Die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht [1 ed.] 9783428531646, 9783428131648

Zahlreiche Prozesse der modernen Industriegesellschaft führen zu Geruchsimmissionen in der Umwelt. Die wesentlichen Geru

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Die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht [1 ed.]
 9783428531646, 9783428131648

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Schriften zum Umweltrecht Band 167

Die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht Von

Katharina Mohr

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KATHARINA MOHR

Die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 167

Die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht Von

Katharina Mohr

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 978-3-428-13164-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Peter und Ellen und für Mark

Vorwort Diese Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder) im Wintersemester 2008 / 2009 als Dissertationsschrift vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Mitte Mai 2009 berücksichtigt. Das Entstehen dieser Arbeit wäre ohne vielfache Hilfe nicht möglich gewesen. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Franz-Joseph Peine, der die Arbeit betreut und gefördert hat. Er hat mich während der gesamten Promotion immer wieder im rechten Moment durch positiven Zuspruch motiviert und mit der zügigen Begutachtung meiner Arbeit wesentlich dazu beigetragen, dass das Promotionsverfahren rasch zum Abschluss gebracht werden konnte, wofür ihm besondere Hochachtung gebührt. Für die Erstellung des Zweitgutachtens und die weiterführenden Hinweise danke ich Herrn Professor Dr. Heinrich Amadeus Wolff. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Rechtsanwalt Professor Dr. Matthias Dombert und Herrn Rechtsanwalt Dr. Helmar Hentschke, auf die die ursprüngliche Anregung zu dieser Arbeit zurückgeht. Herrn Professor Dr. Michael Kloepfer danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriften zum Umweltrecht. Wertvolle Informationen zum Thema habe ich von vielen Menschen erhalten, die in ihrer täglichen Arbeit mit der Bewertung von Geruch in Genehmigungsverfahren oder in der umweltmedizinischen und technischen Forschung beschäftigt sind. Namentlich erwähnt sei an dieser Stelle Herr Dr. Ralf Both vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, der sich die Zeit genommen hat, mir die Hintergründe der Geruchsimmissions-Richtlinie eingehend zu erläutern und dem dafür mein besonderer Dank gebührt. Mein herzlichster Dank gilt meinen Eltern, Frau Ellen Mohr und Herrn Rechtsanwalt Dr. Peter C. Mohr, die meine lange Ausbildung unterstützt und gefördert und die mich auch während der Promotion sehr liebevoll und mit großem Interesse an meinem Thema begleitet haben. Ohne sie wären Studium und Promotion nicht möglich gewesen. Meinen Brüdern, Herrn Conrad Mohr und Herrn Philipp Mohr, danke ich für ihren immerwährenden Zuspruch von Nah und Fern und für ihre wunderbare Art, sich nach erfolgreichem Abschluss der Arbeit so herzlich mit mir mitzufreuen. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meinem lieben Freund, Herrn Rechtsanwalt Dr. Mark Lorenz, der mich während der gesamten Promotion außer-

4

Vorwort

ordentlich unterstützt und motiviert hat. Er ist mir auch in den vielen schwierigen Momenten, die eine Promotion mitunter mit sich bringt, mit viel Verständnis und Geduld begegnet, wofür ich besonders dankbar bin. Frankfurt am Main, im Dezember 2009

Katharina Mohr

Inhaltsübersicht A. Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

II. Geruchsempfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

C. Geruchsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Sensorische Geruchsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Analytische Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 IV. Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 V. Geruchsimmissions-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 VI. Technische Regelwerke privater Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 E. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 II. Heranrückende Wohnbebauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

6

Inhaltsu¨bersicht

F. Geruchsbewertung in anderen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Geruchsimmissionen als Problem aller Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Geruchsbewertung in anderen Ländern: Dargestellt anhand von zwei Beispielen

358

III. Staatenübergreifender Austausch zur Bewertung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 G. Eigene Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 II. Die Festlegung von Emissions- und Immissionswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 H. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 I. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

Inhaltsverzeichnis A. Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Entstehung und Auswirkungen von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Geruch als immissionsschutzrechtlich relevantes Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . .

20

3. Geruch als Regelungsgegenstand des Bundes-Immissionsschutzgesetzes . . . .

21

4. Grundlagen für die Ermittlung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen . . .

22

5. Eingrenzung des Untersuchungsrahmens – Bewertung von Geruchsimmissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

6. Parallelen zur Bewertung von Lärm und „Elektrosmog“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

7. Entwurf eines Umweltgesetzbuchs und Auswirkungen auf die Bewertung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Geruchsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

b) Eigenschaften von Geruchsstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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aa) Flüchtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

bb) Löslichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

cc) Struktur und funktionelle Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

dd) Molekulare Struktur und Wirkung von Geruchsstoffen . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die Freisetzung von Geruchsstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

a) Die Verdampfung flüssiger oder fester Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

b) Typen von Freisetzungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

aa) Die Freisetzung von Geruchsstoffen als Folge von Stoffwechselvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

bb) Die Freisetzung von Geruchsstoffen als Folge technischer Vorgänge . . .

35

8

Inhaltsverzeichnis 3. Verursacher immissionsschutzrechtlich relevanten Geruchs . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

a) Landwirtschaftliche Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Nahrungs- und Futtermittelproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

c) Chemische und petrochemische Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

d) Abfallverwertung und -beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

e) Abwasserbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

4. Komponenten der Ausbreitung von Geruchsstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

a) Einflussfaktoren bei der Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

b) Einflussfaktoren bei der Transmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

5. Abluftreinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Geruchsempfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Der Geruchssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Stellung des Geruchssinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

b) Bedeutung und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Geruchswahrnehmung über die Riechschleimhaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

a) Aufbau des olfaktorischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

b) Auslösung eines Geruchsreizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

c) Verarbeitung des Geruchsreizes im Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

d) Wahrnehmen und Erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

e) Ermüdung des Geruchssinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

f) Subjektive Geruchswahrnehmung und Erinnerungsvermögen . . . . . . . . . . . .

55

g) Sinneswahrnehmung über den Trigeminusnerv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

4. Geruchsinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

5. Einflussfaktoren auf die Geruchswahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

6. Intensität und Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

7. Folgen von Geruchseinwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Geruchsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

Inhaltsverzeichnis

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II. Sensorische Geruchsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

2. Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration (Geruchsschwellenbestimmung) mit dynamischer Olfaktometrie (DIN EN 13725) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

a) DIN EN 13725 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

b) Die Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

aa) Ablauf der Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

bb) Festlegung der Geruchseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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cc) Technische und organisatorische Vorgaben im konkreten Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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dd) Maßeinheit der Emission und Maßeinheit der Immission . . . . . . . . . . . .

82

ee) Qualitätsunterschiede von Prüflaboren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

ff) Beachtung der Messunsicherheit der Olfaktometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

gg) Weitere mögliche Fehlerquellen der Olfaktometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

3. Bestimmung der Geruchsintensität und der hedonischen Geruchswirkung (VDI-Richtlinie 3882 Blatt 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

a) Sinn und Zweck der Bestimmung der Geruchsintensität und der hedonischen Geruchswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Bestimmung der Geruchsintensität (VDI-RL 3882 Blatt 1) . . . . . . . . . . . . . .

92

aa) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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bb) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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cc) Fehlerquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

c) Bestimmung der hedonischen Geruchswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

aa) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

bb) Hintergrund der Hedonik-Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

cc) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Wirkung und Bewertung von Geruch durch Befragung (VDI-Richtlinie 3883 Blatt 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

b) Psychometrische Erfassung der Geruchsbelästigung, Fragebogentechnik (VDI-RL 3883 Blatt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Ermittlung von Belästigungsparametern durch Befragungen, wiederholte Kurzbefragung von ortsansässigen Probanden (VDI-RL 3883 Blatt 2) . . . 101

10

Inhaltsverzeichnis 5. Bestimmung von Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen (VDI-Richtlinie 3940, Blatt 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Rastermessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Fahnenmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Berücksichtigung der Messunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 e) Bestimmung von Geruchsstoffen durch Begehung – Ermittlung von Geruchsintensität und hedonischer Geruchswirkung im Feld (der Entwurf der VDI-RL 3940 Blatt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Analytische Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Typen und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Geruch als Regelungsgegenstand des Völkerrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Völkerrechtliche Verträge zur Luftreinhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Auf der Grundlage des Genfer Übereinkommens erlassene Protokolle . . . 117 aa) Regelungsgegenstand der Protokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Geruch als Regelungsgegenstand eines Protokolls? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Geruch als gemeinschaftsrechtlicher Regelungsgegenstand? . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Die Verankerung des Umweltschutzes im EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Allgemeine Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Besondere Ziele und Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Umsetzung des Gemeinschaftsziels „Umweltschutz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. UVP-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Inhaltsverzeichnis

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b) Umsetzung im UVPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Geruchsemissionen und -immissionen als Bewertungsgegenstand der UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 d) Materiellrechtlicher Gehalt der UVP-RL? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 5. IVU-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Verfahrensrechtliche Anforderungen der IVU-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Materiellrechtliche Anforderungen der IVU-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 e) Umsetzung der IVU-Richtlinie im „Artikelgesetz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 f) Auswirkungen der IVU-Richtlinie auf die Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . 144 6. Kommt die gemeinschaftsrechtliche Richtlinie zur Geruchsbewertung? . . . . . 146 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Geruch als Regelungsgegenstand des BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (1) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (2) Immissionen i. S. d. § 3 Abs. 2 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (3) Abgrenzung der Emissionen i. S. d. § 3 Abs. 3 BImSchG von den Immissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) Störqualität der Umwelteinwirkungen: Gefahr, erheblicher Nachteil oder erhebliche Belästigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (1) Gefahren, Nachteile, Belästigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (2) Gefahr durch Geruchsimmissionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (3) Geruchsimmissionen als erhebliche Belästigungen . . . . . . . . . . . . . . (a) Erheblichkeit / Zumutbarkeit als Entscheidungsmaßstab . . . . . . (b) Der „versta¨ndige Durchschnittsmensch“ als Maßstab . . . . . . . . (c) Art, Ausmaß oder Dauer als Bewertungskriterium . . . . . . . . . . . (d) Weitere Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 165 168 168

(4) Geruchsimmissionen als erhebliche Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (5) Geeignetheit zur Herbeiführung schädlicher Umwelteinwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

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Inhaltsverzeichnis (6) Allgemeinheit und Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (a) Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (b) Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 cc) „Schädliche Umwelteinwirkungen“ als unbestimmter Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (1) Unbestimmter Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (2) Beurteilungsspielraum und Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 dd) Einheitlichkeit des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 ee) Konkretisierung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ . . . . 185 b) Anforderungen nach dem BImSchG an die Errichtung und den Betrieb von Anlagen in Bezug auf Geruchsimmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (1) Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage nach § 4 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 1 4. BImSchV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (2) Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung gemäß § 6 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (3) § 5 Abs. 1 BImSchG „Vorsatz“ – die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (4) Die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG (sog. Schutzpflicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (5) Die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG (sog. Vorsorgepflicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Inhalt der Vorsorgepflicht – Abgrenzung zur Schutzpflicht . . . (b) Stand der Technik gema¨ß § 3 Abs. 6 i. V. m. dem Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Konkretisierungen durch Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke privater Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Konkretisierung durch BVT-Merkblätter der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 202 202

205 208

(6) Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß § 7 BImSchG – zugleich Ermächtigungsnorm zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Konkretisierung der sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Anforderungen an genehmigungsfreie Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Handlungspflichten gemäß § 22 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Anforderungen an die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 23 BImSchG – zugleich Ermächtigungsnorm zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Konkretisierung der Anforderungen . . . . 214 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Inhaltsverzeichnis

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2. (Bundes-)Rechtsverordnungen zur Durchführung des BImSchG . . . . . . . . . . . . 217 a) Geruch als Regelungsgegenstand einer Rechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen in Bezug auf genehmigungsbedürftige Anlagen (§ 7 BImSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 bb) Immissionswerte als Regelungsgegenstand einer Rechtsverordnung?

220

c) Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen in Bezug auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (§§ 22 Abs. 1 Satz 2, 23 BImSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 d) Verordnungen über bestimmte Anlagenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen (30. BImSchV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (2) Ausdrückliche Erwähnung von Geruchsstoffen und Festsetzung eines Grenzwertes für Geruchsstoffemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (3) Vorgaben zur Messung und zur Überprüfung der Einhaltung des Grenzwerts für Geruchsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (4) Berücksichtigung der Messunsicherheit – ein Problem aus der Praxis und seine Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Weitere Verordnungen über Anlagenarten mit geruchsintensiven Produktionsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Landesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Landes-Immissionsschutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Regelungsbereich landesrechtlicher Immissionsschutzgesetze in Abgrenzung zum BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 bb) Geruch als Regelungsobjekt der Landes-Immissionsschutzgesetze? . . . 230 b) Sonstige Regelungen auf Länderebene zur Bewertung von und zum Umgang mit Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 aa) Freistaat Sachsen: Immissionsschutzrechtliche Regelung – Rinderanlagen – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Landkreis Cloppenburg: Leitfaden zur Eignungsprüfung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Verwaltungsvorschriften zur Bewertung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften (§ 48 BImSchG)

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Inhaltsverzeichnis b) Die Entstehung von Verwaltungsvorschriften in der Praxis – wie transparent und nachvollziehbar ist das Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Rechtscharakter und Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften . . . . 237 d) Zulässigkeit der Konkretisierung umweltrechtlicher Vorgaben in Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Exkurs: Novellierung der TA Luft – Nachvollziehbarkeit des Verfahrens . . 241 b) Anwendungsbereich der TA Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 c) Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen . . . . 244 aa) Konkretisierung der Vorsorgepflicht in Bezug auf Geruchsemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Handhabung geruchsintensiver Stoffe (Nr. 5.2.8 TA Luft) . . . . . . . . . . . 245 cc) Besondere Regelungen für bestimmte Anlagenarten (Nr. 5.4 TA Luft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Kombination von Abständen, baulichen und betrieblichen Maßnahmen und Emissionsgrenzwerten für geruchsintensive Stoffe bei einzelnen Anlagenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einhaltung von Mindestabsta¨nden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bauliche und betriebliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Emissionswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

248 248 250 250

(2) Vorschriften zur Messung von Geruchsemissionen . . . . . . . . . . . . . . . 251 dd) Bezugnahme auf technische Regelwerke privater Stellen . . . . . . . . . . . . 253 ee) Erfüllung der Vorsorgepflicht gleich Erfüllung der Schutzpflicht? . . . 254 d) Ausbreitungsrechnung im Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 V. Geruchsimmissions-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Was ist die GIRL? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Vorgängerregelungen und erster Entwurf der GIRL 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Konzept der Raffinerie-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Gemeinsamer Runderlass „Durchführung der technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Entwurf und Genehmigung der GIRL durch den Länderausschuss für Immissionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Die Fortentwicklung der GIRL seit 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 4. Die GIRL 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Inhaltsverzeichnis

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5. Rechtliche Einordnung der GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Die GIRL in der Fassung des LAI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 b) Anwendung der GIRL durch die Landesbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Umsetzungspraxis der einzelnen Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Rechtliche Bindungswirkung bei Einführung auf dem Erlasswege . . . 276 cc) Modifikation der GIRL durch die Landesbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 6. Die Systematik der GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Anwendungsbereich der GIRL (Nr. 1 GIRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Vorrang der Vorsorgeanforderungen der TA Luft (Nr. 2 GIRL) . . . . . . . . . . . 283 c) Beurteilungskriterien (Nr. 3 GIRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Immissionswerte (Nr. 3.1 GIRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Immissionskontingentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 cc) Irrelevanzkriterium (Nr. 3.3 GIRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 d) Messverfahren – Ermittlung der Kenngrößen der Geruchsimmission (Nr. 4 GIRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Ermittlung der vorhandenen Belastung durch Rasterbegehungen . . . . 286 cc) Ermittlung der zu erwartenden Zusatzbelastung anhand der Ausbreitungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 dd) Auswertung der Ermittlungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (2) Sonderregelung für die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 e) Beurteilung im Einzelfall (Nr. 5 GIRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 7. Resonanz auf die GIRL in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Ausgewählte Kritikpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Bindungswirkung der GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) Geruchsstundenkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 cc) Berücksichtigung von Intensität, Hedonik und Geruchsart . . . . . . . . . . . 297 dd) Berücksichtigung des Akzeptorbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 ee) Höhe der Immissionswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 ff) Gebietsdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (1) Beurteilung von Geruchsimmissionen im Dorfgebiet . . . . . . . . . . . . 304 (2) Sonstige Gebietsdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

