeutung zu. Die Verkehrswirtschaft stellt nämlich für sich genommen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar, auf den rund 7 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts entfallen206. Aber auch beschäftigungspolitisch ist der Verkehr von erheblicher Bedeutung; so stellt die Verkehrswirtschaft europaweit mehr als 10 Millionen Arbeitsplätze207. Weitere 8 Millionen Arbeitsplätze hängen indirekt von der Verkehrswirtschaft ab; rund 2 Millionen Personen sind in der Verkehrsaus197

Hallstein, Die europäische Gemeinschaft, S. 273. Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 157. 199 Grabitz/Hilf-Boeing, vor Art. 70, Rn. 1. 200 Grabitz/Hilf-Boeing, vor Art. 70, Rn. 2. 201 Grabitz/Hilf-Boeing, vor Art. 70, Rn. 2. Näher dazu Jung, TranspR 1998, S. 135, 135 ff. 202 Grabitz/Hilf-Boeing, vor Art. 70, Rn. 2. 203 Dolfen, Der Verkehr im europäischen Wettbewerbsrecht, S. 7; Grabitz/Hilf-Boeing, vor Art. 70, Rn. 2. 204 Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 9. 205 Dauses-Epiney, L, Rn. 7. 206 Mitteilung der Kommission vom 17. 06. 2009: Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System, KOM (2009), 279 endg., S. 3. 207 Mitteilung der Kommission vom 22. 06. 2006: Für ein mobiles Europa – Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent – Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001, KOM (2006), 314 endg., S. 14. 198

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

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rüstungsindustrie beschäftigt und über 6 Millionen Menschen arbeiten in den mit dem Verkehr zusammenhängenden Industrien208. Schließlich zeichnet sich der Verkehrssektor durch ein im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überproportionales Wachstum aus209. Schätzungen der Kommission zufolge wird sich der Gütertransport zwischen den Mitgliedstaaten in den Jahren zwischen 2000 und 2020 um rund 50 Prozent erhöhen210. Zwar brach infolge der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise auch der Güterverkehr massiv ein; die Verkehrsexperten sagen jedoch bereits jetzt schon wieder einen drastischen Anstieg des Güterverkehrs bis zum Jahr 2025 voraus211. Der Verkehr stellt somit einen eigenständigen Sektor von großem gesamtwirtschaftlichem Gewicht dar212. Als solcher ist er selbst Gegenstand des europäischen Integrationsprozesses, da die vertraglichen Liberalisierungsziele grundsätzlich auch im Bereich des Verkehrs erreicht werden sollen213. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Verkehrssektor für die EU von herausragender wirtschaftlicher, sozialer und politischer Bedeutung ist, und dass hinsichtlich seines Volumens und seiner Bedeutung in den kommenden Jahren sogar noch von weiteren erheblichen Steigerungen auszugehen ist.

II. Die grundsätzliche Bedeutung des Seeverkehrs für die EU Als Bestandteil des Verkehrssektors ist vor allem der Seeverkehr für Europa von überragender wirtschaftlicher und politischer Bedeutung. Die EU verfügt über eine Küstenlinie von rund 100.000 Kilometern214. Sie ist damit länger als die Küstenlinie Russlands oder der USA215. Da der europäische Kontinent von vier Meeren216 und zwei Ozeanen217 umgeben ist, sind beachtliche zwei Drittel der EU-Außengrenzen Küstengebiet218. Die Hoheitsgewässer der Mitgliedstaaten sind damit flächenmäßig umfangreicher als ihr Hoheitsgebiet zu Land219. 208

Vgl. Dauses-Epiney, L, Rn. 9. Vgl. Dauses-Epiney, L, Rn. 8. 210 Europäische Kommission, Straßenverkehrspolitik, S. 2. 211 Verkehrsrundschau, Drastischer Anstieg des Güterverkehrs erwartet, S. 1. 212 Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 9. 213 Dauses-Epiney, L, 6. Für Deutschland vgl. Wissmann, Privatisierung und Liberalisierung im Verkehr, S. 63, 64 ff. 214 Mitteilung der Kommission vom 18. 10. 2007 über eine europäische Hafenpolitik, KOM (2007), 616 endg., S. 2. 215 Grünbuch der Kommission vom 08. 05. 2006: Die künftige Meerespolitik der EU, KOM (2006) 689, S. 3. 216 Mittelmeer, Ostsee, Nordsee und Schwarzes Meer. 217 Atlantik und Arktischer Ozean. 218 Grünbuch der Kommission vom 08. 05. 2006: Die künftige Meerespolitik der EU, KOM (2006) 689, S. 3. 209

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1. Teil: Grundlagen

1. Die wirtschaftliche Bedeutung des Seeverkehrs Vor diesem geographischen Hintergrund verwundert es nicht, dass der Warenaustausch mit Drittländern größtenteils auf dem Seewege erfolgt. So werden heute bereits mehr als 90 Prozent des Außenhandels und über 40 Prozent des Binnenhandels der EU über See abgewickelt220. Allein für Schweden und Spanien beträgt der Anteil der seewärtig transportierten Güter jeweils 98 Prozent, während er für Deutschland immerhin noch 27 Prozent erreicht221. Bedingt wird diese Entwicklung vor allem durch die zunehmende Überlastung landgestützter Verkehrsträger222. Als wirtschaftlichster und umweltfreundlichster Verkehrsträger stellt der Seetransport hier eine ernstzunehmende Alternative dar223. Vor allem der Containerverkehr verzeichnete jahrzehntelang ein stetiges Wachstum. Von rund 236 Mio. TEU im Jahr 2000 wuchs der weltweite Containerumschlag im Jahr 2005 auf rund 399 Mio. TEU an, was einer jährlichen Wachstumsrate von 11 Prozent entspricht224. Innerhalb Europas steigerte sich der Containerumschlag zwischen 2004 und 2006 sogar um mehr als 19 Prozent225. Noch im Jahr 2008 wurde allein in den deutschen Seehäfen mit einem Gesamtumschlag von 318 Mio. t ein Rekordergebnis erzielt226. Dieser positive Trend ist durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise jäh unterbrochen worden. Die Containerschifffahrt, die in besonderem Maße von der Globalisierung und dem dadurch bedingten Wachstum des Welthandels profitiert hatte, brach im Jahr 2009 infolge des weltweiten Nachfrageeinbruchs massiv ein. So reduzierte sich beispielsweise der Containerumschlag des Hamburger Hafens im Jahr 2009 um 28 Prozent227. Auch auf europäischer Ebene brach der Containerumschlag kräftig ein228. Die Frachtraten für Containerschiffe sanken drastisch und zahlreiche Containerschiffe mussten aufgrund der geringen Auslandsnachfrage aus dem Verkehr genommen werden229. Allerdings scheint die Talsohle nunmehr durchschritten. So konnte beispielsweise der Hamburger Hafen im ersten Halbjahr 2010 mit umgeschlagenen 3,7 Mio. TEU ein Plus

219 Grünbuch der Kommission vom 08. 05. 2006: Die künftige Meerespolitik der EU, KOM (2006) 689, S. 3. 220 Grünbuch der Kommission vom 08. 05. 2006: Die künftige Meerespolitik der EU, KOM (2006) 689, S. 7. 221 Stemmler, Standortwettbewerb, S. 33. 222 Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 1. 223 Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 1. 224 ESPO, Annual Report 2006/2007, S. 21. 225 ESPO, Annual Report 2006/2007, S. 20. 226 Vgl. zum Folgenden ZDS, Jahresbericht 2008/2009, S. 9. 227 Vgl. die Pressemitteilung des Hamburger Hafens vom 04. 02. 2010 unter www.hafenhamburg.de/de/news/jahrespressekonferenz-2010-pressemitteilung. 228 Amerini, General economic crisis hits European port activity, S. 6. 229 ZDS, Jahresbericht 2008/2009, S. 9.

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

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von 4,3 Prozent verzeichnen230. Auch der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe prognostiziert für 2011 ein Wachstum des Gesamtumschlags um rund 4 Prozent231. Verkehrsexperten gehen daher davon aus, dass sich „die Grundtendenz eines künftig wieder wachsenden weltweiten Containerverkehrs nicht verändert“ hat232. So seien ab 2011 Wachstumsraten von acht bis neun Prozent realistisch233. Der Containerverkehr bleibt folglich ein Wirtschaftszweig mit ausgesprochen positiven Zukunftsaussichten. Auf lange Sicht wird er daher ein äußerst wichtiger Faktor für den europäischen Warenhandel bleiben. Doch nicht nur hinsichtlich des Warenhandels ist der Seetransport für die EU von enormer Bedeutung. Auch als eigenem Dienstleistungssektor kommt ihm fundamentale Bedeutung zu234. So tragen maritime Industrie und Dienstleistungen (ohne den Wert der Rohstoffe wie Öl, Gas oder Fisch) 3 bis 5 Prozent, die Küstenregionen insgesamt 40 Prozent zum europäischen Bruttoinlandsprodukt bei235. Der maritime Sektor beschäftigt in ganz Europa mehr als 2,5 Millionen Menschen236. Davon sind 350.000 Menschen in den Häfen oder in den direkt damit verbundenen Dienstleistungsbetrieben beschäftigt237. Die Seehafenverkehrswirtschaft spiegelt damit die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas in besonderem Maße wider238. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Seeverkehr einen Wachstumsmarkt von enormer wirtschaftlicher Bedeutung darstellt. 2. Die wirtschaftliche Bedeutung der Seehäfen Ohne die Seehäfen als Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern wäre ein derartiges Wachstum des Seeverkehrs nicht möglich. Im Seever230 Vgl. die Halbjahrespressekonferenz des Hamburger Hafens vom 16. 08. 2010 unter http://www.hafen-hamburg.de/news/sp%C3 %BCrbares-wachstum-im-ersten-halbjahr-2010-f %C3 %BCr-den-hamburger-hafen. 231 ZDS, Aktuelle Lage der deutschen Hafenwirtschaft, S. 4. 232 Verkehrsrundschau, Prognose: Containerschifffahrt kommt 2012 ins Gleichgewicht, S. 1. 233 Verkehrsrundschau, Prognose: Containerschifffahrt kommt 2012 ins Gleichgewicht, S. 1. 234 Parameswaran, Die Liberalisierung von Seetransportdienstleistungen, S. 9. 235 Grünbuch der Kommission vom 08. 05. 2006, Die künftige Meerespolitik der EU, KOM (2006) 689, S. 3. 236 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Erreichbarkeit Europas auf dem Seeweg: Entwicklung und vorausschauende Weichenstellung“, 2005/C 157/25, Nr. 1.3. 237 Grünbuch der Kommission vom 08. 05. 2006, Die künftige Meerespolitik der EU, KOM (2006) 689, S. 7. 238 Mitteilung der Kommission vom 13. 03. 1996: Die Gestaltung der Maritimen Zukunft Europas – ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Maritimen Wirtschaft, KOM (96) 84 endg., S. 2.

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1. Teil: Grundlagen

kehrsnetz kommt den Seehäfen daher eine Schlüsselrolle zu. Um es mit Kapteyn bildlich auszudrücken, „müssen die Seehäfen, wenn das Verkehrswesen mit dem Blutkreislauf der Wirtschaft verglichen wird, als die Lungen eines Kontinents gelten“239. Dies gilt insbesondere für den europäischen Kontinent, der mittlerweile über mehr als 1.200 Seehäfen verfügt240. In diesen werden jährlich rund 3 Milliarden Tonnen Fracht umgeschlagen241. Daneben nutzen jedes Jahr ca. 400 Mio. Passagiere die europäischen Seehäfen zum Ein-, Um- und Ausstieg242. Das entspricht einem Anteil von ca. 70 Prozent der europäischen Bevölkerung243. Die europäischen Seehäfen sind damit wichtige Industrie- und Handelsstandorte. Sie sind von entscheidender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit des Binnen- und Außenhandels der EU, und da sie über ein beträchtliches Wachstumspotential verfügen nimmt ihre Bedeutung stetig zu. Den Seehäfen kommt jedoch nicht nur eine zentrale Bedeutung aufgrund ihrer Funktion als Industriestandorte zu244, sie leisten auch einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung der peripheren Regionen in der EU und der Küstenregionen insgesamt245. So hat beispielsweise die Entwicklung der Kreuzfahrtbranche einige europäische Seehäfen zu Tourismuszentren für Städte und ganze Regionen werden lassen246. Die europäischen Seehäfen sind für das wirtschaftliche Wachstum und den wirtschaftlichen Zusammenhalt innerhalb der EU daher von entscheidender Bedeutung.

III. Historischer Überblick über die Seehafenpolitik der EU Vor dem Hintergrund der im vorherigen Abschnitt dargelegten zentralen Bedeutung der Seehäfen, erscheint es für die Europäische Union essentiell, die Effizienz dieser so wichtigen Verkehrsknotenpunkte im Rahmen einer gemeinsamen Politik zu steigern. Gleichwohl ist die Entwicklung einer gemeinsamen Seehafenpolitik lange Zeit vernachlässigt worden und sogar noch hinter der schleppenden Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrspolitik zurückgeblieben. Initiativen zur Einbeziehung der Seehäfen in die gemeinsame Verkehrspolitik wurden zwar schon 239

Kapteyn, Europa sucht eine gemeinsame Verkehrspolitik, S. 127. Mitteilung der Kommission vom 18. 10. 2007 über eine europäische Hafenpolitik, KOM (2007) 616 endg., S. 2. 241 Mitteilung der Kommission vom 18. 10. 2007 über eine europäische Hafenpolitik, KOM (2007) 616 endg., S. 2; ESPO, Seehafenpolitik, S. 3. 242 Mitteilung der Kommission vom 21. 01. 2009: Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018, KOM (2009) 8 endg., S. 2. 243 ESPO, Seehafenpolitik, S. 3. 244 Rudolph, Die Maritime Politik der Europäischen Union, S. 11, 14. 245 Jarzembowski, Grünbuch der Europäischen Kommission, S. 87, 89. 246 Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik vom 18. 10. 2007, KOM (2007) 616 endg., S. 2. 240

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

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früh ergriffen, haben jedoch keine überzeugenden Ergebnisse gebracht247. Der Grund hierfür war, dass eine supranationale Politik im Seehafenbereich den verkehrspolitischen Interessen der allermeisten Mitgliedstaaten zuwiderlief, die seit jeher nach dem größtmöglichen eigenen Anteil am internationalen Verkehr streben248. Um einen Überblick über die Entwicklung der europäischen Seehafenpolitik zu erhalten, ist es unerlässlich, sie in den größeren Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik einzuordnen. Im Folgenden soll daher kurz aufgezeigt werden, wie sich die europäische Seehafenpolitik im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik von der Unterzeichnung der Römischen Verträge bis heute entwickelt hat. Für die Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik ist dabei anerkannt, dass sie sich in verschiedene Phasen einteilen lässt249. Eine derartige Einteilung lässt sich auch für die europäische Seehafenpolitik vornehmen, wobei die Phasen der gemeinsamen Seehafenpolitik mit den Phasen der gemeinsamen Verkehrspolitik zum Teil übereinstimmen, sich teilweise jedoch auch von ihnen unterscheiden. 1. Erste Phase: Der Zeitraum von 1957 bis 1972 In Gang gesetzt wurde der Prozess der europäischen Integration durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) am 18. 04. 1951 sowie durch die Unterzeichnung der Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) am 25. 03. 1957 in Rom. Schon zu dieser Zeit begann man auf europäischer Ebene, in Verkehrsfragen zusammenzuarbeiten. So enthielt bereits der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKSV)250 einige Bestimmungen zum Verkehr251. Auch bei Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahre 1957 wurde dem Verkehr eine besondere Stellung eingeräumt: er gehörte zu den wenigen Politiken, die bereits in der ursprünglichen Fassung des Gründungsvertrages als gemeinsame Politiken ausgestaltet waren. Dies galt sonst nur noch für die Bereiche Landwirtschaft und Handel. Die Mitgliedstaaten haben die besondere Bedeutung des Verkehrs für die Unionspolitik weiterhin dadurch deutlich gemacht, dass sie dem Verkehr in den Art. 74 – 84 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag)252 einen ei247

Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 203; Rommel, HANSA 1978, S. 1835, 1835. Basedow, Verkehrsrecht und Verkehrspolitik, S. 1, 8; Dauses-Epiney, L, Rn. 227; Erdmenger, EG unterwegs, S. 21; Ortiz Blanco/Van Houtte, EC Competition Law, S. 5. 249 So bereits die Mitteilung der Kommission zu den Fortschritten auf dem Wege zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik vom 11. 02. 1983, ABl. EG 1983, Nr. C 154/1; Dauses-Epiney, L, Rn. 226 ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 27, Rn. 2; vgl. auch Jarzembowski, Die europäische Verkehrspolitik, S. 11. 250 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. 04. 1951. 251 Dazu näher: Klaer, Der Verkehr im Gemeinsamen Markt, S. 158 ff., 179 ff. 252 Heute Art. 90 – 100 AEUV. 248

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1. Teil: Grundlagen

genen Titel eingeräumt haben253. Der Verkehr ist mithin von Anfang an integraler Bestandteil des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gewesen254. Umso erstaunlicher mutet die Entwicklung an, die der Verkehrssektor in den folgenden Jahren genommen hat. Lange Zeit schienen die Mitgliedstaaten nicht in der Lage oder nicht gewillt, die in den Römischen Verträgen vorgesehene gemeinsame Verkehrspolitik zu verwirklichen255. Während sich sowohl Landwirtschafts- als auch Handelspolitik kontinuierlich weiterentwickelten, schien die Entwicklung der Verkehrspolitik lange Zeit stillzustehen256. Insbesondere eine seeverkehrsspezifische Tätigkeit fand in dieser ersten Phase gemeinsamer Verkehrspolitik kaum statt257. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass sich die ursprünglichen Vertragsverhandlungen darauf beschränkt hatten, die drei Binnenverkehrsträger Eisenbahn, Straßenverkehr und Binnenschifffahrt, also die Beförderung innerhalb der Gemeinschaft der Sechs, in den Gemeinsamen Markt einzubeziehen, während man zunächst davon absah, ähnliche Vertragsbestimmungen auch für den, auch Drittstaaten betreffenden, See- und Luftverkehr auszuarbeiten258. Die gemeinsame Verkehrspolitik bezog sich daher gem. Art. 84 I EWG-Vertrag (heute Art. 100 I AEUV) nur auf den Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr und nicht auf den Seeverkehr. Auch konnte der Rat der Europäischen Union259 nach der ursprünglichen Fassung des Art. 84 II EWGVertrag (heute Art. 100 II AEUV) nur einstimmig darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt zu erlassen seien. Jeder Mitgliedstaat konnte folglich verhindern, dass sich die Gemeinschaft überhaupt mit dem Seeverkehr befasste260. Vor allem für den im Rahmen dieser Arbeit behandelten Seehafenbereich wurden keinerlei Maßnahmen getroffen. Diese anfängliche Untätigkeit in der Seeverkehrspolitik im Allgemeinen und in der Seehafenpolitik im Besonderen mag daran gelegen haben, dass man bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen war, dass in der Seeschifffahrt zwischen den Mitgliedstaaten Ausländerdiskriminierungen, die der freien Dienstleistung entgegenstanden, sowie Zufahrtsbeschränkungen durch das auf der Zweiten allgemeinen Verkehrskonferenz des Völkerbundes in Genf angenommene „Übereinkommen und Statut über die internationale Rechtsordnung

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Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 11. Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 11. 255 Weissbuch der Kommission vom 12. 09. 2001, KOM (2001) 370 endg., S. 6. 256 Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, S. 279 f. 257 Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 68. 258 Brandt, TranspR 1986, S. 89, 90; Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 89; Paixao/Marlow, Maritime Policy and Management 2001, S. 187, 188. 259 Nachfolgend bezeichnet als „Rat“. 260 Basedow, Mehr Freiheit wagen, S. 272. 254

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

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der Seehäfen“ vom 09. 12. 1923261 weitestgehend beseitigt waren262. Dieses vom Völkerbund geschaffene Genfer Seehäfenübereinkommen wird vielfach als ein Ausdruck der Bemühungen jener Jahre um eine Liberalisierung der Schifffahrt angesehen263. Es besteht aus einem Mantelvertrag und dem, den eigentlichen Kern des Übereinkommens bildenden, „Statut über die internationale Rechtsordnung der Seehäfen“. Letzteres verpflichtet in Art. 2 I jeden Vertragsstaat auf der Basis der Gegenseitigkeit dazu, den Seeschiffen jedes anderen Vertragstaates hinsichtlich des freien Zugangs zum Hafen sowie hinsichtlich dessen Benutzung die gleiche Behandlung zu gewähren wie den eigenen Seeschiffen264. Die Wirkung dieses völkerrechtlichen Übereinkommens auf die nationale Rechtsordnung der Seehäfen war jedoch von Anfang an gering, so dass es in der Staatenpraxis keine bedeutende Rolle spielen konnte265. Seine ehrgeizigen Liberalisierungsziele hat es daher nicht verwirklichen können266. Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass weder die gemeinsame Verkehrspolitik noch das Genfer Seehäfenübereinkommen zu einem gemeinsamen Vorgehen im Seehafenbereich beitragen konnten. Andererseits darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die ersten Entschließungen des Europäischen Parlaments zu einer gemeinsamen Seehafenpolitik in diese erste, vergleichsweise ruhige Phase gemeinsamer Verkehrspolitik fielen267. So gab es bereits 1961, und damit nur wenige Jahre nach Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, eine Initiative des Europäischen Parlaments zur Einführung einer gemeinschaftlichen Seehafenpolitik268. 1967 stellte das Europäische Parlament in einer weiteren Entschließung ausdrücklich klar, dass eine gemeinsame Seehafenverkehrspolitik wesentlicher Bestandteil der gemeinsamen Verkehrspolitik

261 Für Deutschland: Gesetz, betreffend das Übereinkommen und Statut über die internationale Rechtsordnung der Seehäfen vom 20. Februar 1928, RGBl. 1928 II, S. 22. 262 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 88. 263 Lagoni, ArchVR 26 (1988), S. 261, 275; näher zum Genfer Seehäfen-Übereinkommen und Statut von 1923: Lagoni, Seagoing Vessels, S. 1036; Oeter, Geneva Convention, S. 130 f.; Parameswaran, The Liberalization of Maritime Transport Services, S. 129 ff. 264 Art. 2 I des Statuts lautet: „Unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit und mit dem im Artikel 8 Abs.1 vorgesehenen Vorbehalt verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, den Seeschiffen jedes anderen Vertragstaates die gleiche Behandlung zu gewährleisten wie seinen eigenen Seeschiffen oder denen irgendeines anderen Staates in den seiner Staatshoheit oder Herrschaft unterstellten Häfen hinsichtlich des freien Zugangs zum Hafen, seiner Benutzung und des vollen Genusses der für die Schifffahrt und die Handelsverrichtungen bestehenden Einrichtungen, die er den Seeschiffen, ihren Waren und Reisenden zur Verfügung stellt“. 265 Lagoni, ArchVR 26 (1988), S. 261, 276. 266 Oeter, Geneva Convention, S. 130, 131. 267 Bericht Kapteyn 1961, Sitzungsdokumente 1961 – 1962, Dok. 106/61; Bericht Seifriz 1967, Sitzungsdokumente 1967 – 1968, Dok. 140/67; Bericht Seefeld 1972, Sitzungsdokumente 1972 – 1973, Dok. 10/72. 268 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 72.

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1. Teil: Grundlagen

sei und daher „schon jetzt und nicht erst später“ ausgearbeitet werden solle269. Insbesondere wurde verlangt, dass sich die europäischen Häfen „dem Wettbewerb stellen müssten“270. Durch diese Aktivitäten des Europäischen Parlaments veranlasst, begann auch die Kommission im Jahr 1971 mit ersten Vorbereitungen einer gemeinschaftlichen Seehafenpolitik271. Dem folgte im Jahr 1972 eine weitere Entschließung des Europäischen Parlaments, welche erneut die Notwendigkeit einer gemeinsamen Seehafenpolitik hervorhob272. Schon damals stand im Zentrum der Überlegungen, dass die europäische Hafenpolitik vom Grundsatz des Wettbewerbs der Hafendienstleistungsunternehmen ausgehen sollte273. Diese Entschließungen des Europäischen Parlaments blieben auf der Ebene der Mitgliedstaaten jedoch weitestgehend unbeachtet und konnten keine größeren Erfolge erzielen. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass der europäische Integrationsprozess auf dem Gebiet des Verkehrs in der ersten Phase gemeinsamer Verkehrspolitik stagnierte. Vor allem im Bereich des Seeverkehrs war die Europäische Gemeinschaft in dieser Phase nahezu untätig. Abgesehen von einigen Entschließungen des Europäischen Parlaments über eine gemeinsame Seehafenpolitik galt dies insbesondere für die Einbeziehung der Seehäfen in die gemeinsame Verkehrspolitik. Bildlich ausgedrückt, war die Europäische Gemeinschaft damit „ursprünglich ein Riese, der mit dem Rücken zum Meer saß“274. 2. Zweite Phase: Der Zeitraum von 1973 bis 1984 Die zweite Phase der gemeinsamen Verkehrspolitik und auch der gemeinsamen Seehafenpolitik wurde durch die erste Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft im Jahre 1973 eingeläutet. Mit Dänemark, Großbritannien und Irland traten am 1. Januar 1973 drei Küstenstaaten der Gemeinschaft bei, von denen zwei, Dänemark und Großbritannien, bedeutende Seefahrtsnationen waren275. Erstmals in der Geschichte gehörten mit Irland und Großbritannien nun auch zwei Staaten zur Gemeinschaft, die (zu diesem Zeitpunkt) nur per Luft- oder Seeverkehr zu erreichen waren276. Der bisher kontinental orientierte Verkehr erhielt damit eine neue 269 Entschließung des Europäischen Parlaments über die gemeinsame Seehafenverkehrspolitik der EWG, ABl. 1967, Nr. 307/12 (Bericht Seifriz). 270 Entschließung des Europäischen Parlaments über die gemeinsame Seehafenverkehrspolitik der EWG, ABl. 1967, Nr. 307/12 (Bericht Seifriz). 271 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 72. 272 Entschließung des Europäischen Parlaments über die gemeinsame Seehafenverkehrspolitik im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. 1972, Nr. C 46/4 (Bericht Seefeld). 273 Entschließung des Europäischen Parlaments über die gemeinsame Seehafenverkehrspolitik im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. 1972, Nr. C 46/4 (Bericht Seefeld). 274 Lagoni, ArchVR 32 (1994), S. 382, 388. 275 Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 69. 276 Paixao/Marlow, Maritime Policy and Management 2001, S. 187, 188.

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

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Dimension277. Wurden vor dem Beitritt Großbritanniens, Irlands und Dänemarks lediglich 8 Prozent des innergemeinschaftlichen Handels über See abgewickelt, waren es nach der Erweiterung rund 25 Prozent278. Der See- und Küstenverkehr wurde damit zu einem Binnenverkehr der Gemeinschaft279. Auf diese Weise erlangte die Seeschifffahrt einen weit höheren Stellenwert als je zuvor. Auch für die europäische Seehafenpolitik war diese erste Erweiterung richtungweisend, rückten doch mit der zunehmenden Bedeutung des Seeverkehrs auch die Seehäfen als Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern vermehrt in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Diesem Gedanken folgend, hielt die Kommission in den Jahren 1972, 1974, 1977 und 1980 vier Konferenzen mit Vertretern der wichtigsten europäischen Seehäfen ab280. Auf dem zweiten Treffen im Jahr 1974 unternahm die Kommission mit der Einsetzung der „Arbeitsgruppe Seehäfen“ schließlich einen bedeutsamen Schritt in Richtung einer gemeinsamen Seehafenpolitik281. Die Arbeitsgruppe sollte untersuchen, inwieweit unterschiedliche Formen der Verwaltung, des Betriebs, der Finanzierung und des Rechtsstatus zwischen den Häfen ernsthafte Wettbewerbsstörungen herbeiführen können282. Im Jahr 1977 legte die Arbeitsgruppe ihren so genannten „fact finding“-Bericht vor283. Dieser enthielt zwar Ausführungen zum Aufbau der Häfen, zur Verteilung der Aufgaben und Befugnisse, zur Arbeitsorganisation sowie zu finanztechnischen Fragen, blieb hinter den Forderungen des Europäischen Parlaments bezüglich einer Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen jedoch weit zurück284. Auch wurde kritisiert, dass er keinerlei Prüfung der Rechtsgrundlagen enthielt, die für eine gemeinsame Seehafenpolitik in Frage gekommen wären285. Im Dezember 1980 beendete die Arbeitsgruppe Seehäfen ihre Arbeit mit der Verabschiedung eines internen Schlussberichts über die durch die unterschiedlichen marktordnungspolitischen Regelungen des Hinterlandverkehrs verursachten Wettbewerbsverzerrungen286. In Anwesenheit von Kommissionsvertretern trafen sich die Repräsentanten der europäischen Seehäfen jedoch weiterhin regelmäßig zu Bera-

277 278

172. 279

Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, S. 282. Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 46; Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167,

Basedow, Verkehrsrecht und Verkehrspolitik, S. 1, 9; Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, S. 282. 280 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 73 mit Verweis auf Bull. EG 11-1972, S. 115 f.; Bull. EG 2-1974, S. 74; Bull. EG 12-1977, S. 73; Bull. EG 12-1980, S. 71 f. 281 Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 46; Power, EC Shipping Law, S. 141. 282 Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 203. 283 Bull. EG 6-1977, S. 58 f. 284 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 73. 285 Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 204. 286 Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 49; Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 73.

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1. Teil: Grundlagen

tungen287. 1981 legte die Kommission dann eine Mitteilung über die Ergebnisse der Tätigkeit der Arbeitsgruppe Seehäfen vor, in welcher sie zu dem Schluss kam, dass eine spezifische Hafenpolitik der Gemeinschaft nicht erforderlich sei, da die administrativen, finanziellen oder technischen Unterschiede zwischen den Häfen keine ernsthaften Wettbewerbsverzerrungen verursachen würden288. Dies führte zu einer erneuten Entschließung des Europäischen Parlaments über eine gemeinsame Seehafenpolitik im Jahr 1983289. Das Europäische Parlament wiederholte hier seine früheren Forderungen bezüglich der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen, der Kapazitäts- und Tarifpolitik sowie der Abgeltung der Wegekosten bei allen Verkehrsträgern290. 1984 unterbreitete die Kommission dem Rat drei Vorschläge zur Reform der Marktordnungen im Seehafenhinterlandverkehr, um auf diese Weise die Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Seehäfen zu beseitigen291. Diese Vorschläge wurden jedoch vom Rat nicht weiter verfolgt und daher von der Kommission später wieder zurückgezogen292. Im Ergebnis war diese zweite Phase gemeinsamer Verkehrspolitik im Seehafensektor geprägt von Initiativen des Europäischen Parlaments, das wiederholt die Errichtung einer gemeinschaftlichen Seehafenpolitik anmahnte. Konkrete Maßnahmen wurden indes nicht ergriffen. 3. Dritte Phase: Der Zeitraum von 1985 bis 1996 Die dritte Phase zeichnete sich vor allem durch zwei wegweisende Urteile des EuGH aus: das so genannte „Untätigkeitsurteil“293 und das Urteil in der Rechtssache Nouvelles Frontières294. Das Untätigkeitsurteil aus dem Jahr 1985 markierte gar einen Wendepunkt in der europäischen Verkehrspolitik295. In diesem Urteil stellte der EuGH aufgrund einer vom Parlament nach Art. 175 EWG-Vertrag (heute Art. 265 AEUV) eingereichten Klage fest, dass es der Rat unter Verletzung des Vertrages unterlassen habe, die in Art. 75 I a) und b) EWG-Vertrag (heute Art. 91 I a) und b) 287

Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 73. Naumann, Seehäfen und europäische Seehafenpolitik, S. 20, 21. 289 Bericht Carossino 1982, Sitzungsdokumente 1982 – 1983, Dok. 1-844/82. 290 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 73. 291 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 73; vgl. auch Hönemann, Intern. Verkehrswesen 1986, S. 350 ff. 292 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 74. 293 EuGH v. 22. 05. 1985, Rs. 13/83, Slg. 1985, 1513 ff. (Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Gemeinschaft). 294 EuGH v. 30. 04. 1986, Rs. 209 – 213/84, Slg. 1986, 1425 ff. (Ministère/Asjes). Näher dazu unten, Zweiter Teil, B. III. 2. 295 Dieses Urteil war auch insofern von Bedeutung, als es in der Geschichte des EuGH das erste Mal war, dass das Parlament mit einer Klage gegen den Rat nach Art. 175 EWG-Vertrag (jetzt Art. 265 AEUV) wegen Untätigkeit bei der Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz teilweise obsiegt hat, vgl. dazu Erdmenger, EuR 1985, S. 375, 375. 288

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

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AEUV) umrissene Dienstleistungsfreiheit auch auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs sicherzustellen296. Der EuGH wies zwar die wesentlich weitergehenden Klageanträge des Parlaments im Übrigen ab297, stellte jedoch ausdrücklich klar, dass der Rat als Gesetzgeber der Gemeinschaft verpflichtet sei, die Dienstleistungsfreiheit auch im Bereich des Verkehrs zu gewährleisten. Dabei könne er sich nicht zur Rechtfertigung seiner Untätigkeit auf „objektive Schwierigkeiten“ berufen, die dem Rat zufolge den notwendigen Fortschritten auf dem Weg zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik entgegenstünden298. In der Folge hat die Gemeinschaft eine Vielzahl von Rechtsakten erlassen, mit denen der Binnenmarkt im Verkehr weitestgehend hergestellt worden ist299. Um ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes auf Dauer zu gewährleisten, sind darüber hinaus zahlreiche Rechtsakte zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen erlassen worden300. Seither ist auf den europäischen Verkehrsmärkten ein Paradigmenwechsel in Richtung eines umfassenden Wettbewerbs erkennbar301. Obwohl sich das Urteil des EuGH lediglich zur „Gemeinsamen Verkehrspolitik“ und nicht konkret zur Seeverkehrspolitik geäußert hat, stellte es trotzdem einen wichtigen Impuls auch für die Seeverkehrspolitik dar, da es die Lähmungserscheinungen in der europäischen Verkehrspolitik insgesamt aufzulösen begann302. Das zweite richtungweisende Urteil des EuGH war das Urteil in der Rechtssache Nouvelles Frontières. Mit diesem Urteil bestätigte der EuGH im April 1986, dass die Wettbewerbsregeln der Art. 85 und 86 EWG-Vertrag (heute Art. 101 und 102 AEUV) grundsätzlich für den gesamten Verkehrssektor und damit auch für den Seeverkehr gelten. Indirekt unterstützte der Gerichtshof damit auch die Bemühungen des Europäischen Parlaments, Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der Seehäfen zu unterbinden. Sowohl das Untätigkeitsurteil als auch das Urteil in der Rechtssache Nouvelles Frontières haben sich demnach positiv auf die Entwicklung einer gemeinsamen Seehafenpolitik ausgewirkt. So kann insbesondere auch die Kommis296

EuGH v. 22. 05. 1985, Rs. 13/83, Slg. 1985, 1513, 1600, Rn. 66 f.; 1601, Rn. 70 (Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Gemeinschaft). 297 Das Europäische Parlament hatte in seinem ersten Klageantrag beantragt festzustellen, dass der Rat durch seine gesetzgeberische Untätigkeit im Verkehrsbereich gegen die Art. 3 f), 61, 74, 75 sowie 84 EWG-Vertrag verstoßen habe. In seinem zweiten Klageantrag hatte das Parlament beantragt festzustellen, dass der Rat auch dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen habe, dass er es unterließ, über eine Vielzahl konkret bezeichneter Vorschläge, die die Kommission ihm für den Bereich des Verkehrs unterbreitet hatte, zu entscheiden; vgl. EuGH v. 22. 05. 1985, Rs. 13/83, Slg. 1985, 1513, 1583, Rn. 1 (Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Gemeinschaft). 298 EuGH v. 22. 05. 1985, Rs. 13/83, Slg. 1985, 1513, 1596, Rn. 48 (Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Gemeinschaft). 299 Frohnmeyer/Mückenhausen-Mückenhausen, Kapitel 1, Rn. 10; Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 12. 300 Frohnmeyer/Mückenhausen-Mückenhausen, Kapitel 1, Rn. 10. 301 Knieps, ZVerkWiss 2004, S. 133, 133. 302 Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 76.

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1. Teil: Grundlagen

sionsmitteilung „Fortschritte zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik“303 aus dem Jahr 1985 als eine unmittelbare Folge des Untätigkeitsurteils angesehen werden304. Diese Mitteilung enthielt diverse Maßnahmenvorschläge zur Liberalisierung des Seeverkehrs, widmete sich aber auch der Seehafenproblematik. So kündigte die Kommission an, staatliche Beihilfen an Seehäfen auf der Grundlage der Art. 92 und 93 EWG-Vertrag (heute Art. 107 und 108 AEUV) zu überprüfen, die Gebührenpolitik zu harmonisieren, umfassende Seehafenstatistiken zu erstellen und weiterhin regelmäßig mit den Seehäfen Konsultationen durchzuführen305. Darüber hinaus enthielt das Memorandum jedoch keine konkreten Maßnahmenvorschläge. Das Europäische Parlament, das bereits über Jahrzehnte hinweg Ausgangspunkt derartiger Initiativen gewesen war, betonte in seiner Entschließung aus dem Jahr 1988 daher erneut die Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Seehafenpolitik306. Die Kommission zeigte sich von diesen Forderungen unbeeindruckt und kam Ende der achtziger Jahre zu dem Ergebnis, dass mit einer umfassenden Liberalisierung des Landverkehrs auch die seehafenspezifischen Probleme weitestgehend zu lösen seien307. Mit Beginn der neunziger Jahre setzte dann aber auch bei der Kommission ein Umdenken ein. Bedingt durch die zunehmende Liberalisierung des Handels und die Globalisierung der Wirtschaft nahm die Bedeutung der Seehäfen für die Außenhandelsbeziehungen der EU permanent zu308. Dies erkannte auch die Kommission und bemühte sich nun verstärkt um eine Optimierung der Leistungsfähigkeit der Seehäfen. So enthielt das Weißbuch der Kommission zur künftigen Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik aus dem Jahr 1992 erstmals einen Aktionsplan auch für die Seehäfen309. Um das Potential der Seehäfen auszubauen, sollten vorhandene Beschränkungen des Marktzugangs im Bereich der Hafendienstleistungen untersucht, eine diskriminierungsfreie Nutzung der Seehafeninfrastruktur gewährleistet und die Anwendung der Wettbewerbsregeln und Beihilfevorschriften im Hafensektor sichergestellt werden310. Darüber hinaus forderte die Kommission, dass die Seehäfen in die Transeuropäischen Netze integriert bzw. seehafenrelevante Projekte von gemeinschaftlichem Interesse in den Leitlinien ausgewiesen werden müssten311. Angespornt durch diese Entwicklungen, veröffentlichte das Europäische Parlament 303

KOM (85) 90 endg.; Bull. EG 1985, Beilage 5. Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 77. 305 Frerich/Müller mit Verweis auf KOM (85) 90 endg., S. 34 ff.; Bull. EG 1985, Beilage 5. 306 Europäisches Parlament, Bericht im Namen des Verkehrsausschusses über eine europäische Hafenpolitik, Berichterstatter Carossino, Sitzungsdokumente, A2-0215/88 vom 17. 10. 1988, S. 26; ABl. EG Nr. C 326 vom 19. 12. 1988, S. 61. 307 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 348. 308 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 348. 309 Hinz, Maritime Policy and Management 1996, S. 337, 337. 310 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 348. 311 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 348. 304

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

61

im Jahr 1993 einen umfassenden Bericht zur Seehafenpolitik312. Dieser enthielt detaillierte Informationen zu den organisatorischen, finanziellen und technologischen Trends im Seehafensektor und beinhaltete konkrete Vorschläge für die Ausarbeitung einer gemeinschaftlichen Seehafenpolitik313. Im Vordergrund standen dabei vor allem die Verwirklichung des Wettbewerbs zwischen den Seehäfen sowie die Liberalisierung der Hafendienstleistungen. Die Forderung nach der Ausarbeitung einer gemeinschaftlichen Seehafenpolitik bekräftigte das Parlament mit einer weiteren Entschließung im September 1993314. In der Folgezeit wurden jedoch keine seehafenrelevanten Maßnahmen ergriffen315. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Zeitraum von 1985 bis 1996 erste Züge eines gemeinschaftlichen Vorgehens im Seehafenbereich festzustellen waren. Zumindest erkannte die Kommission einen Optimierungsbedarf hinsichtlich der Wettbewerbssituation der europäischen Seehäfen und favorisierte nun auch ein gemeinsames Vorgehen auf Gemeinschaftsebene. Konkrete Maßnahmen wurden indes noch immer nicht ergriffen.

4. Vierte Phase: Der Zeitraum von 1997 bis heute Die vierte und vorerst letzte Phase auf dem Weg zu einer gemeinsamen Seehafenpolitik umfasst den Zeitraum von 1997 bis heute. Nach Jahrzehnten nahezu vollständiger Untätigkeit wurden in dieser Phase gleich mehrfach konkrete Maßnahmen ergriffen, um einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für die europäischen Seehäfen zu schaffen. Eingeläutet wurde dieser Paradigmenwechsel im Jahr 1997. In diesem Jahr wurden die Seehäfen gleich zweimal Gegenstand gemeinschaftlicher Integrationsbemühungen316. Zunächst veröffentlichte die Kommission eine Entscheidung über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines nach Art. 154 – 156 EG (jetzt Art. 170 – 172 AEUV) zu errichtenden transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN)317. Dieses sollte durch die Integration von Land-, See- und Luftverkehrsinfrastrukturnetzen bis zum Jahr 2010 schrittweise hergestellt werden318. Die grundlegende Bedeutung, die dabei den Seehäfen als Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern zukommt, wurde in den Leitlinien besonders hervorgehoben. Den zweiten bedeutenden Schritt in Bezug auf eine gemeinsame Seehafenpolitik unternahm die Kommission am 10. 12. 1997 mit der Vorlage eines Grünbuchs über 312

Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 348. Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 348. Näher dazu Chlomoudis/Pallis, European Union Port Policy, S. 120 ff. 314 ABl. EG Nr. C 268 vom 04. 10. 1993, S. 169. 315 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 348. 316 Haralambides et al., International Journal of Maritime Economics 2001, S. 368, 369; Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 99. 317 Entscheidung Nr. 1692/96/EG; ABl. EG 1996, Nr. L 228. 318 Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 64. 313

62

1. Teil: Grundlagen

Seehäfen und Seeverkehrsinfrastruktur319. Es handelte sich hierbei um das erste Grundsatzpapier, das sich ausschließlich der Situation der Seehäfen in der EU widmete320. Erklärtes Ziel des Grünbuchs war es „eine Diskussion über die Effizienz der Häfen und der Seeverkehrsinfrastruktur, über die Integration der Häfen in ein multimodales transeuropäisches Verkehrsnetz und über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf diesem Sektor“ anzuregen321. Das Grünbuch umfasste drei Hauptkapitel. Das erste, welches unter der Überschrift „EU-Häfen und die gemeinsame Verkehrspolitik“ stand, enthielt eine Zusammenfassung all derjenigen Bereiche, in denen hafenbezogene Themen bereits Gegenstand gemeinschaftlicher Politik gewesen waren. Das zweite Kapitel befasste sich mit Fragen der Finanzierung und der Anlastung der Kosten der Hafen- und Seeverkehrsinfrastrukturen. Die Kommission untersuchte hier aus wettbewerbs- und beihilferechtlicher Sicht, wie die Finanzströme in den europäischen Häfen besser und transparenter gestaltet werden könnten322. Der dritte Schwerpunkt des Grünbuchs betraf schließlich die Organisationsstruktur der Hafendienste sowie den Zugang zum Markt für Hafendienste. Hier schlug die Kommission vor, auf Gemeinschaftsebene einen ordnungspolitischen Rahmen aufzustellen, innerhalb dessen eine systematische Liberalisierung des Hafendienstemarktes in den größten Häfen der EU durchzuführen sei. Insgesamt stellte das Grünbuch der Kommission erstmals eine Grundlage für eine gemeinschaftsweite Diskussion über den Hafensektor dar323. Es wies jedoch den großen Nachteil auf, dass es keine konkreten Vorschläge zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen unter den und innerhalb der Seehäfen enthielt324. Gleichwohl war der Weg zu einer gemeinsamen Seehafenpolitik geebnet. Dementsprechend befasste sich auch das Weißbuch aus dem Jahr 1998 mit den europäischen Seehäfen und widmete ihnen sogar ein eigenes Kapitel325. Diese progressive Entwicklung fand schließlich ihren Höhepunkt im Jahr 2001, als die Kommission eine Mitteilung über die „Verbesserung der Dienstequalität in 319

Grünbuch der Kommission vom 10. 12. 1997 über Seehäfen und Seeverkehrsinfrastruktur, KOM (97) 678 endg.; näher dazu: Elsner, Europäische Schiffahrts- und Hafenpolitik, S. 5, 14 ff.; Wägenbaur, EuZW 1998, S. 130; vgl. auch die Entschließung des Europäischen Parlaments, ABl. EG 1999 C 104/70 sowie die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. EG 1998 C 407/92. 320 Behrendt, Der Begriff und die Funktion des „Seehafens“, S. 105, 105. 321 Grünbuch der Kommission vom 10. 12. 1997 über Seehäfen und Seeverkehrsinfrastruktur, KOM (97) 678 endg. 322 Dazu näher Elsner, Europäische Schiffahrts- und Hafenpolitik, S. 5, 15 ff.; Heitmann, Staatliche Beihilfen für Seehäfen, S. 113, 117 ff.; Jarzembowski, Grünbuch der Europäischen Kommission, S. 87, 87. 323 Jarzembowski, Grünbuch der Europäischen Kommission, S. 87, 87; vgl. zu der Debatte Heitmann, Brauchen wir eine europäische Seehafenpolitik?, S. 85, 86 ff.; Slot/Skudder, Tijdschrift Vervoer en Recht 2000, S. 1, 8 f.; Van den Bossche, The Regime of Stevedores, Terminal Operators and Harbour Workers, S. 207, 210. 324 Jarzembowski, Grünbuch der Europäischen Kommission, S. 87, 88. 325 KOM (98) 466 endg., S. 29.

B. Seehäfen in der gemeinsamen Verkehrspolitik der EU

63

Seehäfen“, das so genannte „Port Package“, vorlegte326. Es enthielt unter anderem einen Richtlinienentwurf über den Marktzugang für Hafendienste. Ziel dieses Richtlinienentwurfs war neben der Öffnung des Marktes für Hafendienstleistungen die Errichtung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens für deren Erbringung327. Das Gesetzgebungsverfahren zum Erlass der Richtlinie scheiterte jedoch am 20. 11. 2003 am Widerstand des Europäischen Parlaments. Ungeachtet dessen legte die Kommission am 13. 10. 2004 einen weiteren überarbeiteten Richtlinienentwurf zur Liberalisierung des Marktes für Hafendienste vor328. Dieser Richtlinienentwurf wurde am 19. 01. 2006 ebenfalls vom Europäischen Parlament abgelehnt. Die Kommission zog daraus ihre Konsequenzen und hat nunmehr von der Vorlage eines weiteren Entwurfs Abstand genommen. Stattdessen führte sie in der Folgezeit eine Konsultation der beteiligten Interessengruppen durch und legte im Jahr 2007 eine „Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik“ vor329. Diese enthielt keine einheitlichen Vorschriften zur Liberalisierung des Hafendienstleistungssektors, sondern gab lediglich einige Rahmenbedingungen und Maßnahmenvorschläge für den Hafensektor vor. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die seehafenpolitische Unbeweglichkeit der EU seit dem Jahr 1997 endgültig beendet zu sein scheint.

326 Mitteilung der Kommission vom 13. 02. 2001: Verbesserung der Dienstequalität in Seehäfen: Ein zentraler Aspekt für den europäischen Verkehr, KOM (2001) 35 endg. 327 Immenga/Mestmäcker-Basedow, VII. Abschnitt, C I, Rn. 10. 328 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste vom 13. 10. 2004, KOM (2004) 654 endg. 329 Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik vom 18. 10. 2007, KOM (2007) 616 endg.

Zweiter Teil

Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen Nachdem im ersten Teil der Arbeit die besondere Bedeutung aufgezeigt werden konnte, die den europäischen Seehäfen und insbesondere den in diesen Häfen ansässigen Hafendienstleistungsunternehmen für den Prozess der europäischen Integration zukommt, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, auf welche Weise der freie Wettbewerb in diesem Bereich gefördert bzw. aufrechterhalten werden kann. Hierzu sind zunächst die Vorgaben des primären Unionsrechts zu untersuchen.

A. Hafendienstleistungswettbewerb im Lichte der Vertragsziele Der bis zum 30. 11. 2009 geltende EG-Vertrag legte sich in seinen Art. 2 und 3 EG und insbesondere in Art. 4 EG, verstärkt durch das in Art. 14 EG verankerte Binnenmarktkonzept, auf eine marktwirtschaftliche Ordnung fest, die durch offene Märkte und insbesondere freien Wettbewerb gesichert werden sollte1. Art. 3 I g) EG forderte dementsprechend die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt. In der Präambel des EGVertrages wurde diese Verpflichtung mit der „Gewährleistung eines redlichen Wettbewerbs“ umschrieben2. Der unverfälschte Wettbewerb war damit ein grundlegendes Vertragsziel von zwingender Bedeutung und nicht lediglich Programmsatz3. Aus diesem Grundkonzept ergab sich das wettbewerbspolitische Ziel, zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs das Vorliegen von Marktmacht aufzudecken, und den Missbrauch von Marktmacht zu vermeiden4. Durch den Vertrag von Lissabon haben sich einige Änderungen hinsichtlich der vertraglichen Zielbestimmungen ergeben. Zwar enthält die Präambel des AEUV nach wie vor die Verpflichtung zur „Gewährleistung eines redlichen Wettbewerbs“, jedoch wurde Art. 2 EG, welcher die Aufgaben der Gemeinschaft umschrieb, durch 1

Streinz, Europarecht, § 15, Rn. 971. Grabitz/Hilf-v.Bogdandy, Art. 3, Rn. 14. 3 EuGH v. 21. 02. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 244, Rn. 23 (Continental Can); Emmerich, Kartellrecht, § 3, Rn. 1; Streinz, Europarecht, § 15, Rn. 971. 4 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 7. 2

B. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Hafensektor

65

Art. 3 EUV (ex-Art. 2 EUV) ersetzt, was eine grundlegende Neufassung der Vertragsziele mit sich brachte5. So wird in Art. 3 III EUV nunmehr nur noch die Errichtung eines „Binnenmarktes“ gefordert, während das früher in Art. 3 I g) EG niedergelegte „System unverfälschten Wettbewerbs“ in ein Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb „verbannt“ wurde6. Nichtsdestotrotz bleibt die Aufrechterhaltung eines „Systems unverfälschten Wettbewerbs“ eines der Grundprinzipien europäischen Primärrechts7. Zum einen ist das „Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb“ eindeutig Bestandteil des primären Unionsrechts und dementsprechend verbindlich für die Union und ihre Mitgliedstaaten; zum anderen lässt sich die Einbeziehung des „Systems unverfälschten Wettbewerbs“ in das Binnenmarktkonzept auch aus den Wettbewerbsregeln selbst ableiten, die der Vertrag von Lissabon unangetastet ließ8. Auch nach Inkrafttreten des Lissabonvertrages bleibt es daher Aufgabe der Europäischen Union, den Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen. Dem Schutz des unverfälschten Wettbewerbs dienen im primären Unionsrecht insbesondere die Art. 101 ff. AEUV (ex-Art. 81 ff. EG)9. Diese Vorschriften stellen für die in den Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen sowie für die Mitgliedstaaten selbst „Wettbewerbsregeln“ auf, denen zufolge andere Unternehmen nicht in der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit behindert werden dürfen. An diesen Vorgaben müssen sich grundsätzlich alle in der EU ansässigen Unternehmen orientieren.

B. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Hafensektor Vor einer näheren Untersuchung wettbewerbsrechtlicher Probleme in den europäischen Seehäfen stellt sich jedoch die Frage, ob die Wettbewerbsregeln des AEUV auf den Hafensektor überhaupt Anwendung finden. Prinzipiell gilt das europäische Kartellrecht aufgrund seiner einschränkungslosen Formulierung zwar umfassend, das heißt für jede Betätigung und jede Branche10. Dieser umfassende Geltungsanspruch wird jedoch durchbrochen, wenn und soweit der Vertrag Gegenteiliges bestimmt11. Sollte der Bereich der Hafendienstleistungs5

Behrens, EuZW 2008, S. 193, 193. Behrens, EuZW 2008, S. 193, 193. 7 Streinz, Europarecht, § 15, Rn. 971 a. 8 Behrens, EuZW 2008, S. 193, 193. 9 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 86. 10 Calliess/Ruffert-Weiß, Art. 81, Rn. 1; Ehlermann, ECLR 1993, S. 61, 62; Grabitz/HilfAicher/Schuhmacher, Art. 81, Rn. 22; Groeben/Schwarze-Schröter, Vorbem Art. 81 – 85, Rn. 42; Langen/Bunte-Bunte, Einführung zum EG-Kartellrecht, Rn. 51. 11 Groeben/Schwarze-Schröter, Vorbem Art. 81 – 85, Rn. 43; Langen/Bunte-Bunte, Einführung zum EG-Kartellrecht, Rn. 51. 6

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

wirtschaft dem in den Art. 90 ff. AEUV (ex-Art. 70 ff. EG) geregelten Verkehrstitel zuzuordnen sein, der für den gesamten Verkehrssektor Sonderrecht setzt und ihn von den anderen Vertragsbestimmungen ausnimmt12, könnte dies möglicherweise problematisch sein, da das Verhältnis des Verkehrs- zum Wettbewerbstitel nicht ausdrücklich geregelt ist. Zwar findet die Hafendienstleistungswirtschaft weder im Verkehrstitel noch an anderer Stelle des AEUV ausdrückliche Erwähnung; angesichts der Tatsache, dass die Erbringung von Hafendienstleistungen eine grundsätzliche Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf des Seeverkehrs darstellt, liegt eine Zugehörigkeit zur Seeschifffahrt und damit eine Verortung im Verkehrssektor jedoch nahe. Es ist daher zu prüfen, ob die Hafendienstleistungswirtschaft tatsächlich, wie zunächst vermutet, dem Bereich der Seeschifffahrt und damit dem Verkehrstitel zuzuordnen ist. Sollte dies der Fall sein, schließt sich die Frage an, ob die Wettbewerbsregeln des AEUVauf den Seeverkehr überhaupt Anwendung finden.

I. Hafendienstleistungswirtschaft als Bestandteil des Seeverkehrs i.S.v. Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) In der Literatur unterscheidet man bei der Einordnung der Seehäfen in das europäische Primärrecht zwischen Hafenanlagen und Hafeneinrichtungen auf der einen und Unternehmen, die in einem Seehafen ansässig sind und deren Tätigkeit mit dem Seetransport in Zusammenhang steht (den so genannten Hafendienstleistungsunternehmen) auf der anderen Seite13. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem die vertragliche Einordnung der Hafendienstleistungsunternehmen von Interesse. Ihre Zuordnung zum Verkehrstitel könnte sich daraus ergeben, dass die Erbringung von Hafendienstleistungen dem Betätigungsfeld der Seeschifffahrt i.S.v. Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) zugeordnet wird. Diese Ansicht wurde früher vor allem von Seiten der Hafenwirtschaft vertreten14. Um die Frage der Zuordnung der Seehafenverkehrswirtschaft zur Seeschifffahrt i.S.v. Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) beantworten zu können, ist zunächst zu klären, was unter dem Begriff der Seeschifffahrt zu verstehen ist. Dazu ist der Regelungsgehalt des Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) näher zu bestimmen. Bei der Auslegung des Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) fiel zunächst ins Auge, dass die Vorschrift im Vertrag unter Titel IV „Der Verkehr“ (jetzt Titel VI des AEUV) zu finden war15. Diese Erkenntnis ist jedoch insofern nicht 12

Groeben/Schwarze-Erdmenger, Vor Art. 70 bis 80, Rn. 7. Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 39 ff. sowie 137 ff.; Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 204; Lechner, Die Seehäfen, S. 17; Stabenow, Die Seehäfen, S. 63, 73 ff. 14 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 41; Jolmes, Festgabe Berkenkopf, S. 112, 130; Lechner, Die Seehäfen, S. 18; Oldewage, Die Nordseehäfen im EWG-Raum, S. 2. 15 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 35. 13

B. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Hafensektor

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besonders aufschlussreich, als der Begriff des Verkehrs im EWG-Vertrag nicht näher definiert war. Auch der AEUVenthält keine entsprechende Begriffsbestimmung. Der Vorschrift des Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) ließ sich allerdings entnehmen, dass der Verkehrstitel für Beförderungen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr gilt. Durch den Hinweis auf „Beförderungen“ wurde klar, dass es maßgeblich auf den Transport von Gütern und Personen ankommt16. Dies stimmte auch mit dem in den anderen Vertragssprachen verwendeten Begriff: „the transport“, „le transport“, „il transporto“, „het vervoer“, usw. überein17. Der Begriff „Verkehr“ bezieht sich mithin auf die Erbringung von Beförderungsleistungen18. Angesichts der Tatsache, dass der Begriff des Verkehrs oberbegrifflich zu dem der Seeschifffahrt zu verwenden ist, handelt es sich bei der Seeschifffahrt i.S.d. Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) also um die Beförderungsleistung durch Seeschiffe19. Gegen die Zuordnung der Seehafenverkehrswirtschaft zur Seeschifffahrt wurde dementsprechend eingewandt, dass es sich bei Hafendienstleistungen nicht um „Beförderungen“ im eigentlichen Wortsinn handele20. Vielmehr führe die Seehafenverkehrswirtschaft eine eigenständige, von der Seeschifffahrt abgrenzbare wirtschaftliche Tätigkeit durch21. Die eigentliche Erstellung der Beförderungsleistung, auf die der Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) abziele, obliege alleine dem Reeder bzw. Betreiber des Schiffes22. Bestätigt würde dies durch den Zweck des Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV), wonach es der Seeschifffahrt aufgrund ihrer weltwirtschaftlichen Verflechtungen ermöglicht werden soll, sich auf besondere Weise in den Gemeinsamen Markt einzugliedern. Diese besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen bestünden aber nur für die Seeschifffahrt selbst23. Erdmenger, der sich als erster mit der Anwendbarkeit des EWG-Vertrages auf die Seehäfen beschäftigt hat, sprach von den Hafendienstleistungen als „Nebengewerbe“ zur Seeschifffahrt, wobei er letztere als „Hauptgewerbe“ qualifizierte24. Für das Nebengewerbe hat er nachgewiesen, dass eine Subsumtion unter den Tatbestand des Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) unzulässig ist25. Aus der Tatsache, 16

Groeben/Schwarze-Erdmenger, Art. 70, Rn. 2. Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 35 ff. 18 Lechner, HANSA 1999, S. 31, 32. 19 Lechner, Die Seehäfen, S. 19. 20 Stabenow, Die Seehäfen, S. 63, 75. 21 Ipsen, Festschrift Stödter, S. 167, 204; Stabenow, Die Seehäfen, S. 63, 75. 22 Stabenow, Die Seehäfen, S. 63, 75. 23 Stabenow, Die Seehäfen, S. 63, 75. 24 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 39 ff.; Groeben/Schwarze-Erdmenger, Art. 70, Rn. 5. 25 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 140 ff.; so im Ergebnis auch Ipsen, Festschrift Stödter, S. 165, 204. 17

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

dass es im Rahmen nationaler Verkehrspolitik möglich ist, das Nebengewerbe bestimmten Maßnahmen zur Vervollständigung der für das Hauptgewerbe getroffenen Regelung zu unterwerfen, hat er jedoch die Schlussfolgerung gezogen, dass dies auch im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik möglich sein müsse26. Dies ist seiner Ansicht nach jedoch nur dann zulässig, wenn die betreffenden Maßnahmen der Ordnung des Hauptgewerbes dienen27. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass die Tätigkeiten des spezifischen Nebenund Hilfsgewerbes zur Seeschifffahrt, das in den Seehäfen angesiedelt ist, Regelungen nach Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) insoweit unterworfen werden können, als „dies zur Vervollständigung der für die eigentliche Beförderung mittels Seeschiffen getroffenen Regelung und zur Förderung der Leistungsfähigkeit des Seeverkehrssystems notwendig ist“28. Dies gilt insbesondere für die im Rahmen dieser Arbeit behandelten technisch-nautischen und ladungsbezogenen Hafendienstleistungen. Sollten einzelne der sonstigen Hafendienstleistungen eher an den Binnen- als an den Seeverkehr angelehnt sein29, müsste man mit Hinblick auf eine denkbare binnenverkehrspolitische Regelung nach Art. 91 AEUV (ex-Art. 71 EG) entsprechend verfahren, da sich die Frage der Zuordnung des Nebengewerbes nicht nur für den Bereich der Seeschifffahrt, sondern für den gesamten Verkehrssektor stellt30.

II. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr Ordnet man die Hafendienstleistungswirtschaft also der Seeschifffahrt i.S.v. Art. 100 II AEUV (ex-Art. 80 II EG) zu, stellt sich die Frage, ob die Wettbewerbsregeln des AEUV auf die Seeschifffahrt überhaupt Anwendung finden. Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) bestimmte, dass der Rat einstimmig darüber entscheiden konnte, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt und Luftfahrt zu erlassen sind31. Der Sinn dieser Regelung war lange Zeit unklar. Umstritten war, ob auf den Gebieten der Seeschifffahrt (und der Luftfahrt) die Gemeinschaft ausschließlich auf Beschluss des Rates tätig werden konnte und im Übrigen der Vertrag auf diesen Gebieten keine 26

Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 140. Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 138. 28 Groeben/Schwarze-Erdmenger, Art. 80, Rn. 12. 29 Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 138. 30 Lechner, Die Seehäfen, S. 20. 31 Art. 80 II EG bestimmte, dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden kann, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt und Luftfahrt zu erlassen sind. Heute bestimmt Art. 100 II AEUV, dass das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt erlassen können. 27

B. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Hafensektor

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Anwendung finden sollte32. Insbesondere die Mitgliedstaaten vertraten lange Zeit die Auffassung, dass sich Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) für den Bereich der Seeschifffahrt (und der Luftfahrt) nicht nur auf die Geltung des Verkehrstitels, sondern auf den gesamten EWG-Vertrag beziehe33. Die Kommission hingegen war der Ansicht, dass sich der Vorbehalt des Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) ausschließlich auf die Vorschriften des Verkehrstitels beziehe, wohingegen der EWG-Vertrag im Übrigen anwendbar sei34. Die Relevanz dieser Streitfrage war umso größer, als Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) bis zur Einführung des Prinzips der qualifizierten Mehrheit durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) im Jahre 1986 den einzuhaltenden Entscheidungsprozess nicht näher definierte, sondern die Ziele und Grundsätze für die Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich des See- und Luftverkehrs lediglich in einer Art Rahmenentscheidung festlegte35. Schließlich wurde teilweise sogar noch weitergehend die Auffassung vertreten, dass der Verkehrstitel insgesamt einen abgeschlossenen Teil des EWG-Vertrages darstelle, auf den die übrigen Vorschriften des EWG-Vertrages, und insbesondere seine Wettbewerbsregeln, überhaupt nicht anwendbar seien36. Auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts bestehe eine ungeschriebene Bereichsausnahme für den Verkehr37. Begründet wurde diese Ansicht mit der Existenz des speziell der Verkehrsthematik gewidmeten Titels IV des EWG-Vertrages (jetzt Titel VI des AEUV), der eine, das allgemeine Vertragsrecht ausschließende, Sonderregelung enthalte38. Darüber hinaus sei mit den „Besonderheiten des Verkehrs“, die bei Erlass liberalisierender Maßnahmen nach Art. 75 I EWG-Vertrag (jetzt Art. 95 I AEUV) zu beachten seien, eine uneingeschränkte Anwendung der Wettbewerbsvorschriften nicht zu vereinbaren39. Im Hinblick auf die Besonderheiten des Transportwesens und die elementare Bedeutung, die diesem Bereich für die Volkswirtschaft zukomme, wurde eine Ausnahme auch für erforderlich erachtet40. Diese weitreichende Ansicht ist jedoch abzulehnen, da die Verankerung einer ungeschriebenen Bereichsausnahme für den Verkehr nicht mit dem Wortlaut des Art. 77 EWG-Vertrag (jetzt Art. 93 AEUV) in Einklang zu bringen ist, wonach solche Beihilfen mit dem Vertrag vereinbar sind, die den Erfordernissen der Koor32

Lenz, EuR 1988, S. 158, 160. Erdmenger, Die Anwendung des EWG-Vertrages, S. 2. 34 Memorandum der Kommission über die Auslegung und Anwendung des EWG-Vertrages auf Schiffahrt und Luftfahrt vom 12. November 1960, KOM (60) 5320 endg. 35 Close, ELR 1980, S. 188, 189; Groeben/Schwarze-Erdmenger, Art. 80, Rn. 14. 36 Wohlfahrt/Everling/Glaesner/Sprung-Wohlfahrt, Art. 74, Rn. 4. 37 Dolfen, Der Verkehr im europäischen Wettbewerbsrecht, S. 19; Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 25. 38 Close, ELR 1980, S. 188, 189; Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 25. 39 Vgl. Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 163. 40 Vgl. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 25. 33

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

dinierung des Verkehrs oder der Abgeltung bestimmter, mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes zusammenhängender Leistungen entsprechen41. Art. 77 EWGVertrag (jetzt Art. 93 AEUV) setzt mithin die Anwendbarkeit der Beihilfevorschriften voraus42. Ein weiteres Indiz für die uneingeschränkte Geltung der Wettbewerbsregeln im Verkehrssektor stellen die VO Nr. 141 aus dem Jahre 1962 über die Nichtanwendung der VO Nr. 17 auf den Verkehr43 sowie die VO Nr. 1017/68 aus dem Jahre 1968 über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs44 dar45. Der Erlass dieser Verordnungen wäre nicht erforderlich gewesen, hätte bereits eine Bereichsausnahme für den Verkehrssektor bestanden46.

III. Rechtsprechung des EuGH Seit dem Urteil Französische Seeleute47, das durch das Urteil in den verbundenen Rechtssachen Nouvelles Frontières48 bestätigt wurde, hat die Frage der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr an Bedeutung verloren49. 1. Das Urteil Französische Seeleute Ein erster Schritt zur Klärung der Frage der Anwendbarkeit der Vertragsvorschriften auf die Seeschifffahrt war die so genannte Französische Seeleute50-Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 1974. Der diesem Urteil zugrunde liegende Rechtsstreit hatte sich an Art. 3 II des französischen Code du Travail Maritime entzündet51. Diese Vorschrift bestimmte, dass die Besatzung eines französischen Handelsschiffes zu einem bestimmten Prozentsatz aus französischen Staatsangehörigen bestehen muss52. Nach Ansicht der Kommission verstieß diese Regelung gegen die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gem. Art. 48 ff.

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Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 25. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 25. 43 ABl. 1962 Nr. L 124/2751. 44 ABl. 1968 Nr. L 175/1. 45 Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 25. 46 Dolfen, Der Verkehr im europäischen Wettbewerbsrecht, S. 1 ff.; Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 25. 47 EuGH v. 04. 04. 1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359 ff. (Französische Seeleute). 48 EuGH v. 30. 04. 1986, Rs. 209 – 213/84, Slg. 1986, 1425 ff. (Ministère/Asjes). 49 Lechner, Die Seehäfen, S. 22. 50 EuGH v. 04. 04. 1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359 ff. (Französische Seeleute). 51 Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 95. 52 Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 95. 42

B. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Hafensektor

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EWG-Vertrag (jetzt Art. 45 ff. AEUV)53. Die Vorschriften über die Arbeitnehmerfreizügigkeit seien, wie auch die meisten anderen allgemeinen Vertragsbestimmungen, auf den Verkehr anzuwenden54. Dagegen wandte Frankreich ein, dass ohne einen Beschluss des Rates gem. Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) die vertraglichen Bestimmungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht auf den Seeverkehr anwendbar seien55. Der EuGH schloss sich der Ansicht der Kommission an und entschied, dass der See- und Luftverkehr zwar, solange der Rat nichts anderes bestimmt habe, nach Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) den Vorschriften des Verkehrstitels entzogen sei; wie alle übrigen Verkehrsträger unterläge aber auch der See- und Luftverkehr den „allgemeinen Vorschriften“ des EWGVertrages56. Solange diese ausreichten, um die Ziele des Vertrages hinsichtlich des See- und Luftverkehrs zu erreichen, seien sie in erster Linie anzuwenden. Zur Begründung verwies der EuGH auf die Regelung des Art. 61 EWG-Vertrag (jetzt Art. 58 AEUV). Indem Art. 61 I EWG-Vertrag (jetzt Art. 58 I AEUV) für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs ausdrücklich vorschreibe, dass die Bestimmungen des Verkehrstitels anzuwenden seien, bestätige er, dass dort, wo keine Abweichungen vorgesehen sind, die allgemeinen Vorschriften des Vertrages Anwendung finden müssen57. Damit wurden die langjährigen Zweifel hinsichtlich der Anwendbarkeit der allgemeinen Vertragsvorschriften auf See- (und Luft-)verkehr endgültig beseitigt58. Allerdings hat sich der EuGH in diesem Urteil noch nicht ausdrücklich zu der Frage geäußert, ob auch die Wettbewerbsvorschriften zu den allgemeinen Vorschriften gehören. 2. Das Urteil Nouvelles Frontières (Ministère/Asjes) Eine endgültige Klärung dieser Frage erfolgte jedoch in dem späteren Urteil Nouvelles Frontières59 aus dem Jahr 1986. In dieser Entscheidung hat der EuGH die Anwendung der allgemeinen Vertragsvorschriften auf den Verkehrssektor erneut bestätigt und diesmal speziell die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln bejaht60. Die Problematik hatte sich gestellt, als in Frankreich Strafverfahren gegen Verantwortliche von Luftfahrtgesellschaften und Reiseunternehmen wegen der Unterschreitung staatlich genehmigter Flugpreise eingeleitet worden waren. Dem EuGH war daraufhin die Frage vorgelegt worden, ob die maßgeblichen Bestimmungen des französischen Zivilluftfahrt-Gesetzbuches mit den Wettbewerbsvorschriften des 53

Milbradt, Liberalisierung der Seekabotage, S. 95. EuGH v. 04. 04. 1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359, 362 (Französische Seeleute). 55 EuGH v. 04. 04. 1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359, 366 (Französische Seeleute). 56 EuGH v. 04. 04. 1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359, 370 (Französische Seeleute). 57 EuGH v. 04. 04. 1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359, 370, Rn. 27/28 (Französische Seeleute). 58 Lenz, EuR 1988, S. 158, 160. 59 EuGH v. 30. 04. 1986, Rs. 209 – 213/84, Slg. 1986, 1425 ff. (Ministère/Asjes). 60 EuGH v. 30. 04. 1986, Rs. 209 – 213/84, Slg. 1986, 1425, 1463, Rn. 27 (Ministère/Asjes). 54

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

EWG-Vertrages vereinbar seien. Obwohl der EuGH in seiner Seeleute61-Entscheidung eindeutig festgestellt hatte, dass die allgemeinen Vorschriften des Vertrages auf Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) anzuwenden seien, vertrat die französische Regierung die Ansicht, dass sich das Seeleute-Urteil nur auf die allgemeinen Vorschriften des II. Teils des EWG-Vertrages und nicht auf die des III. Teils bezogen hätte. Die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages könnten daher auf Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) nur dann angewandt werden, wenn zuvor der Rat diesbezüglich tätig geworden sei62. Als Vorfrage hatte der EuGH mithin die Frage der Anwendbarkeit der Wettbewerbsvorschriften zu klären. Er untersuchte zunächst abstrakt, ob die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages auf den Verkehrssektor anzuwenden seien. Dies bejahte er. In einem zweiten Schritt stellte der EuGH sodann ausdrücklich klar, dass insbesondere die Seeschifffahrt und der Luftverkehr den Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrages unterlägen. Solange der Rat nichts anderes bestimme, seien Seeschifffahrt und Luftfahrt zwar nach Art. 84 II EWG-Vertrag (jetzt Art. 100 II AEUV) den Vorschriften des Titels über die gemeinsame Verkehrspolitik entzogen; sie unterlägen jedoch aus den gleichen Gründen wie die übrigen Verkehrsarten den allgemeinen Vorschriften des EWGVertrages einschließlich der Wettbewerbsregeln63. Der EuGH stellte damit erneut in aller Deutlichkeit klar, dass für eine ungeschriebene Bereichsausnahme für den Verkehr im europäischen Wettbewerbsrecht kein Raum ist. Insbesondere der Seeund der Luftverkehr sind von der Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht ausgeschlossen. Die Frage, ob die Hafendienstleistungswirtschaft dem Verkehrssektor zuzuordnen ist, hat folglich an Bedeutung verloren. Das Problem hat sich vielmehr auf die Frage verkürzt, ob die Sondervorschriften des Verkehrstitels auf die Seehafenverkehrswirtschaft eventuell zusätzlich angewandt werden können64. Im Ergebnis lässt sich jedenfalls festhalten, dass der Bereich der Hafendienstleistungswirtschaft den Wettbewerbsregeln des AEUV uneingeschränkt unterliegt.

C. Kartellverbot, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) normiert ein grundlegendes Kartellverbot. Verboten sind danach alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) bezwecken oder bewirken. 61

EuGH v. 04. 04. 1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359 ff. (Französische Seeleute). EuGH v. 30. 04. 1986, Rs. 209 – 213/84, Slg. 1986, 1425, 1433 (Ministère/Asjes). 63 EuGH v. 30. 04. 1986, Rs. 209 – 213/84, Slg. 1986, 1425, 1463, Rn. 43 f. (Ministère/ Asjes). 64 Groeben/Schwarze-Erdmenger, Art. 80, Rn. 11. 62

C. Kartellverbot, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG)

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Im Hafensektor sind Verstöße gegen das Kartellverbot vor allem durch horizontale Absprachen zwischen den Hafendiensteanbietern zu Lasten der Hafennutzer denkbar.