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Inhaltsverzeichnis gg) Gemengelage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 hh) Irrelevanzregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 ii) Stichprobenanzahl und Korrekturfaktor k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 jj) Flächenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 c) Entwicklung der Rechtsprechung zur GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Die Anwendbarkeit der GIRL ablehnende Entscheidungen . . . . . . . . . . 320 bb) Die Anwendbarkeit der GIRL bejahende Entscheidungen . . . . . . . . . . . 322 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 d) Zustimmung des Sachverständigenrates für Umweltfragen . . . . . . . . . . . . . . . 329 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 VI. Technische Regelwerke privater Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 1. Technische Regelwerke der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI / DIN-Normenausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 a) Die Institution des VDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 aa) Entstehungsgeschichte und Aufgabenbereich des VDI . . . . . . . . . . . . . . . 332 bb) Zusammensetzung des VDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Die Arbeit des Technischen Komitees zur Luftreinhaltung im Comité Européen de Normalisation (CEN / TC 264) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 c) Rechtsgrundlagen für die Anwendung technischer Regelwerke privater Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 d) Rechtliche Einordnung technischer Regelwerke privater Stellen . . . . . . . . . 336 e) VDI-Richtlinien für bestimmte Anlagenarten anhand ausgewählter Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 aa) Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (1) VDI-Richtlinien 3471 und 3472 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (2) VDI-Richtlinien 3473 und 3474 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 bb) Nahrungsmittelproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 cc) Abfallbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

E. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 1. Erforderlichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . 348

Inhaltsverzeichnis

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2. Regelmäßig auftretende Rechtsfragen bei der Geltendmachung von Rechtsschutz im Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 3. Verwaltungsprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 4. Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . 350 II. Heranrückende Wohnbebauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 1. Genehmigung von Wohnhäusern im Einwirkungsbereich einer geruchsstoffemittierenden Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 2. Aufstellung von Bebauungsplänen im Einwirkungsbereich einer Anlage . . . . 354 F. Geruchsbewertung in anderen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Geruchsimmissionen als Problem aller Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Geruchsbewertung in anderen Ländern: Dargestellt anhand von zwei Beispielen

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1. Geruchsbewertung in anderen EU-Mitgliedstaaten anhand eines ausgewählten Beispiels: Die Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. Geruchsbewertung außerhalb der Europäischen Union dargestellt anhand eines ausgewählten Beispiels: Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 III. Staatenübergreifender Austausch zur Bewertung von Geruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 G. Eigene Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 1. Notwendigkeit der Umsetzung technischer Vorgaben in das Recht . . . . . . . . . . 366 2. Problemkreis Fachkunde: „Verständigungsschwierigkeiten“ zwischen technischem und rechtlichem Sachverstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 3. Problemkreis Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 4. Problemkreis Bindungswirkung von technischen Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

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Inhaltsverzeichnis II. Die Festlegung von Emissions- und Immissionswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 1. Die Bedeutung von Zahlenwerten im Immissionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2. Verfahren der Festlegung von Grenzwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 3. Alternativen zur Festsetzung von Immissionswerten bei der Geruchsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 a) Der Emittent als maßgeblicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 b) Rechtlich verbindliche Entscheidungen ohne Immissionswerte? . . . . . . . . . 383 4. Die Einzelfallentscheidung als Regelentscheidung in der Geruchsbewertung

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H. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 I. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

A. Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchung I. Problemaufriss 1. Entstehung und Auswirkungen von Geruch An jedem Tag werden wir mit einer Vielzahl von Geruchseindrücken konfrontiert. Diese rühren sowohl von „natürlichen“ Quellen, wie der Natur und allen Lebewesen, als auch von „künstlichen“ Quellen her, die Bestandteil der heutigen modernen Industriegesellschaft sind. Zu letzteren gehören die Verarbeitung und Verbrennung von Rohstoffen zur Gewinnung von Energie im Verkehr, im Hausbrand oder in der petrochemischen Industrie, die Herstellung und Weiterverarbeitung von Produkten aller Art und die Beseitigung dessen, was als Abfall übrig bleibt. Einige Beispiele für besonders geruchsintensive Prozesse sind die Nutztierhaltung, die Lebensmittelproduktion und -verarbeitung unter Verwendung von tierischen und pflanzlichen Ausgangsstoffen, die chemische und petrochemische Industrie sowie die Abfallbeseitigung und die Abwasserreinigung. Die bei diesen Prozessen freigesetzten Geruchsstoffe können in die Umwelt gelangen und als Geruch vom Menschen wahrgenommen werden. Zu Problemen kommt es insbesondere dort, wo die vorgenannten Prozesse und der dauerhafte Aufenthalt von Menschen räumlich nah beieinander liegen. Denn anhaltender oder immer wieder auftretender Geruch kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohlbefindens führen. Ein als unangenehm empfundener Geruch kann Missstimmung, Aggressivität oder sogar einen Fluchtreflex auslösen. Selbst ein zunächst als angenehm empfundener Geruch kann bei dauerhafter Einwirkung störend wirken. Ob Geruchseinwirkungen sogar zu Gesundheitsschäden führen können, ist mangels ausreichender Datengrundlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar nicht abschließend zu beantworten. Verschiedene Studien legen aber den Schluss nahe, dass eine Beeinträchtigung der Gesundheit allein aufgrund von Geruchswahrnehmungen nicht ausgeschlossen erscheint.1 1 Im Zusammenhang mit Geruchseinwirkungen von einer Großkompostierungsanlage sind von betroffenen Personen die Symptome Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, schlechter Geschmack im Mund und Atemnot genannt worden. Allerdings konnte in dieser Untersuchung keine Aussage darüber getroffen werden, ob diese Symptome tatsächlich unmittelbar auf die Geruchseinwirkungen zurückzuführen sind, vgl. Rethage / zur Nieden / Eikmann / Herr, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 139 f.; vgl. auch die Darstellung zahlreicher weiterer Untersuchungen zu Beschwerden von Anwohnern im Umfeld von Geruchsstoffemittenten, unten B. II. 7.

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A. Einfu¨hrung in die Problematik und Gang der Untersuchung

Welche Reaktion ein Geruch auslöst, ist dabei von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Geruchswahrnehmung und Geruchsinterpretation subjektiv geprägte Vorgänge sind. Wie wir Geruch wahrnehmen und bewerten, wird von unserer jeweiligen Prägung und Erziehung bestimmt, von der physischen und psychischen Konstitution zum Zeitpunkt der Geruchswahrnehmung, sowie von der Beziehung zum Geruchsemittenten. In der Regel entsteht als natürliche menschliche Reaktion auf einen als unangenehm empfundenen Geruch der Wunsch, sich diesem zu entziehen. Wo dies nicht ohne weiteres möglich ist, wie am Wohn- oder Arbeitsplatz, kann es zu Konflikten zwischen dem Geruchsstoffemittenten und dem Geruchswahrnehmenden kommen. Dann wird Geruch zu einem rechtlich relevanten Phänomen.

2. Geruch als immissionsschutzrechtlich relevantes Phänomen Sowohl im zivilrechtlichen als auch im öffentlich-rechtlichen Bereich existieren Normen, die die Rechte und Pflichten von Geruchsemittent und Geruchswahrnehmendem regeln. Nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von – von einem anderen Grundstück ausgehenden – Gerüchen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine wesentliche Beeinträchtigung hat der Grundstückseigentümer insoweit zu dulden, als diese ortsüblich ist und nicht durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Allerdings kann der Grundstückseigentümer eine Entschädigung für die zu duldende Beeinträchtigung verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB).2 Im Bereich des öffentlichen Rechts sieht das Bundes-Immissionsschutzgesetz3 (BImSchG) unter anderem für Betreiber von Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen bestimmte Handlungspflichten vor, die verhindern sollen, dass schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen herbeigeführt werden bzw. anhand derer sichergestellt werden soll, dass schon der Entstehung von Geruchsimmissionen vorgebeugt wird (§§ 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG i.V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG). Hintergrund dieser Handlungspflichten ist das vom Gesetz vorgegebene Ziel, Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen (§ 1 BImSchG).4 Im Konfliktfall muss das Recht die Frage beantwor2 Vgl. zur Bewertung von Geruch im Umweltprivatrecht Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 123 ff. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2470).

I. Problemaufriss

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ten, ob der Wahrnehmende den bei ihm auftretenden Geruch hinnehmen oder ob der Emittent den Ausstoß von Geruchsstoffen reduzieren muss. Die besondere Schwierigkeit bei der Beantwortung dieser Frage besteht in der Festlegung einer Grenze, die als Maßstab für die Entscheidung darüber dient, ob eine Geruchseinwirkung noch hinzunehmen oder schon unzumutbar ist. Die vorliegende Arbeit untersucht, auf welchem Wege das öffentlich-rechtliche Immissionsschutzrecht diese Grenze festlegt. Ausgangspunkt hierfür sind die rechtlichen Vorgaben für die Geruchsbewertung im BImSchG unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zum Umweltschutz.

3. Geruch als Regelungsgegenstand des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Geruch ist Regelungsgegenstand des BImSchG, wenngleich der Begriff nicht wortwörtlich im Gesetz auftaucht. Geruchsstoffe, die gemäß § 3 Abs. 4 BImSchG Luftverunreinigungen im Sinne des Gesetzes darstellen, werden zu Immissionen i. S. d. § 3 Abs. 2 BImSchG, wenn sie auf den Menschen einwirken.5 Geruchsimmissionen werden zu schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG, wenn sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen bei der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft herbeizuführen. Aus dem Wortlaut der Regelung ergibt sich zwar bereits, dass nicht jedwede Einwirkung schon eine schädliche Umwelteinwirkung im vorgenannten Sinne ist, sondern diese Einwirkung ein gewisses Störpotential aufweisen muss, das sie erst zur schädlichen Umwelteinwirkung werden lässt. Aufgrund der Unbestimmtheit der in der Definition verwendeten Begriffe lässt sich allein anhand der Norm gleichwohl noch nicht ermitteln, ob Geruchsimmissionen im Einzelfall schädliche Umwelteinwirkungen darstellen. Es gilt daher zu konkretisieren, unter welchen Voraussetzungen das vom Gesetz verlangte besondere Störpotential (die „Erheblichkeit“6) einer Immission vorliegt. Dies setzt die Festlegung einer Erheblichkeitsgrenze sowie die Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen und deren Bewertung anhand des zuvor festgelegten Maßstabs 4 Weitere in § 1 Abs. 1 BImSchG genannte Schutzgüter sind Tiere und Pflanzen, der Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstiger Sachgüter, die aber vorliegend nicht interessieren. 5 Biologisch korrekt spricht § 3 Abs. 4 BImSchG von Geruchsstoffen als die einen Geruch auslösenden Stoffe. Denn Geruch ist die Sinneswahrnehmung, die durch Geruchsstoffe ausgelöst wird und keine einem Gegenstand anhaftende Eigenschaft. Erst im Moment der Einwirkung löst der Geruchsstoff einen Geruch aus, dazu unten B. I. 1. 6 Die Einschränkung der Erheblichkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass die Industriegesellschaft gewisse Einwirkungen hinzunehmen gewillt ist, vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 46; so begründet auch bereits der Regierungsentwurf zu § 3 Abs. 1 BImSchG die Wortwahl des Gesetzes damit, dass auf die Einschränkung durch das Merkmal „erheblich“ in einem hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Land nicht verzichtet werden könne, vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29.

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A. Einfu¨hrung in die Problematik und Gang der Untersuchung

voraus. Beide Vorgänge erweisen sich bei der Geruchsbewertung aus verschiedenen Gründen als schwierig.

4. Grundlagen für die Ermittlung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen Als Maßstab zur Festlegung einer Erheblichkeitsgrenze für Geruchsimmissionen kommen verschiedene Kriterien in Betracht. Denkbar sind die Art des Geruchs, die Intensität, die Lästigkeit sowie die Häufigkeit und Dauer des Überschreitens der Geruchsschwelle.7 In Frage kommt darüber hinaus die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Betroffenen, wobei hier entschieden werden muss, inwieweit der individuellen Empfindlichkeit des Einzelnen für Geruch Rechnung zu tragen ist und auf welchem Wege dies geschehen kann. Insgesamt wird deutlich, dass der Entscheidung über die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen immer auch eine wertende Komponente innewohnt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der individuell empfundene Belästigungsgrad durch Geruch stark von wertenden Elementen geprägt ist. Anhand des einmal festgelegten Maßstabs sind die entscheidungserheblichen Tatsachen zu bewerten. Dazu müssen die vorhandenen oder im Falle des Anlagengenehmigungsverfahrens in Zukunft zu erwartenden Geruchsimmissionen ermittelt werden. Da Geruch nur sehr eingeschränkt mit technischen Hilfsmitteln messbar ist, muss auf das Messinstrument „Nase“ zurückgegriffen bzw. im Anlagengenehmigungsverfahren zusätzlich auf prognostizierende Berechnungen zukünftiger Geruchsereignisse abgestellt werden. Beiden Methoden wohnen Unsicherheiten inne, die darauf zurückzuführen sind, dass die menschliche Nase den bereits genannten subjektiven Einflussfaktoren unterliegt und eine prognostizierende Berechnung die reale Entwicklung immer nur annähernd voraussagen kann. Diesen Problemen wird mit Vorgaben zum Mess- und Berechnungsverfahren begegnet, die eine größtmögliche Objektivierung und Richtigkeit garantieren sollen. Bei der Festlegung solcher technischer Normen muss sich der Gesetzgeber gezwungenermaßen verwaltungsfremden Sachverstands bedienen.8 Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist daher auch, wie technische Regelungen, auf die die Geruchsbewertung nach dem BImSchG Bezug nimmt, zustande kommen und wie sich die Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgeber und externem Sachverstand bei der Umsetzung von technischen Abläufen und Vorgaben in das Recht gestaltet. Trotz aller Bemühungen um größtmögliche Objektivierung und Optimierung der Mess- und Berechnungsverfahren bleiben deren Ergebnisse mit Unsicherheiten Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6. Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 211; Gusy, NVwZ 1995, 105 ff.; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 1, 2 ff. 7 8

I. Problemaufriss

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behaftet.9 Hiermit konfligiert der nachvollziehbare Wunsch, Geruchsemissionen und -immissionen in handhabbare und real vorstellbare Zahlenwerte umzuwandeln.10 Die Vorstellung, Geruch könnte genauso behandelt werden, wie objektiv nachweisbare Luftschadstoffe, kann zur Festlegung von Emissionswerten führen, deren exakte Einhaltung messtechnisch kaum nachweisbar ist. Bei der Festsetzung bezifferter Immissionswerte besteht zudem die Gefahr, die der Beurteilung von Geruch notwendigerweise innewohnenden wertenden Elemente nicht ausreichend zu berücksichtigen.11 Gegenstand der Untersuchung ist daher auch, welche Grenzwerte für Geruchsemissionen und -immissionen bestehen und wie sie aus messtechnischer und rechtlicher Sicht zu bewerten sind. In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die generelle Frage nach der Notwendigkeit der Festlegung von Immissionswerten und den dabei auftretenden Schwierigkeiten. Zu hinterfragen ist auch, ob der Normgeber etwaige Grenz- oder Richtwerte selbst festlegen muss oder dies anderen überlassen kann, und in welchem Verfahren diese Werte festgelegt werden. Insgesamt ist zu untersuchen, ob es ein objektiv richtiges Ergebnis bei der Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht überhaupt geben kann12 und, wenn nicht, wie rechtliche Entscheidungen auf einer mit Unsicherheiten behafteten Tatsachengrundlage getroffen werden können. Die vorausgegangenen Ausführungen verdeutlichen, dass bei der Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht zahlreiche Gesichtspunkte zu beachten sind. Die Bewertung von Geruch ist kein schematischer, von eindeutigen Vorgaben bestimmter Entscheidungsvorgang. Aus diesem Grund stellt sie eine Herausforderung für Genehmigungsbehörden, für Gerichte, für Anlagenbetreiber und Nachbarn, für ihre Rechtsberater und für technische Sachverständige dar. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, den status quo der Geruchsbewertung umfassend darzustellen, kritisch zu untersuchen, Schwachstellen aufzuzeigen und Denkansätze für Lösungsmöglichkeiten zu geben, und damit einen Beitrag zur Fortentwicklung des Themas zu leisten. 5. Eingrenzung des Untersuchungsrahmens – Bewertung von Geruchsimmissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht Das BImSchG erfasst die Geruchseinwirkungen, die durch von seinem Geltungsbereich umfasste Tätigkeiten verursacht werden. Der sachliche Geltungsbereich des Gesetzes ist in § 2 Abs. 1 BImSchG abschließend aufgezählt. Dazu gehören die Errichtung und der Betrieb von Anlagen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG), Vgl. z. B. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61. Vgl. die DIN EN 13725, die den Wert der „Geruchseinheit“ in das Messverfahren einführt, anhand dessen jede mögliche Geruchsemission als Zahlenwert dargestellt werden können soll, dazu unten C. II. 2. 11 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 116. 12 Vgl. Boeker / Haas, Gefahrstoffe – RdL 2007, 331. 9