I. Normadressaten Adressaten des Kartellverbots sind dem Wortlaut des Art. 101 I AEUV (exArt. 81 I EG) zufolge „Unternehmen“65. Bei den in den europäischen Seehäfen niedergelassenen Hafendiensteanbietern müsste es sich also zunächst um Unternehmen i.S.d. Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) handeln. 1. Der kartellrechtliche Unternehmensbegriff Der AEUV enthält – wie auch schon der EG-Vertrag – keine Legaldefinition des Unternehmensbegriffs. Der Begriff ist somit einer Auslegung zugänglich. Für den EG-Vertrag war nach einhelliger Meinung der Gerichte und des Schrifttums66 der vom EuGH in dem Urteil Höfner und Elser67 entwickelte und in ständiger Rechtsprechung68 gefestigte so genannte „funktionale Unternehmensbegriff“ zugrunde zu legen. Danach ist ein Unternehmen „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“69. Der Unternehmensbegriff ist somit, dem Ziel eines umfassenden Wettbewerbsschutzes entsprechend, weit in einem wirtschaftlichen Sinn auszulegen. Es ist nicht auf institutionelle oder organisatorische Kriterien, sondern ausschließlich auf die Tätigkeit des handelnden Subjekts abzustellen70. Aufgrund der Rechtsformunabhängigkeit

65 Zwar erwähnt Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) darüber hinaus „Unternehmensvereinigungen“; hierbei handelt es sich jedoch um keine echte Erweiterung des Adressatenkreises, da die Gemeinschaftsorgane die Unternehmensvereinigung lediglich als Summe der in ihr zusammengeschlossenen Mitgliedsunternehmen behandeln; vgl. Grabitz/Hilf-Stockenhuber, Art. 81, Rn. 82; Schröter/Jakob/Mederer-Schröter, Vorbem. Art. 81 – 85, Rn. 17. 66 Calliess/Ruffert-Weiß, Art. 81, Rn. 25; Grabitz/Hilf-Stockenhuber, Art. 81, Rn. 51; Groeben/Schwarze-Schröter, Vorbem. Art. 81 – 85, Rn. 22; Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Art. 81, Rn. 12; Langen/Bunte-Bunte, Art. 81, Rn. 5; Loewenheim/Meessen/RiesenkampffGippini-Fournier/Mojzesowicz, Art. 81, Rn. 39; Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526, 536; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 8, Rn. 5; Schröter/Jakob/MedererSchröter, Vorbem. Art. 81 – 85, Rn. 22; Schwarze, EuZW 2000, S. 613, 613; von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 548. 67 EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 21 (Höfner und Elser). 68 Siehe etwa EuGH v. 17. 02. 1993, verb. Rs. C-159/91 und 160/91, Slg. 1993, I-637, 669, Rn. 17 (Poucet et Pistre); EuGH v. 19. 01. 1994, Rs. C-364/94, Slg. 1994, I-43, 61, Rn. 18 (Eurocontrol); EuGH v. 16. 11. 1995, Rs. C-244/94, Slg. 1995, I-4013, 4028, Rn. 14 (Fédération francaise des sociétés d’assurance u. a.). 69 EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 21 (Höfner und Elser). 70 Grabitz/Hilf-Stockenhuber, Art. 81, Rn. 51.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

unterliegen auch staatliche Unternehmen dem Kartellverbot71. Maßgebliches Kriterium ist allein die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Wann aber liegt eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ vor? Mangels primärrechtlicher Definition fiel die Auslegung des Begriffs der Kommission, dem EuG und dem EuGH zu. Nach Ansicht der Kommission ist unter wirtschaftlicher Tätigkeit „jede Tätigkeit“ zu verstehen, „die auf den Austausch von Leistungen oder Gütern am Markt gerichtet ist“72. Eine nur unwesentlich abweichende Ansicht vertreten die europäischen Gerichte. Der ständigen Rechtsprechung des EuGH zufolge hat als wirtschaftliche Betätigung „jede Tätigkeit“ zu gelten, „die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten“73. Nach der Rechtsprechung des EuG erfasst der Begriff „Wirtschaftstätigkeiten aller Art, von der Herstellung wirtschaftlicher Güter über den Handel bis zu Dienstleistungen“74. Entscheidend ist damit letztlich die Frage, ob die betreffende Einheit in der Lage ist, Wettbewerbsverzerrungen durch ihr Angebots- und Nachfrageverhalten auszulösen75. Allgemein lässt sich festhalten, dass der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit weit und umfassend zu verstehen ist und nahezu jegliche Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erfasst. Auf eine etwaige Gewinnerzielungsabsicht kommt es dabei nach herrschender Meinung nicht an76. Abzugrenzen ist die wirtschaftliche jedoch von der nichtwirtschaftlichen, hoheitlichen Tätigkeit. Letztere fällt unstreitig nicht in den Anwendungsbereich des Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG)77. Wie aber sind unternehmerisch-wirtschaftliches und hoheitliches Handeln voneinander abzugrenzen? Diese Frage ist nach wie vor nicht abschließend geklärt78. Allerdings ist der EuGH schon mehrfach mit dieser Abgrenzungsproblematik konfrontiert worden. Seine Rechtsprechung bietet daher einige Anhaltspunkte. 71 Loewenheim/Meesen/Riesenkampff-Gippini-Fournier/Mojzesowicz, Art. 81, Rn. 43; Schwarze, EuZW 2000, S. 613, 614. 72 Komm. E. v. 27. 10. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 326/31, Rn. 43 (Fußballweltmeisterschaft 1990); Komm. E. v. 20. 07. 1999, ABl. EG 2000 Nr. L 5/55, Rn. 65 (Fußballweltmeisterschaft 1998). 73 EuGH v. 16. 06. 1987, Rs. 118/85, Slg. 1987, 2599, Rn. 7 (Kommission/Italien); EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-35/96, Slg. 1998, I-3851, Rn. 36 (Kommission/Italien). 74 EuG v. 14. 07. 1994, Rs. T-66/92, Slg. 1994, II-531, 543, Rn. 32 (Herlitz/Kommission). 75 Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 665. 76 Calliess/Ruffert-Weiß, Art. 81, Rn. 25; Grabitz/Hilf-Stockenhuber, Art. 81, Rn. 57; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 8, Rn. 16; Schröter/Jakob/Mederer-Schröter, Vorbem. Art. 81 – 85, Rn. 23. Anderer Ansicht: Gleiss/Hirsch, Art. 85, Rn. 15; Langen/Bunte-Bunte, Art. 81, Rn. 5. 77 Calliess/Ruffert-Weiß, Art. 81, Rn. 29; Gleiss/Hirsch, Art. 85, Rn. 21, 35; Groeben/ Schwarze-Schröter, Vorbem. Art. 81 – 85, Rn. 34; Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Art. 81, Rn. 21; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 664; Langen/Bunte-Bunte, Art. 81, Rn. 8; Schwarze, EuZW 2000, S. 613, 614. 78 Groeben/Schwarze-Schröter, Vorbem. Art. 81 – 85, Rn. 35; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 665; Schwarze, EuZW 2000, S. 613, 614.

C. Kartellverbot, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG)

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In der oben erwähnten Rechtssache Höfner und Elser79 hatte der EuGH die Unternehmenseigenschaft der deutschen Bundesanstalt für Arbeit, einer öffentlichrechtlichen Anstalt, zu prüfen. Diese verfügte nach deutschem Recht über ein Monopol für Arbeitsvermittlungstätigkeiten. Privaten Unternehmen war es gesetzlich verboten, Arbeitskräfte zu vermitteln. Hiergegen wandten sich die Kläger. Der EuGH qualifizierte die Arbeitsvermittlung, insbesondere die Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft, als unternehmerisch-wirtschaftliche (und damit nicht hoheitliche) Tätigkeit. Die Tatsache, dass diese Tätigkeit normalerweise öffentlichrechtlichen Anstalten übertragen sei, spreche nicht gegen ihren wirtschaftlichen Charakter80. Entscheidend sei, dass die Arbeitsvermittlung nicht zwingend von einer öffentlichen Einrichtung betrieben werden müsse81. Die Bundesanstalt für Arbeit sei daher als Unternehmen i.S.d. Wettbewerbsrechts zu qualifizieren82. In der Rechtssache Bodson83 hatte der EuGH zu klären, ob Art. 81 I EG (jetzt Art. 101 I AEUV) anwendbar ist, wenn eine Gemeinde durch einen Konzessionsvertrag einem Unternehmen das ausschließliche Recht überträgt, bestimmte Bestattungsdienste entgeltlich durchzuführen. Der EuGH entschied, dass die Betrauung eines privaten Unternehmens mit der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe selbst dann als eine Tätigkeit nichtwirtschaftlicher Art anzusehen sei, wenn sie mit Hilfe eines Konzessionsvertrages erfolge. Die Gemeinde habe in ihrer Eigenschaft als Trägerin öffentlicher Gewalt und damit nicht als Unternehmen i.S.d. Art. 81 I EG (jetzt Art. 101 I AEUV) gehandelt84. In der Rechtssache Eurocontrol85 hingegen ging es um die Unternehmenseigenschaft von Eurocontrol, einer internationalen Organisation, die die gemeinsame Organisation der Flugsicherungsdienste im Luftraum der Vertragsparteien übernommen hatte. Der EuGH urteilte, dass es für die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit entscheidend darauf ankomme, ob die betreffende Tätigkeit mit der Ausübung von Vorrechten zusammenhänge, die „typischerweise“ hoheitlicher Natur sind86. Nur in diesem Fall sei die betreffende Tätigkeit nichtwirtschaftlicher Art. Bei der Kontrolle und Überwachung des Luftraums handele es sich um „typischerweise hoheitliche Vorrechte“87. Diese Vorrechte wiesen keinen wirtschaftlichen Charakter auf, der eine Anwendung der Wettbewerbsvorschriften rechtfertigen würde88. Die Einziehung von Gebühren durch Eurocontrol könne nicht 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979 ff. (Höfner und Elser). EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 22 (Höfner und Elser). EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 22 (Höfner und Elser). EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 23 (Höfner und Elser). EuGH v. 04. 05. 1988, Rs. 30/87, Slg. 1988, 2479 ff. (Bodson). EuGH v. 04. 05. 1988, Rs. 30/87, Slg. 1988, 2479, 2512, Rn. 18 (Bodson). EuGH v. 19. 01. 1994, Rs. C-364/92, Slg. 1994, I-43 ff. (Eurocontrol). EuGH v. 19. 01. 1994, Rs. C-364/92, Slg. 1994, I-43, 63, Rn. 30 (Eurocontrol). EuGH v. 19. 01. 1994, Rs. C-364/92, Slg. 1994, I-43, 63, Rn. 30 (Eurocontrol). EuGH v. 19. 01. 1994, Rs. C-364/92, Slg. 1994, I-43, 64, Rn. 30 (Eurocontrol).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

von dessen hoheitlichen Befugnissen bei der Kontrolle und Überwachung des Luftraums getrennt werden. Folglich sei die mit diesen hoheitlichen Vorrechten zusammenhängende Tätigkeit ebenfalls nichtwirtschaftlicher Natur. Eurocontrol wurde daher nicht als Unternehmen i.S.d. Wettbewerbsrechts eingestuft. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in der Rechtssache Banchero im Hinblick auf die Kontrolle über die Eröffnung und regionale Verteilung von Tabakläden bestätigt89. Gemein ist den angeführten Urteilen, dass sie einer Tätigkeit nur dann hoheitlichen – und damit nichtwirtschaftlichen – Charakter zusprechen, wenn es sich bei der Tätigkeit um eine „typisch“ hoheitliche Aufgabe handelt, die zwingend von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung ausgeführt werden muss. Dies ist zumeist dann der Fall, wenn die Tätigkeit mit Aufgaben zusammenhängt, deren Durchsetzung staatlichen Zwang erforderlich machen kann90. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine wirtschaftliche Betätigung nur dann zu verneinen ist, wenn die Tätigkeit mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist und sie ihrer Art nach ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen oder in deren Auftrag ausgeübt werden kann91. 2. Hafendiensteanbieter als Unternehmen i.S.d. Kartellrechts Fraglich ist, wie sich vor diesem Hintergrund die Unternehmenseigenschaft der hier behandelten europäischen Hafendiensteanbieter darstellt. Den vorangestellten Erkenntnissen zufolge müssten die in den europäischen Seehäfen angesiedelten Hafendiensteanbieter eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ ausüben, um dem Unternehmensbegriff des Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) zu unterfallen. Die Erbringung der Hafendienste dürfte sich dabei nicht als Ausübung hoheitlicher Befugnisse darstellen. Bei den Hafendienstleistungen lässt sich, wie oben dargelegt, grundsätzlich zwischen drei Kategorien differenzieren: den ladungsbezogenen, den technischnautischen sowie den sonstigen Hafendiensten. a) Ladungsbezogene Hafendienstleistungen Hinsichtlich der ladungsbezogenen Dienste erschöpft sich die Aufgabe der meisten Hafendienstleistungsunternehmen in der eigennützigen Erbringung der jeweiligen Dienstleistung92. Die Rechtsbeziehungen im Hafensektor sind heute, im

89

EuGH v. 14. 12. 1995, Rs. C-387/93, Slg. 1995, I-4663, Rn. 49 (Banchero). Bittner, Die Verweigerung der Drittzulassung, S. 71; Jacobi, Third-Party-Access, S. 34; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 665. 91 Calliess/Ruffert-Weiß, Art. 81, Rn. 29; Groeben/Schwarze-Schröter, Vorbem. Art. 81 – 85, Rn. 35; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Gippini-Fournier/Mojzesowicz, Art. 81, Rn. 47; Schwarze, EuZW 2000, S. 613, 616. 92 Lechner, Die Seehäfen, S. 29. 90

C. Kartellverbot, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG)

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Gegensatz zu früher93, nicht mehr einseitig ausgestaltet94. Es handelt sich vielmehr um zweiseitig verbindliche Verträge. Da beispielsweise die Kaibetreiber ihre Ansprüche nicht mithilfe des Einsatzes von Zwangsmitteln durchsetzen können, kann von einer „typisch hoheitlichen“ Tätigkeit nicht die Rede sein. Die Erbringung ladungsbezogener Hafendienstleistungen ist daher eine Tätigkeit rein wirtschaftlicher Art. So zögerte auch der EuGH in der Rechtssache Merci95 nicht, die Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages auf eine im Hafen von Genua tätige Hafengesellschaft anzuwenden, der durch Gesetz die Organisation von Hafenarbeiten für Rechnung Dritter vorbehalten war96. Diese Hafenarbeiten umfassten das Ein- und Ausladen, den Umschlag und die Lagerung von Waren oder sonstigen Gütern innerhalb des Hafens97. Die Hafengesellschaft ihrerseits war gesetzlich verpflichtet, für die Ausführung dieser Arbeiten ausschließlich auf die in einer besonderen Hafenbetriebsgesellschaft organisierte Belegschaft zurückzugreifen98. Generalanwalt Van Gerven betonte in seinen Schlussanträgen ausdrücklich, dass die Unternehmenseigenschaft sowohl der Hafen- als auch der Hafenbetriebsgesellschaft nicht streitig sein könne und verwies insofern auf den vom EuGH stets weit ausgelegten Unternehmensbegriff99. Der EuGH folgte den Anträgen des Generalanwalts und wandte die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages sowohl auf die Hafen- als auch auf die Hafenbetriebsgesellschaft an, ohne jedoch in seiner Urteilsbegründung näher auf deren Unternehmenseigenschaft einzugehen. Um einen auf den ersten Blick sehr ähnlich gelagerten Sachverhalt ging es in der Rechtssache Claude Becu u. a.100. Der Fall betraf eine belgische Gesellschaft, die im Hafen von Gent ein Getreideumschlagsunternehmen betrieb101. Ihre Tätigkeit bestand im Be- und Entladen von Getreideschiffen sowie im Einlagern von Getreide für Rechnung Dritter. Die Ware wurde per Schiff, Bahn oder Lastkraftwagen an- und abtransportiert. In Belgien war es zu diesem Zeitpunkt unter Strafandrohung verboten, die Hafenarbeit in bestimmten Hafengebieten von anderen als den anerkannten Hafenarbeitern verrichten zu lassen. Die betreffende Gesellschaft ließ je93 So wurden beispielsweise im Hamburger Hafen bis 1970 für die Arbeitsleistungen beim Kaiumschlag vom Senat festgesetzte Gebühren erhoben, vgl. Lechner, Die Seehäfen, S. 29. 94 Lechner, Die Seehäfen, S. 29. 95 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889 ff. (Merci). 96 Artikel 111 des zu diesem Zeitpunkt in Italien geltenden Schifffahrtsgesetzbuches. Vgl. EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5892, Rn. 5 (Merci). 97 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5891, Rn. 3 (Merci). 98 Artikel 111 des zu diesem Zeitpunkt in Italien geltenden Schifffahrtsgesetzbuches. Vgl. Lechner, Die Seehäfen, S. 22. 99 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge, EuGH v. 19. 09. 1991, I-5889, 5913, Rn. 16 (Merci). 100 EuGH v. 16. 09. 1999, Rs. C-22/98, Slg. 1999, I-5665 ff. (Claude Becu u. a.). 101 Vgl. zum Folgenden EuGH v. 16. 09. 1999, Rs. C-22/98, Slg. 1999, I-5665, 5669, Rn. 9 ff. (Claude Becu u. a.).

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doch im Hafengebiet von Gent Hafenarbeiten von nicht anerkannten Hafenarbeitern verrichten. Der EuGH hatte zu klären, ob es sich bei den anerkannten Hafenarbeitern um Unternehmen i.S.d. europäischen Wettbewerbsrechts handelt. In seinen Schlussanträgen ging Generalanwalt Colomer detailliert auf den Unternehmensbegriff des europäischen Wettbewerbsrechts ein. Ausgehend von der Definition des Gerichtshofes, die ein Unternehmen als eine „eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit“ ansieht, betonte er, dass im vorliegenden Fall nicht der wirtschaftliche Charakter der Hafenarbeit problematisch sei, da die Hafenarbeiter gegen Entgelt Dienstleistungen in Form verschiedener Hafenarbeiten wie dem Be-, Entund Umladen oder der Einlagerung erbrächten102. Vielmehr bestehe das Problem darin, ob die Hafenarbeiter als eine „Einheit“ i.S.d. Definition angesehen werden könnten. Der EuGH entschied, dass die Hafenarbeiter selbst keine Unternehmen i.S.d. Wettbewerbsrechts seien, da sie während der Dauer des Arbeitsverhältnisses in die genannten Unternehmen eingegliedert seien und daher mit jedem dieser Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden würden103. Auch würden die anerkannten Hafenarbeiter eines Hafengebiets nicht gemeinsam betrachtet ein Unternehmen darstellen. Aus dem Gesagten ergibt sich Folgendes: bei den ladungsbezogenen Diensten ist zumindest der wirtschaftliche Charakter der Betätigung regelmäßig zu bejahen. Hinsichtlich des Kriteriums der „Einheit“ ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich um einen Zusammenschluss oder eine organisatorisch selbständige Einheit handelt. In der Regel handelt es sich bei den in den europäischen Seehäfen tätigen Anbietern ladungsbezogener Hafendienste jedoch um Unternehmen i.S.d. europäischen Wettbewerbsrechts. b) Technisch-nautische Hafendienstleistungen Anders könnte sich die Lage indes bei den technisch-nautischen Hafendiensten darstellen. Zu diesen zählen, wie oben dargelegt, die Schlepp-, Lotsen- und Festmacherdienste. Die Erbringung dieser Dienstleistungen gewährleistet einen reibungslosen Ablauf des Hafenumschlags und dient in erster Linie der Sicherheit von Schiffen, Ladung und Fahrgästen. Sie erfolgt damit nicht ausschließlich im wirtschaftlichen Interesse der Anbieter, sondern vor allem auch im öffentlichen Interesse. Es drängt sich daher die Frage auf, ob es sich bei den technisch-nautischen Hafendiensten nicht um „typisch hoheitliche“ Tätigkeiten handelt. In diesem Fall müsste die Unternehmenseigenschaft der betreffenden Diensteanbieter verneint werden.

102

Generalanwalt Colomer, Schlussanträge, EuGH v. 16. 09. 1998, Rs. C-22/98, Slg. 1999, I-5665, 5677, Rn. 49 (Claude Becu u. a.). 103 Vgl. zum Folgenden EuGH v. 16. 09. 1999, Rs. C-22/98, Slg. 1999, I-5665, 5692, Rn. 26 (Claude Becu u. a.).

C. Kartellverbot, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG)

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Die technisch-nautische Hafendienstleistung des Lotsens war bereits Gegenstand eines Verfahrens vor dem EuGH. Die Rechtssache Corsica Ferries Italia104 betraf das Lotsenkorps im Hafen von Genua. Diesem war per Gesetz das ausschließliche Recht eingeräumt worden, die vorgeschriebenen Lotsendiensten anzubieten105. Das Lotsenkorps wandte hierfür unterschiedliche Tarife auf Seeschifffahrtsunternehmen an, je nachdem ob diese Transporte zwischen Mitgliedstaaten oder aber zwischen inländischen Häfen vornahmen. Hiergegen wandte sich das italienische Seeschifffahrtsunternehmen Corsica Ferries Italia, welches zwischen Genua und verschiedenen korsischen Häfen einen Linienverkehr betrieb. Das Unternehmen fühlte sich durch die Regelung diskriminiert, die den zur Seekabotage (d. h. für Beförderungen zwischen italienischen Häfen) zugelassenen Schiffen Ermäßigungen von bis zu 50 Prozent auf den Grundtarif gewährte106. Es klagte daher auf Erstattung der Differenz zwischen dem ermäßigten Tarif und dem von ihm gezahlten Tarif. Das nationale Gericht legte dem EuGH u. a. die Frage vor, ob die Anwendung der unterschiedlichen Tarife mit den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages vereinbar sei. Bevor der EuGH näher auf diese Frage eingehen konnte, hatte er zu klären, ob es sich bei dem Lotsenkorps um ein Unternehmen i.S.d. europäischen Wettbewerbsrechts handelt. Es stellte sich die Frage, ob die Lotsen bei Ausübung ihrer Tätigkeit hoheitlich tätig werden. Zwar stellte der EuGH in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass die Inanspruchnahme von Lotsen in nahezu allen italienischen Seehäfen per Gesetz zwingend vorgeschrieben sei, und dass Schiffskapitäne, die die Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Lotsendiensten nicht beachten, sich strafbar machten107, auf die Abgrenzungsproblematik zwischen hoheitlicher und rein wirtschaftlicher Tätigkeit ging der Gerichtshof jedoch nicht näher ein. Vielmehr bejahte er die Unternehmenseigenschaft des Lotsenkorps stillschweigend, indem er die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages auf dieses anwandte. Die Lotsen nehmen (unabhängig von der Frage nach der Verpflichtung zur Inanspruchnahme ihrer Dienste) bei der Ausübung ihrer Tätigkeit somit keine hoheitlichen Befugnisse wahr. Auch in Deutschland ist bereits höchstrichterlich entschieden worden, dass die Lotsen bei ihrer Ausübung keine hoheitlichen Befugnisse wahrnehmen108. Diese Erkenntnis lässt sich ferner aus dem deutschen Seelotsgesetz ableiten, welches in § 23 statuiert, dass der Lotse nur Beratungslotse ist109. Die Verkehrssicherheit in den Hafengewässern bleibt demnach auch dann gewahrt, wenn der Kapitän während der Lotsung für die Führung des Schiffes verantwortlich bleibt. Für die Lotsendienste lässt sich mithin festhalten, dass sie trotz ihrer Bedeutung für

104 105 106 107 108 109

EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783 ff. (Corsica Ferries Italia). Vgl. zum Folgenden Lechner, Die Seehäfen, S. 29 f. Vgl. zum Folgenden Schroeder/Federle, EWiR 1994, S. 979, 979 f. EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783, 1814, Rn. 4 (Corsica Ferries Italia). BGH v. 20. 06. 1968, BGHE 50, 250 ff.; vgl. dazu Lechner, Die Seehäfen, S. 30. Vgl. zum Folgenden Lechner, Die Seehäfen, S. 30.

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die öffentliche Sicherheit keine typisch hoheitliche, sondern eine rein wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Um Festmacherdienste hingegen ging es in der Rechtssache Ormeggiatori110. Der EuGH hatte sich hier mit Gesellschaften zu befassen, denen durch Gesetz ausschließliche Rechte für die Leistung des Festmachens in den Häfen von Genua und La Spezia eingeräumt worden waren. In seinem Urteil stellte der EuGH (wenn auch ohne nähere Begründung) ausdrücklich klar, dass es sich bei den Festmachern um Unternehmen i.S.d. Art. 81 I EG (jetzt Art. 101 I AEUV) handelt111. Damit ist nunmehr höchstrichterlich entschieden, dass auch die Festmacher keine typisch hoheitliche Aufgabe wahrnehmen. Nichts anderes kann für die in den europäischen Seehäfen tätigen Schleppreedereien gelten112. Im Ergebnis lässt sich mithin festhalten, dass es sich bei den Anbietern technisch-nautischer Hafendienstleistungen trotz ihrer besonderen Verantwortung für die öffentliche Sicherheit um Unternehmen i.S.d. Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) handelt. c) Sonstige Hafendienstleistungen Schließlich existiert, wie eingangs erwähnt, eine dritte Kategorie von Hafendienstleistungen, die den Umweltschutz, die Abfallentsorgung und ähnliche Tätigkeiten betreffen. Diese Dienste werden regelmäßig von privaten Anbietern erbracht. Ebenso wie bei den ladungsbezogenen Diensten sind ihre Rechtsbeziehungen nicht einseitig ausgestaltet, sondern werden vertraglich ausgehandelt. Die Erbringung derartiger Hafendienste ist daher grundsätzlich als wirtschaftliche Tätigkeit einzustufen. Um die Erbringung solcher Hafendienste ging es jedoch auch in der Rechtssache Diego Cali & Figli113. Dieser Fall betraf erneut den Hafen von Genua, genauer gesagt den Erdölhafen. Streitig war, ob eine Überwachungstätigkeit zur Bekämpfung von Umweltverschmutzungen, mit deren Ausübung eine privatrechtliche Einrichtung von einer staatlichen Stelle betraut worden war, in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsvorschriften fiel. Erneut ging es um die Frage, ob es sich bei der betreffenden Tätigkeit um eine rein wirtschaftliche oder um eine hoheitliche Tätigkeit handelt. Problematisch erschien die Annahme einer hoheitlichen Tätigkeit insofern, als es sich bei der mit dieser Aufgabe betrauten Einrichtung um eine privatrechtliche Gesellschaft handelte. Der EuGH entschied jedoch, dass der typisch hoheitliche Charakter einer Tätigkeit selbst dann anzunehmen sei, wenn diese von einer privaten Einrichtung ausgeführt würde114. Unter Bezugnahme auf das Urteil Eurocontrol115 110 111 112 113 114

Figli).

EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3998 (Ormeggiatori). So auch Lechner, Wettbewerb und EG-Freiheiten, S. 147, 153. EuGH v. 18. 03. 1997, Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547 ff. (Diego Cali & Figli). EuGH v. 18. 03. 1997, Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547, 1588, Rn. 23 (Diego Cali &

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betonte der EuGH, dass die betreffende Überwachungstätigkeit „ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln nach“ mit der Ausübung von Befugnissen zusammenhänge, die den Schutz der Umwelt beträfen; hierbei handele es sich um „typischerweise hoheitliche Befugnisse“116. Die Tatsache, dass die Gesellschaft für ihre Überwachungstätigkeit eine Gebühr erhebe, ändere nichts an der rechtlichen Qualifizierung dieser Aufgabe117. Dies gelte umso mehr, als die erhobene Gebühr vom Staat genehmigt worden sei118. Der EuGH stufte die Gesellschaft daher nicht als Unternehmen i.S.d. europäischen Wettbewerbsrechts ein. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die erforderliche Unternehmenseigenschaft der in den europäischen Seehäfen angesiedelten Hafendiensteanbieter sowohl für die ladungsbezogenen als auch für die technisch-nautischen Dienste grundsätzlich zu bejahen ist. Dies gilt prinzipiell auch für die dritte Kategorie von Hafendienstleistungen, die sonstigen Hafendienste. Nur in Ausnahmefällen, in denen die jeweiligen Diensteanbieter mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse, wie beispielsweise der Überwachung des Umweltschutzes, betraut sind, muss ihre Unternehmenseigenschaft verneint werden.

II. Formen unternehmerischen Zusammenwirkens Nach Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) ist grundsätzlich jedes abgestimmte Marktverhalten zu Lasten des Wettbewerbs verboten. Als Formen unzulässiger Kartellbildung nennt Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) nebeneinander Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Gemein ist diesen drei Tatbeständen das bewusste und gewollte Zusammenwirken mehrerer Unternehmen zur Koordinierung ihres Wettbewerbsverhaltens119. Wo genau die Trennungslinie zwischen den Tatbeständen verläuft ist dabei ungeklärt120.

115 116

Figli). 117

Figli). 118

Figli).

EuGH v. 19. 01. 1994, Rs. C-364/92, Slg. 1994, I-43 ff. (Eurocontrol). EuGH v. 18. 03. 1997, Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547, 1588, Rn. 23 (Diego Cali & EuGH v. 18. 03. 1997, Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547, 1589, Rn. 24 (Diego Cali & EuGH v. 18. 03. 1997, Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547, 1589, Rn. 24 (Diego Cali &

119 Grabitz/Hilf-Stockenhuber, Art. 81, Rn. 88; Groeben/Schwarze-Schröter, Art. 81, Rn. 49; Langen/Bunte-Bunte, Art. 81, Rn. 15. 120 Groeben/Schwarze-Schröter, Art. 81, Rn. 50.

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1. Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen Nach ständiger Rechtsprechung der europäischen Gerichte liegt eine Vereinbarung i.S.d. Art. 81 I EG (jetzt Art. 101 I AEUV) schon dann vor, „wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten“121. Damit fällt nahezu jede Verständigung von Unternehmen über eine wettbewerbsbeschränkende Praxis unter den Begriff der Vereinbarung122. Umstritten ist lediglich, ob die Vereinbarung rechtlich verbindlich sein muss. Unter Hinweis auf die Tatsache, dass auch so genannte gentlemen’s agreements von der Rechtsprechung unter den Begriff der Dienstleistung subsumiert werden123, wird dies teilweise verneint124. Die Frage hat jedoch nur theoretische Bedeutung, da auch lediglich aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen nach Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) verboten sind. Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) wendet sich weiterhin gegen Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen. Grund dieser Regelung ist, dass derartige Beschlüsse, wenn die meisten der Mitglieder sie befolgen, zu derselben Verhaltensabstimmung führen wie Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen. Unter Beschlüssen sind daher sämtliche Rechtsakte zu verstehen, durch die eine Unternehmensvereinigung ihren Willen bildet125. Der Differenzierung zwischen Vereinbarung und Beschluss kommt mithin keine rechtlich erhebliche Bedeutung zu. Schließlich ist in Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) noch das Verbot der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen niedergelegt. Dieses erfüllt einen doppelten Zweck126. Seine Aufgabe besteht zum einen darin, rechtlich wie faktisch unverbindliche Vereinbarungen und Beschlüsse in den Geltungsbereich der Vorschrift einzubeziehen und so einer Umgehung des Kartellverbots vorzubeugen127. Zum anderen soll es gewährleisten, dass alle Formen bewussten und gewollten Zusammenwirkens von Unternehmen erfasst werden, darunter insbesondere die rein tatsächliche Zusammenarbeit sowie die bloße Abstimmung128. Mit diesem Auf-

121

EuGH v. 15. 07. 1970, Rs. 41/69, Slg. 1970, 661, 696, Rn. 110 (ACF Chemiefarma); EuGH v. 29. 10. 1980, Rs. 209 bis 215 und 218/78, Slg. 1980, 3125, 3250, Rn. 86 (Van Landewyck); EuG v. 17. 12. 1991, Rs. T-7/89, Slg. 1991, II-1711, 1804, Rn. 256 (Hercules Chemicals); EuG v. 10. 03. 1992, Rs. T-9/89, Slg. 1992, II-499, 604, Rn. 291 (Hüls); EuG v. 14. 07. 1998, Rs. T-347/94, Slg. 1998, II-1751, 1777, Rn. 65 (Mayr-Melnhof). 122 Emmerich, Kartellrecht, § 4, Rn. 5. 123 EuG v. 06. 04. 1995, Rs. T 141/89, Slg. 1995, II-791, 830, Rn. 96 (Tréfileurope/Kommission). 124 Calliess/Ruffert-Weiß, Art. 81, Rn. 47; Emmerich, Kartellrecht, § 4, Rn. 7. 125 Emmerich, Kartellrecht, § 4, Rn. 16. 126 Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Art. 81, Rn. 99. 127 Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Art. 81, Rn. 99. 128 Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Art. 81, Rn. 99.

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fangtatbestand129 soll verhindert werden, dass Unternehmen sich der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften entziehen können, indem sie ihr Verhalten ohne eine verbindliche Vereinbarung wettbewerbswidrig koordinieren130.

2. Preisabsprachen im Hafensektor Im Hafensektor stellt sich vor allem die Frage, ob Preisabsprachen für die Erbringung von Hafendienstleistungen gegen Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) verstoßen. Dies könnte insbesondere auf die Absprachen europäischer Schiffsmakler zutreffen, die in den verschiedenen Seehäfen der EU Preisempfehlungen für Hafendienstleistungen herausgeben. So veröffentlichte beispielsweise der Verband der französischen Schiffsmakler jahrelang eine Preisliste für Hafendienstleistungen und legte den Schiffsmaklern und Agenten in den französischen Häfen deren strikte Beachtung nahe131. Die Cour d’Appel in Paris hielt dies für eine gem. Art. 81 I EG (jetzt Art. 101 I AEUV) verbotene Preisabsprache132. Dieser Ansicht hat sich die Kommission angeschlossen, zumal sie der Ansicht war, dass derartige Preisempfehlungen in nahezu allen Mitgliedstaaten von den Verbänden der Schiffsmakler herausgegeben wurden133. Auch in den deutschen Seehäfen war die Veröffentlichung derartiger Preisempfehlungen lange Zeit durchaus üblich. So gab beispielsweise der Zentralverband Deutscher Schiffsmakler e.V. unverbindliche Preisempfehlungen für die Klarierung von Seeschiffen heraus134. Lange Zeit bestand dabei das Problem, dass derartige Preisabsprachen im Hafensektor nach deutschem Recht zulässig, nach dem vorrangigen europäischen Kartellrecht jedoch verboten waren135. Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWG) enthielt nämlich bis zu seiner Änderung im Jahre 1999 in § 99 II 2 eine so genannte Bereichsausnahme für Hafendienstleistungen136. Diese Vorschrift erklärte unverbindliche Preisempfehlungen von Vereinigungen von Unternehmen, die den Güterumschlag, die Güterbeförderung und die Güterlagerung sowie die damit verbundenen Nebenleistungen in Seehäfen zum Gegenstand hatten, unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig137. Auf dieser Grundlage wurden die unverbindlichen Preisempfehlungen für Hafendienstleistungen vom Bundeskartellamt überprüft und gegebenenfalls genehmigt138. Diese Dis129 130 131 132 133 134 135 136 137 138

Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Art. 81, Rn. 99; Langen/Bunte-Bunte, Art. 81, Rn. 28. Langen/Bunte-Bunte, Art. 81, Rn. 28. Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1163 f. Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1164. Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1164. Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1164. Rabe, EU-Kompetenzen im Gebiet der Seehäfen, S. 95, 96. Rabe, EU-Kompetenzen im Gebiet der Seehäfen, S. 95, 96. Rabe, EU-Kompetenzen im Gebiet der Seehäfen, S. 95, 96. Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1164.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

krepanz zwischen deutschem und europäischem Wettbewerbsrecht hat sich aber durch die am 01. 01. 1999 in Kraft getretene Neufassung des GWB, durch welche die Bereichsausnahme abgeschafft wurde, erledigt139. Preisabsprachen und Preisempfehlungen sind nunmehr auch nach deutschem Kartellrecht generell verboten140. Ein geradezu klassisches Beispiel für Preisabsprachen im Hafensektor stellte der durch die Medien bekannt gewordene „Hamburger Schlepperkrieg“ dar141. Dieser Fall betraf eine von fünf Hamburger Schleppreedereien gebildete Arbeitsgemeinschaft, die bis Anfang 1996 im Hamburger Hafen die Seeschiffsassistenz ausübte142. Bei der Durchführung ihrer Schleppdienste hielten sich die beteiligten Schleppreedereien an die von der Arbeitsgemeinschaft herausgegebenen einheitlichen Preisempfehlungen, welche aufgrund der bereits erwähnten Bereichsausnahme nach deutschem Recht zulässig waren143. Zwar hatte sich die Schifffahrt zuvor mehrfach um eine Senkung der Seeschiffsassistenzkosten bemüht, unter Hinweis auf die hohen Personalkosten war dies von der Arbeitsgemeinschaft jedoch stets abgelehnt worden144. Als im Jahr 1996 eine niederländische Schleppreederei in den Markt für Seeschiffsassistenz eindrang, welche die Preise der Arbeitsgemeinschaft aufgrund niedrigerer Löhne und eines geringeren Personalbestandes um 25 Prozent unterbieten konnte, nahmen von nun an viele Reedereien die Dienste der niederländischen Schleppreederei in Anspruch145. Dies hatte zur Folge, dass die Hamburger Arbeitsgemeinschaft die Zahl ihrer aktiven Schlepper reduzieren und zahlreiche Seeleute in den vorzeitigen Ruhestand entlassen musste146. Der Wettbewerb auf dem Markt für Seeschiffsassistenz erhöhte sich jedoch deutlich. Im Ergebnis wurde das Problem der wettbewerbsbehindernden Preisabsprachen damit auf klassisch marktwirtschaftliche Weise gelöst; jedoch hätte auch hier eine Beschwerde an die Kommission durchaus Erfolg haben können, da es sich bei der Arbeitsgemeinschaft um ein idealtypisches Kartell handelte147. Aber nicht nur im Hamburger Hafen wurden die Preise für die Erbringung von Hafendienstleistungen lange Zeit abgesprochen; auch in den Häfen von Rotterdam und Antwerpen waren Preisabsprachen hinsichtlich der Kosten für Lotsendienste jahrelang üblich148. Unzulässige Kartellbildungen sind im Hafensektor somit durchaus denkbar149.

139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

Rabe, EU-Kompetenzen im Gebiet der Seehäfen, S. 95, 96. Rabe, EU-Kompetenzen im Gebiet der Seehäfen, S. 95, 96. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 100. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 100. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 100. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 100. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 100 f. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 101. Lagoni, EuR 2002, Beiheft 3, S. 97, 100. Ecorys, Evaluation Study, S. 25.

C. Kartellverbot, Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG)

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III. Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs Die Hafendiensteanbieter müssten gem. Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) mit ihren Preisabsprachen den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) verhindern, einschränken, verfälschen oder dies zumindest bezwecken. Durch dieses Tatbestandsmerkmal soll der Wettbewerb umfassend vor subjektiver Schädigungsabsicht ebenso wie vor gegebenenfalls absichtslos schädigendem Verhalten geschützt werden150. Es wird in Art. 101 I AEUV (exArt. 81 I EG) durch fünf Beispiele näher erläutert. Insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung von An- oder Verkaufspreisen oder von Geschäftsbedingungen ist nach Art. 101 I a) AEUV (ex-Art. 81 I a) EG) unzulässig. Preisabsprachen im Hafensektor sind durchaus geeignet, den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) zu verhindern, einzuschränken oder ihn zu verfälschen. Der oben erwähnte Hamburger Schlepperkrieg stellt hierfür ein anschauliches Beispiel dar. Weiterhin muss die Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) bezweckt oder bewirkt worden sein. Durch Preisabsprachen im Hafensektor wird eine Wettbewerbsbeschränkung zumindest bezweckt, zumeist jedoch – wie im Fall des Hamburger Schlepperkrieges – auch bewirkt.

IV. Handelsbeeinträchtigung (Zwischenstaatlichkeitsklausel) Art. 101 I AUEV (ex-Art. 81 I EG) setzt weiterhin voraus, dass die fragliche wettbewerbsbeschränkende Maßnahme geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Durch diese so genannte „Zwischenstaatlichkeitsklausel“ soll der Anwendungsbereich des europäischen von dem des innerstaatlichen Wettbewerbsrechts abgegrenzt werden151. Der EuGH legt die Zwischenstaatlichkeitsklausel weit aus. Für ihre Erfüllung reicht es bereits aus, dass die betreffende Maßnahme aufgrund der gesamten Umstände geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar den Handel zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise zu beeinträchtigen, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann, indem sie zur Errichtung von Handelsschranken beiträgt und die vom Vertrag gewollte gegenseitige Durch149 So im Ergebnis auch Power, Il Diritto Marittimo 2001, S. 90, 91; Schmeding, Die Ordnung des Zugangs zum Seehafen, S. 188; Wish, EC Competition Law and Ports, S. 203, 204. 150 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 89. 151 So zu Art. 81 I EG (jetzt Art. 101 I AEUV): EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/ 73, Slg. 1974, 223, 253, Rn. 31 (Commercial Solvents); EuGH v. 31. 05. 1979, Rs. 22/78, Slg. 1979, 1969, 1899, Rn. 17 (Hugin); Emmerich, Kartellrecht, § 3, Rn. 18; Grabitz/HilfAicher/Schuhmacher, Art. 81, Rn. 46.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

dringung der Märkte erschwert152. Der Handelsbegriff ist dabei nicht im wörtlichen Sinne zu verstehen; vielmehr erstreckt er sich dem EuGH zufolge auf den gesamten Wirtschaftsverkehr153. Wie sich aus dem Wortlaut „soweit dies dazu führen kann“ ergibt, müssen konkrete Auswirkungen nicht nachgewiesen werden154. Ausreichend ist, dass die Maßnahme geeignet ist, den Wirtschaftsverkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu beeinträchtigen155. Preisabsprachen zwischen Hafendienstleistungsunternehmen sind grundsätzlich geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Dies liegt jedenfalls nahe angesichts der Tatsache, dass sie Unternehmen betreffen, die Güteroder Personentransporte zwischen Mitgliedstaaten vornehmen (Reedereien) bzw. Güter auf dem Seeweg von einem Mitgliedstaat in einen anderen versenden (Verladerschaft)156. Dieser Ansicht würde sich wahrscheinlich auch die Kommission anschließen, wie eine Entscheidung aus dem Jahr 1993 belegt157. Durch diese Entscheidung wurden die vom italienischen Nationalrat der Zollspediteure festgesetzten Tarife, welche die Zollspediteure für Leistungen bei der Zollabfertigung anwenden, für unzulässig erklärt. Die Kommission stellte fest, dass der festgesetzte Tarif geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da er den Preis sämtlicher Zollvorgänge bei der Einfuhr nach und bei der Ausfuhr aus Italien verbindlich festlegt158. Nichts anderes kann für die von den Hafendienstleistungsunternehmen festgesetzten Preise gelten. Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass Preisabsprachen zwischen Hafendienstleistungsunternehmen grundsätzlich geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

V. Spürbarkeit Eine Einschränkung erfährt die Zwischenstaatlichkeitsklausel allerdings durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der „Spürbarkeit“. Danach müssen die potentiellen oder tatsächlichen Auswirkungen auf die Marktverhältnisse „spürbar“ sein159. Erforderlich ist dabei nicht nur die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung, sondern auch die Spürbarkeit der Handelsbeeinträchtigung160. Grundgedanke ist, dass lediglich geringfügige Wettbewerbsbeschränkungen das Ziel der Verwirklichung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs nicht in Gefahr bringen können, 152 153 154 155 156 157 158 159 160

Vgl. Emmerich, Kartellrecht, § 3, Rn. 20. Lechner, Die Seehäfen, S. 45. Grabitz/Hilf-Aicher/Schuhmacher, Art. 81, Rn. 210. EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 32 (Höfner und Elser). Lechner, Die Seehäfen, S. 53. Vgl. zum Folgenden Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1164. Komm. E. v. 30. 06. 1993, ABl. EG 1993 Nr. L 203/27, Rn. 49 (Zollspediteure). Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 10, Rn. 80. Grabitz/Hilf-Stockenhuber, Art. 81, Rn. 210.

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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so dass die Anwendung der Wettbewerbsregeln in einem solchen Fall nicht geboten ist161. Ob das wettbewerbsbehindernde Verhalten im Einzelfall zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels führen kann, muss unter Berücksichtigung sämtlicher tatsächlicher und rechtlicher Umstände beurteilt werden162. Ist die Wettbewerbsstruktur des Marktes betroffen, kann stets eine mehr als nur geringfügige Handelsbeeinträchtigung angenommen werden163. Preisabsprachen im Hafensektor betreffen eindeutig die Wettbewerbsstruktur des Marktes, so dass auch das Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit im Regelfall erfüllt sein wird.

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) Eine größere Bedeutung als dem Kartellverbot kommt im Hafensektor dem Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) zu. Dieses stellt neben dem Kartellverbot des Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) den zweiten Eckpfeiler der Wettbewerbsregeln für Unternehmen dar. Nach Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen mit dem Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) unvereinbar und verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

I. Normadressaten Bei den Anbietern von Hafendiensten müsste es sich also zunächst um Unternehmen i.S.d. Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) handeln. Der Begriff des „Unternehmens“ ist nach allgemeiner Ansicht in Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) und Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) gleich auszulegen164. Es gilt mithin der oben erläuterte funktionale Unternehmensbegriff165. Bei den in den europäischen Seehäfen angesiedelten Hafendienstleistungsunternehmen handelt es sich um Unternehmen i.S.d. europäischen Wettbewerbsrechts166.

161 162 163 164 165 166

Immenga/Mestmäcker-Rehbinder, Art. 81, Rn. 276. Jacobi, Third-Party-Access, S. 66. Jacobi, Third-Party-Access, S. 66. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Lübbig, Art. 82, Rn. 12. Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 1. Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 2.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

II. Marktbeherrschende Stellung Erfasst werden von Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) jedoch nur solche Unternehmen, die über eine marktbeherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) oder auf einem wesentlichen Teil desselben verfügen. Das jeweilige Hafendienstleistungsunternehmen, das eines missbräuchlichen Verhaltens beschuldigt wird, müsste mithin eine marktbeherrschende Stellung auf zumindest einem wesentlichen Teil des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) innehaben. 1. Relevanter Markt Das europäische Kartellrecht basiert auf dem so genannten Marktmachtkonzept, wonach sich wirtschaftliche Macht nur in Relation zu einem bestimmten Markt ermitteln lässt167. Bloße Größenmacht als solche begründet hingegen noch keine beherrschende Stellung168. Um feststellen zu können, ob ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat, muss daher zunächst der relevante Markt ermittelt werden. Dieser ist in sachlicher und räumlicher, sowie in zeitlicher Hinsicht abzugrenzen. Mithilfe einer solchen Abgrenzung soll der genaue Tätigkeitsbereich eines möglicherweise marktbeherrschenden Unternehmens bestimmt werden, um dann gegebenenfalls Freiräume unternehmerischen Verhaltens im Wettbewerbsgeschehen auszuloten169. Für die vorliegende Arbeit von Interesse ist die Frage, wie eine solche Marktabgrenzung im Bereich der Hafendienstleistungen auszusehen hat. Dies soll im Folgenden geklärt werden. a) Sachlich relevanter Markt In sachlicher Hinsicht wird der relevante Markt hinsichtlich der jeweiligen Produkte oder Dienstleistungen abgegrenzt. Die Kommission hat ihr Vorgehen bei der Marktabgrenzung im Jahr 1997 in einer Bekanntmachung zusammengefasst170. Danach umfasst der sachlich relevante Markt „sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden“171. Bei der Festlegung des sachlich relevanten Marktes geht es folglich darum, die den Kunden tatsächlich zur Verfügung stehenden Alternativ167

Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 316; Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 26. Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 316; Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 26. 169 Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 27. 170 Bekanntmachung der Europäischen Kommission 97/C 372/03 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. EG 1997 Nr. C 372/5. 171 Bekanntmachung der Europäischen Kommission 97/C 372/03 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. EG 1997 Nr. C 372/5, 6, Rn. 7. 168

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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angebote aufzuzeigen172. Man spricht vom so genannten Bedarfsmarktkonzept173. Der EuGH geht bei der Marktabgrenzung, abgesehen von einigen Detailunterschieden, ähnlich vor174. Seiner ständigen Rechtsprechung zufolge bilden all diejenigen Güter den sachlich relevanten Markt, „die zur Befriedigung eines gleich bleibenden Bedarfs aufgrund spezifischer Merkmale besonders geeignet sind und daher aus Sicht der Marktgegenseite mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße als austauschbar erscheinen“175. Ein Markt kann somit auch lediglich ein einzelnes Gut umfassen, wenn die Marktgegenseite regelmäßig nur dieses nachfragt und ihren Bedarf nicht auf andere Weise befriedigen kann176. Wesentliches Merkmal zur Bestimmung des sachlich relevanten Marktes ist beiden Organen zufolge die Austauschbarkeit der Ware oder Dienstleistung aus Sicht des Verbrauchers. Für die vorliegende Arbeit von Interesse ist die Frage, wie der sachlich relevante Markt im Hafensektor abzugrenzen ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist es zweckdienlich, die einschlägigen Entscheidungen des EuGH sowie der Europäischen Kommission näher zu untersuchen. In der Rechtsprechung des EuGH waren Seehäfen bereits mehrfach von Bedeutung. Hervorzuheben ist zunächst das bereits oben erwähnte Urteil in der Rechtssache Merci177. Der Fall betraf, wie bereits ausgeführt, ein Hafenunternehmen, welchem per Gesetz die Organisation der Hafenarbeiten für Rechnung Dritter im Hafen von Genua vorbehalten war, und welches seinerseits gesetzlich verpflichtet war, für die Ausführung dieser Arbeiten ausschließlich auf die in einer besonderen Hafenbetriebsgesellschaft zusammengeschlossene Belegschaft zurückzugreifen. 172 Bekanntmachung der Europäischen Kommission 97/C 372/03 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. EG 1997 Nr. C 372/5, 6, Rn. 13. 173 Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 323; Emmerich, Kartellrecht, § 4, Rn. 64; Grabitz/HilfJung, Art. 82, Rn. 30; zur Marktabgrenzung der Kommission allgemein s. Traugott, WuW 1998, S. 929 ff. 174 Die Unterscheidung eines der Kommission zugeschriebenen Prinzips der „subjektiven Äquivalenz“ von demjenigen der „funktionalen Äquivalenz“, auf das der Gerichtshof abstellt, kann zwar zu unterschiedlichen Gewichtungen führen, hat aber kaum praktische Bedeutung. Vgl. hierzu Immenga/Mestmäcker-Möschel, Art. 82, Rn. 43 m.w.N. 175 Vgl. nur EuGH v. 21. 02. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 248, Rn. 32 (Continental Can); EuGH v. 25. 10. 1977, Rs. 26/76, Slg. 1977, 1875, 1904, Rn. 17 (Metro/Kommission); EuGH v. 14. 02. 1978, Rs. 27/76, Slg. 1978, 207, 282, Rn. 22 (Chiquita); EuGH v. 31. 05. 1979, Rs. 22/ 78, Slg. 1979, 1869, 1896, Rn. 7 (Hugin/Liptons); EuGH v. 19. 11. 1983, Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461, 3505, Rn. 37 (Michelin); EuGH v. 14. 11. 1996, Rs. C-333/94 P, Slg. 1996, 5951, 6003, Rn. 10 (Tetra Pak III). 176 EuGH v. 21. 02. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 248, Rn. 32 (Continental Can); EuGH v. 31. 05. 1979, Rs. 22/78, Slg. 1979, 1869, 1896, Rn. 7 (Hugin/Liptons); EuGH, v. 19. 11. 1983, Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461, 3508 (Michelin); EuG v. 12. 12. 1991, Rs. T-30/89, Slg. 1991, II-1439, 1473, Rn. 67 (Hilti I); EuG v. 12. 12. 2000, Rs. T-128/98, Slg. 2000, II-3933, 3973, Rn. 137 (Aéroports de Paris/Kommission). 177 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C 179/90, Slg. 1991, 5889 ff. (Merci). Vgl. dazu bereits oben, Zweiter Teil, C. I. 2. a).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

Ein Reeder wurde hierdurch daran gehindert, die Ladung von der eigenen Schiffsbesatzung löschen zu lassen178. Der EuGH definierte in diesem Fall den sachlich relevanten Markt als „den Markt der Organisation der die gewöhnliche Fracht betreffenden Hafenarbeiten im Hafen von Genua für Rechnung Dritter sowie der Durchführung dieser Arbeiten“179. Ein weiterer, ebenfalls den Hafen von Genua betreffender Fall war der eingangs erwähnte Fall Corsica Ferries Italia180, in welchem dem Genueser Lotsenkorps per Gesetz das ausschließliche Recht eingeräumt worden war, die vorgeschriebenen Lotsendienste im Hafen von Genua anzubieten. Hier definierte der EuGH den sachlich relevanten Markt als den „Markt für Lotsendienste“181. In der oben ebenfalls erwähnten Rechtssache Diego Cali & Figli182, welcher die Bekämpfung von Umweltverschmutzungen im Erdölhafen von Genua zum Gegenstand hatte, hatte der EuGH zwar nicht über den relevanten Markt zu entscheiden, da er bereits die Unternehmenseigenschaft des betreffenden Unternehmens verneinte, sein Generalanwalt definierte den sachlich relevanten Markt jedoch als den „Markt für die Leistung von Umweltdiensten“183. Der EuGH selbst nahm erst im Jahr 1998 wieder eine ausdrückliche Marktabgrenzung im Seehafensektor vor. In dem Fall Silvano Raso184 ging es um ein im Hafen von La Spezia tätiges konzessioniertes Umschlagunternehmen. Bis zum Erlass des Urteils in der Rechtssache Merci185 waren die Hafenarbeiter in den italienischen Häfen – wie eingangs beschrieben186 – in Gesellschaften oder Gruppen zusammengeschlossen, denen alle Hafenarbeiten vorbehalten waren. Verstärkt wurde dieses Monopol durch die Tatsache, dass es strafbar war, für Hafenarbeiten Arbeitnehmer einzusetzen, die keiner Hafenbetriebsgesellschaft angeschlossen waren187. Die zuständigen Hafenbehörden konnten jedoch Genehmigungen für die Organisation der Hafenarbeiten auf Rechnung Dritter vergeben. Inhaber der Konzessionen waren in der Regel private Unternehmen, die für die Benutzer der italienischen Seehäfen Hafendienstleistungen erbrachten. Diese durften jedoch für die Durchführung der Hafenarbeiten nur auf die von den Hafenbetriebsgesellschaften zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer zu-

178

Lechner, Die Seehäfen, S. 32. EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C 179/90, Slg. 1991, 5889, 5928, Rn. 15 (Merci). 180 EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. 18/93, Slg. 1994, 1783 ff. (Corsica Ferries Italia). Siehe bereits oben, Zweiter Teil, C. I. 2. b). 181 EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. 18/93, Slg. 1994, 1783, 1824, Rn. 41 (Corsica Ferries Italia). 182 EuGH v. 18. 03. 1997, Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547 ff. (Diego Cali & Figli). Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 2. c). 183 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge, EuGH v. 18. 03. 1997, Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547, 1572, Rn. 76 (Diego Cali & Figli). 184 EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. C-163/96, Slg. 1998, I-533 ff. (Silvano Raso). 185 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C 179/90, Slg. 1991, 5889 ff. (Merci). 186 Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 2. a). 187 Vgl. zum Folgenden EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. C-163/96, Slg. 1998, I-533, 573, Rn. 4 f. (Silvano Raso). 179

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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rückgreifen. Nachdem der EuGH in seinem Merci188-Urteil entschieden hatte, dass diese Praxis gegen das Gemeinschaftsrecht verstieß, erließ die italienische Regierung im Jahr 1994 neue Vorschriften, welche das Monopol der ehemaligen Hafenbetriebsgesellschaften auf die vorübergehende Überlassung von Arbeitskräften beschränkten. Der EuGH hatte nun zu prüfen, ob eine nationale Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, die einer Hafenbetriebsgesellschaft das Recht der vorübergehenden Überlassung von Arbeitskräften an andere Unternehmen vorbehält, die in demselben Hafen tätig sind, in dem sie ansässig ist, wenn diese Gesellschaft auch selbst zur Durchführung von Hafenarbeiten berechtigt ist189. Der EuGH definierte den sachlich relevanten Markt als den „Markt der Durchführung von Hafenarbeiten für Containerfracht für Rechnung Dritter“190. Eine ähnliche Marktabgrenzung hatte der EuGH auch in der oben erwähnten Rechtssache Ormeggiatori191 vorzunehmen, welche die Festmacherdienste in den Häfen von Genua und La Spezia betraf. Hier definierte der EuGH den sachlich relevanten Markt als den „Markt der Durchführung von Festmachmanövern für Rechnung Dritter“192. In allen genannten Entscheidungen definierte der EuGH den sachlich relevanten Markt als den Markt für die Erbringung bestimmter Hafendienstleistungen. Auch die Europäische Kommission war bereits mehrfach mit Hafenentscheidungen befasst. Da es in diesen Entscheidungen um Fragen der missbräuchlichen Zugangsverweigerung ging, soll an dieser Stelle nur eine kurze Darstellung der Marktabgrenzung erbracht werden. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Hafenentscheidungen der Kommission erfolgt sodann im vierten Teil dieser Arbeit, welcher sich eingehend mit der Problematik des Zugangs zu Hafeninfrastruktureinrichtungen auseinandersetzt193. Die beiden ersten einschlägigen Hafenentscheidungen der Kommission betrafen den walisischen Fährhafen Holyhead. Die Kommission definierte in beiden Fällen den sachlich relevanten Markt ohne große Unterschiede als den „Markt für die Vorhaltung für Fährdienste zum Transport von Passagieren und Fahrzeugen“194 bzw. den „Markt für die Erbringung von Hafendiensten für Passagier- und Autofähren“195. In einem dritten, den Seehafensektor betreffenden Fall sah die Kommission den 188

EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C 179/90, Slg. 1991, 5889 ff. (Merci). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. C-163/96, Slg. 1998, I-533, 578, Rn. 22 (Silvano Raso). 190 EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. C-163/96, Slg. 1998, I-533, 579, Rn. 26 (Silvano Raso). 191 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 2. b). 192 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3994, Rn. 38 (Ormeggiatori). 193 Vgl. Vierter Teil, C. I. 1. a). 194 Komm. E. v. 11. 06. 1992, Az. IV/34.174 (Sealink I), nicht im Amtsblatt der EG veröffentlicht; vgl. aber Lechner, Die Seehäfen, S. 33; (1992) 5 CMLR S. 255 ff.; XXII. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1992, S. 123 – 125, Rn. 219 sowie ausführlich Maltby, ECLR 1993, S. 223 – 225; Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1159; Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 514 f. 195 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15, S. 8, 9, Rn. 12 (Sealink II). 189

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

sachlich relevanten Markt in dem „Markt für die Organisation der Hafendienstleistungen für die Fährbootdienste (Reisende und Fahrzeuge)“196. Schließlich umfasste in einem weiteren, eine Fährverbindung zwischen den Häfen Helsingør und Helsingborg betreffenden Fall der sachlich relevante Markt „die Beförderung von Reisenden, Personenkraftwagen, Reisebussen, Lastkraftwagen und Eisenbahnwagen, d. h. sämtliche Beförderungsleistungen“197. Wie auch der EuGH, hat die Kommission den sachlich relevanten Markt also jeweils als den Markt für die Erbringung bestimmter Hafendienstleistungen definiert. b) Räumlich relevanter Markt Neben der sachlichen muss auch eine räumliche Marktabgrenzung erfolgen. Es geht dabei um die Feststellung, welche Unternehmen mit dem Unternehmen, dessen beherrschende Stellung geprüft werden soll, in dessen Hauptabsatzgebiet tatsächlich konkurrieren198. In ihrer Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes hat die Kommission den räumlich relevanten Markt demgemäß als das Gebiet definiert, „in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet“199. Wie bei der sachlichen ist auch bei der räumlichen Marktabgrenzung in erster Linie auf die Sicht der Marktgegenseite abzustellen200. In den beiden Fällen des EuGH, die den Hafen von Genua betrafen, wurde der Hafen von Genua als der räumlich relevante Markt angesehen201. Ein weiterer Fall aus dem Seehafensektor, in welchem der EuGH zu der Frage des räumlich relevanten Marktes Stellung genommen hat, war der Fall GT-Link202 aus dem Jahr 1997. Dieser Fall betraf eine dänische Gesellschaft (GT-Link), welche eine Fährverbindung zwischen Dänemark und Deutschland betrieb und hierfür auf die Nutzung eines dänischen Verkehrshafens angewiesen war. Dieser stand im Eigentum der dänischen Staatsbahn DSB, einem öffentlichen Unternehmen, welches dem dänischen Verkehrsministerium unterstand. Neben dem Betrieb des Hafens bot die DSB auch eigene Fährdienste von diesem Hafen aus an. GT-Link wandte sich gegen die Zahlung einer von der DSB als Betreiberin des Hafens eingezogenen Hafenabgabe. Der 196

Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 4 (Rødby). Komm. E. v. 14. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. C 36/5, Rn. 4 (Helsingborg/Helsingør). 198 Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 327; Emmerich, Kartellrecht, § 9, Rn. 14. 199 Bekanntmachung der Europäischen Kommission 97/C 372/03 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. EG 1997 Nr. C 372/6, Rn. 8. 200 Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 328. 201 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C 179/90, Slg. 1991, 5889, 5928, Rn. 15 (Merci) und EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. 18/93, Slg. 1994, 1783, 1824, Rn. 41 (Corsica Ferries Italia). 202 EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). 197

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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EuGH hatte zu prüfen, ob es einen gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verstoßenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt, wenn ein marktbeherrschendes öffentliches Unternehmen, das Eigentümer und Betreiber eines Verkehrshafens ist, Hafenabgaben erhebt oder von seiner eigenen Fährlinie und auf der Basis der Gegenseitigkeit von der Fährlinie seiner Geschäftspartner nicht erhebt203. In seinen Urteilsgründen wies der EuGH zunächst auf die besondere Bedeutung hin, die der Bestimmung des betroffenen Marktes bei der Prüfung der Frage, ob das öffentliche Unternehmen tatsächlich eine beherrschende Stellung innehat, beizumessen sei204. Den räumlich relevanten Markt sah der EuGH auch in diesem Fall in dem betreffenden Verkehrshafen205. In der Rechtssache Silvano Raso206, in der es um die vorübergehende Überlassung von Hafenarbeitern im Hafen von La Spezia ging, sah der EuGH diesen Hafen als den räumlich relevanten Markt an207. Schließlich entschied der EuGH in der Rechtssache Ormeggiatori208, welche die Festmacherdienste in den Häfen von Genua und La Spezia betraf, dass diese beiden Häfen den räumlich relevanten Markt darstellten209. Im Ergebnis beschränkte der EuGH damit in allen genannten Entscheidungen den räumlich relevanten Markt auf den jeweiligen Seehafen. Anders ging die Kommission in ihren Hafenentscheidungen vor. Nachdem sie, wie oben dargestellt210, den sachlich relevanten Markt jeweils als den Markt für die Erbringung bestimmter Hafendienstleistungen definiert hatte, orientierte sie sich bei der Frage des räumlich relevanten Marktes nicht mehr an dieser Definition, sondern griff stattdessen auf die Bestimmung des Marktes für die Erbringung der Fährdienste zurück211. Ihr Vorgehen begründete die Kommission damit, „dass ein Hafen, Flughafen oder jede andere Einrichtung, selbst wenn sie nicht an sich einen bedeutenden Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt, als ein derartiger angesehen werden kann, sofern ein vernünftiger Zugang unumgänglich für den Betrieb einer Transportlinie ist, die von substantieller Bedeutung im Zusammenhang mit der Anwendung des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) ist“212. Dementsprechend stellte die Kommission bei der räumlichen Marktabgrenzung nicht auf den jeweiligen Hafen, sondern auf die betreffende Fährlinie ab, da ein vernünftiger Zugang zu dem Hafen für den Betrieb der jeweiligen Fährverbindung unumgänglich war213. 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213

EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4463, Rn. 28 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4465, Rn. 36 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4465, Rn. 37 (GT-Link). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533 ff. (Silvano Raso). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 579, Rn. 26 (Silvano Raso). EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3994, Rn. 38 (Ormeggiatori). Vgl. Zweiter Teil, D. II. 1. a). Lechner, Die Seehäfen, S. 34. XXII. Wettbewerbsbericht, KOM (93) 162 endg., S. 123 f. Lechner, Die Seehäfen, S. 34.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die Kommission in ihren den Seehafensektor betreffenden Entscheidungen stets auf die betroffene Transportlinie abstellte, während der EuGH in seinen einschlägigen Hafenentscheidungen stets den einzelnen Hafen in den Fokus nahm. Da bei der Marktabgrenzung, wie eingangs erwähnt, auf die Austauschbarkeit aus Sicht der Verbraucher abgestellt werden muss, ist es aber auch denkbar, dass im Bereich der Hafendienstleistungen eine ganze port range den räumlich relevanten Markt bildet. Dies wäre dann der Fall, wenn die Häfen der betreffenden Hafenrange aus Sicht der Reedereien (als Verbraucher) substituierbar sind. c) Zeitlich relevanter Markt Da das Wettbewerbsgeschehen ständigen Veränderungen unterworfen ist, muss der relevante Markt auch in zeitlicher Hinsicht abgegrenzt werden214. Hierfür ist der Zeitraum zu ermitteln, innerhalb dessen eine beherrschende Stellung für das jeweilige Produkt oder die jeweilige Dienstleistung auf dem Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) oder einem wesentlichen Teil desselben besteht215. Das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) setzt eine zeitliche Kongruenz von Marktbeherrschung und Missbrauch voraus216. Die beherrschende Stellung eines Hafendienstleistungsunternehmens muss also während des gesamten Zeitraums bestehen, in welchem ihm ein Missbrauch vorgeworfen wird. In der bisherigen Entscheidungspraxis der Gerichte haben die zeitlichen Marktgrenzen allerdings keine besondere Bedeutung erlangen können217. 2. Wesentlicher Teil des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) Die beherrschende Stellung des Hafendienstleistungsunternehmens muss sich gem. Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) auf den Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) oder zumindest einen wesentlichen Teil desselben erstrecken. Angesichts der Tatsache, dass sich eine beherrschende Stellung nur vergleichsweise selten auf den gesamten Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) bezieht218, kommt der Frage, ob der beherrschte Markt einen wesentlichen Teil des Binnenmarktes

214

Immenga/Mestmäcker-Möschel, Art. 82, Rn. 58; Schröter/Jakob/Mederer-Schröter, Art. 82, Rn. 156. 215 Schröter/Jakob/Mederer-Schröter, Art. 82, Rn. 156. 216 EuGH v. 16. 12. 1975, verb. Rs. 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113,114/73, Slg. 1975, 1663, 2013, Rn. 450 (Suiker Unie); Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 332. 217 Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 332; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Bergmann, Art. 82, Rn. 25. 218 Beispiele für derartige Ausnahmefälle sind EuGH v. 13. 02. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, 515 (Hoffmann-La Roche) sowie EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, S. 223, 248 (Commercial Solvents).

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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(ehemals „Gemeinsamen Marktes“) darstellt, eine weitaus größere praktische Bedeutung zu219. Mit dem Begriff „wesentlicher Teil des Binnenmarktes (ehemals ,Gemeinsamen Marktes‘)“ ist nicht zwingend ein geographischer Raum gemeint. Die räumliche Ausdehnung des relevanten Marktes stellt vielmehr nur einen Beurteilungsfaktor unter mehreren anderen dar, und ist für sich allein nicht ausschlaggebend220. Entscheidendes Kriterium ist die wirtschaftliche Bedeutung des betroffenen Marktes für den Wettbewerb der Gemeinschaft bzw. Union221. Das Tatbestandsmerkmal „wesentlicher Teil des Binnenmarktes (ehemals ,Gemeinsamen Marktes‘)“ soll nämlich dazu dienen, beherrschende Stellungen von untergeordneter Bedeutung, wie etwa solche auf lokalen oder kleineren regionalen Märkten, der Aufsicht der Gemeinschaft bzw. Union zu entziehen, da sie die Aufrechterhaltung und Entwicklung des Wettbewerbs im Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) nicht gefährden222. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) ist daher, dass der beherrschte Markt eine gewisse Mindestgröße erreicht hat223. Diese Eigenschaft erfüllen der Rechtsprechung des EuGH sowie der Entscheidungspraxis der Kommission zufolge einzelne, besonders wichtige Seehäfen224. So hat der EuGH beispielsweise für jene Fälle, die den Hafen von Genua betrafen, wiederholt geurteilt, dass der Markt der Hafendienstleistungen angesichts des Umfangs des Frachtverkehrs in diesem Hafen sowie der Bedeutung dieses Verkehrs für die gesamte Ein- und Ausfuhr Italiens auf dem Seewege als ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes angesehen werden kann225. Diese Formulierung hat der EuGH in der Rechtssache GT-Link226, die den Betrieb eines dänischen Verkehrshafens durch ein öffentliches Unternehmen betraf, sinngemäß wiederholt227. Für den Hafen von La Spezia entschied der EuGH, dass dieser angesichts des Umfangs seines Frachtverkehrs und seiner Bedeutung für den innergemeinschaftlichen Handel als ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes angesehen werden kann228. Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof in der Rechtssache Ormeggiatori229 erneut wiederholt und geurteilt, dass die Häfen von Genua und La Spezia „angesichts des Umfangs des Verkehrs in diesen Häfen und ihrer Bedeutung für den innergemeinschaftlichen Handel“ als wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes angesehen 219

Schröter/Jakob/Mederer-Schröter, Art. 82, Rn. 157. Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 51. 221 Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 51. 222 Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 49; Groeben/Schwarze-Schröter, Art. 82, Rn. 156. 223 Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 49. 224 Emmerich, Kartellrecht, § 9, Rn. 18; Groeben/Schwarze-Schröter, Art. 82, Rn. 158. 225 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C 179/90, Slg. 1991, 5889, 5928, Rn. 15 (Merci); bestätigt durch EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. 18/93, Slg. 1994, I-1785, 1824, Rn. 41 (Corsica Ferries Italia). 226 EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). 227 EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4465, Rn. 37 (GT-Link). 228 EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 579, Rn. 26 (Silvano Raso). 229 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). 220

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

werden können230. Die Kommission hat zur Klärung der Frage, ob der relevante Markt einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ausmacht, in ihren Hafenentscheidungen nicht auf den Umfang des jeweiligen Fracht- oder Passagierverkehrs des einzelnen Hafens, sondern auf den prozentualen Anteil der jeweiligen Transportroute am Gesamtverkehrsaufkommen zwischen den durch sie verbundenen Mitgliedstaaten abgestellt231. 3. Beherrschende Stellung Eine legislative Definition der beherrschenden Stellung gibt es nicht. Die Begriffsbestimmung war insofern der Entscheidungspraxis des EuGH vorbehalten, dessen Definition sich mittlerweile als „Standardformel“ etabliert hat232. In dem Urteil United Brands233 hat der EuGH eine beherrschende Stellung definiert als „wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens (…), die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten“234. Wichtige Indizien hierfür sind der Marktanteil oder die Existenz von Markteintrittsbarrieren235. Das Vorliegen eines Monopols ist jedoch nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, wenn das betreffende Unternehmen in der Lage ist, die Bedingungen, unter denen sich der Wettbewerb entwickeln kann, spürbar zu beeinflussen, während es seinerseits auf das Verhalten seiner Konkurrenten keine Rücksicht zu nehmen braucht236. Verfügt ein Unternehmen aber auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) über ein Monopol, so wird nach dem Gesagten automatisch vom Vorliegen einer beherrschenden Stellung ausgegangen, wobei faktische und rechtliche Monopole einander gleichstehen237. Daher ist es auch gefestigte Rechtsprechung des EuGH, dass ein Unternehmen, welches für einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes (jetzt „Binnenmarktes“) mit einem gesetzlichen Monopol ausgestattet ist, als ein Unternehmen angesehen werden kann, das eine beherrschende Stellung i.S.v. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) besitzt238.

230

EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3994, Rn. 38 (Ormeggiatori). Lechner, Die Seehäfen, S. 36. 232 Immenga/Mestmäcker-Möschel, Art. 82, Rn. 66. 233 EuGH v. 14. 02. 1978, Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 ff. (United Brands). 234 EuGH v. 14. 02. 1978, Rs. 27/76, Slg. 1978, 207, 286, Rn. 63/66 (United Brands). 235 EuGH v. 14. 02. 1978, Rs. 27/76, Slg. 1978, 207, 286, Rn. 63/66 (United Brands). 236 Emmerich, Kartellrecht, § 9, Rn. 23. 237 Emmerich, Kartellrecht, § 9, Rn. 26. 238 EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 28 (Höfner und Elser); EuGH v. 18. 06. 1991, Rs. C-260/89, Slg. 1991, I-2925, 2925, Rn. 31 (ERT). 231

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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So stellte sich die Lage auch in der Rechtssache Merci239 dar. Hier wurde dem betroffenen Umschlagunternehmen auf dem Markt für die Organisation der die gewöhnliche Fracht betreffenden Hafenarbeiten für Rechnung Dritter sowie der Hafenbetriebsgesellschaft auf dem Markt für die Durchführung dieser Arbeiten durch ein entsprechendes Gesetz jeweils eine Monopolstellung eingeräumt240. Der EuGH urteilte unter Verweis auf seine Rechtsprechung in der Rechtssache Höfner und Elser241 sowie ERT242, dass beide Unternehmen marktbeherrschend seien243. Auch in der Rechtssache Corsica Ferries Italia244 wurde dem Genueser Lotsenkorps per Gesetz ein Monopol für die Erbringung der örtlichen Lotsendienste eingeräumt, so dass der EuGH das Unternehmen als marktbeherrschend ansah245. Ähnlich stellte sich die Rechtslage in dem Fall GT-Link246 dar, welcher den Betrieb eines dänischen Verkehrshafens betraf. Auch hier führte der EuGH unter Verweis auf das Urteil Corsica Ferries Italia247 aus, dass ein Unternehmen, das auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes mit einem gesetzlichen Monopol ausgestattet ist, als ein Unternehmen angesehen werden kann, das eine beherrschende Stellung i.S.v. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) besitzt248. Dies sei auch bei einem öffentlichen Unternehmen der Fall, das Eigentümer eines Verkehrshafens ist und deshalb in diesem Hafen allein das Recht hat, Hafenabgaben für die Benutzung der Hafeneinrichtungen zu erheben249. Um ein gesetzliches Monopol ging es auch in der Rechtssache Silvano Raso250. Hier war der umgewandelten ehemaligen Hafenbetriebsgesellschaft ein Monopol eingeräumt worden, indem ihr per Gesetz das ausschließliche Recht verliehen worden war, den Konzessionären von Hafenanlagen und anderen zur Tätigkeit im Hafen zugelassenen Unternehmen vorübergehend Arbeitskräfte zu überlassen. Damit verfügte auch die umgewandelte ehemalige Hafenbetriebsgesellschaft über eine marktbeherrschende Stellung251. Schließlich betraf auch die Rechtssache Ormeggiatori252 ein gesetzlich eingeräumtes Monopol. Den örtlichen Festmachergruppen war hier per Gesetz das ausschließliche Recht zur Erbringung der Festmacherdienste eingeräumt worden, so dass auch sie nach Ansicht des EuGH über 239 240 241 242 243 244 245

Italia). 246 247 248 249 250 251 252

EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889 ff. (Merci). Lechner, Die Seehäfen, S. 37. EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 28 (Höfner und Elser). EuGH v. 18. 06. 1991, Rs. C-260/89, Slg. 1991, I-2925, 2925, Rn. 31 (ERT). EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5928, Rn. 14 (Merci). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783 ff. (Corsica Ferries Italia). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783, 1824, Rn. 40 (Corsica Ferries EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783 ff. (Corsica Ferries Italia). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4465, Rn. 35 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4465, Rn. 35 (GT-Link). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533 ff. (Silvano Raso). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 579, Rn. 25 (Silvano Raso). EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

eine marktbeherrschende Stellung verfügten253. In den Hafenentscheidungen der Kommission hatten die alleinige Betreiber der betreffenden Häfen jeweils eine beherrschende Stellung i.S.v. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) inne254.

III. Missbräuchliche Ausnutzung Das bloße Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung ist jedoch nicht per se verboten. Vielmehr liegt ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) erst dann vor, wenn das betreffende Unternehmen seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt. Hierin kommt das wettbewerbspolitische Konzept des europäischen Kartellrechts zum Ausdruck, marktbeherrschende Unternehmen sogar bis hin zum Monopol grundsätzlich zu erlauben und sich auf eine verhaltensorientierte Missbrauchsaufsicht zu beschränken255. Weder im EG-Vertrag noch im AEUV wird der Begriff der „missbräuchlichen Ausnutzung“ näher definiert. Der EuGH hat jedoch in der Rechtssache Hoffmann-La Roche256 eine nähere Definition vorgenommen257. Die in diesem Urteil gefundene Begriffsbestimmung ist inzwischen gefestigte Rechtsprechung258. Danach erfasst der Missbrauchstatbestand des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) „die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- und Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen“259. Es kommt also darauf an, ob sich das Verhalten des Unternehmens in den Grenzen des zulässigen Leistungswettbewerbs bewegt oder darüber hinausgeht260. In Art. 102 S. 2 AEUV (ex-Art. 82 S. 2 EG) findet sich eine Aufzählung von Tatbeständen missbräuchlichen Verhaltens. Allerdings handelt es sich bei diesem Katalog, wie aus der Formulierung „insbesondere“ deutlich wird, nicht um einen 253

EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3995, Rn. 39 (Ormeggiatori). Komm. E. v. 11. 06. 1992, Az. IV/34.174 (Sealink I); Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 65 (Sealink II); Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 13 (Rødby). 255 Dauses-Emmerich, H. I § 1, Rn. 314; Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 101; Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 842. 256 EuGH v. 13. 02. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461 ff. (Hoffmann-La Roche). 257 EuGH v. 13. 02. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, 541, Rn. 91 (Hoffmann-La Roche). 258 EuGH v. 11. 12. 1980, Rs. 31/80, Slg. 1980, 3775, 3794, Rn. 27 (L’Oreal); EuGH v. 09. 11. 1983, Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461, 3514, Rn. 70 (Michelin). 259 EuGH v. 13. 02. 1979, Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, 541, Rn. 91 (Hoffmann-La Roche). 260 Grabitz/Hilf-Jung, Art. 82, Rn. 104. 254

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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erschöpfenden, sondern lediglich um einen exemplarischen Katalog denkbarer Missbrauchstatbestände261. Art. 102 S. 2 AEUV (ex-Art. 82 S. 2 EG) zufolge handelt missbräuchlich, wer unangemessene Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstige Geschäftsbedingungen erzwingt; die Erzeugung, den Absatz oder die technische Entwicklung zum Schaden der Verbraucher einschränkt; gegenüber Handelspartnern unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen anwendet, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden oder den Abschluss von Verträgen an die Bedingung knüpft, dass der Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen muss, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. Der erste Katalogtatbestand umschreibt den klassischen Ausbeutungsmissbrauch, während die übrigen drei Tatbestände sowohl Elemente des Ausbeutungs- als auch des Behinderungsmissbrauchs enthalten262. Die typischen Formen des Behinderungsmissbrauchs allerdings, bei denen der Marktbeherrscher einem potentiellen Wettbewerber den Marktzutritt verwehrt oder verbliebene Konkurrenten aus dem Markt drängt, finden in dem Beispielkatalog keine Erwähnung263. Auf das Sonderproblem der missbräuchlichen Zugangsverweigerung im Seehafenbereich soll später ausführlich eingegangen werden264. Im Folgenden soll vielmehr der Frage nachgegangen werden, ob im Hafensektor andere gegen Art. 102 S. 2 AEUV (ex-Art. 82 S. 2 EG) verstoßende Praktiken denkbar sind. In seinem ersten, den Hafen von Genua betreffenden Fall Merci265 sah der EuGH gleich drei Katalogtatbestände des Art. 82 S. 2 EG (jetzt Art. 102 S. 2 AEUV) als erfüllt an266. Aus dem vor dem Gerichtshof erörterten Sachverhalt habe sich nämlich ergeben, dass die mit ausschließlichen Rechten ausgestatteten Unternehmen geneigt seien, „die Bezahlung nicht verlangter Dienstleistungen zu fordern, unverhältnismäßige Preise in Rechnung zu stellen, den Einsatz moderner Technologien abzulehnen, was erhöhte Arbeitskosten und längere Ausführungsfristen zur Folge hat, oder bestimmten Benutzern Preisnachlässe zu gewähren, die gleichzeitig durch eine Erhöhung der anderen Benutzern in Rechnung gestellten Preise ausgeglichen werden“267. In der Rechtssache Corsica Ferries Italia268 entschied der EuGH, dass das Genueser Lotsenkorps, dem das ausschließliche Recht zur Erbringung der Lotsendienste übertragen worden war, seine missbräuchliche Stellung dadurch ausgenutzt 261

EuGH v. 21. 02. 1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 246, Rn. 26 (Continental Can). Immenga/Mestmäcker-Möschel, Art. 82, Rn. 130; Schröter/Jakob/Mederer-Schröter, Art. 82, Rn. 174. 263 Immenga/Mestmäcker-Möschel, Art. 82, Rn. 131. 264 Siehe unten, Vierter Teil. 265 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889 ff. (Merci). 266 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5929, Rn. 18 (Merci). Vgl. zum Folgenden auch Lechner, Die Seehäfen, S. 38. 267 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5929, Rn. 19 (Merci). 268 EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783 ff. (Corsica Ferries Italia). 262

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

hat, dass es im Sinne von Art. 82 S. 2 c) EG (jetzt Art. 102 S. 2 c) AEUV) bei gleichwertigen Leistungen unterschiedliche Bedingungen gegenüber Handelspartnern angewandt habe269. In der Rechtssache GT-Link270, in welcher der EuGH zu untersuchen hatte, ob die Erhebung einer Hafenabgabe durch ein öffentliches Unternehmen, das Eigentümer und Betreiber eines Verkehrshafens ist, gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, hielt der EuGH einen Verstoß gegen Art. 82 S. 2 a) und c) EG (jetzt Art. 102 S. 2 a) und c) AEUV) durchaus für denkbar. Zunächst wies der EuGH unter Berufung auf die Rechtssache United Brands271 darauf hin, dass unter einem unangemessenen Preis i.S.d. Art. 82 S. 2 a) EG (jetzt Art. 102 S. 2 a) AEUV) ein überhöhter Preis zu verstehen sei, der in keinem vernünftigen Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung stehe272. Es sei jedoch Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob dies bei den von der DSB als Eigentümerin und Betreiberin des Hafens erhobenen Hafenabgaben der Fall sei273. Sodann stellte der Gerichtshof fest, dass auch der Umstand, dass ein öffentliches Unternehmen, das Eigentümer und Betreiber eines Verkehrshafens ist, von seiner eigenen Fährlinie und – auf der Basis der Gegenseitigkeit – von der Fährlinie bestimmter Geschäftspartner diese Abgaben nicht erhebt, durchaus einen Missbrauch darstellen könne, soweit dadurch gegenüber den anderen Handelspartnern des öffentlichen Unternehmens unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen i.S.d. Art. 82 S. 2 c) EG (jetzt Art. 102 S. 2 c) AEUV) angewandt würden274. Dies sei bei der Befreiung der eigenen Fährlinie von der Zahlung der Abgabe vor allem bei einer nicht transparenten Buchführung der Fall275. Fehle eine solche, so könne der Umstand, dass die von dem öffentlichen Unternehmen für seine Fährlinie angewandten Preise gegenüber den Preisen der konkurrierenden Fährunternehmen ungewöhnlich niedrig sind, als Hinweis darauf zu werten sein, dass eine solche Zuweisung nicht erfolgt sei276. Die Befreiung der Fährlinie bestimmter Geschäftspartner des öffentlichen Unternehmens von der Zahlung der Abgaben auf der Basis der Gegenseitigkeit könne ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 82 S. 2 c) EG (jetzt Art. 102 S. 2 c) AEUV) darstellen, wenn sich ergäbe, dass der Gesamtbetrag der Abgaben, die diese innerhalb eines bestimmten Zeitraums normalerweise für die Benutzung der Hafenanlagen geschuldet hätten, höher ist, als der Betrag, den das öffentliche Unternehmen normalerweise für die Leistungen schuldet, die es selbst innerhalb desselben Zeitraums in den Häfen seiner Geschäftspartner in Anspruch genommen hätte277. 269

Italia). 270 271 272 273 274 275 276 277

EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783, 1824, Rn. 43 (Corsica Ferries EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). EuGH v. 14. 02. 1978, Rs. 27/76, Slg. 1978, 207, 305, Rn. 248/257 (United Brands). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4466, Rn. 39 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4466, Rn. 40 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4466, Rn. 41 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4466, Rn. 42 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4466, Rn. 42 (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4467, Rn. 43 (GT-Link).

D. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG)

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IV. Handelsbeeinträchtigung (Zwischenstaatlichkeitsklausel) Schließlich muss auch nach Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) das missbräuchliche Verhalten zu einer Beeinträchtigung des mitgliedstaatlichen Handels führen können. Wie oben bereits dargelegt, soll durch diese so genannte Zwischenstaatlichkeitsklausel der Geltungsbereich des europäischen von dem des innerstaatlichen Wettbewerbsrechts abgegrenzt werden278. In seinem ersten Genueser Hafenfall verwies der EuGH hinsichtlich der Frage der Handelsbeeinträchtigung auf seine Ausführungen zur Bedeutung des Frachtverkehrs im Hafen von Genua und führte aus, dass die in Rede stehende missbräuchliche Verhaltensweise angesichts dieser Bedeutung geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen279. In der Rechtssache Corsica Ferries Italia280 führte er aus, dass die diskriminierenden Verhaltensweisen des Genueser Lotsenkorps geeignet seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, „da sie Unternehmen berühren, die Beförderungen zwischen zwei Mitgliedstaaten vornehmen“281. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in der Rechtssache GT-Link282 wiederholt. Hier urteilte er, dass „Missbräuche, die, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, Unternehmen berühren, die Beförderungen im Seeverkehr zwischen Mitgliedstaaten vornehmen, geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“283. Auch die Kommission wies hinsichtlich der Frage der Handelsbeeinträchtigung in ihrer ersten Hafenentscheidung zunächst auf die besondere Bedeutung des Hafens von Holyhead hin, „der den wichtigsten Ankunftspunkt für einen der wichtigsten Mehrzweckfährdienste zwischen zwei Mitgliedstaaten darstellt“284. In ihrer zweiten, ebenfalls den Hafen von Holyhead betreffenden, Entscheidung stellte sie lediglich fest, dass das in Rede stehende missbräuchliche Verhalten „unmittelbare Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben würde“285. Auch in ihrer dritten, den Hafen von Rødby betreffenden Entscheidung stellte die Kommission nur fest, dass die missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung einen „spürbaren Effekt auf den zwischenstaatlichen Handel hat“286. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung durch ein Hafendienstleistungsunternehmen grundsätzlich geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten 278 279 280 281

Italia). 282 283 284 285 286

Siehe oben, Zweiter Teil, C. IV. EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5929, Rn. 20 (Merci). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783 ff. (Corsica Ferries Italia). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783, 1825, Rn. 44 (Corsica Ferries EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4467, Rn. 45 (GT-Link). Lechner, Die Seehäfen, S. 46 f. Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 77 (Sealink II). Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 17 (Rødby).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

zu beeinträchtigen, wenn sie Unternehmen berührt, die Beförderungen zwischen Mitgliedstaaten vornehmen, oder wenn der betreffende Hafen für den Verkehr in der Gemeinschaft bzw. Union von besonderer Bedeutung ist.

E. Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Hafendienstleistungsunternehmen, Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) Nachdem im vorangegangenen Teil denkbare Verstöße der Hafendienstleistungsunternehmen gegen die Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts untersucht worden sind, soll im Folgenden analysiert werden, inwieweit wettbewerbsrechtliche Verstöße im Hafensektor auch durch die Mitgliedstaaten denkbar sind. Die Pflicht, den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes (ehemals „Gemeinsamen Marktes“) vor Verfälschungen zu schützen, obliegt nämlich nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Mitgliedstaaten, soweit sie selbst unternehmerisch tätig werden oder das Marktverhalten von Unternehmen durch ihre Intervention beeinflussen können287. In einem solchen Fall ist die Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung angesichts des enormen Einflusses, den die öffentliche Hand auf die kaufmännischen Entscheidungen der öffentlichen Unternehmen ausüben kann, sogar besonders groß288. Infolgedessen untersagt Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) den Mitgliedstaaten, in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, den Verträgen (ehemals „dem EG-Vertrag“) und insbesondere den Art. 18 und 101 bis 109 AEUV (ex-Art. 12 und 81 bis 89 EG) widersprechende Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass einerseits die Mitgliedstaaten ihre Einflussmöglichkeiten auf bestimmte Unternehmen nicht zur Umgehung des Vertrages missbrauchen, und andererseits die Unternehmen ihr besonderes Verhältnis zum Staat nicht in vertragswidriger Weise ausnutzen289. Insbesondere soll verhindert werden, dass öffentliche und privilegierte Unternehmen zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten gesetzlich verpflichtet werden, auf das die Wettbewerbsregeln dann nicht anwendbar sind290. Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) stellt damit eine spezielle Ausprägung der sich aus Art. 4 III EUV (ex-Art. 10 II EG) ergebenden Pflicht der

287 Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 8; Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 60; Langen/Bunte-Stadler, Art. 86, Rn. 1; Loewenheim/Meessen/RiesenkampffEhricke, Art. 86, Rn. 3. 288 EuGH v. 06. 07. 1982, Rs. 188 – 190/80, Slg. 1982, 2545, 2579, Rn. 26 (Transparenzrichtlinie). 289 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 4; Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526, 528. 290 Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 33.

E. Maßnahmen in Bezug auf die Hafendienstleistungsunternehmen

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Mitgliedstaaten dar, alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Vertragsziele gefährden könnten (effet utile)291. Angesichts der Tatsache, dass das staatliche Engagement im Dienstleistungssektor eines Seehafens häufig besonders stark ausgeprägt ist, spielen neben der Privatwirtschaft auch öffentliche Unternehmen im Seehafenwettbewerb eine große Rolle292. Der Vorschrift des Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) kommt daher im Hafensektor eine besondere Bedeutung zu. Da der Staat sowohl an der Schaffung als auch an der Ausübung eines Hafendienstleistungskartells oder -monopols beteiligt sein kann, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, inwieweit derartige Maßnahmen einen Verstoß gegen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) darstellen. Zur Untersuchung dieser Frage muss zunächst geklärt werden, ob es sich bei den in den europäischen Seehäfen niedergelassenen Hafendienstleistungsunternehmen selbst dann um Unternehmen i.S.d. Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) handelt, wenn sie privatwirtschaftlich organisiert sind.

I. Normadressaten Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) bezieht sich auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen oder auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren. Der Unternehmensbegriff des Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) entspricht dabei grundsätzlich demjenigen, der auch den Art. 101 und 102 AEUV (ex-Art. 81 und 82 EG) zugrunde liegt293. Wie bereits oben dargelegt, sind Hafendienstleistungsunternehmen Unternehmen i.S.d. europäischen Kartellrechts294. 1. Öffentliche Unternehmen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) regelt in erster Linie die Beziehungen der Mitgliedstaaten zu den öffentlichen Unternehmen. Eine Definition des Begriffs „öffentliches Unternehmen“ sucht man jedoch sowohl im EG-Vertrag als auch im AEUV vergeblich. Auch die Rechtsordnungen der verschiedenen Mitgliedstaaten kennen keine einheitliche Begriffsbestimmung. Es handelt sich vielmehr um einen 291 Dauses-Emmerich, H. II, Rn. 75; Ehricke, EuZW 1993, S. 211, 211; Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff-Ehricke, Art. 86, Rn. 6; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 33, Rn. 1. 292 Carbone/Munari, The Regime of Technical-Nautical Services, S. 187, 188; Power, European Union Seaports Law, S. 17, 41; Stemmler, Standortwettbewerb, S. 186. 293 Calliess/Ruffert-Jung, Art. 86, Rn. 11; Dauses-Emmerich, H. II, Rn. 83; Grabitz/HilfPernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 14; Langen/Bunte-Stadler, Art. 86, Rn. 15; Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff-Ehricke, Art. 86, Rn. 19; Schwarze-Voet van Vormizeele, Art. 86, Rn. 15; Streinz-Koenig/Kühling, Art. 86, Rn. 6. 294 Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 2.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

Begriff des europäischen Rechts295, der aus dem Vertragszweck heraus zu definieren ist296. Einige Anhaltspunkte bietet die Transparenzrichtlinie297, die in ihrem Art. 2 I eine Begriffsbestimmung enthält298. Danach ist jedes Unternehmen als öffentliches Unternehmen anzusehen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Die öffentliche Hand wird an gleicher Stelle definiert als „der Staat sowie andere Gebietskörperschaften“. Grundsätzlich unterscheiden sich die öffentlichen von den privaten Unternehmen also dadurch, dass die öffentliche Hand auf die Geschäftsführung der öffentlichen Unternehmen einwirken kann, ohne auf hoheitliche Maßnahmen angewiesen zu sein, wobei die Möglichkeit der Einflussnahme ausreichend ist299. Der EuGH hat in seinem Urteil über die Rechtmäßigkeit der Transparenzrichtlinie zwar ausdrücklich klargestellt, dass mit der Definition der öffentlichen Unternehmen in Art. 2 keine allgemein für Art. 86 EG (jetzt Art. 106 AEUV) geltende Definition, sondern nur eine Begriffsbestimmung im Rahmen und für die Zwecke der Richtlinie gegeben ist300 ; da die auf Art. 86 III EG (jetzt Art. 106 III AEUV) gestützte Richtlinie den Anwendungsbereich von Art. 86 EG (jetzt Art. 106 AEUV) jedoch weder erweitern wollte noch konnte, fallen wenigstens die unter diese Definition zu zählenden Unternehmen unter den Begriff der öffentlichen Unternehmen i.S.d. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV)301. Die Frage, ob der in Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) verwendete Begriff des öffentlichen Unternehmens weiter ist, als derjenige, der der Transparenzrichtlinie zugrunde liegt, hat angesichts des weiten Anwendungsbereichs dieser Definition nur theoretische Bedeutung302 und bedarf für die Zwecke dieser Arbeit keiner näheren Untersuchung. Vielmehr ist zu konstatieren, dass sich die in der Transparenzrichtlinie vorgenommene Definition inzwischen allgemein durchgesetzt und andere, engere Definitionen verdrängt hat303.

295 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 7; Papaconstantinou, Free trade and competition, S. 40 f. 296 Schwarze-Voet van Vormizeele, Art. 86, Rn. 15. 297 Richtlinie der Kommission vom 25. 06. 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen, ABl. EG 1980 Nr. L 159, S. 35. 298 Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 21. 299 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 8; Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526, 554. 300 EuGH v. 06. 07. 1982, Rs. 188 – 190/80, Slg. 1982, 2545, 2578, Rn. 24 (Transparenzrichtlinie); vgl. Lechner, Die Seehäfen, S. 91. 301 Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 21. 302 Lechner, Die Seehäfen, S. 91. 303 Ehricke, EuZW 1993, S. 211, 212.

E. Maßnahmen in Bezug auf die Hafendienstleistungsunternehmen

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Damit ist die Frage aufgeworfen, ob ein Hafendienstleistungsunternehmen ein öffentliches Unternehmen i.S.d. Transparenzrichtlinie darstellen kann. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. All diejenigen Seehafendienstleistungsunternehmen, bei denen das Land oder die Gemeinde die Stimmrechtsmehrheit hat, zählen nach der oben genannten Definition zu den öffentlichen Unternehmen i.S.d. Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG)304. Als Beispiel wird vielfach die Hamburger Hafen- und Lagerhaus Aktiengesellschaft (HHLA) genannt, an der die Stadt Hamburg den größten Teil der Aktien hält305. Darüber hinaus hat der EuGH eine Hafenbetriebsgesellschaft bereits ausdrücklich als öffentliches Unternehmen i.S.d. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) qualifiziert. So urteilte er in der Rechtssache GT-Link306, welche die missbräuchliche Erhebung einer Hafenabgabe in einem dänischen Verkehrshafen zum Gegenstand hatte, dass die dänische Staatsbahn DSB als Betreiberin des betreffenden Verkehrshafens ein öffentliches Unternehmen sei, das dem dänischen Verkehrsministerium unterstehe und dessen Haushalt im Haushaltsgesetz enthalten sei307. Im Hafensektor existieren somit Dienstleistungsunternehmen, die als öffentliche Unternehmen i.S.d. Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) zu qualifizieren sind. 2. Begünstigte Unternehmen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) ist ausweislich seines Wortlauts jedoch nicht nur auf öffentliche Unternehmen anwendbar, sondern auch auf solche, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewährt haben. Der Unterschied zwischen beiden Rechten wird in der Vorschrift nicht näher erläutert. Häufig wird der Begriff der besonderen und ausschließlichen Rechte daher als einheitlicher Begriff verwendet308. Zumindest hinsichtlich der Rechtsfolge ist eine Abgrenzung auch grundsätzlich irrelevant309. Gleichwohl muss zwischen beiden Rechten unterschieden werden, da der EuGH bereits mehrfach entschieden hat, dass der Begriff der besonderen und der ausschließlichen Rechte nicht deckungsgleich ist310. a) Unternehmen mit ausschließlichen Rechten Durch die Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein Unternehmen wird der Wettbewerb auf dem von dem Recht betroffenen Markt ausgeschlossen, weil allein 304

Stemmler, Standortwettbewerb, S. 188. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 188. 306 EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). 307 EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4464 Rn. 29 (GT-Link). 308 So z. B. Ehricke, EuZW 1993, S. 211, 212. 309 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 22; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Ehricke, Art. 86, Rn. 49. 310 EuGH v. 19. 03. 1991, Rs. C-202/88, Slg. 1991, I-1223, 1267, Rn. 31/32 (Telekommunikations-Endgeräte); EuGH v. 17. 11. 1992, verb. Rs. C-271/90, 281/90 und C 289/90, Slg. 1992, I-5833, 5867, Rn. 31 (Telekommunikationsdienste). 305

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

diesem Unternehmen ein bestimmtes Tätigwerden unter Ausschluss der anderen Marktteilnehmer vorbehalten ist311. Der Ausschluss des Wettbewerbs wird besonders deutlich, wenn dem Unternehmen durch die Gewährung des Rechts eine Monopolstellung eingeräumt wird312. Zu den ausschließlichen Rechten zählt insbesondere auch die Gewährung eines Dienstleistungsmonopols313. So hat der EuGH frühzeitig entschieden, dass ein Hafenunternehmen mit dem ausschließlichen Recht der Organisation und Durchführung der Hafenarbeiten als ein Unternehmen anzusehen ist, dem ein Mitgliedstaat ausschließliche Rechte i.S.d. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) verliehen hat314. Auch das Genueser Lotsenkorps, dem im Hafen von Genua das ausschließliche Recht zur Erbringung der Lotsendienste eingeräumt worden war, wurde vom EuGH als ein Unternehmen, dem ein Mitgliedstaat ausschließliche Rechte verliehen hat, qualifiziert315. In der Rechtssache Silvano Raso316 urteilte der EuGH unter Verweis auf das Merci317-Urteil, dass ein Unternehmen, welches ein Monopol für die Überlassung von Arbeitskräften besitzt, ein Unternehmen ist, dem der Staat ein ausschließliches Recht i.S.d. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) verliehen hat318. Ein weiteres Beispiel für Unternehmen mit ausschließlichen Rechten findet sich in der Rechtssache Ormeggiatori319. Hier wurden die in den Häfen von Genua und La Spezia tätigen Festmachergruppen, denen das alleinige Recht zur Erbringung der Festmacherdienste oblag, als Unternehmen mit ausschließlichen Rechten i.S.v. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) qualifiziert320. Im Hafensektor existieren mithin Unternehmen, die als Unternehmen mit ausschließlichen Rechten i.S.v. Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) einzuordnen sind. b) Unternehmen mit besonderen Rechten Besondere Rechte sind demgegenüber, wie bereits der Wortlaut des Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) nahe legt, durch das Fehlen der Ausschließlichkeit gekennzeichnet321. Besondere Rechte können daher einem oder mehreren Unternehmen für die gleiche Tätigkeit gewährt werden322. Der Begriff der besonderen Rechte 311

Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 23. Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 23. 313 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 23. 314 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. 179/90, Slg. 1991, 5889, 5927, Rn. 9 (Merci). 315 EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. 18/93, Slg. 1994, I-1783, 1824/1825, Rn. 39 und 45 (Corsica Ferries). 316 EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. C -163/96, Slg. 1998, I-533 ff. (Silvano Raso). 317 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. 179/90, Slg. 1991, 5889 ff. (Merci). 318 EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. C -163/96, Slg. 1998, I-533, 578, Rn. 23 (Silvano Raso). 319 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). 320 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3995, Rn. 36, 39 (Ormeggiatori). 321 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 24; Schwarze-Voet van Vormizeele, Art. 86, Rn. 25. 322 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 24. 312

E. Maßnahmen in Bezug auf die Hafendienstleistungsunternehmen

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impliziert damit im Ergebnis eine Privilegierung bestimmter Unternehmen, die den Wettbewerbern vorenthalten ist323. Im Hinblick auf behördliche Genehmigungen könnte eine solche Privilegierung beispielsweise dann vorliegen, wenn es um die Erbringung von Dienstleistungen geht, die nur an bestimmten Orten oder in geographischen Regionen erbracht werden können und wenn diese Orte oder geographischen Regionen nur eine begrenzte Zahl von Wettbewerbern zulassen324. Dies hätte zur Folge, dass nur eine begrenzte Zahl von Genehmigungen vergeben werden kann. Eine solche Situation ist in einem Seehafen denkbar, wenn die Nachfrage beispielsweise nach Bauplätzen das Angebot übersteigt und folglich nur eine begrenzte Zahl von Baugenehmigungen erteilt werden kann325. Unternehmen mit besonderen Rechten i.S.v. Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) sind im Hafensektor also ebenfalls grundsätzlich denkbar. c) Gewährungsakt Die ausschließlichen oder besonderen Rechte müssen dem Hafendienstleistungsunternehmen „gewährt“ worden sein. Streitig ist, ob der Gewährungsakt i.S.d. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) hoheitlich sein muss326. Zwar wird dies regelmäßig der Fall sein, letztlich kann es darauf jedoch nicht ankommen, wenn der tatsächliche Erfolg in der Privilegierung durch den Mitgliedstaat besteht327.

II. Den Verträgen (ehemals „dem EG-Vertrag“) widersprechende Maßnahmen Die Mitgliedstaaten sind gem. Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) verpflichtet, in Bezug auf die in einer Sonderbeziehung zu ihnen stehenden Unternehmen keine den Verträgen (ehemals „dem EG-Vertrag“) und insbesondere den Wettbewerbsregeln widersprechenden Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. Der Begriff der Maßnahme ist dabei weit auszulegen328. Er umfasst jedes rechtliche oder tatsächliche Einwirken eines Mitgliedstaats auf die genannten Unternehmen, das zu einem dem Vertrag widersprechenden Verhalten des Unternehmens oder für den Mitgliedstaat selbst führt oder führen kann329. In der Regel handelt es sich bei den „Maßnahmen“ 323

Schwarze-Voet van Vormizeele, Art. 86, Rn. 25. Vgl. zum Folgenden Lechner, Die Seehäfen, S. 93. 325 Lechner, Die Seehäfen, S. 93. 326 Dafür: Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 30; anderer Ansicht: Groeben/ Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 21. 327 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 21; Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 82. 328 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 40/41; Schwarze-Voet van Vormizeele, Art. 86, Rn. 29. 329 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 40. 324

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

der Mitgliedstaaten um gesetzliche Vorschriften oder behördliche Ermächtigungen, mit denen privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen den Wettbewerbsregeln entzogen werden330. Bei öffentlichen Unternehmen kommen zusätzlich all diejenigen Maßnahmen hinzu, die dem Staat als Inhaber der von ihm kontrollierten Unternehmen zur Verfügung stehen331. 1. Verstoß gegen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) i.V.m. Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) im Hafensektor Der EuGH hat den Wettbewerbsregeln der Art. 81 – 86 EG (jetzt Art. 101 – 106 AEUV) i.V.m. Art. 3 I g) EG (jetzt im „Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb“) und Art. 5 II EG (jetzt Art. 5 EUV) den Grundsatz entnommen, dass die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen ergreifen oder aufrechterhalten dürfen, die die „praktische Wirksamkeit“ (effet utile) der Wettbewerbsregeln beeinträchtigen könnten332. Im Hinblick auf Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) ist das der Rechtsprechung des EuGH zufolge dann der Fall, wenn ein Mitgliedstaat gegen Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt oder erleichtert oder deren Auswirkungen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt333. Im Seehafensektor hatte der EuGH über einen derartigen Fall im Jahr 1998 zu entscheiden. In der bereits mehrfach erwähnten Rechtssache Ormeggiatori334, welche die ausschließliche Erbringung von Festmacherdiensten in den Häfen von Genua und La Spezia betraf, hatte der EuGH der Frage nachzugehen, ob ein bei der Festsetzung der Tarife für die Dienstleistung des Festmachens angewandtes Verfahren gegen Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) verstieß. Der EuGH verwies zunächst auf seine soeben angeführte Rechtsprechung, nach der eine Verletzung von Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) insbesondere dann anzunehmen ist, wenn ein Mitgliedstaat gegen Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt, erleichtert, deren Auswirkungen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern über-

330

Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526, 554. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526, 554. 332 Ständige Rechtsprechung seit EuGH v. 13. 02. 1969, Rs. 14/68, Slg. 1969, 1, 14. 333 EuGH v. 30. 04. 1986, Rs. 209 – 213/84, Slg. 1986, 1425, 1471, Rn. 72 (Ministère public/ Asjes); EuGH v. 05. 10. 1995, Rs. C 96/94, Slg. 1995, I-2883, 2910, Rn. 21 (Centro Servizi Spediporto). 334 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). 331

E. Maßnahmen in Bezug auf die Hafendienstleistungsunternehmen

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trägt335. Sodann stellte er fest, dass ein derartiger Verstoß gegen Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) im vorliegenden Fall aus zweierlei Gründen nicht gegeben sei. Zum einen enthielten die Akten des Vorlageverfahrens keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer Absprache i.S.d. Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV). Zwar seien die Festmachergruppen Unternehmen i.S.d. Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV), doch würde eine Vereinbarung zwischen diesen Gruppen auf nationaler Ebene, sollte sie vorliegen, nicht zur Festlegung eines gemeinsamen Preises für alle Häfen führen, da der Tarif anhand einer mathematischen Formel berechnet werde, auf die verschiedene mit den Besonderheiten der einzelnen Häfen zusammenhängende Berichtigungsfaktoren angewandt würden336. Darüber hinaus sei es kaum möglich, die einschränkenden Wirkungen einer möglichen Vereinbarung festzustellen, selbst wenn nachgewiesen werden könne, dass die Häfen von Genua und La Spezia innerhalb eines einzigen geographischen Marktes miteinander im Wettbewerb stünden, da in jedem der betroffenen Häfen ausschließliche Rechte eingeräumt würden und es somit keinen potentiellen Wettbewerber für die örtlichen Festmachergruppen gäbe337. Zum anderen ergäbe sich aus den Akten des Vorlageverfahrens auch nicht, dass die italienischen Behörden ihre Befugnisse im Bereich der Tariffestsetzung den Festmachergruppen übertragen hätten. In den betroffenen Häfen würden die Tarife für die Dienstleistung des Festmachens nämlich von der örtlichen Seeamtsbehörde nach einer allgemeinen Formel festgesetzt, die auf nationaler Ebene von den Verwaltungsbehörden festgelegt worden sei, und zwar nach Anhörung nicht nur der betroffenen Festmachergruppen, sondern auch der Vertreter der Benutzer und der Schifffahrtsagenten der Häfen Genua und La Spezia338. Die Beteiligung der Festmacher an dem Verwaltungsverfahren zur Erstellung der Tarife könne mithin nicht als Absprache zwischen Wirtschaftsteilnehmern angesehen werden, die die Behörden vorgeschrieben oder gefördert oder deren Wirkungen sie verstärkt hätten339. Auch wenn der EuGH damit einen Verstoß gegen Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) im Ergebnis verneint hat, lässt sich auf abstrakter Ebene dennoch festhalten, dass derartige Verstöße im Hafensektor durchaus denkbar sind. 2. Verstoß gegen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) i.V.m. Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) im Hafensektor Wie bereits oben gezeigt wurde340, kann im Hafensektor eine beherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt (ehemals „Gemeinsamen Markt“) oder auf einem 335 336 337 338 339 340

EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Siehe oben, Zweiter Teil, D. II. 3.

Slg. 1998, Slg. 1998, Slg. 1998, Slg. 1998, Slg. 1998,

I-3949, I-3949, I-3949, I-3949, I-3949,

3998, 3998, 3998, 3998, 3998,

Rn. 49 Rn. 51 Rn. 51 Rn. 52 Rn. 52

(Ormeggiatori). (Ormeggiatori). (Ormeggiatori). (Ormeggiatori). (Ormeggiatori).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

wesentlichen Teil desselben schon bei Vorliegen eines gesetzlich eingeräumten Monopols gegeben sein. So urteilte der EuGH jedenfalls in einem die Organisation und Durchführung von Hafenarbeiten im Hafen von Genua betreffenden Fall341 sowie in zwei Fällen, welche die alleinige Erbringung von Lotsen- oder Festmacherdiensten in den Häfen von Genua und La Spezia betrafen342. Auch in einem die vorübergehende Überlassung von Arbeitskräften betreffenden Fall kam der EuGH zu diesem Ergebnis343. In allen genannten Fällen stellte der Gerichtshof jedoch ausdrücklich klar, dass die bloße Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte i.S.v. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) als solche noch nicht mit Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) unvereinbar sei344. Wird durch die Gewährung ausschließlicher Rechte i.S.v. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) allerdings eine Lage geschaffen, in der das betreffende Unternehmen einen Verstoß gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) begehen könnte, nimmt der Gerichtshof einen Verstoß gegen Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) an. So verhielt es sich zunächst in der Rechtssache Merci345. Unter Verweis auf seine Rechtsprechung in den Urteilen Höfner und Elser346 sowie ERT347 stellte der EuGH fest, dass ein Mitgliedstaat gegen die in Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) enthaltenen Verbote verstößt, wenn das betreffende Unternehmen entweder durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht348. Hier genügte es dem EuGH bereits, dass durch das ausschließliche Recht zur Organisation und Durchführung der Hafenarbeiten eine Lage geschaffen wurde, in der die betroffenen Unternehmen einen Missbrauch begehen konnten349. Ähnlich beurteilte der EuGH die Lage in der Rechtssache Silvano Raso350, welche ein gesetzlich eingeräumtes Monopol einer umgewandelten ehemaligen Hafenbetriebsgesellschaft für die vorübergehende Überlassung von Arbeitskräften im Hafen 341

EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5928, Rn. 14 (Merci). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783, 1824, Rn. 40 (Corsica Ferries Italia); EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3995, Rn. 39 (Ormeggiatori). 343 EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 579, Rn. 25 (Silvano Raso). 344 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5928, Rn. 16 (Merci); EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1783, 1824, Rn. 42 (Corsica Ferries Italia); EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 579, Rn. 25 (Silvano Raso); EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3995, Rn. 40 (Ormeggiatori). 345 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889 ff. (Merci). 346 EuGH v. 23. 04. 1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, 2016, Rn. 29 (Höfner und Elser). 347 EuGH v. 18. 06. 1991, Rs. C-260/89, Slg. 1991, I-2925, Rn. 37 (ERT). 348 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5928, Rn. 17 (Merci). 349 EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889, 5928, Rn. 19 (Merci). Vgl. hierzu Gyselen, CML Rev. 1992, S. 1229, 1239 f. 350 EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533 ff. (Silvano Raso). 342

E. Maßnahmen in Bezug auf die Hafendienstleistungsunternehmen

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von Genua betraf. Unter Wiederholung seiner soeben dargestellten Rechtsprechung wies der EuGH zunächst darauf hin, dass ein Mitgliedstaat gegen Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verstößt, wenn das betreffende Unternehmen durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht351. Im Anschluss hieran stellte er fest, dass sich für die umgewandelte ehemalige Hafenbetriebsgesellschaft ein Interessenskonflikt ergäbe, da der Mitgliedstaat ihr nicht nur ein Monopol für die vorübergehende Überlassung von Arbeitskräften eingeräumt, sondern ihr darüber hinaus gestattet habe, auf dem Markt für Hafenarbeiten mit ihnen in Wettbewerb zu treten352. Durch die bloße Ausübung ihres Monopols könne die umgewandelte ehemalige Hafenbetriebsgesellschaft die Chancengleichheit der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt für Hafendienstleistungen beeinträchtigen353. Folglich werde diese Gesellschaft dazu veranlasst, ihr Monopol zu missbrauchen, indem sie von ihren Konkurrenten auf dem Markt für Hafenarbeiten für die Überlassung von Arbeitskräften überhöhte Preise verlange oder ihnen für diese Arbeiten weniger geeignete Arbeitskräfte zur Verfügung stelle354. Die gesetzliche Einräumung dieser Rechte verstoße mithin gegen Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV). Der EuGH wies in diesem Zusammenhang explizit darauf hin, dass es insofern keine Rolle spiele, dass das vorlegende Gericht keinen von der umgewandelten ehemaligen Hafenbetriebsgesellschaft tatsächlich begangenen Missbrauch dargelegt habe355. In der Sache Ormeggiatori356, welche die ausschließliche Erbringung von Festmacherdiensten in den Häfen von Genua und La Spezia betraf, stellte der EuGH unter Verweis auf seine zuvor in den Urteilen Merci357 und Silvano Raso358 ergangene Rechtsprechung im Umkehrschluss fest, dass ein Mitgliedstaat ohne Verstoß gegen Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) örtlichen Festmachergruppen ein ausschließliches Recht zur Erbringung der Festmacherdienste einräumen kann, wenn diese Gruppen ihre beherrschende Stellung nicht missbräuchlich ausnutzen oder nicht gezwungen sind, einen solchen Missbrauch zu begehen359. Auch in den Rechtssachen Corsica Ferries Italia360 und GT-Link361 hatte sich der EuGH mit der Frage aus351 352 353 354 355 356 357 358 359 360

EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 579, Rn. 27 (Silvano Raso). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 580, Rn. 28 (Silvano Raso). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 580, Rn. 29 (Silvano Raso). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 580, Rn. 30 (Silvano Raso). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533, 580, Rn. 31 (Silvano Raso). EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg. 1991, I-5889 ff. (Merci). EuGH v. 12. 02. 1998, Rs. 163/96, Slg. 1998, I-533 ff. (Silvano Raso). EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3995, Rn. 41 (Ormeggiatori). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, I-1783 ff. (Corsica Ferries Italia).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

einanderzusetzen, ob ein Verstoß gegen Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) vorliege. Wie zuvor ausgeführt, dürfen die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH keine Maßnahmen ergreifen oder aufrechterhalten, die die „praktische Wirksamkeit“ (effet utile) der Wettbewerbsregeln beeinträchtigen könnten362. Jede aktive unter Ausnutzung der jeweiligen Sonderbeziehung erfolgende Veranlassung der genannten Unternehmen zu vertragswidrigem Verhalten ist demnach verboten363. Eine solche Situation hielt der EuGH im Fall Corsica Ferries Italia364 für gegeben, als dem Genueser Lotsenkorps per Gesetz das ausschließliche Recht eingeräumt worden war, die vorgeschriebenen Lotsendiensten im Hafen von Genua anzubieten. Das Lotsenkorps wandte hierfür unterschiedliche Tarife auf Seeschifffahrtsunternehmen an, je nachdem ob diese Unternehmen Beförderungen zwischen Mitgliedstaaten oder aber zwischen inländischen Häfen vornahmen. Die Tarife waren zuvor von einer italienischen Behörde genehmigt worden. Der EuGH stellte zunächst erneut fest, dass die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte i.S.v. Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) für sich genommen noch nicht mit Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) unvereinbar sei365. Dann urteilte er jedoch, dass ein Mitgliedstaat gegen die in Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) enthaltenen Verbote verstößt, wenn er ein Unternehmen durch Genehmigung der von diesem festgesetzten Tarife dazu veranlasst, seine beherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen366. Ähnlich stellte sich die Lage in der Rechtssache GTLink367 dar, die den Betrieb eines dänischen Verkehrshafens durch ein öffentliches Unternehmen betraf. Hier stellte der EuGH zunächst fest, dass die Maßnahme eines Mitgliedstaats, durch die eine Gesetzesbestimmung beibehalten würde, die eine Lage schafft, in der ein öffentliches Unternehmen zwangsläufig gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verstoßen muss, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei368. Ein Mitgliedstaat würde seiner Ansicht nach insbesondere dann gegen die in Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 I AEUV) i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) niedergelegten Verbote verstoßen, wenn er durch den Erlass einer Regelung über Hafenabgaben, die für die Benutzung eines einem öffentlichen Unternehmen gehörenden Hafens zu zahlen sind, dieses Unternehmen dazu veranlassen würde, die

361 362 363 364 365

Italia). 366

Italia). 367 368

EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). Ständige Rechtsprechung seit EuGH v. 13. 02. 1969, Rs. 14/68, Slg. 1969, 1, 14. Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 45. EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, I-1783 ff. (Corsica Ferries Italia). EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, I-1783, 1825, Rn. 41 (Corsica Ferries EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, I-1783, 1825, Rn. 42 (Corsica Ferries EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4464, Rn. 33 (GT-Link).

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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beherrschende Stellung, die es auf dem Gemeinsamen Markt oder eines wesentlichen Teils desselben innehat, missbräuchlich auszunutzen369.

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) Die in den europäischen Seehäfen erbrachten Hafendienstleistungen könnten jedoch gem. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) von der Anwendung der Wettbewerbsregeln ausgenommen sein. Nach Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) gelten die Vorschriften der Verträge (ehemals „des EG-Vertrages“) und insbesondere die Wettbewerbsregeln für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, nämlich nur insoweit, als durch ihre Anwendung die Erfüllung der besonderen Aufgaben dieser Unternehmen nicht rechtlich oder tatsächlich verhindert wird. Darüber hinaus darf die Entwicklung des Handelsverkehrs gem. Art. 106 II S. 2 AEUV (ex-Art. 86 II S. 2 EG) nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union (ehemals „Gemeinschaft“) zuwiderläuft. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) stellt damit eine Ausnahme von der in Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) aufgestellten Regel dar, wonach grundsätzlich alle Unternehmen, unabhängig von der Art ihrer Betätigung oder ihrer Organisationsform, hinsichtlich der Vorschriften des AEUV (ehemals EG-Vertrages) und insbesondere hinsichtlich der Wettbewerbsregeln gleich zu behandeln sind370. Als Durchbrechung wesentlicher Vertragsvorschriften ist die Bestimmung restriktiv auszulegen371. Sinn und Zweck der Regelung ist es, „das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen, insbesondere solcher des öffentlichen Sektors, als Instrument der Wirtschafts- oder Fiskalpolitik mit dem Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Gemeinsamen Marktes in Einklang zu bringen“372. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) konstituiert damit einen Rechtfertigungsgrund373. In Bezug auf die hier vorliegende Problematik bedeutet dies, dass die wettbewerbsbehindernden Praktiken eines Hafendienstleistungsunternehmens, die an sich gegen Art. 101 oder 102 AEUV (ex-Art. 81 oder 82 EG) verstoßen, gerechtfertigt sein können, wenn die Voraussetzungen des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) erfüllt sind. Im Folgenden 369

EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4465, Rn. 34 (GT-Link). Bausch, Netznutzungsregeln, S. 154. 371 Calliess/Ruffert-Jung, Art. 86, Rn. 35; Langen/Bunte-Stadler, Art. 86, Rn. 43; Mann, ZögU 27 (2005), S. 174, 176; Papaconstantinou, Free Trade and Competition, S. 81; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 92. 372 EuGH v. 19. 03. 1991, Slg. 1991, I-1223, 1263, Rn. 12 (Telekommunikations-Endgeräte). 373 Möschel, WuW 1999, S. 832, 834. 370

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

soll daher der Frage nachgegangen werden, in welchen Fällen sich die in den europäischen Seehäfen niedergelassenen Hafendiensteanbieter auf die Ausnahmeregelung des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) berufen können.

I. Normadressaten Um sich auf die Ausnahmeregelung des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) berufen zu können, müssten die betreffenden Hafendienstleistungsunternehmen zunächst zum Adressatenkreis des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) zählen. Seinem Wortlaut nach richtet sich Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) unmittelbar an Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind374. Danach wären zunächst die „Unternehmen“ Adressaten des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG). Für die Adressateneigenschaft der Unternehmen spricht neben dem Wortlaut der Norm auch die systematische Stellung der Vorschrift im Abschnitt über die Wettbewerbsvorschriften für Unternehmen375. Gegen die Adressateneigenschaft der Unternehmen könnte jedoch die Systematik des Art. 106 AEUV (ex-Art. 86 EG) sprechen, da Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) sich nur an die Mitgliedstaaten wendet und auch Art. 106 III AEUV (ex-Art. 86 III EG) nur solche Maßnahmen erwähnt, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind376. Es ist jedoch zu beachten, dass die verschiedenen Absätze des Art. 106 AEUV (exArt. 86 EG) unterschiedliche Zielrichtungen aufweisen377. Der Adressatenkreis des Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) und der des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) sind nicht deckungsgleich. Die Tatsache, dass die Unternehmen in Art. 106 III AEUV (ex-Art. 86 III EG) keine Erwähnung finden, ist darauf zurückzuführen, dass die Kommission an diese bereits aufgrund der allgemeinen Wettbewerbsvorschriften Maßnahmen richten kann378. An der Adressateneigenschaft der Unternehmen bestehen mithin keine Zweifel. Es stellt sich jedoch die Frage, ob aus dem Wortlaut des Art. 106 II AEUV (exArt. 86 II EG) auch der Schluss gezogen werden kann, dass nur die Unternehmen Adressaten dieser Vorschrift sind379. Dies ist zu verneinen. Aus der Zusammenschau mit Art. 101 I AEUV (ex-Art. 81 I EG) ergibt sich, dass Art. 106 II AEUV (exArt. 86 II EG) auch als Rechtfertigung für Maßnahmen der Mitgliedstaaten dienen muss380. Die Mitgliedstaaten können nicht umfassender an den Vertrag gebunden

374 375 376 377 378 379 380

Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 36. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 36. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 36. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 36. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 37. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 37. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 37.

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

115

sein als die von ihnen betrauten Unternehmen381. Die Mitgliedstaaten selber können sich demnach ebenfalls auf die Vorschrift berufen, wenn sie ein Unternehmen mit einer Aufgabe betrauen, die nur unter Verletzung von Vertragsvorschriften ausgeführt werden kann382. Der EuGH hat dies in der Rechtssache Corbeau383 ausdrücklich bestätigt384. Im Ergebnis sind Adressaten des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) damit sowohl die Unternehmen als auch die Mitgliedstaaten selbst. Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem die Frage von Interesse, ob sich die in den europäischen Seehäfen niedergelassenen Hafendiensteanbieter auf die Vorschrift berufen können. Dann müsste es sich bei diesen um Unternehmen i.S.d. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) handeln. Ein spezifischer Unternehmensbegriff existiert im Rahmen des Art. 106 AEUV (ex-Art. 86 EG) nicht; vielmehr ist, wie schon die systematische Stellung des Art. 106 AEUV (ex-Art. 86 EG) in Titel VII des AEUV (ehemals Titel IV des EG-Vertrages) nahe legt, der allgemeine Unternehmensbegriff des europäischen Wettbewerbsrechts, der auch den Art 101 und 102 AEUV (ex-Art. 81 und 82 EG) zugrunde liegt, anzuwenden385. Anders als Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) gilt Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) damit nicht nur für öffentliche Unternehmen oder solche, die in einem gleichwertigen Abhängigkeitsverhältnis zum Staat stehen, sondern ist auf öffentliche wie private Unternehmen gleichermaßen anwendbar, sofern eine Betrauung mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vorliegt386. Die in den europäischen Seehäfen niedergelassenen Hafendiensteanbieter sind, wie oben herausgearbeitet wurde, Unternehmen i.S.d. europäischen Kartellrechts387. Demzufolge sind sie auch Unternehmen i.S.d. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG). Bei Vorliegen aller Voraussetzungen des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) können sie sich unmittelbar388 auf die Ausnahmeregelung berufen.

381

Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 93. Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 57. 383 EuGH v. 19. 05. 1993, Rs. 320/91, Slg. 1993, I-2533, 2568, Rn. 14 (Corbeau). 384 Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 37. 385 Calliess/Ruffert-Jung, Art. 86, Rn. 11; Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 56; Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 14; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 97. 386 Calliess/Ruffert-Jung, Art. 86, Rn. 33; Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 31; Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 52; von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 550. 387 Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 2. 388 Die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) war lange Zeit umstritten. Seit der EuGH im Jahr 1989 in der Rechtssache Ahmed Saeed (EuGH v. 11. 04. 1989, Rs. 66/86, Slg. 1989, 803, 853, Rn. 55 – 57) ohne nähere Begründung das vorlegende nationale Gericht für zuständig erklärt hat, sowohl das Vorliegen einer Betrauung als auch die Frage zu prüfen, ob die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften die Aufgabenerfüllung verhindern würde, wird weitestgehend von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) ausgegangen; vgl. Mann, ZögU 27 (2005), S. 174, 176; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 94 ff. 382

116

2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

II. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Privilegiert werden von Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) nur solche Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen. Zu prüfen ist daher, ob es sich bei den in den europäischen Seehäfen erbrachten Hafendienstleistungen um „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ im Sinne dieser Ausnahmebestimmung handelt. 1. Der Begriff der Dienstleistung Dann müsste es sich bei den von den Hafendienstleistungsunternehmen erbrachten Tätigkeiten zunächst um Dienstleistungen i.S.d. Art. 106 II AEUV (exArt. 86 II EG) handeln. Der Begriff der Dienstleistung wird in Art. 106 AEUV (exArt. 86 EG) nicht näher erläutert. Er findet sich jedoch auch in anderen Vorschriften des AEUV. So haben beispielsweise die Art. 56 ff. AEUV (ex-Art. 49 ff. EG) Dienstleistungen zum Gegenstand. In Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG) findet sich sogar eine primärrechtliche Definition des Dienstleistungsbegriffs. Danach sind Dienstleistungen im Sinne der Verträge (ehemals „des EG-Vertrages“) „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“. Exemplarisch werden im Anschluss gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten genannt. Fraglich ist, ob diese Definition, die Warenleistungen – in Abgrenzung zu Art. 34 AEUV (ex-Art. 28 EG) – ausdrücklich ausklammert389, auch Art. 106 II AEUV (exArt. 86 II EG) zugrunde gelegt werden muss. Für die Verwendung eines einheitlichen Dienstleistungsbegriffs im AEUV (und ehemals auch im EG-Vertrag) scheint zunächst die in Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG) verwendete Formulierung „Dienstleistungen im Sinne der Verträge“ (ehemals „im Sinne dieses Vertrages“) zu sprechen390. Auch das Prinzip der restriktiven Auslegung von Ausnahmevorschriften spricht für diese Annahme391. Gegen die Benutzung eines einheitlichen Dienstleistungsbegriffs können jedoch ebenfalls beachtliche Argumente ins Feld geführt werden. So spricht beispielsweise die systematische Stellung des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) im Abschnitt über die Wettbewerbsregeln gegen die Benutzung eines einheitlichen Dienstleistungsbegriffs392. Auch die unterschiedliche Verwendung des Wortes in den verschiedenen Vertragssprachen steht einer einheitlichen Verwendung entgegen393. Im Französischen können Dienstleistungen beispielsweise 389 390 391 392 393

Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 669. Lechner, Die Seehäfen, S. 100. Lechner, Die Seehäfen, S. 100. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 109. Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 58.

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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auch die Lieferung von Waren zum Gegenstand haben394. Ein Dienstleistungsbegriff wie der des Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG), der Warenleistungen ausdrücklich ausklammert, kann in Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) folglich nicht gemeint sein395. Angesichts der Tatsache, dass lediglich die deutsche Fassung des Vertrages einen mit der Definition des Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG) übereinstimmenden Dienstleistungsbegriff vermuten lässt, Systematik und Zielsetzung des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) aber gegen eine einheitliche Verwendung sprechen, beschränkt sich der in Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) verwendete Begriff der Dienstleistungen nicht auf Dienstleistungen i.S.d. Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG)396. Vielmehr ist der Dienstleistungsbegriff des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) dem umfassenden Ansatz des Wettbewerbsrechts entsprechend weit auszulegen. Er umfasst jegliches Bereithalten, Bereitstellen und Verteilen von Sach- und Dienstleistungen397. In diesem weiten Sinn wird er auch von der Europäischen Kommission verstanden398. Fraglich ist, was sich aus dieser Erkenntnis für die dieser Arbeit zugrunde liegende Problematik der Hafendienstleistungen ergibt. Grundsätzlich erbringen Hafendienstleistungsunternehmen klassische Dienstleistungen i.S.d. Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG). Dies gilt zumindest für die Anbieter ladungsbezogener sowie technisch-nautischer Hafendienste. Da sie bereits unproblematisch unter den Dienstleistungsbegriff des Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG) fallen, sind sie erst Recht unter den weiten Dienstleistungsbegriff des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) zu subsumieren399. Anders könnte sich die Lage jedoch bei den sonstigen Hafendiensten darstellen. So fällt beispielsweise die Versorgung mit Wasser nicht unter den Dienstleistungsbegriff des Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG). Da der Dienstleistungsbegriff des Art. 106 AEUV (ex-Art. 86 II EG) jedoch, wie gerade herausgearbeitet wurde, weit auszulegen ist, können auch die sonstigen in den europäischen Seehäfen erbrachten Hafendienste unproblematisch unter Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) subsumiert werden.

394

Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 109. Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 109. 396 Calliess/Ruffert-Jung, Art. 86, Rn. 36; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 445; Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 109; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 669; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 97; von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 550. 397 Calliess/Ruffert-Jung, Art. 86, Rn. 36; Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 32; Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 58; Langen/Bunte-Stadler, Art. 86, Rn. 46; Mann, ZögU 27 (2005), S. 174, 180; Papaconstantinou, Free Trade and Competition, S. 83. 398 Siehe die Definition des Begriffs „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ in der Mitteilung der Europäischen Kommission v. 20. 09. 2000, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. EG 2001 C 17/4, Anhang II.; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 669. 399 Lechner, Die Seehäfen, S. 101. 395

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

2. Das allgemeine wirtschaftliche Interesse Schwierigkeiten bereitet hingegen die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“. Auch dieser Begriff wird in den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften nicht näher erläutert. An einer allgemeingültigen Definition der europäischen Gerichte fehlt es bislang ebenfalls400. Die Bedeutung des durch den Amsterdamer Vertrag neu eingeführten Art. 16 EG (jetzt Art. 14 AEUV), der die besondere Bedeutung und Schutzwürdigkeit dieser Dienste hervorhebt, ist in diesem Zusammenhang noch nicht abschließend geklärt401. Nach allgemeiner Ansicht ist die Vorschrift zwar bei der Auslegung des Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) zu berücksichtigen402, eine Definition enthält jedoch auch sie nicht. Eine zwar nicht verbindliche, aber dennoch aussagekräftige Definition der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ findet sich indes in Anhang II der Kommissionsmitteilung „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ aus dem Jahr 2000403. Danach umfasst der Begriff alle „marktbezogenen Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden“404. In ihrem Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse aus dem Jahr 2003 hat die Kommission den Begriff weiter konkretisiert und ausgeführt, dass er sich „auf wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht, die von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden und für die das Kriterium gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden“405. Weiterhin führte sie aus, dass das Konzept der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vor allem bestimmte Leistungen der großen netzgebundenen Wirtschaftszweige wie des Verkehrswesens, der Postdienste, des Energiesektors und der Telekommunikation umfasse406. Dies würde zunächst dafür sprechen, die Hafendienstleistungen, die zum netzgebundenen Wirtschaftszweig des Seeverkehrs zählen, als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einzuordnen. Andererseits ist jedoch zu beachten, dass Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) eine Ausnahmeregelung dar400

Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 669. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 157; Mann, ZögU 27 (2005), S. 174, 177. 402 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 61; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Ehricke, Art. 86, Rn. 91; Schröter/Jakob/Mederer-Hochbaum, Art. 86, Rn. 52. Streitig, vgl. Calliess/Ruffert-Kallmayer/Jung, Art. 16, Rn. 13; Kämmerer, NVwZ 2002, S. 1041, 1041; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 377 ff. 403 KOM (2000) 580 endg., ABl. EG Nr. C 17 vom 19. 01. 2001, S. 4 ff.; näher dazu Monti, EuZW 2001, S. 161. 404 KOM (2000) 580 endg., ABl. EG Nr. C 17 vom 19. 01. 2001, S. 4 ff. 405 Grünbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, KOM (2003) 270 endg., S. 8, Rn. 17. 406 Grünbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, KOM (2003) 270 endg., S. 8, Rn. 17. 401

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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stellt. Als Teil einer Ausnahmeregelung ist auch der Begriff der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse grundsätzlich eng auszulegen407. Dies hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung bestätigt: „da es sich um eine Vorschrift handelt, die unter bestimmten Umständen eine vom EG-Vertrag abweichende Regelung zulässt, ist der Begriff der Unternehmen, die sich auf diese Vorschrift berufen können eng auszulegen“408. Der Begriff des allgemeinen wirtschaftlichen Interesses muss also konkretisiert werden. Zum einen muss es sich um Dienstleistungen von „allgemeinem“ Interesse handeln; zum anderen muss die betreffende Dienstleistung von „wirtschaftlichem“ Interesse sein. Der Begriff des „allgemeinen Interesses“ scheint dabei zunächst unproblematisch. Unstreitig ist, dass das „allgemeine Interesse“ nicht mit dem Interesse der Gemeinschaft bzw. Union gleichzusetzen ist409. Diese Schlussfolgerung ergibt sich bereits aus Art. 106 II S. 2 AEUV (ex-Art. 86 II S. 2 EG), in welchem die Interessenlage der Union (ehemals „Gemeinschaft“) als Schranke für die Ausnahmevorschrift des Art. 106 II S. 1 AEUV (ex-Art. 86 II S. 1 EG) zum Ausdruck kommt410. Gemeint ist mit dem Interesse in Art. 106 II S. 1 AEUV (ex-Art. 86 II S. 1 EG) vielmehr das Interesse des jeweiligen Mitgliedstaates411. Der allgemeine Charakter fehlt jedoch, wenn eine Dienstleistung nur im Interesse einzelner Personen oder Industriezweige erbracht wird412. Andererseits muss ein Interesse, um „allgemein“ zu sein, nicht notwendig dem Interesse der Gesamtbevölkerung entsprechen; das Interesse einer Gemeinde oder eines Teils der Bevölkerung eines Mitgliedstaates ist insoweit ausreichend413. Weiterhin muss die betreffende Dienstleistung von „wirtschaftlichem“ Interesse sein. Teilweise wurde vertreten, dass die Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Interesses solche Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich des Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) ausschließt, die allein karitativen, sozialen, religiösen oder kulturellen Belangen dienen414. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, da es gerade 407

Grabitz/Hilf-Pernice/Wernicke, Art. 86, Rn. 33; Lenz/Borchardt-Grill, Art. 106, Rn. 24; Storr, DöV 2002, S. 357, 359. 408 EuGH v. 27. 03. 1974, Rs. 127/73, Slg. 1974, 313, 318, Rn. 19/22 (BRT); EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4469, Rn. 50 (GT-Link). 409 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 60; Mann, ZögU 27 (2005), S. 174, 181; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 98. 410 Schröter/Jakob/Mederer-Hochbaum, Art. 86, Rn. 51; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 98. 411 Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 60; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 565, 669; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 98. 412 Langen/Bunte-Stadler, Art. 86, Rn. 49; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 100. 413 Langen/Bunte-Stadler, Art. 86, Rn. 49; von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 550. 414 Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“, KOM (2000) 580 endg., S. 13, Rn. 28 f.; Ehricke, EuZW 1993, S. 211, 214; Groeben/Schwarze-Hochbaum/ Klotz, Art. 86, Rn. 62; Kahl, NVwZ 1996, S. 1082, 1083; Lenz/Borchardt-Grill, Art. 106, Rn. 24; Mann, ZögU 27 (2005), S. 174, 181; Tettinger, DVBl. 1994, S. 88, 89.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

das Charakteristikum der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse darstellt, dass sie nicht nur wirtschaftlichen, sondern beispielsweise auch sozialen Zwecken dienen415. Im Ergebnis kommt dem Kriterium des „wirtschaftlichen Interesses“ damit kaum Bedeutung zu, da nach der Systematik der europäischen Wettbewerbsregeln ohnehin lediglich wirtschaftsbezogene Tätigkeiten in deren Anwendungsbereich fallen416. So setzt insbesondere die Unternehmensdefinition des europäischen Kartellrechts ein wirtschaftliches Handeln voraus417. Im Fall des fehlenden wirtschaftlichen Charakters einer Tätigkeit wäre also bereits die Unternehmensqualität zu verneinen, mit der Folge, dass zumindest mit den Wettbewerbsregeln keine Konflikte denkbar wären418. Nach Erläuterung der Frage, wie das allgemeine wirtschaftliche Interesse des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) zu verstehen ist, stellt sich nun die Frage, ob es sich bei den in den europäischen Seehäfen erbrachten Hafendienstleistungen um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt. Zur Klärung dieser Frage bietet sich erneut eine Differenzierung zwischen ladungsbezogenen und technisch-nautischen Diensten an. a) Ladungsbezogene Hafendienstleistungen Bereits im Jahr 1971 hatte sich der EuGH in der Rechtssache Hafen von Mertert419 mit der Frage zu befassen, ob ein Unternehmen, das über ausschließliche, vom luxemburgischen Staat verliehene Rechte bezüglich eines Flusshafens an der Mosel verfügte, und dem ein fast alleiniges Recht zum Be- und Entladen zustand, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringt420. Der Fall betraf eine offene Handelsgesellschaft, der durch Gesetz das Recht zur Anlegung und zum Betrieb eines Flusshafens an der Mosel übertragen worden war. Darüber hinaus war dieser Gesellschaft durch Gesetz das ausschließliche Recht eingeräumt worden, Be- und Entladetätigkeiten auf der Mosel vorzunehmen. Diese Tätigkeit wiederum war anderen Unternehmen unter Strafandrohung verboten worden. Es stellte sich die Frage, ob ein Unternehmen, dem die Anlegung und der Betrieb eines Flusshafens obliegen, dessen Verkehr der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit dient, mit Dienst415

Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 113; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 670. 416 Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 178 ff.; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 670. 417 Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 1. 418 Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 670. Vgl. für den Hafensektor Meij/Nyssens, Il Diritto Marittimo 2001, S. 72, 76. 419 EuGH v. 14. 07. 1971, Rs. 10/71, Slg. 1971, 723 ff. (Hafen von Mertert). 420 Dieser Fall betraf zwar einen Flusshafen und keinen Seehafen; zum besseren Verständnis der Materie kann er jedoch ebenso herangezogen werden, zumal sich die ladungsbezogenen Dienste in den Flusshäfen nicht wesentlich von denen in den Seehäfen unterscheiden.

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.v. Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) betraut ist. Der EuGH entschied, dass ein Unternehmen, das zur Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe bestimmte Vorrechte genießt und zu diesem Zweck enge Beziehungen mit der öffentlichen Hand unterhält, und über das der größte Teil des Flussverkehrs des fraglichen Staates abgewickelt wird, grundsätzlich unter Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) fallen könne421. Diesen Grundsatz hat der Gerichtshof in den folgenden Jahren jedoch wieder eingeschränkt. So hatte er in der bereits oben erwähnten Rechtssache Merci422 darüber zu entscheiden, ob es sich beim Be- und Entladen von Seeschiffen, das im Hafen von Genua einer einzelnen Hafenbetriebsgesellschaft vorbehalten war, um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt. Der EuGH verneinte dies mit der Begründung, dass sich das Interesse an den Hafenarbeiten nicht besonders von dem Interesse an den anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens unterscheide423. Diese Formel hat der EuGH in dem Urteil GT-Link424 sinngemäß wiederholt. Hier urteilte er, dass ein allgemeines wirtschaftliches Interesse gegenüber dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens „spezifische Merkmale“ aufweisen müsse425. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betraf eine dänische Gesellschaft (GTLink), welche eine Fährverbindung zwischen Dänemark und Deutschland betrieb und hierfür auf die Nutzung eines dänischen Verkehrshafens angewiesen war, der im Eigentum eines öffentlichen Unternehmens stand und auch von diesem betreiben wurde. GT-Link wandte sich gegen die Zahlung einer von den Betreibern dieses Verkehrshafens eingezogenen Hafenabgabe. Der Betreiber des Verkehrshafens hingegen berief sich zur Rechtfertigung auf die Vorschrift des Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV). In seiner Urteilsbegründung verwies der EuGH zwar auf das oben zitierte Urteil in der Rechtssache Hafen von Mertert426, stellte jedoch im Anschluss sogleich klar, dass daraus nicht folge, dass der Betrieb jedes Verkehrshafens zwangsläufig eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse darstelle, und insbesondere auch nicht, dass alle in einem solchen Hafen erbrachten Leistungen im Rahmen einer solchen Aufgabe erbracht würden427. Diese Rechtsprechung hat der EuGH im Jahr 2003 in der Rechtssache Enirisorse428 erneut bestätigt. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1967 waren in sechs italienischen Häfen per Gesetz so genannte Aziende dei mezzi meccanici e dei magazzini (Unternehmen für technische Mittel und Lagerhäuser) 421 422 423 424 425 426 427 428

EuGH v. 14. 07. 1971, Rs. 10/71, Slg. 1971, 723, 730, Rn. 8/12 (Hafen von Mertert). EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. 179/90, Slg. 1991, 5889 ff. (Merci). EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. 179/90, Slg. 1991, 5889, 5931, Rn. 27 (Merci). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4469, Rn. 53 (GT-Link). EuGH v. 14. 07. 1971, Rs. 10/71, Slg. 1971, 723 ff. (Hafen von Mertert). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449, 4469, Rn. 52 (GT-Link). EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243 ff. (Enirisorse).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

errichtet worden429. Hierbei handelte es sich um wirtschaftlich tätige öffentliche Einrichtungen, die damit betraut waren, die technischen Einrichtungen für das Verund Entladen, die Lagerflächen und alle anderen, im Eigentum des Staates stehenden, und für den Warenverkehr bestimmten Güter zu verwalten430. Darüber hinaus oblag ihnen die Aufgabe, für den Erwerb und die Instandhaltung der von ihnen verwalteten Einrichtungen zu sorgen431. Auch konnten die Aziende ermächtigt werden, kommerzielle Hafendienstleistungen wie das Ver- und Entladen von Waren selbst zu erbringen432. 1974 wurde per Gesetz eine Abgabe auf das Ver- und Entladen von Waren in allen italienischen Häfen eingeführt433. Ein erheblicher Teil dieser Abgabe sollte dabei den Aziende zufließen. Die Firma Enirisorse ver- und entlud im Hafen von Cagliari Waren, ohne jedoch die Leistungen der in diesem Hafen tätigen Azienda in Anspruch zu nehmen434. Sie weigerte sich daher, die vom italienischen Finanzministerium erhobene Hafenabgabe zu zahlen. Ihre Weigerung begründete sie mit der Ansicht, die Hafenabgabe verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Der EuGH hatte insbesondere der Frage nachzugehen, ob die Zuweisung eines erheblichen Teils der Hafenabgabe an ein auf dem Markt für das Ver- und Entladen von Waren tätiges öffentliches Unternehmen als staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 EG (jetzt Art. 107 AEUV) zu qualifizieren sei. Da eine staatliche Maßnahme nicht unter Art. 87 I EG (jetzt Art. 107 AEUV) fällt, wenn sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden435, hatte der EuGH zunächst zu prüfen, ob es sich bei der betreffenden Tätigkeit um eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung handele. Unter Verweis auf sein Urteil in der Rechtssache GT-Link436 wies der Gerichtshof erneut darauf hin, dass es sich bei dem Betrieb eines Verkehrshafens nicht automatisch um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handele; eine solche Tätigkeit also nicht ohne weiteres die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben umfasse437. Vielmehr müsse die tatsächliche Betrauung des betreffenden Unternehmens mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen konkret nachgewiesen werden, und die 429

Vgl. zur Sachverhaltsdarstellung auch von Wallenberg, MMR 2004, S. 86, 86 f. EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14292, Rn. 4 (Enirisorse). 431 EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14292, Rn. 4 (Enirisorse). 432 EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14292, Rn. 5 (Enirisorse). 433 EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14293, Rn. 8 (Enirisorse). 434 EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14294, Rn. 13 (Enirisorse). 435 EuGH v. 24. 07. 2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 ff. (Altmark Trans). 436 EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). 437 EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14300, Rn. 33 (Enirisorse). 430

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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Verpflichtungen müssten darüber hinaus klar definiert sein438. Beides sei im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Insbesondere sei nicht klar, worin genau die gemeinwirtschaftliche Dienstleistung bestehe, und ob ausschließlich die Ver- und Entladetätigkeiten in den betreffenden Häfen erfasst seien, oder ob auch andere Leistungen wie etwa die Sicherheit des Anlegevorgangs abgedeckt würden439. Im Ergebnis hat der EuGH die betreffenden Tätigkeiten nicht als gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen qualifiziert440. Grundsätzlich handelt es sich bei ladungsbezogenen Hafendiensten dem EuGH zufolge also um rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten und damit nicht um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.d. Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV). b) Technisch-nautische Hafendienstleistungen Für den Bereich der technisch-nautischen Dienste könnte sich aufgrund der betroffenen öffentlichen Sicherheit ein anderes Bild ergeben. Die Rechtssache Corsica Ferries Italia441 hatte, wie oben dargelegt, eine Hafendienstleistung im technischnautischen Bereich zum Gegenstand. Der Fall betraf die Lotsendienste im Hafen von Genua. Auf die Frage, ob der Lotsendienst eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.d. Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) darstellt, ist der EuGH jedoch nicht näher eingegangen. Dies lässt sich wahrscheinlich darauf zurückführen, dass das vorlegende Genueser Gericht die Fragen seines Vorlagebeschlusses, anders als im Fall Merci, nicht entsprechend formuliert hatte442. In der Rechtssache Ormeggiatori443 hingegen ließen die eindeutig formulierten Vorlagefragen des Tribunale Genova kein Ausweichen mehr zu. Dieser Fall betraf, wie bereits geschildert, die Arbeit der örtlichen Festmachergruppen in den italienischen Häfen von Genua und La Spezia444. Diesen hatte der italienische Staat für die Leistung des Festmachens ausschließliche Rechte eingeräumt. Die Festmachergruppen beriefen sich auf Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV), um den Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu entkräften, der nach Ansicht der Antragstellerin zwei Aspekte umfasste: zum einen die nicht notwendigen, der Antragstellerin aufgezwungenen Festmacherdienste und zum anderen das Missverhältnis zwischen den Tarifen für die nicht verlangten Leistungen445. Die Fest438

EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14300, Rn. 32 (Enirisorse). 439 EuGH v. 27. 11. 2003, verb. Rs. C-34/01 bis C-38/01, Slg. 2003, I-14243, 14301, Rn. 37 (Enirisorse). 440 Zu den Auswirkungen dieser Rechtsprechung s. von Wallenberg, MMR 2004, S. 86, 89 ff. 441 EuGH v. 17. 05. 1994, Rs. C-18/93, Slg. 1994, 1812 ff. (Corsica Ferries Italia). 442 Lechner, Die Seehäfen, S. 102. 443 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). 444 Siehe oben, Zweiter Teil, C. I. 2. b). 445 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3977, Rn. 57 (Ormeggiatori).

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

machergruppen bezogen sich im Hinblick auf die Erhebung von Tarifen, die über die tatsächlichen Kosten der erbrachten Dienstleistung hinausgingen, auf Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) und machten geltend, solche Tarife seien notwendig, um ihrer Aufgabe, einen allgemeinen Dienst anzubieten, wirksam nachgehen zu können446. Der EuGH hatte nun zu prüfen, ob es sich bei der Dienstleistung des Festmachens um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.d. Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) handelt. Er urteilte, dass an Festmachmanövern (anders als an dem Be- und Entladen von Seeschiffen) ein allgemeines wirtschaftliches Interesse bestehe, das im Vergleich zu anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besondere Merkmale aufweise447. Die Festmacher seien nämlich aus Gründen der Sicherheit in den Hafengewässern verpflichtet, jederzeit für alle Hafenbenutzer einen allgemeinen Festmacherdienst bereitzustellen448. Jedenfalls habe es Italien aus Gründen der öffentlichen Sicherheit für erforderlich halten dürfen, örtlichen Festmachergruppen das ausschließliche Recht einzuräumen, den allgemeinen Festmacherdienst sicherzustellen449. Bei jenen, den örtlichen Festmachergruppen übertragenen Festmacherdiensten handelte es sich mithin um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Angesichts der Tatsache, dass die öffentliche Sicherheit durch die Lotsen und Schleppreedereien mindestens in jenem Maße geschützt werden muss, wie dies bei den Festmachern der Fall ist, muss das, was der EuGH in seinem Urteil für die Festmacher festgestellt hat, ebenso für die Lotsen und Schleppreedereien gelten450. Auch diese erbringen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass die technisch-nautischen Hafendienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.d. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) angesehen werden können. In diesem Zusammenhang ist jedoch stets zu beachten, dass die Vorschrift des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) als Ausnahmevorschrift auch im Hafensektor eng auszulegen ist.

III. Betrauung Die Ausnahmeregelung des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) gilt jedoch nicht für jedes Unternehmen, das Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringt. Vielmehr muss das entsprechende Unternehmen mit der Erbringung einer solchen Dienstleistung „betraut“ worden sein. In Bezug auf die hier vorliegende Problematik bedeutet dies, dass die genannten Hafendienstleistungs446

EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3977, Rn. 57 (Ormeggiatori). EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3997, Rn. 45 (Ormeggiatori). 448 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3997, Rn. 45 (Ormeggiatori). 449 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3997, Rn. 45 (Ormeggiatori). 450 Carbone/Munari, The Regime of Technical-Nautical Services, S. 187, 192; Lechner, Wettbewerb und EG-Freiheiten, S. 147, 153; Rabe, EU-Kompetenzen im Gebiet der Seehäfen, S. 95, 100. 447

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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unternehmen mit der Erbringung der technisch-nautischen Hafendienstleistungen betraut worden sein müssten. Es stellt sich die Frage, welche Anforderungen an eine solche Betrauung zu stellen sind. Der Wortlaut des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) ist wenig aussagekräftig, da die unterschiedliche rechtliche Bedeutung der in den verschiedenen Vertragssprachen gewählten Fassungen eine eindeutige Interpretation nicht zulässt451. Denkbar wäre es, den Begriff der Betrauung weit auszulegen und jedes Unternehmen mit hoheitlicher Erlaubnis als betraut anzusehen452. Der EuGH hat jedoch schon frühzeitig entschieden, dass aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift an den Akt der Betrauung strenge Anforderungen zu stellen sind453. Eine Betrauung liegt seiner Rechtsprechung zufolge nur dann vor, wenn dem Unternehmen die besonderen Aufgaben kraft Gesetzes oder eines sonstigen Hoheitsaktes übertragen worden sind454. Das rein tatsächliche Erbringen der genannten Dienstleistungen reicht daher genauso wenig aus, wie das Vorliegen einer staatlichen Überwachung455. Das Erfordernis der Betrauung durch Hoheitsakt ergibt sich für den EuGH eindeutig aus der Bezugnahme auf „die ihnen übertragenen besonderen Aufgaben“ in Art. 86 II S. 1 EG (jetzt Art. 106 II S. 1 AEUV), die sich auch auf Finanzmonopole bezieht456. Bei diesen werde die besondere Rechtsstellung zwingend durch Hoheitsakt begründet, da insoweit fiskalische Befugnisse übertragen werden. Die Betrauung durch Hoheitsakt gewährleistet, dass die Erfüllung der besonderen Aufgabe jederzeit erzwingbar ist457. Das formale Kriterium der Rechtsform der Betrauung als Hoheitsakt ist jedoch nicht allein ausschlaggebend; vielmehr ist auch der materielle Gehalt der Betrauung zu berücksichtigen458. Entscheidend für den Akt der Betrauung ist danach, dass das am Gewinnziel ausgerichtete Eigeninteresse des Unternehmens durch einen staatlichen Hoheitsakt der Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung untergeordnet wird459. Die Betrauung muss zur Folge haben, dass die Tätigkeit des Unternehmens einem verbindlich festgelegten besonderen Zweck dient, so dass es seine Leistungen auch dann zu erbringen hat, wenn die Marktlage

451 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 446; Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 222; Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 63; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-Ehricke, Art. 86, Rn. 107; Schröter/Jakob/Mederer-Hochbaum, Art. 86, Rn. 54. 452 von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 550. 453 Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 672. 454 EuGH v. 27. 03. 1974, Rs. 127/73, Slg. 1974, 313, 318, Rn. 19/22 (BRT); EuGH v. 14. 07. 1981, Rs. 172/80, Slg. 1981, 2021, 2030, Rn. 7 (Züchner). 455 EuGH v. 02. 03. 1983, Rs. 7/82, Slg. 1983, 483, 504, Rn. 31/32 (GVL); Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 221; Groeben/Schwarze-Hochbaum/Klotz, Art. 86, Rn. 63; Schröter/Jakob/Mederer-Hochbaum, Art. 86, Rn. 54; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 103. 456 EuGH v. 27. 03. 1974, Rs. 127/73, Slg. 1974, 313, 318, Rn. 19/22 (BRT). 457 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 34, Rn. 12. 458 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 446; Ipsen/Nicolaysen, NJW 1964, S. 2336, 2338; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 103. 459 Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 103; von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 552.

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

und damit das unternehmerische Eigeninteresse diesem entgegenstehen460. Welche Schlussfolgerung lässt sich aber aus dieser Erkenntnis für die europäischen Hafendiensteanbieter ableiten? Wie zuvor herausgearbeitet, handelt es sich bei den technisch-nautischen Hafendienstleistungen regelmäßig um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse461. Sofern ihnen diese Aufgabe durch einen staatlichen Hoheitsakt übertragen worden ist, lässt sich schlussfolgern, dass die Anbieter dieser Dienstleistungen aufgrund ihrer besonderen Aufgabe, die Verkehrssicherheit in den Hafengewässern zu gewährleisten, mit der Tätigkeit „betraut“ worden sind462. Mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in den Hafengewässern dient die Erbringung der technisch-nautischen Hafendienste einem verbindlich festgelegten besonderen Zweck, so dass der betreffende Hafendiensteanbieter seine Leistungen auch dann zu erbringen hat, wenn die Marktlage und damit das unternehmerische Eigeninteresse diesem entgegenstehen.

IV. Verhinderungserfordernis, Art. 106 II S. 1 AEUV (ex-Art. 86 II S. 1 EG) Eine Ausnahme von der generellen Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften ist dem Wortlaut des Art. 106 II S. 1 AEUV (ex-Art. 86 II S. 1 EG) zufolge nur gerechtfertigt, soweit die Anwendung dieser Vorschriften die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindern würde. Die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen werden also nicht generell von der Beachtung der Wettbewerbsregeln ausgenommen, sondern lediglich davon freigestellt, was zur Erfüllung der besonderen Aufgabe unbedingt erforderlich ist463. Zu prüfen ist daher, ob den betrauten Unternehmen die Erfüllung der besonderen Aufgaben auch ohne Vertragsverletzung möglich wäre464. Mit Blick auf den Hafensektor stellt sich die Frage, ob die Erbringung der technisch-nautischen Hafendienstleistungen in den europäischen Seehäfen durch die Anwendung der Wettbewerbsregeln „rechtlich oder tatsächlich“ verhindert wird bzw. ob den Anbietern technisch-nautischer Hafendienstleistungen die Erfüllung dieser Dienste auch ohne Vertragsverletzung möglich wäre. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass das Verhinderungserfordernis oftmals als das „Herzstück“465 oder auch als „Dreh- und Angelpunkt“466 der gesamten 460

552. 461 462 463 464 465

Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526, 565; von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, Siehe oben, Zweiter Teil, F. II. 2. b). Lechner, Die Seehäfen, S. 104. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526, 568. Scharpf, EuZW 2005, S. 295, 296 f.; Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 105. Schweitzer, Daseinsvorsorge, S. 106.

F. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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Vorschrift bezeichnet wird, da es maßgeblich über die Reichweite der Ausnahmeklausel bestimmt. Die Anforderungen, die an den Verhinderungsmaßstab zu stellen sind, haben sich jedoch im Laufe der Zeit gewandelt. Zunächst stellten die europäischen Gerichte außerordentlich strenge Anforderung an den Nachweis der Verhinderung467. So hat der EuGH bis in die neunziger Jahre hinein mehrfach geurteilt, dass von einer Verhinderung der Aufgabenerfüllung nur dann gesprochen werden könne, wenn die Anwendung der Vertragsvorschriften mit der Erfüllung der besonderen Aufgabe „nachweislich unvereinbar“ sei468. Eine bloße Erschwerung der Aufgabenerfüllung wurde vom EuGH hingegen nicht für ausreichend erachtet469. Dies hatte zur Folge, dass es den meisten Unternehmen bzw. Mitgliedstaaten nicht gelang, diese hohe Hürde zu überwinden470. Die Vorschrift des Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) wurde in der Literatur daher schon für obsolet erklärt471. Auch in Bezug auf den hier behandelten Hafensektor wurde noch im Jahre 1997 angesichts des strengen Verhinderungsmaßstabes gemutmaßt, dass „die Ausnahmevorschrift des Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) für sämtliche Hafendienstleistungsunternehmen aller Voraussicht nach nicht zum Zuge kommen dürfte“472. Seit Beginn der neunziger Jahre ist jedoch ein Trend zur Lockerung des Verhinderungsmaßstabes zu erkennen473. Nunmehr reicht es dem EuGH zufolge aus, dass die Anwendung der Vertragsvorschriften die Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse „tatsächlich oder rechtlich gefährden“ würde474. Wie in der Rechtssache Ormeggiatori475 bewiesen wurde, scheitert heutzutage eine Anwendung von Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) auch im Hafensektor nicht mehr generell an dem Verhinderungserfordernis. In diesem Verfahren war zu klären, ob die Erfüllung der besonderen Aufgabe des Festmachens nur durch Dienstleistungen gesichert werden könne, für die ein Entgelt zu entrichten sei, das die tatsächlichen Kosten der Dienstleistungen überstieg. Generalanwalt Fennelly stellte fest, dass „die Anwendung des in Art 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) enthaltenen Verbotes auf die zusätzliche Komponente in den Tarifen, die den zusätzlichen Kosten für die Bereitstellung eines jederzeit und für alle Benutzer der Häfen von Genua und La Spezia zugänglichen allgemeinen Festmacherdienstes entspricht, dazu führen 466

Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 675. Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 675. 468 EuGH v. 30. 04. 1974, Rs. 155/73, Slg. 1974, 409, 431, Rn. 15 (Sacchi); EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3275, Rn. 17 (CBEM). 469 EuGH v. 20. 03. 1985, Rs. 41/83, Slg. 1985, 873, 888, Rn. 33 (Italien/Kommission). 470 von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 554. 471 von Wilmowsky, ZHR 155 (1991), S. 545, 554. 472 Lechner, Die Seehäfen, S. 106. 473 Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 675; Scharpf, EuZW 2005, S. 295, 296. 474 EuGH v. 23. 10. 1997, Rs. C-157/94, Slg. 1997, I-5699, 5782, Rn. 52 (Import/ExportMonopole); EuGH v. 23. 10. 1997, Rs. C-159/94, Slg. 1997, I-5815, 5843, Rn. 95 (EDF/GDF); EuGH v. 21. 09. 1999, Rs. C-67/96, Slg. 1999, I-5751, 5893, Rn. 107 (Albany). 475 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949 ff. (Ormeggiatori). 467

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könnte, im Sinne von Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) die Erfüllung dieser Aufgabe zu verhindern“476. Dieser Ansicht schloss sich der EuGH an und urteilte, dass es nicht gegen die Art. 82 und 86 I EG (jetzt Art. 102 und 106 I AEUV) verstoße, „in den Preis der Dienstleistung einen Bestandteil aufzunehmen, durch den die Kosten der Bereitstellung des allgemeinen Festmacherdienstes gedeckt werden sollen, soweit dieser Bestandteil den zusätzlichen Kosten entspricht, die sich aus den besonderen Merkmalen dieser Dienstleistung ergeben, und für diese Dienstleistung aufgrund der besonderen Situation jedes Hafens unterschiedliche Tarife vorzusehen“477. Grundsätzlich lässt sich daher festhalten, dass es im Hafensektor durchaus möglich ist, dass die Erbringung technisch-nautischer Hafendienste durch die Anwendung der Wettbewerbsregeln rechtlich oder tatsächlich verhindert wird. Dabei ist jedoch stets zu beachten, dass die Beweislast dafür, dass sich derselbe hohe Grad an öffentlicher Sicherheit nicht auch unter Wettbewerbsbedingungen gewährleisten ließe, bei den Anbietern der technisch-nautischen Hafendienste liegt478.

V. Unionsinteresse (ehemals „Gemeinschaftsinteresse“), Art. 106 II S. 2 AEUV (ex-Art. 86 II S. 2 EG) Schließlich stellt Art. 106 II S. 2 AEUV (ex-Art. 86 II S. 2 EG) eingrenzend sicher, dass die Entwicklung des Handelsverkehrs durch die Befreiung von den Vertragsvorschriften nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden darf, welches dem Interesse der Union (ehemals „Gemeinschaft“) zuwiderläuft. Das Unionsinteresse (ehemals „Gemeinschaftsinteresse“) stellt damit eine Schranke für die Ausnahmeregelung des Art. 106 II S. 1 AEUV (ex-Art. 86 II S. 1 EG) dar479. Es wird insbesondere anhand der Ziele und Grundsätze des Vertrages konkretisiert, wobei die Schaffung der Bedingungen eines einheitlichen Marktes mit unverfälschtem Wettbewerb einen besonders hohen Stellenwert hat480. Im Ergebnis ist eine Abwägung zwischen dem Unionsinteresse (ehemals „Gemeinschaftsinteresse“) und dem Interesse der Mitgliedstaaten an der Erfüllung der besonderen Aufgabe vorzunehmen481. Eine Entscheidung kann somit auch im Bereich der technisch-nautischen Hafendienste nur im Einzelfall erfolgen.

476 Generalanwalt Fennelly, Schlussanträge, EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3979, Rn. 61 (Ormeggiatori). 477 EuGH v. 18. 06. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, I-3949, 3997, Rn. 46 (Ormeggiatori). 478 Lechner, Wettbewerb und EG-Freiheiten, S. 147, 153 f. 479 Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 249. 480 Ehricke, EuZW 1993, S. 211, 215; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 680. 481 Ehricke, EuZW 1998, S. 741, 745 f.; Essebier, Dienstleistungen und Wettbewerb, S. 252; Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 186; Koenig/Kühling, ZHR 166 (2002), S. 656, 680.

G. Zusammenfassende Stellungnahme

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G. Zusammenfassende Stellungnahme Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass den Wettbewerbsregeln des AEUV im Bereich der Hafendienstleistungen eine besondere Bedeutung zukommt. Mit ihrer Hilfe können eine Vielzahl wettbewerbsbehindernder Praktiken geahndet werden. Insbesondere dem Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) kommt dabei eine tragende Rolle zu. Die Untersuchung der einschlägigen EuGH-Entscheidungen hat ergeben, dass vor allem Hafendiensteanbieter, die diskriminierende Preise für die Erbringung ihrer Dienste festsetzen, über Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) zur Verantwortung gezogen werden können. Aber auch andere missbräuchliche Verhaltensweisen, wie beispielsweise die Verweigerung modernerer Technologien oder die Erhebung unverhältnismäßiger Hafenabgaben, sind nach Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) verboten. Neben dem Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) ist auch das Kartellverbot des Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) im Hafensektor von großer Relevanz. Mithilfe dieser Vorschrift können Preisabsprachen zwischen den Hafendiensteanbietern verboten und wettbewerbsbehindernde Kartelle zerschlagen werden. Die Herausgabe unverbindlicher Preisempfehlungen für Hafendienstleistungen, wie sie lange Zeit in den europäischen Seehäfen üblich war, kann ebenfalls nach Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) verboten werden. Aber auch der Vorschrift des Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) kommt angesichts des starken staatlichen Engagements im Hafensektor eine besondere Bedeutung zu. Die einschlägigen EuGHEntscheidungen haben gezeigt, dass den Mitgliedstaaten bereits die Einräumung ausschließlicher Rechte verboten ist, wenn das betreffende Hafendienstleistungsunternehmen dadurch in die Lage versetzt wird, seine beherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Auf diese Weise werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, ihre Einflussmöglichkeiten auf die betreffenden Hafendienstleistungsunternehmen nicht zu missbrauchen. Schließlich ist im Hafensektor noch die Vorschrift des Art. 106 II AEUV (exArt. 86 II EG) zu beachten. Diese Vorschrift nimmt all diejenigen Hafendienstleistungen von der Anwendung der Wettbewerbsregeln aus, bei denen es sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt. In der Untersuchung konnte gezeigt werden, dass es sich bei den ladungsbezogenen Hafendienstleistungen zumeist um rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten und damit nicht um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.v. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) handelt. Der EuGH hat dies damit begründet, dass sich das Interesse an den ladungsbezogenen Hafendienstleistungen nicht besonders von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens unterscheide. Die Wettbewerbsregeln des AEUV finden daher im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienstleistungen uneingeschränkte Anwendung. Anders verhält es sich hingegen mit den technisch-nautischen Hafendiensten. Hier hat der EuGH zumindest hinsichtlich der Festmacherdienste festgestellt, dass es sich angesichts der betroffenen öffentlichen Sicherheit um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

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2. Teil: Primäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

handelt. Diese Annahme muss aber genauso für die Lotsen- und Schleppdienste gelten, da die öffentliche Sicherheit durch ihre Arbeit in mindestens demselben Umfang betroffen ist. Auf die Lotsen-, Schlepp- und Festmacherdienste finden die Wettbewerbsregeln des AEUV daher grundsätzlich keine Anwendung. Dies ist auch interessengerecht, da insgesamt nur wenige Berufsgruppen existieren, welche innerhalb von Sekunden durch Fehlentscheidungen Schäden von solch enormem Ausmaß herbeiführen können482. Würden die Anbieter technisch-nautischer Hafendienstleistungen unter Wettbewerbsdruck gesetzt, wäre das Risiko derartiger Fehlentscheidungen deutlich erhöht. So kam es beispielsweise in Australien zu einer Reihe schwerer Schiffsunfälle, nachdem das Lotswesen dort dem Wettbewerb geöffnet wurde483. Im Ergebnis ist daher dem EuGH beizupflichten, dass im Bereich der technisch-nautischen Hafendienste kein Wettbewerbsdruck herrschen sollte. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Vorgaben des europäischen Wettbewerbsrechts einen Rechtsrahmen aufstellen, innerhalb dessen die Hafendiensteanbieter ihre Dienstleistungen zu erbringen haben. Ihr Verhalten liegt mithin nicht in ihrem freien Gestaltungsermessen, sondern hat sich an den durch den EuGH und die Kommission aufgestellten Grundsätzen zu orientieren. Verhält sich ein Hafendienstleistungsunternehmen nicht wettbewerbskonform, kann dies nach Art. 101 oder 102 AEUV (ex-Art. 81 oder 82 EG) geahndet werden. Nachteilig ist lediglich, dass sich die Kontrolle über die Wettbewerbsregeln immer erst ex-post vollzieht und dass die wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen nur einzelfallbezogen gelten – beides Umstände, die zu erheblicher Rechtsunsicherheit beitragen können.

482 483

BSHL, Jahresbericht 2000/2001, S. 2. Vgl. Mehrkens, Schiff und Hafen 2002, S. 60, 61.

Dritter Teil

Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen Nachdem im zweiten Teil der Arbeit die sich aus dem Primärrecht ergebenden Vorgaben für den Hafendienstleistungssektor näher beleuchtet wurden, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, inwiefern auch das Sekundärrecht in diesem Bereich Maßstäbe setzt. Wie bereits in dem historischen Überblick über die Seehafenpolitik der EU erwähnt, bemüht sich die Kommission erst seit Mitte der neunziger Jahre darum, einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für die europäischen Seehäfen zu schaffen. In ihrem Grünbuch über Seehäfen und SeeverkehrsInfrastruktur aus dem Jahr 1997 setzte sie sich dann aber umfassend mit dem Markt für Hafendienstleistungen auseinander und propagierte eine gemeinsame Marktzugangs- und Wettbewerbspolitik in diesem Bereich1. Dabei hob sie die zentrale Bedeutung der Hafendienstleistungen für die Funktionsfähigkeit des gesamten Seeverkehrssystems hervor und empfahl die Schaffung eines ordnungspolitischen Rahmens für deren Liberalisierung. Während diese Idee beim Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss auf breite Zustimmung stieß2, lehnte das Parlament die Errichtung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens grundsätzlich ab und forderte stattdessen eine strikte Anwendung der Wettbewerbsregeln3. Die Kommission gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass eine Effizienzsteigerung im Seehafensektor nur mithilfe einer Marktöffnung im Bereich der Hafendienste zu erreichen sei, und legte zu diesem Zweck gleich zwei Richtlinienentwürfe, das Port Package I und das Port Package II, zur Liberalisierung der Hafendienste, vor. Diese beiden Richtlinienentwürfe sollen im Folgenden näher dargestellt und kritisch gewürdigt werden.

A. Port Package I Den ersten Vorschlag für eine Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienstleistungen legte die Kommission im Rahmen ihrer Mitteilung „Verbesserung der Dienstequalität in Seehäfen: Ein zentraler Aspekt für den europäischen Verkehr“ 1

KOM (97) 678 endg. ABl. EG vom 28. 12. 1998, Nr. C 407, S. 92. 3 ABl. EG vom 14. 04. 1999, Nr. C 104, S. 70; vgl. Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 351. 2

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3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

am 13. 02. 2001 vor4. Dieses so genannte „Port Package“ gliederte sich in drei Themenbereiche5. Der erste Themenbereich befasste sich mit der Integration der Seehäfen in das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN). Er sah die Aufnahme von rund 300 Seehäfen in die TEN-Schemata vor und legte die Voraussetzungen für deren Aufnahme fest6. Der zweite Themenbereich setzte sich mit dem Zugang zum Markt für Hafendienstleistungen auseinander. Hier sah die Kommission Handlungsbedarf und fügte zu diesem Zweck einen Vorschlag über eine Marktzugangsrichtlinie bei, der im Folgenden näher erläutert wird. Der dritte Themenkomplex der Kommissionsmitteilung befasste sich schließlich mit der Problematik der Finanzierung von Häfen und Hafeneinrichtungen durch öffentliche Mittel. Hierzu führte die Kommission eine Bestandsaufnahme über die Formen der öffentlichen Finanzierung und Gebührenerhebung im Hafensektor durch und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Investitionen trotz der wachsenden Bedeutung privater Beteiligungen in den europäischen Seehäfen von großer Bedeutung sind7. Die Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Mittel sei jedoch nicht ausreichend gewährleistet8. Weiterhin stellte die Kommission fest, dass die Gebühren- und Kostendeckungssysteme in den Häfen der EU sehr unterschiedlich ausgestaltet seien, was auch damit zusammenhänge, dass Kostendeckung nicht immer als das Hauptziel erachtet werde9. Schließlich seien die Zugangsmöglichkeiten zum Markt für Hafendienste vielfach unklar und unzureichend ausgestaltet10. Die Kommission gelangte daher zu dem Ergebnis, dass die Transparenz im Hafensektor verbessert werden müsse. Dieses Ziel könne über eine konsequente Anwendung der Transparenzrichtlinie11 sowie der vorgeschlagenen Marktzugangsrichtlinie erreicht werden12.

I. Der Richtlinienvorschlag über den Zugang zum Markt für Hafendienste Insgesamt setzte sich die Kommissionsmitteilung „Verbesserung der Dienstequalität in Seehäfen: Ein zentraler Aspekt für den europäischen Verkehr“ also aus drei Teilen zusammen. Kernelement der Mitteilung war aber zweifelsohne der der Mitteilung beigefügte Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste. 4

KOM (2001) 35 endg. Vgl. zum Folgenden Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 6 ff. 6 KOM (2001) 35 endg., S. 3. 7 KOM (2001) 35 endg., S. 6. 8 KOM (2001) 35 endg., S. 6. 9 KOM (2001) 35 endg., S. 6. 10 KOM (2001) 35 endg., S. 6. 11 ABl. EG Nr. L 193 vom 29. 07. 2000. 12 KOM (2001) 35 endg., S. 8.

5

A. Port Package I

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1. Zielsetzung des Richtlinienvorschlags Grundlegende Zielsetzung des Richtlinienvorschlags war es, den Markt für Hafendienstleistungen dem Wettbewerb zu öffnen, um auf diese Weise die Effizienz der europäischen Seehäfen als wesentliche Knotenpunkte im transeuropäischen Verkehrsnetz zu erhöhen13. Die Qualität, Effizienz und Flexibilität der Hafendienstleistungen sollte optimiert werden14. Zu diesem Zweck strebte die Kommission die Errichtung eines gemeinschaftlichen Regelungsrahmen an, der den Marktzugang für Hafendienste systematisch regeln und dabei gleichzeitig den Erfordernissen von Sicherheit und Umweltschutz im Seeverkehr, öffentlichen Dienstleistungsverpflichtungen und der Verschiedenheit der Häfen angemessen Rechnung tragen sollte15. In Art. 1 des Richtlinienentwurfs wurde das Ziel der Richtlinie folgendermaßen definiert: „Die Freiheit, Hafendienstleistungen zu erbringen, gilt für Hafendiensteanbieter der Gemeinschaft im Rahmen der Bestimmungen dieser Richtlinie. Hafendiensteanbieter haben Zugang zu Hafenanlagen, soweit dies für ihre Tätigkeit erforderlich ist.“16. Die Erleichterung des Zugangs zum Hafendienstemarkt sollte vorhandene Beschränkungen, die den Zugang für Hafendienstebetreiber behindern, beseitigen, die Qualität der gegenüber Hafennutzern erbrachten Dienstleistungen verbessern und die Effizienz und Flexibilität erhöhen17. Auf diese Weise sollte den durch den EG-Vertrag garantierten vier Grundfreiheiten sowie den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages auch im Hafensektor zur Durchsetzung verholfen werden18. Der Wettbewerb zwischen und in den Seehäfen sollte unter gleichen Ausgangsbedingungen stattfinden19. Die angestrebte Flexibilitäts- und Effizienzsteigerung sollte zudem zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs sowie des multimodalen Verkehrs beitragen20. Schließlich versprach sich die Kommission von einem erhöhten Wettbewerb innerhalb der Häfen eine deutliche Kostensenkung im Bereich der Hafendienste21. 2. Begründung des Richtlinienvorschlags Die Kommission begründete ihren Vorschlag mit dem häufigen Fehlen freien Wettbewerbs und der mangelnden Gewährleistung der vier Vertragsfreiheiten in den europäischen Seehäfen22. Vielmehr würden die angebotenen Hafendienste „tradi13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Jarzembowski, HANSA 2002, S. 14, 15. KOM (2001) 35 endg., S. 26. KOM (2001) 35 endg., S. 4. KOM (2001) 35 endg., S. 29. KOM (2001) 35 endg., S. 26. KOM (2001) 35 endg., S. 15. KOM (2001) 35 endg., S. 16. Immenga/Mestmäcker-Basedow, VII. Abschnitt, C I, Rn. 10. KOM (2001) 35 endg., S. 26; vgl. hierzu Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 10. Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 10.

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3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

tionell im Rahmen ausschließlicher und/oder rechtlicher oder de facto-Monopole öffentlicher oder privater Natur“ erbracht23. Zwar stellte die Kommission fest, dass es einen Trend zur Verlagerung der Hafendienstleistungen vom öffentlichen auf den privaten Sektor gegeben habe, doch sei dieser Trend bei weitem nicht einheitlich, sondern variiere erheblich zwischen den verschiedenen Hafendienstleistungsunternehmen24. Für den Bereich der ladungsbezogenen Dienste erkannte die Kommission an, dass die traditionellen Strukturen vielfach aufgebrochen werden konnten, was eine stärkere Wettbewerbsorientierung sowie eine höhere Beteiligung des privaten Sektors zur Folge gehabt habe25. Dieser allgemeine Trend habe indes längst nicht alle Häfen der EU erreicht26. Nach Ansicht der Kommission sei es daher notwendig, diese Entwicklung durch klare und zuverlässige Verfahrensvorschriften zu stützen, in denen die Rechte und Pflichten der etablierten und potentiellen Diensteanbieter sowie der für die Überwachung der Häfen und/oder die Auswahl der Diensteanbieter zuständigen einzelstaatlichen Behörden verankert sind27. Für den Bereich der technisch-nautischen Dienste wies die Kommission ausdrücklich darauf hin, dass die wettbewerblichen Entwicklungen „weniger intensiv“ waren28. Beschränkungen sowie private und öffentliche Monopole seien insbesondere bei den Lotsen, in geringerem Ausmaß aber auch bei den Schlepp- und Festmachdiensten, durchaus üblich29. Nach Ansicht der Kommission habe dies zur Folge, dass diese Dienste oft einen unverhältnismäßigen Kostenfaktor für die Nutzer darstellten, was sich wiederum negativ auf den Wettbewerb zwischen den Häfen auswirke30. All dies führte nach Ansicht der Kommission zu unterschiedlichen Wettbewerbssituationen bei der Erbringung von Hafendiensten. Die Betrachtung dieser Gesamtumstände führte die Kommission zu der Erkenntnis, dass die Schaffung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens unerlässlich sei. Schließlich wies die Kommission zur Untermauerung ihrer Begründung darauf hin, dass Konsultationen im Hafensektor eine breite Zustimmung zur Schaffung eines gemeinschaftlichen Regelungsrahmens ergeben hätten31. 3. Geltungsbereich des Richtlinienvorschlags Der von der Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf sollte ursprünglich für alle Seehäfen bzw. Hafensysteme der EU gelten, deren durchschnittlicher Jahresumschlag in den letzten drei Jahren nicht unter 3 Millionen Tonnen oder 500.000 23 24 25 26 27 28 29 30 31

KOM (2001) 35 endg., S. 3. KOM (2001) 35 endg., S. 16. KOM (2001) 35 endg., S. 3 f. KOM (2001) 35 endg., S. 4. KOM (2001) 35 endg., S. 4. KOM (2001) 35 endg., S. 4. KOM (2001) 35 endg., S. 4. KOM (2001) 35 endg., S. 4. KOM (2001) 35 endg., S. 4.

A. Port Package I

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Fahrgastbewegungen lag32. Von einigen Ausnahmen abgesehen, wären damit all diejenigen Häfen in den Geltungsbereich der Richtlinie gefallen, die im Rahmen der Transeuropäischen Netze unter die Kategorie „Seehäfen von internationaler Bedeutung“ fallen33. Im Rahmen des interinstitutionellen Gesetzgebungsverfahrens wurden diese Schwellenwerte jedoch abgesenkt, so dass dann auch jene Häfen in den Geltungsbereich der Richtlinie gefallen wären, deren durchschnittlicher Jahresumschlag in den letzten drei Jahren nicht unter 1,5 Millionen Tonnen oder 200.000 Fahrgastbewegungen lag34. Eine weitere Änderung erfuhr der Geltungsbereich des Richtlinienentwurfs im Gesetzgebungsprozess dadurch, dass er sich nunmehr auch auf die Zugangswasserstraßen erstrecken sollte, welche die Verbindung zwischen Meer und Hafen schaffen, wie beispielsweise Fahrrinnen, Flüsse, Kanäle und Fjorde35. In sachlicher Hinsicht war der Anwendungsbereich der Richtlinie auf die im Anhang aufgeführten Hafendienste beschränkt. Hierbei handelte es sich um die technisch-nautischen Hafendienste, den Ladungsumschlag sowie die Fahrgastdienste36. Damit erfasste der Richtlinienvorschlag nur gewerblich erbrachte Hafendienste und unterschied nicht zwischen öffentlichen und privaten Anbietern37. 4. Wesentliche Inhalte des Richtlinienvorschlags Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Richtlinienvorschlag eine Wettbewerbsordnung für technisch-nautische sowie ladungsbezogene Hafendienstleistungen innerhalb der europäischen Seehäfen einführen sollte38. Auf diese Weise sollte eine hafenspezifische Ausformung der durch den EG-Vertrag grundsätzlich garantierten Dienstleistungsfreiheit erreicht werden39. Zu den technisch-nautischen Hafendiensten zählte der Richtlinienentwurf das Lotsen, Schleppen und das Festmachen40. Zu den ladungsbezogenen Diensten hingegen zählte er das Laden, Löschen, Stauen, Umladen und andere Transporttätigkeiten am Terminal, die Lagerung, Deponierung und Einlagerung (differenziert nach Ladungskategorien) sowie das Zusammenstellen von Sammelladungen41. Darüber hinaus wurden auch die Fahrgastdienste (einschließlich des Ein- und Ausschiffens) von der Richtlinie erfasst42. Für all diese Dienste sollte eine nachhaltige Marktöffnung erreicht werden. 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

KOM (2001) 35 endg., S. 29. Jarzembowski, HANSA 2002, S. 14, 14. Vgl. Art. 2 des Gemeinsamen Standpunktes, ABl. EG Nr. C 299 E/1 vom 03. 12. 2002. KOM (2002) 101 endg., S. 9. KOM (2001) 35 endg., S. 38. Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 9. Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 7. Jarzembowski, Der Richtlinienvorschlag, S. 1, 4. KOM (2001) 35 endg., S. 38. KOM (2001) 35 endg., S. 38. KOM (2001) 35 endg., S. 38.

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3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

Die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels bestand darin, ein Vergabeverfahren für Hafendienste einzuführen. So sollten die Mitgliedstaaten für Hafendiensteanbieter eine vorherige Genehmigung vorschreiben können, welche von der zuständigen Behörde nach transparenten, nicht diskriminierenden, objektiven, sachgerechten und verhältnismäßigen Kriterien hätte erteilt werden müssen43. Als Vergabekriterien wurden die fachliche Qualifikation des Anbieters, eine solide Finanzlage, ein ausreichender Versicherungsschutz, Sicherheitserwägungen, Beschäftigungs- und Sozialvorschriften, Umweltanforderungen, der Entwicklungsplan des Hafens sowie gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vorgegeben44. Kriterien und Verfahren waren zuvor zu veröffentlichen45. Darüber hinaus sollte dem Diensteanbieter erlaubt werden, Personal seiner Wahl zu beschäftigen, um die von der Genehmigung erfasste Dienstleistung zu erbringen46. Zentraler Baustein des Richtlinienentwurfs war jedoch das in Art. 7 niedergelegte Recht der Mitgliedstaaten zur Begrenzung der Anzahl der Diensteanbieter47. Der überwiegende Teil der Richtlinienvorschriften hätte nämlich überhaupt erst im Fall einer Begrenzung der Anbieterzahl Anwendung gefunden48. Die Mitgliedstaaten sollten die Anzahl der Hafendiensteanbieter jedoch nur aufgrund fehlenden Raums, fehlender Kapazität oder aus Sicherheitsgründen begrenzen können49. Dabei sollte die zuständige Behörde die unter den gegebenen Umständen höchstmögliche Zahl an Diensteanbietern zulassen, bei Raum- oder Kapazitätsengpässen jedoch mindestens zwei voneinander unabhängige Diensteanbieter für jede Ladungskategorie50. Im Falle einer Begrenzung der Diensteanbieterzahl hätten die Genehmigungen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen erteilt werden müssen. Hierzu hätte die zuständige Behörde ein transparentes und objektives Auswahlverfahren auf dem Wege einer mindestens 52 Tage währenden Ausschreibung unter Anwendung verhältnismäßiger und sachgerechter Kriterien durchführen müssen51. Je nach Art der getätigten Investitionen wäre die Genehmigung dann für einen bestimmten Zeitraum erteilt worden. So sah der Richtlinienentwurf vor, dass die Geltungsdauer der Genehmigung maximal 5 Jahre betragen sollte, wenn der Diensteanbieter keine oder nur unbedeutende Investitionen getätigt hat52. Bei bedeutenden Investitionen in bewegliche Vermögenswerte sollte die maximale Geltungsdauer 10 Jahre betragen. Bei bedeutenden Investitionen in Immobilien hätte die maximale Geltungsdauer 43

KOM (2001) 35 endg., S. 31. Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 352. 45 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 352. 46 KOM (2001) 35 endg., S. 31. 47 Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 598. 48 Elsner, Reinforcing Quality Service in Sea Ports, S. 9, 14; Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 598. 49 KOM (2001) 35 endg., S. 31. 50 KOM (2001) 35 endg., S. 31. 51 KOM (2001) 35 endg., S. 32; vgl. Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 352. 52 KOM (2001) 35 endg., S. 33. 44

A. Port Package I

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schließlich 25 Jahre betragen, und zwar unabhängig davon, ob die damit verbundenen Eigentumsrechte an den Hafen fallen oder nicht53. Als weitere Voraussetzung verlangte die Kommission eine getrennte Buchführung für einzelne Dienstleistungen54. Reeder sollten unter bestimmten Voraussetzungen das Recht erhalten, im Rahmen der so genannten Selbstabfertigung eigenes Personal und eigenes Gerät für ihre Umschlagarbeiten einzusetzen55. Dies hätte eine Abkehr von den vielerorts herrschenden Praktiken bedeutet, für Umschlagarbeiten ausschließlich auf so genannte „Dockerpools“ zurückzugreifen56. Schließlich sah der Richtlinienentwurf eine Einspruchsmöglichkeit bei einem mitgliedsstaatlichen Gericht oder einer unabhängigen Behörde für den Fall der Verweigerung der Genehmigung durch die zuständige Hafenbehörde vor57. Sofern das Leitungsorgan eines Hafens selbst hätte Hafendienste anbieten wollen, hätten ebenfalls die für die Erteilung einer Genehmigung maßgeblichen Kriterien gegolten. Auch hier verlangte die Kommission eine getrennte Buchführung58. Für Entscheidungen über eine Begrenzung der Anbieterzahl und die Durchführung des Auswahlverfahrens wäre in diesem Fall eine andere unabhängige Behörde zuständig gewesen59. Für den Fall, dass in einem Auswahlverfahren für eine bestimmte Hafendienstleistung kein geeigneter Diensteanbieter gefunden worden wäre, hätte dem Leitungsorgan des Hafens die Erbringung dieser Dienstleistung für fünf Jahre befristet erlaubt werden können60. 5. Gesetzgebungsverfahren Der Richtlinienvorschlag unterlag dem Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EG (jetzt Art. 294 AEUV)61. Er wurde in mehreren Lesungen und einem anschließenden Vermittlungsverfahren von Parlament und Rat kontrovers diskutiert und beraten62. Das Parlament stimmte dem Richtlinienvorschlag auf seiner Plenartagung vom 14. 11. 2001 zunächst – vorbehaltlich einer Anzahl von Abänderungen – zu63.

53

KOM (2001) 35 endg., S. 33. KOM (2001) 35 endg., S. 33. 55 KOM (2001) 35 endg., S. 33; vgl. Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 8. 56 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 8; Van Hooydonk, Il Diritto Marittimo 2004, S. 851, 859. 57 KOM (2001) 35 endg., S. 34; vgl. Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 12. 58 KOM (2001) 35 endg., S. 33. 59 Vgl. zum Folgenden Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 352. 60 KOM (2001) 35 endg., S. 34. 61 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 8; siehe zu dieser Art des interinstitutionellen Gesetzgebungsverfahrens: Giebenrath, Das Mitentscheidungsverfahren, S. 1 ff. 62 Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste – Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr – A6-0410/2005, S. 6. 63 Vgl. zum Folgenden Hautau, ZVerkWiss 2002, S. 179, 180. 54

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3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

Die Kommission erkannte einige dieser Änderungsvorschläge an und legte daher am 19. 02. 2002 einen geänderten Richtlinienvorschlag gem. Art. 250 II EG (jetzt Art. 293 II AEUV) vor64. Am 05. 11. 2002 legte dann der Rat seinen Gemeinsamen Standpunkt bezüglich des Richtlinienvorschlags fest, durch welchen einige Abänderungen an dem geänderten Vorschlag der Kommission vorgenommen wurden65. Wesentliche Modifikationen betrafen die Schwellenwerte des Geltungsbereichs, die Begrenzung der Anbieterzahl, die Geltungsdauer der Genehmigung, eine Sonderrolle für die Lotsendienste, die Vergabe von auf maximal 40 Jahre begrenzten Genehmigungen für Hafendienste ohne weitere Auflagen bei einer vorherigen Finanzierung und Errichtung eines neuen Hafens oder eines weiteren Hafenteils, die stärkere Betonung der Möglichkeit zur Selbstabfertigung sowie erweiterte Möglichkeiten für Ausgleichszahlungen66. Hinsichtlich der Schwellenwerte des Geltungsbereichs strebte der Rat eine Reduzierung auf 1,5 Millionen Tonnen Fracht oder 200.000 Passagiere an67. Darüber hinaus sollte nach Ansicht des Rates die Möglichkeit des Ausschlusses von Häfen mit saisonabhängiger Nutzung sowie sicherheitsempfindlicher Dienste bestehen68. Hinsichtlich der Geltungsdauer der Genehmigung sollte der Zeitraum auf 10, 15 und 36 Jahre angehoben werden69. Zudem sollte bei bedeutenden Investitionen eine einmalige Verlängerung der Genehmigung um 10 Jahre möglich sein70. In seiner Sitzung vom 11. 03. 2003 nahm das Parlament einige Änderungen am Gemeinsamen Standpunkt an71. Sie betrafen insbesondere das Ziel und den Geltungsbereich der Richtlinie, die Selbstabfertigung, den Genehmigungsvorbehalt für Hafendienste, Art und Dauer von Genehmigungen und Übergangsmaßnahmen, Ausgleichszahlungen, das Lotswesen, den Wettbewerb zwischen den Häfen sowie die Transparenz der finanziellen Beziehungen, die Entwicklungspolitik für den Hafen und das Auswahlverfahren für Anbieter von Hafendiensten72. Der Rat teilte jedoch am 22. 07. 2003 mit, dass er nicht in der Lage sei, die Abänderungen des

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KOM (2002) 101 endg. ABl. EG Nr. C 299 E/1 vom 03. 12. 2002. 66 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 353. Näher zu den einzelnen Aspekten von Kap-Herr, Weitere Entwicklungen des Port Package, S. 33, 34 ff. 67 ABl. EG Nr. C 299 E/1 vom 03. 12. 2002, S. 5. 68 Frerich/Müller, Europäische Verkehrspolitik, S. 353. 69 ABl. EG Nr. C 299 E/1 vom 03. 12. 2002, S. 8. 70 ABl. EG Nr. C 299 E/1 vom 03. 12. 2002, S. 8. 71 Vgl. zum Folgenden den Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/ 2003, S. 4. 72 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 6. 65

A. Port Package I

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Parlaments zu übernehmen73. Der Präsident des Rates berief daher in Übereinstimmung mit dem Präsidenten des Parlaments eine Sitzung des Vermittlungsausschusses ein74. Das Vermittlungsverfahren wurde am 09. 09. 2003 formell eröffnet75. Auf der am 29. 09. 2003 stattfindenden Sitzung sollte schließlich eine Einigung erzielt werden. An diesem Tag fanden in zahlreichen europäischen Hafenstädten Demonstrationen statt. Besonders die Gewerkschaften der Hafenarbeiter protestierten heftig gegen den Erlass der Richtlinie. So kamen in den Hafenstädten Rotterdam und Barcelona rund 16.000 Hafenarbeiter aus allen Teilen Europas zusammen76. Davon unbeeindruckt einigten sich die Vertreter des Europäischen Parlaments (mit knapper Mehrheit) und des Rates (einvernehmlich) in der Nacht vom 29. 09. 2003 auf einen Kompromisstext77. Dieser sah vor, die Selbstabfertigung auf seemännisches Personal und Gerät zu beschränken78. Weiterhin sollte es den Mitgliedstaaten überlassen werden, ob sie einen obligatorischen Genehmigungsvorbehalt für Hafendienste vorschreiben wollten79. Der Rat akzeptierte zudem die Änderungen des Parlaments zu den Fristen und Bedingungen für die Genehmigungen und die Übergangsregelungen80. Hinsichtlich der Ausgleichszahlungen an vorherige Diensteanbieter wurde als Kompromiss vereinbart, dass die Mitgliedstaaten gesetzliche Regelungen für angemessene Ausgleichszahlungen an vorherige Diensteanbieter erlassen können, allerdings auf den Fall beschränkt, dass die Geltungs-

73 Vgl. den Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 4. 74 Vgl. den Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 4. 75 Vgl. den Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 4. 76 Kamin, WSI-Mitteilungen 2006, S. 57, 58. 77 Gemeinsamer Entwurf 3670/2003 – C5-0461/2003 sowie Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003. 78 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 7. 79 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 7. 80 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 7.

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3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

dauer ihrer Genehmigungen durch die neue Richtlinie verkürzt wird81. Das Parlament erklärte sich nunmehr auch bereit, das Lotswesen im Geltungsbereich der Richtlinie zu belassen82. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit sollten die zuständigen Behörden die Tätigkeit der Lotsen jedoch auf einen Anbieter beschränken können83. Der Rat hingegen akzeptierte eine Erweiterung der Ziele der Richtlinie um die Zielsetzung der Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen zwischen und in den Häfen der EU84. Zu diesem Zweck sollte jeder Hafen und die Hafendiensteanbieter verpflichtet sein, den Mitgliedstaaten und der Kommission die finanziellen Beziehungen zwischen ihnen und den öffentlichen Stellen offen zu legen85. Darüber hinaus übernahm der Rat weitere Abänderungen des Parlaments, welche die Entwicklungspolitik für den Hafen, das Auswahlverfahren für Diensteanbieter und Investitionen in bewegliche Vermögenswerte betrafen86. Im Ergebnis waren beiden Seiten mit diesem, vom Vermittlungsausschuss gebilligten, Entwurf einer Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienste einverstanden87. Am 20. 11. 2003 kam es jedoch zu einer politischen Sensation: zum dritten Mal in der Geschichte der EU scheiterte ein Richtlinienentwurf88. Das Parlament hatte den mühsam errungenen Kompromiss mit knapper Mehrheit verworfen. Bei 16 Enthaltungen stimmten 209 der 454 Europaabgeordneten für den Kompromisstext und

81

Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 7. 82 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 7. 83 Vgl. den Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 7. 84 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 7. 85 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 8. 86 Bericht über den vom Vermittlungsausschuss gebilligten Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste – Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss – A5-0364/2003, S. 8. 87 Van Hooydonk, Il Diritto Marittimo 2004, S. 851, 861. 88 Kamin, WSI-Mitteilungen 2006, S. 57, 58. Bereits zuvor an der ablehnenden Haltung des Europäischen Parlaments gescheitert waren in einer Abstimmung vom 01. 03. 1995 der gemeinsame Entwurf des Vermittlungsausschusses betreffend die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, ABl. EG 1995 Nr. C 68, S. 26, sowie in einer Abstimmung vom 04. 07. 2001 der Vorschlag einer Richtlinie betreffend die Übernahmeangebote, Dok. EP A5-237/2001; dazu näher Groeben/ Schwarze-Schoo, Art. 251, Rn. 48.

A. Port Package I

141

229 dagegen89. Insbesondere in den Fragen der Selbstabfertigung, der Ausgleichszahlungen an vorherige Diensteanbieter sowie der Einbeziehung des Lotswesens in die Richtlinie konnten die Parlamentarier keine Einigkeit erzielen90. Damit war der Richtlinienentwurf nach einem fast drei Jahre währenden, interinstitutionellen Gesetzgebungsverfahren endgültig gescheitert.

II. Der Richtlinienvorschlag in der Kritik Der parlamentarischen Ablehnung des Port Package vorausgegangen waren massive Proteste, vor allem von Seiten der Hafenarbeitergewerkschaften91. Aber auch seitens der Hafenwirtschaft war zum Teil heftige Kritik laut geworden worden. Die Reeder und Verlader als Nachfrager von Hafendienstleistungen hingegen standen dem Richtlinienentwurf größtenteils positiv gegenüber. Von einer einheitlichen Bewertung des Richtlinienentwurfs konnte also keine Rede sein. Auch die verschiedenen Mitgliedstaaten der EU waren sich in der Bewertung der Richtlinie uneins. In Deutschland standen die Bundesregierung und der Bundestag dem Vorschlag der Kommission kritisch gegenüber92. Aber auch der Bundesrat sah grundsätzlich keinen Bedarf für eine Liberalisierung der Hafendienste93. Im Folgenden sollen die verschiedenen Kritikpunkte der Beteiligten kurz aufgegriffen und kritisch gewürdigt werden. 1. Reaktionen der Anbieter von Hafendienstleistungen Die in den europäischen Seehäfen ansässigen Hafendienstleistungsunternehmen standen dem Richtlinienentwurf zumeist skeptisch gegenüber. a) Reaktionen der ladungsbezogenen Hafendiensteanbieter Kritik wurde vor allem von Seiten der Hafenwirtschaft geäußert. Aus ihrer Sicht stellte der Richtlinienentwurf einen Eingriff in den Betrieb der Häfen und die ihrer Ansicht nach bewährten Hafenstrukturen dar94. Bezogen auf Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis sahen sie in den europäischen Seehäfen keinerlei 89 Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste – Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr – A6-0410/2005, S. 7. 90 Jarzembowski, Die Europäische Verkehrspolitik, S. 54. 91 Immenga/Mestmäcker-Basedow, VII. Abschnitt, C I, Rn. 10. 92 Bundestag, Beschlussempfehlung vom 14. 12. 2001, Drucksache 14/7890. 93 Bundesratsbeschluss vom 13. 07. 2001, Drucksache 196/01. 94 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 18; ZDS, Stellungnahme vom 10. 05. 2001 zum Richtlinienvorschlag, S. 2.

142

3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

wettbewerbspolitischen Handlungsbedarf95. Der Erlass der Richtlinie hätte ihrer Ansicht nach eine Rückkehr zu bürokratischer Überregulierung bedeutet96. Weiterhin wurde bemängelt, dass die Kommission das Problem des relevanten Marktes nicht richtig behandelt habe, der für viele Ladungsarten über den einzelnen Hafen hinausginge97. In Deutschland übte vor allem der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) massive Kritik an dem Vorgehen der Kommission. Zwar begrüßte der Verband im Grundsatz weitere Liberalisierungsmaßnahmen; den konkreten Richtlinienentwurf lehnte er jedoch ausdrücklich ab, da er das bereits bestehende effiziente Hafensystem in Deutschland gefährden würde98. Der freie hafeninterne Wettbewerb sowie das Prinzip der Dienstleistungsfreiheit seien in den deutschen Seehäfen für ladungsbezogene Dienste bereits realisiert99. Die in dem Richtlinienentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen würden daher keine Verbesserung mit sich bringen, sondern vielmehr durch Überregulierung zu mehr Bürokratie führen. Zudem verletzten sie das Subsidiaritätsprinzip und widersprächen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel100. Insbesondere das in dem Richtlinienvorschlag vorgesehene Genehmigungsverfahren wurde vom ZDS scharf kritisiert, da es einerseits die Hafenbehörden daran hindere, eine gesamtorientierte Hafenentwicklung durchzuführen und andererseits die Unternehmen durch viel zu kurz bemessene Laufzeiten in ihrer Investitionsbereitschaft hemme101. Im Ergebnis sah der ZDS für den Bereich der ladungsbezogenen Hafendienste daher keinen Bedarf für eine Marktzugangsrichtlinie. Auch hielt der ZDS den Ansatz der Kommission, einheitliche Rahmenbedingungen für den Wettbewerb innerhalb der Häfen zu schaffen, den Wettbewerb zwischen den Häfen jedoch nicht zu harmonisieren, für inkonsequent102. Aus seiner Sicht wäre im Hinblick auf die Lösung der Wettbewerbsprobleme zwischen den europäischen Seehäfen die Formulierung gemeinschaftlicher Leitlinien über staatliche Beihilfen für Hafenunternehmen der bessere Weg gewesen103. Auf europäischer Ebene übten vor allem die European Seaports Association (ESPO) und die Federation of European Private Port Operators (FEPORT) Kritik an dem Richtlinienentwurf. Auch sie befürchteten einen unverhältnismäßigen Eingriff in bewährte Hafenstrukturen104. Ähnlich wie der ZDS begrüßten beide Verbände zwar 95

ZDS, Stellungnahme vom 07. 01. 2005 zum Richtlinienvorschlag, S. 3. Farrell, Maritime Policy and Management 2001, S. 307, 309. 97 Behrendt, Der Richtlinienvorschlag aus Sicht einer Hafenbehörde, S. 11, 13; Farrell, Maritime Policy and Management 2001, S. 307, 308. 98 ZDS, Stellungnahme vom 10. 05. 2001 zum Richtlinienvorschlag, S. 2. 99 ZDS, Stellungnahme vom 10. 05. 2001 zum Richtlinienvorschlag, S. 2. 100 ZDS, Stellungnahme vom 10. 05. 2001 zum Richtlinienvorschlag, S. 2. 101 ZDS, Stellungnahme vom 10. 05. 2001 zum Richtlinienvorschlag, S. 3. 102 ZDS, Stellungnahme vom 10. 05. 2001 zum Richtlinienvorschlag, S. 6. 103 ZDS, Stellungnahme vom 10. 05. 2001 zum Richtlinienvorschlag, S. 6. 104 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 19. 96

A. Port Package I

143

grundsätzlich die Liberalisierungsbestrebungen der Kommission, an der Geeignetheit der konkreten Maßnahmenvorschläge äußerten jedoch auch sie Zweifel105. Insbesondere seien die vorgesehenen Entschädigungsregeln unzureichend106. Zudem würden das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch die Richtlinie verletzt107. Im Ergebnis befürchteten beide Verbände einen den Zielen der Richtlinie widersprechenden bürokratischen Aufwand für die Hafenbehörden. Schließlich wiesen ESPO und FEPORT mehrfach darauf hin, dass die Herstellung eines „level playing field“ zwischen den Seehäfen, d. h. die Schaffung gleicher Voraussetzungen für die verschiedenen Seehäfen, mindestens genauso bedeutsam sei, wie die Errichtung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens für den Marktzugang zu Hafendiensten108. Dies sei jedoch nur durch eine Kontrolle der staatlichen Beihilfen zu erreichen109. Darüber hinaus war allen genannten Verbänden die Befürchtung gemein, dass asiatische Terminalbetreiber, die in ihren Heimathäfen über Monopolstellungen verfügten, in den europäischen Markt drängen würden und es in der Folge zu globalen Marktkonzentrationen und einer kräftigen Erhöhung der Umschlaggebühren kommen könnte110. Ebenso wie die Verbände der Hafenwirtschaft übten auch die Interessenvertretungen der Hafenarbeiter massive Kritik an dem Richtlinienentwurf111. Sie befürchteten einen weitreichenden Sozialabbau beim Personal sowie eine Gefährdung der Sicherheitsstandards in den europäischen Häfen112. Vor allem das in der geänderten Fassung des Richtlinienentwurfs vorgesehene Recht zur Selbstabfertigung löste unter den Hafenarbeitern Europas Empörung aus. Angesichts der Tatsache, dass die Reedereien ihre Besatzungen bevorzugt aus Niedriglohnländern rekrutieren, fürchteten tausende Hafenarbeiter in den europäischen Seehäfen um ihre Jobs113. Ferner wurde eine Gefährdung der Sicherheitsstandards durch ungelernte Hafenarbeiter befürchtet. Eine Kostensenkung im Bereich der Hafendienste würde den Hafenarbeitern zufolge zu Lasten der Verkehrs- und Arbeitssicherheit und damit letztlich zu Lasten der Beschäftigten gehen114.

105

ESPO/FEPORT, Joint Statement vom 15. 03. 2002, S. 1. ESPO/FEPORT, Joint Statement vom 15. 03. 2002, S. 2. 107 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 19. 108 Vgl. Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 19; Valkeniers, Is the Cargo Handling Market in Europe Competitive?, S. 309, 312. 109 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 19. 110 Immenga/Mestmäcker-Basedow, VII. Abschnitt, C I, Rn. 10; Sanders, Die ZEIT v. 19. 01. 2006, S. 2. 111 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 21. 112 Vgl. BSHL, „EU Port Package gescheitert“, S. 4, 4. 113 Vgl. Sanders, Die ZEIT v. 19. 01. 2006, S. 1. 114 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 21. 106

144

3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

b) Reaktionen der technisch-nautischen Hafendiensteanbieter Auch die Anbieter technisch-nautischer Hafendienste setzten sich heftig gegen den Erlass der geplanten Marktzugangsrichtlinie zur Wehr. Dies galt in besonderem Maße für die in den europäischen Seehäfen tätigen Lotsen. Umschlagunternehmen, Hafenverwaltungen und Gewerkschaften hatten nämlich eine verstärkte Anwendung der Richtlinie auf diese Berufsgruppe gefordert, da die Lotsen wegen ihrer monopolistischen Struktur häufig einen unverhältnismäßigen Kostenfaktor darstellten115. Dies sahen die Lotsen erwartungsgemäß anders. Sie plädierten im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Umwelt dafür, das Lotswesen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen116. Der Bundesverband der Seeund Hafenlotsen (BSH) argumentierte, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Hafens vor allem dem Einsatz sachkundiger Lotsen zu verdanken sei. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Hafens hänge primär von der sicheren Ankunft der Schiffe in dem betreffenden Hafen ab117. Dies sei aber nur durch die Arbeit qualifizierter Lotsen zu erreichen, die lange und spezialisierte Ausbildungszeiten in Kauf nähmen, um den Anforderungen ihres Berufs gerecht zu werden118. Die Bereitschaft, diese langen Ausbildungszeiten auf sich zu nehmen, müsse daher durch ein entsprechend hohes Einkommen honoriert werden119. In einem deregulierten System sei jedoch mit großen Einkommenseinbußen und hohen persönlichen Risiken für den einzelnen Lotsen bei gleichzeitig unverändert hohen Ansprüchen der Öffentlichkeit an die Sicherheit zu rechnen120. All dies würde auf Dauer zu einem deutlichen Nachwuchsmangel führen121. Auch ginge spezielles nautisches Know-how verloren, dessen Vermittlung für die Sicherheit der Gewässer jedoch unerlässlich sei122. Beispiele aus anderen Ländern, wie beispielsweise den Niederlanden, hätten gezeigt, dass sich ein dereguliertes Lotswesen sowohl auf die Sicherheit der Reviere als auch auf die persönliche Arbeitssituation der einzelnen Lotsen negativ auswirke123. Die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie sei daher abzulehnen. Zumindest müsse aber dem Subsidiaritätsprinzip auch im Rahmen der Richtlinie Geltung verschafft werden124. Ähnlich sah dies die Europäische Seelotsen-Organisation European Maritime Pilots’ Association (EMPA)125. Aber auch der europäische Festmacherverband European Boatmen’s Association (EBA) sowie der europäische 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125

Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 21. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 4. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 4. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 4. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 4. BSHL, Jahresbericht 2000/2001, S. 5. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 5. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 4. BSHL, Jahresbericht 2000/2001, S. 5. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 5. BSHL, Zum aktuellen Diskussionsstand um das EU-Port Package, S. 1.

A. Port Package I

145

Schlepperverband European Tugowners’ Association (ETA) stellten sich gegen den Vorschlag der Kommission126. 2. Reaktionen der Nachfrager von Hafendienstleistungen Reeder und Verlader sind die Nachfrager von Hafendienstleistungen. Im Gegensatz zu den Anbietern von Hafendienstleistungen standen sie dem Erlass der geplanten Marktzugangsrichtlinie durchaus positiv gegenüber127. a) Reaktionen der Reeder Auf europäischer Ebene werden die Reeder von der European Community Shipowners’ Association (ECSA) vertreten. In Deutschland nimmt der Verband Deutscher Reeder (VDR) die Interessen der Reeder wahr. Beide Verbände standen dem Richtlinienvorschlag grundsätzlich positiv gegenüber. Aus ihrer Sicht stellte er einen wesentlichen Schritt dar, die Position der Seeschifffahrt und insbesondere des Kurzstreckenseeverkehrs in der Logistikkette zu stärken128. Von einer Marktöffnung versprachen sich die Reeder eine deutliche Belebung des Hafendienstemarktes mit der Folge sinkender Preise und steigender Effizienz129. Der VDR begrüßte insbesondere das geplante Recht zur Selbstabfertigung sowie die Liberalisierung der Lotsendienstleistungen130. Gerade im Bereich des Ladungsumschlags und der Lotsendienste gelte es, bestehende monopolistische Strukturen aufzubrechen, um auf diese Weise eine Kostensenkung durchzusetzen. Allerdings bezweifelte auch der VDR, dass das vorgesehene Ausschreibungsverfahren einen Beitrag zur Kostensenkung hätte leisten können, da es für alle Beteiligten einen enormen Verwaltungsaufwand bedeutet hätte131. Im Ergebnis sei eine Richtlinie zur Liberalisierung des Hafenbetriebs daher zwar zu begrüßen, in der konkreten Form jedoch nicht unbedingt erforderlich132. b) Reaktionen der Verlader Verlader sind die Kunden der Reeder und damit indirekte Nachfrager von Hafendienstleistungen133. Dementsprechend vertraten die Interessenverbände der Verlader eine ähnliche Haltung zum Richtlinienvorschlag wie die Reeder. 126

ETA, Newsletter, S. 7. McConville, Maritime Policy and Management 2002, S. 1, 1; Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 22. 128 Reeder unterstützen Port Package, DVZ vom 06. 10. 2005, S. 5. 129 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 22. 130 Nöll, Mehr Wettbewerb, S. 1. 131 Ilschner, „Port Package II“ versenkt, S. 2. 132 Nöll, Mehr Wettbewerb, S. 2. 133 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 22. 127

146

3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

Auf europäischer Ebene vertritt der European Shippers’ Council (ESC) die Interessen der europäischen Industrie als Nutzer aller Arten von Transportdienstleistungen134. Der Verband begrüßte den Vorschlag der Kommission ausdrücklich und begründete dies mit dem vielfachen Fehlen freien Wettbewerbs in den europäischen Seehäfen sowie der daraus resultierenden Verschlechterung der allgemeinen europäischen Transportkette, insbesondere im Vergleich zu den Industrien in Übersee135. Demgemäß unterstützte der ESC die Kommission in ihrem Begehren, einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für die Erbringung von Hafendiensten zu schaffen und sprach sich ausdrücklich für die Einführung von Vergabeverfahren mit öffentlichen Ausschreibungen aus136. Wie auch die Reeder, rechneten die Verlader bei einer Umsetzung der Richtlinie mit einer deutlichen Effizienz- und Produktivitätssteigerung im Bereich der Hafendienste137. In Deutschland begrüßte das Deutsche Verladerkomitee im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) den Richtlinienvorschlag. Aus seiner Sicht stellten die Hafendienste Schlüsselfaktoren zur Gewinnung neuer Kunden dar138. Verbesserten sich Effizienz und Qualität dieser Dienste durch den Erlass der Richtlinie, würde dies zu einer Verbesserung der gesamten Wertschöpfungskette führen139. 3. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Richtlinienentwurf der Kommission von Beginn an stark umstritten war. Während die Anbieter von Hafendienstleistungen hauptsächlich gegen den Erlass der Marktzugangsrichtlinie waren, standen die Nachfrager der Hafendienste dem Kommissionsentwurf durchaus positiv gegenüber. Die wesentlichen Kritikpunkte der Anbieter ladungsbezogener Hafendienste können mit einem nicht notwendigen Eingriff in funktionierende Hafenstrukturen, einer Gefährdung der Investitionssicherheit, der Furcht vor Sozialabbau und Lohndumping sowie einer Gefährdung der Hafensicherheit zusammengefasst werden. Die Anbieter technisch-nautischer Hafendienstleistungen fürchteten vor allem Einkommenseinbußen und daraus resultierenden Nachwuchsmangel sowie den allgemeinen Verlust speziellen nautischen Know-hows. Darüber hinaus befürchteten auch sie eine Gefährdung der Hafensicherheit. Die Reeder und Verlader als Nachfrager von Hafendienstleistungen hingegen unterstützten die Kommission grundsätzlich in ihrer Absicht, eine Marktöffnung im Bereich der Hafendienste 134

Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 23. ESC, The European Shippers’ Council Response on the Communication from the Commission to the European Parliament and the Council, S. 1. 136 ESC, The European Shippers’ Council Response on the Communication from the Commission to the European Parliament and the Council, S. 1. 137 ESC, The European Shippers’ Council Response on the Communication from the Commission to the European Parliament and the Council, S. 2. 138 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 23. 139 Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 23. 135

B. Port Package II

147

durchzusetzen. Sie rechneten im Falle einer Liberalisierung des Hafendienstleistungsmarktes mit deutlichen Effizienz- und Produktivitätssteigerungen. Da die Hafendienste aus ihrer Sicht Schlüsselfaktoren zur Gewinnung neuer Kunden darstellen, versprachen sich Reeder und Verlader von einer Marktöffnung positive Auswirkungen auf die gesamte Transportkette. Aber auch wenn die Nutzer der Hafendienste die Zielsetzungen der Kommission im Grundsatz unterstützten, standen sie dem konkreten Richtlinienentwurf skeptisch gegenüber. Insbesondere befürchteten sie, dass der durch die vorgesehenen Ausschreibungsverfahren hervorgerufene Verwaltungsaufwand eine mögliche Kostensenkung konterkarieren könne.

B. Port Package II All diesen Protesten zum Trotz legte die Kommission am 13. 10. 2004, und damit nur ein knappes Jahr nach dem Scheitern ihres ersten Entwurfs, einen neuen Richtlinienvorschlag über den Zugang zum Markt für Hafendienste, das so genannte „Port Package II“ vor140. Dieser Entwurf war in wesentlichen Teilen mit dem Kompromissentwurf aus dem vorangegangenen Vermittlungsverfahren identisch, enthielt in wichtigen Kernbereichen jedoch auch deutliche Verschärfungen141. Das Port Package II wurde daher ebenfalls Zielscheibe heftiger Kritik142. Die Kommission betonte jedoch, dass es nach wie vor erforderlich sei, einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für den Zugang zur Erbringung von Hafendienstleistungen zu schaffen, und dass dies Vorhaben durch die Ereignisse der vergangenen Jahre sogar noch an Dringlichkeit gewonnen habe143. Die Schnelligkeit, mit welcher der neue Vorschlag vorgelegt wurde, überraschte die meisten Beteiligten dennoch144. Bemängelt wurde vor allem, dass die Gründe, die zum Scheitern von Port Package I geführt hatten, von der Kommission nicht ausreichend analysiert worden waren145.

140

KOM (2004) 654 endg. Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste – Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr – A6-0410/2005, S. 7. 142 ZDS, Stellungnahme vom 07. 01. 2005 zum Richtlinienvorschlag, S. 2 ff.; ESPO, Impact Assessment, S. 3 ff.; vgl. auch Psaraftis, Maritime Economics & Logistics 2005, S. 73, 76 ff. 143 KOM (2004) 654 endg., S. 2. 144 Van Hooydonk, JIML 2005, S. 188, 188; Europäisches Parlament – Informationsbüro für Deutschland, Die umstrittene Hafendienstrichtlinie, S. 3. 145 Van Hooydonk, JIML 2005, S. 188, 219 ff. 141

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3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

I. Inhaltliche Änderungen gegenüber Port Package I Der zweite Richtlinienvorschlag entsprach im Wesentlichen dem Kompromissentwurf aus dem vorangegangenen Vermittlungsverfahren146. So sollte es im Grundsatz bei der Einführung eines Systems von Genehmigungen bleiben, welche die Hafendiensteanbieter bei den zuständigen Behörden zu beantragen hatten. Einige, bereits auf dem Vermittlungswege erzielte Kompromisse berücksichtigte der neue Richtlinienentwurf indes nicht mehr – im Gegenteil: er enthielt sogar zahlreiche Verschärfungen147. Die drastischste Änderung betraf dabei zunächst die Geltungsdauer der Genehmigungen im Falle einer Begrenzung der Anbieterzahl. Hier sah der Richtlinienvorschlag eine Verkürzung der Konzessionslaufzeiten auf nur noch 8, 12 oder 30 Jahre vor148. Eine weitere Modifizierung betraf das Recht der Mitgliedstaaten zur Begrenzung der Diensteanbieterzahl. Während das Port Package I noch vorgesehen hatte, dass die Mitgliedstaaten die Anzahl der Hafendiensteanbieter nur aufgrund fehlenden Raums, fehlender Kapazität oder aufgrund von Sicherheitserwägungen begrenzen konnten, enthielt der neue Richtlinienentwurf keine derartigen Einschränkungen mehr149. Die zuständigen Behörden sollten nunmehr frei darüber entscheiden können, ob und wie sie die Anzahl der Diensteanbieter begrenzen wollten. Aber auch das Genehmigungsverfahren wurde geändert. Lag die Genehmigungserteilung dem ersten Richtlinienentwurf zufolge noch im Ermessen der Mitgliedstaaten, sah der neue Entwurf einen obligatorischen Genehmigungsvorbehalt für alle Hafendienste vor150. Eine weitere Neuerung fand sich in Art. 5 des Richtlinienentwurfs. Danach sollte die Richtlinie in keiner Weise die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten und der von ihnen benannten zuständigen Stellen im Hinblick auf Recht und Ordnung, Sicherheit und Gefahrenabwehr in Häfen und Umweltschutz berühren151. Weiterhin wurde der Geltungsbereich der Richtlinie geändert: Häfen mit saisonabhängiger Nutzung sowie sicherheitsempfindliche Dienste konnten von den Mitgliedstaaten nunmehr ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden152. Zudem wurden Bestimmungen zur Finanzierung und Errichtung neuer Häfen oder Hafenteile eingefügt, für die keine besondere Gel146

Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zum Markt für Hafendienste – Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr – A6-0410/2005, S. 7. 147 ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 1. Ausführlich zu den einzelnen Änderungen vgl. Liu, Access to the Market of Port Services, S. 247, 254 ff.; Van Hooydonk, JIML 2005, S. 188, 188 ff. 148 KOM (2004) 654 endg., S. 27 f. Der Kompromissentwurf aus dem vorangegangenen Vermittlungsverfahren hatte noch Laufzeiten von 10, 15 und 36 Jahren vorgesehen. 149 KOM (2004) 654 endg., S. 25 f. 150 KOM (2004) 654 endg., S. 23. 151 KOM (2004) 654 endg., S. 22. 152 KOM (2004) 654 endg., S. 20.

B. Port Package II

149

tungsdauer der Genehmigungen vorgesehen war153. Hinsichtlich des politisch hoch umstrittenen Rechts zur Selbstabfertigung, welches im Jahr 2003 vielleicht der Hauptgrund für das Scheitern des ersten Port Package gewesen war154, sah das Port Package II nunmehr eine obligatorische Genehmigungspflicht vor155. Schließlich enthielt der neue Richtlinienvorschlag strengere Genehmigungskriterien hinsichtlich der Lotsendienste. Auch sollten die zuständigen Behörden die Lotsendienste als obligatorische Dienstleistungen einstufen und organisatorische Regelungen für diese Dienste vorschreiben können156. Detaillierte Regelungen für Ausgleichszahlungen an vorherige Diensteanbieter und Übergangsregelungen für bisherige Diensteanbieter enthielt das Port Package II indes nicht mehr.

II. Gesetzgebungsverfahren Wie schon der erste Richtlinienentwurf, löste auch das Port Package II während des interinstitutionellen Gesetzgebungsverfahrens eine kontroverse Debatte aus. Im September 2005 befassten sich die Ausschüsse für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie Binnenmarkt und Verbraucherschutz mit dem Richtlinienvorschlag und sprachen sich gegen das Port Package II aus. So empfahl der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz dem federführenden Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr in seiner Stellungnahme vom 16. 09. 2005 explizit die Ablehnung des Richtlinienentwurfs157. Als zentrales Argument wurde angeführt, dass das Ziel der Kommission mit dem vorliegenden Vorschlag nicht erreicht werden könne158. Weiterhin wurde darauf verwiesen, dass sich der Widerstand gegen den Entwurf durch alle politischen Richtungen und alle von der Richtlinie betroffenen Parteien ziehe159. Auch der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten forderte den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr am 19. 09. 2005 in seinem Änderungsantrag auf, die Ablehnung des Richtlinienentwurfs zu empfehlen und der Kommission zu empfehlen, stattdessen einen Vorschlag für eine Richtlinie über Transparenz und gleiche Marktbedingungen zwischen Häfen vorzulegen160. Zur Begründung wurde angeführt, die Kommission habe nicht hinreichend klar gemacht, 153

KOM (2004) 654 endg., S. 27. Van Hooydonk, JIML 2005, S. 188, 198. 155 KOM (2004) 654 endg., S. 28. 156 KOM (2004) 654 endg., S. 29. 157 Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz für den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr vom 16. 09. 2005, S. 3. 158 Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz für den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr vom 16. 09. 2005, S. 3. 159 Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz für den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr vom 16. 09. 2005, S. 3. 160 Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr vom 19. 09. 2005, S. 3. 154

150

3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

dass ein unzureichender Zugang zum Markt für Hafendienste existiere161. Auch untergrabe der Kommissionsvorschlag die einzelstaatlichen Regelungen und vergrößere die Rechtsunsicherheit aller Betroffenen162. Im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments wurde ein geänderter Berichtsentwurf des deutschen Berichterstatters im November 2005 mit 24 zu 23 Stimmen abgelehnt163. Das Parlament selbst lehnte das Port Package II am 19. 01. 2006 mit überwältigender Mehrheit ab164. 532 der 677 Europaabgeordneten stimmten gegen und lediglich 120 für den Richtlinienentwurf165. 25 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Der Kommissionsentwurf war damit ein weiteres Mal eindeutig am Widerstand des Europäischen Parlaments gescheitert. Dementsprechend groß war auch die Freude nach Bekanntgabe des Scheiterns166. Die Kommission zog aus der erneuten Abstimmungsniederlage ihre Konsequenzen und nahm den Vorschlag im März 2006 endgültig zurück. Damit war die Kommission auch mit ihrem zweiten Anlauf, die Hafendienste auf der Grundlage einer Richtlinie zu liberalisieren, gescheitert.

C. Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik Nachdem die Kommission gleich zweimal mit ihrem Vorhaben, einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für die Erbringung von Hafendienstleistungen zu errichten, gescheitert war, hat sie von der Vorlage eines weiteren Port Package nunmehr Abstand genommen. Stattdessen veröffentlichte sie nach der Durchführung zahlreicher Konsultationen mit den beteiligten Interessengruppen am 18. Oktober 2007 eine „Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik“167. Hierin erläuterte die Kommission zunächst den wirtschaftlichen Kontext der Hafenpolitik und stellte sodann die auf das europäische Hafensystem zukommenden Herausforderungen ausführlich dar168. Zu diesen zählte sie insbesondere die durch niedrige Kosten gesteigerte Beförderungsnachfrage im internationalen Verkehr, den tiefgreifenden technologischen Wandel, die Verpflichtung zur Reduzierung von Treibhausgasen, die Notwendigkeit, innerhalb der Städte und Regionen das Image der Häfen zu 161 Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr vom 19. 09. 2005, S. 3. 162 Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten für den Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr vom 19. 09. 2005, S. 3. 163 ZDS, EP-Verkehrsausschuss lehnt Berichtsentwurf ab, S. 1. 164 „Port Package II versenkt – Jubel im Norden“, Nordsee-Zeitung vom 19. 01. 2006, S. 1. 165 „Port Package II versenkt – Jubel im Norden“, Nordsee-Zeitung vom 19. 01. 2006, S. 1. 166 „Die Vernunft hat sich durchgesetzt“, DVZ vom 19. 01. 2006; „Port Package II versenkt – Jubel im Norden“, Nordsee-Zeitung vom 19. 01. 2006; „Das Port Package ist vom Tisch“, DVZ vom 19. 01. 2006. 167 KOM (2007) 616 endg. vom 18. 10. 2007. 168 KOM (2007) 616 endg., S. 2 f.

C. Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik

151

verbessern sowie die Tatsache, dass Entwicklung und Management der Häfen im Einklang mit den Grundsätzen der Transparenz, des Wettbewerbs und den Rechtsvorschriften der EU erfolgen müssten169. Im Anschluss befasste sich die Mitteilung mit den derzeit im Hafensektor bestehenden Problemen und versuchte hierfür Lösungswege aufzuzeigen, ohne jedoch einen verbindlichen Rechtsrahmen setzen zu wollen. Die Mitteilung gliederte sich insoweit in sechs Themenkomplexe. Der erste betraf die Leistungsfähigkeit der Häfen sowie deren Anbindung an das Hinterland. Angesichts des steigenden Bedarfs an Hafenkapazitäten schlug die Kommission eine Steigerung von Effizienz und Produktivität der Häfen durch neue Hafenausrüstungen, ein integriertes Management der Transportkette zwischen See- und Landverkehrsunternehmen sowie die Prüfung alternativer Beförderungsstrecken vor170. Sie beabsichtigte jedoch, diese Angelegenheit den regionalen und nationalen Behörden sowie dem Markt zu überlassen171. Der zweite Gesichtspunkt betraf den umweltfreundlichen Kapazitätsausbau. Hier stellte die Kommission eine bestehende Rechtsunsicherheit in Bezug auf die existierenden Umweltschutz-Richtlinien fest und versprach, Leitlinien für die Anwendung der gemeinschaftlichen Umweltvorschriften auf die Hafenentwicklung zu veröffentlichen172. Der dritte Themenkomplex stand unter der Überschrift „Modernisierung“ und befasste sich vor allem mit der Entwicklung neuer elektronischer Systeme für die Sicherheit und Gefahrenabwehr im Seeverkehr173. In diesem Zusammenhang sprach sich die Kommission für die Implementierung einer Hafenlogistiksoftware aus, zu der sowohl staatliche als auch private Interessengruppen Zugang haben sollten. Der vierte, und mit Abstand umfangreichste Themenkomplex der Kommissionsmitteilung stand unter der Überschrift „Gleiche Ausgangsbedingungen für alle – klare Verhältnisse für Investoren, Betreiber und Nutzer“ und befasste sich ausführlich mit der Problematik der Hafendienstleistungen. Zunächst ging die Kommission hierbei auf die Rolle der Hafenbehörden ein und wies insofern auf die unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen in den einzelnen Häfen hin. Sodann stellte die Kommission ausdrücklich klar, dass sie nicht beabsichtige, diese heterogenen Strukturen durch äußere Eingriffe zu vereinheitlichen174. Weiterhin ging die Kommission auf die Thematik der Beihilfenkontrolle ein und bekundete ihre Absicht, im

169 170 171 172 173 174

KOM (2007) 616 endg., S. 3. KOM (2007) 616 endg., S. 4. KOM (2007) 616 endg., S. 5. KOM (2007) 616 endg., S. 6. KOM (2007) 616 endg., S. 8. KOM (2007) 616 endg., S. 9.

152

3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

Jahr 2008 Leitlinien für staatliche Beihilfen für die Häfen zu verabschieden175. In Bezug auf die Hafenkonzessionen stellte die Kommission fest, dass derzeit noch keine abgeleiteten Rechtsvorschriften der EU über Dienstleistungskonzessionen im Bereich der Häfen oder anderer Terminaleinrichtungen existierten176. Dennoch seien die Vorschriften und Grundsätze des Vertrages auch auf Konzessionen anwendbar. Insbesondere seien die staatlichen Behörden bei der Vergabe der Konzessionen zur Transparenz verpflichtet. Hinsichtlich der Erbringung technisch-nautischer Dienste stellte die Kommission fest, dass solche Dienstleistungen entweder von der staatlichen Verwaltung erbracht werden könnten oder Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.v. Art. 86 II EG (jetzt Art. 106 II AEUV) darstellten177. In diesem Falle könnten sie aber unter Umständen von der Anwendung der Wettbewerbsregeln ausgenommen sein. Der Grundsatz der Niederlassungsfreiheit gelte indes auch für die technisch-nautischen Dienste, so dass gesetzliche Monopole nur dann zu rechtfertigen seien, wenn dies für die Erbringung der Dienste erforderlich und angemessen sei. Auch in einem solchen Fall seien jedoch bei der Auswahl des Betreibers die Grundsätze der Transparenz zu beachten. Insbesondere im Hinblick auf die Lotsendienste war die Kommission der Ansicht, dass – sofern die Sicherheit gewährleistet sei – Ausnahmen von der Lotsenpflicht für regelmäßige Nutzer gewährt werden sollten, da dies zu einer erheblichen Kostensenkung insbesondere im Bereich des Kurzstreckenseeverkehr beitragen könne178. In Bezug auf die Dienstleistung des Festmachens stellte die Kommission fest, dass der freie Zugang zu diesem Dienst im Grundsatz zu gewährleisten sei, auch wenn der EuGH gewisse Beschränkungen für zulässig erklärt habe. Hinsichtlich der ladungsbezogenen Hafendienste stellte die Kommission fest, dass es in diesem Bereich in den letzten Jahren beträchtliche Entwicklungen gegeben habe. Der Ladungsumschlag erfolge in den Mitgliedstaaten der EU und selbst innerhalb eines Mitgliedstaates jedoch in unterschiedlicher Form179. Die Hafenarbeiter würden entweder unmittelbar von den Terminalbetreibern selbst oder von so genannten „Pools“ angestellt, wobei sich die „Pool“-Vereinbarungen von einem Mitgliedstaat zum anderen stark unterschieden. In diesem Zusammenhang hob die Kommission erneut die besondere Bedeutung der Niederlassungsfreiheit hervor. Weitere Themen waren die Hafengebühren sowie der Wettbewerb mit Drittländern180. Der fünfte Themenkomplex der Mitteilung hatte die Aufnahme eines strukturierten Dialogs zwischen Häfen und Städten zum Gegenstand. Die Kommission sah es als ihr Ziel an, das Image der Häfen und ihre Integration in die jeweiligen Hafenstädte zu verbessern. Zu diesem Zwecke müsse versucht werden, eine Verbindung 175 KOM (2007) 616 endg., S. 10. Derartige Leitlinien sind jedoch bis zum heutigen Tag nicht verabschiedet worden. 176 KOM (2007) 616 endg., S. 10. 177 KOM (2007) 616 endg., S. 12. 178 KOM (2007) 616 endg., S. 12. 179 KOM (2007) 616 endg., S. 13. 180 KOM (2007) 616 endg., S. 14.

D. Zusammenfassende Stellungnahme

153

zwischen den Aktivitäten des Hafens und kulturellen Veranstaltungen, Seetourismus und Stadtentwicklung im weitesten Sinne herzustellen181. Die Kommission kündigte in diesem Zusammenhang eine Prüfung der Finanzierungsmöglichkeiten an, um einen Beitrag zur besseren Integration der Häfen in die Städte leisten zu können182. Der sechste und letzte Themenkomplex stand schließlich unter der Überschrift „Arbeitsplätze in den Häfen“ und befasste sich vor allem mit den Themen Ausbildung, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz183. Die Kommission erkannte ausdrücklich an, dass die Ausbildung von Hafenarbeitern von ausschlaggebender Bedeutung für den sicheren und effizienten Betrieb der Häfen sei. Aufgrund des technologischen Fortschritts handele es sich bei den Hafenausrüstungen heutzutage um hochkomplexe Instrumente, deren Bedienung eine qualifizierte Ausbildung erfordere. Auf Gemeinschaftsebene sei daher die Festlegung einheitlicher Anforderungen für die Ausbildung von Hafenarbeitern notwendig184. Generell lässt sich festhalten, dass sich die Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik damit begnügte, einzelne Rahmenbedingungen und Maßnahmenvorschläge für den Hafensektor zu benennen. Einheitliche Regelungen für den Bereich der Hafendienstleistungen schrieb sie indes nicht vor. Im Ergebnis beschränkte sich die Kommission damit auf die Vorgabe so genannten „soft laws“, welches für die Mitgliedstaaten richtungsweisend, nicht jedoch bindend ist. Im Hafensektor ist diese Vorgehensweise auf breite Zustimmung gestoßen185.

D. Zusammenfassende Stellungnahme Nach Jahrzehnten weitestgehender Untätigkeit auf dem Gebiet der Hafendienstleistungen sorgte die Europäische Kommission mit der Vorlage der beiden Port Packages in der Branche für starke Unruhe. Mit ihrem Vorschlag, den Markt für Hafendienste durch die Errichtung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens zu liberalisieren, stieß sie bei den beteiligten Interessengruppen auf heftige Kritik. Vielfach wurden die Liberalisierungsbemühungen zwar im Grundsatz begrüßt, die konkreten Richtlinienentwürfe jedoch abgelehnt. Insbesondere die Einführung einer obligatorischen Genehmigungspflicht für alle Hafendienste, die relativ kurz bemessenen Laufzeiten des Ausschreibungsverfahrens, das vorgesehene Recht zur Selbstabfertigung und die Erstreckung der Richtlinie auf die sicherheitsrelevanten Lotsendienste wurden als problematisch erachtet. Im Ergebnis zielten die Kritiken

181 182 183 184 185

KOM (2007) 616 endg., S. 14. KOM (2007) 616 endg., S. 15. KOM (2007) 616 endg., S. 16. KOM (2007) 616 endg., S. 16. ESPO, General Response of ESPO, S. 5 ff.