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A. Einfu¨hrung in die Problematik und Gang der Untersuchung

das Herstellen, Inverkehrbringen und Einführen von Anlagen, Stoffen, Erzeugnissen, Brennstoffen, Treibstoffen und Schmierstoffen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG), die Beschaffenheit und der Betrieb von Fahrzeugen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG), sowie der Bau und die Änderung von Straßen und Schienenwegen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG). Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf den anlagenbezogenen Immissionsschutz, mithin auf die Untersuchung der Bewertung der von genehmigungsbedürftigen sowie nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen verursachten Geruchsemissionen und -immissionen (§§ 4 ff., 22 ff. BImSchG). Diese Einschränkung ergibt sich daraus, dass eine Geruchseinwirkung von besonderer Relevanz ist, wo sie dauerhaft das Wohlbefinden einer Öffentlichkeit beeinträchtigt, die sich der Einwirkung nicht ohne weiteres entziehen kann, wie es typischerweise im Verhältnis von Anlagen zur Nachbarschaft der Fall ist. Das Augenmerk wird in dieser Arbeit insbesondere auf das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen gelegt, die eine gewisse Größe bzw. ein Mindestproduktionsvolumen aufweisen. Verursacher von Geruchsimmissionen sind zwar auch nicht genehmigungsbedürftige Anlagen und die sogenannten „Kleinemittenten“, wie Gaststätten und kleinere, in die Wohnbebauung eingegliederte Betriebe mit geruchsintensiven Verfahren (Bäckereien, Kaffeeröstereien, Lackierbetriebe etc.).13 Die Beurteilung von Geruchsimmissionen, die durch Kleinemittenten hervorgerufen werden, stellt innerhalb dieses Themenkreises aber ein Spezialproblem mit ebensolchen speziellen Fragen hinsichtlich der Messtechnik und des Bewertungsverfahrens dar14, das in dieser Arbeit nur am Rande dargestellt wird.

6. Parallelen zur Bewertung von Lärm und „Elektrosmog“ Das Problem der rechtlichen Bewertung von Umwelteinwirkungen, deren Beeinträchtigungspotential auch von der individuellen Empfindlichkeit des Betroffenen abhängt, die nur unzureichend messbar oder mit einem unbestimmbaren Risiko behaftet sind, beschränkt sich nicht allein auf Geruchsimmissionen. Schwierigkeiten bereitet beispielsweise auch die Bewertung von Lärm. Zwar gilt die Beurteilung von Lärm als einfacher als diejenige von Geruch, da Schallwellen objektiv messbar sind. Die Bedeutung der individuellen Empfindlichkeit und ihrer Berücksichtigung bei der Beurteilung von Lärm wird dennoch immer wieder diskutiert.15 Da die Wahrnehmung eines Geräusches ebenso wie die Wahrnehmung von Geruch eine Sinneswahrnehmung ist, überrascht es nicht, dass die Geruchsbewertung einige Komponenten der Lärmbeurteilung übernommen hat. So haben beispielsweise verschiedene Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht für die Bewertung von Lärmbelastungen entwickelt hat, auch für Geruchsbelastungen ihre Gültig13 14 15

Vgl. dazu Rindfleisch / Grafe / Reichert, Immissionsschutz 1998, 71 ff. Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 114. Vgl. z. B. Fröhlich, NVwZ 1997, 982, 983; Kutscheidt, NVwZ 1989, 193.

I. Problemaufriss

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keit.16 Es gibt auch den Vorschlag, auf europäischer Ebene für Geruch eine der Umgebungslärm-Richtlinie17 entsprechende Regelung zu entwickeln, auch wenn erkannt wird, dass dies aufgrund der eingeschränkten objektiven Messbarkeit von Geruch ein weitaus schwierigeres Unterfangen darstelle.18 Mit vergleichbar vielen unsicheren Komponenten wie die Geruchsbewertung ist auch die Bewertung von elektromagnetischer Strahlung, kurz als Elektrosmog19 bezeichnet, behaftet.20 Im Gegensatz zum Thema „Geruch“ sind Rechtsprechung und Literatur zu „Elektrosmog“ trotz der relativ kurzen Zeitspanne der rechtlichen Betrachtung des Themas nahezu unüberschaubar.21 Der Unterschied zur Geruchswahrnehmung besteht bei der elektromagnetischen Strahlung darin, dass diese zwar messbar, das von ihr ausgehende Risiko – wenn es eines gibt – jedoch weitgehend unerforscht ist. Mittlerweile existiert eine Verordnung, die bei der Errichtung und dem Betrieb von Hochfrequenzanlagen und Niederfrequenzanlagen zu beachten ist.22 Ein umfangreicher Vergleich der rechtlichen Bewertung von Geruch mit der Bewertung der vorgenannten Phänomene ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Die Arbeit beschränkt sich auf gelegentliche Querverweise auf diese Themenkreise.23

16 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 27. 01. 1994, Az.: 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6, in Bezug auf die Unzulässigkeit einer schematischen Anwendung von bestimmten Mittelungspegeln oder Grenzwerten bei der Bewertung von Lärm sowie von Geruch in Gemengelagen. 17 Richtlinie 2002 / 49 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. EG Nr. L 189, S. 12. 18 Vgl. van Broeck, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 91. 19 Der Begriff „smog“ stammt aus dem Englischen und steht für „fog polluted by smoke“ und wird im Deutschen als dicke, undurchdringliche, aus Rauch und Schmutz bestehende Dunstglocke bezeichnet, vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch; zur Kritik vgl. Hoppenberg / Meiners / Martens, NVwZ 1997, 12; Blümel / Pfeil, VerwArch 1994, 451, 453. 20 Vgl. dazu Hoppenberg / Meiners / Martens, NVwZ 1997, 12 ff. 21 Vgl. nur Determann, NVwZ 1997, 647 ff.; Rebentisch, DVBl. 1995, 495 ff.; Pützenbacher, Schädliche Umwelteinwirkungen durch „Elektrosmog“; Deutsch, Elektromagnetische Strahlung und Öffentliches Recht; Roßnagel / Neuser, UPR 1993, 401 ff., jeweils m. w. N.; außerdem OVG Lüneburg, Urt. v. 21. 04. 1992, Az. 1 M 351 / 91, NVwZ 1992, 993; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02. 12. 1992, Az.: 1 M 3997 / 92, UPR 1993, 155; OVG Münster, Beschl. v. 02. 12. 1992, Az.: 7 B 2917 / 92, UPR 1993, 156; VGH München, Urt. v. 27. 01. 1993, Az.: 20 A 92.40093 u. a., UPR 1993, 346. 22 Verordnung über elektromagnetische Felder vom 16. Dezember 1996, BGBl. I 1996, 1966; vgl. dazu Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 13e m. w. N. 23 Vgl. zur Lärmproblematik BGH, Urt. v. 14. 10. 1995, Az.: V ZR 76 / 93, DVBl. 1995, 111, 112; BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1975, Az.: IV C 71.73, BVerwGE 50, S. 49; BVerwG, Beschl. v. 29. 10. 1984, Az.: 7 B 149 / 84, NVwZ 1985, 186; zur Anwendung der vorgenannten Rechtsprechung auf die Beurteilung von Geruchsimmissionen vgl. BVerwG, Beschl. v. 29. 09. 1993, Az.: 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139.

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A. Einfu¨hrung in die Problematik und Gang der Untersuchung

7. Entwurf eines Umweltgesetzbuchs und Auswirkungen auf die Bewertung von Geruch In der 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags hatte die Projektgruppe UGB des Bundesumweltministeriums den Entwurf eines Umweltgesetzbuchs vorgelegt24, in das auch das Anlagengenehmigungsrecht des BImSchG hätte aufgehen sollen. Die große Koalition konnte sich jedoch nicht auf einen Entwurf einigen.25 Zur Regelung des deutschen Umweltrechts in einem Gesetzbuch wird es somit zumindest in nächster Zukunft nicht kommen.26 Infolge des Scheiterns des UGB sind vom Bundesumweltminister verschiedene einzelne Gesetzesentwürfe zur Novellierung des Umweltrechts auf den Weg gebracht worden, die auf den für das UGB vorgesehenen Fassungen der jeweiligen Regelungsbereiche beruhen. Das BImSchG wird, soweit bekannt, vorerst aber nicht geändert. Sollte das Anlagengenehmigungsrecht zukünftig aber doch auf der Grundlage der im UGB vorgesehenen Regelungen novelliert werden, würde sich die Herangehensweise an die Geruchsbewertung dadurch zumindest teilweise ändern.27 Die Fragen hinsichtlich der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen blieben gleichwohl dieselben. Viele der Überlegungen, die in dieser Arbeit angestellt werden, dürften somit auch in diesem Fall weiterhin Geltung beanspruchen. Im Zuge einer zukünftigen Überarbeitung des Immissionsschutzrechts könnten auch Grenzwerte für Geruchsimmissionen bundesweit einheitlich und allgemein verbindlich eingeführt werden. Bereits im Rahmen der Novellierung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft 200228 (TA Luft) sollte das System der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz29 aufgenommen werden. Die GIRL ist derzeit das einzige Regelwerk, das Grenzwerte für Geruchsimmissionen festlegt.30 Gegen die Aufnahme des Systems 24 Vgl. den auf den Internetseiten des Bundesumweltministeriums veröffentlichten Entwurf vom 19. 11. 2007, http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ugb1_allgem_ vorschriften.pdf; vgl. dazu Winter, ZUR 2008, 337 ff.; Calliess, ZUR 2008, 343 ff. 25 Vgl. o.V., „Die große Koalition kann sich nicht auf ein Umweltgesetzbuch einigen“, FAZ v. 02. 02. 2009, S. 1; o.V., Gabriel wirft der Union „Missbrauch der Verfassung“ vor, FAZ v. 03. 02. 3009, S. 1, 2. Es war bereits früher bezweifelt worden, dass es zum Erlass eines neuen Umweltgesetzbuchs kommen würde, vgl. Mrusek, Das neue Umweltgesetz droht an Details zu scheitern, FAZ v. 28. 07. 2008, S. 13. 26 Vgl. dazu Knopp, UPR 2009, 121. 27 Das UGBE setzt an die Stelle des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ den Begriff der „schädlichen Umweltveränderungen“; das sind auch auf Mensch oder Umwelt einwirkende Luftveränderungen, vgl. § 4 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 6 UGBE. 28 Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24. Juli 2002 (GMBl. 2002 S. 511). 29 Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz (heute: Bund- / Länder-Arbeitsgemeinschaft) in der Fassung vom 29. Februar 2008 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 29. Februar 2008 (zweite ergänzte und aktualisierte Fassung).

II. Gang der Untersuchung

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der GIRL in die TA Luft 2002 hat es heftige – und im Ergebnis erfolgreiche – Widerstände gegeben.31 Aus welchem Grund das System der GIRL abgelehnt worden und wie die GIRL aus rechtlicher Sicht zu beurteilen ist, wird in dieser Arbeit untersucht. In diesem Zuge wird auch der Frage nachgegangen, ob die GIRL als allgemein verbindliches Regelwerk erlassen werden sollte und welche Regelungsform sich hierfür anböte.

II. Gang der Untersuchung Im Anschluss an die Einleitung werden in den Kapiteln „Entstehung und Wahrnehmung von Geruch“ und „Messen und Bewerten von Geruch“ zunächst die naturwissenschaftlichen und technischen Grundlagen des Themas dargestellt. Dazu gehören die Beschreibung der chemischen Abläufe bei der Freisetzung von Geruchsstoffen und die Benennung der wesentlichen Geruchsemittenten. Hieran schließt sich die Darstellung des Vorgangs der Geruchswahrnehmung und der Geruchsinterpretation an. Danach werden die heute praktizierten Verfahren der olfaktometrischen und chemisch-analytischen Geruchsmessung vorgestellt. Die ausführliche Erörterung dieses nicht-juristischen Themenkreises erscheint unerlässlich für ein besseres Verständnis dessen, was die naturwissenschaftlich-technische Grundlage für die rechtliche Bewertung von Geruch bildet und somit auch für ein besseres Verständnis der Schwierigkeit der rechtlichen Bewertung selbst. Im Kapitel „Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung“ werden die gemeinschaftsrechtlichen und nationalrechtlichen Regelungen dargestellt, die die Grundlage der Geruchsbewertung im Immissionsschutzrecht bilden. Zunächst wird untersucht, inwieweit supranationale und gemeinschaftsrechtliche Regelungen Aussagen zu Geruchsimmissionen und zur Bewertung von Geruch treffen. Anschließend wird erörtert, inwiefern das Gemeinschaftsrecht das nationale Immissionsschutzrecht beeinflusst und auf diesem Wege auch für die Bewertung von Geruch von Bedeutung ist. Hieran schließt sich die Darstellung der wichtigsten Rechtsgrundlagen aus dem BImSchG an. Im Rahmen der Erörterung des § 3 BImSchG wird zunächst erläu30 Der GIRL liegt die Annahme zugrunde, dass es für den Belästigungsgrad von Geruchsimmissionen im Wesentlichen auf die relative Dauer der Geruchseinwirkung und in besonderen Fällen zusätzlich auf die hedonische Tönung (angenehm / neutral / unangenehm) bzw. die Art des auftretenden Geruchs ankommt (bei Geruchsimmissionen aus der Tierhaltung), vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97 ff.; Sucker / Müller / Both, Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft. Die von ihr aufgestellten Immissionswerte, die nach Baugebietsarten gestaffelt sind (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1992, Az.: 7 C 25 / 91, BVerwGE 90, S. 163, 165), lehnen sich an Ergebnisse aus der Lärmforschung an, die die Zumutbarkeitsgrenze einer Einwirkung dort festlegt, wo ein bestimmter Anteil der Bevölkerung sich erheblich belästigt fühlt („people highly annoyed“); vgl. unten D. V. 31 Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 111.

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A. Einfu¨hrung in die Problematik und Gang der Untersuchung

tert, unter welchen Voraussetzungen Geruchsimmissionen zu schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werden. Anschließend wird anhand der §§ 4 ff. und 22 ff. BImSchG erörtert, welche Anforderungen das BImSchG an Betreiber von Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen stellt. Daraufhin werden die auf der Grundlage des BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften dargestellt, die Aussagen zur Bewertung von Geruch treffen. Hieran schließt sich die Darstellung der Geruchsimmissions-Richtlinie sowie der technischen Regelwerke privater Stellen an. Im Kapitel „Rechtsschutz“ wird erörtert, welche Rechte und Pflichten Geruchsemittent und Nachbarschaft jeweils haben und wie sie diese durchsetzen können. Daran schließt sich eine kurze Darstellung von Systemen zur „Geruchsbewertung in anderen Ländern“ an. Im Kapitel „Eigene Lösungsansätze“ wird auf der Grundlage der zuvor gewonnenen Ergebnisse erörtert, wie die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht zu beurteilen ist und wie eventuell ausgemachte Schwachstellen behoben bzw. Lücken der Geruchsbewertung im Immissionsschutzrecht geschlossen werden könnten. Dazu gehört auch ein kurzer Exkurs zu der grundsätzlichen Schwierigkeit der Umsetzung technischer Standards und naturwissenschaftlicher Vorgänge in das Recht sowie zu der Frage, ob Grenzwerte im Immissionsschutzrecht vom Gesetzgeber oder von anderen Stellen festgelegt werden müssen und wie die Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgeber und anderen Stellen in diesem Bereich zu bewerten ist. Den Abschluss bildet das Kapitel „Ausblick“ mit einer Prognose, wie sich die Geruchsbewertung in Zukunft entwickeln könnte und welche Fragen sich im Zusammenhang mit der Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht nach Auffassung der Verfasserin zukünftig stellen werden.