154

3. Teil: Sekundäres Unionsrecht im Bereich der Hafendienstleistungen

der unterschiedlichen Interessengruppen daher in dieselbe Richtung186. Nach zwei fruchtlosen Gesetzgebungsverfahren hat die Kommission nunmehr jedoch von weiteren Liberalisierungsbemühungen Abstand genommen und angekündigt, den Markt für Hafendienstleistungen in Zukunft ausschließlich mithilfe des Primärrechts sowie durch die Anwendung nicht bindenden „soft laws“ öffnen zu wollen. Die Tatsache, dass die beiden von der Kommission vorgelegten Richtlinienentwürfe in ihrer konkreten Form vom Parlament abgelehnt wurden, ist grundsätzlich zu begrüßen. Beide Vorschläge waren zur Erreichung des angestrebten Ziels, die Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt für Hafendienstleistungen nachhaltig zu verbessern, nicht geeignet. Ein verpflichtendes Ausschreibungsverfahren hätte die Bereitschaft der Hafendiensteanbieter zu Investitionen stark gemindert. Investiert worden wäre nur noch zu Beginn der Genehmigungslaufzeiten, während die erforderlichen Investitionen gegen Ende einer Laufzeit deutlich geringer ausgefallen wären, da sie sich für die betreffenden Unternehmen kaum noch rentiert hätten. Dies hätte auch negative Auswirkungen auf Modernisierungsprozesse in den einzelnen Häfen gehabt. Unter Umständen hätten einige Anbieter angesichts verkürzter Genehmigungslaufzeiten auf den Einsatz neuer Technologien verzichtet, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden Hafens geschwächt hätte. Auch hätten sich die kurzen Laufzeiten der Genehmigungen negativ auf die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen ausgewirkt187. Kaum ein Kreditgeber hätte bei einer kurzen Konzessionslaufzeit günstige Finanzierungsmöglichkeiten und Konditionen angeboten. Im Ergebnis wäre es daher zu einer Konzentration auf einige wenige besonders finanzstarke Anbieter gekommen. Hier zeigt sich auch das grundsätzliche Problem eines Ausschreibungsverfahrens im Hafensektor: auf der einen Seite hemmen zu kurze Genehmigungslaufzeiten das Investitionsverhalten der Diensteanbieter, auf der anderen Seite führen zu lange Laufzeiten zu einer Perpetuierung bestehender Monopolstellungen, was jedoch gerade verhindert werden soll188. Weiterhin war an den Richtlinienentwürfen problematisch, dass sie nur in einem begrenzten Umfang eine Kompensation für verlorene Vermögensgegenstände vorsahen189. Das von den Terminalbetreibern geschaffene Unternehmensvermögen wäre damit praktisch entschädigungslos an das nachfolgende Unternehmen gefallen190. Auch hätte das Vorhaben der Kommission, die Selbstabfertigung zuzulassen, einen Verlust von Arbeitsplätzen in den europäischen Seehäfen bedeutet. Schließlich hätte das geplante Ausschreibungsverfahren zu einem nicht zu unterschätzenden bürokratischen Mehraufwand geführt. All dies hätte nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Seehäfen insgesamt gehabt. Die Kommission ist insofern mit ihren Richtlinienentwürfen weit über das Ziel hinausgeschossen. 186 187 188 189 190

Ilschner, „Port Package II“ versenkt, S. 2. ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 11. Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 599. ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 9. ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 45.

D. Zusammenfassende Stellungnahme

155

In ihrer konkreten Ausgestaltung waren sowohl das Port Package I als auch das Port Package II unverhältnismäßig. Aber auch generell sind die einzelnen Hafendienstleistungen zu unterschiedlich ausgestaltet, als dass ein einheitlicher Rechtsrahmen auf sie angewandt werden könnte. Insbesondere hinsichtlich der technisch-nautischen Dienste erscheint die Anwendung gleichförmiger Vorschriften nicht interessengerecht. Die Einführung von Wettbewerb könnte in diesem Bereich zu Lasten der maritimen Sicherheit und des Umweltschutzes gehen. Da die Anbieter von Lotsen-, Schlepp- und Festmacherdiensten ihre Entscheidungen frei von wirtschaftlichem Druck treffen sollen, sind sie in den meisten europäischen Seehäfen freiberuflich organisiert191. Diesen altbewährten Grundsatz sollte die Kommission nicht aufweichen. Wettbewerbsdruck führt nämlich in der Regel zu Kosteneinsparungen. Der Einsatz von Arbeitnehmern, die aus Kostengründen schlecht ausgebildet oder übermüdet sind, würde das Risiko schwerwiegender Schiffsunfälle deutlich erhöhen. Die Sicherheit des Seeverkehrs sollte jedoch immer oberste Priorität haben. Schließlich darf auch die Vorschrift des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) bei einer Liberalisierung des Hafendienstleistungssektors nicht außer acht gelassen werden192. Wie oben gezeigt wurde, werden zumindest die Festmacherdienste vom EuGH aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die öffentliche Sicherheit als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse angesehen193. Angesichts der Tatsache, dass den Lotsen- und Schleppdiensten eine vergleichbare Bedeutung für die Sicherheit des Seeverkehrs zukommt, ist davon auszugehen, dass auch sie Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse darstellen können194. Die technisch-nautischen Hafendienste sollten daher grundsätzlich keinen Liberalisierungsmaßnahmen unterworfen werden. Hinsichtlich der ladungsbezogenen Dienstleistungen wäre eine Marktöffnung zwar grundsätzlich begrüßenswert, allerdings stellt sich insoweit die Frage, ob eine solche nicht auch mit den vorhandenen Instrumenten des europäischen Wettbewerbsrechts erreicht werden kann. Dieser Frage soll im folgenden Abschnitt nachgegangen werden.

191 192 193 194

BSHL, Über Lotsen, S. 1. Lechner, HANSA 1999, S. 31, 32. Siehe oben, Zweiter Teil, F. II. 2. b). Siehe oben, Zweiter Teil, F. II. 2. b).

Vierter Teil

Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen nach der „essential facilities“-Doktrin Die Wettbewerbssituation in den europäischen Seehäfen wird teilweise von monopolistischen Strukturen bestimmt. Dies ist jedoch nicht immer die Folge unternehmerischen Könnens. Vielmehr sind die gegenwärtig in den europäischen Seehäfen tätigen Unternehmen auf unterschiedliche Weise in ihre Positionen gelangt: in Fortführung hergebrachter Strukturen, auf der Basis von Verträgen, auf vergaberechtlichem Wege nach Ausschreibungen, aufgrund von Eigentumsverhältnissen hinsichtlich des Hafengeländes, aber auch auf der Grundlage von vertraglich oder gesellschaftsrechtlich begründeten Unternehmensbeteiligungen, Unternehmensübernahmen oder Unternehmensverbindungen1. In der Nord- und Ostsee haben zumeist die Fährschiffreeder die erforderlichen Seehäfen gebaut, finanziert und dann jahrzehntelang unter Ausschluss von Wettbewerbern betrieben2. Die in der Folge entstandenen monopolartigen Strukturen finden sich vor allem auch im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienste. So wird die im Containerumschlag bestehende Situation dadurch bestimmt, dass die Containerterminals bestimmten Umschlagunternehmen zugeordnet sind, was zur Folge hat, dass andere Unternehmen nicht als Diensteanbieter des Containerumschlags agieren können3. Da die alteingesessenen Anbieter ihren potentiellen Konkurrenten keinen Zugang zu den Terminaleinrichtungen gewähren, herrscht für diese de facto ein Containerumschlagverbot4. Aufgrund der eingangs erwähnten infrastrukturellen Besonderheiten eines Seehafens ist ein diskriminierungsfreier Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen jedoch – insbesondere im Bereich des Ladungsumschlags – eine unabdingbare Voraussetzung für die Herstellung wirksamen Wettbewerbs. Im Folgenden soll daher der Frage nachgegangen werden, ob sich für potentielle Wettbewerber der alteingesessenen Hafendienstleistungsunternehmen aus dem AEUV Zugangsgewährungsansprüche zu den Seehafeninfrastruktureinrichtungen herleiten lassen.

1 2 3 4

ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung zum „Port Package II“, S. 23. Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 515. ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung zum „Port Package II“, S. 23. Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 598.

A. Hintergrund

157

A. Hintergrund Freier Wettbewerb ist, wie oben dargelegt, eine grundlegende Maxime des AEUV und die Herstellung und Aufrechterhaltung offener Märkte eines seiner vornehmlichsten Ziele. Dieser wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundentscheidung ist eine Pflicht zur Förderung von Wettbewerbern grundsätzlich fremd5. Vielmehr sollen die in der EU tätigen Unternehmen in der Wahl ihrer Geschäftspartner grundsätzlich frei sein. Umfassender Eigentumsschutz und Vertragsfreiheit sind hierfür zwingende Voraussetzungen; Kontrahierungszwang und Vertragsdiktat hingegen finden in einem System freien Wettbewerbs keinen Platz6. So hat auch die Europäische Kommission unlängst klargestellt, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden könne, gegen ihn gerichteten Wettbewerb zu „subventionieren“7. Man könnte daher annehmen, dass sich aus den Wettbewerbsregeln des AEUV keine Zugangsgewährungspflichten herleiten lassen. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Marktergebnisse auch in einem System freien Wettbewerbs unzulänglich sein können. Das trifft insbesondere in jenen Fällen zu, in denen ein Unternehmen aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung den Marktmechanismen nicht mehr unterworfen ist8. In einem solchen Fall kann nicht länger vom Vorliegen vollkommener Konkurrenz ausgegangen werden; der Wettbewerb hat als Steuerungsmechanismus versagt9. In der Wettbewerbsökonomie werden derartige Situationen als „Marktversagenstatbestände“ charakterisiert10. Liegt ein Marktversagenstatbestand vor, ist es vordringlichste Aufgabe des Wettbewerbsrechts, zum Schutz des Wettbewerbs korrigierend einzugreifen11. Dies trifft insbesondere in den Fällen zu, in denen ein marktbeherrschendes Unternehmen mittels der Kontrolle über eine ihm gehörende Infrastruktureinrichtung einen nachgelagerten Markt beherrscht. Im europäischen Wettbewerbsrecht wird für derartige Fälle seit geraumer Zeit die Anwendung der aus dem US-amerikanischen Recht stammenden so genannten „essential facilities“-Doktrin erörtert12. Über diese wettbewerbsrechtliche Konstruktion sollen Zugangsgewährungspflichten zu so genannten „wesentlichen Einrichtungen“ („essential facilities“) hergeleitet werden13. In der Liberalisierungsdebatte hat die „essential facilities“-Doktrin vor allem aufgrund ihrer marktöffnenden 5

Bausch, Netznutzungsregeln, S. 139. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 139; Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 271. 7 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 563; Komm. E. v. 29. 07. 1987, ABl. EG 1987 Nr. L 286/ 36, 41, Rn. 19 (BBI/Boosey&Hawkes). 8 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 139. 9 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 139. 10 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 11. 11 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 141; Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 271. 12 Jacobi, Third-Party-Access, S. 18. 13 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 102. 6

158

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Wirkung große Beachtung gefunden14. Das Grundmuster der „essential facilities“Doktrin zeichnet sich dabei durch zwei getrennte, aber benachbarte Märkte aus15. Typischerweise kontrolliert ein marktbeherrschendes Unternehmen eine Einrichtung, auf deren Nutzung andere Unternehmen angewiesen sind, um auf einem nachgelagerten Markt tätig werden zu können. Verweigert das Unternehmen den Zugang zu der Einrichtung, kann es auch den nachgelagerten Markt beherrschen. Die „essential facilities“-Doktrin bestimmt nun, dass der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, Wettbewerbern Zugang zu seiner Einrichtung zu gewähren. Man spricht vom so genannten „third party access“16. Da die Idee der „essential facilities“-Doktrin aus dem US-amerikanischen Recht stammt, soll zunächst die Entwicklung der Doktrin in den Vereinigten Staaten dargestellt werden, bevor näher auf eine Rezeption dieser Rechtsfigur in das europäische Wettbewerbsrecht eingegangen wird. Vor diesem Hintergrund soll sodann eine Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafendienstleistungssektor untersucht werden.

B. Die „essential facilities“-Doktrin im US-amerikanischen Antitrustrecht Ihren Ursprung findet die „essential facilities“-Doktrin im US-amerikanischen Antitrustrecht17.

I. Antitrustrechtlicher Hintergrund Dort stellt sie eine Ausnahme von der bereits 1919 durch den Supreme Court aufgestellten Regel dar, wonach selbst ein Monopolist seine Geschäftspartner selbständig aussuchen kann, wenn er ohne die Absicht handelt, ein Monopol zu begründen oder aufrechtzuerhalten18. Nach dieser so genannten „Colgate Rule“ 14

Bausch, Netznutzungsregeln, S. 102. Basedow, Dienstleistungsmonopole und Netzzugang, S. 121, 126; Jacobi, Third-PartyAccess, S. 19. 16 Dazu näher Jacobi, Third-Party-Access, S. 17 ff. 17 Das US-amerikanische Antitrust-Recht ist in folgenden drei Gesetzen kodifiziert: dem Sherman Act vom 02. 07. 1890, dem Claydon Act vom 15. 10. 1914 sowie dem Federal Trade Commission Act vom 26. 09. 1914; vgl. Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 5; ein Überblick über die Grundzüge des US-amerikanischen Antitrust-Rechts findet sich bei Thümmel, RIW 1989, S. 171 ff. 18 „In the absence of any purpose to create or maintain a monopoly, the act does not restrict the long recognized right of trader or manufacturer engaged in an entirely private business, freely to exercise his own independent discretion as to parties with whom he will deal.“, U.S. v. Colgate & Co.; 250 U.S. 300, 307 (1919); vgl. Areeda, 58 Antitrust L. J. (1990), S. 841, 852 ff.; Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 516; Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 14; Venit/ Kallaugher, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 315, 316 ff. 15

B. Die „essential facilities“-Doktrin im US-amerikanischen Antitrustrecht

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besteht im amerikanischen Antitrustrecht für marktbeherrschende Unternehmen also grundsätzlich kein Zwang, Geschäfte mit Konkurrenten abzuschließen oder ihnen gar Zugang zu den eigenen Anlagen oder Einrichtungen zu gewähren19. Die in der Rechtsprechung der amerikanischen Instanzgerichte entwickelte „essential facilities“-Doktrin begründet von diesem Grundsatz jedoch eine Ausnahme, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Kontrahierungszwang anordnet20. Gesetzlicher Ausgangspunkt ist dabei der Sherman Act aus dem Jahre 189021. Dieser verbietet verschiedene Arten von Wettbewerbsbeschränkungen, wobei die verschiedenen Vorschriften sich dadurch unterscheiden, dass sie für bestimmte nachzuweisende Tatbestände unterschiedlich widerlegliche und unwiderlegliche Vermutungen bzw. Rechtsfolgen auslösen22. Die „essential facilities“-Doktrin ist durch die Rechtsprechung zu den ersten beiden Vorschriften des Sherman Act, Sec. 1 und Sec. 2, entwickelt worden23. Zum exakten Verständnis der Doktrin bedarf es daher zunächst eines kurzen Überblicks über den Inhalt dieser beiden Vorschriften. Sec. 1 Sherman Act verbietet jede Art von Vertrag, Vereinigung oder vereinbartem Zusammenwirken, das zu einer Beschränkung des Handels zwischen den einzelnen Bundesstaaten oder des Außenhandels der Vereinigten Staaten führen kann24. Die Vorschrift erfasst damit vor allem horizontale, aber auch vertikale Kartellabsprachen sowie jegliche aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen25. Konzeptionell entspricht Sec. 1 Sherman Act damit Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG)26. Sec. 2 Sherman Act hingegen statuiert ein grundlegendes Monopolisierungsverbot. Sowohl die versuchte, als auch die vollendete „Monopolisierung“ sind danach verboten27. Der zentrale Begriff der Monopolisierung wird jedoch, dem anglo19

Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 14. Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 516. 21 Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 516. Zur Entstehungsgeschichte des Sherman Act s. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 253. 22 Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 141. 23 Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 5. 24 Sec. 1 Sherman Act lautet: „Every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, in restraint of trade or commerce among the several States or within foreign nations, is declared to be illegal. Every person who shall make any contract or engage in any combination or conspiracy hereby declared illegal shall be deemed guilty of a felony, and on conviction hereof, shall be punished by fine not exceeding $ 10.000.000 if a corporation, or, if any other person, $ 350.000, or by imprisonment not exceeding three years, or by both said punishments, in the discretion of the court“. 25 Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 5. 26 Areeda, 58 Antitrust Law Journal (1990), S. 841, 846; Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 141; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 7. 27 Sec. 2 Sherman Act lautet: „Every person who shall monopolize, or attempt to monopolize, or combine or conspire with any other person or persons, to monopolize any part of the trade or commerce among the several States, or with foreign nations, shall be deemed guilty of a felony, and on conviction thereof, shall be punished by fine not exceeding $ 10.000.000 if a 20

160

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

amerikanischen Rechtssystem entsprechend, im Sherman Act nicht näher definiert28. Der Rechtsprechung zufolge beinhaltet er neben dem objektiven Tatbestandsmerkmal der Monopolmacht auch ein subjektives Element, die Monopolisierungsabsicht29. Unternehmensgröße und Marktmacht können diese indizieren30. Monopolmacht allein kann die Anwendbarkeit der Vorschrift jedoch nicht begründen31. Vielmehr greift das Monopolisierungsverbot des Sec. 2 Sherman Act erst dann ein, wenn Monopolmacht und wettbewerbsfremdes Verhalten („exclusionary behaviour“) zusammenkommen32. Das Innehaben eines Monopols ist demnach nicht per se verboten, sondern erst der Erwerb oder die Verteidigung von Monopolmacht mit wettbewerbsschädigenden Mitteln33. Ein zusätzlicher Nachweis dergestalt, dass das monopolisierende Verhalten den Wettbewerb beschränkt und damit eine wettbewerbsschädigende Wirkung entfaltet hat, ist für Sec. 2 Sherman Act nicht erforderlich34. Im Vergleich mit dem europäischen Kartellrecht fällt auf, dass Sec. 2 Sherman Act – im Gegensatz zu Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) – keine allgemeine Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen enthält, sondern jegliche Art der Monopolisierung verbietet35. Sec. 2 Sherman Act bezweckt damit – anders als Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) – eine Struktur- und keine Verhaltenskontrolle36. Von Sec. 1 unterscheidet sich Sec. 2 Sherman Act dadurch, dass sie in erster Linie wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen einzelner Unternehmen

corporation, or if any other person $ 350.000, or by imprisonment not exceeding three years, or by both said punishments, in the discretion of the court“. Näher zu Sec. 2 Sherman Act und seiner Entstehungsgeschichte: Hens, Das Monopolisierungsverbot, S. 3 ff. 28 Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 8. 29 Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 142; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 257; Thümmel, RIW 1989, S. 171, 172. Die in diesem Zusammenhang von Literatur und Rechtsprechung am häufigsten zitierte Fundstelle ist die Aussage des Supreme Court im Fall United States v. Grinnell Corp., 384 U.S. 563, 570 f. (1966): „The offense of monopoly under Sec. 2 of the Sherman Act has two elements: (1) the possession of monopoly power in the relevant market and (2) the willful acquisition or maintenance of that power as distinguished from growth or development as a consequence of a superior product, business acumen, or historic accident“; vgl. dazu Areeda, 58 Antitrust L. J. (1990), S. 841, 845. 30 Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 142. 31 Thümmel, RIW 1989, S. 171, 172. 32 Thümmel, RIW 1989, S. 171, 172. 33 Areeda, 58 Antitrust L. J. (1990), S. 841, 845; Gey, Potentieller Wettbewerb, S. 123; Jacobi, Third-Party-Access, S. 182; Markert, Festschrift Mestmäcker, S. 661, 662. 34 Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 142. 35 Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 12. 36 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 104; Joliet, Monopolization, S. 10; ob die Vorschrift im Übrigen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) entspricht, ist nicht abschließend geklärt. Zu den Unterschieden s. Areeda, 58 Antitrust L.J. (1990), S. 841, 846 f.; Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 141; Joliet, Monopolization, S. 8 ff.; Markert, Festschrift Mestmäcker, S. 661, 662.

B. Die „essential facilities“-Doktrin im US-amerikanischen Antitrustrecht

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verbietet, während sich Sec. 1 Sherman Act gegen Wettbewerbsbeschränkungen richtet, die auf dem Zusammenwirken mehrerer Beteiligter beruhen37. Die „essential facilities“-Doktrin wurde von der Rechtsprechung zunächst auf beide Vorschriften gestützt; im Laufe ihrer Weiterentwicklung wurde sie jedoch hauptsächlich bei Verletzungen des in Sec. 2 Sherman Act niedergelegten Monopolisierungsverbots herangezogen38. Dort stellt sie sich in Form der Frage dar, ob derjenige, der versucht, einen Konkurrenten vom – eigentlich möglichen – Zugang zu einer „wesentlichen Einrichtung“ („essential facility“) auszuschließen, eine verbotene Monopolisierung betreibt und ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Zugang Dritter zu diesen Einrichtungen durchgesetzt werden kann39. Bei der „essential facilities“-Doktrin handelt es sich mithin um eine Konkretisierung des in Sec. 2 Sherman Act niedergelegten Monopolisierungsverbots40. In den Anwendungsbereich der „essential facilities“-Doktrin amerikanischer Prägung fallen sowohl Fallgestaltungen, in denen die Einrichtung von einem Unternehmen alleine kontrolliert wird als auch jene, in denen die Kontrolle über die Einrichtung mehreren Unternehmen obliegt41.

II. Die „essential facilities“-Doktrin in der Rechtsprechung Die „essential facilities“-Doktrin lässt sich auf eine Reihe von Entscheidungen der amerikanischen Instanzgerichte wie auch des obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, des Supreme Court, zurückführen, die bis in das Jahr 1912 zurückreichen42. Die wesentliche Entwicklungsarbeit ist dabei von den Instanzgerichten geleistet worden, die sich indes auf einige Kernentscheidungen des Supreme Court berufen haben43. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Supreme Court selbst die „essential facilities“-Doktrin nie ausdrücklich anerkannt hat44. Im Folgenden soll eine Auswahl der für die Entwicklung der „essential facilities“Doktrin im amerikanischen Antitrustrecht maßgeblichen Entscheidungen kurz dargestellt werden. Die Zusammenstellung orientiert sich, da hinsichtlich der Gerichtsentscheidungen, welche als Anwendungsfälle der Doktrin anzusehen sind, in

37 Areeda, 58 Antitrust L.J. (1990), S. 841, 844 ff.; Hens, Das Monopolisierungsverbot, S. 5; Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 8. 38 Furse, ECLR 1995, S. 469, 470; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 5. Zu den daraus resultierenden Problemen s. Areeda, 58 Antitrust L.J. (1990), S. 841, 844. 39 Markert, Festschrift Mestmäcker, S. 661, 661; Müller, EuZW 1998, S. 232, 233. 40 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 104; Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 843. 41 Beckmerhagen, Die essential facilities doctrine, S. 53. 42 Emmerich, Festschrift Söllner, S. 273, 274. 43 Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 516. 44 Tränkle, Die „essential-facilities“-Doktrin, S. 17.

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Literatur und Rechtsprechung keine Einigkeit herrscht45, im Wesentlichen an einer Auswahl, die für eine von der OECD in Auftrag gegebene Studie zur „essential facilities“-Doktrin getroffen wurde46. Diese Auswahl wiederum beruht auf einer Sammlung von Fällen, die in den Kommentar der „American Bar Association“ aufgenommen wurde, da sie eine größtmögliche Annäherung an einen Konsens darstellt47. Darüber hinaus gibt es jedoch noch eine Reihe weiterer Fälle, die teilweise als Anwendungsfälle der „essential facilities“-Doktrin angesehen werden48. 1. Terminal Railroad Der Fall Terminal Railroad49 aus dem Jahre 1912 gilt allgemein als Ausgangspunkt der „essential facilities“-Doktrin50. Auf ihm bauen alle weiteren, in der Diskussion um die „essential facilities“-Doktrin in Bezug genommenen Entscheidungen auf, so dass er als „Nukleus“ der Doktrin verstanden werden kann51. Der Fall betraf den vertraglichen Zusammenschluss 14 selbständiger Eisenbahngesellschaften zur „Terminal Railroad Association of St. Louis“ im Jahre 188952. Dieses Gemeinschaftsunternehmen kontrollierte fortan sowohl die beiden einzigen damals existierenden Eisenbahnbrücken über den Mississippi als auch die bestehende Fährverbindung sowie die wichtigsten Bahnhöfe und Gleisanlagen in und um St. Louis53. Neben der Erhebung eines Preisaufschlags für die über den Mississippi transportierten Güter sah der Gesellschaftsvertrag der Terminal Railroad Association ein 45 Bausch, Netznutzungsregel, S. 104; Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 353; Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 847; Van Siclen, The Essential Facilities Concept – Background Note, S. 7, 8; Werden, 32 St. Louis University L. J. (1987), S. 433, 441. Kritik siehe bei Areeda, 58 Antitrust L.J. (1990), S. 841 ff. sowie Kezsbom/Goldman, 145 Columbia Business L.R. (1996), S. 1, 21. 46 Die Studie nennt die Fälle Terminal Railroad, MCI, Otter Tail, Hecht, Aspen Skiing, vgl. Van Siclen, The Essential Facilities Concept – Background Note, S. 7, 8, Fn. 4. Darüber hinaus werden im Rahmen dieser Arbeit aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung die Fälle Associated Press, Gamco und Trinko dargestellt. 47 Van Siclen, The Essential Facilities Concept – Background Note, S. 7, 8. 48 Vgl. z. B. die Aufzählung bei Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 847. 49 United States v. St. Louis Terminal Railroad Association, 224 U.S. 383 (1912). 50 Areeda, 52 Antitrust L.J. (1990), S. 841, 842; Basedow, Festschrift Sandrock, S. 13, 27; Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 144; Bunte, WuW 1997, S. 302, 308; Capobianco, ELR 2001, S. 548, 548; Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 563; Furse, ECLR 1995, S. 469, 469; Jacobi, Third-Party-Access, S. 183; Klaue, RdE 1996, S. 51, 52; Lipsky/Sidak, 51 Stanford L.R. (1999), S. 1187, 1195; Müller, EuZW 1998, S. 232, 233; Troy, 83 Columbia L.R. (1983), S. 441, 449; Venit/Kallaugher, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 315, 316. 51 Klaue, RdE 1996, S. 51, 52. Der Fall Terminal Railroad wird daher auch als „granddaddy of all essential facilities cases“ bezeichnet, vgl. Azcuenaga, 58 Antitrust L.J. (1990), S. 879, 883. 52 Ausführlich zur Entstehung der Terminal Railroad Association: Reiffen/Kleit, 33 J.L.Econ. (1983), S. 419, 425 ff. 53 Jacobi, Third-Party-Access, S. 183.

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Vetorecht jedes einzelnen Gesellschafters gegen die Mitbenutzung der Anlagen durch Dritte vor54. Da die Errichtung weiterer Anlagen aus wirtschaftlichen und geographischen Gründen nicht möglich war, kontrollierte das Konsortium damit faktisch den gesamten Ost-West-Eisenbahnverkehr im Süden der USA55. Der Fall veranschaulicht deutlich die wettbewerbsrechtliche Problematik einer monopolistischen „bottleneck“-Situation: beabsichtigte ein Unternehmen im Süden der Vereinigten Staaten, Eisenbahntransporte auf der Ost-West-Route anzubieten, musste es den Mississippi überqueren56. Die wenigen Flussübergänge, die dementsprechend als „bottleneck Einrichtungen“ zu qualifizieren waren, wurden jedoch allesamt von der Terminal Railroad Association kontrolliert. Durch eine Blockade dieser Engpässe war es dem Konsortium möglich, den gesamten Markt für sich zu beanspruchen. Löste das Konsortium die Blockade wieder auf, entstand nicht nur unmittelbar im Flussübergangsverkehr, sondern auf dem gesamten Transportmarkt im Süden der Vereinigten Staaten mehr Wettbewerb57. Der Fall ist damit geradezu ein Paradebeispiel dafür, dass ein Monopolist eine Engpass-Situation ausnutzen konnte, um das Entstehen von Wettbewerb auch auf benachbarten Märkten zu verhindern58. Der Supreme Court hielt einen Verstoß gegen Sec. 1 und Sec. 2 Shermam Act für gegeben. Anstatt das Konsortium jedoch aufzulösen oder zu entflechten, was Sec. 2 Sherman Act als Rechtsfolge durchaus vorgesehen hätte59, verpflichtete der Supreme Court die Terminal Railroad Association dazu, anderen Wettbewerbern die Mitgliedschaft in dem Gemeinschaftsunternehmen zu gestatten oder ihnen einen anderweitigen Zugang zu den Anlagen zu angemessenen Bedingungen zu gewähren60. Erstmalig wurde damit ein Unternehmen gem. Sec. 1 und Sec. 2 Sherman Act gezwungen, Dritten Zugang zu seinen Anlagen zu gewähren. 2. Associated Press Der nächste, von Rechtsprechung und Literatur in der Diskussion um die „essential facilities“-Doktrin thematisierte Fall war der Fall Associated Press61, über welchen der Supreme Court im Jahr 1945 zu entscheiden hatte62. Zu dieser Zeit zählte die gleichnamige Nachrichtenagentur rund 1200 über die Welt verteilte Zeitungen als Mitglieder. Diese waren verpflichtet, der Agentur ihre Nachrichten anzubieten. Im 54

Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 844. Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 517. 56 Lenschow, Marktöffnung, S. 302. 57 Lenschow, Marktöffnung, S. 302. 58 Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 21. 59 Lipsky/Sidak, 51 Stanford L.R. (1999), S. 1187, 1195 f.; zu den Rechtsfolgen von Sec. 2 Sherman Act im Allgemeinen: Hens, Das Monopolisierungsverbot, S. 7. 60 Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 517. 61 United States v. Associated Press, 326 U.S. 1 (1945). 62 Zum Folgenden Jacobi, Third-Party-Access, S. 183 f. 55

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Gegenzug konnten sie auf die Meldungen der anderen Mitglieder zurückgreifen. Die Weitergabe von Meldungen an Nichtmitglieder war jedoch per Satzung verboten. Darüber hinaus sah die Satzung ein Vetorecht jedes einzelnen Mitglieds von Associated Press gegen die Aufnahme neuer Mitglieder vor. Einzelne Zeitungen konnten mithin konkurrierenden Wettbewerbern den Zutritt zu dem Verbund verweigern. Der Supreme Court sah darin einen Verstoß gegen Sec. 1 und Sec. 2 Sherman Act und verpflichtete Associated Press dazu, auch Wettbewerber bereits beteiligter Presseunternehmen zu vergleichbaren Bedingungen in die Agentur aufzunehmen. 3. Gamco Ein weiterer, häufig im Zusammenhang mit der „essential facilities“-Doktrin zitierter Fall ist der Fall Gamco v. Providence Fruit63 aus dem Jahr 1952. Der Fall betraf den Zugang zu einer in der Region Providence im US-Bundesstaat Rhode Island gelegenen Markthalle. In diesem Gebäude, das als einziges in Providence über eine direkte Eisenbahnanbindung verfügte, wurde über zwanzig Jahre lang nahezu der gesamte Obst- und Gemüsegroßhandel der Region abgewickelt64. Gamco, ein in der Gegend ansässiger Obst- und Gemüsehändler, hatte lange Zeit über eine Standkonzession für die Markthalle verfügt. Nach der Fusion mit einem auswärtigen Händler beabsichtigte Gamco, den Marktstand auf diesen zu übertragen. Dies wurde Gamco jedoch von der Vermieterin des Gebäudes, Providence Fruit, untersagt, die sodann erfolgreich auf Rückgabe der Mietfläche klagte. Gamco sah darin einen Verstoß gegen das in Sec. 2 Sherman Act niedergelegte Monopolisierungsverbot und klagte auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Das Gericht zweiter Instanz gab Gamco Recht. Providence Fruit habe faktisch eine Monopolstellung inne, da sie für den Obst- und Gemüsehandel als Vermieterin eine auf dem lokalen Markt „wesentliche Einrichtung“ („essential facility“) besitze. Zwar stünden in der näheren Umgebung der Markthalle andere Gebäude ähnlicher Art zur Verfügung, diese seien aber zum Frucht- und Gemüsegroßhandel weniger geeignet, so dass ein Ausweichen für Gamco stets mit Nachteilen verbunden wäre. Infolgedessen verurteilte das Gericht Providence Fruit dazu, den Vertrag mit Gamco zu verlängern. 4. Otter Tail Eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der „essential facilities“-Doktrin kommt auch dem Fall Otter Tail65 aus dem Jahre 1973 zu, welcher sich im Bereich der Energiewirtschaft abspielte66. Das regionale Stromversorgungsunternehmen Otter 63 Gamco, Inc. v. Providence Fruit & Produce Building, Inc., 194 F2d 484 (1st Cir), cert. den., 344 U.S. 817 (1952). 64 Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 844. 65 Otter Tail Power Co. v. United States, 410 U.S. 366 (1973). 66 Zum Sachverhalt s. auch Tränkle, Die „essential facilites“-Doktrin, S. 23 f.

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Tail betrieb zu jener Zeit in den US-Bundesstaaten Minnesota sowie Nord- und SüdDakota ein flächendeckendes Stromnetz und verfügte über die einzigen Leitungen zur Verteilung von Strom an Gemeinden. Nach Ablauf ihrer Konzessionsverträge mit Otter Tail hatten sich zwei Gemeinden für eine kommunale Stromversorgung ihrer Gebiete entschieden. Dazu waren sie jedoch auf die Zuleitung des von einem Konkurrenzunternehmen erzeugten Stroms durch Otter Tail angewiesen. Das Unternehmen verweigerte jedoch die Inanspruchnahme seines Mittelspannungsnetzes zur Durchleitung und lehnte ebenso eine Belieferung der beiden Gemeinden zu Großhandelspreisen ab. Zudem verweigerte Otter Tail die Anbindung eines von der einen Gemeinde eigens gebauten Kraftwerkes an das vorhandene Stromnetz. Der Supreme Court wertete das Verhalten Otter Tails als eine nach Sec. 2 Sherman Act verbotene versuchte Monopolisierung, da Otter Tail in den Gebieten der betroffenen Gemeinden bestehende Monopolmacht dazu missbraucht habe, das Entstehen von Wettbewerb zu verhindern. 5. Hecht In dem Urteil Hecht67 fand der Begriff der „essential facilities“-Doktrin erstmals ausdrückliche Erwähnung in einem Gerichtsurteil68. Gegenstand des Rechtsstreits war eine in einem Mietvertrag über ein Football-Stadion in der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. enthaltene Ausschließlichkeitsvereinbarung. Diese untersagte es dem Betreiber des Stadions, der Pro Football Inc., das Stadion an eine andere als die bereits ansässige Profi-Football-Mannschaft, die Washington Redskins, zu vermieten. Dagegen wandte sich Hecht, der beabsichtigte, eine Lizenz für den Aufbau einer weiteren Profi-Football-Mannschaft in der amerikanischen Hauptstadt zu erwerben. Hierfür musste er Zugang zu einem geeigneten Stadion nachweisen, wofür lediglich das von Pro Football Inc. betriebene Robert F. Kennedy Stadion in Betracht gekommen wäre. Pro Football Inc. verweigerte jedoch die Nutzung des Stadions durch andere Profimannschaften unter Hinweis auf den bestehenden Exklusivvertrag. Nachdem Hecht in erster Instanz unterlegen war, entschied das nunmehr mit der Sache befasste Berufungsgericht, dass es sich bei der in dem Stadionmietvertrag enthaltenen Ausschließlichkeitsvereinbarung um eine nach Sec. 1 und 2 Sherman Act verbotene Absprache handele. Dabei nahm das Gericht ausdrücklich Bezug auf die „essential facilities“-Doktrin und erklärte diese unter Berufung auf vorangegangene Urteile69 für allgemein anerkannt. Das Gericht stellte fest, dass die Anwendung der Doktrin im vorliegenden Fall tatsächlich entscheidend sei. Ein derart großes Stadion könne von potentiellen Wettbewerbern nicht ohne weiteres dupliziert werden, und stelle daher eine „essential facility“ dar. Angesichts der Tatsache, dass die Nutzung des Stadions durch ein anderes Footballteam ohne 67

Hecht v. Pro Football, Inc., 570 F. 2d 982 (D.C. 1977); cert. denied, 436 U.S. 956 (1978). Jacobi, Third-Party-Access, S. 185; Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 846. 69 Helix Milling Co. v. Terminal Mills & Co., 523 F2d 1317, 1320 (9th Cir 1975), cert. den. 436 U.S. 956, 98 S.Ct. 3069 sowie U.S. v. Standard Oil Co., 362 F.Supp. 1331 (N.D. Cal. 1972) aff’d 412 U.S. 924, 93 S.Ct. 2750 (1973). 68

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Störung der bereits existierenden Mannschaft möglich war, verpflichtete das Gericht die Betreibergesellschaft dazu, Hecht den Zugang zu dem Stadion zu gestatten. 6. MCI Der für die Entwicklung der „essential facilities“-Doktrin bedeutendste Fall ist der Fall MCI70 aus dem Telekommunikationsbereich. Seine überragende Bedeutung rührt daher, dass ein Gericht hier zum ersten Mal abstrakt die Voraussetzungen für die Anwendung der Doktrin festlegte71. Der Fall wurde daher als Durchbruch der „essential facilities“-Doktrin gefeiert72. Ihm lag folgender Sachverhalt zugrunde: bis in die späten sechziger Jahre hinein war der Markt für Telekommunikationsdienstleistungen in den Vereinigten Staaten monopolistisch strukturiert. Ferngespräche wurden von der Firma American Telephone & Telegraph Co. (AT&T), Ortsgespräche von der zu AT&T gehörenden Firma Bell System vermittelt. Das Telekommunikationsunternehmen MCI Communications (MCI) beabsichtigte nun, als neuer Anbieter Ferngespräche zu vermitteln. Hierfür war das Unternehmen auf die Nutzung der im Eigentum von AT&T stehenden regionalen Telefonleitungen angewiesen. AT&T verweigerte jedoch die Nutzung ihrer Netze, weswegen MCI Klage nach Sec. 2 Sherman Act erhob. Das mit der Sache befasste Berufungsgericht entschied 1982, dass die Weigerung AT&T’s, die notwendigen Verbindungen herzustellen, einen Verstoß gegen Sec. 2 Sherman Act darstelle. AT&T verfüge mit den Ortsnetzen über eine wesentliche Einrichtung, die MCI kaum duplizieren könne. Da AT&T den Zugang zu den Netzen verweigerte, obwohl die Zusammenschaltung technisch durchführbar und auch wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre, verurteilte das Gericht AT&T dazu, MCI den gewünschten Zugang zu den Netzen gegen eine angemessene Gebühr zu gestatten. Dabei berief sich das Gericht ausdrücklich auf die „essential facilities“-Doktrin als Grundlage seiner Entscheidung und legte sodann vier abstrakte Voraussetzungen für ihre Anwendung fest, welche seither in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert werden: 1. Die Kontrolle einer wesentlichen Einrichtung durch ein Monopolunternehmen („control of the essential facility by a monopolist“): wesentlich ist eine Einrichtung dann, wenn der Zugang zu ihr unverzichtbar ist, um auf dem betreffenden Markt den Wettbewerb mit dem die Einrichtung kontrollierenden Unternehmen aufzunehmen.

70 MCI Communications v. AT&T, 708 F.2d 1081 (7th Cir.), cert. denied, 464 U.S. 891 (1983), appeal after remand. 71 Tränkle, Die „essential facilites“-Doktrin, S. 25. 72 Börner, Der Netzzugang für Dritte, S. 137, 166.

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2. Die faktische oder wirtschaftliche Unmöglichkeit der Duplizierbarkeit dieser Einrichtung durch den Wettbewerber („a competitor’s inability practically or reasonably to duplicate the essential facility“). 3. Die Zugangsverweigerung durch das Monopolunternehmen („the denial of use of the facility to a competitor“). 4. Die Durchführbarkeit der Zugangsgewährung („the feasibility of providing the facility“). Die vier genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen; bereits bei Fehlen einer einzigen Voraussetzung scheidet ein Zugangsanspruch aus73. 7. Aspen Skiing Ein weiterer in der Diskussion um die „essential facilities“-Doktrin viel beachteter Fall ist der Fall Aspen Skiing74 aus dem Jahr 1985. Hier war ein Verbundskipass für das Skigebiet des amerikanischen Wintersportortes Aspen in Colorado Gegenstand des Streits. In Aspen wurden drei der vier aneinander angrenzenden Skigebiete von der Aspen Skiing Corp. (Aspen Skiing) und das vierte von der Aspen Highlands Skiing Corp. (Aspen Highlands) betrieben. Aufgrund der geographischen Lage der vier Gebiete befand sich Aspen Skiing in einer marktbeherrschenden Position. Gleichwohl hatten beide Unternehmen über Jahre hinweg gemeinsam einen Verbundskipass, das so genannte „All-Aspen-Ticket“ angeboten. Dieses ermöglichte es den Wintersportlern, die Liftanlagen aller vier Skigebiete zu benutzen, ohne dafür zwei gesonderte Tickets kaufen zu müssen. Die Erlöse waren entsprechend der Nutzung der Skigebiete zwischen den Betreibern aufgeteilt worden. Im Jahr 1978 verweigerte Aspen Skiing jedoch überraschend die Zusammenarbeit mit Aspen Highlands und erklärte sich lediglich unter jener Voraussetzung zur weiteren Zusammenarbeit bereit, dass Aspen Highlands einen Gewinnanteil akzeptierte, der beträchtlich unter dem bisherigen, der durchschnittlichen Nutzung durch die Wintersportler entsprechenden Anteil läge. Nachdem Aspen Highlands diesen Prozentanteil nicht akzeptierte, kündigte Aspen Skiing die Zusammenarbeit auf und weigerte sich in der Folge, das All-Aspen-Ticket weiter anzubieten oder anzuerkennen. Der Marktanteil von Aspen Highlands ging in der Folge von 20,5 auf 11 Prozent zurück. Die mit der Sache befassten Gerichte werteten das Verhalten Aspen Skiings übereinstimmend als Verstoß gegen Sec. 2 Sherman Act, da der Abbruch der geschäftlichen Beziehungen offensichtlich auf die Verdrängung Aspen Highlands gerichtet gewesen sei. Der Supreme Court, der letztinstanzlich über die Sache zu entscheiden hatte, wies in seinen Entscheidungsgründen jedoch darauf hin, dass sich aus Sec. 2 Sherman Act keine generelle Kontrahierungspflicht ergebe, sondern die Frage eines Zugangsanspruchs weiterhin davon abhänge, ob die Ab73 74

Jacobi, Third-Party-Access, S. 186. Aspen Highlands Skiing Corp. v. Aspen Skiing Corp., 472 U.S. 585 (1985).

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schlussverweigerung auf nachvollziehbaren geschäftlichen Gründen („valid business reasons“) beruhe bzw. durch irgendeinen normalen Geschäftszweck gerechtfertigt sei. Auf diese Weise erweiterte er die Anwendungsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin um die Möglichkeit eines nachvollziehbaren geschäftlichen Rechtfertigungsgrund für die Zugangsverweigerung75. Im vorliegenden Fall wurde eine derartige Rechtfertigung allerdings verneint und Aspen Skiing zur Zugangsgewährung verurteilt. Die Bedeutung des Falles für die „essential facilities“Doktrin ist dennoch umstritten. So stützte das mit dem Fall befasste Berufungsgericht seine Entscheidung – unter Zugrundelegung der in dem Fall Terminal Railroad gewonnenen Erkenntnisse – eindeutig auf die „essential facilities“-Doktrin. Der Supreme Court hingegen erwähnte die „essential facilities“-Doktrin nur in einer Fußnote, in welcher er klarstellte, dass er einen Rückgriff auf diese für nicht erforderlich halte76. Nicht nur aus diesem Grund ist der Fall Aspen Skiing als Anwendungsfall der „essential facilities“-Doktrin umstritten77. 8. Trinko Die vorerst letzte wichtige Entscheidung in Bezug auf die „essential facilities“Doktrin ist die Entscheidung Trinko78 aus dem Jahr 2004, in welcher der Supreme Court unmissverständlich klarstellte, dass er eine „essential facilities“-Doktrin nie in seine Rechtsprechungspraxis aufgenommen habe, wenngleich er die Doktrin in dem Urteil auch nicht ausdrücklich verwarf79. Dieser viel beachteten Entscheidung lag erneut das Netzzugangsbegehren eines Telekommunikationsunternehmens zugrunde80. Die Anwaltskanzlei Curtis V. Trinko hatte gegen Verizon, den lokalen Telefonnetzbetreiber im Bundesstaat New York, geklagt, da dieser seinen Wettbewerbern keinen ausreichenden Zugang zu dem lokalen Telefonnetz gewährt hatte. Ohne einen solchen Zugang war es konkurrierenden Anbietern jedoch nicht möglich, Ortsgespräche zu vermitteln. Trinko war – als Kunde eines konkurrierenden Anbieters – der 75

Tränkle, Die „essential facilites“-Doktrin, S. 29. S.0. U.S. 585, 611, n. 44 (1985): „Given our conclusion that the evidence amply supports the verdict under the instructions as given by the trial court, we find it unnecessary to consider the possible relevance of the ,essential facilities‘-doctrine, or the somewhat hypothetical question whether nonexclusionary conduct could ever constitute an abuse of monopoly power if motivated by an anticompetitive purpose.“. 77 Weitere Nachweise bei Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S. 10 sowie bei Hohmann, Die essential facility doctrine, S. 33. 78 Law Offices of Curtis Trinko v. Verizon, 540 U.S. 398 (2004), auszugsweise abgedruckt in GRUR Int. 2004, S. 674 ff. 79 Der Supreme Court hat in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich klargestellt, er selbst habe die von den Instanzgerichten herangezogene „essential facilities“-Doktrin bislang nie anerkannt und sehe keine Veranlassung, jetzt daran etwas zu ändern: „We have never recognized such a doctrine, and we find no need either to recognize it or to repudiate it here“, Law Offices of Curtis Trinko v. Verizon, 540 U.S. 398 (2004). 80 Zum Sachverhalt vgl. Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 679 f. 76

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Ansicht, Verizon habe den Netzzugang verweigert, um potentielle Wettbewerber am Markteintritt zu hindern. Statt auf die einschlägigen sektorspezifischen Regulierungsvorschriften des Telecommunications Act aus dem Jahr 1996 stützte Trinko das Netzzugangsbegehren jedoch auf Sec. 2 Sherman Act81. Der Supreme Court zeigte sich zunächst skeptisch hinsichtlich der Anwendung des Sherman Act in dem durch den Telecommunications Act regulierten Markt82. Da aber der Telecommunications Act – ausweislich seines § 152 – keinen Einfluss auf die Anwendung des allgemeinen Kartellrechts hat, war das Gericht gezwungen, näher auf die kartellrechtliche Fragestellung einzugehen83. Mit einer Mehrheit von sechs zu drei Stimmen wies es die Klage Trinkos ab84. In ihrer Urteilsbegründung stellten die Richter zunächst erneut klar, dass der Besitz von Monopolmacht an sich nicht zu beanstanden sei. Auch das Festsetzen überhöhter Preise sei nicht grundsätzlich unzulässig, sondern vielmehr ein wichtiger Bestandteil des freien Marktes und Anreiz zur Schaffung neuer Innovationen. Dieser Anreiz würde nach Ansicht des Supreme Court gemindert, müsste ein marktbeherrschendes Unternehmen seinen Wettbewerbern Zugang zu den Infrastruktureinrichtungen gewähren85. Zwar könne eine Zugangsverweigerung ausnahmsweise missbräuchlich sein, wenn eine freiwillig eingegangene Lieferbeziehung einseitig beendet werde (wie im Fall Aspen Skiing), grundsätzlich sei dies aber nicht der Fall. Insbesondere falle der vorliegende Sachverhalt nicht in den eng begrenzten Bereich einer ausnahmsweise anzunehmenden Kontrahierungspflicht86. Diese Einschätzung bliebe auch dann unverändert, wenn der Supreme Court die von einigen Untergerichten angewendete „essential facilities“-Doktrin als etabliert ansehen würde; da der Telecommunications Act 1996 eine regulatorische Pflicht zur Netzzugangsgewährung vorsehe, fehle es hier – anders als im Fall Aspen Skiing – an der Nichtverfügbarkeit des Zugangs zu einer wesentlichen Einrichtung87. Eine parallele Begründung des Zugangsanspruchs über das allgemeine Kartellrecht würde den Gerichten komplexe Regulierungsaufgaben übertragen, denen sie in diesem Umfang nicht gewachsen seien88. Insgesamt lässt sich die Entscheidung dahingehend zusammenfassen, dass ein auf Sec. 2 Sherman Act gestützter Zugangsanspruch zumindest dann nicht gegeben ist, wenn einschlägige sektorspezifische Regulierungsvorschriften den Markt regulieren. Der Supreme Court hat damit einer ausufernden Anwendung von Sec. 2 Sherman Act auf Monopolstellungen Einhalt geboten89. 81

Lenschow, Marktöffnung, S. 303. Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 679. 83 Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 679. 84 Die Minderheit hielt die Klage schon für unzulässig, da Trinko als Kunde eines Wettbewerbers allenfalls mittelbar betroffen sei. Vgl. Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 679. 85 Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 679. 86 Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 674. 87 Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 674. 88 Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 674. 89 Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 678. 82

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9. Bewertung der Rechtsprechung Den soeben exemplarisch dargestellten Fällen ist gemein, dass sie sich allesamt mit dem Zugangsbegehren eines (potentiellen) Wettbewerbers befassten. Die Gerichte hatten dabei der Frage nachzugehen, ob es sich bei einer Zugangsverweigerung um eine verbotene Monopolisierung i.S.v. Sec. 2 Sherman Act handelte. Dies bejahten die Richter in den genannten Fällen – mit Ausnahme von Trinko – stets und verurteilten den jeweiligen Monopolisten auf der Grundlage der „essential facilities“-Doktrin dazu, seinem Konkurrenten den gewünschten Zugang zu gewähren. Die Vielfalt der den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte macht deutlich, wie häufig man in der Rechtsprechung der Vereinigten Staaten bisher zur Lösung von Marktzugangsproblemen auf die „essential facilities“-Doktrin zurückgriffen hat90. Es lässt sich klar erkennen, dass der Anwendungsbereich der „essential facilities“-Doktrin seit der ersten Entscheidung im Fall Terminal Railroad enorm ausgeweitet worden ist91. Einen Wendepunkt in dieser Entwicklung sahen viele in der Entscheidung Trinko. Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung zwar keinen Einfluss auf die Entwicklung der „essential facilities“-Doktrin zu haben, da der Supreme Court eindeutig feststellte, dass es sich bei dem zugrunde liegenden Sachverhalt gerade nicht um eine „essential facilities“-Konstellation handelte. Andererseits ist jedoch zu beachten, dass der Supreme Court mit seiner Entscheidung drei instanzgerichtliche Urteile verworfen hat, die den Sachverhalt allesamt als „essential facilities“-Konstellation qualifiziert hatten. Die in diesem Zusammenhang getätigte Aussage des Supreme Court, er selbst habe die von den Instanzgerichten herangezogene „essential facilities“-Doktrin bisher nie anerkannt und sehe auch jetzt keine Veranlassung, daran etwas zu ändern, wurde in Teilen der Literatur als Absage an die Anwendbarkeit der Doktrin gewertet. Sie sei eine Warnung an all diejenigen, „die in der „essential facilities“-Doktrin bereits einen festen Bestandteil des Kartellrechts erblicken wollten“92. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass es sich bei dem vorliegenden Fall um einen Sonderfall handelt, welcher sich in einem regulierten Markt abspielte93. Die „essential facilities“-Doktrin wurde jedoch von den Instanzgerichten entwickelt, um gerade denjenigen einen Zugangsanspruch zu verschaffen, die ihr Zugangsbegehren eben nicht auf eine bereits bestehende Regulierungsvorschrift stützen können. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Supreme Court in seiner Entscheidung zwar explizit darauf hingewiesen hat, dass er keine Veranlassung sehe, die „essential facilities“-Doktrin anzuerkennen, ebenso explizit hat er aber auch darauf hingewiesen, dass er keine Veranlassung sehe, die Doktrin zurückzuweisen. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass zumindest in der Rechtsprechung des Supreme Court weiterhin ungeklärt ist, ob die „essential facilities“90 91 92 93

Jacobi, Third-Party-Access, S. 187. Tränkle, Die „essential facilites“-Doktrin, S. 30. Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 680. Graf von Merveldt, GRUR Int. 2004, S. 674, 680.

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Doktrin anzuerkennen oder abzulehnen ist. Anders stellt sich die Lage bei den Untergerichten dar. Diese wenden die „essential facilities“-Doktrin mit einer Regelmäßigkeit an, die keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass es sich hierbei – ihrer Ansicht nach – um gefestigte Rechtsprechung handelt. Zwar herrscht auch bei den Untergerichten hinsichtlich der genauen Anwendungsvoraussetzungen Unklarheit94, die generelle Anwendbarkeit der Doktrin wird indes nicht in Zweifel gezogen. Auch wenn es angesichts der in der Rechtssache Trinko geäußerten Skepsis hinsichtlich der richterlichen Fähigkeit zur Zugangsregulierung unwahrscheinlich erscheint, dass sich der Supreme Court in naher Zukunft die „essential facilities“Doktrin zu Eigen machen wird95, bleibt festzuhalten, dass er die Doktrin bis zum heutigen Tag nicht ausdrücklich zurückgewiesen hat, und die Untergerichte sie weiterhin als festen Bestandteil des amerikanischen Antitrustrechts erachten.

III. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der Literatur Obwohl die „essential facilities“-Doktrin in den Vereinigten Staaten auf eine lange Tradition zurückblicken kann, steht ihr die amerikanische Literatur größtenteils kritisch gegenüber. Vielfach wird die Doktrin als zu ungenau und weitreichend kritisiert. Sowohl hinsichtlich ihres exakten Anwendungsbereichs als auch hinsichtlich der Gerichtsentscheidungen, welche als ihre Präzedenzfälle anzusehen sind, herrscht in den Vereinigten Staaten Unklarheit96. Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit wurde die „essential facilities“-Doktrin daher stark angegriffen. In diesem Zusammenhang wandte sich vor allem Areeda gegen eine übermäßige Ausdehnung der Doktrin97. Er teilte die Entwicklung der „essential facilities“Doktrin zunächst in drei Phasen ein. Diese Einteilung, die seiner Meinung nach auch auf die meisten anderen Fälle derartiger richterlicher Rechtsfortbildung zutrifft (Areeda spricht insofern von „judging by catch-phrase“98), stellt sich wie folgt dar: in der ersten Phase reagiert ein Gericht auf einen Ausnahmesachverhalt und bietet für diesen einen Lösungsvorschlag an99. Dieser Lösungsvorschlag wird von den Gerichten in einer zweiten Phase dann auf andere Fälle übertragen, wodurch der Anwendungsbereich deutlich erweitert wird100. Dies führt dazu, dass der ursprüngliche Lösungsvorschlag bis an die Grenzen seines Wortlautes ausgedehnt wird101. Schließlich folgt, da eine derartige Ausweitung auf Dauer widersinnig ist, eine dritte 94

14 ff. 95

Vgl. den Überblick bei Kezsbom/Goldman, 145 Columbia Business L. R. (1996), S. 1,

Lenschow, Marktöffnung, S. 304. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 104. 97 Areeda, 52 Antitrust L.J. (1990), S. 841 ff. 98 Areeda, 52 Antitrust L.J. (1990), S. 841, 841. 99 Jacobi, Third-Party-Access, S. 187. 100 Jacobi, Third-Party-Access, S. 187. 101 Jacobi, Third-Party-Access, S. 187. 96

172

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Phase, die das Zurückstutzen der Doktrin auf ihren berechtigten Begründungskern erfordert102. In seinem viel beachteten Aufsatz aus dem Jahr 1990 forderte Areeda eindringlich ein solches Zurückstutzen der „essential facilities“-Doktrin. Anderenfalls drohe der Anreiz zur Schaffung wesentlicher Einrichtungen zu erlahmen103. Areeda schlug daher sechs Kriterien vor, mit deren Hilfe der Anwendungsbereich der Doktrin zu begrenzen sei104. Tatsächlich berief sich der Supreme Court in seiner Entscheidung in der Rechtssache Trinko auf einige dieser Kriterien. Im Widerstand gegen eine übermäßige Ausdehnung der „essential facilities“-Doktrin kommt Areeda daher eine Vorreiterrolle zu. Aber auch andere namhafte Autoren haben an der Doktrin Kritik geübt105. Sie beanstandeten vor allem, dass die „essential facilities“-Doktrin keinen eigenen, über das allgemeine Kartellrecht hinausgehenden Gehalt aufweise106. Vielmehr hätten sämtliche Fälle, in denen die Doktrin von den Gerichten bisher angewandt worden sei, auch mit dem herkömmlichen Nachweis der Monopolisierungsabsicht gelöst werden können107. Bei der „essential facilites“-Doktrin handele es sich mithin nur um eine – im Prinzip überflüssige – Umbenennung bereits existierender Rechtsprechungsgrundsätze108. Vereinzelt geblieben sind jene Stimmen, die der „essential facilities“-Doktrin und ihrer Entwicklung positiv gegenüberstehen109. Dennoch konnte sich die Forderung einiger Autoren, auf die Anwendung der „essential facilities“-Doktrin vollständig zu verzichten110, in der Rechtsprechung nicht

102

Tränkle, Die „essential facilites“-Doktrin, S. 5. Areeda, 52 Antitrust L.J. (1990), S. 841, 851. 104 Areeda, 52 Antitrust L.J. (1990), S. 841, 852 f.: (1) there is no general obligation to share the facility; (2) a single firm’s facility is „essential“ only when it is both critical to the plaintiff’s competitive vitality and the plaintiff is essential for competition in the marketplace; (3) no one should be forced to deal unless doing so is likely to substantially improve competition in the marketplace by reducing price or by increasing output or innovation; (4) even when all these conditions are satisfied, denial of access is never per se unlawful – a legitimate business purpose always saves the defendant; (5) the defendant’s intention is seldom illuminating, because every firm that denies its facilities to rivals does so to limit competition with itself and increase its profits; and (6) no court should impose a duty to deal that it cannot explain or adequately and reasonably supervise. 105 So z. B. Ahern, 63 Antitrust L.J. (1994), S. 153, 157; Kezsbom/Goldman, 145 Columbia Business L.R. (1996), S. 1 ff.; Lipsky/Sidak, 51 Stanford L.R. (1999), S. 1187, 1248; Ratner, 21 University of California Davis L.R. (1988), S. 327, 327 ff.; Venit/Kallaugher, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 315, 319. 106 Kezsbom/Goldman, 145 Columbia Business L.R. (1996), S. 1, 34; Lipsky/Sidak, 51 Stanford L.R. (1999), S. 1187, 1248; Werden, 32 St. Louis University L. J. (1987), S. 433, 460. 107 Kezsbom/Goldman, 145 Columbia Business L.R. (1996), S. 1, 34. 108 Kezsbom/Goldman, 145 Columbia Business L.R. (1996), S. 1, 34. 109 So z. B. Hawker, 25 Ohio Northern University L. R. (1999), S. 115, 128; Jones/Turner, 37 Jurimetrics J.L.S.T. (1997), S. 355, 392. 110 So z. B. McGowan, 18 Hastings Communications and Entertainment L.J. (1996), S. 771, 777. 103

B. Die „essential facilities“-Doktrin im US-amerikanischen Antitrustrecht

173

durchsetzen111. Allen inhaltlichen Kontroversen zum Trotz ist die „essential facilities“-Doktrin daher fester Bestandteil sämtlicher Diskussionen um monopolistische „bottleneck“-Einrichtungen und der damit verbundenen Problematik der Zugangsgewährungspflichten monopolistischer Unternehmen geblieben112.

IV. Zusammenfassung Die „essential facilities“-Doktrin wird im amerikanischen Antitrustrecht zur Klärung der Frage herangezogen, wann die Zugangsverweigerung eines monopolistischen Unternehmens gegen das in Sec. 2 Sherman Act niedergelegte Monopolisierungsverbot verstößt. Sie legt fest, dass der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung („essential facility“) unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein kann, seinen (potentiellen) Wettbewerbern einen angemessenen Zugang zu der Einrichtung zu gewähren. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin können wie folgt zusammengefasst werden: zunächst muss eine wesentliche Einrichtung von einem Monopolisten kontrolliert werden. Einrichtungen können dabei sowohl körperlicher als auch unkörperlicher Art sein113. Wesentlich ist eine Einrichtung dann, wenn der Zugang zu ihr unverzichtbar ist, um auf dem nachgelagerten Markt tätig zu werden114. Zweitens muss es dem Wettbewerber faktisch oder wirtschaftlich unmöglich sein, diese Einrichtung zu duplizieren. Drittens muss dem Wettbewerber der Zugang zu dieser Einrichtung verweigert worden sein. Viertens muss die grundsätzliche Zumutbarkeit und Durchführbarkeit der Zugangsgewährung gegeben sein. Schließlich darf es keinen nachvollziehbaren geschäftlichen Rechtfertigungsgrund für die Zugangsverweigerung geben. Liegen all diese Voraussetzung vor, muss der Inhaber der wesentlichen Einrichtung seinem Wettbewerber den Zugang zu der Einrichtung gestatten. Auch wenn eine beachtliche Mehrheit in der Literatur der „essential facilities“-Doktrin skeptisch, wenn nicht gar abweisend, gegenübersteht und sich der Supreme Court hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit eher verhalten geäußert hat, bleibt festzuhalten, dass die „essential facilites“-Doktrin von den amerikanischen Instanzgerichten regelmäßig zur Lösung von Marktzugangsproblemen herangezogen wird.

111

Jacobi, Third-Party-Access, S. 189; Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 42. Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 845; Van Siclen, The Essential Facilities Concept – Background Note, S. 7, 8; Tränkle, Die „essential facilites“-Doktrin, S. 36. 113 Käller, Die Verweigerung, S. 172. 114 Käller, Die Verweigerung, S. 172. 112

174

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht Befasst man sich nun mit der Frage, ob die „essential facilities“-Doktrin Eingang in das europäische Wettbewerbsrecht gefunden hat, so muss man feststellen, dass hier ebenso wie in den USA Unklarheit herrscht. Ebenso wie im amerikanischen ist die „essential facilities“-Doktrin im europäischen – anders als z. B. im deutschen115 – Wettbewerbsrecht gesetzlich nicht geregelt. Eine Rezeption der Rechtsfigur aus dem amerikanischen Recht116 wird zwar seit Beginn der neunziger Jahre kontrovers diskutiert, abschließend geklärt ist die Thematik jedoch noch nicht. Während einige Stimmen in der Literatur ohne Weiteres davon ausgehen, dass die „essential facilities“-Doktrin bereits fester Bestandteil des europäischen Wettbewerbsrechts sei117, wird dies von anderer Seite heftig bestritten118. Aber nicht nur in der Literatur herrscht Uneinigkeit. Auch die europäischen Institutionen vertreten hinsichtlich Anwendbarkeit und Ausgestaltung der „essential facilities“-Doktrin unterschiedliche Ansichten119. Im Folgenden soll daher untersucht werden, inwieweit die „essential facilities“-Doktrin bereits Eingang in die Entscheidungen der europäischen Institutionen gefunden hat und ob zudem schon von einer europäischen Rezeption der Doktrin gesprochen werden kann.

115

In Deutschland wurde die „essential facilities“-Doktrin mit der 6. GWB-Novelle 1998 in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kodifiziert: „Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 4. sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.“ Näher zu der Vorschrift des § 19 IV Nr. 4 GWB: von Bechtolsheim/Bruder, WRP 2002, S. 44, 55 ff. 116 Allgemein zur Rezeption US-amerikanischer Rechtsfiguren in das europäische Wettbewerbsrecht: Fleischer/Körber, WuW 2001, S. 6 ff. 117 So z. B. Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 563; Emmerich, Festschrift Söllner, S. 273, 275; Markert, WuW 1995, S. 560, 562. 118 So z. B. Schnelle, EuZW 1994, S. 556, 556; Subiotto, ECLR 1992, S. 234, 234. Näher zu den unterschiedlichen Ansichten: Vierter Teil, C. III. 119 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 105.

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

175

I. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der Europäischen Kommission Unter den verschiedenen europäischen Institutionen kommt der Europäischen Kommission hinsichtlich ihrer Bemühungen, die „essential facilities“-Doktrin in das europäische Wettbewerbsrecht zu integrieren, eindeutig eine Vorreiterstellung zu. Sie war es, die mit ihrer Entscheidungspraxis in den frühen neunziger Jahren die Diskussion um eine Rezeption dieser Rechtsfigur überhaupt erst ausgelöst hat120. Aber auch zu späteren Zeitpunkten waren es ihre Entscheidungen, die der Debatte um eine Übernahme der Doktrin immer wieder Auftrieb gegeben haben. Die Kommission hat sich indes nicht nur in ihren Entscheidungen, sondern auch in ihren Berichten über die Wettbewerbspolitik, ihren Bekanntmachungen und anderen Veröffentlichungen immer wieder mit der wettbewerbsrechtlichen Problematik des Zugangs zu „wesentlichen Einrichtungen“ befasst121. Sowohl die einschlägigen Kommissionsentscheidungen, als auch die übrigen diesbezüglich relevanten Veröffentlichungen der Kommission sollen daher im Folgenden näher untersucht werden. 1. Entscheidungen der Europäischen Kommission In ihren Entscheidungen hat sich die Europäische Kommission bereits mehrfach auf die „essential facilities“-Doktrin berufen. Im Folgenden werden jedoch nur die wichtigsten diesbezüglichen Entscheidungen näher dargestellt. a) Die „Hafenentscheidungen“ In den Jahren 1992 und 1993 verwendete die Kommission erstmals ausdrücklich das Konzept der „essential facilities“122. Dies geschah in den drei so genannten „Hafenentscheidungen“, in denen es jeweils um den diskriminierungsfreien Zugang zu Hafeneinrichtungen ging. Neben der erstmaligen expliziten Erwähnung des „essential facilities“-Konzepts ist diesen drei Entscheidungen, von denen zwei den walisischen Fährhafen Holyhead betrafen, gemein, dass ihnen jeweils ein außergewöhnlicher Sachverhalt zugrunde lag, eine Tatsache, die Areeda zufolge symptomatisch für die Entstehungsphase der Doktrin ist123. Sie gelten daher als Leitentscheidungen der europäischen „essential facilities“-Doktrin124. Die in diesen drei Entscheidungen getroffenen Grundsätze sind später durch die Kommission in weiteren Entscheidungen bestätigt worden, von denen zwei wiederum den Zugang zu 120

Bausch, Netznutzungsregeln, S. 107. Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 38. 122 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 38. 123 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 40. 124 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 563; Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 275; Markert, WuW 1995, S. 560, 561. 121

176

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Hafeneinrichtungen betrafen. Angesichts der grundlegenden Bedeutung dieser Thematik für die vorliegende Arbeit sollen daher die drei einführenden sowie die zwei nachfolgenden Hafenentscheidungen detailliert untersucht werden. aa) Der erste Hafenfall: Sealink I Die erstmalige ausdrückliche Erwähnung des Konzepts der „essential facilities“ erfolgte im Jahr 1992 in der Entscheidung Sealink I125. Dieser Fall betraf den Hafen Holyhead in Wales, der als Fährhafen für den zentralen Seekorridor zwischen England und Irland diente126. Das irische Fährschiffunternehmen B&I unterhielt zum damaligen Zeitpunkt eine Fährverbindung zwischen Holyhead und Dublin. Das Unternehmen war daher auf die Nutzung des Hafens von Holyhead angewiesen, der zu jener Zeit den einzigen zum Befahren der Strecke nach Dublin geeigneten, britischen Seehafen darstellte. Der Hafen von Holyhead befand sich jedoch im Eigentum der schwedischen Stena-Gruppe, die durch ihre Tochtergesellschaft Sealink nicht nur den Hafen, sondern auch eine Fährverbindung zwischen Holyhead und dem irischen Fährhafen Dun Laoghaire betrieb127. Wie auch die Reederei B&I, war das Fährschiffunternehmen Sealink für seine Fährtätigkeit auf den Hafen von Holyhead angewiesen. Beide Reedereien nutzten unterschiedliche Ankerplätze im Hafen. Allerdings war der Liegeplatz der B&I derart ungünstig am Hafeneingang gelegen, dass es für die B&I-Fährschiffe erforderlich war, ihre Be- und Entladungsarbeiten immer dann für eine gewisse Zeit zu unterbrechen, wenn eine Sealink-Fähre sie beim Ein- oder Auslaufen passierte128. Im Jahr 1992 beabsichtigte Sealink, eine zusätzliche Fähre auf der Strecke Holyhead – Dun Laoghaire einzusetzen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der Be- und Entladeverkehr der B&I-Schiffe in noch stärkerem Maße behindert worden wäre129. B&I legte daher bei der Kommission Beschwerde ein und beantragte den Erlass einstweiliger Maßnahmen. Die Kommission stellte fest, dass Sealink auf dem Markt der Hafeneinrichtungen für Fährdienste im zentralen Seekorridor zwischen Großbritannien und Irland eine marktbeherrschende Stellung innehatte130. Innerhalb dieses Marktes stellte der Hafen von Holyhead den einzigen zur Verfügung stehenden Hafen dar131. Das Verhalten Sealinks, dem Wettbewerber den Zugang zu den Hafeneinrichtungen nur zu ungünstigeren Konditionen zu ge125 Komm. E. v. 11. 06. 1992, Az. IV/34.174 (Sealink I), nicht im Amtsblatt der EG veröffentlicht; vgl. aber (1992) 5 CMLR S. 255 ff.; XXII. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1992, S. 123 – 125, Rn. 219 sowie ausführlich Lechner, Die Seehäfen, S. 33 f.; Maltby, ECLR 1993, S. 223 – 225; Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1159; Rabe, Festschrift Herber, S. 513, 514 f. 126 Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1159. 127 Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1159. 128 Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1159. 129 Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1159. 130 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 41. 131 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 41.

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

177

währen als dem eigenen Unternehmen, wertete die Kommission als Missbrauch i.S.d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV). Da der Sachverhalt jedoch nicht von den in Art. 82 II EG (jetzt Art. 102 II AEUV) aufgeführten Missbrauchstatbeständen erfasst wurde, stellte die Kommission ausdrücklich klar, dass „ein marktbeherrschendes Unternehmen, das eine wesentliche Einrichtung, d. h. eine Einrichtung oder Infrastruktur, ohne deren Nutzung ein Wettbewerber seinen Kunden keine Dienste anbieten kann, besitzt oder kontrolliert und selbst nutzt und seinen Wettbewerbern den Zugang zu dieser Einrichtung verweigert oder nur unter Bedingungen, die ungünstiger sind als für seine eigenen Dienste, gewährt und damit seine Wettbewerber in eine nachteilige Wettbewerbssituation zwingt, gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verstößt, sofern die übrigen Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt sind. Ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung darf auf einem verbundenen Markt nicht zugunsten der eigenen Tätigkeiten diskriminierende Handlungen vornehmen. Der Eigentümer einer wesentlichen Einrichtung, der seine Macht auf dem Markt dazu nutzt, seine Stellung auf einem anderen, zu diesem in Bezug stehenden Markt zu stärken, insbesondere indem er seinem Wettbewerber unter schlechteren Bedingungen als seinen eigenen Betrieben Zugang zu diesem verwandten Markt gewährt, verstößt gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV), wenn einem Wettbewerber ein Wettbewerbsnachteil auferlegt wird, ohne objektiv gerechtfertigt zu sein“132. Eine derartige objektive Rechtfertigung sah die Kommission im vorliegenden Fall nicht als gegeben an133. Folglich entsprach die Kommission dem Antrag von B&I und erließ eine einstweilige Anordnung gegen Sealink, mit welcher sie diese verpflichtete, bis zum Ende der Saison entweder zu dem bisherigen Fahrplan zurückzukehren, oder einen anderen, die Be- und Entladearbeiten der B&I-Fähren nicht beeinträchtigenden Fahrplan zu beschließen134. Auffällig an dieser ersten Hafenentscheidung ist, dass Sealink als Inhaberin der „wesentlichen Einrichtung“ nicht zur Zugangsgewährung an sich, sondern lediglich zur Aufrechterhaltung des bereits bestehenden Wettbewerbs verpflichtet wurde135. Dennoch wurde dieser Fall als großer Durchbruch für die Anwendung der „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht gefeiert136.

132

Komm. E. v. 11. 06. 1992 (Sealink I), abgedruckt bei Lechner, Die Seehäfen, S. 42. Maltby, ECLR 1993, S. 224, 225. 134 Sealink hatte daraufhin beim Europäischen Gericht erster Instanz eine Klage anhängig gemacht, die sie jedoch zurückzog, nachdem sich die Parteien auf einen neuen Fahrplan geeinigt hatten. S. XXII. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1992, S. 123 – 125, Rn. 219. 135 Klaue, RdE 1996, S. 51, 56; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 41. 136 Klaue, RdE 1996, S. 51, 56. 133

178

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

bb) Der zweite Hafenfall: Sealink II In ihrer zweiten Sealink-Entscheidung137 aus dem Jahr 1993 wiederholte die Kommission die in ihrer ersten Entscheidung formulierten Grundsätze nahezu wortgleich. Die Entscheidung betraf erneut den von Sealink betriebenen Fährhafen Holyhead. Diesmal beabsichtigte die Reederei Sea Containers, in der Zentralpassage zwischen Holyhead und Dun Laoghaire eine Fährverbindung mit einem Hochgeschwindigkeits-Katamaran aufzunehmen. Hierzu benötigte sie Zugang zu den Hafenanlagen von Holyhead. Sealink verweigerte der Reederei jedoch die Zuteilung so genannter „slots“ (Zeitnischen) unter Berufung auf technische Schwierigkeiten und Kapazitätsmängel138. Aber nicht nur der Benutzung der bestehenden Hafeneinrichtungen stimmte Sealink nicht zu, sondern auch dem Bau neuer Hafeneinrichtungen auf Kosten von Sea Containers139. Vielmehr zögerte das Unternehmen entsprechende Verhandlungen mit Sea Containers so lange hinaus, bis Sea Containers bei der Kommission Beschwerde einlegte und diese ersuchte, einstweilige Maßnahmen gegen Sealink zu erlassen. Kurz nach Einreichen der Beschwerde nahm Sealink selbst einen Schnellfährdienst in der Zentralpassage zwischen Holyhead und Dun Laoghaire auf. Erst im Laufe des Verfahrens unterbreitete sie Sea Containers ein Angebot, welches dieser ebenfalls Zugang zu den Hafeneinrichtungen ermöglichte140. Da Sea Containers das Angebot annahm, sah sich die Kommission mit der Frage konfrontiert, ob überhaupt noch ein hinreichendes öffentliches Interesse an einer Entscheidung gegeben sei141. Die Kommission bejahte dies unter Hinweis auf die weiterhin unterschiedlichen Standpunkte der Parteien142. Insbesondere wies die Kommission aber darauf hin, dass eine Entscheidung „richtungweisend bei der künftigen Behandlung dieser und ähnlicher Situationen“ sein könne143. Obwohl sie den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen angesichts des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs zurückweisen musste, erließ die Kommission daher eine formelle Entscheidung. In dieser vertrat sie die Auffassung, dass Sealink die Benutzung des Hafens durch Sea Containers nicht verweigern könne und die für den Schnellfährdienst erforderlichen Zeitnischen zur Verfügung stellen müsse. Unter Ergänzung und Wiederholung ihrer in der ersten Hafenentscheidung getroffenen Erwägungen stellte die Kommission fest, dass „ein Unternehmen, das für die Gestellung einer wesentlichen Einrichtung (d. h. einer Einrichtung oder Infrastruktur, ohne deren Nutzung ein Wettbewerber seinen Kunden keine Dienste anbieten kann) 137

Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8 (Sealink II). Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 41. 139 Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1159. 140 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 42. 141 Sea Containers hatte ihren Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen trotz des Angebots von Sealink aufrechterhalten und auch die britischen Behörden hatten die Kommission um eine Entscheidung gebeten, s. Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 47 (Sealink II); vgl. Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 42. 142 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 47 (Sealink II). 143 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 47 (Sealink II). 138

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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marktbeherrschend ist und diese Einrichtung selbst nutzt und anderen Unternehmen den Zugang zu dieser Einrichtung ohne sachliche Rechtfertigung verweigert oder nur unter Bedingungen, die ungünstiger sind als für seine eigenen Dienste, gewährt, verstößt gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV), sofern die übrigen Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt sind. Ein Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung darf auf einem verbundenen Markt nicht zugunsten der eigenen Tätigkeiten diskriminierende Handlungen vornehmen. Der Eigentümer einer wesentlichen Einrichtung, der seine Macht auf dem Markt dazu nutzt, seine Stellung auf einem anderen, zu diesem in Bezug stehenden Markt zu stärken, indem er insbesondere einem Wettbewerber den Zugang verweigert oder den Zugang unter weniger günstigen Bedingungen als für die eigenen Dienste gewährt und damit seinem Wettbewerber einen Wettbewerbsnachteil aufzwingt, verstößt gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV)“144. Dieser „Grundsatz“ fände nicht nur bei der Fortsetzung der Mitbenutzung einer wesentlichen Einrichtung Anwendung, sondern auch dann „wenn der Wettbewerber, der Zugang zu den wesentlichen Einrichtungen begehrt, in den relevanten Markt neu eintritt“145. Auf diese Weise statuierte die Kommission über die „essential facilities“-Doktrin erstmalig eine Marktöffnungspflicht146. Durch die Bezeichnung als Grundsatz verlieh sie der Rechtssache zudem über ihren fallspezifischen Kontext hinaus Bedeutung147. Darüber hinaus zeigt auch die Tatsache, dass die Kommission den Rechtsstreit trotz vorheriger Erledigung formell entschied und die Entscheidung auch publizierte, obwohl es sich um einen nicht veröffentlichungsbedürftigen Rechtsakt handelte, deutlich, welch besondere Bedeutung sie dem Fall für die Rechtsentwicklung der europäischen „essential facilities“-Doktrin beigemessen hat148. Insofern ist es zulässig, von einer bewussten Einführung der „essential facilities“-Doktrin in das europäische Recht sprechen149. An dieser zweiten Seehafenentscheidung ist weiterhin bemerkenswert, dass die Kommission trotz des Verweises auf eine „Nutzung unter Bedingungen, die ungünstiger sind als für seine eigenen Dienste“ zur Beurteilung des missbräuchlichen Verhaltens auch auf den Maßstab einer „unabhängigen Hafenbehörde“ abgestellt hat, „die natürlich an einer Steigerung der Hafeneinkünfte interessiert wäre“150. Das marktbeherrschende Unternehmen soll nach Ansicht der Kommission grundsätzlich dazu verpflichtet sein, über einen Antrag auf Zulassung wie eine unabhängige Behörde zu entscheiden151. Die Anwendung dieses Maßstabes bedeutet eine nicht zu unterschätzende

144

Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 66 (Sealink II). Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 67 (Sealink II). 146 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 109. 147 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 109. 148 Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 55. 149 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 42. 150 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 70, 75 (Sealink II); vgl. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 108. 151 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 50. 145

180

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Verschärfung der in der ersten Sealink-Entscheidung ausgesprochenen Gleichbehandlungspflicht152. cc) Der dritte Hafenfall: Rødby Am 21. 12. 1993, dem Tag des Erlasses der Sealink II-Entscheidung, gab die Kommission eine weitere Entscheidung im Hafensektor bekannt, die so genannte Rødby-Entscheidung153. Erneut war die schwedische Stena-Gruppe beteiligt, diesmal jedoch als Beschwerdeführerin154. Der Fall betraf den Hafen von Rødby in Dänemark, welcher sich im Eigentum des dänischen Staatsunternehmen DSB befand und auch von diesem betrieben wurde. Parallel hierzu betrieb DSB den gesamten Eisenbahnverkehr in Dänemark und unterhielt diverse Fährverbindungen zwischen Dänemark und den Nachbarländern. Der betreffende Rechtsstreit hatte den Fährschiffverkehr auf der so genannten „Vogelfluglinie“ Rødby – Puttgarden zum Gegenstand. Diese Fährverbindung wurde von DSB und der Deutschen Bahn gemeinsam betrieben155. Andere Anbieter waren auf der Route nicht tätig. Die StenaGruppe beabsichtigte nun, durch eine Tochtergesellschaft, die Firma Euro-Port A/S, auf dieser Strecke ebenfalls eine Fährverbindung anzubieten. Dazu beantragte sie beim dänischen Verkehrsministerium die Mitbenutzung der im Hafen von Rødby bereits bestehenden Hafenanlagen oder alternativ eine Genehmigung, in dessen unmittelbarer Nähe einen privaten Handelshafen bauen zu dürfen156. Beide Anträge wurden vom dänischen Verkehrsminister abgelehnt. Daraufhin legte Euro-Port A/S bei der Kommission Beschwerde ein. Da es sich bei der DSB um ein öffentliches Unternehmen handelte, prüfte die Kommission einen Verstoß gegen Art. 86 I EG i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 106 I AEUV i.V.m. Art. 102 AEUV). Dieser Tatsache kann entnommen werden, dass die „essential facilities“-Doktrin nach Ansicht der Kommission über Art. 86 EG (jetzt Art. 106 AEUV) auch auf staatliche Maßnahmen Anwendung findet157. Ähnlich wie in den beiden Sealink-Entscheidungen stellte die Kommission fest, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine beherrschende Stellung missbraucht, „wenn es eine wichtige Anlage158 besitzt oder verwaltet und selbst nutzt, d. h. eine Anlage oder eine Infrastruktur, ohne die seine Wettbewerber ihren Kunden keine Dienstleistungen anbieten können, und wenn es seinen Wett152

Bausch, Netznutzungsregeln, S. 108. Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52 (Rødby). 154 Lechner, Die Seehäfen, S. 34. 155 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 4 (Rødby). 156 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 1 und 2 (Rødby). 157 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 44. 158 Die Tatsache, dass in dieser Entscheidung von einer „wichtigen“ statt, wie beispielsweise in der Sealink II-Entscheidung, von einer „wesentlichen“ Einrichtung die Rede ist, ist irrelevant. Die Uneinheitlichkeit beruht einzig und allein auf Übersetzungsschwierigkeiten. Während der Originaltext der Rødby-Entscheidung auf Dänisch vorlag, musste die Sealink IIEntscheidung aus dem Englischen übertragen werden. In beiden Fällen ist jedoch in der englischen Fassung von einer „essential facility“ die Rede. Vgl. Jacobi, Third-Party-Access, S. 194. 153

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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bewerbern den Zugang zu dieser Anlage verweigert. Daher kann ein Unternehmen, das eine wichtige Hafenanlage besitzt oder verwaltet, mit der es eine Dienstleistung im Seeverkehr gewährleistet, ohne Verstoß gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) den Zugang zu dieser Anlage einem Reeder nicht ohne objektive Rechtfertigung verweigern, der auf derselben Seeverbindung tätig werden will“159. Folglich verpflichtete die Kommission die dänische Regierung, Euro-Port A/S entweder die Mitbenutzung des Hafens von Rødby oder den Bau eines neuen Hafens zu gestatten160. In ihren Entscheidungsgründen stellte die Kommission darauf ab, dass die Verweigerung der Genehmigung die Wirkung hatte, „einen potentiellen Wettbewerber auf der Strecke Rødby-Puttgarden auszuschalten und somit die gemeinsame beherrschende Stellung von DSB und DB auf dieser Strecke zu verstärken“161. Indem die Kommission den Ausschluss potentieller Wettbewerber genügen ließ, machte sie deutlich, dass Zugangsansprüche über Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) auch dort begründet werden können, wo Wettbewerb zuvor noch nicht eröffnet war162. Hervorzuheben ist weiterhin, dass die Kommission sich in dieser Entscheidung erstmals ausführlich mit der Frage einer Rechtfertigung der Zugangsverweigerung auseinandergesetzt hat. Die Kommission stellte klar, dass sie eine Rechtfertigung aufgrund von Kapazitätsauslastungen oder sonstiger technischer Komplikationen grundsätzlich für möglich halte, auch wenn sie diese im konkreten Fall nicht anerkennen konnte163. Eine bereits gegebene Sättigung des Marktes hingegen mache die Einführung von Wettbewerb nicht prinzipiell unnötig164. Vielmehr stellen „selbst auf einem gesättigten Markt die Verbesserungen der Qualität der gebotenen Erzeugnisse oder Dienstleistungen oder die Verringerung der Preise, die sich aus der Einführung des Wettbewerbs ergeben können, für die Verbraucher einen sicheren Vorteil dar“165. dd) Der vierte Hafenfall: Roscoff Der nächste Hafenfall betraf den Hafen von Roscoff in der Bretagne166. Dieser wurde von der Industrie- und Handelskammer von Morlaix (Chambre de Commerce et d’Industrie de Morlaix, kurz CCI Morlaix) betrieben. Zum damaligen Zeitpunkt stellte der Hafen von Roscoff nach Ansicht der Kommission den einzigen Hafen in 159

Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 12 (Rødby). Klaue, RdE 1996, S. 51, 56. 161 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 12 (Rødby). 162 Basedow, Dienstleistungsmonopole und Netzzugang, S. 121, 128. 163 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 15 (Rødby); vgl. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 109. 164 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 16 (Rødby). 165 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 16 (Rødby). 166 Komm. E. v. 16. 05. 1995, Az. IV/35.388 (Morlaix), nicht im Amtsblatt der EG veröffentlicht; vgl. aber (1995) 5 CMLR 177 ff.; XXV. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1995, S. 128 f. sowie Pressemitteilung der Europäischen Kommission in WuW 1995, S. 717 f. 160

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der Bretagne dar, der für den Betrieb eines Fährdienstes nach Irland geeignet war167. Im November 1994 beantragte die irische Reederei Irish Continental Group bei der CCI Morlaix den Zugang zu diesem Hafen, um von dort aus im Mai 1995 einen Fährdienst zwischen Irland und der Bretagne aufnehmen zu können168. Bis dahin war der Hafen ausschließlich von dem Fährschiffunternehmen Brittany Ferries genutzt worden, das eine Fährverbindung zwischen Roscoff und dem irischen Fährhafen Cork unterhielt. Nach Abschluß der Verhandlungen einigten sich die CCI Morlaix und die Irish Continental Group darauf, dass die Irish Continental Group ab Mai 1995 Zugang zum Hafen von Roscoff erhalten sollte169. Als die CCI Morlaix jedoch plötzlich – nachdem die Irish Continental Group bereits einen Fahrplan bekannt gegeben und entsprechende Reservierungen entgegengenommen hatte – die Verhandlungen unterbrechen wollte, legte die Irish Continental Group bei der Kommission Beschwerde ein und beantragte den Erlass einstweiliger Anordnungen gegen die Handelskammer170. Die Kommission stellte fest, dass die CCI Morlaix als Betreiberin des Hafens von Roscoff auf dem Markt für die Bereithaltung von Hafeneinrichtungen in der Bretagne für Fährdienste zwischen der Bretagne und Irland eine beherrschende Stellung innehabe171. Innerhalb dieses Marktes stelle der Hafen von Roscoff eine „wesentliche Einrichtung“ dar172. Durch die ohne jede objektive Rechtfertigung ausgesprochene Weigerung, einem Unternehmen, das auf einem nachgelagerten Markt tätig werden wollte, den Zugang zu der wesentlichen Einrichtung zu gewähren, habe die CCI Morlaix ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht173. Die Kommission verpflichtete die Handelskammer daher im Wege der einstweiligen Anordnung dazu, der Irish Continental Group den Zugang zum Hafen von Roscoff zu gestatten174. In ihren Entscheidungsgründen berief sie sich ausdrücklich auf die in den vorangegangenen Hafenentscheidungen entwickelten Grundsätze. Allerdings ging die Kommission in dieser Entscheidung insofern über ihre bisherige Praxis hinaus, als sie nicht verlangte, dass der Marktbeherrscher die Konkurrenztätigkeit eines Nachfragers zu dem eigenen oder einem verbundenen Betrieb auf einem nachgelagerten Markt behinderte175. Zwar wäre diese Voraussetzung auch im vorliegenden Fall erfüllt gewesen, da die CCI Morlaix zu 5 Prozent an dem Fährbetrieb von Brittany Ferries beteiligt war, zu welchem die Irish Con-

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Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 281. XXV. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1995, S. 128. 169 XXV. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1995, S. 128. 170 XXV. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1995, S. 128. 171 Staab, Offener Netzzugang, S. 28. 172 Komm. E. v. 16. 05. 1995, Az. IV/35.388 (Morlaix), unveröffentlicht, CMLR 1995, S. 177, 182. 173 Staab, Offener Netzzugang, S. 28. 174 XXV. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1995, S. 129. 175 Dittmann, Öffnung von Märkten, S. 292. 168

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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tinental Group in Konkurrenz treten wollte176 ; jedoch ließ die Kommission ausdrücklich offen, ob die CCI Morlaix ein wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgte177. In ihrer Pressemitteilung und in der zusammenfassenden Darstellung des Verfahrens in ihrem Bericht über die Wettbewerbspolitik 1995 wurde die Tatsache, dass die CCI Morlaix zu 5 Prozent an dem Fährbetrieb von Brittany Ferries beteiligt war, nicht einmal erwähnt178. Der vierte Hafenfall stellt damit einen der wenigen Fälle dar, in denen ein Nichtwettbewerber gezwungen wurde, einem Dritten eine bisher nur von einem Alleinanbieter genutzte wesentliche Einrichtung zur Verfügung zu stellen179. Im Ergebnis kann diese Kommissionsentscheidung daher als sehr weitgehend angesehen werden: jeder marktbeherrschende Inhaber kann danach allein aufgrund des Allgemeininteresses am Bestehen von Wettbewerb gezwungen werden, seine „wesentliche Einrichtung“ einem Nachfrager überlassen180. ee) Der fünfte Hafenfall: Helsingør Der fünfte Hafenfall der Kommission betraf den Hafen von Helsingør in Dänemark181. Von diesem nördlich von Kopenhagen gelegenen Hafen aus unterhielt die Fährgesellschaft ScandLines, eine Tochter des dänischen Staatsunternehmens DSB und der schwedischen Gesellschaft SweFerry, als einziger Anbieter eine Fährverbindung zum schwedischen Hafen Helsingborg182. Als die dänische Reederei Mercandia im Jahr 1992 beabsichtigte, auf derselben Route tätig zu werden, verweigerte ihr das zuständige dänische Verkehrsministerium den Zugang zum Hafen von Helsingør. Daraufhin legte Mercandia bei der Kommission Beschwerde ein. Da es sich bei ScandLines um ein öffentliches Unternehmen i.S.d. Art. 86 EG (jetzt Art. 106 AEUV) handelte, prüfte die Kommission erneut einen Verstoß gegen Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 106 AEUV i.V.m. Art. 102 AEUV). Sie entschied, dass es sich bei der Weigerung der dänischen Regierung, der Reederei Mercandia den Zugang zu einer „wesentlichen Infrastruktur“ zu gestatten, um eine staatliche Maßnahme handele, die eine beherrschende Stellung des öffentlichen Betreibers schütze und stärke183. Dementsprechend bejahte sie einen Verstoß gegen Art. 86 EG 176 Komm. E. v. 16. 05. 1995, Az. IV/35.388 (Morlaix), unveröffentlicht, CMLR 1995, S. 177, 179. 177 Dittmann, Öffnung von Märkten, S. 293. 178 Dittmann, Öffnung von Märkten, S. 293 mit Verweis auf die Pressemitteilung der Europäischen Kommission in WuW 1995, S. 717 f. sowie den XXV. Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 1995, S. 128 f.; Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 281. 179 Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 281. 180 Dittmann, Öffnung von Märkten, S. 298. 181 Bericht über die Wettbewerbspolitik (1996), S. 64, Rn. 131; Pressemitteilung der Kommission IP (96) 205 vom 06. 03. 1996; CMLRep 1996, S. 728 f. 182 Zum Hintergrund dieses gemeinsamen Fährbetriebs von DSB und SweFerry vgl. die Mitteilung der Kommission vom 14. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. C 36/5, Rn. 3 (Helsingborg/ Helsingør). 183 Staab, Offener Netzzugang, S. 29.

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i.V.m. Art. 82 EG (jetzt Art. 106 AEUV i.V.m. Art. 102 AEUV). Die Kommission entschied, dass ein weiteres Fährunternehmen den Hafen von Helsingør benutzen dürfe, um zwischen Helsingør und Helsingborg Fährdienste in Konkurrenz zum Staatsunternehmen ScandLines aufzunehmen184. In diesem Zusammenhang wurde vereinbart, dass die dänische Regierung ein öffentliches Ausschreibungsverfahren durchführen solle, um den am besten geeigneten Bewerber für die Konkurrentenstellung zu ermitteln185. ff) Auswertung der Hafenentscheidungen Wie soeben gezeigt werden konnte, hat die Kommission die Hafenentscheidungen genutzt, um – auf der Grundlage von Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) – die „essential facilities“-Doktrin in das europäische Wettbewerbsrecht einzuführen. Den Hafenentscheidungen lassen sich daher die Voraussetzungen entnehmen, unter denen die „essential facilities“-Doktrin der Kommission zufolge im europäischen Recht Anwendung finden kann. Erste Voraussetzung ist danach das Vorliegen einer „wesentlichen Einrichtung“. Diese wird von der Kommission definiert als eine Einrichtung oder Infrastruktur, ohne deren Nutzung ein Wettbewerber seinen Kunden die beabsichtigten Dienste nicht anbieten kann. Zweite Voraussetzung ist, dass das Unternehmen, welches Inhaber der „wesentlichen Einrichtung“ ist, bezüglich der Bereitstellung dieser Einrichtung marktbeherrschend ist. Hinsichtlich der Marktbeherrschung eines Unternehmens differenzierte die Kommission in den Hafenentscheidungen zwischen zwei verschiedenen relevanten Märkten, dem Primär- und dem Sekundärmarkt186. Während die in der Bereitstellung der Einrichtung liegende Dienstleistung den Primärmarkt bildet, wird der Sekundärmarkt, welchen die Kommission auch als „benachbarten, aber getrennten Markt“ bezeichnet187, von den unter Nutzung dieser Einrichtung erbrachten Dienstleistungen gebildet188. Die Kommission begründete ihre Differenzierung mit dem Hinweis, dass „ein Hafen, Flughafen oder jede andere Einrichtung, selbst wenn sie nicht an sich einen bedeutenden Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt, als ein derartiger angesehen werden kann, sofern ein vernünftiger Zugang unumgänglich für den Betrieb einer Transportlinie ist, die von substantieller Bedeutung im Zusammenhang mit der Anwendung des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) ist“189. Die Tatsache, dass das Unternehmen, welches Inhaber der „wesentlichen Einrichtung“ ist, nach Auffassung der Kommission bezüglich der Bereitstellung dieser Einrich184 185 186 187 188 189

Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 282. Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 282; CMLRep. 1996, S. 728. Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 47. Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. 1994 Nr. L 55/52, Rn. 12 (Rødby). Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 47. XXII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1992), S. 123 f.

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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tung marktbeherrschend sein muss, zeigt, dass die Marktbeherrschung zumindest auf dem Primärmarkt, der auch als Infrastrukturmarkt bezeichnet werden kann, vorliegen muss190. Ob die beherrschende Stellung darüber hinaus auch auf dem Sekundärmarkt vorliegen muss, ist eine Frage, der die Kommission in ihren Hafenentscheidungen nicht weiter nachgegangen ist191. Tatsächlich hatten jedoch die Hafenbetreiber bzw. ihre Tochterunternehmen in allen fünf Entscheidungen auch eine dominante Stellung auf dem Markt für die Erbringung von Fährdienstleistungen auf einer bestimmten Fährverbindung inne192. Dritte Voraussetzung für die Anwendbarkeit der „essential facilities“-Doktrin ist der Kommission zufolge, dass das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, indem es entweder den Zugang zu der „wesentlichen Einrichtung“ verweigert oder nur unter diskriminierenden Bedingungen gestattet. Die Auswertung der fünf Hafenentscheidungen zeigt, dass es nach Ansicht der Kommission nicht darauf ankommt, ob der Zugang zu der wesentlichen Einrichtung explizit verweigert wird, wie im Fall Rødby, ob sich die Zugangsverweigerung faktisch aus der bewussten Verzögerung von Verhandlungen über eine Zugangsgewährung ergibt, wie in den Fällen Sealink II und Rødby, oder ob der Zugang zu einer „wesentlichen Einrichtung“ nur zu Bedingungen angeboten wird, die ungünstiger sind, als die, zu denen die eigenen Dienste die Einrichtung nutzen können, wie im Fall Sealink I193. Letzte Voraussetzung für die Anwendbarkeit der „essential facilities“-Doktrin ist schließlich, dass die Zugangsverweigerung nicht „sachlich“194 oder „objektiv“195 gerechtfertigt ist. Liegen all diese Voraussetzungen vor, so ergibt sich als Rechtsfolge der „essential facilities“-Doktrin die Verpflichtung, dem Nachfrager den begehrten Zugang zu der Einrichtung zu gewähren. Die Kommission trifft insofern keine Unterscheidung zwischen jenen Fällen, in denen bereits Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt tätig waren, wie im Fall Sealink I und solchen, die eine erstmalige Marktöffnung zum Gegenstand hatten, wie beispielsweise die Fälle Sealink II und Rødby196. Insgesamt lassen sich für die Anwendbarkeit der „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der Kommission also folgende vier Voraussetzungen – im Rahmen des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) – festhalten: zunächst muss eine „wesentliche Einrichtung“ vorliegen. Das Unternehmen, das Inhaber der „wesentlichen Einrichtung“ ist, 190

Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 48. Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 106. Die Kommission hat insofern lediglich von einer „Stärkung der Stellung auf dem Sekundärmarkt“ gesprochen, vgl. Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. 1994 Nr. L 15/8, Rn. 66 (Sealink II). 192 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 48. 193 Staab, Offener Netzzugang, S. 30 f. 194 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 66 (Sealink II). 195 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 12 (Rødby). 196 Staab, Offener Netzzugang, S. 31. 191

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muss für die Bereitstellung dieser Einrichtung marktbeherrschend sein. Diese beherrschende Stellung muss das marktbeherrschende Unternehmen missbräuchlich ausnutzen, indem es anderen Unternehmen entweder den Zugang zu der „wesentlichen Einrichtung“ verwehrt oder nur unter Bedingungen gestattet, die ungünstiger sind als die, zu denen es selbst die Einrichtung nutzt. Schließlich darf die Zugangsverweigerung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Liegen all diese Voraussetzungen vor, so entsteht für den Inhaber der „wesentlichen Einrichtung“ durch die „essential facilities“-Doktrin eine Verpflichtung zur Zugangsgewährung. b) Weitere aufschlussreiche Kommissionsentscheidungen Seit Erlass der Hafenentscheidungen hat die Kommission zur Lösung von Marktzugangsproblemen immer wieder auf die „essential facilities“-Doktrin zurückgegriffen. Erste Andeutungen dieses Konzepts finden sich in ihrer Entscheidungspraxis indes schon wesentlich früher197. Im Folgenden sollen daher einige Entscheidungen dargestellt werden, die bereits vor Erlass der Hafenentscheidungen ergingen und in denen das Konzept der „essential facilities“ bereits ansatzweise vorhanden war. aa) Entscheidungspraxis vor den Hafenentscheidungen Auch wenn die Kommission den Begriff der „wesentlichen Einrichtungen“ erst in den neunziger Jahren ausdrücklich verwendete, entschied sie doch bereits zuvor Missbrauchsfälle mit Auswirkungen in verbundenen Märkten und urteilte, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich handelt, wenn es einen Konkurrenten behindert198. In diesem Zusammenhang sind besonders die Fälle National Carbonizing199 aus dem Jahr 1976, London European200 aus dem Jahr 1988 sowie Aer Lingus201 aus dem Jahr 1992 hervorzuheben. Insbesondere die letzten beiden Entscheidungen gelten als wegbereitend für die Entwicklung der „essential facilities“Doktrin in der Entscheidungspraxis der Kommission202. So berief sich auch die Kommission selbst in einer Fußnote der Sealink II-Entscheidung auf diese beiden Entscheidungen203.

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Jacobi, Third-Party-Access, S. 192. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 109. 199 Komm. E. v. 29. 10. 1975, ABl. EG 1976 Nr. L 35/16 (National Carbonizing). 200 Komm. E. v. 04. 11. 1988, ABl. EG 1988 Nr. L 317/47 (London European). 201 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34 (Aer Lingus). 202 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 110. 203 s. Fußnote 3 in Rn. 66 der Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8 (Sealink II). 198

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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(1) National Carbonizing Die erste im Zusammenhang mit der „essential facilities“-Doktrin oft zitierte Kommissionsentscheidung ist die Entscheidung in der Rechtssache National Carbonizing aus dem Jahr 1976204. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: die britische Firma National Carbonizing erzeugte in Großbritannien in zwei Anlagen Industrieund Hausbrandkoks. Ihren Kohlebedarf für die Kokserzeugung deckte sie beim National Coal Board205. Dieses hatte sowohl bei Kohle als auch bei Industrie- und Hausbrandkoks im Vereinigten Königreich eine marktbeherrschende Stellung inne206. National Carbonizing beanstandete nun, dass das National Coal Board den Preis für Kokskohle zu hoch, den für Koks indes zu niedrig angesetzt habe207. Sie beantragte daher bei der Kommission den Erlass einstweiliger Maßnahmen. Anderenfalls sähe sich das Unternehmen gezwungen, seine beiden Kokereien zu schließen208. Die Kommission stellte fest, dass „ein Unternehmen, das einerseits hinsichtlich der Erzeugung eines Rohstoffes (in diesem Falle Kokskohle) eine beherrschende Stellung einnimmt und daher in der Lage ist, dessen Preis für unabhängige Hersteller daraus zu fertigender Erzeugnisse (in diesem Falle Koks) zu kontrollieren, und das andererseits selbst das gleiche Verarbeitungserzeugnis im Wettbewerb mit diesen Herstellern produziert, seine beherrschende Stellung missbraucht, wenn sein Handeln zur Folge hat, den Wettbewerb seitens dieser Hersteller auf dem Markt für die betreffenden Verarbeitungserzeugnisse auszuschalten“209. Weiter führte die Kommission aus, dass „ein Unternehmen in beherrschender Stellung verpflichtet sein kann, seine Preise so festzusetzen, dass einem in angemessenem Maße leistungsfähigen Hersteller des Verarbeitungserzeugnisses eine Spanne verbleibt, die es ihm ermöglicht, seine Tätigkeit auf lange Sicht weiterzuführen“210. Die Entscheidung ist später von der Kommission, aber auch von zahlreichen Autoren zur Bestätigung des „essential facilities“-Konzepts herangezogen worden211. Allerdings haben sich einige Autoren auch gegen eine Anwendung des „essential facilities“-Konzepts auf diesen Sachverhalt ausgesprochen und darauf verwiesen, dass es sich lediglich um einen Fall von Verdrängungswettbewerb handele, der nicht unter die „essential facilities“-Doktrin zu subsumieren sei212.

204 205 206 207 208 209 210 211 212

Komm. E. v. 29. 10. 1975, ABl. EG 1976 Nr. L 35/6 (National Carbonizing). Komm. E. v. 29. 10. 1975, ABl. EG 1976 Nr. L 35/6, S. 6 (National Carbonizing). Komm. E. v. 29. 10. 1975, ABl. EG 1976 Nr. L 35/6, S. 7 (National Carbonizing). Jacobi, Third-Party-Access, S. 80. Komm. E. v. 29. 10. 1975, ABl. EG 1976 Nr. L 35/6, S. 7 (National Carbonizing). Komm. E. v. 29. 10. 1975, ABl. EG 1976 Nr. L 35/6, S. 7 (National Carbonizing). Komm. E. v. 29. 10. 1975, ABl. EG 1976 Nr. L 35/6, S. 7 (National Carbonizing). Vgl. z. B. Ruttley, ETL 1995, S. 821, 826. Klaue, RdE 1996, S. 51, 55.

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(2) London European In dem Fall London European213 verweigerte die Fluggesellschaft Sabena ihrem Wettbewerber, der privaten britischen Fluggesellschaft London European Airways, den Zugang zu dem von ihr betriebenen Flugreservierungssystem Saphir, bzw. machte diesen von der Erfüllung diskriminierender Bedingungen abhängig. Die belgische Fluggesellschaft Sabena betrieb ein computergestütztes Reservierungssystem, mit dem die Reisebüros die Fluglisten der darin enthaltenen Gesellschaften, die Flugpreise und den Stand der Buchungen abfragen und Reservierungen vornehmen konnten214. Im Jahr 1987 beantragte die Fluggesellschaft London European die Aufnahme in das System. Sabena verweigerte die Aufnahme jedoch, bzw. erklärte sich nur unter der Bedingung zur Aufnahme bereit, dass London European die Preise auf der Strecke Luton-Brüssel auf das Niveau von Sabena anhob und ihr vertraglich die Bodenabfertigung ihrer Flugzeuge anvertraute215. Daraufhin legte London European bei der Kommission Beschwerde ein216. Die Kommission wertete die Gewährung der Mitbenutzung des Flugreservierungssystems als eine unverzichtbare Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit von London European217 und stellte fest, dass Sabena gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verstoßen habe, „indem sie ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der rechnergestützten Flugreservierungssysteme in Belgien durch ihre Weigerung missbräuchlich ausgenutzt hat, die London European in das System Saphir aufzunehmen, weil deren Flugpreise zu niedrig waren und sie die Bodenabfertigung einer anderen Gesellschaft anvertraut hatte“218. Im Ergebnis stufte die Kommission das Flugreservierungssystem damit als eine „wesentliche Einrichtung“ ein219. Nach fast einhelliger Meinung in der Literatur enthält dieser Fall erste Ansätze einer „essential facilities“-Doktrin220 und würde heutzutage von der Kommission wohl auch unter

213

Komm. E. v. 04. 11. 1998, ABl. EG 1988 Nr. L 317/47 (London European). Näher dazu Komm. E. v. 04. 11. 1998, ABl. EG 1988 Nr. L 317/47, Rn. 6 f. (London European). 215 Komm. E. v. 04. 11. 1998, ABl. EG 1988 Nr. L 317/47, Rn. 2 (London European). 216 London European stützte ihre Beschwerde auf die Verordnung Nr. 17/62/EG, die der Kommission das Recht verlieh, einen Verstoß gegen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Art. 81 und 82 EG (jetzt Art. 101 und 102 AEUV) auf Antrag zu prüfen und gegebenenfalls zu ahnden. Näher dazu Dolfen, Der Verkehr im europäischen Wettbewerbsrecht, S. 55 ff. 217 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 110. 218 Komm. E. v. 04. 11. 1988, ABl. EG 1988 Nr. L 317/47, Rn. 34 (London European). 219 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 66 f. Dies ist insofern bemerkenswert, als ein amerikanisches Gericht in einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation entschieden hatte, dass ein Flugreservierungssystem keine „wesentliche Einrichtung“ darstelle, da es an der „Wesentlichkeit“ der Einrichtung fehle, vgl. Alaska Airlines v. United Airlines, 948 F.2d 536 (9th Cir. 1991), cert. denied, 112 5.Ct. 1603 (1992). 220 Basedow, Dienstleistungsmonopole und Netzzugang, S. 121, 127; Emmerich, Festschrift Söllner, S. 273, 276; Götz, Netzzugang für Dritte, S. 129, 130; Markert, WuW 1995, S. 560, 563 f.; Ridyard, ECLR 1996, S. 438, 443; Stollhoff, Der Ausschluss von Marktrisiken, 214

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Anwendung dieser Rechtsfigur gelöst221. Vereinzelt geblieben sind hingegen jene Stimmen, die in der Sachverhaltskonstellation einen klassischen Fall der Lieferverweigerung sehen wollten, der einen Rückgriff auf die „essential facilities“Doktrin unnötig mache222. (3) Aer Lingus In der Rechtssache Aer Lingus223, welche im Jahr 1992 vier Monate vor der ersten Hafenentscheidung von der Kommission entschieden wurde, hatte das irische Luftfahrtunternehmen Aer Lingus der Fluggesellschaft British Midland den Zugang zum so genannten Interlining verweigert. Interlining ist ein System, das es Fluggesellschaften ermöglicht, Leistungen für andere Gesellschaften zu verkaufen224. Auf diese Weise kann ein einziger Flugschein ausgestellt werden, auch wenn einzelne Abschnitte eines Fluges von verschiedenen Luftfahrtgesellschaften durchgeführt werden225. Der Vorteil für die Fluggesellschaften besteht darin, dass sie mithilfe dieses Systems ihr Flugnetz erweitern können226. Das Fehlen einer InterliningVereinbarung hingegen kann einer Fluggesellschaft zu großem Nachteil gereichen, da vor allem Geschäftsreisende es schätzen, ihre Reisepläne unter möglichst geringem Aufwand ändern zu können227. Zum damaligen Zeitpunkt wurden beachtliche 95 Prozent des Linienflugverkehrs von dem Interlining-System erfasst228. Auch Aer Lingus hatte mit verschiedenen Luftfahrtgesellschaften Interlining-Abkommen abgeschlossen. Bereits im Jahr 1964 hatte Aer Lingus der Einbeziehung von British Midland in das System zugestimmt229. Anfang 1989 gab British Midland seine Absicht bekannt, die Strecke London-Dublin, auf der bis dahin lediglich Aer Lingus und British Airways tätig waren, in Konkurrenz zu beiden Fluggesellschaften befliegen zu wollen230. Daraufhin kündigte Aer Lingus seine Zustimmung zur TeilS. 145; Subiotto, ECLR 1992, S. 234, 236; Temple Lang, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 245, 272; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 66. 221 So Bausch, Netznutzungsregeln, S. 110. 222 So z. B. Bittner, Die Verweigerung der Drittzulassung, S. 221 sowie Klaue, RdE 1996, S. 51, 55. 223 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34 (Aer Lingus). 224 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 3 (Aer Lingus). 225 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 3 (Aer Lingus). 226 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 5 (Aer Lingus). 227 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 6 (Aer Lingus). 228 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 3 (Aer Lingus). 229 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 7 (Aer Lingus). 230 Zu jener Zeit entfielen 75 Prozent der auf der Strecke London-Dublin beförderten Passagiere auf Aer Lingus und nur rund 25 Prozent auf British Airways. Im Jahr 1991 stellte British Airways seinen Dienst auf der Strecke komplett ein. Der in der Folge frei werdende Marktanteil von British Airways ging überwiegend auf Aer Lingus über. Zwischen 1989 und 1991 erteilten die britischen und irischen Behörden außer Aer Lingus, British Airways und British Midland keiner anderen Fluggesellschaft die Zulassung für einen Linienflugdienst

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nahme von British Midland an dem Interlining-System auf. Die Kommission stellte fest, dass es sich bei der Verweigerung des Interlining nicht um üblichen Leistungswettbewerb handele231. Vielmehr sei die Verweigerung des Interlining „aus anderen Gründen als Schwierigkeiten bei der Währungskonvertibilität oder Zweifeln an der Kreditwürdigkeit des Wettbewerbers ein höchst ungewöhnlicher Schritt“232. Nach Ansicht der Kommission verstieß Aer Lingus mit seinem Vorgehen daher gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV)233. Die Kommission verpflichtete Aer Lingus in der Folge dazu, British Midland die Teilnahme am Interlining zu erlauben. Zwar könne Aer Lingus nicht auf Dauer zum Interlining mit British Midland verpflichtet werden, da eine beherrschende Fluggesellschaft, die sich einen berechtigten Wettbewerbsvorteil erworben hat, diesen nicht zwangsläufig mit Wettbewerbern zu teilen habe; es sei jedoch erforderlich, Aer Lingus für einen Zeitraum von zwei Jahren zum Interlining zu verpflichten, um British Midland so die Chance zu geben, sich selbst auf dem Markt zu etablieren234. Einige Stimmen in der Literatur haben diesen Fall der „essential facilities“-Doktrin zugeordnet235. Zumindest sei schon anhand der Kontroverse um ihre Zuordnung eine Nähe zu der Doktrin erkennbar236. Für andere wiederum handelt es sich bei dem Fall erneut um einen klassischen Fall der Lieferverweigerung, der eine Zuordnung zur „essential facilities“-Doktrin überflüssig mache237. bb) Entscheidungspraxis nach den Hafenentscheidungen Unabhängig davon, ob man die drei vorgenannten Fälle bereits der „essential facilities“-Doktrin zuordnet oder nicht, lässt sich festhalten, dass es zumindest kein vollkommenes Novum darstellte, als die Kommission in ihren Hafenentscheidungen die Zugangsverweigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens als missbräuchliches Verhalten i.S.d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) wertete und einen Drittzugangsanspruch begründete238. Nach Erlass der Hafenentscheidungen berief sich die Kommission dann aber auch explizit auf die „essential facilities“-Doktrin und bestätigte ihre in den Hafenentscheidungen getroffenen Feststellungen.

zwischen London und Dublin; vgl. Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 9 f. (Aer Lingus). 231 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 25 (Aer Lingus). 232 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 25 (Aer Lingus). 233 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 32 (Aer Lingus). 234 Komm. E. v. 26. 02. 1992, ABl. EG 1992 Nr. L 96/34, Rn. 44 (Aer Lingus). 235 So z. B. Emmerich, Festschrift Söllner, S. 273, 276; Furse, ECLR 1995, S. 469, 471; Markert, WuW 1995, S. 560, 563 f.; Ridyard, ECLR 1996, S. 438, 443; Ruttley, ETL 1995, S. 821, 826; Temple Lang, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 245, 297. 236 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 112. 237 So z. B. Klaue, RdE 1996, S. 51, 55; Venit/Kallaugher, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 315, 341. 238 Jacobi, Third-Party-Access, S. 193.

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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(1) S.W.I.F.T. Ein in diesem Zusammenhang häufig zitiertes Verfahren ist das Verfahren in der Rechtssache S.W.I.F.T239. Die Genossenschaft S.W.I.F.T. (Society for Worldwide International Financial Telecommunications), die sich zum damaligen Zeitpunkt im Besitz von über 2000 Banken befand, betrieb ein internationales Telekommunikationsnetz, welches weltweit Datenübertragungs- und Verarbeitungsdienste für Finanzinstitute anbot240. Der Tätigkeitsschwerpunkt von S.W.I.F.T. lag in dem internationalen Transfer von Nachrichten in Verbindung mit Überweisungsaufträgen241. Darüber hinaus bot S.W.I.F.T. auch Nachrichtendienste für andere Arten von Finanzgeschäften an. Die französische Postgesellschaft La Poste, die im Bereich der französischen Privatkundenbanken tätig war, begehrte im Jahr 1994 Zugang zu dem Telekommunikationsnetz242. Dieser wurde ihr allerdings von S.W.I.F.T. verwehrt. Daraufhin legte La Poste bei der Kommission Beschwerde ein. Im Jahr 1997 eröffnete die Kommission ein offizielles Verfahren gegen S.W.I.F.T., in dessen Verlauf sie feststellte, dass S.W.I.F.T. eine Monopolstellung auf dem Markt der internationalen Netze für die Übermittlung von Zahlungsüberweisungen innehabe243. Die Kommission stufte das Telekommunikationsnetz als eine „bedeutende Fazilität“ ein und begründete dies damit, dass ein Finanzinstitut durch eine Verweigerung der Mitgliedschaft quasi vom Markt für internationale Überweisungen ausgeschlossen würde244. Folglich sah die Kommission in der Weigerung von S.W.I.F.T., La Poste den Zugang zu dem Netz zu gestatten, einen Verstoß gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV). Nachdem sich S.W.I.F.T. verpflichtet hatte, allen Finanzinstituten in der EU, die Dienstleistungen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr erbringen, und die die vom Europäischen Währungsinstitut für den Zugang zu inländischen Zahlungssystemen aufgestellten Kriterien erfüllen, den uneingeschränkten Zugang zu dem Netz zu gewähren, setzte die Kommission das Verfahren aus245. Der Fall stellt damit einen weiteren „essential facilities“-Fall dar. (2) Flughafen Frankfurt Ein weiteres Verfahren, in welchem die Kommission ausdrücklich auf das Konzept der „essential facilities“ zurückgriff, ist das Verfahren Flughafen Frankfurt aus dem Jahr 1998246. Die Eigentümerin und Betreiberin des Frankfurter Flughafens, die Flughafen Frankfurt/Main AG (FAG), verweigerte die Zulassung externer Unternehmen zu Dienstleistungen auf dem Vorfeld und behielt sich auf diese Weise die 239 240 241 242 243 244 245 246

XXVII. Wettbewerbsbericht der Kommission 1997, S. 161 ff. (S.W.I.F.T.). XXVII. Wettbewerbsbericht der Kommission 1997, S. 161, 161 (S.W.I.F.T.). XXVII. Wettbewerbsbericht der Kommission 1997, S. 161, 161 (S.W.I.F.T.). XXVII. Wettbewerbsbericht der Kommission 1997, S. 161, 162 (S.W.I.F.T.). XXVII. Wettbewerbsbericht der Kommission 1997, S. 161, 162 (S.W.I.F.T.). XXVII. Wettbewerbsbericht der Kommission 1997, S. 161, 162 (S.W.I.F.T.). XXVII. Wettbewerbsbericht der Kommission 1997, S. 161, 162 (S.W.I.F.T.). Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30 (FAG).

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Abfertigung der Flugzeuge – zumindest teilweise – selbst vor247. Dagegen wandten sich die Fluggesellschaften KLM, Air France und British Airways mit einer Beschwerde bei der Kommission248. Die Kommission prüfte einen Verstoß gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV). Sie differenzierte dabei erneut zwischen zwei verschiedenen Märkten: dem Markt für die Bereitstellung von Flughafeneinrichtungen für den Start und die Landung von Flugzeugen auf der einen und dem Markt für die Erbringung von Vorfeldabfertigungsdiensten auf der anderen Seite249. Die Kommission befand zunächst, dass die FAG auf dem Markt für die Bereitstellung von Flughafeneinrichtungen für den Start und die Landung von Flugzeugen im Frankfurter Raum eine Monopolstellung innehatte250. Unter Bezugnahme auf das Télémarketing-Urteil251 des EuGH stellte sie sodann fest, dass „die FAG ihre Macht als ausschließlicher Bereitsteller von Flughafeneinrichtungen benutzt [habe], um potentiellen Wettbewerbern (auf dem Markt für die Erbringung von Vorfeldabfertigungsleistungen) den Zugang zum Vorfeld zu verwehren“252. Die vorwerfbare Handlung sah die Kommission darin, dass die FAG den Fluggesellschaften keine Eigenabfertigung gestattete und auch keine Drittabfertiger zuließ, sich also die Abfertigung selbst vorbehielt253. Dadurch habe die FAG „ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für die Bereitstellung von Flughafenstart- und -landeeinrichtungen auf den benachbarten, aber getrennten Markt für Vorfelddienste ausgedehnt“254. In ihren Entscheidungsgründen setzte sich die Kommission erneut ausführlich mit der Möglichkeit einer Rechtfertigung der Zugangsverweigerung auseinander. Die FAG hatte nämlich u. a. vorgebracht, sie habe bereits seit Kriegsende die Vorfeldabfertigungsdienste selbst erbracht, da es keine anderen Interessenten gegeben habe, so dass ihr Monopol auf dem Markt der Vorfeldabfertigung „nicht das Ergebnis einer Ausweitung einer beherrschenden Stellung, sondern einer historischen Entwicklung“ gewesen sei255. Diese Argumentation konnte das Verhalten der FAG jedoch nicht rechtfertigen, „denn das verfolgte Ziel bestünde dann nicht in der Ausdehnung einer beherrschenden Stellung, sondern in der Aufrechterhaltung einer beherrschenden Stellung mit missbräuchlichen Mitteln“256. Wie im Fall Rødby spielte es also keine Rolle, ob bereits Dritten die Nutzung gewährt worden war257. Die FAG 247

Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 23 (FAG). Erneut stützten die Fluggesellschaften ihre Beschwerde auf die Verordnung Nr. 17/62/ EG. Siehe dazu oben Vierter Teil, C. I. 1. b) aa) (2). 249 Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 54 (FAG). 250 Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 59 (FAG). 251 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261 ff. (Télémarketing). Näher dazu unten, Vierter Teil, C. II. 1. b). 252 Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 72 (FAG). 253 Dutzke-Wittneben, Das Recht der Bodenabfertigungsdienste, S. 40. 254 Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 72 (FAG). 255 Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 97 (FAG). 256 Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 98 (FAG). 257 Jacobi, Third-Party-Access, S. 113. 248

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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hatte die Zugangsverweigerung weiterhin mit einer Überlastung des Flughafens, Eigentumsrechten sowie Organisationsrechten zu begründen versucht258. Diese Rechtfertigungsversuche überzeugten die Kommission jedoch ebenfalls nicht. Insbesondere die hinsichtlich des Platzmangels vorgebrachten Argumente hielt die Kommission für nicht stichhaltig genug, um das Vorfeldmonopol der FAG zu rechtfertigen. Kapazitätsengpässe seien zwar durchaus gegeben, der bestehende Flächenmangel sei indes nicht so groß, dass er die Genehmigung der Selbstabfertigung oder der Zulassung externer Dienstleister auf dem Vorfeld unmöglich mache259. Darüber hinaus stelle das von der FAG vorgebrachte Argument des Platzmangels auch keine objektive Rechtfertigung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dar, weil es Möglichkeiten zur Überwindung dieses Platzmangels gegeben habe260. So hielt die Kommission zum Beispiel eine „Umgestaltung der vorhandenen Infrastruktur“ für durchaus zumutbar261. Die teilweise vertretene These, der Inhaber einer „wesentlichen Einrichtung“ sei keinesfalls zu einer Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten verpflichtet, um dem Petenten die Mitbenutzung seiner Anlagen zu ermöglichen262, ist damit zumindest fragwürdig263. Im Ergebnis lehnte die Kommission eine Rechtfertigung der Zugangsverweigerung ab und entschied, dass die FAG unter Verstoß gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht habe, „indem sie ohne objektive Rechtfertigung potentiellen Fremdabfertigern den Zugang zum Vorfeld und Flughafenbenutzern das Recht zur Selbstabfertigung verwehrt und sich damit den Markt für die Erbringung von Vorfeldabfertigungsleistungen auf dem Flughafen Frankfurt selbst vorbehalten“ habe264. Damit stellte die Kommission eindeutig auf die in den Hafenentscheidungen entwickelten Grundsätze ab. Der Fall kann daher eindeutig der „essential facilities“-Fallgruppe zugeordnet werden. (3) Microsoft Die vorerst letzte Kommissionsentscheidung, der eine „essential facilities“Konstellation zugrunde lag, war die weltweit beachtete Entscheidung in der Rechtssache Microsoft265. Die Europäische Kommission hatte gegen das amerikanische Software-Unternehmen Microsoft ein Verfahren eingeleitet, nachdem die Firma Sun Microsystems Inc. wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung Beschwerde eingelegt hatte. Zuvor hatte Sun Microsystems Inc., ein Hersteller von Hard- und Software, Microsoft mehrfach vergeblich um die Offenlegung so 258 259 260 261 262 263 264 265

Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 74 (FAG). Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 76 (FAG). Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 86 (FAG). Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 87 (FAG). So z. B. Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 18, Rn. 54. Lenschow, Marktöffnung, S. 314. Komm. E. v. 14. 01. 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 72/30, Rn. 107 (FAG). Komm. E. v. 24. 03. 2004, COMP/C-3/37.792 (Microsoft).

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

genannter Schnittstelleninformationen gebeten, die jeder Software-Produzent benötigt, um seine Programme für die Kommunikation mit Microsoft-Servern kompatibel zu gestalten266. Die Kommission hatte nun darüber zu befinden, ob die verweigerte Offenlegung von Schnittstelleninformationen ein missbräuchliches Verhalten i.S.d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) darstellt267. Die Kommission sah die Schnittstelleninformationen als unerlässlich für die Entwicklung von Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt für Netzwerkrechner-Betriebssysteme an und kam zu dem Ergebnis, Microsoft habe durch sein Verhalten gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verstoßen268. Durch die Verweigerung des Zugangs zu diesen als „wesentlich“ zu qualifizierenden Schnittstellen habe Microsoft seine Monopolmacht im Bereich der Betriebssysteme ausgenutzt, um den Wettbewerb auf dem Servermarkt auszuschalten269. Die Kommission ordnete daher die Offenlegung der Schnittstelleninformationen innerhalb von 120 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung an, und verpflichtete Microsoft darüber hinaus, seinen Wettbewerbern die Verwendung der offen gelegten Schnittstelleninformationen unter angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu erlauben270. In der Literatur ist diese Entscheidung unterschiedlich aufgenommen worden. Während einige Autoren sie als notwendig erachteten, um den Innovationswettbewerb auch auf Märkten der Internetökonomie langfristig sicherzustellen271, bemängelten andere, die Entscheidung entspreche nicht den Anforderungen, welche der EuGH in seinen Urteilen Magill272 und IMS Health273 für kartellrechtliche Zwangslizenzen aufgestellt habe274. Microsoft selbst reichte gegen die Entscheidung der Kommission Klage beim EuG ein und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Der Präsident des EuG wies den Antrag auf einstweilige Anordnung zurück275. Im Jahr 2007 bestätigte das Gericht dann endgültig die Entscheidung der Kommission276. Im

266

Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 683. Komm. E. v. 24. 03. 2004, COMP/C-3/37.792, Rn. 3 (Microsoft). 268 Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 683; Thyri, WuW 2005, S. 388, 389. 269 Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 683. 270 Darüber hinaus verhängte die Kommission ein Bußgeld in Höhe von knapp 500 Mio. gegen Microsoft. Damit hatte Microsoft das höchste Bußgeld zu zahlen, das je von der Kommission gegen ein einzelnes Unternehmen verhängt worden ist; von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 295. 271 Zimmerlich, WRP 2004, S. 1260, 1268. 272 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743 ff. (Magill). Vgl. dazu unten, Vierter Teil, C. II. 1. c). 273 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039 ff. (IMS Health). Siehe dazu unten, Vierter Teil, C. II. 1. e). 274 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 302 mit Verweis auf Gehring, ELR 2004, S. 235, 240 f. und Körber, RIW 2004, S. 881, 888. 275 EuG v. 22. 12. 2004, Rs. T-201/04 R, Slg. 2004, II-4463 ff. (Microsoft). 276 EuG v. 17. 09. 2007, Rs. T-201/04, Slg. 2007, II-3601 ff. (Microsoft). 267

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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Ergebnis stellt das Verfahren Microsoft damit einen weiteren Fall dar, welcher nach den Grundsätzen der „essential facilities“-Doktrin gelöst worden ist277. 2. Veröffentlichungen der Europäischen Kommission Wie bereits erwähnt, geben nicht nur die Entscheidungen der Kommission Aufschluss über ihre Haltung zur „essential facilities“-Doktrin. Auch in ihren Berichten über die Wettbewerbspolitik hat die Kommission bereits mehrfach zur Thematik der „essential facilities“-Stellung bezogen. a) Berichte über die Wettbewerbspolitik So wies die Kommission beispielsweise in ihrem 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992 nach kurzer Darstellung der Rechtssache Sealink II auf die besondere Bedeutung des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) bei Marktzugangsproblemen neuer Wettbewerber hin278. In ihrem 23. Wettbewerbsbericht 1993 führte die Kommission zudem aus, dass der besonderen Bedeutung des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) auch dort Rechnung zu tragen sei, wo einzelne Wirtschaftssektoren bereits liberalisiert worden seien279. Die Kommission habe daher auch bei bereits frei zugänglichen Infrastrukturen streng darüber zu wachen, dass der Zugang Dritter zu diesen nicht ungerechtfertigt behindert werde280. Die Kommission begründete ihr Vorgehen damit, dass Unternehmen, die zuvor Sonder- oder Ausschließlichkeitsrechte in Anspruch genommen hätten, ihre marktbeherrschende Stellung auch nach einer erfolgreich durchgeführten Liberalisierung (zumindest für eine gewisse Zeit) beibehalten würden281. Die Pflicht zur Gewährung eines diskriminierungsfreien Zugangs treffe aber vor allem marktbeherrschende Unternehmen in nicht liberalisierten Märkten282. In Einzelfällen könnten marktbeherrschende Unternehmen sogar zur Zusammenarbeit mit ihren Wettbewerbern gezwungen werden283. In einem solchen Fall müsse der Besitzer einer notwendigen Infrastruktur anderen Unternehmen den Zugang zu dieser Einrichtung ohne jede Diskriminierung gestatten284. In ihrem 25. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1995 wies die Kommission erneut auf die elementare Bedeutung offener Märkte für einen funktionierenden Binnenmarkt hin und stellte klar, dass der freie Marktzutritt neuer Unternehmen unabdingbare

277 278 279 280 281 282 283 284

Dreher, EWiR 2008, S. 137, 138. XXII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1992), Rn. 219. XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1993), Rn. 40. XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1993), Rn. 40. XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1993), Rn. 40. XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1993), Rn. 213. XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1993), Rn. 213. XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1993), Rn. 213.

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Voraussetzung hierfür sei285. Sie selbst habe immer energisch eingegriffen, wenn neue Wettbewerber am Markteintritt gehindert worden wären286. Eine derartige Behinderung des Marktzutritts könne eine Vielzahl von Ursachen haben; so könne der Marktzutritt u. a. auch durch einen marktbeherrschenden Anbieter wesentlicher Einrichtungen oder Dienstleistungen behindert werden287. Dieses Problem habe in zahlreichen Wirtschaftssektoren an Bedeutung zugenommen. Dementsprechend führte die Kommission in nahezu wortgleicher Wiederholung ihrer in den Hafenentscheidungen getroffenen Erwägungen aus, dass ein beherrschendes Unternehmen grundsätzlich verpflichtet sei, „diskriminierungsfreien Zugang zu einer Anlage in seinem Besitz oder unter seiner Kontrolle zu gewähren, wenn dieser Zugang für die Wettbewerber unerlässlich ist, um ihr Geschäft auszuüben“288. Die Kommission habe diesen „Grundsatz des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts“ in den Bereichen Verkehr, Bankwesen und Telekommunikation angewandt, damit sich neuer Wettbewerb entwickeln könne289. In ihrem 26. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1996 wies die Kommission schließlich darauf hin, dass die unzulässige Marktzutrittsbehinderung neuer Unternehmen in einigen Sektoren immer wieder anzutreffen sei290. Hiervon seien besonders jene Sektoren betroffen, die sich auf dem Wege der Liberalisierung befänden; beispielhaft hierfür nannte die Kommission die Bereiche Telekommunikation, Verkehr und Energie291. b) Telekommunikationsmitteilung Sehr eindeutig hat sich die Kommission im Rahmen ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln zur Zugangsvereinbarung im Telekommunikationsbereich“292 zur Thematik der „wesentlichen Einrichtungen“ geäußert293. Zwar gilt die Telekommunikationsmitteilung letztlich nur sektorspezifisch, die Kommission stellte jedoch ausdrücklich klar, dass die im Rahmen der Mitteilung „dargelegten Grundsätze bei vergleichbaren Problemen auch in anderen Bereichen“ gelten294.

285

XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Rn. 39. XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Rn. 39. 287 XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Rn. 40. 288 XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Rn. 40. 289 XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Rn. 40. 290 XXVI. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1996), Rn. 60. 291 XXVI. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1996), Rn. 60. 292 Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln zur Zugangsvereinbarung im Telekommunikationsbereich vom 22. 08. 1998, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02. Im Folgenden wird der Einfachheit halber von der „Telekommunikationsmitteilung“ gesprochen. Näher dazu: Scherer, MMR 1999, S. 315, 318 f.; van Miert, WuW 1998, S. 7, 12 f. 293 Näher dazu Haag, Der Netzzugang Dritter, S. 57, 58 f. 294 Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 6. 286

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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Die Telekommunikationsmitteilung befasst sich mit der Frage, „wie die Wettbewerbsregeln und -verfahren auf Zugangsvereinbarungen im Rahmen harmonisierter gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Regelungen im Telekommunikationssektor Anwendung finden“295. In diesem Zusammenhang thematisiert die Telekommunikationsmitteilung auch das Problem des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und setzt sich mit der Verweigerung des Zugangs zu „wesentlichen Einrichtungen“ auseinander296. Unter Verweis auf ihre in den Hafenentscheidungen herausgearbeiteten Grundsätze bestätigt die Kommission in diesem Abschnitt, „dass ein Unternehmen, das eine wesentliche Einrichtung kontrolliert, unter bestimmten Umständen Zugang gewähren muss“297. Diese Pflicht zur Zugangsgewährung kann der Kommission zufolge im Telekommunikationssektor ausgesprochen werden, wenn folgende fünf Voraussetzungen gegeben sind: 1. Es muss eine wesentliche Einrichtung vorliegen298. Eine Einrichtung ist dann als wesentlich anzusehen, wenn die beabsichtigten Aktivitäten im Falle der Zugangsverweigerung „entweder gar nicht durchgeführt werden können oder aber auf unvermeidbare Weise in hohem Maße unwirtschaftlich werden“299. 2. Es muss eine ausreichende Kapazität zur Bereitstellung des Zugangs vorhanden sein300. 3. Der Eigentümer der Einrichtung muss entweder die Nachfrage auf einem bestehenden Dienste- oder Produktemarkt nicht hinreichend befriedigen, die Entstehung eines etwaigen neuen Dienstes oder Produktes verhindern oder den Wettbewerb auf einem bestehenden oder potentiellen Dienste- oder Produktemarkt beeinträchtigen301. 4. Das Unternehmen, das den Zugang beantragt, muss bereit sein, ein angemessenes und diskriminierungsfreies Entgelt für die Zugangsgewährung zu zahlen und sämtliche diskriminierungsfreie Zugangsbedingungen zu akzeptieren302. 5. Schließlich darf die Verweigerung des Zugangs nicht sachlich gerechtfertigt sein303. Als mögliche Rechtfertigungsgründe nennt die Telekommunikationsmitteilung übermäßige Komplikationen bei der Gewährung des Zugangs oder den Umstand, dass der Eigentümer der Einrichtung selbst hinreichend Zeit und Ge-

295 296 297 298 299 300 301 302 303

Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 1. Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 81 ff. Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 88. Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91 a). Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91 a). Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91 b). Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91 c). Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91 d). Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91 e).

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

legenheit zur Nutzung der Einrichtung benötigt, um das neue Produkt oder den neuen Dienst auf den Markt bringen zu können304. Liegen die genannten fünf Voraussetzungen vor, ist der Telekommunikationsmitteilung zufolge ein Verstoß gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) anzunehmen; eine Zugangsgewährung ist anzuordnen305. Die genannten Voraussetzungen sowie die verwendeten Begriffe sind nahezu deckungsgleich mit jenen, welche die Kommission im Rahmen der „essential facilities“-Doktrin verwendet hat306. Als einziger Unterschied ist festzuhalten, dass der Kapazitätsengpass in der Entscheidungspraxis der Kommission bisher als Rechtsfertigungsgrund behandelt wurde, während er in der Telekommunikationsmitteilung als eigenständiger Prüfungspunkt aufgeführt wird307. c) OECD-Studie „The Essential Facilities Concept“ Schließlich hat sich die Kommission im Jahr 1996 im Rahmen einer von der OECD durchgeführten Studie zum Konzept der „essential facilities“ geäußert308. Die OECD hatte für diese Studie weltweit um Stellungnahmen zur „essential facilities“Doktrin gebeten. In ihrem Positionspapier wies die Kommission zunächst darauf hin, dass das europäische Wettbewerbsrecht die Zusammenarbeit von Konkurrenten grundsätzlich nicht fördern, sondern vielmehr verhindern wolle309. Obwohl die „essential facilities“-Fälle zwar eine Konkurrentenförderungspflicht zur Folge hätten, seien sie nicht als Ausnahme, sondern als besondere Ausprägung der allgemeinen Wettbewerbsregeln zu verstehen310. Das Konzept der „essential facilities“ würde dabei allerdings kein eigenständiges Analyseinstrument darstellen, sondern sei lediglich ein nützliches „label“ für besonders gelagerte Fälle311. Hauptsächlich komme die „essential facilities“-Doktrin im Rahmen des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) zur Anwendung, sie sei aber auch im Rahmen der Art. 81 und 86 EG (jetzt Art. 101 und 106 AEUV) von Bedeutung312. Unter Verweis auf das EuGH-Urteil Commercial Solvents313 stellte die Kommission sodann grundsätzlich klar, dass marktbeherrschende Unternehmen ihren Wettbewerbern oder Kunden die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen jedenfalls dann nicht verweigern dürften, wenn die 304

Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91 e). Telekommunikationsmitteilung, ABl. EG 1998, Nr. C 265/02, Rn. 91. 306 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 113. 307 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 113. 308 Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93 ff. 309 Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 93. 310 Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 93/94. 311 Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 94. 312 Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 93. 313 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223 ff. (Commercial Solvents). Näher hierzu unten, Vierter Teil, C. II. 1. a). 305

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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Weigerung eine signifikante Auswirkung auf den Wettbewerb zur Folge hätte und objektiv nicht gerechtfertigt sei314. In den „essential facilities“-Fällen habe das marktbeherrschende Unternehmen seinen Wettbewerbern eine Einrichtung zur Verfügung zu stellen, wenn diese für den Wettbewerber wesentlich sei, um mit dem Marktbeherrscher in Konkurrenz treten zu können315. Um bestimmen zu können, was „wesentliche Einrichtungen“ seien, müsse man das Ausmaß der Beeinträchtigung der Wettbewerber sowie insbesondere deren zeitliche Dauer abschätzen316. Eine Pflicht zur Zugangsgewährung sei jedenfalls dann gegeben, wenn ohne den Zugang eine unüberwindbare Marktzutrittsbarriere für die Wettbewerber des Einrichtungsinhabers errichtet würde, oder wenn die Wettbewerber ohne den Zugang schwerwiegenden, dauerhaften und unvermeidbaren Wettbewerbsbeeinträchtigungen ausgesetzt seien, wodurch ihre Aktivitäten im Ergebnis unwirtschaftlich würden317. Der Zugang zu einer Einrichtung sei also immer dann als wesentlich einzustufen, wenn eine Zugangsverweigerung alle oder zumindest die meisten Wettbewerber vom Markt verdrängen würde318. Die Kommission führte im Anschluss einige Situationen auf, in denen die „essential facilities“-Doktrin von besonderer Bedeutung sei. Hierbei kam sie zu dem Ergebnis, dass dies insbesondere bei (ehemals) staatlich regulierten Wirtschaftszweigen der Fall sei319. Die „essential facilities“-Doktrin stelle daher im Prinzip eine Ergänzung („follow up“) zu Art. 86 EG (jetzt Art. 106 AEUV) dar320. Im Ergebnis sei Zugang immer dann zu gewähren, wenn dem Wettbewerber keine Alternativeinrichtung zur Verfügung stünde, es ihm auch objektiv unmöglich sei, eine entsprechende Einrichtung selbst zu errichten, und wenn der Zugangsgewährung keine berechtigten Geschäftsinteressen entgegenstünden321. Hierbei sei, wie die Kommission in ihrer zweiten Hafenentscheidung bereits ausdrücklich klargestellt habe, auf den Maßstab eines unabhängigen Einrichtungsinhabers abzustellen322. In diesem Zusammenhang kommt es der Kommission zufolge auch darauf an, ob die Einrichtung von einem einzelnen Marktbeherrscher allein errichtet wurde, oder ob sie von mehreren Unternehmen gemeinschaftlich geschaffen wurde323. Bei der Frage nach einer Rechtfertigung der Zugangsverweigerung komme dem Gesichtspunkt freier Kapazitäten besondere Bedeutung zu324. Seien nämlich noch freie Kapazitäten 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324

Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 93. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 94. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 94. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 94. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 94. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 95. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 95. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 95/97. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 97. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 96. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 98.

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verfügbar, so ließe sich eine Zugangsverweigerung wesentlich schwerer rechtfertigen325. Schließlich wies die Kommission darauf hin, dass die „essential facilities“Doktrin bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen streng zu befolgen sei326. Im Falle des Vorliegens aller Voraussetzungen sei dem Konkurrenten zwingend Zugang zu der betreffenden Einrichtung zu gewähren327. 3. Zwischenergebnis Vor diesem Hintergrund kann es als gesichert angesehen werden, dass die Kommission die „essential facilities“-Doktrin im Rahmen von Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) in ihre Entscheidungspraxis übernommen hat328. Auch die Äußerungen ehemaliger Wettbewerbskommissare sowie anderer hochrangiger Mitarbeiter der Generaldirektion Wettbewerb lassen diesen Rückschluss zu329. In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bronner330 stellte Generalanwalt Jacobs dementsprechend fest, dass der Begriff der „essential facilities“ in der Praxis der Kommission eine wichtige Rolle spielt331. Vor allem bei der Durchsetzung der Marktöffnung monopolistisch geprägter Märkte misst die Kommission der „essential facilities“-Doktrin eine gewichtige Rolle zu332. Die exemplarisch dargestellten Entscheidungen zeigen, dass die Kommission insbesondere im Verkehrssektor verstärkt auf die „essential facilities“-Doktrin zurückgegriffen hat. Dabei scheint die Kommission davon auszugehen, ihre Entscheidungen im Einklang mit der Rechtsprechung der europäischen Gerichte getroffen zu haben. Zumindest legte sie ihren Rechtsansichten die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Commercial Solvents333, Télémarketing334, GB-Inno335 und ERT336 sowie das Urteil des EuG in der Rechtssache Magill337 zugrunde338. 325

Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 98. Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 96. 327 Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 96. 328 So auch Deselears, EuZW 1995, S. 563, 563; Müller, EuZW 1998, S. 232, 232. 329 Jacobi, Third-Party-Access, S. 195. 330 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791 ff. (Bronner). Näher dazu unten, Vierter Teil, C. II. 1. d). 331 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7810, Rn. 52 (Bronner). 332 Lampert, NJW 1999, S. 2235, 2235. 333 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223 ff. (Commercial Solvents), s. dazu unten, Vierter Teil, C. II. 1. a). 334 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261 ff. (Télémarketing); s. dazu unten, Vierter Teil, C. II. 1. b). 335 EuGH v. 13. 12. 1991, Rs. C 18/88, Slg. 1991, I-5941 (GB-Inno). 336 EuGH v. 18. 06. 1991, Rs. C-260/89, Slg. 1991, I-2925 ff (ERT). 337 EuG v. 10. 07. 1991, Rs. T-69/89, Slg. 1991, II-485 (Magill), s. dazu unten, Vierter Teil, C. II. 1. c). 326

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Allerdings erkannte sie auch an, dass sich die europäischen Gerichte bisher noch nie ausdrücklich zur „essential facilities“-Doktrin bekannt haben339. Zusammenfassend lässt sich festgehalten, dass der Inhaber einer „wesentlichen Einrichtung“ diese nach Auffassung der Kommission einem Wettbewerber unter diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung zu stellen hat, wenn der Inhaber der Einrichtung marktbeherrschend ist und der Zugang zu der Einrichtung für den Petenten zwingend erforderlich ist, um auf einem nachgelagerten Markt tätig zu werden.

II. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der europäischen Gerichte Ausgehend von der Prämisse, dass die Kommission die „essential facilities“Doktrin faktisch in ihre Entscheidungspraxis integriert hat, stellt sich die Frage, ob auch die europäischen Gerichte die „essential facilities“-Doktrin in ihre Entscheidungspraxis übernommen haben. Bei näherer Betrachtung fällt zunächst ins Auge, dass weder der Europäische Gerichtshof noch das Europäische Gericht Erster Instanz sich bisher eindeutig zu der Thematik geäußert haben. Dennoch sind viele Urteile sowohl des EuGH als auch des EuG als Bestätigung der Doktrin aufgefasst worden. 1. Spruchpraxis des EuGH Zunächst ist zu konstatieren, dass sich der EuGH – ähnlich wie der Supreme Court auf amerikanischer Ebene – bislang in keinem seiner Urteile auf die „essential facilities“-Doktrin bezogen hat340. In der Literatur sind dennoch einige seiner Urteile als Bestätigung der „essential facilities“-Doktrin aufgefasst worden. Tatsächlich scheint der EuGH einem ähnlichen Argumentationsmuster zu folgen341. Die wichtigsten einschlägigen Urteile sollen daher im Folgenden kurz dargestellt werden342.

338 So auch Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7808, Rn. 49 (Bronner). 339 Komm. E. v. ABl. EG 2002 Nr. L 59, 18, 25 (IMS Health). 340 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7803, Rn. 35 (Bronner). 341 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 119. 342 Es würde den Umfang dieser Arbeit übersteigen, sämtliche in der Diskussion um die „essential facilities“-Doktrin angeführten Urteile des EuGH darstellen zu wollen. Daher sollen sich die folgenden Ausführungen auf die am häufigsten in diesem Zusammenhang genannten Urteile beschränken. Der Vollständigkeit halber sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch die Urteile CICRA/Renault (EuGH v. 05. 10. 1988, Rs. 53/87, Slg. 1988, 6039 ff.), Volvo/Veng (EuGH v. 05. 10. 1988, Rs. 238/87, Slg. 1988, I-6211 ff.) und GB-Inno (EuGH v. 13. 12. 1991, Rs. C-18/88, Slg. 1991, I-5941 ff.) immer wieder im Zusammenhang mit der Doktrin genannt werden.

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a) Commercial Solvents Der erste Fall, der sich theoretisch als Unterfall der „essential facilities“-Doktrin ansehen ließe und auf welchen in diesem Zusammenhang immer wieder verwiesen wird, ist der Fall Commercial Solvents343 aus dem Jahr 1974. Das amerikanische Pharmaunternehmen Commercial Solvents war zu diesem Zeitpunkt weltweit einziger Hersteller des Arzneimittelgrundstoffs Aminobutanol344. Aminobutanol ist ein Zwischenprodukt für die Herstellung von Etambutol, welches wiederum für die Produktion von Anti-Tuberkulose-Medikamenten verwendet wird345. Für den Wiederverkauf des von Commercial Solvents produzierten Aminobutanols war das Instituto Chemioterapico Italiano S.p.A. (Instituto) zuständig, an dem Commercial Solvents mehrheitlich beteiligt war346. Einer der Kunden von Instituto für Aminobutanol war die Firma Laboratorio Chimico Farmacentico Georgio Zoja S.p.A. (Zoja), die das Mittel zur Herstellung von Arzneimittelspezialitäten verwendete347. Nachdem sich Commercial Solvents 1968 entschlossen hatte, durch Instituto selbst Arzneimittel auf der Basis von Etambutol herstellen zu lassen und 1970 auch eine entsprechende staatliche Registrierung erhielt, weigerte sich das Unternehmen plötzlich, Zoja weiterhin mit Aminobutanol zu beliefern348. Trotz mehrerer Versuche gelang es Zoja nicht, Aminobutanol anderweitig auf dem Weltmarkt zu erhalten349. Das Unternehmen beantragte daher 1972 bei der Kommission die Einleitung eines Verfahrens gegen Commercial Solvents und Instituto wegen Verstoßes gegen Art. 86 EWG-Vertrag (jetzt Art. 102 AEUV). Der EuGH entschied, dass ein hinsichtlich der Produktion eines Rohstoffs marktbeherrschendes Unternehmen seine beherrschende Stellung missbraucht, wenn es die Belieferung eines langjährigen Kunden in der Absicht einstellt, sich den Rohstoff für die Herstellung seiner eigenen Derivate vorzubehalten350. In seinen Entscheidungsgründen differenzierte der Gerichtshof ausdrücklich zwischen dem Markt für Rohstoffe, die zur Herstellung eines Er-

343

vents).

EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223 ff. (Commercial Sol-

344 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 226, Rn. 1 (Commercial Solvents). 345 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 226, Rn. 1 (Commercial Solvents). 346 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 226, Rn. 1 (Commercial Solvents). 347 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 226, Rn. 1 (Commercial Solvents). 348 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 226, Rn. 1 (Commercial Solvents). 349 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 226, Rn. 1 (Commercial Solvents). 350 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 224, Rn. 3 (Commercial Solvents).

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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zeugnisses erforderlich sind, und dem Markt für das Produkt selbst351. Auch ging der EuGH speziell auf die Möglichkeit der Substituierbarkeit des Rohstoffes ein. Er lehnte jedoch alle von Commercial Solvents vorgebrachten Alternativen als unzureichend ab, weil diese entweder industriell noch nicht erprobt waren oder nur bescheidene Produktionsergebnisse erbracht hatten352. Im Ergebnis klassifizierte der EuGH den Rohstoff damit als nicht substituierbar. Hinsichtlich des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung formulierte das Gericht: „Jedoch kann ein Unternehmen, das eine marktbeherrschende Stellung hinsichtlich der Herstellung der Rohstoffe einnimmt und deswegen die Belieferung der Produzenten von Derivaten zu kontrollieren in der Lage ist, sich nicht bloß weil es beschlossen hat, diese Derivate (nunmehr im Wettbewerb zu seinen früheren Kunden) selbst herzustellen, so verhalten, dass es deren Wettbewerb beseitigt, was im vorliegenden Fall die Ausschaltung eines der wichtigsten Hersteller von Etambutol im Gemeinsamen Markt bedeutet hätte. Da ein solches Verhalten den in Art. 3 Buchstabe f des Vertrages niedergelegten und in den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag (jetzt Art. 101 und 102 AEUV) näher ausgeführten Zielen zuwiderläuft, missbraucht ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag (jetzt Art. 102 AEUV), wenn es eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Rohstoffe hat und sich in der Absicht, sich den Rohstoff für die Herstellung seiner eigenen Derivate vorzubehalten, weigert, einen Kunden, der seinerseits Hersteller dieser Derivate ist, zu beliefern, auch auf die Gefahr hin, jeglichen Wettbewerb durch diesen Kunden auszuschalten.“353. Damit bestätigte der EuGH die vorhergehende Kommissionsentscheidung, in der ebenfalls eine Verletzung von Art. 86 EWG-Vertrag (jetzt Art. 102 AEUV) festgestellt worden war. Die Ausführungen des EuGH zur Marktabgrenzung und insbesondere zur fehlenden Substituierbarkeit des Rohstoffs lassen eindeutig eine Nähe zur „essential facilities“-Doktrin erkennen. Dennoch ist der Fall Commercial Solvents von einigen Stimmen in der Literatur lediglich als allgemeiner Anwendungsfall des Abbruchs einer Geschäftsverbindung angesehen worden354. b) Télémarketing Gegenstand des Vorlageverfahrens Télémarketing355 war ein belgisches Télémarketing-Unternehmen, das Centre belge d‘études de marché SA – Télémarketing (CBEM), welches über den Fernsehsender RTL, der von der Compagnie luxem351 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 251, Rn. 22 (Commercial Solvents). 352 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 250, Rn. 15 (Commercial Solvents). 353 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, 252, Rn. 25 (Commercial Solvents). 354 So z. B. Bunte, WuW 1997, S. 302, 310; Jacobi, Third-Party-Access, S. 79; Klaue, RdE 1996, S. 51, 55. 355 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261 ff. (Télémarketing).

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bourgeoise de télédiffusion (CLT) betrieben wird, Werbesendungen ausstrahlen wollte356. Beim Télémarketing handelt es sich um eine Form der Werbung, bei der ein Werbender über den gewählten Träger (hier das Fernsehen) in einer Werbesendung eine Telefonnummer bekanntgeben lässt, unter der sich der Werbeadressat über das beworbene Produkt informieren und dieses kaufen kann357. CLT hatte CBEM zunächst das ausschließliche Recht eingeräumt, derartige Télémarketing-Maßnahmen über ihren Sender durchzuführen358. Die Télémarketing-Maßnahmen wurden dabei ausschließlich über den Telefonanschluss von CBEM abgewickelt359. Nach Ablauf des Vertrages sollten die Télémarketing-Maßnahmen jedoch nur noch über den Telefonanschluss von Information publicité Bénélux SA (IPB), der für Werbung zuständigen Tochterfirma von CLT, mit welcher CLT auch kapitalmäßig verflochten war, durchgeführt werden können360. Dadurch sah sich CBEM vom Markt des Télémarketing ausgeschlossen und erhob Klage vor einem belgischen Gericht361. Dieses legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, „ob es einen Missbrauch im Sinne von Art. 86 EWG-Vertrag (jetzt Art. 102 AEUV) darstellt, wenn ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehat, sich oder einem zur selben Gruppe gehörenden Unternehmen unter Ausschluss aller anderen Unternehmen eine Hilfstätigkeit vorbehält, die von einem dritten Unternehmen im Rahmen seiner Tätigkeit auf einem benachbarten, aber getrennten Markt ausgeübt werden könnte“362. Der Gerichtshof stellte fest, dass die in dem Urteil Commercial Solvents363 gewonnenen Grundsätze auch für ein Unternehmen gelten, „das eine beherrschende Stellung auf dem Markt einer Dienstleistung innehat, die für die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auf einem anderen Markt unerlässlich ist“364. Die von CLT gestellte Bedingung, CBEM solle seine Télémarketing-Maßnahmen künftig ausschließlich über den Telefonanschluss von IPB abwickeln, stelle „eine Weigerung dar, die Dienstleistung des Fernsehunternehmens einem anderen Telemarketing-Unternehmen zu erbringen“365. Daher sei es missbräuchlich, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen „sich oder einem zur selben Gruppe gehörenden Unternehmen ohne objektives Bedürfnis eine Hilfstätigkeit vorbehält, die von einem dritten Unternehmen im Rahmen seiner Tätigkeit auf einem benachbarten, aber getrennten Markt ausgeübt werden könnte, so dass jeglicher Wettbewerb seitens

356

EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3262, Rn. 1 (Télémarketing). EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3262, Rn. 1 (Télémarketing). 358 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3262, Rn. 1 (Télémarketing). 359 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3262, Rn. 1 (Télémarketing). 360 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3262, Rn. 1 (Télémarketing). 361 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3262, Rn. 1 (Télémarketing). 362 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3276, Rn. 19 (Télémarketing). 363 EuGH v. 06. 03. 1974, verb. Rs. 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223 ff. (Commercial Solvents). Dazu näher oben Vierter Teil, C. II. 1. a). 364 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3278, Rn. 26 (Télémarketing). 365 EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3278, Rn. 26 (Télémarketing). 357

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dieses Unternehmens ausgeschaltet zu werden droht“366. Etwas anderes könne sich nur dann ergeben, wenn die Weigerung „durch technische oder kommerzielle Notwendigkeiten gerechtfertigt ist, die sich aus der Eigenart des Trägers Fernsehen ergeben“367. Mit seinem Verweis auf die in dem Urteil Commercial Solvents gewonnen Grundsätze stellte der Gerichtshof seine Entscheidung in eine Linie mit diesem Urteil368. Da Fernsehprogramme physikalische und ökonomische Merkmale von Infrastrukturnetzen aufweisen, kann man das Télémarketing-Urteil als einen Schritt in Richtung einer europäischen „essential facilities“-Doktrin auffassen369. Auch ähnelt der Begriff der „Unerlässlichkeit“ einer Dienstleistung durchaus dem im Rahmen der „essential facilities“-Doktrin verwendeten Begriff der „Wesentlichkeit“370. Es verwundert daher nicht, dass dieses Urteil im Zusammenhang mit der Entwicklung einer europäischen „essential facilities“-Doktrin immer wieder erwähnt wird. c) Magill Das Urteil Magill371 aus dem Jahr 1995 wurde von vielen Stimmen in der Literatur als Bestätigung der zunehmend von der Kommission angewandten „essential facilities“-Doktrin durch den EuGH angesehen. Hierbei ging es um die Frage, ob ein Unternehmen aufgrund von Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verpflichtet werden kann, eine Lizenz für seine urheberrechtlich geschützten Werke zu erteilen372. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: im entscheidungserheblichen Zeitraum wurden in Irland und Nordirland von den Fernsehsendern Radio Telefis Eireann (RTE), Independent Television Publications Ltd. (ITP) und der British Broadcasting Corporation (BBC) drei wöchentliche Fernsehprogrammzeitschriften vertrieben373. Der Presse war es lediglich erlaubt, auf Anfrage das Fernsehprogramm des jeweiligen Tages sowie einige „Höhepunkte“ der wöchentlichen Fernsehprogramme zu veröffentlichen374. In ganz Irland und Nordirland gab es jedoch keinen umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführer375. 1985 begann der irische Zeitungsverlag Magill TV Guide Ltd. (Magill), eine programmübergreifende wö366

EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3278, Rn. 27 (Télémarketing). EuGH v. 03. 10. 1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, 3278, Rn. 26 (Télémarketing). 368 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 121. 369 Lenschow, Marktöffnung, S. 309. 370 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 120. 371 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743 ff. (Magill). 372 Generalanwalt Gulmann, Schlussanträge, EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 748, Rn. 1 (Magill). 373 Generalanwalt Gulmann, Schlussanträge, EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 748, Rn. 4 (Magill). 374 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 812, Rn. 9 (Magill). 375 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 811, Rn. 7 (Magill). 367

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chentliche Fernsehzeitung für Irland und Nordirland herauszugeben376. RTE, ITP und BBC erwirkten daraufhin vor den nationalen Gerichten einstweilige Anordnungen, welche Magill – unter Hinweis auf das Urheberrecht der Gesellschaften – die Veröffentlichung der wöchentlichen Programmvorschauen untersagten377. Magill legte bei der Kommission Beschwerde ein. Diese stellte einen Verstoß der Sender gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) fest und wies RTE, ITP und BBC an, „Dritten auf Anfrage ihre jeweiligen wöchentlichen Programmvorschauen auf nichtdiskriminierender Basis zur Verfügung zu stellen und die Wiedergabe durch Dritte zu gestatten“378. Die von RTE, ITP und BBC daraufhin beim EuG eingereichten Klagen blieben ohne Erfolg. RTE und ITP, nicht jedoch BBC, legten daher gegen die Urteile des EuG Rechtsmittel zum EuGH ein. Dabei machten sie u. a. geltend, dass das EuG den Begriff des Missbrauchs falsch ausgelegt habe379. Der EuGH beanstandete die von der Kommission vorgenommene Auslegung im Ergebnis jedoch nicht und wies die Rechtsmittel zurück. In seinen Urteilsgründen bestätigte der Gerichtshof zunächst die von der Kommission bereits festgestellte marktbeherrschende Stellung der drei Fernsehsender380. Die Luxemburger Richter stützten die marktbeherrschende Stellung – nach einer kurzen Bestätigung der Tatsache, dass die bloße Eigenschaft als Inhaber eines Immaterialgüterrechts keine marktbeherrschende Stellung begründen könne – darauf, dass die Fernsehanstalten die einzig vorhandene Informationsquelle für die von Magill benötigten Informationen waren381. Sodann stellte der Gerichtshof klar, dass die Verweigerung einer Lizenz für sich gesehen keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle382. Die Ausübung eines ausschließlichen Rechts durch den Inhaber könne jedoch „unter außergewöhnlichen Umständen“ ein missbräuchliches Verhalten begründen383. Derart „außergewöhnliche Umstände“ ergäben sich im vorliegenden Fall aus 376 Generalanwalt Gulmann, Schlussanträge, EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 749, Rn. 7 (Magill). 377 Generalanwalt Gulmann, Schlussanträge, EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 749, Rn. 7 (Magill). 378 Komm. E. v. 21. 12. 1988, ABl. EG 1989 Nr. L 78/43, Rn. 27 (Magill). 379 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 815, Rn. 21 (Magill). 380 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 822, Rn. 46 (Magill). Lediglich die als Streithelferin an dem Verfahren teilnehmende Intellectual Property Owners Inc. (IPO) hatte im Laufe des Verfahrens darauf hingewiesen, dass keine Vermutung dahingehend bestehe, dass der Inhaber eines Immaterialgüterrechts eine beherrschende Stellung i.S.d. Art. 82 EG habe; vgl. EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 821, Rn. 43 (Magill). 381 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 822, Rn. 46 f. (Magill). 382 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 823, Rn. 49 (Magill). 383 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 823, Rn. 50 (Magill).