B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch 1. Geruch Geruch ist entgegen dem umgangssprachlichen Verständnis keine einem Stoff anhaftende Eigenschaft. Wir sagen zwar „Die Milch riecht schlecht“, oder „Der Kaffee riecht gut“. Richtig müsste es aber heißen: „Die vom Kaffee ausgehenden Geruchsstoffmoleküle rufen bei mir einen Geruchsreiz hervor, den ich als angenehm empfinde.“ Denn Geruch ist im medizinisch korrekten Verständnis eine Empfindung, die durch die Verarbeitung von äußerlich gesetzten Reizen hervorgerufen wird.1 Die Geruchsempfindung wird von bestimmten, von Stoffen freigesetzten Molekülen hervorgerufen, die Geruchsstoffmoleküle genannt werden. Mit der Atemluft gelangen sie an die Membran der äußersten Fortsätze der Riechzellen in der Nasenschleimhaut und lösen dort einen Reiz aus. Dieser Reiz wird an das Gehirn weitergeleitet, dort verarbeitet, registriert und bewertet.2 Ob ein Stoff „Geruch“ hat, kann nur der Riecher entscheiden.3 Geruch wird aus diesem Grunde auch bezeichnet als „subjektives Immissionsergebnis“ oder als summarische Wirkgröße, im Gegensatz zu einer Stoffgröße.4 a) Geruchsstoffe Auslöser von Geruch sind organische5 oder anorganische6 Verbindungen, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften einen Geruchsreiz in der menschlichen 1 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 15; Fodor, in: Kettner (Hrsg.), Geruchsbelästigende Stoffe, S. 9; Ohloff, Riechstoffe und Geruchssinn, S. 1; Cooperative, Geruch, S. 5; Weller, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 21, 24; Frechen, in: Hahn / Kraus (Hrsg.), Geruchsemissionen, S. 4. 2 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 5; Weller, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 21. 3 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 5. 4 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 5; Frechen, in: Hahn / Kraus (Hrsg.), Geruchsemissionen, S. 4. 5 Organische Verbindungen sind die Verbindungen des Kohlenstoffs. Bekannt sind heute mehr als 15 Millionen Verbindungen, vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 20, „organische Chemie“. 6 Mit dem Begriff der „anorganischen Chemie“ bezeichnete man ursprünglich alle Stoffe der unbelebten Natur; heute versteht man darunter das Teilgebiet der Chemie, das sich mit

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

Nase hervorrufen.7 Geruchsstoffe gehen sowohl von der gesamten lebenden Materie und ihrer Derivate als auch von anorganischen Verbindungen aus. Es existiert somit eine kaum fassbare Vielzahl natürlicher oder technischer Stoffumwandlungsprozesse, bei der Geruchsstoffe freigesetzt werden.8 Den Großteil der vom Menschen wahrnehmbaren Stoffe bilden dabei die organischen Verbindungen, nur ein kleiner Teil der anorganischen Verbindungen setzt Geruchsstoffe frei, die vom Menschen wahrgenommen werden können. Geruchsstoffe sind überall in der Luft enthalten.9 Dennoch nimmt der Mensch nicht ununterbrochen Geruch wahr. Denn zur Auslösung eines Geruchsreizes muss eine bestimmte Anzahl an Geruchsstoffmolekülen an die Riechschleimhaut gelangen. Gelangt diese kritische Menge an Geruchsstoffmolekülen, die von Geruchsstoff zu Geruchsstoff variiert, an die Rezeptorzellen in der Nase, so wird eine Geruchsempfindung ausgelöst. Jeder Geruchsstoff hat eine für ihn charakteristische Wirkung, die in seiner spezifischen chemischen Struktur begründet ist.10

b) Eigenschaften von Geruchsstoffen aa) Flüchtigkeit Geruchsstoffe weisen bestimmte chemische und physikalische Eigenschaften auf, die Voraussetzung dafür sind, dass sie vom menschlichen Geruchsorgan wahrgenommen werden können. Der Mensch kann nur flüchtige Geruchsstoffe wahrnehmen. Als flüchtig wird ein Stoff bezeichnet, der unter natürlichen Milieubedingungen imstande ist zu verdampfen oder der bereits im gasförmigen Aggregatzustand existiert.11 Die Flüchtigkeit einer chemischen Verbindung hängt unter anderem von ihrer Größe ab. Je leichter ein Molekül ist, desto schneller kann es sich verflüchtigen.12 In Bezug auf Geruchsstoffe liegt eine ausreichende Flüchtigkeit vor, wenn die relative Molekülmasse nicht größer als 350 M ist.13

dem chemischen Verhalten aller Elemente und ihrer Verbindungen befasst, mit Ausnahme der in der organischen Chemie behandelten Verbindungen des Kohlenstoffs, vgl. BrockhausRedaktion, Enzyklopädie, Band 2, „anorganische Chemie“. 7 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 18. 8 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 17. 9 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 5. 10 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 17. 11 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 19. 12 Vgl. Bockreis / Steinberg, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 1, 7. 13 Die Maßeinheit für die Größe eines Moleküls ist die Molare Masse, die mit dem Zeichen M oder mol abgekürzt wird. Sie ist der Quotient aus der Masse der Substanz und der Stoffmenge dieser Substanz. Die Einheit ist g / mol. Ein Mol einer Substanz ist die Stoffmenge, die aus ebenso vielen Teilchen besteht, wie in zwölf Gramm des Kohlenstoffisotops 12 12 C C-Atome enthalten sind.

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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bb) Löslichkeit Da die Membran der einzelnen Riechzellenfortsätze von einer Fettschicht umgeben und mitsamt der Fettschicht in die wässrige Nasenschleimhaut eingebettet ist, müssen Geruchsstoffe einen Mindestgrad an Wasserlöslichkeit aufweisen,14 sie müssen hydrophil15 sein. Um die die Riechnervenenden umgebende Fettschicht durchdringen zu können, müssen Geruchsstoffe darüber hinaus auch lipophil16 sein.17 Im Hinblick auf ihre Fähigkeit, vorhandene Grenzschichten, wie Wasseroder Schleimschichten oder auch Zellmembranen zu durchdringen, bezeichnet man Geruchsstoffe auch als Osmogene.18 cc) Struktur und funktionelle Gruppen Um als Geruchsstoff wahrgenommen werden zu können, muss ein Molekül mindestens eine geruchstragende Gruppe aufweisen.19 Dabei handelt es sich um funktionelle Gruppen, das heißt um Atome oder Atomgruppierungen, die einer Verbindungsklasse charakteristische physikalische und chemische Eigenschaften verleihen.20 Die spezifische angenehme oder unangenehme Geruchswirkung eines Stoffs ist auf ebendiese funktionellen Gruppen in der Struktur des jeweiligen Stoffs zurückzuführen. Ganz allgemein können die geruchstragenden Gruppen in Eusmophore und Kakosmophore unterteilt werden.21 Die eusmophoren Gruppen lösen einen eher angenehmen Geruch, die kakosmophoren Gruppen hingegen einen eher unangenehmen Geruch aus. Beispielsweise löst ein Molekül, das die Gruppe -CHO, bestehend aus Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) trägt, einen eher angenehmen Geruch aus und wird aus diesem Grund den Eusmophoren zugeordnet.22 Die funktionelle 14 Vgl. Bockreis / Steinberg, Geruch, S. 1, 2; Ohloff, Düfte, S. 33; Schön / Hübner, Geruch, S. 20; Cooperative, Geruch, S. 6. 15 Hydrophil (von griech. hydros (Wasser) philos (liebend), „wasserliebend“) im chemischen Sinne bedeutet Wasser anziehend, Feuchtigkeit aufnehmend oder in Wasser löslich, vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 13, „hydrophil“; vgl. auch Schön / Hübner, Geruch, S. 20; Cooperative, Geruch, S. 6. 16 Lipophil (von griech., „fettliebend“) ist die Bezeichnung für den Molekülteil einer Verbindung, der besonders mit Fetten (Lipiden) in Wechselwirkung tritt, vgl. BrockhausRedaktion, Enzyklopädie, Band 17, „lipophil“. 17 Vgl. Bockreis / Steinberg, Geruch, S. 1, 2. 18 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 20; Cooperative, Geruch, S. 6. 19 Vgl. BayStUGV, Analysesystem, S. 18. 20 Vgl. Redaktion Schule und Lernen, Schülerduden Chemie, „funktionelle Gruppen“; Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 10, „funktionelle Gruppe“. 21 Eusmophore (von eus (griech.) gut), kakosmophore (von kakós (griech.), übel), Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 16, „kakosmophor“.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

Gruppe -CHO kennzeichnet die Aldehyde, das heißt organische Verbindungen, die als funktionelle Gruppe die Aldehydgruppe -CHO im Molekül enthalten.23 Den Eusmophoren werden auch die funktionellen Gruppen -OH (Alkohole), -OR (Ether), -COR (Ketone), -COOR (Ester), -CN (Cyanverbindungen) und -NO2 (Nitroverbindungen) zugeordnet. Ist hingegen die funktionelle Gruppe -SH, bestehend aus Schwefel (S) und Wasserstoff (H) Teil des Moleküls, so löst dieses Molekül eher einen unangenehmen Geruch aus und wird der Gruppe der Kakosmophoren zugeordnet.24 Die funktionelle Gruppe -SH kennzeichnet die Verbindungen der Stoffgruppe der Merkaptane. Zu den kakosmophoren Gruppen werden darüber hinaus gezählt -SR (Thioether), -CSR (Thioketone), -NC (Nitrile) und -NH2 (Amine).25 dd) Molekulare Struktur und Wirkung von Geruchsstoffen Wenngleich die Geruchswirkungen einiger chemischer Verbindungen bekannt sind, so ist dennoch nicht geklärt, wie die Bildung, die Struktur und die Wirkung von Geruchsstoffen zusammenhängen. Eine allgemein gültige Antwort auf die Frage, welchen Geruchseindruck ein Geruchsstoff in Abhängigkeit von seiner Entstehung und seiner Struktur auslöst, existiert nicht. Es ist bisher nicht gelungen, verbindliche Aussagen darüber zu treffen, ob sich von der Struktur oder dem räumlichen Aufbau eines Moleküls einem bestimmten Gesetz folgend auf seine Geruchswirkung schließen lässt.26 So lösen beispielsweise ähnlich gebaute Moleküle nicht zwingend auch einen ähnlichen Geruch aus. Verbindungen sehr ähnlicher Struktur können verschiedene Geruchswirkungen auslösen. Verbindungen sehr unterschiedlicher Struktur können ähnlich riechen.27 Durch die geringfügige Veränderung der Zusammensetzung eines Moleküls kann der Geruchscharakter verändert werden, beispielsweise durch Entfernen eines Atoms und Hinzufügen eines andersartigen Atoms. Selbst wenn also die Geruchswirkung einer spezifischen chemischen Verbindung bekannt ist, so können Veränderungen dieser Verbindung – zum Beispiel durch chemische Reaktionen mit anderen in der Luft enthaltenen Verbindungen oder durch die Veränderung der Konzentration der Verbindung in der Luft – auch zu einer Änderung der von ihr ausgelösten Geruchswirkung führen. 22 Allerdings ist zwischen den niederen Aldehyden, die von unangenehm stechendem Geruch sind, und den höheren Aldehyden, die meist einen angenehmen Geruch haben, zu unterscheiden, vgl. Redaktion Schule und Lernen, Schülerduden Chemie, „Aldehyde“. 23 Vgl. Redaktion Schule und Lernen, Schülerduden Chemie, „Aldehyde“. 24 Vgl. BayStMUGV (Hrsg.), Analysesystem, S. 18. 25 Vgl. BayStMUGV (Hrsg.), Analysesystem, S. 18; Schön / Hübner, Geruch, S. 22. 26 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 17. 27 Vgl. Jager / Zeschmar-Lahl, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 58; Schön / Hübner, Geruch, S. 18.

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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Erwiesen ist hingegen, dass Qualität und Intensität einer Geruchsempfindung mit der Veränderung der Konzentration gleichartiger Moleküle wechseln können.28 So riecht beispielsweise der Stoff Skatol29 in geringer Konzentration nach Jasmin, in höherer Konzentration nach Fäkalien.

2. Die Freisetzung von Geruchsstoffen a) Die Verdampfung flüssiger oder fester Stoffe Geruchsstoffe werden sowohl von flüssigen als auch von festen Stoffen freigesetzt. Der Vorgang der Freisetzung wird als Verdampfung bezeichnet, wobei je nach Ausgangszustand des Stoffes zwischen Verdunstung, Sieden und Sublimation unterschieden wird.30 Als Verdunstung wird die Verdampfung bezeichnet, die bei Temperaturen unterhalb des Siedepunkts stattfindet und nur von der Oberfläche einer Flüssigkeit aus erfolgt.31 Im Unterschied zur Verdunstung wird mit Sieden diejenige Art der Verdampfung einer Flüssigkeit bezeichnet, die unter Dampfblasenbildung im ganzen Flüssigkeitsvolumen stattfindet. Durch die Erhöhung der Temperatur einer Flüssigkeit steigt ihr Dampfdruck über das Maß des sie umgebenden Gasraums. Dadurch verdampft die Flüssigkeit auch im Inneren, sie siedet.32 Schließlich kann Verdampfung auch durch den Übergang eines festen direkt in einen gasförmigen Zustand erfolgen. Dieser Vorgang wird als Sublimation bezeichnet.33 Die Fähigkeit eines Stoffes, in den Dampfzustand überzugehen, wird – wie bereits erwähnt – als Flüchtigkeit bezeichnet.34 In welchem Maße Geruchsstoffe freigesetzt werden, hängt sowohl von den einem Stoff anhaftenden Eigenschaften, wie beispielsweise seinem Gewicht als auch von den den Stoff umgebenden Bedingungen, wie Temperatur, Dampfdruck und Stoffkonzentration im Gasraum ab. Vgl. Jager / Zeschmar-Lahl, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 55. Skatol ist in der chemischen Bezeichnung 3-Methyl-Indol; es handelt sich um eine weiße, kristalline, in Wasser und Alkohol lösliche heterozyklische Verbindung, die in starker Verdünnung blumig, in hoher Konzentration sehr unangenehm nach Fäkalien riecht. Skatol entsteht im Organismus beim Eiweißabbau aus Tryptophan; Tryptophan kommt als Aminosäure in geringen Mengen in fast allen Proteinen vor. Im Organismus wird Tryptophan durch enzymatische Reaktionen (oxidative Desaminierung und Decarboxylierung) bis zu Skatol oder Indol abgebaut. Der Geruch von Fäkalien ist hauptsächlich auf das Skatol zurückzuführen, vgl. Beyer, Lehrbuch der organischen Chemie, S. 725, 727. Synthetisch hergestelltes Skatol wird in geringen Mengen in der Parfümindustrie verwendet, vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 25, „Skatol“. 30 Vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 28, „Verdampfung“. 31 Vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 28, „Verdunstung“. 32 Vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 25, „Sieden“. 33 Vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 26, „Sublimation“. 34 Vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 9, „Flüchtigkeit“. 28 29

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

Soweit die Verdampfung vom flüssigen in den gasförmigen Zustand erfolgt, begünstigen hohe Temperaturen das Freisetzen von Geruchsstoffen in die Atmosphäre, da die Löslichkeit von Gas in Wasser mit zunehmender Temperatur abnimmt.35 In diesem Fall ist auch die Luftfeuchtigkeit für das Maß an Verdampfung von Bedeutung, denn in feuchter Luft verdunstet weniger Wasser als in trockener.36

b) Typen von Freisetzungsvorgängen Geruchsstoffe werden sowohl bei organischen als auch bei anorganischen Reaktionen freigesetzt. Diese Freisetzungsvorgänge können weiter in Untergruppen unterteilt werden, je nachdem ob die Reaktion unter Sauerstoffeinfluss oder ohne Sauerstoffzufuhr erfolgt und ob die Geruchsstoffe bei Stoffwechselvorgängen oder bei anderen (technischen) Prozessen emittiert werden. aa) Die Freisetzung von Geruchsstoffen als Folge von Stoffwechselvorgängen Typische Emittenten von Stoffwechselprodukten sind die Nahrungs- und Futtermittelindustrie und Entsorgungsanlagen, wie die Abwasser- und Abfallbehandlung.37 Mit dem Begriff Stoffwechselvorgang wird der Ab- und Umbau organischer Verbindungen durch Mikroorganismen bezeichnet. Dabei unterscheidet man aerobe, anoxische und anaerobe Vorgänge.38 Aerob sind Lebensvorgänge, die in Gegenwart von Sauerstoff ablaufen. Der aerobe Vorgang beschreibt den Ab- und Umbau organischer Verbindungen durch aerobe Bakterien. Bei aeroben Vorgängen werden durch die Einbindung von Sauerstoff als Energielieferant nur wenige als unangenehm empfundene Geruchsstoffe freigesetzt. Die Bakterien beziehen ihre Energie aus dem Abbau organischer Stoffe mit Hilfe von Sauerstoff (O2), was als Dissimilation bezeichnet wird. Beim Abbau beispielsweise von Glukose (C6H12O6) entsteht unter Sauerstoffverbrauch wieder Wasser (H2O) und Kohlenstoffdioxid (CO2, kurz: Kohlendioxid). Stickstoffhaltige Stoffe (N) wie Eiweiße (bestehen aus Aminosäuren (NH2)) oder schwefelhaltige Stoffe (S) wie einige Aminosäuren werden ebenso bakteriell abgebaut, wobei die Oxide NOX oder SOX entstehen.39 Neben der Nutzung organischer Stoffe kann auch aus anorganischen Stoffen Energie gewonnen werden von Bakterien, die man als chemoautotroph bezeichnet.40 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 36. Vgl. Redaktion Schule und Lernen, Schülerduden Physik, „Verdampfen“. 37 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 10 f. 38 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 10. 39 Das x steht für die mögliche Anzahl der Sauerstoffatome (NO = Stickstoffoxid, NO = 2 Stickstoffdioxid; SO2 = Schwefeldioxid, SO3 = Schwefeltrioxid). 35 36

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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Unter anoxischen Bedingungen verläuft ein Umwandlungsprozess dann, wenn ein Mangel an freiem Sauerstoff auftritt und andere Substanzen die Funktion des Sauerstoffs bei der Energiegewinnung übernehmen müssen. In diesen Fällen können anorganische Verbindungen wie Nitrat (NO3, Salze der Salpetersäure HNO3), Sulfat (-SO4, Salze der Schwefelsäure) oder Kohlendioxid (CO2) herangezogen werden. Dieser Prozess setzt sich solange fort, bis entweder alle Oxidationsmittel in der Reihenfolge Sauerstoff – Nitrat – Sulfat – Kohlendioxid aufgebraucht sind oder der organische Stoff abgebaut ist. Es entstehen dabei Stickstoff (N), Schwefelwasserstoff (H2S) und Methan (CH4), wobei die beiden letzteren sehr intensive Geruchsstoffe darstellen.41 Als anaerob werden Vorgänge bezeichnet, bei denen der Sauerstoff ganz fehlt. Die Mikroorganismen bauen die organischen Substanzen mittels enzymatischer Atmung ab. Dabei werden von verschiedenen Bakterien unterschiedliche Faulverfahren wie die alkoholische und die Milchsäure-Gärung verwendet. Besonders bei der Zersetzung von Kohlenhydraten und Eiweißstoffen entstehen geruchsintensive Stoffe, unter anderem niedere Fettsäuren, Aldehyde, Alkohole, stickstoffhaltige und schwefelige Verbindungen (z. B. Schwefelwasserstoff (H2S)). bb) Die Freisetzung von Geruchsstoffen als Folge technischer Vorgänge Bei chemischen Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen sowie bei thermischen Prozessen treten spezifische Stoffe auf, die als Geruchsstoffe wahrnehmbar und teilweise auch gesundheitsschädlich sind. Emittenten dieser Geruchsstoffe sind beispielsweise die chemische Industrie, die Farben- und Lackindustrie, Raffinerien sowie die Kunststoff- und die Papierindustrie. Dort werden sowohl anorganische als auch organische Verbindungen emittiert, die häufig leicht flüchtig sind und beim Hantieren schnell in die Luft eintreten.42

3. Verursacher immissionsschutzrechtlich relevanten Geruchs Der folgende Katalog stellt keine abschließende Aufzählung dar, sondern greift beispielhaft besonders relevante Geruchsemittenten heraus.

40 Die chemoautotrophen Bakterien nutzen z. B. Schwefelwasserstoff (H S), das in Quel2 len, in Darmgasen, im faulen Ei und auch in sehr geringen Mengen in der Luft enthalten ist; sie nutzen Ammoniak (NH3), Nitrit (das ist ein -NO2 Rest von HNO2 = salpetrige Säure, deren Salze Nitrite heißen); sie nutzen auch 2-wertiges Eisen und Knallgas (Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoff). 41 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 10. 42 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 7.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

a) Landwirtschaftliche Anlagen Geruchsemissionen aus der Landwirtschaft43 rühren im Wesentlichen aus drei Quellen her: aus der Tierhaltung, aus der Lagerung von Tierexkrementen und aus der Düngung landwirtschaftlich genutzter Flächen. Dabei werden immissionsschutzrechtlich lediglich die ersten beiden betrachtet, da Ackerflächen keine Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG darstellen und daher nicht dem Anwendungsbereich des BImSchG unterfallen.44 Ein wesentlicher Geruchsstoffemittent in der Landwirtschaft ist die Tierhaltung.45 Quellen der Geruchsstoffe sind die Tiere, die Stallabluft, die Herstellung, Lagerung und Verteilung von Futtermitteln, sowie die Gülle46. Die Ausscheidungen der Tiere nehmen den wesentlichen Anteil bei der Freisetzung von Geruchsstoffen ein.47 43 Die Zusammenstellung der immissionsschutzrechtlich relevanten Geruchsemittenten lehnt sich an die Systematik des Anhangs der Vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG (4. BImSchV) (vom 24. 07. 1985, BGBl. I 1985, 1586) an, in der die nach dem BImSchG genehmigungspflichtigen Anlagen abschließend aufgezählt sind, dazu unten Kapitel D. III. 1. b) aa) (1). Die Genehmigungspflichtigkeit bestimmter Anlagentypen indiziert bereits, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese bei ihrer Errichtung und ihrem Betrieb schädliche Umwelteinwirkungen, wie zum Beispiel erhebliche Geruchsimmissionen, herbeiführen können. Geruchsimmissionen werden jedoch auch von genehmigungsfreien Anlagen hervorgerufen. 44 Vgl. dazu Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 74, 76, 77; ob möglicherweise eine nachbarrechtliche Bewertung der von der Düngung hervorgerufenen Geruchsimmissionen erfolgt, ist ausschließlich Frage des zivilrechtlichen Nachbarschutzes gemäß § 906 BGB; anders verhält sich dies jedoch bei einem Dunghaufen, der als Lagerstätte eine Nebeneinrichtung zu einem landwirtschaftlichen Betrieb darstellen kann und der als nicht genehmigungsbedürftige Anlage i. S. d. § 22 BImSchG dem Prüfungsmaßstab des Gesetzes unterfällt, vgl. VG Minden, Urt. v. 14. 01. 1983, Az.: 1 K 1996 / 81, AgrarR 1983, 192; vgl. dazu auch Gablenz, ZMR 2000, 499 ff. 45 Genehmigungspflichtig nach dem BImSchG sind zwar erst Tierhaltungen ab einer bestimmten Größe, vgl. Nr. 7.1 Anhang zur 4. Spalte 1 BImSchV; dort werden beispielsweise Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel oder Pelztieren oder zum Halten oder zur getrennten Aufzucht von Rindern oder Schweinen mit 40.000 Hennenplätzen, 40.000 Mastgeflügelplätzen oder 40.000 Truthühnermastplätzen genannt; in Spalte 2 werden beispielsweise Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von 600 oder mehr Rinderplätzen genannt; zu allem unten IV.C.; Geruchsimmissionen werden jedoch auch von Tierhaltungen wesentlich geringerer Größe verursacht, die nicht genehmigungspflichtig sind, aber Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG darstellen und deren Betrieb in den Anwendungsbereich des § 22 BImSchG fällt, so dass bestimmte immissionsschutzrechtliche Pflichten auch ihre Betreiber treffen, vgl. etwa VGH Kassel, Urt. v. 08. 12. 2005, Az.: 4 UE 1207 / 05, BauR 2006, 807 (Geruchsimmissionen aus der Haltung von 66 Milchkühen zuzüglich Nachzucht); VGH München, Urt. v. 01. 07. 2005, Az.: 25 B 99.86, NJOZ 2005, 3882 (Geruchsimmssionen aus der Haltung von 140 Mastschweinen). 46 Unter Gülle versteht man im Allgemeinen das bei der heute üblichen Tierhaltung anfallende Gemisch aus Kot und Harn, vermischt mit unterschiedlichen Anteilen von Tränk- und Reinigungswasser, Futter und Einstreuresten, Haut-, Haar- und Hornteilchen, vgl. Anders, in: Hahn / Kraus (Hrsg.), Geruchsemissionen, S. 162.

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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Von den genannten Quellen gehen Gase aus, die sowohl geruchsintensiv als auch gesundheitsschädlich sind. Beim Abbau von Kot und Harn durch Mikroorganismen entstehen im Stall neben dem farb- und geruchlosen Gas Kohlendioxid (CO2) auch Ammoniak (NH3) und Schwefelwasserstoff (H2S). Ammoniak ist gekennzeichnet durch einen stechenden Geruch.48 Schwefelwasserstoff hat in niedrigen Konzentrationen einen typischen, an faule Eier erinnernden Geruch, der in höheren Konzentrationen unter Umständen nicht mehr wahrgenommen werden kann.49 Schwefelwasserstoff entsteht bei der anoxischen Zersetzung von organischen Substanzen, wie zum Beispiel der Eiweiße im Kot und Urin der Tiere, die besonders intensive Geruchsstoffe hervorbringt.50 Bei der Eiweißzersetzung sowie bei anderen Stoffwechselvorgängen werden neben den vorgenannten Gasen auch noch eine Reihe chemischer Verbindungen gebildet, die als reine Geruchskomponenten – ohne unmittelbar gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung – anzusehen sind. Sie gehören verschiedenen chemischen Stoffgruppen an, wie beispielsweise den Aldehyden (Carbonyle), Merkaptanen (Schwefelverbindungen; entstehen bei der Zersetzung von eiweißhaltigen Stoffen), Aminen (Stickstoffverbindungen; entstehen als Spaltprodukt bei der Zersetzung von Eiweiß), Disulfiden und Fettsäuren.51 Dabei wird aus jeder Stoffgruppe jeweils eine Vielzahl verschiedener Verbindungen gebildet, das heißt eine Vielzahl von Aldehyden, eine Vielzahl von Ketonen etc.52 Insgesamt geht von der Tierhaltung eine unüberschaubare Anzahl verschiedener Geruchsarten aus, die nicht vollständig erforscht und bekannt sind. Beispielsweise hat man in der Luft eines Schweinestalls Propansäure (C2H5COOH) identifiziert, die einen ranzigen Geruchscharakter aufweist, außerdem Butansäure (C3H7COOH), die in ihrem Geruchscharakter an Erbrochenes erinnert, was von der darin enthaltenen Buttersäure herrührt, darüber hinaus mit stechendem Geruchscharakter Phenol (PhOH) und 4-Methylphenol (CH3PhOH), sowie mit beißendem bzw. fäkalischem Geruch Indol (C8H6N) und 3-Methylindol (Skatol; C9H8N).53

47 Vgl. Rüprich, Gerüche aus Schweinehaltungsbetrieben, S. 2; KTBL (Hrsg.), Geruchsbelästigung durch Nutztierhaltung, S. 16 f.; Müller / Krehl / Möller, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 12. 48 Vgl. Anders, in: Hahn / Kraus (Hrsg.), Geruchsemissionen, S. 163. 49 Vgl. KTBL (Hrsg.), Geruchsbelästigung durch Nutztierhaltung, S. 21. Hier zeigt sich das bereits oben (B. I. 1. b) dd)) angesprochene Phänomen der Änderung der Geruchswirkung bei steigenden Konzentrationen an Geruchsstoffmolekülen. 50 Vgl. oben B. I. 2. b) aa). 51 Vgl. KTBL (Hrsg.), Geruchsbelästigung durch Nutztierhaltung, S. 19; Quellmalz, in: VDI (Hrsg.), Geruchsprobleme bei Tierhaltung, S. 7. 52 Vgl. Quellmalz, in: VDI (Hrsg.), Geruchsprobleme bei Tierhaltung, S. 9. 53 Vgl. Grotz, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 95.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

b) Nahrungs- und Futtermittelproduktion Zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion gehört die Verarbeitung von tierischen und pflanzlichen Rohstoffen zu Nahrungs- und Futtermitteln, die Veredelung von Nahrungsmitteln durch Koch-, Brat-, Röst-, Räucher- und Backvorgänge, sowie der gesamten Bereich der Gärung (Milchprodukte, alkoholische Getränke (insbes. Bier), Sauerkraut, Hefe). Abhängig vom Ausgangsstoff entstehen dabei unterschiedliche Geruchsstoffe, von denen einige im Folgenden anhand von ausgewählten Beispielen beschrieben werden. In „Anlagen zur Verwertung und Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen“54 entstehen bei der Verarbeitung von Tierkörpern, von Schlachtabfällen, Knochen, Blut, Borsten und Federn durch Trocknung, Entfettung und Produktaufbereitung geruchsintensive Abbauprodukte, wie Ammoniak und Amine, Schwefelverbindungen, wie Schwefelwasserstoff, gesättigte und ungesättigte niedere Fettsäuren, Aldehyde, Ketone und andere organische Verbindungen. Durch die synergetische Wirkung der Komponenten kann sich die Geruchsintensität des Gemisches im Vergleich zu der der Einzelkomponenten noch verstärken. Dabei entsteht ein Geruch, der als „typischer TierkörperbeseitigungsanlagenGeruch“ beschrieben wird.55 Es werden dabei ähnliche Geruchsstoffe freigesetzt wie bei der Tierhaltung. Auch die Verarbeitung pflanzlicher Ausgangsstoffe führt zur Freisetzung von Geruchsstoffen. So werden beispielsweise bei der Gewinnung pflanzlicher Öle und Fette aus Sojabohnen, Raps oder Sonnenblumenkernen56 im Wesentlichen komplexe Gemische leichtflüchtiger organischer Verbindungen freigesetzt, deren Geruchswirkung von den eingesetzten Rohwaren geprägt wird. Vorwiegend sind dies freie Fettsäuren, organische Stickstoffverbindungen und bei der Rapsverarbeitung auch organische Schwefelverbindungen.57 Geruchsintensiv ist auch der Vorgang des Räucherns von Fleisch und Fisch. Dabei entstehen in umweltrelevanten Mengen Kohlenmonoxid, Phenole, Acrolein und kurzkettige und längerkettige organische Säuren, Teerstoffe und in geringen Mengen unter anderem Formaldehyd und polyzyclische aromatische Kohlenwasserstoffe.58 54 Diese Zusammenfassung folgt der VDI-Richtlinie 2590, vgl. VDI / DIN, Emissionsminderung bei der Nahrungsmittelherstellung, S. 1 f. 55 Vgl. VDI-Richtlinie 2590, Nr. 1.3 „Entstehung, chemische Zusammensetzung und Menge der Emissionen“, in: VDI / DIN, Emissionsminderung bei der Nahrungsmittelproduktion, S. 11. 56 Diese drei Rohstoffe nehmen den wesentlichen Anteil bei der Produktion pflanzlicher Öle und Fette ein, vgl. die vom Verband Deutscher Ölmühlen e.V. Veröffentlichten Marktinformationen, abrufbar unter http://www.oelmuehlen.de/marktinformationen/demarkt.html. 57 Vgl. VDI-Richtlinie 2592, Nr. 1.3.3.1 Emission von Geruchsstoffen / Art und Zusammensetzung, in: VDI / DIN, Emissionsminderung bei der Nahrungsmittelproduktion, S. 53. 58 Vgl. VDI-Richtlinie 2595, Blatt 1, Nr. 1.1.1 Heißräuchern, in: VDI / DIN, Emissionsminderung bei der Nahrungsmittelproduktion, S. 79.