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drei bereits vom EuG aufgezählten Gründen. Erstens habe das Vorenthalten von Grundinformationen durch die Fernsehanstalten „das Auftreten eines neuen Erzeugnisses, nämlich eines umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführers, den sie selbst nicht anboten und nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher bestand, verhindert“384. Zweitens sei die Weigerung, die Grundinformationen herauszugeben, weder durch die Ausstrahlung von Fernsehsendungen noch durch die Herausgabe von Fernsehzeitschriften gerechtfertigt gewesen385. Unter erneuter Berufung auf seine Rechtsprechung in der Sache Commercial Solvents machte der EuGH sodann als dritten Grund aus, dass sich die Fernsehsender durch ihr Verhalten einen abgeleiteten Markt vorbehalten hätten, „indem sie jeden Wettbewerb auf diesem Markt ausschlossen, da sie den Zugang zu den Grundinformationen – dem unentbehrlichen Ausgangsmaterial für die Herstellung eines solchen Programmführers – verweigerten“386. Dieses Verhalten stelle einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) dar387. Erstmals wandte der EuGH seine Commercial Solvents-Rechtsprechung damit auf einen Fall an, in dem ein Unternehmen nicht eine bereits bestehende Lieferverbindung abbrach, sondern von Anfang an eine Belieferung verweigerte388. Einige Stimmen sahen in Magill daher die richterliche Neueröffnung eines Marktes mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts, im Gegensatz zu früheren Entscheidungen, mit denen der EuGH lediglich bestehende Märkte habe offen halten wollen389. Inhaltlich entsprechen die in Magill genannten Kriterien den Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen nach der „essential facilities“-Doktrin zur Zugangsgewährung verpflichtet werden kann. Die Vermutung, dass der EuGH mit seinem Urteil an die Entscheidungspraxis der Kommission zu den „wesentlichen Einrichtungen“ anknüpfen wollte, liegt daher nahe. Auf die (zum Entscheidungszeitpunkt bereits ergangenen) Hafenentscheidungen der Kommission hat der EuGH jedoch keinerlei Bezug genommen. Es ist daher umstritten, ob es sich bei Magill überhaupt um einen Anwendungsfall der „essential facilities“-Doktrin handelt. So gibt es in der Literatur einige Stimmen, die Magill für einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall halten390. Andere sehen den Fall schon wegen seines Bezugs zum Ur384 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 824, Rn. 54 (Magill). 385 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 824, Rn. 55 (Magill). 386 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 824, Rn. 56 (Magill). 387 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 825, Rn. 57 (Magill). 388 Lenschow, Marktöffnung, S. 309. 389 Lenschow, Marktöffnung, S. 310 mit Verweis auf Basedow, Dienstleistungsmonopole und Netzzugang, S. 121, 128. 390 Lenschow, Marktöffnung, S. 310 mit Verweis auf Bechthold, EuZW 1995, S. 345, 346; Bunte, WuW 1997, S. 302, 311.

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heberrecht nicht als Anwendungsfall der „essential facilities“-Doktrin an, da das Urheberrecht gerade auch ein Recht zum Ausschluss beinhalte391. Insgesamt betrachtet wird die Entscheidung jedoch dahingehend interpretiert, dass durch sie die „essential facilities“-Doktrin vom EuGH bestätigt392, zumindest jedoch gebilligt393 worden sei; jedenfalls knüpfe das Urteil der Sache nach an die Doktrin an394. In der Tat erfüllt die Weigerung, Zugang zu Grundinformationen zu gewähren, die für das Tätigwerden auf einem nachgelagerten Markt unentbehrlich sind, eindeutig die Voraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin. Auch die Tatsache, dass der EuGH in dem Magill-Urteil ausdrücklich auf seine Commercial Solvents-Rechtsprechung Bezug genommen hat, weist darauf hin, dass der EuGH das Urteil als Anwendungsfall bereits bestehender Grundsätze angesehen hat395. Im Unterschied zu den vorherigen Fällen betraf das Magill-Urteil jedoch erstmals einen Sachverhalt, in dem ein Schutzrechtsinhaber zur Erteilung einer Lizenz verpflichtet wurde396. d) Bronner Der für die Entwicklung der „essential facilities“-Doktrin im europäischen Recht bedeutendste Fall ist der Fall Bronner397 aus dem Jahr 1998. Dieser hat nicht zuletzt deswegen so viel Beachtung gefunden, weil Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen ausführlich auf die „essential facilities“-Doktrin eingegangen ist398. Dem Fall lag die Frage zugrunde, ob der vergleichsweise kleine österreichische Zeitungsverlag Bronner auf der Grundlage von Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) Zugang zu dem Hauszustellungssystem des wesentlich größeren Zeitungskonzerns Mediaprint verlangen konnte. Zwar existierten in Österreich zu diesem Zeitpunkt diverse andere regionale oder lokale Zustellungsnetze; Mediaprint betrieb jedoch den einzigen landesweiten Zustelldienst399. Bronner war der Ansicht, dass Mediaprint ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht habe, indem sie Bronner den Zugang zu ihrem Zustellungsnetz verweigerte. Zur Begründung führte Bronner aus, dass nur eine Hauszustellung eine Auslieferung in den frühen Morgenstunden ga391 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 122; Glasl, ECLR 1994, S. 306, 311; Götting, JZ 1996, S. 307, 307. 392 Basedow, Festschrift Sandrock, S. 13, 28; Deselears, EuZW 1995, S. 563, 563 ff.; Ehle, EuZW 1999, S. 89, 89; Klaue, RdE 1996, S. 51, 54; Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 276; Markert, WuW 1995, S. 560, 564. 393 Emmerich, Festschrift Söllner, S. 273, 277. 394 Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 649. 395 Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 87. 396 Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 86. 397 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791 ff. (Bronner). 398 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7802 ff. (Bronner). 399 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7794, Rn. 4 (Bronner).

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rantiere400. Eine – regelmäßig erst am späten Vormittag erfolgende – Postzustellung stelle hierzu keine gleichwertige Alternative dar401. Auch sei es für Bronner unrentabel, ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen402. Schließlich werde Bronner auch insofern von Mediaprint diskriminiert, als diese einer anderen von ihr nicht verlegten Tageszeitung Zugang zu dem System gewährt habe403. Das mit der Sache befasste österreichische Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob es sich bei der Weigerung Mediaprints, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung den Zugang zu dem eigenen Hauszustellungsnetz zu gewähren, um eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung handele404. Bronner hatte sich zur Stärkung seiner Position ausdrücklich auf die „essential facilities“-Doktrin berufen und behauptet, Mediaprint sei zur Gewährung des Zugangs verpflichtet, da der Zugang zu dem Vertriebssystem „Voraussetzung für einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt der Tageszeitungen sei“405. Generalanwalt Jacobs setzte sich in seinen Schlussanträgen daher ausführlich mit der „essential facilities“-Doktrin auseinander406. Nach einer kurzen Beschreibung der wesentlichen Grundzüge der Doktrin stellte er zunächst fest, dass sich der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung noch nicht auf diese bezogen habe407. Dennoch habe der EuGH bereits diverse Urteile erlassen, welche die Weigerung beträfen, Waren zu liefern oder Dienstleistungen zu erbringen408. In diesem Zusammenhang hob Jacobs insbesondere die Urteile Commercial Solvents, Télémarketing, GB-Inno und Magill sowie das Urteil des EuG in der Rechtssache Tiercé Ladbroke hervor409. Aus den genannten Urteilen ergäbe sich eindeutig, „dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung dann einen Missbrauch begeht, wenn es ohne Rechtfertigung die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen an einen bisherigen Kunden einstellt oder den Wettbewerb auf einem verbundenen Markt durch 400 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7794, Rn. 4 (Bronner). 401 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7794, Rn. 4 (Bronner). 402 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7794, Rn. 4 (Bronner). 403 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7794, Rn. 4 (Bronner). 404 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7794, Rn. 1 (Bronner). 405 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7802, Rn. 33 (Bronner). 406 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7802 ff. (Bronner). 407 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7803, Rn. 35 (Bronner). 408 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7803, Rn. 35 (Bronner). 409 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7803 f, Rn. 35 ff. (Bronner).

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Verknüpfung voneinander unabhängiger Waren und Dienstleistungen ausschaltet. Offenbar [könne] jedoch ein Missbrauch bei der Verweigerung einer Lizenzerteilung auch schon dann vorliegen, wenn hierdurch verhindert wird, dass ein neues Erzeugnis auf einem benachbarten Markt zu dem dort vermarkteten eigenen Erzeugnis des beherrschenden Unternehmens in Konkurrenz tritt“410. Im Anschluss an diese Ausführungen wies Jacobs auf eine Reihe von Kommissionsentscheidungen hin, in welchen die Kommission Lieferverweigerungen an den Art. 81 und 82 EG (jetzt Art. 101 und 102 AEUV) gemessen habe411. In diesem Zusammenhang erwähnte er insbesondere auch die Entscheidungen London European und Aer Lingus412. Nach einem kurzen Überblick über die Ursprünge der „essential facilities“-Doktrin im Recht der Vereinigten Staaten ging er sodann detailliert auf die Hafenentscheidungen der Kommission ein und legte die Voraussetzungen dar, nach welchen ein marktbeherrschendes Unternehmen der Kommission zufolge verpflichtet sei, einem Konkurrenten Zugang zu seinen Anlagen zu gewähren413. Jacobs folgerte, „dass es nach Ansicht der Kommission allein schon einen Missbrauch darstellen kann, wenn einem Wettbewerber der Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung verwehrt wird, auch wenn weitere Umstände […] nicht vorliegen“414. Zusammenfassend stellte er sodann fest, dass der Begriff der „essential facilities“ in der Kommissionspraxis „eine wichtige Rolle“ spiele415. In einer abschließenden Stellungnahme betonte Generalanwalt Jacobs, dass er selbst eine Verpflichtung zur Zugangsgewährung wettbewerbspolitisch nur dann für gerechtfertigt halte, wenn das marktbeherrschende Unternehmen den verbundenen Markt fest im Griff halte416. Dies könne etwa dann der Fall sein, „wenn die Schaffung einer gleichartigen Einrichtung aufgrund physikalischer, geographischer oder rechtlicher Zwänge unmöglich, äußerst schwierig oder aus Gründen des Gemeinwohls höchst unerwünscht ist“417. Es reiche indes nicht aus, dass die von einem Unternehmen über eine Einrichtung ausgeübte Kontrolle diesem lediglich einen Wettbewerbsvorteil

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Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7806, Rn. 43 (Bronner). 411 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7806, Rn. 44 (Bronner). 412 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7806, Rn. 44 (Bronner). 413 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7808, Rn. 48 (Bronner). 414 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7809, Rn. 50 (Bronner). 415 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7810, Rn. 52 (Bronner). 416 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7813, Rn. 65 (Bronner). 417 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, I-7791, 7813, Rn. 65 (Bronner).

EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998,

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verschaffe418. Jacobs schloss zwar nicht aus, dass die Kosten für die Schaffung einer gleichartigen Einrichtung allein schon eine unüberwindbare Marktzutrittshürde darstellen könnten419. Seiner Ansicht nach sei jedoch ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass die Zugangsverweigerung nur dann einen Missbrauch darstelle, „wenn es nicht nur für das den Zugang verlangende Unternehmen, sondern auch für jedes andere Unternehmen äußerst schwierig ist, den Wettbewerb aufzunehmen“420. Hinsichtlich des Ausgangsrechtsstreits stellte Jacobs fest, dass es für Bronner durchaus andere Vertriebswege als die des Hauszustellungssystems gegeben hätte, auch wenn Bronner selbst nicht in der Lage gewesen sei, ein gleichwertiges Netz wie das von Mediaprint aufzubauen421. Im Ergebnis sah er in der Zugangsverweigerung daher kein missbräuchliches Verhalten. Trotz dieser ausführlichen Auseinandersetzung mit der „essential facilities“Doktrin durch den Generalanwalt und trotz der Tatsache, dass Bronner seinen Anspruch explizit auf die „essential facilities“-Doktrin gestützt hatte, ging der EuGH in seinem Urteil weder auf die Doktrin ein, noch erwähnte er den Begriff der „wesentlichen Einrichtungen“ überhaupt. Allerdings klang der Begriff in Bezug auf das Hauszustellungssystem insofern an, als der Gerichtshof dieses als einen „für den Verkauf seiner Zeitung als wesentlich angesehenen Vertriebsweg“ bezeichnete422. Hinsichtlich des Missbrauchstatbestandes nahm der EuGH zunächst Bezug auf die Urteile Commercial Solvents und Télémarketing, in denen er eine Zugangsverweigerung nur dann als missbräuchlich angesehen hatte, „wenn das betreffende Verhalten geeignet war, jeglichen Wettbewerb durch dieses Unternehmen auszuschalten“423. Sodann berief er sich auf das Magill-Urteil, in welchem er entschieden hatte, dass eine Lizenzverweigerung nur unter außergewöhnlichen Umständen missbräuchlich sein könne424. Im Urteil Magill habe er das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände darin gesehen, dass die streitgegenständliche Weigerung ein Erzeugnis betroffen habe, dessen Lieferung für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit unabdingbar war; dass diese Weigerung das Auftreten eines neuen Erzeugnisses, nach dem eine potentielle Nachfrage bestand, verhindert habe; dass die Weigerung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt gewesen sei und dass sie geeignet gewesen sei, 418 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7813, Rn. 65 (Bronner). 419 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7813, Rn. 66 (Bronner). 420 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7814, Rn. 66 (Bronner). 421 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7814, Rn. 67 (Bronner). 422 Bausch, Netznutzungsregeln mit Verweis auf EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7830, Rn. 37 (Bronner). 423 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7830, Rn. 38 (Bronner). 424 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743 ff. (Magill). Dazu oben Vierter Teil, C. II. 1. c).

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jeglichen Wettbewerb auf dem verbundenen Markt auszuschließen425. Unter ausdrücklicher Offenlassung der Frage, ob sich diese (für ein Immaterialgüterrecht entwickelten) Kriterien grundsätzlich auf beliebige Eigentumsrechte übertragen lassen426, prüfte der Gerichtshof die genannten Kriterien und gelangte zu dem Ergebnis, dass ein Missbrauch i.S.d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) nur dann vorläge, „wenn die Verweigerung der in der Hauszustellung liegenden Dienstleistung zum einen geeignet wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem Tageszeitungsmarkt durch denjenigen, der die Dienstleitung begehrt, auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen wäre, und zum anderen die Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich wäre, dass kein tatsächlicher oder potentieller Ersatz für das Hauszustellungssystem bestünde“427. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Vielmehr würden „für Tageszeitungen andere Vertriebswege, wie die Postzustellung oder Laden- oder Kioskverkauf bestehen […] und von den Verlegern dieser Tageszeitungen auch in Anspruch genommen“428. Darüber hinaus sei auch der Aufbau eines eigenen Vertriebssystems nicht ausgeschlossen, da keine technischen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Hindernisse ersichtlich seien, die einem Zeitungsverleger die Errichtung eines eigenen landesweiten Hauszustellungssystems erschweren würden429. Der EuGH hielt das Hauszustellungssystem demnach sowohl für substituierbar als auch für duplizierbar. Er folgte damit der Auffassung des Generalanwalts, der für die Unverzichtbarkeit der Einrichtung auf objektive Kriterien abgestellt hatte430. Im Ergebnis urteilte der EuGH, dass die Verweigerung des Zugangs zu dem Hauszustellungssystem durch Mediaprint nicht missbräuchlich war431. Wie schon im Fall Magill setzte sich der EuGH auch im vorliegenden Fall nicht mit der „essential facilities“-Doktrin auseinander, obwohl es durchaus Anlass dazu gegeben hätte. Der Fall kann dennoch als – zumindest stillschweigende – Billigung der Doktrin angesehen werden432, da der EuGH in diesem Urteil, ähnlich wie die Kommission, die Bejahung eines Missbrauchs davon abhängig machte, ob der Zugang zu dem Hauszustellungssystem für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers „unentbehrlich“ sei433. Im Gegensatz zur Kommission konkretisierte der EuGH dieses Erfordernis sogar noch dahingehend, dass kein „tatsächlicher oder potentieller Ersatz“ für das Hauszustellungssystem vorhanden sein dürfe434. 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434

EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7830, Rn. 40 (Bronner). Jacobi, Third-Party-Access, S. 108. EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 41 (Bronner). EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 43 (Bronner). EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 44 (Bronner). Jacobi, Third-Party-Access, S. 109. EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7832, Rn. 47 (Bronner). Ehle, EuZW 1999, S. 89, 89. EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7832, Rn. 41 (Bronner). Staab, Offener Netzzugang, S. 41.

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Vor diesem Hintergrund ist der Bronner-Fall eindeutig als Anwendungsfall der „essential facilities“-Doktrin anzusehen. Teilweise wurde das Urteil darüber hinaus auch als Mahnung an die Kommission und an zugangsbegehrende Unternehmen ausgelegt, die engen Voraussetzungen der Doktrin nicht außer Acht zu lassen435. So sei der Wert des Urteils darin zu sehen, zur Klarstellung des Ausnahmecharakters der „essential facilities“-Doktrin beigetragen zu haben, und überzogenen Erwartungen an die Wirkungen der Doktrin entgegenzuwirken436. e) IMS Health Zum vorerst letzten Mal beschäftigte sich der EuGH im Jahr 2004 mit der „essential facilities“-Doktrin. In dem mit Spannung erwarteten Urteil in der Rechtssache IMS Health437 wurde erneut die Problematik geistiger Eigentumsrechte eines marktbeherrschenden Unternehmens behandelt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: das Unternehmen IMS Health GmbH & Co. OHG (IMS) erstellte zum Zeitpunkt des Verfahrens nach Bausteinstrukturen formatierte Berichte über den regionalen Absatz von Arzneimitteln in Deutschland438. Seit dem Jahr 2000 erstellte IMS seine Berichte auf der Grundlage einer Struktur mit 1860 Bausteinen, wobei jeder Baustein einem bestimmten, geographisch abgegrenzten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entsprach439. Die Bausteine wurden unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien, wie z. B. Verwaltungs- oder Postleitzahlenbezirken festgelegt440. Die Bausteinstrukturen verkaufte IMS an Pharmaunternehmen, verteilte sie aber auch unentgeltlich an Apotheken und Arztpraxen441. Die betreffenden Strukturen wurden so zu einem gebräuchlichen Standard442. Das von einem ehemaligen Geschäftsführer der IMS gegründete Konkurrenzunternehmen NDC Health GmbH & Co. KG (NDC) verwendete zunächst eine Bausteinstruktur, die der von IMS verwendeten Struktur sehr ähnlich war443. IMS sah darin einen Verstoß gegen sein Urheberrecht und ersuchte Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten. Diese sprachen dem Unternehmen einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch zu444. NDC beantragte daraufhin bei IMS die Erteilung einer Lizenz für die Verwendung der 1860er-Bausteinstruktur. IMS verweigerte jedoch die Erteilung der begehrten Lizenz. NDC legte daher bei der Kommission Beschwerde ein und machte 435

Lampert, NJW 1999, S. 2235, 2236. Lampert, NJW 1999, S. 2235, 2236. 437 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039 ff. (IMS Health). 438 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5072, Rn. 4 (IMS Health). 439 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5072, Rn. 4 (IMS Health). 440 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5072, Rn. 4 (IMS Health). 441 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5072, Rn. 6 (IMS Health). 442 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5072, Rn. 6 (IMS Health). 443 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5073, Rn. 7 (IMS Health). 444 OLG Frankfurt, Urteil v. 19. 06. 2001, Az. 11 U 66/2000, redaktioneller Leitsatz und Gründe veröffentlicht in: MMR 2002, S. 687. 436

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geltend, auf dem deutschen Markt sei die Erstellung regionaler Absatzberichte ohne eine solche Lizenz nicht möglich. Die Kommission gab NDC Recht und verpflichtete IMS im Wege einer einstweiligen Anordnung, allen Unternehmen, die im deutschen Markt für regionale Absatzdienste tätig sind, auf Antrag eine Lizenz zur Verwendung der 1860er-Bausteine-Struktur zu erteilen445. Die Kommission begründete die Maßnahme mit dem Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ und berief sich dabei u. a. auf die Urteile Magill, Tiercé Ladbroke und Bronner446. IMS beantragte daraufhin beim EuG die Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung und darüber hinaus den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die Aussetzung des Vollzugs der Kommissionsentscheidung. Letzterem gab der Präsident des EuG mit zwei Beschlüssen statt447. Dagegen legte wiederum NDC, unterstützt von der Kommission, Rechtsmittel beim Präsidenten des EuGH ein. Der Präsident des EuGH bestätigte jedoch den Beschluss des Präsidenten des EuG, der die einstweilige Anordnung der Kommission vorläufig ausgesetzt hatte, und wies den Antrag von NDC zurück448. Im Jahr 2005 erklärte das EuG das Hauptsacheverfahren schließlich durch Beschluss für erledigt449. Unterdessen war vor den deutschen Gerichten jedoch weiter um Unterlassung gestritten worden. In diesem Zusammenhang hatte schließlich das Landgericht Frankfurt darüber zu befinden, ob die Verweigerung einer Lizenz einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt. Es setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH u. a. die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob es „ein missbräuchliches Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens darstellt, den Abschluss eines Lizenzvertrages über die Nutzung einer urheberrechtlich geschützten Datenbank mit einem Unternehmen zu verweigern, das Zutritt zu demselben räumlichen und sachlichen Markt haben möchte, wenn die Teilnehmer der Marktgegenseite, also die potentiellen Nachfrager, jedes Produkt, das von der urheberrechtlich geschützten Datenbank keinen Gebrauch macht, ablehnen, weil sie sich auf die Verwendung von Produkten auf der Basis der urheberrechtlich geschützten Datenbank eingestellt haben“450. Zur Beantwortung dieser Frage griff der Gerichtshof erneut auf seine Magill-Rechtsprechung zurück und stellte – nach kurzer Bestätigung der Tatsache, dass die Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung begründe – erneut klar, dass die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber nur „unter außergewöhnlichen Umständen“ ein missbräuchliches Verhalten darstellen könne451. Unter Wiederholung der in dem 445

Komm. E. v. 03. 07. 2001, ABl. EG 2002 Nr. L 59/18 (IMS Health). Komm. E. v. 03. 07. 2001, ABl. EG 2002 Nr. L 59/18, Rn. 63 ff. (IMS Health). 447 Zunächst mit vorläufigem Beschluss vom 10. 08. 2001, Rs. T-184/01 R, Slg. 2001, II-2349 (IMS Health); schließlich mit endgültigem Beschluss vom 26. 10. 2001, Rs. T-184/01 R, Slg. 2001, II-3193. 448 EuGH v. 11. 04. 2002, Rs. C-481/01 P (R), Slg. 2002, I-3401 (IMS Health). 449 EuG v. 10. 03. 2005, Rs. T-184/01, ABl. EG 2005, Nr. C 155/20 (IMS Health). 450 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5075, Rn. 17 (IMS Health). 451 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5081, Rn. 34 f. (IMS Health). 446

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

215

Magill-Urteil aufgestellten drei Grundsätze befand das Gericht, dass „ein Unternehmen, das über ein Recht des geistigen Eigentums verfügt und den Zugang zu Erzeugnissen oder Dienstleistungen verweigert, die für eine bestimmte Tätigkeit unerlässlich sind, bereits dann missbräuchlich [handelt], wenn drei Bedingungen kumulativ erfüllt sind: Die Weigerung muss das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindern, nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht, sie darf nicht gerechtfertigt sein, und sie muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen“452. Hinsichtlich der erstgenannten Bedingung, dem Auftreten eines neuen Erzeugnisses, stellte der EuGH fest, dass die Weigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, Zugang zu einem durch ein geistiges Eigentumsrecht geschützten Erzeugnis zu gewähren, nur dann als missbräuchlich anzusehen sei, „wenn sich das Unternehmen, das um die Lizenz ersucht hat, nicht im Wesentlichen darauf beschränken will, Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten, die vom Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums bereits auf dem abgeleiteten Markt angeboten werden, sondern beabsichtigt, neue Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten, die der Inhaber nicht anbietet und für die eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht“453. Die Bedingung beruhe schließlich auf der Annahme, dass bei einer Abwägung zwischen dem Interesse am Schutz des Rechts eines geistigen Eigentums und der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit seines Inhabers auf der einen Seite und dem Interesse am Schutz des freien Wettbewerbs auf der anderen Seite, das zuletzt genannte Interesse nur dann überwiegen könne, wenn die Verweigerung der Lizenz die Entwicklung des Marktes zum Nachteil der Verbraucher verhindere454. Der EuGH versuchte damit, dem Problem der faktischen Entwertung von Immaterialgüterrechten entgegenzuwirken455. Hinsichtlich der dritten Bedingung, dass durch die Weigerung jeglicher Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt ausgeschlossen werden müsse, sei entscheidend, „dass zwei Produktionsstufen unterschieden werden können, die dadurch miteinander verbunden sind, dass das vorgelagerte Erzeugnis ein für die Lieferung des nachgelagerten Erzeugnisses unerlässliches Element ist“456. Für den hier vorliegenden Fall komme es also maßgeblich darauf an, „ob es sich bei der vorgelagerten 1860er Struktur um ein für die nachgelagerte Lieferung von Daten über den regionalen Absatz von Arzneimitteln in Deutschland unerlässliches Element handele“457. Dies zu prüfen sei grundsätzlich Sache des vorlegenden Gerichts458. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine geschützte Bausteinstruktur für die Vermarktung von 452 453 454 455 456 457 458

EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5082, EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5085, EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5085, von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 263. EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5084, EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5084, EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5085,

Rn. 38 (IMS Health). Rn. 49 (IMS Health). Rn. 48 (IMS Health). Rn. 45 (IMS Health). Rn. 46 (IMS Health). Rn. 50 (IMS Health).

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Berichten über regionale Absatzdaten unerlässlich sei, seien sowohl der Grad der Einbeziehung der Nutzer in die Entwicklung der Struktur als auch der Aufwand, den potenzielle Nutzer betreiben müssten, um auf einer alternativen Struktur beruhende Berichte beziehen zu können, zu berücksichtigen, wobei insbesondere die entstehenden Kosten zu beachten seien459. Damit wies der Gerichtshof indirekt auch auf die zeitliche Komponente hin, die bei der Beurteilung der „Wesentlichkeit“ bzw. „Unerlässlichkeit“ einer Einrichtung beachtet werden muss. Insbesondere bei der Frage nach der Duplizierbarkeit einer Einrichtung wird dieser zeitliche Horizont relevant460. Eine zuverlässige Prognose des Zeitraums, den ein potentieller Wettbewerber für die Duplizierung einer Einrichtung benötigt, scheint angesichts rasant fortschreitender technologischer Entwicklungen kaum möglich461. So schaffte es NDC schließlich auch ohne Verwendung der 1860er Bausteinstruktur, sich auf dem Markt zu etablieren462. Die Rechtssache IMS Health zeigt damit deutlich, wie schwierig Vorhersagen im Rahmen der Frage sind, ob die Voraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin vorliegen: eine Einrichtung, die heute noch als unduplizierbar gilt, kann morgen schon durch eine neue Technologie vollständig ersetzbar sein463. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der EuGH – wie schon in der Rechtssache Magill – bestrebt war, einer uferlosen Anwendung der Doktrin auf Immaterialgüterrechte entgegenzutreten. Dennoch kann die Entscheidung insgesamt als eine weitere, zumindest stillschweigende, Bestätigung der „essential facilities“-Doktrin durch den EuGH angesehen werden. f) Zwischenergebnis Der EuGH hat sich bis heute nicht ausdrücklich zur „essential facilities“-Doktrin bekannt. Die exemplarisch dargestellten Fälle haben jedoch gezeigt, dass der Gerichtshof die Doktrin auch nicht ausdrücklich abgelehnt hat, obwohl sich hierfür eine Vielzahl von Gelegenheiten geboten hätte. Insbesondere die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner hätten Anlass genug gegeben, der Doktrin eine endgültige Absage zu erteilen. Dies hat der EuGH jedoch nicht getan, sondern ist den Vorschlägen seines Generalanwalts überwiegend gefolgt. Auch stimmen die in den genannten Fällen vom EuGH aufgestellten Kriterien und die Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin inhaltlich weitestgehend überein. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden davon ausgegangen, dass der EuGH die „essential facilities“-Doktrin zumindest stillschweigend gebilligt hat. 459

EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5080, Rn. 30 (IMS Health). Ausführlich zum Zeithorizont der „Wesentlichkeit“ Tränkle, Die „essential facilities“Doktrin, S. 94 ff. 461 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 95. 462 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 266. 463 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 266. 460

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

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2. Spruchpraxis des EuG Wendet man sich nun der Spruchpraxis des EuG zu, so fällt ins Auge, dass das EuG – anders als der EuGH – die „essential facilities“-Doktrin bereits explizit erwähnt hat. Dies geschah im Rahmen der bereits erwähnten Rechtssache IMS Health464. Zwar wurde die Doktrin in den betreffenden Beschlüssen des Präsidenten lediglich erwähnt, um Vorträge der Parteien zu referieren, dennoch ist bemerkenswert, dass auf ihre Existenz überhaupt eingegangen wurde465. Das EuG hatte sich indes bereits in früheren Verfahren mit „essential facilities“-Konstellationen auseinanderzusetzen, in denen auch der Begriff der „wesentlichen Einrichtung“ ausdrückliche Verwendung fand. a) Tiercé Ladbroke In der Entscheidung Tiercé Ladbroke466 hatte das EuG eine Kommissionsentscheidung zu überprüfen, mit der eine wegen Verstoßes gegen Art. 81 und 82 EG (jetzt Art 101 und 102 AEUV) erhobene Beschwerde zurückgewiesen worden war. Die Klägerin Tiercé Ladbroke, eine Gesellschaft belgischen Rechts, deren Tätigkeit darin bestand, in Belgien Buchmacherwetten für im Ausland stattfindende Pferderennen anzunehmen, hatte beabsichtigt, von Pari mutuel urbain (PMU), dem wirtschaftlichen Interessenverband der führenden französischen Pferderennvereine, dessen Vermarktungsfirma Pari mutuel international (PMI) sowie einer deutschen Vermarktungsfirma die Übertragungsrechte an dem Bild- und Tonmaterial französischer Pferderennen zu erwerben467. Nachdem Tiercé Ladbroke vergeblich die Freigabe des Bild- und Tonmaterials gefordert hatte, wandte sie sich an die Kommission und kritisierte den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die Kommission hielt eine marktbeherrschende Stellung der Betroffenen jedoch nicht für gegeben. Sie wies die Beschwerde Tiercé Ladbrokes daher zurück und formulierte: „Auch wenn eine Marktbeherrschung existieren sollte, könnten nach Auffassung der Kommission die französischen Rennvereine frei darüber entscheiden, ob sie Dritten die Nutzung ihrer Rechte für die einzelnen Märkte einräumen. Bisher haben es die Rennvereine vorgezogen, die Bild- und Tonaufzeichnungen ihrer Pferderennen nicht auf den belgischen Markt zu übertragen“468. Tiercé Ladbroke legte daraufhin Rechtsmittel zum EuG ein. Die Klage blieb jedoch ohne Erfolg469. 464 Beschluss des Präsidenten des EuG vom 26. 10. 2001, Rs. T-184/01 R, Slg. 2001, II-3193, Rn. 79 (IMS Health). 465 Käller, Die Verweigerung, S. 177. 466 EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923 ff. (Tiercé Ladbroke). 467 EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, 930, Rn. 2 ff. (Tiercé Ladbroke). 468 Kommission, XXIII. Wettbewerbsbericht 1993, S. 487. 469 Die Kommissionsentscheidung wurde allerdings insoweit für nichtig erklärt, als die Kommission nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft hatte; EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, 978, Rn. 160 (Tiercé Ladbroke).

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Wie schon zuvor die Kommission, sah auch das EuG in dem betreffenden Verhalten keinen Verstoß gegen Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV)470. Zwar ließ das Gericht die Frage der marktbeherrschenden Stellung offen, stellte jedoch ausdrücklich klar, dass ein missbräuchliches Verhalten nicht vorliege. Die Klägerin gehe bereits von einer falschen geographischen Marktabgrenzung aus. Der räumlich relevante Markt umfasse nämlich nicht – wie von der Klägerin angenommen – Frankreich, Deutschland und Belgien, sondern sei auf den nationalen belgischen Markt beschränkt471. Eine Wettbewerbsbeschränkung auf diesem Markt schloss das EuG aus. Die streitige Weigerung sei nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung anzusehen, „da die Rennvereine auf dem getrennten geographischen Markt, auf dem die Klägerin tätig ist, weder selbst präsent sind noch einem anderen Wirtschaftsteilnehmer eine Lizenz erteilt haben“472. Auch könne Tiercé Ladbroke sich nicht auf das Urteil Magill berufen, um das Vorliegen eines Missbrauchs zu begründen473. Die streitige Weigerung könne nämlich nur dann unter das Verbot des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) fallen, „wenn sie ein Erzeugnis oder eine Dienstleistung, das oder die für die Ausübung der in Rede stehenden Tätigkeit in dem Sinne wesentlich wäre, dass es keinen tatsächlichen oder potentiellen Ersatz für es oder sie gäbe, oder aber ein neues Erzeugnis beträfe, dessen Erscheinen trotz einer potentiellen spezifischen, ständigen und regelmäßigen Nachfrage seitens der Kunden eingeschränkt würde“474. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zwar handele es sich bei der Fernsehübertragung der Pferderennen um eine „ergänzende und sogar ganz angebrachte Dienstleistung“, diese sei aber für die Ausübung der Haupttätigkeit der Buchmacher, nämlich der Annahme der Wetten, keinesfalls „unerlässlich“475. Im Ergebnis bestätigte das EuG damit die Magill-Rechtsprechung des EuGH. Wie zuvor der EuGH, ging das Gericht davon aus, dass Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) grundsätzlich ein angemessenes Instrument zur Marktöffnung darstellen kann. b) European Night Services In der Rechtssache European Night Services476 hatte das EuG über die Rechtmäßigkeit einer mit Auflagen versehene Freistellungsentscheidung der Kommission zu befinden. Zwar ging es hier nicht um einen Missbrauchsfall i.S.d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV), wie in den anderen hier exemplarisch dargestellten Fällen. Das EuG machte in seinen Entscheidungsgründen jedoch bemerkenswerte Ausführungen zum Vorliegen einer „wesentlichen Einrichtung“, so dass auf diese Entscheidung in 470

Käller, Die Verweigerung, S. 93. EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, 967, Rn. 123 (Tiercé Ladbroke). 472 EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, 969, Rn. 129 (Tiercé Ladbroke). 473 EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, 969, Rn. 130 (Tiercé Ladbroke). 474 EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, 969, Rn. 131 (Tiercé Ladbroke). 475 EuG v. 12. 06. 1997, Rs. T-504/93, Slg. 1997, II-923, 969, Rn. 132 (Tiercé Ladbroke). 476 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, II-3141 ff. (European Night Services). 471

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

219

der Diskussion um eine europäische „essential facilities“-Doktrin immer wieder verwiesen wird477. Mehrere britische Eisenbahnunternehmen hatten sich zu einem Gemeinschaftsunternehmen, der European Night Services Ltd. (ENS), zusammengeschlossen, um Nachtzugverbindungen für Reisende zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland durch den Kanaltunnel anzubieten478. Hierfür hatten die betreffenden Eisenbahnunternehmen Betriebsvereinbarungen geschlossen, in denen sie sich u. a. verpflichteten, der ENS Bahnleistungen wie z. B. Fahrplantrassen, Lokomotiven und Personal zur Verfügung zu stellen479. Dem Antrag auf Freistellung dieser Vereinbarungen entsprach die Kommission zwar im Grundsatz, versah die Freistellung jedoch mit der Auflage, dass die Eisenbahnunternehmen die genannten Bahnleistungen auch anderen Unternehmen zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen mussten480. Das vor dem EuG gegen diese Auflage angestrengte Rechtsmittel der Eisenbahnunternehmen hatte Erfolg. Das Gericht sah es schon nicht als erwiesen an, dass die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens den Wettbewerb i.S.v. Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) beschränke; eine Freistellung sei mithin gar nicht notwendig gewesen481. Jedenfalls habe die Kommission aber nicht hinreichend geprüft, ob die angefochtene Auflage für die Erteilung einer Freistellung gem. Art. 81 III EG (jetzt Art. 101 III AEUV) „unerlässlich“ sei482. Das Gericht verwies sodann auf die Rechtsprechung zu Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) in den Rechtssachen Magill und Tiercé Ladbroke, in denen geurteilt worden war, dass „ein Erzeugnis oder eine Dienstleistung nur dann als wesentlich oder unerlässlich angesehen werden [kann], wenn es keinen tatsächlichen oder potentiellen Ersatz dafür gibt“483. Dies sei nur dann der Fall, wenn ein Unternehmen sich „im Besitz von für den Zugang zum relevanten Markt ,unerlässlichen‘ oder ,wesentlichen‘ Infrastrukturen, Erzeugnissen oder Dienstleistungen befindet, wenn diese Infrastrukturen, Erzeugnisse oder Dienstleistungen nicht ,austauschbar‘ sind und wenn es wegen ihrer besonderen Eigenschaften und insbesondere der prohibitiven Kosten ihrer erneuten Bereitstellung und/oder der vernünftigerweise hierzu erforderlichen Zeit keine gangbaren Alternativen für die möglichen Konkurrenten […] gibt, die auf diese Weise vom 477

Bausch, Netznutzungsregeln, S. 128. EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3152, Rn. 9 (European Night Services). 479 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3153, Rn. 12 (European Night Services). 480 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3157, Rn. 27 (European Night Services). 481 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3223, Rn. 206 (European Night Services). 482 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3223, Rn. 206 (European Night Services). 483 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3223, Rn. 208 (European Night Services). 478

T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998,

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Markt ausgeschlossen würden“484. Hinsichtlich der Lokomotiven stellte das Gericht fest, dass diese nur dann als wesentliche oder notwendige Infrastrukturen anzusehen seien, „wenn sie dies für die Konkurrenten […] in dem Sinne sind, dass letztere ohne diese Lokomotiven weder auf den relevanten Markt vordringen noch weiterhin auf diesem tätig sein könnten“485. Vorliegend seien die betreffenden Lokomotiven jedoch nicht in diesem Sinne wesentlich oder notwendig, da es jedem Konkurrenten freistünde, die erforderlichen Lokomotiven anderweitig zu erwerben oder anzumieten486. Auch die erteilte Auflage, Dritten das Personal für die Speziallokomotiven für die Durchfahrt durch den Kanaltunnel zu stellen, beruhe auf einer unzureichenden Begründung487. Schließlich sei die Auflage auch hinsichtlich der Fahrplantrassen nicht hinreichend begründet gewesen, da sich eine Verpflichtung der Eisenbahninfrastrukturbetreiber, Wettbewerbern der ENS einen diskriminierungsfreien Zugang zu ihrer Infrastruktur zu gewähren, bereits ausdrücklich aus dem Sekundärrecht ergäbe488. Im Ergebnis hielt das EuG die erteilte Auflage daher für nicht hinreichend begründet und erklärte die Freistellungsentscheidung der Kommission für nichtig489. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass das EuG bei der Überprüfung der Auflage ausdrücklich auf die „Unerlässlichkeit“ bzw. „Wesentlichkeit“ der Infrastruktur i.S.d. Magill-Rechtsprechung hinwies490. Dabei verliehen die Richter dem Begriff der „Unerlässlichkeit“ bzw. „Wesentlichkeit“ jedoch neue Konturen491. Während Magill lediglich den Fall betraf, dass ohne die Programminformationen in tatsächlicher Hinsicht keine Teilnahme an dem benachbarten Markt möglich war, wiesen die Richter hier auf eine gleichbedeutende wirtschaftliche Unmöglichkeit hin492. Insbesondere die „prohibitiven Kosten“493 könnten den Marktzutritt eines potentiellen Wettbewerbers verhindern494. Dieser Aspekt war bislang so ausdrücklich noch nicht berücksichtigt worden495. 484 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3224, Rn. 209 (European Night Services). 485 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3225, Rn. 212 (European Night Services). 486 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3226, Rn. 215 (European Night Services). 487 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3227, Rn. 218 (European Night Services). 488 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3228, Rn. 221 (European Night Services). 489 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3233, Rn. 236 (European Night Services). 490 Jacobi, Third-Party-Access, S. 157. 491 Jacobi, Third-Party-Access, S. 157. 492 Jacobi, Third-Party-Access, S. 158. 493 EuG v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-374/94, T-375/94, II-3141, 3224, Rn. 209 (European Night Services). 494 Jacobi, Third-Party-Access, S. 158. 495 Jacobi, Third-Party-Access, S. 158.

T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998,

T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998,

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

221

c) Aéroports de Paris In der Sache Aéroports de Paris496 ging es nicht grundsätzlich um den Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung, sondern um deren diskriminierungsfreie Nutzung497. Der Fall verdient vor allem deswegen Beachtung, weil das EuG in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich auf Flughafenanlagen als „wesentliche Betriebsmittel“ („essential facilities“) eingegangen ist498. Es ging hierbei um die Frage, ob Aéroports de Paris (ADP), die Betreiberin zweier Flughäfen in Paris, den auf diesen Flughäfen tätigen Bordverpflegungsdiensten für ihre Tätigkeiten unterschiedlich hohe Umsatzabgaben abverlangen durfte499. Es handelte sich mithin um den klassischen Fall einer Diskriminierung i.S.d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV)500. Da ADP in dem verbundenen Markt indes nicht selbst tätig war, stellte sich das für die „essential facilities“-Fälle ansonsten typische Problem der Monopolausdehnung nicht501. Dennoch sind die Ausführungen des EuG zu den „wesentlichen Einrichtungen“ beachtenswert. Das Gericht formulierte: „Die Anlagen der Pariser Flughäfen sind auch ein ,wesentliches Betriebsmittel‘ in dem Sinne, dass ihre Nutzung für die Erbringung verschiedener Dienstleistungen wie u. a. der Bodenabfertigungsdienste ,unerlässlich‘ ist“502. Das EuG erkannte die Flughafeneinrichtungen somit als wesentliche Einrichtungen an503. Darüber hinaus wies das Gericht einmal mehr auf die „Unerlässlichkeit“ einer Einrichtung für die Erbringung von Dienstleistungen auf einem verbundenen Markt hin. d) Zwischenergebnis Auch wenn das EuG in den genannten Urteilen zur Problematik der „essential facilities“-Doktrin nicht ausdrücklich Stellung bezogen hat, so scheint das Gericht dennoch der Entscheidungspraxis der Kommission zuzuneigen504. Zumindest entsprechen Terminologie und Prüfungsschritte der Vorgehensweise der Kommission505. Auch deutet die Tatsache, dass sich sowohl in dem Tiercé Ladbroke- als auch in dem European Night Services-Urteil Verweise auf das – als Bestätigung der Doktrin durch den EuGH angesehene – Magill-Urteil finden, auf eine bewusste Nähe des EuG zur „essential facilities“-Doktrin hin. In dem European Night Services-Urteil ist das Gericht sogar ausdrücklich auf „wesentliche Einrichtungen“ eingegangen und hat 496 497 498 499 500 501 502

Paris). 503 504 505

EuG v. 12. 12. 2000, Rs. T-128/98, Slg. 2000, II-3929 ff. (Aéroports de Paris). Bausch, Netznutzungsregeln, S. 129. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 129. EuG v. 12. 12. 2000, Rs. T-128/98, Slg. 2000, II-3929, 3940, Rn. 17 (Aéroports de Paris). Bausch, Netznutzungsregeln, S. 129. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 129. EuG v. 12. 12. 2000, Rs. T-128/98, Slg. 2000, II-3929, 3968, Rn. 122 (Aéroports de Bausch, Netznutzungsregeln, S. 130. So auch Jacobi, Third-Party-Access, S. 199; Schindler, Wettbewerb in Netzen, S. 58. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 130.

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

diese näher definiert. Dabei entsprach die vom EuG vorgenommene Definition ziemlich genau dem Verständnis einer „wesentlichen Einrichtung“ im Sinne der „essential facilities“-Doktrin506. Alles in allem hat die Analyse der Rechtsprechungspraxis daher das Bild einer zustimmenden Haltung des EuG der „essential facilities“-Doktrin gegenüber ergeben. 3. Zwischenergebnis Die europäischen Gerichte haben sich bis heute nicht ausdrücklich zur „essential facilities“-Doktrin bekannt. Sowohl der EuGH als auch das EuG scheinen jedoch davon auszugehen, dass im Rahmen von Art. 82 EG (Art. 102 AEUV) ein Kontrahierungszwang besteht, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen eine Einrichtung besitzt, die für die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auf dem nachgelagerten Markt wesentlich bzw. unerlässlich ist und das marktbeherrschende Unternehmen dem anderen Unternehmen den Zugang zu dieser „wesentlichen Einrichtung“ verweigert. Inhaltlich gleichen die von den Gerichten aufgestellten Anforderungen dabei den Tatbestandsmerkmalen der „essential facilities“-Doktrin.

III. Die „essential facilities“-Doktrin aus Sicht der Literatur In der europäischen Literatur ist um die Rezeption der aus dem amerikanischen Antitrustrecht stammenden „essential facilities“-Doktrin eine lebhafte Debatte entbrannt507. Neben Zustimmung508 hat der Gedanke einer Übernahme dieser Rechtsfigur in das europäische Wettbewerbsrecht dabei auch Ablehnung erfahren509. 1. Kritik an einer Übernahme in das europäische Wettbewerbsrecht Ein Teil der Autoren hat Sinn und Zweck einer eigenständigen Missbrauchsfallgruppe im Rahmen des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) schon im Grundsatz in Frage gestellt510. Nach Ansicht dieser Autoren hätten die zur Begründung der „essential facilities“-Doktrin herangezogenen Fälle auch ohne Rückgriff auf die Doktrin 506 507

S. 39 f. 508

Bausch, Netznutzungsregeln, S. 130. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 131 mit Verweis auf Schindler, Wettbewerb in Netzen,

Deselears, EuZW 1995, S. 563, 563; Markert, WuW 1995, S. 560, 561. Bunte, WuW 1997, S. 302, 302 ff.; Furse, ECLR 1995, S. 469, 469 ff.; Klaue, RdE 1996, S. 51, 51 ff.; Maltby, ECLR 1993, S. 223, 223; Overd/Bishop, ECLR 1998, S. 183, 183 ff.; Schnelle, EuZW 1994, S. 556, 557 f.; Subiotto, ECLR 1992, S. 234, 234. 510 Staab, Offener Netzzugang, S. 42. 509

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

223

allein nach Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) gelöst werden können511. Über den „traditionellen Anwendungsbereich“ des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) jedenfalls gingen sie nicht hinaus512. Vielmehr handele es sich um klassische Fälle einer Geschäfts- bzw. Lieferverweigerung, die auch mithilfe der Lehre von der Geschäftsverweigerung hätten gelöst werden können513. Nach dieser Lehre, die von der Kommission und dem EuGH bereits in den siebziger Jahren im Rahmen von Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) entwickelt worden ist, liegt ein Sonderfall der Diskriminierung vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen sich weigert, mit einem möglichen Abnehmer eine Geschäftsverbindung aufzunehmen, oder wenn es die Belieferung eines Kunden einstellt514. Eine solche Geschäfts- oder Lieferverweigerung ist nach der Lehre von der Geschäftsverweigerung jedoch dann nicht als Missbrauch zu qualifizieren, wenn sie durch besondere Umstände (wie z. B. das Verhalten des Kunden) sachlich gerechtfertigt wird und eine angemessene Reaktion auf diese Umstände darstellt515. Im Rahmen der Lehre von der Geschäftsverweigerung unterscheidet man also grundsätzlich zwischen den Fällen des Abbruchs einer bestehenden Geschäftsverbindung und den Fällen der Nichtaufnahme geschäftlicher Beziehungen, wobei an das Vorliegen eines Missbrauchs in beiden Gruppen unterschiedliche Anforderungen gestellt werden516. Gemein ist beiden Fällen, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Zugangspflicht begründen können. Die Kritiker der „essential facilities“-Doktrin halten die zur Begründung der Doktrin herangezogenen Fälle für derartige Geschäftsverweigerungsfälle. Angesichts der gleichen Rechtsfolge bestehe ein „durchgängiger rechtstatsächlicher Zusammenhang“ mit dem Tatbestand der Geschäftsverweigerung517. Auch wenn in den Entscheidungsgründen auf die „essential facilities“-Doktrin Bezug genommen worden sei, handele es sich nicht um eine Rechtsfortentwicklung518, sondern vielmehr um „alten Wein in neuen Schläuchen“519. Der „essential facilities“-Doktrin komme daher neben den klassischen Geschäftsverweigerungsfällen keine eigene Existenzberechtigung zu. Gegen eine Rezeption der „essential facilities“-Doktrin in das europäische Recht werden indes noch andere Argumente ins Feld geführt. So stehe zu bedenken, dass 511

Bunte, WuW 1997, S. 302, 310. Bunte, WuW 1997, S. 302, 311. 513 Alber, Neuere Entwicklungen, S. 23, 32 ff.; Bunte, WuW 1997, S. 302, 310; Doherty, CMLR 2001, S. 397, 435; Dreher, DB 1999, S. 833, 833; Eilmansberger, EWS 2003, S. 12, 15; Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 353; Furse, ECLR 1995, S. 469, 472; Jacobi, Third-PartyAccess, S. 201; Klaue, RdE 1996, S. 51, 55; Müller, EuZW 1998, S. 232, 237; Treacy, ECLR 1998, S. 501, 503. 514 Lenz/Borchardt-Grill, Art. 102, Rn. 36; Lenschow, Marktöffnung, S. 300. 515 Lenz/Borchardt-Grill, Art. 102, Rn. 36. 516 Käller, Die Verweigerung, S. 160 ff. 517 Mestmäcker, Festschrift Raisch, S. 441, 466. 518 Klaue, RdE 1996, S. 51, 55. 519 Alber, Neuere Entwicklungen, S. 22, 31. 512

224

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

selbst in der amerikanischen Kartellrechtspraxis Unklarheiten bei der Anwendung der „essential facilities“-Doktrin bestünden520. Vor allem aber fehle es an tatbestandlicher Präzision521. All dies würde eine Rezeption der Rechtsfigur von vornherein erschweren. Des Weiteren werden gegen eine Übernahme der Doktrin „rechtssystematische Bedenken“ vorgebracht522. Diese ergäben sich aus der Verschiedenheit des europäischen von dem amerikanischen Wettbewerbsrecht. Während das amerikanische Wettbewerbsrecht von einem Verbotsprinzip ausgehe, sei das europäische Kartellrecht als Missbrauchsaufsichtsrecht ausgestaltet523. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) und Sec. 2 Sherman Act würden sich daher grundlegend unterscheiden524. Sec. 2 Sherman Act wende sich – im Gegensatz zu Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) – nicht nur gegen das Ausnutzen einer mit welchen Maßnahmen auch immer erlangten Machtstellung, sondern bereits gegen deren Erwerb525. Durch die Anwendung der „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht würden diese unterschiedlichen kartellrechtlichen Regelungsregime aber „ohne Not übertüncht“526. Schließlich haben einige Autoren auch die durch eine Anwendung der Doktrin ausgelösten Rechtsfolgen in Frage gestellt, da diese „zu Einbrüchen bis hin zu Verkehrungen in das den Wettbewerb tragende System privatautonomer Vertragsgestaltung“ führen könnten527. Auch werde durch eine extensive Anwendung der Doktrin der Anreiz zur Schaffung neuer Innovationen verhindert528. Schließlich werde ein marktbeherrschendes Unternehmen durch die Pflicht zur Marktöffnung um die verdienten Früchte seiner Arbeit gebracht529. Teilweise wird sogar die Ansicht vertreten, dass die Verpflichtung des Eigentümers einer leistungsnotwendigen Einrichtung, Dritten den Zugang zu der betreffenden Einrichtung zu gestatten und damit Wettbewerb zu sich selbst zu eröffnen, einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Eigentum darstelle530. Schließlich dürfe auch das Schutzobjekt des Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) nicht aus den Augen verloren werden; Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) wolle nämlich den Wettbewerb als solchen, nicht jedoch die Interessen einzelner Marktteilnehmer schützen531. 520

Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 847. Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 842. 522 Klaue, RdE 1996, S. 51, 57. 523 Klaue, RdE 1996, S. 51, 57. 524 Beckmerhagen, Die essential facility Doktrin, S. 207; Furse, ECLR 1995, S. 469, 473; Jacobi, Third-Party-Access, S. 199; Koenig/Loetz, EWS 2000, S. 377, 379. 525 Markert, Festschrift Mestmäcker, S. 661, 662. 526 Bartl, Immaterialgüterrechtliche Marktzutrittsschranken, S. 131. 527 So z. B. Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 276. 528 Overd/Bishop, ECLR 1998, S. 183, 183; Ridyard, ECLR 1996, S. 438, 452; Schwarze, Netzzugang für Dritte, S. 11, 22; Temple Lang, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 245, 277. 529 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 565 mit Verweis auf Subiotto, ECLR 1992, S. 234, 244. 530 Schnelle, EuZW 1994, S. 556, 561. 531 Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 356. 521

C. Die „essential facilities“-Doktrin im europäischen Wettbewerbsrecht

225

2. Zustimmung zu einer Übernahme in das europäische Wettbewerbsrecht Viele Stimmen in der europäischen Literatur haben sich jedoch auch positiv hinsichtlich einer Rezeption der „essential facilities“-Doktrin geäußert. Zustimmung kam insbesondere auch von den Kartellbehörden532. Die Befürworter der „essential facilities“-Doktrin sehen die Vorteile einer Übernahme dieser Rechtsfigur darin, dass sich mit ihrer Hilfe monopolistische Marktstrukturen aufbrechen lassen533. Die Kommission habe die „essential facilities“-Doktrin im Zuge der allgemeinen Deregulierung bewusst in das europäische Wettbewerbsrecht eingeführt534. Auf diese Weise könnten zur Monopolbildung neigende Märkte dem Wettbewerb geöffnet werden. Dem Ziel, dass nicht jeglicher Wettbewerb ausgeschaltet werden darf, würde so auch in Monopolausdehnungsfällen zum Durchbruch verholfen535. Darüber hinaus wird die „essential facilities“-Doktrin in der Literatur auch wegen ihrer „klar abgestuften Prüfungsfolge“ und dem daraus resultierenden „Gewinn an Rechtsklarheit“ positiv bewertet536. Der teilweise vorgebrachten Kritik, bei den „essential facilities“-Fällen handele es sich der Sache nach um klassische Geschäftsverweigerungsfälle, wird entgegengehalten, dass die „essential facilities“Fälle einer erheblich schärferen Beurteilung unterlägen als andere Geschäftsverweigerungsfälle, so dass es durch die Doktrin zu einer Neubestimmung der Funktionen des europäischen Missbrauchsverbots komme537. Der herkömmlichen Lehre von der Geschäftsverweigerung zufolge bestehe eine Geschäftsabschlusspflicht nämlich bereits dann, wenn „das Unternehmen hinsichtlich der begehrten Leistung marktbeherrschend ist und das Geschäft ohne sachlichen Grund verweigert“538. Nach der „essential facilities“-Doktrin hingegen bestehe eine Geschäftsabschlusspflicht nur, wenn „der Wettbewerber die Einrichtung überhaupt nicht oder nur unter wirtschaftlich unzumutbaren Aufwendungen substituieren kann“539. Darüber hinaus würden sich die „essential facilities“-Fälle von den anderen Missbrauchsfällen auch dadurch unterscheiden, dass der Kapazitätsfrage als möglichem Rechtfertigungsgrund für die Verweigerung des Zugangs Dritter eine wesentlich stärkere Bedeutung zukäme540. Die Gefahr, dass durch die Anwendung der Doktrin ein marktbeherrschendes Unternehmen um die verdienten Früchte seiner Arbeit gebracht würde, 532

Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 275. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 133 mit Verweis auf Stollhoff, Der Ausschluss von Marktrisiken, S. 157. 534 Furse, ECLR 1995, S. 469, 472. 535 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 565. 536 Schwarze, Der Netzzugang für Dritte, S. 11, 18. 537 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 133 mit Verweis auf Stollhoff, Der Ausschluss von Marktrisiken, S. 119. 538 Beckmerhagen, Die essential facilities doctrine, S. 247. 539 Beckmerhagen, Die essential facilities doctrine, S. 247. 540 Markert, WuW 1995, S. 560, 565. 533

226

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

bestünde somit nicht, da diesem Gesichtspunkt bereits auf der Rechtfertigungsebene Rechnung getragen werde541.

D. Zusammenfassende Stellungnahme Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl hinsichtlich der Anwendbarkeit als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der „essential facilities“-Doktrin Unklarheiten herrschen. Dies gilt sowohl für Amerika, das Ursprungsland der Doktrin, als auch für Europa, wo eine Rezeption der Doktrin intensiv diskutiert wird, seit man im Rahmen der Deregulierung und Liberalisierung zahlreicher Wirtschaftssektoren zur Marktöffnung auf diese Rechtsfigur zurückgegriffen hat. Insbesondere bei den europäischen Institutionen ist keine einheitliche Linie hinsichtlich der Anwendbarkeit der „essential facilities“-Doktrin erkennbar. Während die Kommission die Doktrin als gesicherte Entscheidungsgrundlage vorauszusetzen scheint, haben sich die europäischen Gerichte bislang nicht eindeutig zu der Thematik geäußert. Vielmehr ließen sie einige Chancen, sich ausdrücklich mit der „essential facilities“-Doktrin auseinanderzusetzen, offenbar bewusst verstreichen. Zwar lösten die Richter entsprechende Fallgestaltungen im Ergebnis ähnlich, gingen in ihren Urteilsgründen jedoch nie explizit auf die Doktrin ein. Auch in der Literatur sind Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Doktrin stark umstritten. Verfechter und Gegner des „essential facilities“-Konzepts halten sich dabei in etwa die Waage. Insgesamt konnte lediglich festgestellt werden, dass beim Auftreten von Marktzugangsproblemen vielfach auf die Grundsätze der Doktrin oder ihr ähnelnde Entscheidungsgrundlagen zurückgegriffen worden ist. Angesichts all dieser Unklarheiten stellt sich die Frage, ob eine Anwendung der „essential facilities“-Doktrin im europäischen Recht überhaupt zu befürworten ist. Dies ist im Ergebnis zu bejahen. Ordnet man die „essential facilities“-Doktrin nämlich der Marktstrukturkontrolle zu, so bietet sie ein wirksames Instrument zur Öffnung monopolistisch strukturierter Märkte542. Die Doktrin betrifft dann Fälle, in denen es um die Schaffung von bislang nicht vorhandenem Wettbewerb geht543. Der Gesichtspunkt der missbräuchlichen Geschäftsverweigerung tritt dagegen in den Hintergrund544. Schon allein aus diesem Grund kommt der „essential facilities“Doktrin neben der Lehre von der Geschäftsverweigerung Bedeutung zu. Zwar ist der Gegenansicht insofern stattzugeben, als es sich bei den zugrunde liegenden Sachverhalten um vergleichbare Konstellationen handeln kann; die Fälle, in denen das marktbeherrschende Unternehmen hinsichtlich der begehrten Leistung noch keinen 541

Deselears, EuZW 1995, S. 563, 565. von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 236. 543 Capobianco, ELR 2001, S. 548, 561; Fleischer, RIW 2000, S. 22, 30; Glasl, ECLR 1994, 306, 311 ff.; von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 236. 544 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 236. 542

D. Zusammenfassende Stellungnahme

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Wettbewerb eröffnet hat, lassen sich mit der Lehre von der Geschäftsverweigerung indes nicht lösen545. Darüber hinaus unterscheiden sich beide Lehren auch in ihren Tatbestandsvoraussetzungen. So ist die „essential facilities“-Doktrin einerseits enger gefasst, da sie kumulativ Elemente der Lieferverweigerung, der Monopolausdehnung sowie einer bestimmten Marktstruktur voraussetzt, andererseits verzichtet sie aber – anders als die Lehre von der Geschäftsverweigerung – auf eine vertiefte Untersuchung des Verhaltens im konkreten Einzelfall546. Während die Lehre von der Geschäftsverweigerung nämlich über den Gedanken der Fairness und des Vertrauensschutzes die berechtigten Erwartungen langjähriger Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens zu schützen versucht, berücksichtigt die „essential facilities“-Doktrin die individuellen Verhältnisse des zugangsbegehrenden Wettbewerbers nicht547. Den Monopolisten treffen die erhöhten Rechtspflichten allein aufgrund der bestehenden Marktstruktur548. Zwar ist die Frage, ob und inwieweit einem marktbeherrschenden Unternehmen Verantwortung für die bestehende Marktstruktur auferlegt werden kann, nicht unumstritten549; gerade in Europa steht die Öffnung von Märkten jedoch im Vordergrund wettbewerbsrechtlicher Zielsetzungen550. Aus diesem Grund ist der Vorteil der „essential facilities“-Doktrin gegenüber der Lehre von der Geschäftsverweigerung vor allem in ihrer Konzentration auf die Marktstruktur zu sehen551. Darüber hinaus ist der Eingriff in die Rechte des marktbeherrschenden Unternehmens auch von der Intensität her ein anderer. Während bei der „essential facilities“Doktrin die so genannten „innerbetrieblichen Ressourcen“ betroffen sind, die primär der eigenen, inneren Geschäftstätigkeit dienen, wird bei den herkömmlichen Geschäfts- bzw. Lieferverweigerungsfällen das nach außen gerichtete Verhalten des beherrschenden Unternehmens im Rahmen seiner gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erfasst552. Ein Eingriff in die innerbetrieblichen Ressourcen eines Unternehmens wiegt jedoch ungleich schwerer als ein Eingriff in den äußeren Geschäftsbetrieb553. Bei den „essential facilities“-Fällen handelt es sich also keineswegs um klassische Geschäftsverweigerungsfälle. Die Anerkennung einer eigenständigen Missbrauchsfallgruppe erscheint daher wünschenswert.

545

Fleischer, RIW 2000, S. 22, 30. Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 77. 547 Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 76. 548 Mestmäcker, Festschrift Raisch, S. 441, 463. 549 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 170 ff. m.w.N. 550 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 236. 551 Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 77. 552 Fleischer, RIW 2000, S. 22, 30; Klaue, BB 1993, S. 740, 742; Schindler, Wettbewerb in Netzen, S. 79; Staab, Offener Netzzugang, S. 43 f. 553 Staab, Offener Netzzugang, S. 44. 546

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Schließlich sprechen auch Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für eine Rezeption der „essential facilities“-Doktrin554. Die Erkenntnis, dass sich mithilfe des Konzepts der „essential facilities“ monopolistisch beherrschte Märkte dem Wettbewerb öffnen lassen, hat nämlich bereits in zahlreichen europäischen Richtlinien ihren Niederschlag gefunden555. So enthalten beispielsweise die Richtlinien des Telekommunikations-, Eisenbahn- sowie Energiesektors Regelungen, nach denen einem Wettbewerber diskriminierungsfreier Zugang zu wesentlichen Einrichtungen zu gewähren ist556. Ähnliche Bestimmungen finden sich auch in der Richtlinie über die Bodenabfertigungsdienste auf den europäischen Flughäfen557. De facto stellt das Konzept der „essential facilities“ damit ein Prinzip des gesamten Unionsrechts dar558. Aus Gründen der Rechtsklarheit sollte dieses Prinzip auch auf primärrechtlicher Ebene abgesichert werden. Eine solche Absicherung lässt sich jedoch nur über eine Anerkennung der „essential facilities“-Doktrin erreichen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Existenz der Lehre von der Geschäftsverweigerung eine Rezeption der „essential facilities“-Doktrin keinesfalls überflüssig macht. Vielmehr bietet die Doktrin ein wirksames Instrument zur Öffnung monopolistisch geprägter Märkte.

554

Staab, Offener Netzzugang, S. 44. Staab, Offener Netzzugang, S. 44. 556 Vgl. Staab, Offener Netzzugang, S. 2 mit Verweis auf: Telekommunikationssektor: Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. 07. 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision/ONP), sog. „ONP-Richtlinie“, ABl. EG 1990 Nr. L 192/1, geändert durch die Richtlinie 97/51/EG, ABl. EG 1997 Nr. L 295/23; Richtlinie 92/ 44/EWG des Rates vom 05. 06. 1992 zur Einführung des offenen Netzzugangs bei Mietleitungen, ABl. EG 1992 Nr. L 165/27; Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 06. 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld, ABl. EG 1998 Nr. L 101/24. Eisenbahnsektor: Art. 10 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. 07. 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. EG 1991 Nr. L 237/25; Richtlinie 95/18/EG des Rates vom 19. 06. 1995 über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, ABl. EG 1995 Nr. L 143/70; Richtlinie 95/19/EG des Rates vom 19. 06. 1995 über die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten der Eisenbahn und die Berechnung von Wegeentgelten, ABl. EG 1995 Nr. L 143/75. Energiesektor: Art. 17 ff. der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 12. 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl. EG 1997 Nr. L 27/20; Art. 15 ff. der Richtlinie 98/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 06. 1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt, sog. Erdgasrichtlinie, ABl. EG 1998 Nr. L 201/1. 557 Art. 6, 7, 8 und 16 der Bodenabfertigungsdiensterichtlinie 96/67/EG, ABl. EG 1996, Nr. L 238/25. 558 Staab, Offener Netzzugang, S. 44. 555

E. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin

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E. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin Selbst unter den Befürwortern einer europäischen „essential facilities“-Doktrin herrscht hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale dieser Rechtsfigur allerdings Unklarheit. Je nach Blickwinkel werden die einzelnen Voraussetzungen unterschiedlich kategorisiert. Dies hat zur Folge, dass unterschiedliche Zahlen an Voraussetzungen existieren559. Als unstreitiger Bestand der „essential facilities“Doktrin wird im Folgenden von vier Voraussetzungen ausgegangen, bei deren kumulativem Vorliegen eine Pflicht zur Zugangsgewährung besteht, sofern die übrigen Voraussetzungen des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) erfüllt sind:

I. Wesentliche Einrichtung Zunächst muss eine „wesentliche Einrichtung“ vorliegen. 1. Einrichtung Der Begriff der „Einrichtung“ (teilweise wird in diesem Zusammenhang auch von „Ressource“ gesprochen560) wird von der Kommission und den europäischen Gerichten sehr weit ausgelegt561. Eine Einrichtung kann jedes Erzeugnis oder jede Dienstleistung, einschließlich der Gewährung des Zugangs zu einem Ort oder einem Verteilungssystem sein562. Sowohl Infrastruktureinrichtungen wie Häfen oder Flughäfen, als auch Netze wie z. B. das Telekommunikations-, Gas- oder Elektrizitätsnetz oder auch das Eisenbahnnetz werden vom Begriff der Einrichtung erfasst. Das äußere Erscheinungsbild ist nicht maßgeblich563. Daher zählen auch nichtkörperliche Netze, wie z. B. computergestützte Flugreservierungssysteme oder Netze für die Übermittlung von Zahlungsüberweisungen, zu den Einrichtungen i.S.d. „essential facilities“-Doktrin. Ob auch immaterialgüterrechtlich geschützte Positionen den Tatbestand der (wesentlichen) Einrichtung erfüllen, ist nicht abschließend

559

Für fünf Voraussetzungen: Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7807, Rn. 47 (Bronner). Für vier Voraussetzungen: Hohmann, Die essential facility doctrine, S. 25; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 55. Für drei Voraussetzungen: Scherer, MMR 1999, S. 315, 317. Für zwei Voraussetzungen: Fleischer/ Weyer, WuW 1999, S. 350, 357 f. 560 Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 354. 561 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 79. 562 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7809, Rn. 50 (Bronner). 563 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 79.

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

geklärt564. Die herrschende Meinung tendiert jedoch in diese Richtung565. Kerngruppe der (wesentlichen) Einrichtungen bilden indes die Infrastruktureinrichtungen und Netze566. 2. Wesentlichkeit Zentrales Tatbestandsmerkmal der „essential facilities“-Doktrin ist die „Wesentlichkeit“ einer Einrichtung. Eine allgemeingültige Definition dieses Merkmals existiert jedoch nicht. Der Kommission zufolge ist eine Einrichtung dann als „wesentlich“ einzustufen, wenn „ohne deren Nutzung ein Wettbewerber seinen Kunden keine Dienste anbieten kann“567. Der Wettbewerber muss also zwingend auf die Nutzung der Einrichtung angewiesen sein, um auf dem abgeleiteten Markt tätig werden zu können568. Teilweise wird daher auch von einer „leistungsnotwendigen“ Einrichtung gesprochen569. Der Begriff der Wesentlichkeit ist demnach eng auszulegen. Es genügt nicht, dass die Einrichtung für den Konkurrenten im Hinblick auf seine Tätigkeit auf dem nachgelagerten Markt lediglich nützlich ist. Keinesfalls soll nämlich das „Schmarotzen an einer fremden Leistung“ über die „essential facilities“-Doktrin geschützt werden570. Die Notwendigkeit eines derart eng gefassten Wesentlichkeitsbegriffs ergibt sich auch bereits aus der Zielsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts, den Wettbewerb umfassend vor Verfälschungen zu schützen571. Würde man eine Einrichtung eines marktbeherrschenden Unternehmens schon dann als wesentlich ansehen, wenn ihre Mitbenutzung für den (potentiellen) Konkurrenten lediglich vorteilhaft wäre, so würde dies zu einer Verfälschung des Wettbewerbs führen, da dann Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen könnten, die unter normalen Wettbewerbsbedingungen hierzu keine Chance hätten572. Auch würde Wettbewerbern auf diese Weise der Anreiz zu eigenen Investitionen genommen573. Vor diesem Hintergrund ist daher stets genau zu prüfen, ob die Einrichtung des Antragsgegners tatsächlich ein „echtes Nadelöhr“ darstellt574. 564 Es würde den Umfang dieser Arbeit übersteigen, diesen Streit umfassend darzustellen. An dieser Stelle sei daher lediglich auf die Existenz entsprechender Unstimmigkeiten hingewiesen. Vertieft dazu: Käller, Die Verweigerung; von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum. 565 Eilmansberger, EWS 2003, S. 12, 15; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 79. 566 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 60. 567 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 66 (Sealink II). 568 Montag, EuZW 1997, S. 71, 75. 569 Schnelle, EuZW 1994, S. 556, 557. 570 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 567. 571 Staab, Offener Netzzugang, S. 73. 572 Staab, Offener Netzzugang, S. 73. 573 Ehle, EuZW 1999, S. 89, 90; Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 356. 574 Eilmansberger, EWS 2003, S. 12, 14.

E. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin

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Der EuGH hat ähnliche Anforderungen aufgestellt. Ihm zufolge muss die Einrichtung für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers „unentbehrlich“575 bzw. „unerlässlich“576 sein. In seiner Bronner-Entscheidung, welcher nach Ansicht vieler Stimmen in der Literatur die Voraussetzungen einer europäischen „essential facilities“-Doktrin zu entnehmen sind, ist der EuGH näher auf das Kriterium der „Unentbehrlichkeit“ eingegangen. Er führte aus, dass die Einrichtung in dem Sinne „unentbehrlich“ sein muss, dass „kein tatsächlicher oder potentieller Ersatz“ für sie besteht577. Hierbei handelt es sich um zwei selbständige Komponenten578, die im Folgenden näher dargestellt werden sollen. a) Mangelnde Substituierbarkeit Der Gesichtspunkt des „fehlenden tatsächlichen Ersatzes“ betrifft dabei die Frage der Substituierbarkeit einer Einrichtung. Substituierbarkeit liegt vor, wenn für den potentiellen Wettbewerber alternative Möglichkeiten der Teilnahme am nachgelagerten Markt bestehen579. Kann sich ein Unternehmen bereits auf andere Weise mit der begehrten Ware oder Dienstleistung versorgen, besteht für einen Zugangsanspruch kein Bedürfnis580. Im Fall Bronner prüfte der EuGH dementsprechend das Bestehen alternativer Vertriebswege für Tageszeitungen581. Dabei erkannte er ausdrücklich an, dass diese für den Vertrieb bestimmter Tageszeitungen auch „weniger günstig“ seien dürften582. Der Zugang zu einer Einrichtung des Marktbeherrschers ist also nicht schon dann als unentbehrlich zu qualifizieren, wenn der Wettbewerber andernfalls über schlechtere Absatzmöglichkeiten und somit über eine ungünstigere wettbewerbliche Ausgangsposition verfügt583. Vielmehr sind bloße Wettbewerbsnachteile bei der Beurteilung der Substituierbarkeit grundsätzlich außer acht zu lassen584. Allein die Existenz alternativer Vertriebswege genügte dem EuGH daher im Fall Bronner, um einen Missbrauch i.S.v. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) auszuschließen585. Diese enge Auslegung ist auf den Ausnahmecharakter der Zu575 EuGH v. 06. 04. 1995, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, Slg. 1995, I-743, 824, Rn. 56 (Magill); EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 41 (Bronner). 576 EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-418/01, Slg. 2004, I-5039, 5082, Rn. 38 (IMS Health). 577 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 41 (Bronner). 578 Ehle, EuZW 1999, S. 89, 90; Eilmansberger, EWS 2003, S. 12, 14; Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 358. 579 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 82. 580 Temple Lang, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 245, 274. 581 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 43 (Bronner). 582 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 43 (Bronner). 583 Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 358. 584 Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 358. 585 Allerdings stützte der EuGH sein Urteil auch auf die Erwägung, dass die betreffende Einrichtung duplizierbar gewesen wäre, vgl. EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 44 (Bronner).