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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Als letztes Beispiel seien die Geruchsemissionen aus der Kakao- und Schokoladenindustrie genannt. Bei der Verarbeitung von Rohkakao durch Trocknen, Rösten und Präparieren werden unter anderem organische Säuren, Aldehyde, Ester und Pyrazine freigesetzt; Aldehyde, Ketone und Ester werden beispielsweise beim Vorgang der Entgasung der Kakaomasse freigesetzt, die der Herabsetzung des Säure- und Feuchtigkeitsgehaltes des Kakaos dient.59

c) Chemische und petrochemische Industrie Zur chemischen und petrochemischen Industrie gehören alle Produktionsprozesse, bei denen Stoffe oder Stoffgruppen durch chemische Umwandlung hergestellt werden.60 Beispielsweise gehören die Herstellung verschiedenster Kohlenwasserstoffe dazu, darüber hinaus die Herstellung von Kunststoffen, Farbstoffen, Tensiden und Grundarzneimitteln. Unter dem Begriff der petrochemischen Chemie wird die Destillation oder Raffination von Erdöl oder Erdölerzeugnissen verstanden. Bei diesen Vorgängen werden Geruchsstoffe von unüberschaubarer Vielzahl und Vielfältigkeit freigesetzt.61 Im Umkreis von Mineralölbetrieben sind bei einer Untersuchung in den Siebziger Jahren über sechzig typische geruchsbelästigende Substanzen festgestellt worden.62 Dazu gehören zum Beispiel Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan, Äthylmercaptan, Schwefeldioxid, Kresole, Phenol, Aldehyde, Ammoniak, Buten und Benzol.63 Geruchsquellen sind dabei das Rohöl sowie bestimmte Verarbeitungsprozesse, in deren Verlauf Geruchsstoffe emittiert werden.

59 Vgl. VDI-Richtlinie 3892, Nr. 1.1.2 Trocknen (Darren), Rösten, Präparieren, Nr. 1.1.6 Entgasen, in: VDI / DIN, Emissionsminderung bei der Nahrungsmittelproduktion, S. 128, 131. 60 Vgl. Nr. 4.1 Anhang zur 4. BImSchV. 61 Einen – eher prozesstechnischen – Problemschwerpunkt in der Diskussion um (Geruchs-) Emissionen aus der chemischen und petrochemischen Industrie bilden stets die diffusen Emissionen von VOCs (flüchtige organische Verbindungen), vgl. Köppke, Ermittlung und Verminderung diffuser flüssiger und gasförmiger Emissionen in der chemischen und petrochemischen Industrie; UBA, Verminderung diffuser Emissionen in der chemischen und Mineralölindustrie. Nicht nur die Ausgangsstoffe und die Endprodukte setzen möglicherweise Geruchsstoffe frei oder stellen solche dar (Bsp.: Alkohole, Aldehyde und Ketone, die chemisch hergestellt und anschließend weiterverarbeitet werden); durch die teilweise extrem komplizierte Bauweise chemischer und petrochemischer Anlagen werden auch im Produktionsprozess von den in der Umwandlung befindlichen Stoffe an verschiedenen Anlagenteilen – ungewollt – Geruchsstoffe freigesetzt (Rohrleitungsübergänge, Förderbänder, Lager- und Behältersysteme, Anschlüsse an Aggregate), vgl. UBA, Verminderung diffuser Emissionen in der chemischen und Mineralölindustrie, S. 6. 62 Vgl. Bley, Geruchsbelästigende Substanzen im Umkreis von Mineralölbetrieben, S. 7. 63 Vgl. Bley, Geruchsbelästigende Substanzen im Umkreis von Mineralölbetrieben, S. 7.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

d) Abfallverwertung und -beseitigung Geruchsstoffe werden von Anlagen zur Verwertung und Beseitigung von Abfällen und sonstigen Stoffen freigesetzt. Dazu gehören unter anderem Müllverbrennungsanlagen, Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen und Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen. Beispielsweise sind die von Bioabfallkompostierungen emittierten Geruchsstoffe häufiger Anlass für Beschwerden von Anwohnern.64 Dies ist auf die besondere Verfahrensweise der Bioabfallkompostierung zurückzuführen. Man macht sich bei der Kompostierung von Bio- und Pflanzenabfällen den natürlichen Rotteprozess zunutze, bei dem die Abfälle durch Mikroorganismen zersetzt werden. Die Rotte durchläuft verschiedene Phasen, die von starker Hitzeentwicklung im Kompost begleitet sind. Bei der Bioabfallkompostierung treten sowohl Geruchsstoffe durch die Ausgangsprodukte (Küchenabfälle, Gartenabfälle) als auch durch den Rottvorgang und durch Sickerwasser auf.65 Die bei der Rotte bekannten Geruchsstoffe sind beispielsweise Aldehyde, Alkohole, Karbonsäureester in der Startphase, schwefelorganische Verbindungen und Ammoniak in der thermophilen Phase und Sulfide sowie Terpene in der Abkühlungsphase der Rotte.66 Bei einer umfangreichen Untersuchung der Auswirkungen von Emissionen aus Kompostierungsanlagen in Hessen im Jahre 1999 ist darüber hinaus festgestellt worden, dass neben den dort festgestellten flüchtigen organischen Verbindungen auch noch andere Stoffe für die Auslösung von Geruch verantwortlich sein müssen, oder dass die Kombination der verschiedenen bei der Kompostierung auftretenden Geruchsstoffe zu einer Intensivierung der Geruchswirkung führen kann.67 Von der Bioabfallkompostierung zu unterscheiden ist die biologische Behandlung von Abfällen und besonders überwachungsbedürftigen Abfällen.68 Diese ist besonders geregelt in der Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen69 (30. BImSchV). In diesen Anlagen werden Siedlungsabfälle und 64 Vgl. nur Steinberg / Rohde / Bockreis, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 77 ff.; Kummer, in: Hess. LUG (Hrsg.), Bioabfallkompostierung, S. 5; Nithammer, Gerüche aus Bioabfall-Kompostierungsanlagen, S. 31 f.; HMU, Emissionen aus Kompostierungsanlagen, S. 223. 65 Beim Rottevorgang unterscheidet man die biogenen von den abiogenen Geruchsstoffen. Biogene Geruchsstoffe entstehen zum einen aus verfahrens- und rottespezifischen Stoffwechselprodukten, zum anderen aus den anaerob-aeroben Stoffwechselprodukten, die bei jedem Kompostierungsverfahren entstehen können. Abiogene Geruchsstoffe treten in der termophilen, das heißt der heißen Phase der Rotte auf. Steigt die Temperatur im Kompost über die optimalen 55° bis 60° Celsius hinaus auf 80° Celsius an, so entstehen durch rein chemische Reaktionen sowohl aus dem Ausgangsmaterial als auch aus den gebildeten StoffwechselZwischenprodukten neue Substanzen, die Geruchsstoffe intensiver Natur freisetzen, vgl. Nithammer, Gerüche aus Bioabfall-Kompostierungsanlagen, S. 31. 66 Vgl. Müsken, in: Hess. LUG (Hrsg.), Bioabfallkompostierung, S. 9 f.; Nithammer, Gerüche aus Bioabfall- Kompostierungsanlagen, S. 32 f. 67 Vgl. HMU, Emissionen aus Kompostierungsanlagen, S. 225, 226. 68 Vgl. Nr. 8.6 a) und b) Anhang zur 4. BImSchV.

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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Abfälle, die wie Siedlungsabfälle entsorgt werden können70, mit biologischen oder biologisch-physikalischen Verfahren behandelt und das Endprodukt als Energieträger (biologisch stabilisierte Abfälle, Ersatzbrennstoffe, Biogase) weiter verwendet. Dabei macht man sich sowohl aerobe als auch anaerobe Verfahren zunutze. Da diese Prozesse in erheblichem Maße geruchsintensiv sein können, schreibt die 30. BImSchV in § 6 Nr. 4 einen Emissionsgrenzwert für Geruchsstoffe vor.71 Bemerkenswert ist daran, dass die 30. BImSchV die einzige Rechtsverordnung zur Durchführung des BImSchG ist, die einen Emissionsgrenzwert für Geruchsstoffe eines bestimmten Anlagentyps ausweist. Die unter dem Begriff „Biogasanlagen“ bekannten Anlagen zur Erzeugung von Biogas zur weiteren energetischen Nutzung fallen ebenfalls unter die 30. BImSchV, wenn in der Anlage auch Siedlungsabfälle behandelt werden.72 Sie können ebenfalls Geruchsstoffe freisetzen, da in Biogasanlagen organische Substanz unter anaeroben Bedingungen mikrobiell zu einem überwiegend methanhaltigen Gas abgebaut wird.73 Geruchsstoffe werden hier sowohl von den Ausgangsprodukten als auch vom Endprodukt, dem Biogas, freigesetzt, das im Wesentlichen aus Methan besteht.74

e) Abwasserbehandlung Die Abwasserbehandlung ist ein weiterer Geruchsemittent.75 Dabei werden häusliche, gewerbliche und industrielle Abwässer zunächst gesammelt und anschließend durch verschiedene Verfahren geklärt und gereinigt. Besonders geruchsintensiv sind die Abwässer aus Fischmehlfabriken, Tierkörperverwertungsanlagen, Gerbereien und Leimfabriken. Geruchsintensiv sind darVom 20. 02. 2001 (BGBl. I 305). Vgl. zum Begriff des Siedlungsabfalls Nr. 20 der Anlage zu § 2 Abs. 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung (abgedr. bei Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbfG, S. 1411 ff.). 71 Auf diese Vorschrift wird im Einzelnen im Kapitel D. III. 2. d) aa) eingegangen. 72 Vgl. Görisch, in: Görisch / Helm (Hrsg.), Biogasanlagen, S. 92. 73 Vgl. Helm, in: Görisch / Helm (Hrsg.), Biogasanlagen, S. 27. 74 Vgl. Helm, in: Görisch / Helm (Hrsg.), Biogasanlagen, S. 34; vgl. zur Quantifizierung der Geruchsemissionen von Biogasanlagen und deren Immissionsrelevanz auch Völlmecke, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 203. 75 Vgl. dazu die ausführliche Literatur in WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen; Hahn / Kraus (Hrsg.), Geruchsemissionen. Anlagen zur Abwasserbehandlung werden zwar nicht nach dem BImSchG genehmigt, sondern nach dem WHG zugelassen, vgl. § 18c WHG. Dennoch treffen die Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen die Pflichten aus § 22 BImSchG für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. Dabei bezieht sich die Nichtgenehmigungsbedürftigkeit lediglich auf diejenige nach dem BImSchG. Ist die Anlage nach anderen Gesetzen genehmigungsbedürftig und im Übrigen die Anwendbarkeit des BImSchG gegeben, so ist § 22 BImSchG gleichwohl anwendbar mit der Folge, dass die von der Anlage hervorgerufenen Immissionen auch nach dem BImSchG zu beurteilen sind, vgl. Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 4. 69 70

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

über hinaus auch Abwässer aus gemüse- und obstverarbeitenden Betrieben, Schlachtereien, Brauereien, Limonaden- und Zuckerfabriken. Schließlich können die Abwässer bestimmter chemischer Produktionen unangenehme Geruchsstoffe emittieren, wie zum Beispiel Chlorkohlenwasserstoffe, Buttersäure, Valeriansäure, Essigsäure, Benzole, Ketone, Formaldehyde und Phenole.76 All diese Geruchsstoffe werden bei der Behandlung des Abwassers in Kläranlagen in unterschiedlich starkem Maße freigesetzt. Dies geschieht sowohl durch das Aufreißen und Bewegen des Wasserkörpers als auch durch von den Klärschlämmen ausgehende Geruchsstoffe.77

4. Komponenten der Ausbreitung von Geruchsstoffen Geruchsstoffe, die von einer Emissionsquelle freigesetzt werden und in die Atmosphäre gelangen, breiten sich in der Umwelt aus. Dabei beeinflussen verschiedene Komponenten den Ausbreitungsvorgang, beispielsweise der Austrittsort und die Austrittsgeschwindigkeit sowie meteorologische und topographische Gegebenheiten in der Umgebung des Emittenten.78 Zur Systematisierung wird der Ausbreitungsvorgang in drei Schritte unterteilt: die Emission, die Transmission und die Immission. Mit Emission wird der Vorgang des von der Quelle Austretens und mit Transmission der Ausbreitungsvorgang der Geruchsstoffe von der Quelle zum (potentiellen) Wirkungsort bezeichnet, der den Ort der Immission darstellt.79 Durch die verschiedenen Komponenten, die die Emission und die Transmission von Geruchsstoffen beeinflussen, wird der Grad an Immissionen bestimmt. Das Wissen um den Ausbreitungsvorgang ist insbesondere im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG von Relevanz. Durch die genaue Untersuchung, in welchem Maße Geruchsstoffe austreten und in welche Richtung und bis in welche Entfernung sie sich ausbreiten, kann annähernd prognostiziert werden, ob, wo und in welchem Ausmaß Geruchsimmissionen hervorgerufen werden können. Die Prognose erfolgt dabei anhand der sogenannten Ausbreitungsrechnung.80 Dabei wird auf der Grundlage bestimmter Kenngrößen, wie beispielsweise Austrittsgeschwindigkeit und Austrittsmasse an Geruchsstoffmolekülen, Windrichtung und Windgeschwindigkeit, der Zusammenhang zwiVgl. Teichmann, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 95. Vgl. Möller, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 107; Teichmann, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 95. 78 Vgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 75; Kunka, in: ThMLNU (Hrsg.), Einfluss der Landwirtschaft auf die Luft, S. 18. 79 Vgl. BayStUGV, Analysesystem, S. 12. 80 Einen umfangreichen Glossar zum Thema Ausbreitungsrechnung hat van der Pütten im Auftrag des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie erstellt, der im Internet unter http://www.hlug.de/medien/luft/ausbreitungsrechnung/dokumente/glossar_internet.pdf abrufbar ist. 76 77

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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schen Geruchsstoffausstoß, Transmission und Immissionskonzentration mathematisch berechnet.81 Die Methodik der Ausbreitungsrechnung ist sowohl im Anhang 3 zur TA Luft als auch in der VDI-Richtlinie 3788 beschrieben. Auch die GeruchsimmissionsRichtlinie sieht die Ausbreitungsrechnung als Instrument im Bewertungsverfahren vor. Auf diese Vorschriften und auf die Ausbreitungsrechnung im Zusammenhang der Geruchsbewertung wird im Kapitel D. eingegangen. Im Folgenden werden die äußeren Einflussfaktoren auf die Ausbreitung beschrieben.

a) Einflussfaktoren bei der Emission Wie sich Geruchsstoffe in der Atmosphäre ausbreiten, hängt zunächst davon ab, wie und in welchem Maße sie von der Quelle austreten. Dabei zu berücksichtigende Parameter sind der Geruchsstoffstrom, die Art der Quelle und die Höhe der Abluftquelle.82 Der Geruchsstoffstrom setzt sich aus der Geruchsstoffkonzentration und dem Luftvolumenstrom, welcher die Geruchsstoffe transportiert, zusammen. Die Geruchsstoffkonzentration ist die für die Quantifizierung von Geruchsstoffen entwickelte Kenngröße. Das relative Maß der Konzentration ist die Geruchseinheit je Kubikmeter Luft (GE / m3). Dabei ist die Geruchseinheit ein Wert, der im Wege der Geruchsmessung mit dem Olfaktometer für einzelne Abgasproben erstellt wird. Die kleinste Einheit von 1 GE / m3 ist dabei definitionsgemäß die Menge an Geruchsstoffmolekülen in einem Kubikmeter Neutralluft, die in einer Messreihe bei 50 % aller Darbietungen gerade eine Geruchswirkung hervorruft.83 Der Abgasvolumenstrom (oder Luftvolumenstrom) beziffert das absolute Volumen an Abgas, das von der Quelle emittiert wird. Er wird mit der Einheit Kubikmeter Luft pro Sekunde (m3 / s) beziffert. Auch die Art der Quelle hat Auswirkungen auf die Ausbreitung. Die Quelle kann ein Punkt, eine Linie oder eine Fläche sein, beispielsweise ein Schornstein, ein oder mehrere Fenster oder Lüftungsschächte in Gebäuden, sowie undichte Stellen an Gebäuden, durch die Geruchsstoffe in die Außenluft emittieren. Zum Teil verfügen geruchsstoffemittierende Anlagen auch über mehrere Quellen (verschiedene Schornsteine, Lüftungsschächte etc.), was bei der Untersuchung der Ausbreitung berücksichtigt werden muss. Die Quellhöhe ist für die Ausbreitung insofern von Bedeutung, als Abluft aus einer hohen Quelle durch den in höheren Luftschichten zumeist vorherrschenden stärkeren Wind schneller verdünnt wird als jene aus einer flachen Quelle und aus Vgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 134. Vgl. Kunka, in: ThMLNU (Hrsg.), Einfluss der Landwirtschaft auf die Luft, S. 17. 83 Vgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 235; die Methodik der Ermittlung der Geruchsstoffkonzentration wird in der DIN EN 13725 beschrieben, auf die im Kapitel C. genauer eingegangen wird. 81 82

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

diesem Grund der Grad an auftretenden Immissionen aus höheren Emissionsquellen geringer ausfallen kann als bei bodennahen Quellen.84

b) Einflussfaktoren bei der Transmission Die Transmission wird von der Meteorologie unter Berücksichtigung der Topographie des Geländes beeinflusst. Meteorologische Einflüsse sind beispielsweise die Windrichtung, die Windgeschwindigkeit, das Auftreten von Turbulenzen, Feuchtigkeit und Niederschlag und periodisch lokale Strömungen (Bsp.: Kaltluftabflüsse). Topographische Gegebenheiten, wie die Geländeform (Bsp.: Tal, Ebene usw.) und die Oberflächengestaltung des Geländes (Seen, Flüsse, große Gebäude usw.) können die Luftströmung und damit auch die Verteilung von Luftverunreinigungen wesentlich beeinflussen.85 Der wichtigste meteorologische Faktor auf die Ausbreitung von Geruchsstoffen ist die Windrichtung; sie beeinflusst, in welchen Bereichen rund um eine Quelle Geruchsimmissionen auftreten.86 Daneben wirkt sich die Windgeschwindigkeit auf die Verdünnung der aus einer Quelle austretenden Geruchsstoffkonzentration aus. Typischerweise erhöht sich die Windgeschwindigkeit mit der Höhe der Luftschicht. Je höher die Quelle angesiedelt ist, desto stärker werden die austretenden Geruchsstoffe verdünnt. Die Topographie des Geländes wirkt sich insofern auf die Windgeschwindigkeit aus, als letztere über ebenem Gelände wegen der geringen Bodenrauhigkeit höher ist als über starr gegliedertem Gelände mit großer Bodenrauhigkeit, beispielsweise über Städten.87 Auf den Ausbreitungsvorgang wirken sich darüber hinaus Turbulenzen und Inversionswetterlagen aus. Turbulenzen sind Strömungen in vertikaler und lateraler Richtung, also senkrecht zum Wind.88 Sie werden sowohl durch die Windgeschwindigkeit als auch durch thermodynamische Effekte ausgelöst. Große Turbulenzen bewirken im Allgemeinen eine gute Verteilung von Stoffen in der Atmosphäre, wodurch örtliche, lang anhaltende Spitzenkonzentrationen an Immissionen nicht entstehen können.89 Inversionswetterlagen stellen eine Umkehrung der natürlichen thermischen Gegebenheiten der Luft dar. Natürlicherweise nimmt die Temperatur der Luft mit steigender Höhe ab. Bei Inversionswetterlagen wird dieser Zustand umgekehrt. Sie Vgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 76. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 33 f.; Krause, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 27; Baumbach, Luftreinhaltung, S. 78. 86 Vgl. Krause, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 27; Baumbach, Luftreinhaltung, S. 76. 87 Vgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 76. 88 Vgl. Engelhardt, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 50; Cooperative, Geruch, S. 31 f. 89 Vgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 77. 84 85

I. Geruchsstoffe und Entstehung von Geruch

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entstehen, wenn die Luft in Bodennähe kälter ist als die Temperatur in höheren Schichten. Entsprechende Wetterlagen entstehen beispielsweise im Sommer, wenn durch eine Abkühlung des Bodens in der Nacht die bodennahe Luftschicht kälter ist als darüber liegende Luftschichten. In diesem Fall ist der vertikale Luftaustausch blockiert. Die Inversion wirkt als Sperre für Auf- und Abwärtsbewegungen der Luft und begrenzt damit auch die Ausbreitung von Geruchsstoffen nach oben hin.90 Dies hat zur Folge, dass nur ein relativ schmaler Bereich zur Ausbreitung zur Verfügung steht, was zu erhöhten Immissionen führen kann. Auch auf die Entstehung von Inversionswetterlagen hat die Topographie einen Einfluss. Kalte Luftmassen fließen bevorzugt in Täler ab, so dass dort die Bodeninversionen häufiger und mächtiger sind als auf Bergen oder im oberen Teil von Berghängen.91

5. Abluftreinigung Geruchsstoffe können mithilfe verschiedener Reinigungsverfahren aus der Abluft gefiltert und die Abluft auf diesem Wege gereinigt werden. Die Abluftreinigung hat zwar keine unmittelbare Bedeutung für die Bewertung von Geruchsimmissionen, sie stellt jedoch einen wesentlichen Faktor im Rahmen der Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen dar und wird auch in den einschlägigen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften als Vorsorgeinstrument benannt.92 Darüber hinaus kann sie im Genehmigungsverfahren zwingend erforderlich werden, wenn beispielsweise beim Neubau einer Anlage bestimmte Abstände zur angrenzenden Wohnbebauung nicht eingehalten werden und aus diesem Grund mit erheblichen Geruchsimmissionen zu rechnen ist.93 Es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, den aktuellen Forschungsund Entwicklungsstand der heute bekannten Abluftreinigungsmethoden zu erläutern. Eine Vielzahl von Wissenschaftlern und Unternehmen ist mit der Entwicklung immer effektiverer Abluftreinigungsmethoden beschäftigt.94 Im Folgenden werden daher lediglich die bekannten Verfahren umrissen. Verfahren zur Rückhaltung, Rückgewinnung oder Umwandlung organischer Stoffe aus Abgasen sind die Kondensation, die Absorption, die Adsorption, die Verbrennung und das Membranverfahren. Als Reinigungsverfahren für geruchsVgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 80. Vgl. Zenger, Immissionsschutz 1997, 150; Baumbach, Luftreinhaltung, S. 82. 92 Vgl. etwa Nr. 5.4.4.4 TA Luft, Umgang mit Gasen aus Prozesswasser und Ballastwasser aus Mineralölanlagen, Nr. 5.4.6.2 TA Luft, Umgang mit geruchsintensiven Stoffen einer Anlage zur Herstellung von Papier, Karton oder Pappe. 93 Vgl. Nr. 5.4.7.1 TA Luft, Unterschreitung des Mindestabstands zur nächsten Wohnbebauung bei Anlagen zur Aufzucht und zur Haltung von Nutztieren. 94 Vgl. Jaeschke / Haunold / Schumann / Dierssen, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 541 f.; Lachnit, in: Kettner (Hrsg.), Geruchsbelästigende Stoffe, S. 65; Cooperative, Geruch, S. 87 ff., Schön / Hübner, Geruch, S. 12 f. 90 91

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

beladene Abluft kommt insbesondere die Absorption in Form der chemischen und biologischen Abluftreinigung in Frage. Bei der Absorption werden Gase und Dämpfe in Wasser oder in Filtermaterial aufgenommen. Die Gaslöslichkeit in Wasser kann dabei durch physikalische oder chemische Kräfte bewirkt werden. Bei der chemischen Absorption ist die Waschflüssigkeit mit Verbindungen angereichert, die die im Gasraum vorhandenen organischen Verbindungen an sich binden und damit aus der Luft herausziehen. Bei der biologischen Abluftreinigung, die sowohl mithilfe des Biowäschers als auch mithilfe der Biofiltration durchgeführt werden kann, macht man sich die Reaktionsfähigkeit von Mikroorganismen in Wasser oder in einem Filter zunutze. Bei der Biowäsche wird das zuvor mit Geruchsstoffen angereicherte Waschwasser durch Mikroorganismen gereinigt. Beim Biofilter strömt geruchsbeladene Abluft durch biologisch aktives Material, wird adsorbiert und anschließend von den dort angesiedelten Mikroorganismen umgesetzt.95 In Bezug auf weitere Einzelheiten zur Abluftreinigung wird auf die weiterführende Literatur verwiesen.96

II. Geruchsempfindung 1. Allgemeines Mit dem Begriff der „Geruchsempfindung“ wird ein komplexer Vorgang beschrieben, der im Wesentlichen zwei Komponenten umfasst: einen physiologischen und einen psychologischen Vorgang. Der physiologische Teil der Geruchsempfindung, die eigentliche Geruchswahrnehmung, erfolgt durch die Reizauslösung an den menschlichen Geruchssinneszellen und die Weiterleitung dieser Reize an das Gehirn. Für das Verständnis dieses Vorgangs bedarf es der Betrachtung der Anatomie der menschlichen Nase, sowie der Erörterung, auf welche Weise der Reiz gesetzt und an das Gehirn weitergeleitet wird. Dieser „körperliche“ Teil der Geruchsempfindung kann als Geruchswahrnehmung bezeichnet werden. Ist der Reiz im Gehirn angekommen, wird er dort verarbeitet, worauf eine Reaktion auf den empfundenen Geruch folgt: Der wahrgenommene Geruch wird interpretiert. Dieser Vorgang ist psychologischer Natur, denn die Geruchsinterpretation erfolgt nach heutigem Wissensstand über kognitive Vorgänge. Ein wahrgenommener Geruch wird anhand von gelerntem und anerzogenem Wissen wiedererkannt und bewertet. Möglicherweise löst ein erkannter Geruch bestimmte Gefühle oder Erinnerungen aus. Mit Geruchsinterpretation kann daher der psychologische Aspekt der Geruchsempfindung beschrieben werden. Vgl. Baumbach, Luftreinhaltung, S. 416. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 121 f.; Fischer, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 65 f.; Hahne / Asendorf / Vorlop, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 106 f.; Koch / Liebe / Striefler, Staub – Reinhaltung der Luft 1982, 488. 95 96

II. Geruchsempfindung

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Nach jüngsten Erkenntnissen wird Geruch nicht nur über die Nase wahrgenommen. Auch der Trigeminusnerv (Nervus trigeminus), dessen Nervenendigungen sich über den gesamten Gesichtsraum verteilen, kann jeden denkbaren Geruchsstoff wahrnehmen, wenn er nur stark genug ist. Die früher herrschende Auffassung, trigeminale Reize wären auf Tastreize begrenzt, ist daher überholt. Die Riechschleimhaut in der Nase ist jedoch wesentlich empfindlicher und reagiert auf wesentlich geringere Geruchsreize als die Nervenendigungen des Trigeminusnervs.

2. Der Geruchssinn a) Stellung des Geruchssinns Mit Geruchssinn bezeichnet man die Fähigkeit eines Lebewesens Geruchsstoffe in der Atemluft wahrzunehmen und zu erkennen.97 Der Geruchssinn ist Bestandteil des Nervensystems, und zwar des peripheren animalischen Systems, da er Reize aus der Umwelt aufnimmt und so der Kommunikation mit der Umwelt dient.98 Die Reizauslösung durch direkten Kontakt eines Stimulans mit den Sinneszellen kennzeichnet den Geruchssinn als Nahsinn, im Gegensatz zum Hören und Sehen, die man dem Fernsinn zuordnet.99 Der Geruchssinn ist der einzige Sinn, der das Gehirn direkt mit der Außenwelt verbindet. Von jeder einzelnen Riechzelle, deren äußerste Fortsätze in der Nasenschleimhaut als Rezeptor für ein Geruchsstoffmolekül fungieren, bis in den im vorderen Bereich des Gehirns liegenden Riechkolben verläuft jeweils eine ununterbrochene Nervenbahn. Erst im Riechkolben wird der von außen empfangene Reiz über Synapsen an nachgeschaltete Nervenbahnen übertragen und über diese in verschiedene Hirnregionen weitergeleitet. Die Riechschleimhaut in der Nase, die die Rezeptorzellen beherbergt, ist für das Gehirn somit das einzige direkte „Tor zur Welt“.100 Bei allen anderen Sinnen verläuft der Weg vom Rezeptor in das Gehirn über mehrere synaptische Schaltungen und somit nicht unmittelbar. Der Geruchssinn ist mit seiner direkten Verbindung von der Atemluft zum Gehirn für viele – teilweise instinktive – Verhaltensweisen verantwortlich. Der von einem Geruchsstoff ausgelöste Reiz wird im Gehirn verarbeitet, erkannt und bewertet. Je nach dem Ergebnis dieses Vorgangs folgen bestimmte Verhaltensweisen oder werden besondere Empfindungen ausgelöst.101 Darüber hinaus ermöglicht der Geruchssinn dem Organismus, chemische Verbindungen zu registrieren, denn Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 26. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 14. 99 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 27. 100 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 29. 101 Vgl. Ohloff, Riechstoffe, S. 1. 97 98

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

der Geruchseindruck entsteht durch eine direkte Wechselwirkung von sensorisch aktiven, chemischen Verbindungen (Geruchsstoffen) mit den Riechzellen in der Nasenschleimhaut.102 Der Geruchssinn wird aus diesem Grund als „chemischer Sinn“ bezeichnet.103 Die Fähigkeit chemische Verbindungen zu registrieren, teilt der Geruchssinn mit dem Geschmackssinn. Im Vergleich zum Geruchssinn kann der Geschmackssinn jedoch als primitiver Sinn bezeichnet werden, da er auf die vier Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter und salzig beschränkt ist, wohingegen die Nase zwischen 4.000 und 10.000 verschiedene Gerüche erkennen kann.104 Das besondere Geschmackserlebnis bei der Nahrungsaufnahme wird erst durch das Zusammenwirken von Geruchs- und Geschmackssinn erreicht, und zwar über die auf die Geruchsrezeptoren treffenden Aromen aus der Nahrung.105

b) Bedeutung und Funktion Der Geruchssinn des Menschen ist im Vergleich zu dem von anderen Lebewesen, die bei ihrer Orientierung und Nahrungssuche auf diesen Sinn angewiesen sind, nur gering ausgeprägt.106 Dies betrifft sowohl die Anzahl der vorhandenen Riechzellen als auch die Ausprägung der Sensibilität für Geruchsstoffmoleküle. Während in der menschlichen Riechschleimhaut nur zwischen 10 und 100 Millionen Nervenzellen angesiedelt sind, verfügen manche Säugetiere über 300 Millionen Riechzellen.107 Zur Auslösung eines Geruchsreizes beim Menschen bedarf es – abhängig vom jeweiligen Geruchsträger – einer bestimmten Mindestanzahl an Geruchsstoffmolekülen, die zumeist weit über derjenigen liegt, die andere Lebewesen zur Wahrnehmung von Geruch benötigen.108 Die Nase wird aus diesem Grund oft als das unterentwickeltste Sinnesorgan des Menschen109, der Geruchssinn auch als „niederer“ Sinn bezeichnet.110 Die meisten Menschen können ca. 4.000 Geruchsarten unterscheiden; ein gut trainierter Riecher – beispielsweise ein Parfumeur – kann ca. 10.000 Geruchsarten erkennen.111 Trotz der im Vergleich zu anderen Lebewesen relativ geringen AusVgl. Ohloff, Düfte, S. 27. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 26; Ohloff, Riechstoffe, S 2. 104 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 27; Weller, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 21, 24. 105 Vgl. Lexikonredaktion Brockhaus, Kursbuch Mensch, S. 298. 106 Vgl. Jager / Zeschmar-Lahl, Medizinische Aspekte der Geruchswirkung, in: WAR (Hrsg.), Bewertung von Geruchsemissionen und -immissionen, S. 55. 107 Vgl. Boekh, Gerüche und Bau 1990, 20, 25. 108 So reicht dem Seidenspinner (Schmetterling) ein einziges Molekül des Sexuallockstoffs seines Weibchens, um dieses zu erkennen. 109 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 3. 110 Vgl. Munack, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 7. 111 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 13; Lexikonredaktion Brockhaus, Kursbuch Mensch, S. 298; Munack, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 7. 102 103