232

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

gangsverpflichtung im Rahmen der „essential facilities“-Doktrin zurückzuführen: an ein Zugangsrecht des Wettbewerbers zu den mit leistungskonformen Mitteln geschaffenen Einrichtungen des Marktbeherrschers sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen586. Können also bestehende Alternativen festgestellt werden, ist die Einrichtung als substituierbar zu anzusehen. b) Mangelnde Duplizierbarkeit Das Kriterium des „fehlenden potentiellen Ersatzes“ hingegen betrifft die mangelnde Duplizierbarkeit einer Einrichtung. Der Wettbewerber darf nicht in der Lage sein, eine entsprechende Einrichtung selbst zu errichten. Auf den Grund für die mangelnde Duplizierbarkeit kommt es dabei nicht an587. So kann eine Einrichtung sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht duplizierbar sein588. Tatsächliche Unmöglichkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einrichtung aus physikalischen oder geographischen Gründen nicht möglich ist589. Rechtliche Unmöglichkeit ist anzunehmen, wenn Hindernisse rechtlicher Art, wie beispielsweise Genehmigungserfordernisse, dem Bau einer entsprechenden Einrichtung entgegenstehen590. Wirtschaftliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Duplizierung für den potentiellen Wettbewerber wirtschaftlich unzumutbar ist591. Letztgenanntem Kriterium kommt im europäischen Wettbewerbsrecht die größte Bedeutung zu. So stellte die Kommission bereits in ihrer zweiten Hafenentscheidung fest, dass der Bau eines neuen Hafens „wirtschaftlich wie auch materiell keine realistische Alternative“ gewesen sei592. Der EuGH prüfte später in seiner BronnerEntscheidung, inwieweit wirtschaftliche Hindernisse den Zugang zum abgeleiteten Markt unzumutbar erschwerten593. Damit erkannte auch der Gerichtshof ausdrücklich an, dass absolute Unmöglichkeit für die Feststellung mangelnder Duplizierbarkeit nicht gegeben sein muss594. Für die Feststellung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit griff der EuGH auf den Begriff der „Rentabilität“ zurück595. Er bediente sich damit eines wirtschaftswissenschaftlich geprägten Bewertungsmaßstabes, nämlich der Fähigkeit eines Unternehmens, seine Aufwendungen zumindest 586 Ehle, EuZW 1999, S. 89, 90; Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 358; Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 650; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 83. 587 Käller, Die Verweigerung, S. 184. 588 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 248. 589 von Westernhagen, Zugang zu geistigem Eigentum, S. 248. 590 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 88. 591 Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 359. 592 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 64 (Sealink II). 593 EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7831, Rn. 44 (Bronner). 594 Beckmerhagen, Die essential facilities doctrine, S. 264. 595 Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 360 mit Verweis auf EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7832, Rn. 45 (Bronner).

E. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin

233

langfristig durch entsprechende Erträge abzudecken596. Anlaufschwierigkeiten führen nach Ansicht des EuGH nicht zu wirtschaftlicher Unzumutbarkeit597. Für die Rentabilitätsbetrachtung gilt dem EuGH zufolge ein objektiver Maßstab598. Im Ergebnis ist damit auf die Wettbewerbsmöglichkeiten aktueller und potentieller Wettbewerber abzustellen und nicht auf die des Zugangspetenten599.

II. Zugangsverweigerung Die „essential facilities“-Doktrin setzt weiterhin voraus, dass der Inhaber der wesentlichen Einrichtung den Zugang zu dieser verweigert. Neben der ausdrücklichen Zugangsverweigerung erfüllen auch Verhaltensweisen, die sich als faktische Zugangsverweigerung darstellen, wie z. B. das unverhältnismäßig lange Herauszögern von Zugangsverhandlungen, diese Voraussetzung600. Darüber hinaus ist die Tatbestandsvoraussetzung der Zugangsverweigerung auch dann erfüllt, wenn das marktbeherrschende Unternehmen den Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung nur unter diskriminierenden Bedingungen gestattet601. Diese Gleichstellung erscheint sachgerecht, da eine Verweigerung des Zugangs und eine Gewährung des Zugangs unter diskriminierenden Bedingungen in der Regel faktisch zu demselben Ergebnis führen602. Wie auch bei der Lehre von der Geschäftsverweigerung kann bei der „essential facilities“-Doktrin zwischen der Zugangsverweigerung bei bereits bestehender Geschäftsverbindung, also dem Abbruch der Geschäftsbeziehung, und der Zugangsverweigerung vor Aufnahme einer Geschäftsverbindung, also der Nichtaufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung, unterschieden werden603. Dabei ist die Nichtaufnahme einer neuen Geschäftsverbindung grundsätzlich weniger streng zu beurteilen als der Abbruch einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung604. Für die „essential facilities“-Doktrin charakteristisch sind die Fälle, in denen es um die Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen in Form der Zugangsverweigerung zu einer wesentlichen Einrichtung geht605. Innerhalb dieser Gruppe kann wiederum zwischen zwei Grundkonstellationen unterschieden werden. Bei der einen hat der 596

Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 360. EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7832, Rn. 46 (Bronner) mit Verweis auf Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791, 7814, Rn. 68 (Bronner). 598 Ehle, EuZW 1999, S. 89, 90; Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 361. 599 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 91. 600 Staab, Offener Netzzugang, S. 70. 601 Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15/8, Rn. 66 (Sealink II). 602 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 566 f. 603 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 115. 604 Fleischer, RIW 2000, S. 22, 30. 605 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 116. 597

234

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Inhaber der wesentlichen Einrichtung den Zugang für Dritte bereits eröffnet, bei der anderen hat er sich die Nutzung der wesentlichen Einrichtung bisher selbst vorbehalten606. Beide Grundkonstellationen werden im Rahmen der „essential facilities“Doktrin gleich behandelt607.

III. Wettbewerbsbeeinträchtigung auf dem nachgelagerten Markt Durch die Zugangsverweigerung muss der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt beeinträchtigt werden. Die Anwendbarkeit der „essential facilities“-Doktrin findet ihre Grenze nämlich in dem Schutzzweck des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG), der Sicherstellung wirksamen Wettbewerbs608. Die Tatsache, dass der zugangsbegehrende Konkurrent durch die Zugangsverweigerung am Tätigwerden auf dem nachgelagerten Markt gehindert wird, reicht für sich gesehen als Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht aus. Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) dient nämlich dem Schutz des Wettbewerbs, nicht aber dem Schutz des einzelnen Wettbewerbers609. Die Zugangsverweigerung muss daher weitergehende Auswirkungen auf den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt zeitigen und diesen in irgendeiner Weise beeinträchtigen610. Fraglich ist jedoch, in welchem Maß der Wettbewerb beeinträchtigt werden muss. Grundsätzlich kann es nicht darauf ankommen, dass auf dem nachgelagerten Markt jeglicher Wettbewerb ausgeschaltet wird. Denn Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) dient der Sicherstellung wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs611. Wirksamer Wettbewerb kann jedoch auch bei bestehendem Restwettbewerb beeinträchtigt sein und muss dementsprechend geschützt werden612. Im Rahmen der „essential facilities“-Doktrin ist daher eine Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs auf dem nachgelagerten Markt zu fordern613. Der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung darf also den Zugang zu dieser Einrichtung nicht verweigern, wenn ein solcher Zugang im konkreten Fall erforderlich ist, um auf dem abgeleiteten Markt wirksamen Wettbewerb sicherzustellen614. Das Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsbeeinträchtigung ähnelt damit in gewisser Weise dem Kriterium der Wesentlichkeit einer Einrichtung. Beide Voraussetzungen unterscheiden sich vornehmlich in Bezug auf die 606 607 608 609 610 611 612 613 614

Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 116. Markert, WuW 1995, S. 560, 564. Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 566. Staab, Offener Netzzugang, S. 85. Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 565. Bausch, Netznutzungsregeln, S. 145. Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 566. Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 566.

E. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin

235

Perspektive: während letztere auf die Ausweichmöglichkeiten der Wettbewerber auf dem beherrschten Markt abstellt, bezieht sich erstere auf die Wettbewerbsverhältnisse auf dem abgeleiteten Markt615.

IV. Keine Rechtfertigung Schließlich darf die Zugangsverweigerung nicht durch einen objektiven Grund gerechtfertigt sein. Auf diese Weise wird es dem Einrichtungsinhaber ermöglicht, sein Verhalten mit von ihm verfolgten legitimen Geschäftsinteressen zu verteidigen, was letztlich auf den Ausnahmecharakter der Verpflichtung zur Zugangsgewährung zurückzuführen ist616. Welche Gründe zur Rechtfertigung herangezogen werden dürfen, ist zwar noch weitestgehend ungeklärt617, in der Literatur sind jedoch einige Grundsätze zur Rechtfertigung herausgearbeitet worden. Danach ist die Frage, ob und inwieweit der vorgebrachte Grund eine rechtfertigende Wirkung entfalten kann, auf dem Wege einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Abwägung zu ermitteln618. Die Rechtfertigungsgründe sind dabei aus dem Schutzzweck des europäischen Wettbewerbsrechts heraus zu bestimmen619. Je stärker der Wettbewerb durch die Zugangsverweigerung beeinträchtigt wird, desto gewichtiger müssen die Rechtfertigungsgründe hierfür sein620. Allein der Wunsch eines marktbeherrschenden Unternehmens, einen Wettbewerber nicht zu unterstützen oder wesentliche Marktanteilsverluste zu vermeiden, reicht als Rechtfertigung nicht aus621. Andererseits dürfen aufgrund des Ausnahmecharakters der Verpflichtung zur Zugangsgewährung an eine mögliche Rechtfertigung keine allzu strengen Maßstäbe angelegt werden. Bei der Abwägung ist daher stets zu berücksichtigen, dass dem Eigentümer der wesentlichen Einrichtung durch die Anwendung der „essential facilities“-Doktrin nicht ein angemessener Ausgleich für die mit der Schaffung und der Erhaltung der Einrichtung verbundenen Kosten genommen werden darf622. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob die wesentliche Einrichtung mit leistungskonformen Mitteln

615

Fleischer/Weyer, WuW 1999, S. 350, 358. Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 656. 617 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 567; Klimisch/Lange, WuW 1998, S. 15, 24; Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 656; Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. 618 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Klimisch/Lange, WuW 1998, S. 15, 24; Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 283; Montag, EuZW 1997, S. 71, 76; Müller, EuZW 1998, S. 232, 235; Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 129; Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 690. 619 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 145. 620 Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. 621 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568. 622 Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. 616

236

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

geschaffen wurde oder ob sie infolge staatlicher Regulierung entstanden ist bzw. ausgebaut wurde623. Einige Rechtfertigungsgründe sind indes allgemein anerkannt. So stellt insbesondere der Kapazitätsengpass einen von Literatur und Kommission ausdrücklich gebilligten Rechtfertigungsgrund dar624. Ist die Kapazität einer wesentlichen Einrichtung vollständig ausgelastet, so ist der Inhaber der Einrichtung berechtigt, Wettbewerbern den Zugang zu dieser zu verweigern. Denn auch ein marktbeherrschendes Unternehmen kann nicht dazu verpflichtet werden, zugunsten eines Dritten auf die Nutzung für eigene Zwecke zu verzichten625. Auch kann der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung nicht zu einer Investition in eine Kapazitätserweiterung gezwungen werden626. Auf den Rechtfertigungsgrund des Kapazitätsengpasses darf sich der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung jedoch nicht berufen, wenn die betreffende Kapazität ineffizient genutzt wird627. Es ist daher Aufgabe der Kartellbehörden und Gerichte, im Einzelfall genau zu überprüfen, ob die Einrichtung optimal ausgenutzt wird, wobei sie ihrer Beurteilung objektive und transparente Kriterien zugrunde zu legen haben628. In der Praxis stellt das Erreichen der Kapazitätsgrenze den weitaus bedeutsamsten Rechtfertigungsgrund dar629. Aber auch die Weigerung eines Zugangspetenten, für die Mitbenutzung der Einrichtung ein angemessenes Entgelt zu zahlen, stellt einen wichtigen Rechtfertigungsgrund dar630. Der Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Entgelts entspringt dabei dem Schutz des Eigentums, der sowohl in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten als auch auf europarechtlicher Ebene ausdrücklich anerkannt ist631. Bislang ungeklärt ist allerdings die Frage, was unter einem „angemessenen Entgelt“ zu verstehen ist. Für die Schaffung von Wettbewerb ist dieses Problem von immenser Bedeutung632. Würde dem Einrichtungsinhaber nämlich ein zu hohes Entgelt zugesprochen, so bliebe das wettbewerbliche Problem auf dem nachgelagerten Markt bestehen; würde man ihm hingegen ein zu geringes Entgelt gewähren, so käme die Zugangsgewährungspflicht einer enteignungsähnlichen Maßnahme gleich, was ne-

623

Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55/52, Rn. 15 (Rødby); Basedow, Dienstleistungsmonopole und Netzzugang, S. 121, 130; Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Klimisch/Lange, WuW 1998, S. 15, 24; Markert, WuW 1995, S. 560, 565; Montag, EuZW 1997, S. 71, 76; Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. 625 Markert, WuW 1995, S. 560, 565; Schwarze, Der Netzzugang für Dritte, S. 11, 20. 626 Temple Lang, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 245, 291. 627 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. 628 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 130. 629 Markert, WuW 1995, S. 560, 564. 630 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Montag, EuZW 1997, S. 71, 76. 631 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 69. 632 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 140. 624

E. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin

237

gative Auswirkungen auf den Kapazitätsausbau und die technische Entwicklung zur Folge hätte633. Zur Berechnung des Nutzungsentgelts existieren daher verschiedene Methoden, die sich teilweise stark voneinander unterscheiden634. Allgemein anerkannt ist lediglich, dass das eingegangene unternehmerische Risiko, die Investitions- und Unterhaltungskosten sowie die mit der Zugangsgewährung verbundenen Kosten bei der Entgeltfestsetzung zu berücksichtigen sind635. Darüber hinaus wird vielfach gefordert, dass man dem Einrichtungsinhaber gestatten müsse, mit dem Nutzungsentgelt einen über den Ausgleich der Errichtungs- und Unterhaltungskosten hinausgehenden angemessenen Gewinn zu erwirtschaften636. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, denn nur so kann man dem Ausnahmecharakter des Kontrahierungszwanges sowie dem damit verbundenen Eingriff in den grundsätzlichen Schutz des Eigentums gerecht werden. Weigert sich der Zugangspetent, ein derart angemessenes Nutzungsentgelt zu zahlen, so darf der Einrichtungsinhaber den Zugang verweigern, ohne missbräuchlich zu handeln. Sein Verhalten ist gerechtfertigt. Weitere anerkannte Rechtfertigungsgründe stellen die Betriebssicherheit, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Einrichtung, der Verbraucherschutz sowie die Gefahrenabwehr dar637. Auch können solche Wettbewerber abgelehnt werden, welche die für eine sachgerechte Nutzung der Einrichtung notwendigen fachlichen, technischen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, insbesondere wenn deren Kreditwürdigkeit nicht gegeben ist638. Schließlich kommt eine Rechtfertigung aufgrund der Ausnahmevorschrift des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) in Betracht, wenn es sich bei dem Inhaber der wesentlichen Einrichtung um ein Unternehmen handelt, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist639. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Zugangsverweigerung erforderlich ist, um dem Unternehmen die Erfüllung der ihm übertragenen besonderen Aufgaben zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen zu ermöglichen640. 633

Klimisch/Lange, WuW 1998, S. 15, 24. Es würde den Umfang dieser Arbeit übersteigen, näher auf die zahlreichen Lösungsansätze einzugehen. Vgl. dazu aber Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 141. 635 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 657; Montag, EuZW 1997, S. 71, 76; Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge, EuGH v. 26. 11. 1998, Rs. C-7/ 97, Slg. 1998, I-7791, 7806, Rn. 64 (Bronner). 636 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 657; Montag, EuZW 1997, S. 71, 76. 637 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568. 638 Basedow, Dienstleistungsmonopole und Netzzugang, S. 121, 130; Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568. 639 Basedow, Dienstleistungsmonopole und Netzzugang, S. 121, 130; Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Montag, EuZW 1997, S. 71, 76; Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. 640 Deselaers, EuZW 1995, S. 563, 568; Montag, EuZW 1997, S. 71, 76; Müller, EuZW 1998, S. 232, 235. 634

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

Die Liste der hier exemplarisch dargestellten Rechtfertigungsgründe ist jedoch nicht abschließend. Letztlich bleibt die Frage nach der objektiven Rechtfertigung immer eine Frage des Einzelfalls, die es aufgrund des Ausnahmecharakters der Verpflichtung zur Zugangsgewährung sorgfältig zu prüfen gilt.

V. Rechtsfolge Sind alle Voraussetzungen der „essential facilities“-Doktrin erfüllt, wird die aus dem Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) folgende Unterlassungspflicht zu einer Zugangsgewährungspflicht641. Die Kartellbehörde kann den Marktbeherrscher nun mittels eines Kontrahierungszwanges dazu verpflichten, dem Nutzungsanwärter Zugang zu der betreffenden Einrichtung zu gewähren642. Da Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) unmittelbar anwendbar ist und somit auch Rechte gewährt, welche die nationalen Gerichte zu beachten haben, kann sich ein Wettbewerber, dem der Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung verweigert worden ist, auch in einem nationalen Rechtsstreit vor Gericht auf seine Rechte aus Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) berufen643. Wird der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung dazu verpflichtet, die Einrichtung einem Dritten zugänglich zu machen oder zur Nutzung zu überlassen, muss die konkrete Ausgestaltung des Zugangs zwischen dem Berechtigten und dem Nutzungsanwärter auf vertraglicher oder quasivertraglicher Grundlage geregelt werden644. Dies folgt schon allein daraus, dass der Zugangspetent dem Inhaber der wesentlichen Einrichtung für die Nutzung ein angemessenes Entgelt zu zahlen hat645. In der Praxis kommt der Ausgestaltung des Zugangs wesentliche Bedeutung zu. Denn nur wenn dem Dritten der Zugang zu angemessenen Bedingungen ermöglicht wird, kann dies den Wettbewerb fördern. Daher ist der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung grundsätzlich verpflichtet, den Zugang zu solchen Bedingungen zu gewähren, die nicht ungünstiger sind als für seine eigenen Dienste646. Diese Pflicht reicht indes nur so weit, wie es zur Sicherstellung wirksamen Wettbewerbs erforderlich ist647. Fraglich ist, ob das marktbeherrschende Unternehmen darüber hinaus weitere Verhaltenspflichten treffen. So wird teilweise die Ansicht vertreten, dass das marktbeherrschende Unternehmen über die reine Zugangsgewährungspflicht hinaus

641 642 643 644 645 646 647

Bausch, Netznutzungsregeln, S. 150. Stapper, Das essential facility Prinzip, S. 40. Dittmann, Öffnung von Märkten, S. 255 f. Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 280. Mailänder, Festschrift Schmidt, S. 271, 280. Komm. E. v. 21. 12. 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15, S. 8, 16, Rn. 66 (Sealink II). Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 122.

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor

239

auch zur Entflechtung seiner Geschäftsbereiche („unbundling“) verpflichtet sei648. Eine solche Pflicht lässt sich Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) indes nicht entnehmen, da es grundsätzlich Sache des marktbeherrschenden Unternehmens ist, seine interne Organisation so zu gestalten, dass die Wettbewerbsvorschriften eingehalten werden649. Eng verbunden mit der Frage nach der Entflechtungspflicht ist die Frage nach der Zulässigkeit von Quersubventionen in „essential facilities“-Konstellationen650. Eine solche Quersubventionierung bedeutet, dass das marktbeherrschende Unternehmen die auf dem nachgelagerten Markt angebotenen Dienstleistungen mit den aus der Bereitstellung der wesentlichen Einrichtung erzielten Einnahmen fördert651. Teilweise wird vertreten, dass eine derartige Quersubventionierung „notwendigerweise“ unzulässig sei652. Dies ist so pauschal jedoch nicht zutreffend. Entscheidend ist auch hier der Schutzzweck des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG). Von diesem werden Quersubventionen als interne Vorgänge nur dann erfasst, wenn sie konkrete Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur haben und faktisch zum Ausschluss von Wettbewerbern und damit zu einer Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs führen653. Ist dies nicht der Fall, kann eine Quersubventionierung durchaus zulässig sein. Im Ergebnis sind Reichweite und Grenzen der aus der „essential facilities“-Doktrin folgenden Verhaltenspflichten daher immer am Schutzzweck des Art. 102 AEUV (ex-Art. 102 EG) zu messen.

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor Nachdem im vorherigen Abschnitt festgestellt werden konnte, dass die aus dem amerikanischen Antitrustrecht stammende „essential facilities“-Doktrin grundsätzlich ein angemessenes Lösungsinstrument für Marktzugangsprobleme darstellt und geklärt worden ist, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung zur Zugangsgewährung verpflichtet werden kann, sollen die „essential facilities“-Grundsätze im Folgenden auf den Hafensektor übertragen werden, um festzustellen, ob auch dort ein marktbeherrschendes Unternehmen verpflichtet werden kann, seine Hafeninfrastruktureinrichtungen Wettbewerbern zur Verfügung zu stellen.

648 Europäische Kommission, The Essential Facilities Concept, S. 93, 102; Temple Lang, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 245, 294. 649 Deselaers, EuZW 1992, S. 563, 567. 650 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 124. 651 Deselaers, EuZW 1992, S. 563, 567. 652 Tränkle, Die „essential facilities“-Doktrin, S. 124 f. mit Verweis auf Temple Lang, Fordham Corp. Law Institute 1994, S. 245, 294. 653 Deselaers, EuZW 1992, S. 563, 567.

240

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

I. Grundsätzliche Anwendbarkeit im Hafensektor Wie die Hafenentscheidungen der Kommission gezeigt haben, lässt sich der Zugang zu einem Fährhafen mithilfe der „essential facilities“-Doktrin begründen. Auf diese Weise konnte in den Hafenentscheidungen der nachgelagerte Markt für Fährverkehr dem Wettbewerb geöffnet werden. Grundsätzlich steht damit fest, dass die „essential facilities“-Doktrin im Hafensektor Anwendung findet654. Ausgehend von dieser Erkenntnis soll im Folgenden untersucht werden, ob die „essential facilities“-Doktrin auch zur Öffnung des Marktes für Hafendienstleistungen herangezogen werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage ist erneut zwischen den technisch-nautischen und den ladungsbezogenen Hafendiensten zu differenzieren. Bei den technisch-nautischen Hafendiensten kann es sich, wie bereits gezeigt wurde, um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handeln. Da diese gem. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) von der Anwendung der Wettbewerbsregeln ausgenommen werden können, und Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) im Rahmen der „essential facilities“-Doktrin einen Rechtfertigungsgrund darstellt655, erscheint eine Marktöffnung mithilfe der „essential facilities“-Doktrin im Bereich der technisch-nautischen Hafendienstleistungen nicht praktikabel. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass in den europäischen Seehäfen nicht nur von den Terminalbetreibern unabhängige Unternehmen technisch-nautische Hafendienstleistungen anbieten, sondern dass in einigen Häfen die Terminalbetreiber selbst solche Dienste erbringen656. Vor allem die Dienstleistung des Festmachens wird in einigen europäischen Seehäfen von den ansässigen Terminalbetreibern selbst erbracht657. Da diese Terminalbetreiber ihre Macht auf dem Markt der ladungsbezogenen Dienstleistungen nutzen, um sie auf den benachbarten Markt der technischnautischen Dienste auszudehnen, könnte eine Anwendung der „essential facilities“Doktrin hier ausnahmsweise in Betracht kommen658. Im Grundsatz soll sich die nachfolgende Untersuchung jedoch auf den Markt für ladungsbezogene Hafendienstleistungen konzentrieren.

II. Tatbestandsvoraussetzungen Eine Marktöffnung im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienstleistungen setzt nach der „essential facilities“-Doktrin voraus, dass ein marktbeherrschendes Hafendienstleistungsunternehmen eine „wesentliche Einrichtung“ besitzt, die es Dritten nicht oder nur zu unzumutbaren Bedingungen zur Verfügung stellt, was eine

654 655 656 657 658

Van Hooydonk, Legal Aspects of Port Competition, S. 89, 129. Siehe oben, Vierter Teil, E. IV. Carbone/Munari, LMCLQ 1996, S. 67, 79. Ecorys, Evaluation Study, S. 26 f. Carbone/Munari, LMCLQ 1996, S. 67, 79.

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor

241

Wettbewerbsbeeinträchtigung zur Folge hat. Darüber hinaus darf kein sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Zugangsverweigerung vorliegen. 1. Wesentliche Einrichtung Erste und entscheidende Voraussetzung der „essential facilities“-Doktrin ist das Vorliegen einer „wesentlichen Einrichtung“. Für den hier zu untersuchenden Bereich der ladungsbezogenen Hafendienste könnte die zum Laden und Löschen der Schiffe benötigte Terminaleinrichtung eine derart wesentliche Einrichtung darstellen659. Dann müsste die Terminalanlage in dem Sinne wesentlich sein, dass das Tätigwerden auf einem nachgelagerten Markt ohne ihre Nutzung nicht möglich wäre. Da die in der Überlassung einer Einrichtung liegende Dienstleistung und die unter Nutzung dieser Einrichtung erbrachte Dienstleistung zwei getrennte Märkte konstituieren660, kommt als nachgelagerter Markt der Markt für Ladungsumschlag in Betracht661. Die Weigerung des die Terminaleinrichtung kontrollierenden Unternehmens, Konkurrenten die Anlage zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen, müsste also eine Marktzutrittsschranke für den nachgelagerten Markt für Ladungsumschlag darstellen. Aufgrund zunehmender Containerisierungsgrade ist ein Hafendienstleistungsunternehmen grundsätzlich auf die Benutzung von Terminalanlagen angewiesen, um auf dem nachgelagerten Markt für Ladungsumschlag tätig werden zu können. Allein mit Handkraft ist eine sachgerechte und vor allem zeitsparende Beladung der Schiffe heutzutage unmöglich. Erst das Vorhandensein von Umschlageinrichtungen ermöglicht es einem Terminal, überhaupt am Wettbewerb um Kunden, Umschlag und damit um Umsatz teilzunehmen662. Die Terminaleinrichtung ist damit zumindest als „leistungsnotwendig“ i.S.d. „essential facilities“-Doktrin zu qualifizieren. Darüber hinaus darf eine Einrichtung, um den Anforderungen der Doktrin zu genügen, jedoch weder substituierbar noch duplizierbar sein. a) Mangelnde Substituierbarkeit Substituierbar ist eine Einrichtung dann, wenn es für den Zugangspetenten alternative Möglichkeiten der Teilnahme am verbundenen Markt gibt663. Alternative Möglichkeiten der Teilnahme am Markt für Ladungsumschlag scheinen zunächst denkbar. Bestehen in einem einzigen Hafen nämlich mehrere alternativ zu nutzende Terminalanlagen, so könnte man annehmen, dass das zugangsbegehrende Umschlagunternehmen auf die Terminaleinrichtungen der anderen Betreiber ausweichen kann. Die Terminaleinrichtung wäre für den Petenten dann substituierbar. Dies 659 660 661 662 663

Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 600. Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 650. Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 600. ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 4. Siehe oben, Vierter Teil, E. I. 2. a).

242

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

ist in der Realität jedoch zumeist nicht der Fall. Zwar existieren in vielen europäischen Seehäfen – insbesondere in denen der Nordrange – mehrere Containerterminals, letztlich sind es jedoch nur einige wenige Unternehmen, die diese Terminals betreiben. Der Markt für Containerumschlag ist in Europa nämlich unter einer Handvoll multinationaler Hafenkonzerne aufgeteilt664. Diese Hafenunternehmen verfügen in Mittel- und Westeuropa mittlerweile über einen Marktanteil von rund 45 Prozent665. Oft betreibt ein Hafenkonzern daher mehrere Terminals in einem einzigen Hafen666. Auch sind die verschiedenen Containerterminals häufig durch wechselseitige Beteiligungen miteinander verflochten667. Dementsprechend konkurrieren in den einzelnen Häfen meist nur wenige Terminalbetreiber miteinander. Im Schnitt sind in den großen Seehäfen nicht mehr als drei Terminalbetreiber pro Hafen tätig668. Dies sind in der Regel ein marktbeherrschendes Hafenunternehmen und ein oder zwei kleinere Terminalbetreiber669. Diese vergleichbar kleine Zahl von Terminalbetreibern ist indes darauf angewiesen, selbst eine möglichst hohe Auslastung ihrer Umschlageinrichtungen zu erreichen. Denn nur wenn ein Terminalbetreiber seine Terminaleinrichtung optimal ausnutzt, ist er in der Lage, seine Leistungen und Preise so festzusetzen, dass er die Reedereien als Nachfrager seiner Umschlagleistungen dauerhaft an sich binden kann. Dazu ist es auch erforderlich, zu jeder vom Kunden gewünschten Zeit freie Kapazitäten bereitzuhalten670. Dementsprechend lassen die meisten Terminalbetreiber keine Nutzung ihrer Anlagen durch Konkurrenten zu. Die Substituierbarkeit der betreffenden Terminaleinrichtung muss dann trotz des Vorhandenseins mehrerer Terminaleinrichtungen in einem Hafen verneint werden. In den Mittelmeerhäfen stellt sich die Lage sogar noch drastischer dar. Aufgrund grundsätzlich kleinerer Umschlagmengen ist in diesen Häfen oftmals die Existenz nur eines Anbieters zu beobachten671. Wettbewerbliche Strukturen sucht man in nahezu sämtlichen Mittelmeerhäfen vergeblich672. In einem solchen Fall ist der Zugangspetent zwingend auf die Nutzung gerade dieser einen Terminaleinrichtung angewiesen. Sie ist für ihn nicht substituierbar.

664 Zu diesen in Europa (aber auch weltweit) dominierenden multinationalen Hafenkonzernen zählen z. B. DP World, Hutchison Port Holding (HPH), PSA, APM Terminals und Eurogate. Vgl. Heitmann, Schiff und Hafen 2000, S. 237, 237 ff. 665 Vgl. Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 48. 666 So ist bspw. HPH mit mindestens 50 Prozent an fünf Terminals in Europas größtem Seehafen Rotterdam beteiligt; vgl. ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 13. 667 ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 6. 668 Ecorys, Evaluation Study, S. 19 f. 669 Ecorys, Evaluation Study, S. 28. 670 ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 8; Ocean Shipping Consultants, The Proposed Directive, S. 9. 671 Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 53. 672 Migliorino, Il Diritto Marittimo 2001, S. 116, 121; Stemmler/Uhlig, Freier Marktzugang, S. 27.

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor

243

Aufgrund der räumlichen Nähe vieler europäischer Seehäfen zueinander könnte man jedoch vertreten, dass der Zugangspetent auf die Terminaleinrichtungen eines anderen Hafens ausweichen kann. So konkurrieren zumindest die Seehäfen der Nordrange in weiten Teilen um dasselbe Hinterland im Containerverkehr673. Entlang eines Küstenstreifens von nur rund 1.200 km ist der Wettbewerb der Seehafenunternehmen hier geprägt von einer Konzentration großer Universalhäfen sowie einer Reihe von kleineren Häfen, die auf Seegüterteilmärkte spezialisiert sind674. Jeder im Containerumschlag tätige Diensteanbieter muss sich gegen sämtliche Wettbewerber in dieser Hafenrange durchsetzen; dementsprechend bildet die gesamte Nordrange den relevanten Markt, in welchem ein im Containerumschlag tätiger Hafendienstleister bestehen muss675. In Nordwesteuropa ist es einem zugangsbegehrenden Umschlagunternehmen daher zumeist möglich und auch wirtschaftlich zumutbar, auf einen anderen Hafen der Nordrange auszuweichen. Die räumliche Nähe der einzelnen nordeuropäischen Hafenstandorte führt damit zu einer hohen Substitutionskonkurrenz676. Anders stellt sich die Lage jedoch dar, wenn ein Umschlagunternehmen Zugang zu der Terminaleinrichtung eines südeuropäischen Seehafens begehrt. Seeseitige und vor allem hinterlandseitige Erreichbarkeit, die den Ursprung allen Hafenwettbewerbs bilden677, sind hier teilweise so unterschiedlich ausgestaltet, dass von Substitutionskonkurrenz keine Rede sein kann. Aufgrund der räumlichen Distanz der einzelnen Hafenstandorte sowie des unterschiedlichen Hinterlandverkehrsaufkommens ist die Terminalanlage für den Zugangspetenten hier in der Regel nicht substituierbar. b) Mangelnde Duplizierbarkeit Weiterhin dürfte die Terminaleinrichtung nicht duplizierbar sein. Der Wettbewerber darf also nicht in der Lage sein, eine entsprechende Anlage selbst zu errichten678. Aufgrund der eingangs erwähnten hohen irreversiblen Kosten, die beim Bau einer Terminalfazilität anfallen679, wird er dazu auch regelmäßig nicht in der Lage sein. Zum einen ist der Bau von Hafenanlagen äußerst kostenintensiv. Nur wenige finanzstarke Umschlagunternehmen sind überhaupt in der Lage, derart hohe Summen zu investieren680. Zum anderen sind die getätigten Investitionen aufgrund mangelnder Drittverwertbarkeit im Falle eines Marktaustritts unwiderbringlich verloren. Die Terminaleinrichtung ist mit ihrer Errichtung auf die geplante Verwendung festgelegt. Diese weitestgehende Immobilität der Terminalanlagen führt dazu, dass die für ihre Errichtung getätigten Kosten als „sunk costs“ abgeschrieben 673 674 675 676 677 678 679 680

ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 12. Stemmler, Standortwettbewerb, S. 38. ISL mit Paschke/Pottschmidt, Folgenabschätzung, S. 22 f. Ninnemann, Seehafenwettbewerb, S. 53. Bösker, Verkehrs-Rundschau 2007, S. 22, 23; Sanmann, Die Seehäfen, S. 207, 220. Siehe oben, Vierter Teil, E. I. 2. b). Siehe oben, Erster Teil, A. I. 3. b). Sanders, Die ZEIT v. 19. 01. 2006, S. 2; ESPO, Annual Report 2006 – 2007, S. 37.

244

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

werden müssen681. Der Bau einer alternativen Terminalanlage erscheint mithin höchst unwirtschaftlich. Erforderlich ist im Rahmen der „essential facilities“-Doktrin aber nicht bloße „Unwirtschaftlichkeit“, sondern „wirtschaftliche Unzumutbarkeit“682. Die Frage, ob die Schaffung einer gleichartigen Einrichtung für den Wettbewerber wirtschaftlich zumutbar ist, beurteilt sich dabei anhand einer Rentabilitätsbetrachtung, für die ein objektiver Maßstab gilt683. Abzustellen ist auf die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Aufwendungen zumindest langfristig durch entsprechende Erträge abdecken zu können684. Im Hafensektor wird man dem zugangsbegehrenden Umschlagunternehmen eine solche Fähigkeit zumeist absprechen müssen. In dem Augenblick, in dem der Neukonkurrent nämlich beabsichtigt, in den Markt für Ladungsumschlag einzutreten, muss der alteingesessene Terminalbetreiber nur noch seine Restabschreibungen berücksichtigen. Der Marktneuling hingegen hat die vollen Anschaffungskosten anzusetzen. Dies versetzt den eingesessenen Terminalbetreiber in die Lage, seine Preisberechnungen nur noch auf die Deckung der variablen Kosten zu stützen, während der Neukonkurrent über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in der Lage sein wird, seine Aufwendungen durch entsprechende Erträge abzudecken. Der Bau einer gleichartigen Terminalanlage ist für ihn daher lange Zeit nicht rentabel. Auch ist der Bau von Hafenanlagen außerordentlich zeitintensiv. Während der Bauzeit ist der Marktneuling überhaupt nicht in der Lage, Erträge zu erwirtschaften. Die Errichtung einer entsprechenden Terminaleinrichtung ist ihm daher in aller Regel wirtschaftlich nicht zumutbar. Die Terminalanlage ist aus wirtschaftlichen Gründen nicht duplizierbar. Vor allem reichen aber oft die Kapazitäten eines Hafens für den Bau weiterer Terminalanlagen nicht aus. So ist vielerorts schlichtweg kein bebaubarer Grund mehr vorhanden685. Der Mangel an Landreserven behindert dann den Ausbau bestehender Hafenstandorte686. Die Terminaleinrichtung ist in einem solchen Fall aus tatsächlichen Gründen nicht duplizierbar. Schließlich können auch umweltrechtliche Gesichtspunkte dem Bau weiterer Terminalanlagen entgegenstehen. Seehäfen sind nämlich oftmals in der Nähe einzigartiger Naturschutzgebiete angesiedelt, deren Erhaltung die EU fördern will687. Bei einer Aufstockung der Kapazitäten eines Hafens durch Ausbau oder Neubau müssen daher stets die Umweltschutzrichtlinien der EU beachtet werden688. Dies gilt

681

Siehe oben, Erster Teil, A. I. 3. b). Siehe oben, Vierter Teil, E. I. 2. b). 683 Siehe oben, Vierter Teil, E. I. 2. b). 684 Siehe oben, Vierter Teil, E. I. 2. b). 685 Drewry Shipping Consultants, Globale Hafenengpässe, S. 6. 686 Drewry Shipping Consultants, Globale Hafenengpässe, S. 6. 687 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Eine gemeinsame Hafenpolitik“, C 168/58, Rn. 1.11. 688 Kommission, Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik, KOM (2007) endg., S. 5. 682

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor

245

insbesondere für die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie)689 und die Vogelschutzrichtlinie690, die Wasserrahmenrichtlinie691 sowie die Abfallrichtlinie692. Ist beispielsweise ein für den Bau weiterer Terminalanlagen prinzipiell geeignetes Grundstück als Schutzgebiet im Rahmen der FFH-Richtlinie ausgewiesen, so kommt ein Neubau von Hafenanlagen hier grundsätzlich nicht in Frage. Die Terminalanlage ist dann aus rechtlichen Gründen nicht duplizierbar. Im Ergebnis kann also eine Vielzahl von Gründen dazu führen, dass die Terminaleinrichtung für den Zugangspetenten nicht duplizierbar ist. c) Zwischenergebnis Die Terminaleinrichtungen der europäischen Seehäfen sind in der Regel als „wesentliche Einrichtungen“ i.S.d. „essential facilities“-Doktrin zu qualifizieren. Zwar ist es denjenigen Umschlagunternehmen, die in einem Hafen der Nordrange tätig werden möchten, aufgrund der räumlichen Nähe der einzelnen Seehäfen zueinander oftmals zumutbar, auf die Terminaleinrichtungen eines anderen Hafens dieser Hafenrange auszuweichen. In den Mittelmeerhäfen ist dies aufgrund mangelnder Substitutionskonkurrenz jedoch zumeist nicht der Fall. Insbesondere wenn an einem Hafenstandort nur ein einziger Terminalbetreiber existiert, ist seine Terminaleinrichtung als „wesentliche Einrichtung“ i.S.d. „essential facilities“-Doktrin anzusehen. 2. Zugangsverweigerung Das marktbeherrschende Unternehmen müsste den Zugang zu der Terminaleinrichtung verweigern oder nur unter Bedingungen gewähren, die ungünstiger sind als für die eigenen Dienste. In Europa werden die großen Umschlagterminals traditionell durch Unternehmen betrieben, die durch eine Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand gekennzeichnet sind693. Diese gewähren Dritten grundsätzlich keinen Zugang zu den Terminaleinrichtungen694. Insbesondere in Deutschland herrscht daher quasi ein Containerumschlagverbot für potentielle Umschlagdienstleister, da diese keinen Zugang zu den Terminaleinrichtungen erhalten695. Über diese eindeutigen Fälle der Zugangsverweigerung hinaus liegt ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) aber auch dann vor, wenn der Terminalbetreiber dem Zugangspetenten die Nutzung seiner Einrichtung nur zu unangemessen hohen Preisen gestattet.

689 690 691 692 693 694 695

RL 92/43/EWG. RL 79/409/EWG. RL 2000/60/EG. RL 99/31/EG. Hautau, ZVerkWiss 2002, S. 179, 190. Hautau, ZVerkWiss 2002, S. 179, 190. Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 598.

246

4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

3. Wettbewerbsbeeinträchtigung auf dem nachgelagerten Markt Nach den Grundsätzen der „essential facilities“-Doktrin muss die Zugangsverweigerung eine Wettbewerbsbeeinträchtigung auf dem nachgelagerten Markt zur Folge haben. Der Betreiber der Terminaleinrichtung darf den Zugang zu seiner Anlage also nicht verweigern, wenn ein solcher Zugang notwendig ist, um auf dem Markt für Ladungsumschlag wirksamen Wettbewerb sicherzustellen696. Auf dem nachgelagerten Markt für Ladungsumschlag kann wirksamer Wettbewerb nur sichergestellt werden, wenn zugangsbegehrende Umschlagsunternehmen Zugang zu den Terminalanlagen marktbeherrschender Terminalbetreiber erhalten. Die Verweigerung des Zugangs zu einer Terminalanlage oder die Zugangsgewährung zu unangemessen hohen Preisen wirken sich unstreitig wettbewerbsbeeinträchtigend auf den nachgelagerten Markt für Ladungsumschlag aus. 4. Keine Rechtfertigung Die Weigerung eines Terminalbetreibers, einem Nutzungsanwärter Zugang zu den eigenen, als „wesentlich“ zu qualifizierenden Hafenanlagen zu gewähren, stellt schließlich nur dann einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) dar, wenn keine objektiven Rechtfertigungsgründe hierfür vorliegen. a) Kapazitätsengpass Wie auch in anderen Wirtschaftszweigen stellt der Kapazitätsengpass im Hafensektor den weitaus bedeutendsten Rechtfertigungsgrund dar. Kann das die Anlage betreibende Unternehmen nämlich nachweisen, dass die Terminaleinrichtung bereits vollständig ausgelastet ist, so ist es nicht verpflichtet, anderen Umschlagunternehmen Zugang zu den eigenen Anlagen zu gewähren. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Terminalbetreiber seine Anlage ausschließlich selbst nutzt. Denn wie bereits gezeigt wurde, kann auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht dazu verpflichtet werden, zugunsten eines Dritten auf die Nutzung der Anlage für eigene Zwecke zu verzichten697. In Europa finden sich überlastete Hafenanlagen vor allem in den Beneluxländern, in Großbritannien und in den Mittelmeerhäfen698. So lag beispielsweise die Auslastung der Hafenanlagen von Dartfort in Großbritannien im Jahr 2003 bei 305,8 Prozent699. Angesichts der Steigerungsraten im Containerumschlag stellen sich die Zukunftsprognosen sogar noch drastischer dar. So wird für das Jahr 2015 in nordwesteuropäischen Häfen von einer Nachfrage nach Umschlagsleistungen in 696 697 698 699

Siehe oben, Vierter Teil, E. III. Siehe oben, Vierter Teil, E. IV. Drewry Shipping Consultants, Globale Hafenengpässe, S. 4. Drewry Shipping Consultants, Globale Hafenengpässe, S. 3.

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor

247

Höhe von rund 62. Mio. TEU ausgegangen, der dann jedoch nur noch eine Kapazität von ca. 51 Mio. TEU gegenübersteht700. Kapazitätsengpässe an den Terminalanlagen sind damit vorprogrammiert. In einem solchen Fall ist der Betreiber einer Terminalanlage berechtigt, dem Nutzungsanwärter den Zugang zu seiner Anlage zu verweigern. b) Gefahrenabwehr Neben dem Kapazitätsengpass kommt im Rahmen der „essential facilities“Doktrin auch der Gefahrenabwehr rechtfertigende Wirkung zu701. Im Bereich der Hafenanlagen ist hier in erster Linie an die Umsetzung des „Internationalen Codes für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen“ (ISPS-Code)702 zu denken. Dieses völkerrechtliche Übereinkommen wurde am 12. 12. 2002 (zusammen mit neuen Bestimmungen zum so genannten SOLAS-Abkommen703) von der Diplomatischen Konferenz der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) in London beschlossen und am 01. 07. 2004 in Kraft gesetzt704. Es zielt darauf ab, Schiffe und Hafenanlagen vor Terroranschlägen zu schützen und so die Angreifbarkeit des Seeverkehrs zu minimieren705. In Europa wurde der ISPS-Code durch die Verordnung Nr. 725/2004 verbindlich gemacht706. Ihre Bestimmungen traten am 01. 07. 2004 in Kraft. Darüber hinaus erließ die EU eine Richtlinie zur Verbesserung der Gefahrenabwehr in Häfen707, welche sich ebenfalls der Instrumente des ISPSCodes bedient708. Im Gegensatz zu der Verordnung Nr. 725/2004, welche lediglich die Schnittstelle Schiff/Hafen, also das eigentliche Terminal, betrifft, erfasst die Gefahrenabwehrrichtlinie auch den übrigen Hafenbereich und gewährleistet damit einen umfassenderen Antiterror-Schutz709. Beide Rechtsakte greifen jedoch auf die Regelungen des ISPS-Codes zurück, in dessen Zentrum die systematische Bewer-

700

Stemmler, Standortwettbewerb, S. 82. Siehe oben, Vierter Teil, E. IV. 702 International Ship and Port Facility Security Code. 703 Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), BGBl. 1979 II., S. 141. 704 Roolvink, Schiff und Hafen 2004, S. 13, 14. 705 Hintergrund sind die Terroranschläge vom 11. September 2001. Näher zur Entstehungsgeschichte des ISPS-Codes: Nöll, Gefahrenabwehr, S. 75, 75 sowie Roolvink, Schiff und Hafen 2004, S. 13, 13. 706 Verordnung (EG) Nr. 725/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 03. 2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen, ABl. EG 2004, L 129/33. Näher dazu Anyanova, The EC and Enhancing Ship and Port Facility Security, S. 101, 110 ff. 707 RL 2005/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen, ABl. EG L 310 vom 25. 11. 2005. 708 Rah, Gefahrenabwehr, S. 95, 98. 709 Verhoeven, Gefahrenabwehr, S. 67, 70. 701

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

tung der Risiken von Schiffen und Hafenanlagen steht, die Ziel oder Mittel terroristischer Angriffe sein können710. Der Code sieht hierfür drei Gefahrenstufen vor und enthält einen umfassenden Katalog von Gefahrenabwehrmaßnahmen711. Für die Betreiber von Terminalanlagen hat die Umsetzung des Codes gravierende Auswirkungen712. So muss für jede einzelne Hafenanlage eine Risikobewertung durchgeführt werden, in welche die Besonderheiten des Umschlags, der Lagerung von Waren, die geographische Lage der Anlage sowie weitere Faktoren einfließen713. Auf der Basis dieser Risikoanalyse erarbeitet die zuständige Behörde („designated authority“) sodann einen Bericht, der eine Beschreibung der einzelnen, bei der Risikobewertung entdeckten Schwachstellen sowie der zu treffenden Gegenmaßnahmen enthält714. Gleichzeitig muss jede Anlage einen speziell ausgebildeten „Beauftragten zur Gefahrenabwehr“ bestellen715. Dieser muss auf der Grundlage der von der Behörde erstellten Risikobewertung einen Gefahrenabwehrplan entwerfen und der Behörde zur Genehmigung vorlegen716. Wird der Plan genehmigt, obliegt es dem Betreiber der Anlage, darüber zu wachen, dass die vorgesehenen Gefahrenabwehrmaßnahmen umgesetzt werden717. Dabei ist die Intensität der Maßnahmen abhängig von der aktuellen Gefahrenstufe, welche von den einzelnen Hafenstaaten je nach Bedrohungslage spezifisch festgelegt wird718. Während Gefahrenstufe 1 den normalen Betriebszustand kennzeichnet, werden die Gefahrenstufen 2 und 3 erreicht, wenn Informationen über eine erhöhte bzw. ganz konkrete Gefahr vorliegen719. Der Code sieht dann strenge Zugangsbeschränkungen für die gesamte Terminalanlage vor. Wird die Gefahrenstufe 3 erreicht, müssen Lade- und Löscharbeiten sogar ganz eingestellt werden720. Spätestens beim Erreichen der Gefahrenstufe 3 ist der Betreiber einer Terminalanlage daher berechtigt, einem Nutzungsanwärter den Zugang zu der Terminaleinrichtung aus Gründen der Gefahrenabwehr zu verweigern. Bisweilen kann dies sogar bereits beim Erreichen der zweiten Gefahrenstufe der Fall sein. In jedem Fall ist der Terminalbetreiber aber berechtigt, sich auf den Rechtfertigungsgrund der Gefahren710

Looks, ISPS Code, S. 2. Lagoni, Hafenrecht 2006, S. 445, 457. 712 Weber spricht von der „bislang größten Umwälzung seit Beginn der Containerisierung“: Weber, Gefahrenabwehr, S. 81, 81. 713 Weber, Gefahrenabwehr, S. 81, 81 f. 714 Verordnung (EG) Nr. 725/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 03. 2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen, ABl. EG 2004, L 129/33, Rn. 15.7. 715 Weber, Gefahrenabwehr, S. 81, 82. 716 Weber, Gefahrenabwehr, S. 81, 82; Wichmann, Gefahrenabwehr, S. 89, 90; näher dazu: Klews, ISPS und Hamburger Hafensicherheitsgesetz, S. 45, 47. 717 Weber, Gefahrenabwehr, S. 81, 82. 718 Roolvink, Schiff und Hafen 2004, S. 13, 14. 719 Roolvink, Schiff und Hafen 2004, S. 13, 14. 720 Roolvink, Schiff und Hafen 2004, S. 13, 14. 711

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor

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abwehr zu berufen, wenn die Gefahr von dem Nutzungsanwärter selbst ausgeht. Liegen beispielsweise Informationen über einen terroristischen Hintergrund für das Zugangsbegehren vor, so kann bzw. muss der Terminalbetreiber dem Nutzungsanwärter den Zugang verweigern. c) Weitere Rechtfertigungsgründe Schließlich kann eine Zugangsverweigerung auch dann gerechtfertigt sein, wenn das zugangsbegehrende Umschlagunternehmen sich weigert, ein angemessenes Entgelt für die Nutzung der Terminaleinrichtung zu zahlen. In der Praxis ist dies allerdings eher unwahrscheinlich. Auch die theoretisch denkbare Möglichkeit, dass das zugangsbegehrende Umschlagunternehmen die für eine sachgerechte Nutzung der Terminaleinrichtung notwendigen fachlichen oder technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, erscheint in der Praxis eher unwahrscheinlich. Dem Rechtfertigungsgrund des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) kommt im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienstleistungen ebenfalls keine Bedeutung zu. Seit der EuGH in seinen Urteilen Merci721, GT-Link722 und Enirisorse723 nämlich ausdrücklich klargestellt hat, dass sich das Interesse an ladungsbezogenen Hafenarbeiten von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens nicht besonders unterscheidet, ist eindeutig geklärt, dass es sich bei ladungsbezogenen Hafendienstleistungen nicht um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt724. Ein marktbeherrschender Terminalbetreiber kann seine Zugangsverweigerung mithin nicht auf die Ausnahmevorschrift des Art. 106 II AEUV (exArt. 86 II EG) stützen.

III. Rechtsfolge Ist eine Terminaleinrichtung für ein zugangsbegehrendes Hafenumschlagunternehmen weder substituierbar noch duplizierbar, der Zugang zu der Anlage aber erforderlich, um auf dem Markt für Ladungsumschlag wirksamen Wettbewerb sicherzustellen, so kann sich das betreffende Hafendienstleistungsunternehmen auf die „essential facilities“-Doktrin berufen, wenn ihm der Zugang zu der Anlage ohne Rechtfertigung verweigert wird. Tut es dies, muss der Anlagenbetreiber dem Unternehmen gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts Zugang zu seinen Anlagen gewähren. Die konkreten Zugangskonditionen sowie das vom Umschlagunternehmen zu zahlende Nutzungsentgelt sind dann zwischen dem Terminalbetreiber und dem Umschlagunternehmen vertraglich auszuhandeln. Dabei dürfen die Bedingungen, zu denen der Terminalbetreiber dem Nutzungsanwärter den Zugang ein721 722 723 724

EuGH v. 10. 12. 1991, Rs. 179/90, Slg. 1991, 5889 ff. (Merci). EuGH v. 17. 07. 1997, Rs. C-242/95, Slg. 1997, I-4449 ff. (GT-Link). EuGH v. 27. 11. 2003, Rs. C-34/01, Slg. 2003, (Enirisorse). Siehe oben, Zweiter Teil, F. II. 2. a).

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4. Teil: Zugang zu Hafeninfrastruktureinrichtungen

räumt, nicht ungünstiger sein als jene, die er seinen verbundenen oder dritten Unternehmen gewährt725. Es ist ihm aber durchaus gestattet, seine eigene Umschlagleistung in dem betreffenden Seehafen mit den aus der Bereitstellung der Terminalanlage erzielten Einnahmen zu fördern, solange durch diese Quersubventionierung der wirksame Wettbewerb auf dem Markt für Ladungsumschlag nicht beeinträchtigt wird726. Zur Entflechtung seiner Geschäftsbereiche ist der Terminalbetreiber indes nicht verpflichtet727. Das Umschlagunternehmen ist im Gegenzug zur Zahlung eines angemessenen Entgelts verpflichtet. Zahlt es dieses ordnungsgemäß, und wird ihm in der Folge Zugang zu den Umschlageinrichtungen gewährt, kann es Verträge für das Laden und Löschen der Schiffe direkt mit den Reedereien aushandeln, sowie eigenes Personal einsetzen728. Der Wettbewerb im Hafenumschlag würde auf diese Weise deutlich erhöht.

VI. Zusammenfassende Stellungnahme Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die „essential facilities“-Doktrin ein angemessenes Instrument zur Marktöffnung im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienste darstellt. Sie kann nicht nur für den Zugang zu Häfen allgemein, sondern auch für den Zugang zu einer einzelnen Terminaleinrichtung in Anspruch genommen werden729. Dabei stellt die einzelne Terminaleinrichtung eine wesentliche Einrichtung dar, deren Nutzung unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am nachgelagerten Markt für Ladungsumschlag ist. Die Weigerung eines marktbeherrschenden Terminalbetreibers, Wettbewerbern die Mitbenutzung seiner Terminaleinrichtung zu gestatten, ist dementsprechend als Missbrauch i.S.d. Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) zu qualifizieren. Der marktbeherrschende Terminalbetreiber ist in einem solchen Fall grundsätzlich verpflichtet, dem zugangsbegehrenden Unternehmen Zugang zu seiner Terminaleinrichtung zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Terminalbetreiber Rechtfertigungsgründe für die Zugangsverweigerung geltend machen kann. Im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienstleistungen kommt hier vor allem dem Kapazitätsengpass und der Gefahrenabwehr Bedeutung zu. Im Extremfall könnte die Umsetzung des ISPS-Codes für den Terminalbetreiber rechtfertigende Wirkung entfalten. Der allgemein anerkannte Rechtfertigungsgrund des Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) hingegen findet keine Anwendung, da der EuGH bereits mehrfach entschieden hat, dass es sich bei den ladungsbezogenen Hafendienstleistungen nicht um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt. Eine Rechtfertigung der Zugangsverweigerung kommt allerdings in Betracht, wenn das zugangsbegehrende Unter725 726 727 728 729

Siehe oben, Vierter Teil, E. V. Siehe oben, Vierter Teil, E. V. Siehe oben, Vierter Teil, E. V. Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 600. Rabe, Festschrift Everling, S. 1157, 1161.

F. Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf den Hafensektor

251

nehmen sich weigert, ein angemessenes Entgelt für die Nutzung der Anlage zu zahlen. Kann der Terminalbetreiber keine derartigen Rechtfertigungsgründe geltend machen, ist er verpflichtet, dem Nutzungsanwärter Zugang zu seiner Terminaleinrichtung zu angemessenen, nichtdiskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Die „essential facilities“-Doktrin kann daher im Bereich des Ladungsumschlags gewinnbringend zur Marktöffnung eingesetzt werden. Sie bietet eine hohe Einzelfallgerechtigkeit, kann aber durchaus auch Präzedenz- und Bindungswirkung für andere Terminalbetreiber entfalten. Vor allem kleinere Umschlagunternehmen könnten so von einem erleichterten Marktzutritt profitieren. Allerdings hat eine über Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) erzwungene Marktöffnung grundsätzlich den Nachteil, dass sie sich immer erst ex post vollzieht730. Da bei konsequenter Anwendung der „essential facilities“-Doktrin über jeden Zugangsgewährungsanspruch einzeln zu entscheiden wäre, würde eine umfassende Marktöffnung viel Zeit in Anspruch nehmen.

730

Möschel, WuW 1999, S. 832, 839.

Zusammenfassende Schlussbetrachtung Nachdem im ersten Teil der Arbeit zunächst die besondere Bedeutung der Seehäfen für die Europäische Union aufgezeigt werden konnte, musste im Anschluss festgestellt werden, dass diese erst relativ spät zum Gegenstand gemeinschaftlicher Integrationsbemühungen gemacht worden sind. Initiativen zur Einbeziehung der Seehäfen in die gemeinsame Verkehrspolitik wurden zwar schon vergleichsweise früh ergriffen, konnten aufgrund der widerstreitenden nationalen Interessen zunächst jedoch keine Erfolge verzeichnen. Seit Mitte der neunziger Jahre ist allerdings auch im Seehafensektor eine deutliche Tendenz zu einem einheitlichen Vorgehen erkennbar. Insbesondere die Kommission ist seither bemüht, einen gemeinschaftlichen Rechtsrahmen für die europäischen Seehäfen zu schaffen. Die in den Jahren 2001 und 2004 vorgelegten Richtlinienentwürfe zur Liberalisierung des Marktes für Hafendienstleistungen stellten in dieser Entwicklung einen vorläufigen Höhepunkt dar. Aufgrund ihres zweimaligen Scheiterns im Gesetzgebungsverfahren stellte sich jedoch die Frage nach der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer derartigen sekundärrechtlichen Regelung. Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine umfassende Marktöffnung insbesondere im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienste prinzipiell zu begrüßen wäre, da es vor allem in den südeuropäischen Seehäfen oftmals zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen beim Ladungsumschlag kommt. Häufig betreibt ein einziger Hafenkonzern mehrere Containerterminals in einem Hafen. Dementsprechend herrscht in einigen Seehäfen der EU für potentielle Anbieter ladungsbezogener Hafendienstleistungen faktisch ein Containerumschlagverbot1. Die Liberalisierungsbemühungen der Kommission sind daher grundsätzlich positiv zu bewerten. Für eine umfassende Marktöffnung stellten die vorgelegten Richtlinienentwürfe jedoch keine geeigneten Maßnahmenvorschläge dar. In ihrer konkreten Ausgestaltung waren sie unverhältnismäßig und teilweise sogar kontraproduktiv. So wurden insbesondere die Einführung eines verpflichtenden Ausschreibungsverfahrens, die relativ kurz bemessenen Genehmigungslaufzeiten, das vorgesehene Recht zur Selbstabfertigung und die Erstreckung der Richtlinie auf die sicherheitsrelevanten Lotsendienste als problematisch angesehen. Es konnte gezeigt werden, dass vor allem das von der Kommission vorgeschlagene Ausschreibungsverfahren mit grundlegenden Fehlern behaftet war. Ein verpflichtendes Ausschreibungsverfahren hätte die Bereitschaft der Hafendiensteanbieter zu Investitionen stark gemindert. Aufgrund der hohen irreversiblen Kosten im Bereich des Ladungsumschlags wäre 1

Hautau, Intern. Verkehrswesen 2002, S. 598, 598.

Zusammenfassende Schlussbetrachtung

253

nur noch zu Beginn der Genehmigungslaufzeiten investiert worden, da sich spätere Investitionen für den betreffenden Diensteanbieter kaum noch rentiert hätten. Darüber hinaus hätten sich die kurzen Genehmigungslaufzeiten negativ auf die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen ausgewirkt. Im Ergebnis wäre es zu einer Konzentration auf einige wenige besonders finanzstarke Terminalbetreiber gekommen. All dies hätte nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Seehäfen insgesamt gehabt. Auch hätte das von der Kommission favorisierte Ausschreibungsverfahren zu einem enormen bürokratischen Mehraufwand geführt, was das von ihr verfolgte Ziel einer Kostensenkung im Bereich der Hafendienste konterkariert hätte. Das Vorhaben der Kommission, die Selbstabfertigung zuzulassen, hätte zudem einen Verlust von Arbeitsplätzen in den Seehäfen der EU bedeutet. Mangels Orts- und Anlagenkenntnis des ausländischen Personals wären unter Umständen auch die öffentliche Sicherheit und die Umwelt gefährdet gewesen2. Auch wenn das von der Kommission verfolgte Ziel, den Wettbewerb in und zwischen den Häfen zu steigern und die Qualität der Hafendienstleistungen zu verbessern, grundsätzlich positiv zu bewerten ist, mussten die von der Kommission zur Erreichung dieses Ziels gewählten Maßnahmen daher als ungeeignet zurückgewiesen werden. Die Untersuchung des geltenden Primärrechts hat jedoch ergeben, dass sich nahezu sämtliche Wettbewerbsprobleme im Bereich der Hafendienstleistungen auch mithilfe der allgemeinen Vertragsvorschriften lösen lassen. Insbesondere dem Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) kommt dabei eine tragende Rolle zu. So kann die Kommission unter Anwendung von Art. 102 AEUV (exArt. 82 EG) gezielt gegen den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen in den Seehäfen vorgehen. Auf diese Weise können vor allem Hafendiensteanbieter, die diskriminierende Preise für die Erbringung ihrer Dienste festsetzen, zur Verantwortung gezogen werden. Aber auch andere missbräuchliche Verhaltensweisen, wie beispielsweise die Verweigerung moderner Technologien oder die Erhebung unverhältnismäßiger Hafenabgaben, sind nach Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) verboten. Neben dem Missbrauchsverbot ist auch das Kartellverbot des Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG) im Hafensektor von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Preisabsprachen zwischen den Hafendiensteanbietern können mithilfe dieser Vorschrift verboten und wettbewerbsbehindernde Kartelle zerschlagen werden. Ein Verdrängungswettbewerb kann auf diese Weise verhindert werden. Allerdings kann der Hafendienstleistungswettbewerb auch durch staatliche Eingriffe verfälscht werden. Angesichts des starken staatlichen Engagements im Hafensektor spielt daher die Vorschrift des Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG), die sich mit öffentlichen und vom Staat privilegierten Unternehmen befasst, für die vorliegende Arbeit eine wichtige Rolle. Die Auswertung der zu Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) ergangenen EuGHEntscheidungen hat ergeben, dass die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte als solche noch nicht mit den Ver2

Ilschner, „Port Package II“ versenkt, S. 3.

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Zusammenfassende Schlussbetrachtung

tragsvorschriften unvereinbar ist. Allerdings nimmt der EuGH dann einen Verstoß gegen Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) an, wenn das betreffende Hafendienstleistungsunternehmen durch die Gewährung solcher Rechte in die Lage versetzt wird, seine beherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Durch die gezielte Anwendung von Art. 106 I AEUV (ex-Art. 86 I EG) kann die Kommission daher verhindern, dass ein Staat seinen Einfluss auf ein Hafendienstleistungsunternehmen zur Durchsetzung seiner eigenen Wirtschaftspolitik ausnutzt. Einer Verfälschung des Hafendienstleistungswettbewerbs durch staatliche Eingriffe kann auf diese Weise entgegengewirkt werden. Schließlich lassen sich auch aus Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) Vorgaben für den Hafendienstleistungswettbewerb ableiten. Diese Vorschrift nimmt all diejenigen Hafendienstleistungen von der Anwendung der Wettbewerbsregeln aus, bei denen es sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt. Für die Frage, welche Bereiche Liberalisierungsmaßnahmen unterworfen werden können, ist diese Norm von besonderer Bedeutung3. Die Untersuchung hat gezeigt, dass es sich bei den ladungsbezogenen Hafendienstleistungen nicht um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse i.S.v. Art. 106 II AEUV (ex-Art. 86 II EG) handelt, so dass eine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln hier nicht in Betracht kommt. Der EuGH hat dies damit begründet, dass sich das Interesse an den ladungsbezogenen Hafendienstleistungen nicht besonders von dem Interesse an den anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens unterscheide. Die ladungsbezogenen Hafendienste können daher ohne Bedenken etwaigen Liberalisierungsmaßnahmen unterworfen werden. Anders verhält es sich hingegen mit den technisch-nautischen Hafendiensten. Hier hat der EuGH zumindest hinsichtlich der Festmacherdienste festgestellt, dass es sich angesichts der betroffenen öffentlichen Sicherheit um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt. Diese Annahme muss aber genauso für die Lotsen- und Schleppdienste gelten, da durch ihre Arbeit die öffentliche Sicherheit mindestens in demselben Umfang betroffen ist. Die Wettbewerbsregeln des AEUV finden daher auf die Lotsen-, Schlepp- und Festmacherdienste im Regelfall keine Anwendung. Aus diesem Grund sollte der Bereich der technisch-nautischen Dienste auch grundsätzlich keinen Liberalisierungsmaßnahmen unterworfen werden. Im Ergebnis ist jedoch festzuhalten, dass mithilfe der Wettbewerbsregeln des AEUV eine Vielzahl wettbewerbshindernder Praktiken in den europäischen Seehäfen geahndet werden können. Im Verlaufe der Untersuchung konnte aber auch gezeigt werden, dass sich mithilfe der Vertragsvorschriften Zugangsgewährungsansprüche zu den Häfen und Hafenanlagen herleiten lassen. Insbesondere im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienste lässt sich das Primärrecht gewinnbringend zur Marktöffnung einsetzen. Die aus dem amerikanischen Antitrustrecht stammende „essential facilities“Doktrin stellt hierfür ein geeignetes Instrument dar. Mit ihrer Hilfe lassen sich Zu3

Lechner, HANSA 1999, S. 31, 32.

Zusammenfassende Schlussbetrachtung

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gangsgewährungspflichten zu so genannten „wesentlichen Einrichtungen“ herleiten. Auch wenn die Rezeption der „essential facilities“-Doktrin in das europäische Wettbewerbsrecht nicht unumstritten ist, lässt sich doch festhalten, dass die europäischen Institutionen beim Auftreten von Marktzugangsproblemen vielfach auf ihre Grundsätze zurückgegriffen haben. Eine Anwendung der Doktrin im Bereich der ladungsbezogenen Hafendienste ist daher ebenfalls zu befürworten. Dabei stellt die einzelne Terminaleinrichtung eine wesentliche Einrichtung dar, deren Nutzung unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am nachgelagerten Markt für Ladungsumschlag ist. Die Weigerung eines marktbeherrschenden Terminalbetreibers, Wettbewerbern die Mitbenutzung seiner Anlage zu gestatten, ist dann als Missbrauch i.S.v. Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) anzusehen. Sollte der Terminalbetreiber keine Rechtfertigungsgründe für die Zugangsverweigerung geltend machen können, ist er verpflichtet, dem Wettbewerber Zugang zu seiner Terminaleinrichtung zu angemessenen, nichtdiskriminierenden Konditionen zu gewähren. Die Schaffung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Hafenanlagen ist folglich auch mit den Instrumenten des europäischen Wettbewerbsrechts möglich. Ob eine breite Anwendung der „essential facilities“-Doktrin auf Zugangsansprüche im Hafensektor jedoch eine nachhaltige Marktöffnung bewirken kann, erscheint zweifelhaft. Zum einen hat eine über Art. 102 AEUV (ex-Art. 82 EG) erzwungene Marktöffnung grundsätzlich den Nachteil, dass sie sich immer erst ex post vollzieht4. Denn erst wenn der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nachgewiesen ist, kann nachträglich in das Verhalten einzelner Marktteilnehmer eingegriffen werden. Zum anderen gelten die von der Kommission und den europäischen Gerichten gefällten Entscheidungen immer nur einzelfallbezogen. Zwar können sie durchaus Präzedenz- und Bindungswirkung auch für andere Hafendiensteanbieter entfalten; letztlich bleibt jeder Fall jedoch ein Einzelfall, so dass ständig die Gefahr einer erneuten Befassung der Kartellbehörden und Gerichte besteht. Dies hat ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit zur Folge. Eine Marktöffnung auf Grundlage der „essential facilities“-Doktrin birgt daher das Risiko, dass möglichweise gegen eine Vielzahl einzelner Terminalbetreiber vorgegangen werden muss, bevor sich eine strukturelle Änderung der Marktverhältnisse im gesamten Hafendienstleistungssektor erreichen lässt5. Langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren würden das Ziel einer zügigen Marktöffnung jedoch konterkarieren. Mittelfristig ist daher zu überlegen, ob nicht doch der Erlass sekundärrechtlicher Maßnahmen angestrebt werden sollte. Durch einen systematischeren Ansatz ließe sich Rechtssicherheit erwirken, da die Hafendiensteanbieter ihr Marktverhalten an vorgegebenen Grundsätzen ausrichten könnten. Eine ex ante Regulierung hätte darüber hinaus den Vorteil, dass neben dem Zugangsanspruch selbst auch die Zugangsbedingungen geregelt werden könnten. Dies hätte eine deutliche Entlastung der Kartellbehörden zur Folge und würde zudem für gleiche und 4 5

Möschel, WuW 1999, S. 832, 839. Zum Stromsektor: Bausch, Netznutzungsregeln, S. 160.

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Zusammenfassende Schlussbetrachtung

faire Wettbewerbschancen auf dem Markt für Hafendienstleistungen sorgen. Allerdings hätte sich jede sekundärrechtliche Zugangsregulierung an den Vorgaben des AEUV zu orientieren. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei den technischnautischen Hafendiensten in der Regel um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt, sollten sich etwaige Liberalisierungsmaßnahmen daher auf die ladungsbezogenen Hafendienste beschränken.

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Stichwortverzeichnis Anglo-amerikanisches Modell 30 f. Angreifbarkeit 34, 247 Ausgleichszahlungen 138 f., 149 Ausschreibungsverfahren 145, 147, 153 f., 184, 252 f. Bedarfsmarktkonzept 89 Betrauung 75, 115, 122, 124 f. Binnenmarktkonzept 48, 64 f. Bottleneck-Einrichtung 36, 163, 173 Colgate Rule 158 Containerisierungsgrad 42, 241 Containerumschlag 35, 50, 156, 242 f., 245 f., 252 Deregulierung 225 f. Diskriminierungsfreier Zugang 23, 156, 228 Duplizierbarkeit 167, 216, 232, 243 Economies of scale 33 Economies of scope 33 Effet utile 103, 108, 112 Fact finding Bericht 57 Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 245 Funktionaler Unternehmensbegriff 73, 87 Gefahrenabwehr 148, 151, 237, 247 f., 250 Gemeinsame Verkehrspolitik 47, 52, 54, 56, 62, 72, 252 Genehmigungsverfahren 142, 148 Genehmigungsvorbehalt 138 f., 148 Gewährungsakt 107 Hafenanlagen 23 f., 33 ff., 41, 66, 97, 100, 133, 178, 180 f., 243 ff., 254 f. Hafendiensteanbieter 21, 37, 73, 76, 81, 85, 114 f., 126, 129 f., 133, 136, 140 f., 144, 148, 154, 252 f., 255

Hafendienstleistungen – ladungsbezogene 38, 42 f., 68, 76 ff., 80 f., 117, 120, 123, 129, 134 f., 141 f., 146, 152, 155 f., 240 f., 249 f., 252, 254 ff. – technisch-nautische 37 f., 68, 78 ff., 117, 120, 123 ff., 128 ff., 134 f., 144, 146, 152, 155, 240, 254 Hafendienstleistungswettbewerb 23, 25, 36, 44, 64, 253 f. Hafendienstleistungswirtschaft 66, 68, 72 Hafeneinrichtungen 66, 97, 132, 175 f., 178, 182 Hafenentscheidungen 91, 93 f., 96, 98, 175 f., 182, 184 ff., 190, 193, 196 f., 207, 210, 240 Hafengruppe 45 Hafeninfrastruktur 28, 60 Hafenpolitik 22 f., 25, 45 ff., 52 ff., 131, 150 f., 153 Hafensuprastruktur 28 ff., 35 Handelsbeeinträchtigung 85 ff., 101 Hanseatisches Modell 29 Hauptgewerbe 37, 67 f. Hinterland 44 f., 57 f., 151, 243 Hoheitsakt 125 f. Immaterialgüterrecht 206, 212, 215 f., 229 Investitionsbereitschaft 29, 31, 142 Irreversible Kosten 32, 34 ff., 243, 252 ISPS-Code 247, 250 Kapazitätsengpass 136, 193, 198, 236, 246 f., 250 Kontrahierungszwang 157, 159, 222, 237 f. Konzessionär 43, 97 Kurzstreckenseeverkehr 21, 133, 145, 152 Lateinisches Modell 30 Laufzeiten 142, 148, 153 f., 252 f.

280

Stichwortverzeichnis

Liberalisierung 23 ff., 27, 49, 55, 60 ff., 131, 141 ff., 145, 147, 153 ff., 157, 195 f., 226, 252, 254, 256 Lieferverweigerung 189 f., 210, 223, 227 Lotsenbrüderschaft 40 Lotsrevier 40 Marktabgrenzung 88 ff., 203, 218 Marktbeherrschung 94, 184 f., 217 Marktöffnung 22, 24, 131, 135, 145 ff., 155, 179, 185, 200, 218, 224, 226, 240, 250 ff., 254 f. Marktstruktur 141, 225 ff. Marktversagenstatbestand 157 Marktzugang 21, 23, 25, 60, 63, 131 ff., 140, 143, 170, 173, 186, 195, 226, 239, 255 Marktzugangsrichtlinie 21, 132, 142, 144 ff. Marktzutrittsschranke 34, 241 Mitentscheidungsverfahren 137 Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik 22, 63, 150 ff. Monopol 22, 31 ff., 36, 75, 90 f., 96 ff., 103, 106, 110 f., 125, 134, 152, 158, 160, 192 f. – natürliches 31 ff., 36 Monopolausdehnung 221, 225, 227 Monopolisierung 159 ff., 165, 170 Monopolisierungsverbot 159 ff., 164, 173 Monopolist 32 ff., 158, 163, 166, 170, 173, 227 Monopolmacht 160, 165, 169, 194 Multimodaler Verkehr 21, 47, 62, 133 Nachgelagerter Markt 36, 157 f., 173, 182, 185, 194, 201, 208, 222, 230 f., 234, 236, 239 ff., 246, 250, 255 Nebengewerbe 37, 67 f. Netzdienstleistung 31 Netzinfrastruktur 31, 33 f. Netzsektor 31 OECD

162, 198

Port Package 63, 131 ff., 153, 155 Port range 44 f., 94 Preisabsprachen 83 ff., 129, 253 Primärmarkt 184 f.

Quersubventionierung

239, 250

Rechtfertigungsgrund 23, 113, 168, 173, 197, 225, 235 ff., 240 f., 246, 248 ff., 255 Reeder 37, 40 ff., 46, 67, 84, 86, 90, 94, 137, 141, 143, 145 ff., 156, 176, 178, 181 ff., 242, 250 Reihenbört 40 Relevanter Markt – räumlich 92 ff., 218 – sachlich 88 ff. – zeitlich 94 Rentabilitätsbetrachtung 233, 244 Richtlinienvorschlag 37, 132 ff. Schutzzweck 234 f., 239 Seehafenwettbewerb 44, 46, 103 Seeschiffsassistenz 41, 84 Seeverkehr 26, 32, 44, 47, 49 ff., 54, 56 f., 59 f., 66, 68, 70 f., 101, 118, 131, 133, 151, 155, 181, 247 Sekundärmarkt 184 f. Selbstabfertigung 137 ff., 141, 143, 145, 149, 153 f., 193, 252 f. Soft law 22, 153 f. Spürbarkeit 86 f. Stückgutumschlag 42 Subadditiver Kostenverlauf 33 Subsidiaritätsprinzip 142 ff. Substituierbarkeit 203, 231, 241 f. Sunk costs 34, 243 Supreme Court 158, 161, 163 ff., 167 ff., 201 Telekommunikationsmitteilung 196 ff. Terminalbetreiber 143, 152, 154, 240, 242, 244 ff., 248 ff., 253, 255 Terminaleinrichtung 152, 156, 241 ff., 248 ff., 255 Third Party Access 158 Transparenzrichtlinie 104 f., 132 Transportkette 146 f., 151 Umweltschutzrichtlinie Unbundling 239 Unionsinteresse 128

244

Stichwortverzeichnis

281

Verhinderungserfordernis 126 f. Verkehrshilfsgewerbe 37 Verkehrsträger 26, 44, 50 f., 54, 57 f., 61, 71 Vermittlungsausschuss 139 f. Vertragsfreiheit 133, 157

– wirksamer 96, 156, 209, 234, 238 f., 246, 249 f. Wettbewerbsregeln 23, 59 f., 62, 65 f., 68 ff., 77, 79, 87, 102, 107 f., 112 f., 116, 120, 126, 128 ff., 133, 152, 157, 196 ff., 240, 254

Wettbewerb – funktionsfähiger 22 f., 36, 64 – unverfälschter 64 f., 86, 128, 234

Zugangsverweigerung 91, 99, 167 ff., 173, 181, 185 f., 190, 192 f., 197, 199 f., 211, 233 ff., 237, 241, 245 f., 249 f., 255 Zwischenstaatlichkeitsklausel 85 f., 101