II. Geruchsempfindung

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prägung des menschlichen Geruchssinns nimmt dieser eine wesentliche, nicht immer bewusst wahrgenommene Rolle ein.112 So nimmt der Mensch unter anderem auf der Grundlage des Geruchs seine Umwelt wahr und kontrolliert den Zustand seiner Nahrung. Geruchsprägungen beeinflussen die Entwicklung der Persönlichkeit und der Geruchssinn dient als chemischer Sinn der sozialen Kommunikation.113 Es wird vermutet, dass der Geruchssinn auch eine Bedeutung bei der Partnerwahl einnimmt.114 Oft gebrauchte Aussagen wie „Das stinkt mir“ oder „Ich kann ihn nicht riechen“ machen deutlich, dass Geruch auch im übertragenen Sinne für Sympathie und Antipathie von Bedeutung ist.115 Geruch kann Auslöser für verschiedene Reaktionen sein. Aufgrund seines Erfahrungsschatzes reagiert ein gesunder Mensch auf einen bestimmten Geruch mit bestimmten Verhaltensweisen. Ein angenehmer Geruch wirkt anregend und verbessert das Lebensgefühl. Ein unangenehmer oder fremdartiger Geruch kann hingegen zu schlechter Stimmung, Aggressivität oder Nervosität führen oder gar den Fluchtinstinkt wecken.116 Der Geruchssinn wird auch aktiv zur Kontrolle von Stoffumwandlungsprozessen genutzt. So überprüft der Winzer den Reifegrad seines Weines oder der Teehändler die Zusammensetzung seiner Teemischung am Geruch, um danach eine Entscheidung für das weitere Vorgehen zu treffen.117 Darüber hinaus stellt der menschliche Geruchssinn das feinste Messinstrument für systematische Geruchsbewertungen dar. Dies ist sowohl im Immissionsschutzrecht, aber auch in anderen Bereichen, in denen systematisch Geruch bewertet wird, von Bedeutung (Parfümindustrie, Produktindustrie, Medizin etc.). Es ist bisher nicht gelungen, die Geruchswahrnehmung mithilfe technischer Messinstrumente so genau nachzustellen, wie sie von der menschlichen Nase vollzogen wird. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass Geruch zumeist als Ergebnis der Vermischung einzelner Stoffe entsteht, die über Messinstrumente kaum in ihre einzelnen Komponenten zu zerlegen und zu identifizieren sind und deren Wirkung auf den Menschen ein Messinstrument ebenfalls nicht wiedergeben kann.118 Trotz vielfältiger Beeinträchtigungen und Schwankungen, der das Messinstrument „Nase“ aufgrund von physiologischen und psychologischen Gründen unterliegen kann, ist das menschliche olfaktorische System bis heute den technischen Einrichtungen zur Geruchswahrnehmung weit überlegen.119

Vgl. Munack, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 7. Vgl. Plattig, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 1. 114 Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, „Pheromone“; Ohloff, Düfte, S. 262, 265. 115 Vgl. Munack, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 7. 116 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 15. 117 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 31. 118 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 11. 119 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 64; Frechen, in: WAR (Hrsg.), Bewertung von Geruchsemissionen und -immissionen, S. 13; Schön / Hübner, Geruch, S. 63. 112 113

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

3. Geruchswahrnehmung über die Riechschleimhaut Die Geruchswahrnehmung und das Zusammenspiel der oben genannten verschiedenen Sinnesmodalitäten, Geschmackssinn und Hautsinne, ist ein komplexer Vorgang, der die Beschreibung auch biochemischer Einzelheiten erfordert und dessen detaillierte Beschreibung den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Im Folgenden werden daher die heutigen Erkenntnisse über die Geruchswahrnehmung nur in einfachen Zügen dargestellt. Diese beschränken sich im Wesentlichen auf den Aufbau und die Funktionsweise des Geruchsorgans, die Auslösung von Reizen und die Weiterleitung dieser Reize an das Gehirn. Diese anatomischen sowie physiologischen Einzelheiten des Riechens sind weitestgehend geklärt. Zu den zentralen anatomischen Projektionen im Gehirn, also zu der Frage, wie Geruch erkannt, interpretiert und bewertet wird, fehlt indes noch viel an Wissen.120 a) Aufbau des olfaktorischen Systems Geruchsstoffmoleküle werden von den in der Riechschleimhaut 121 liegenden Riechzellen registriert.122 Die Riechschleimhaut bedeckt eine Fläche im obersten Bereich der Nasenhöhle. In diesem Bereich verengt sich die Nasenhöhle auf beiden Seiten der Nasenscheidewand zu einem Spalt, der auch als Riechspalt oder Nasendach bezeichnetet wird. Die Fläche der Riechschleimhaut wird unterschiedlich mit 2 bis 10 cm2 angegeben.123 Durch ihre Lage im obersten Teil der Nasenhöhle wird die Riechschleimhaut vom direkten Strom der eingeatmeten Luft nicht oder kaum gestreift. Die in der Luft enthaltenen Geruchsstoffmoleküle gelangen erst durch Verwirbelungen im hinteren Teil der Nase an die Riechschleimhaut. Aus diesem Grund wirken Geruchseindrücke intensiver, wenn der Mensch an etwas „schnüffelt“, indem er in kurzen Abständen schnell hintereinander viel Luft einatmet. Durch die Schnüffelatmung wird der Verwirbelungsprozess im hinteren oberen Bereich der Nasenhöhle verstärkt, wodurch mehr Geruchsträger an die Riechschleimhaut gelangen.124 Durch die besondere Lage der Riechschleimhaut können darüber hinaus auch Geruchsstoffe wahrgenommen werden, die über den Mund in den Nasen-RachenRaum gelangen.125 Vgl. Plattig, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 1, 6. Lat. regio olfactoris. 122 Vgl. Martinetz / Hartwig, Taschenbuch der Riechstoffe, „Geruch (Geruchswahrnehmung)“; Schön / Hübner, Geruch, S. 27. 123 Vgl. Bockreis / Steinberg, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 1, 3; Munack, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 7; Burdach, Geschmack und Geruch, S. 17; Cooperative, Geruch, S. 14; Schön / Hübner, Geruch, S. 27. 124 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 15. 125 Vgl. Hummel / Reden / Frasnelli, in: Funke / Frensch (Hrsg.), Handbuch Psychologie, S. 152. 120 121

II. Geruchsempfindung

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Die Riechschleimhaut unterscheidet sich in ihrem Aufbau von der übrigen Nasenschleimhaut. In der Riechschleimhaut des Menschen liegen zwischen 10 und 100 Millionen126 Riechzellen, die ihre Nervenfasern als peripheren Fortsatz in Richtung der Nasenhöhle und als zentralen Fortsatz in Richtung des Gehirns hin ausstrecken.127 Umgeben sind die Riechzellen von Stützzellen und von Basalzellen; das sind echte adulte neuronale Stammzellen, die bei der Zellerneuerung der Riechzellen mitwirken. Außerdem sind die Riechzellen in die „Bowmanschen“ Drüsen eingebettet, die das besondere Sekret der Riechschleimhaut absondern, das die oberste Schleimhautschicht bildet. Der periphere Fortsatz der Riechnerven endet in feinen Flimmerhärchen, die auch Riechhärchen oder Zilien genannt werden.128 Jede Riechnervenfaser verästelt sich in eine Vielzahl von Riechhärchen, und zwar ungefähr 20 bis 30 pro Nervenendigung.129 Die zentralen Fortsätze der Riechzellen – die in Richtung des Gehirns ausgerichteten Axone – ragen durch die Siebbeinplatte (der Name rührt von den unzähligen kleinen Löchern in dieser Knochenplatte, durch die die Riechnerven laufen), die den Nasenraum von der Kopfhöhle trennt, bis zu den beiden kirschkerngroßen Riechkolben130 an der vorderen unteren Seite des Gehirns. Dort enden sie in den im Riechkolben sitzenden Riechknötchen (Glomeruli).131 b) Auslösung eines Geruchsreizes Wie ein Geruchsreiz ausgelöst wird, ist erst seit ungefähr zehn Jahren bekannt. Zuvor wurde neben der chemikalischen auch die physikalische These vertreten, nach der die Riechhaarmembran auf von den Geruchsstoffmolekülen ausgehende Strahlung reagieren sollte.132 Diese These ist jedoch mittlerweile überholt. Man weiß nun, dass es tatsächlich die chemische Bauweise der Geruchsstoffe ist, die für die Auslösung des Geruchsreizes sorgt. Den Anfang für diese Erkenntnis hat eine Forschungsarbeit gemacht, die im Jahre 1991 veröffentlicht wurde133 und deren Verfasser Buck und Axel dafür im Jahre 2004 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhielten. Im Tierversuch an Ratten entdeckten sie etwa 1000 Gene, 126 Vgl. etwa Munack, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 7; Schön / Hübner, Geruch, S. 27; Cooperative, Geruch, S. 14; Bockreis / Steinberg, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 1, 3. 127 Vgl. Bockreis / Steinberg, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 1, 3; Ohloff, Riechstoffe, S. 2; Plattig, Physiologie des Riechens, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 3. 128 Lat. cilia. 129 Vgl. Martinetz / Hartwig, Taschenbuch der Riechstoffe, „Geruch (Geruchswahrnehmung)“; Hatt, Rätsel des Riechens, CD1. 130 Lat. bulbus olfactorius. 131 Vgl. Hornung, in: Hummel / Welge-Lüssen (Hrsg.), Taste and Smell, S. 1, 4; vgl. auch Hatt, Rätsel des Riechens, CD1. 132 Vgl. Frechen, Geruchsemissionen aus Kläranlagen, S. 18; Cooperative, Geruch, S. 12, 13. 133 Vgl. Buck / Axel, Cell 1991, 65, 175.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

welche die Baupläne für jeweils einen bestimmten Rezeptortyp repräsentieren, so dass daraus etwa 1000 verschiedene Rezeptortypen gebaut werden konnten.134 Als Rezeptor für den Reiz, den ein Geruchsstoffmolekül auslöst, fungiert die Membran der Riechhärchen, das heißt der einzelnen in die Nasenschleimhaut hineinragenden kleinen verästelten Nervenendigungen der Riechnerven. Die durch das Einatmen und die anschließenden Verwirbelungen an die Riechschleimhaut gelangten Geruchsstoffmoleküle lösen sich innerhalb weniger Millisekunden in der die Riechhärchen umgebenden Schleimhaut, deren Dicke durchschnittlich 20 ìm beträgt.135 Anschließend befördern besondere Transportmoleküle in der Riechschleimhaut die Geruchsstoffmoleküle direkt an die Membran der Riechhärchen (Zilien).136 In dieser Membran sitzen die Rezeptoren für die einzelnen Geruchsstoffmoleküle. Die Membran wird außerdem von vielen kleinen Kanälen durchdrungen, die für die Stromleitung zuständig sind. Das Erkennen eines Geruchsstoffs funktioniert nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Für jeden einzelnen Geruchsstoff liegt eine Vielzahl von passenden Rezeptoren in der Membran, in die er hineinpasst, wie ein Schlüssel in ein Schloss.137 Jeder einzelne Rezeptor kann nur einen einzigen Geruchsstofftypus erkennen (Bsp.: Das Schwefel-Molekül wird nur vom „SchwefelRezeptor“ erkannt, das Vanillin-Molekül nur vom „Vanillin-Rezeptor“ etc.). Insgesamt verfügt der Mensch über 350 verschiedene Rezeptortypen (also über wesentlich weniger als die Ratte mit 1000 Rezeptortypen) und kann somit 350 verschiedene einzelne Geruchsstoffarten erkennen. Trifft ein Geruchsstoffmolekül auf eine Rezeptorzelle, die genauer gesagt ein Rezeptorprotein ist, so ändert diese ihre Konformation und bindet ein an der Innenseite der Zellmembran befindliches Protein (G-Protein). Dieses G-Protein stimuliert nun seinerseits die Bildung von als Zweit-Messenger bezeichneten Botenstoffen, die die kleinen Kanäle (Ionenkanäle) in der Riechhaarmembran öffnen, so dass positiv geladene Teilchen (zumeist Natrium(Na+)- und Kalzium(Ca2+)-Ionen aus der Nasenschleimhaut) dort einströmen und ein elektrisches Aktionspotential aufbauen können, das durch die Riechnervenzelle weitergeleitet wird.138 Dabei verläuft die Stimulation der Proteine untereinander in einer Art Multiplikation, die einen Reiz in 1000-facher Weise verstärkt, so dass ein Geruchsstoffmolekül die Öffnung einer Vielzahl kleiner Ionenkanälchen auslösen kann. In der Riechnervenzelle wird das analoge Signal in ein digitales Signal umgeleitet, so dass ein Aktions134 Vgl. Martinetz / Hartwig, Taschenbuch der Riechstoffe, „Geruch (Geruchswahrnehmung)“; Ohloff, Düfte, S. 35. 135 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 30. 136 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 33. 137 Vgl. Martinetz / Hartwig, Taschenbuch der Riechstoffe, „Geruch (Geruchswahrnehmung)“. 138 Vgl. Martinetz / Hartwig, Taschenbuch der Riechstoffe, „Geruch (Geruchswahrnehmung)“; Ohloff, Düfte, S. 32 f.

II. Geruchsempfindung

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potential einer bestimmten Frequenz entsteht, die bis in den Riechkolben und von dort weiter in das Gehirn geleitet wird.139 Die Riechzellen unterliegen einer ständigen Erneuerung im Rhythmus von etwa 90 Tagen. Dabei wachsen die Nervenfasern der neuen Riechzellen stets an derselben Stelle nach, an der sich die zu erneuernde Zelle zuvor befunden hat, und es wird genau diejenige Verknüpfung zwischen der alten Riechnervenfaser und ihrer nachgeschalteten Mitralzelle im Riechkolben durch die neue Riechnervenfaser ersetzt. Aus diesem Grunde kann der spezifische Rezeptor immer wieder denselben Geruch erkennen, gleichwohl sich die einzelnen Rezeptorzellen erneuern.140 Der Riechkolben beherbergt Riechknötchen (oder Glomeruli141). Das sind Nervenkugeln, die den einzelnen Geruchsstoff „erkennen“. Wie bereits erwähnt verfügt der Mensch über 350 verschiedene dieser Kugeln und kann somit 350 verschiedene Geruchsstoffe erkennen. Von den Millionen Rezeptoren, die in der Membran der Zilien liegen, verlaufen alle einzelnen Nervenfasern eines Typs genau zu ihrem passenden Glomerulus der 350 Glomeruli im Riechkolben. Was der Mensch als Geruch zu erkennen lernt, sind die Kombinationen an Aktivierungsmustern dieser Glomeruli im Gehirn bei der Wahrnehmung von Geruch. Da ein Geruch zumeist aus einem komplexen Gemisch aus verschiedenen Geruchsstoffmolekültypen besteht, werden bei der Geruchswahrnehmung auch mehrere der Glomeruli zugleich aktiviert. Ein Parfüm kann beispielsweise die Aktivierung von 50 bis 100 Glomeruli gleichzeitig auslösen, eine Rose oder eine Orange eine Aktivierung von 30 bis 40 Kugeln. Teilweise überschneiden sich die Zusammensetzungen der Geruchsstoffe einzelner Geruchsarten, so dass beispielsweise einige der Glomeruli, die vom Orangenduft aktiviert werden, auch vom Rosenduft aktiviert werden. Alle Axone der Mitralzellen besitzen einen gemeinsamen Nervenstrang, der zum primären Riechhirn (Rhinencephalon), dem Hippocampus, führt.142 Dort werden die vom Riechkolben entsandten Reize verstärkt und an andere Hirnteile, wie den Thalamus, den Hypothalamus und die Amygdala an der Innenseite des Schläfenlappens weitergeleitet.143

c) Verarbeitung des Geruchsreizes im Gehirn An der Geruchsverarbeitung und -erkennung sind die bereits genannten Bereiche des Gehirns – Thalamus, Hypothalamus, Amygdala – beteiligt. Thalamus und Hypothalamus sind Teile des limbischen Systems, das das Affekt- und TriebverhalVgl. Rawson / Yee, in: Hummel / Welge-Lüssen (Hrsg.), Taste and Smell, S. 22, 28. Vgl. Ohloff, Düfte, S. 32. 141 Lat. glomerula olfactoria. 142 Vgl. Lexikon-Redaktion, Lexikon der Medizin, „Hippocampus“. 143 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 30; Lexikon-Redaktion Urban & Schwarzenberg, Lexikon Medizin, „Riechbahn“, „Riechhirn“; Schön / Hübner, Geruch, S. 30. 139 140

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

ten und dessen Verknüpfung mit vegetativen Organfunktionen regelt, das beispielsweise für Empfindungen wie Lust und Unlust verantwortlich ist.144 Die Amygdala ist die zentrale Schaltstelle für die Verknüpfung eines aversiven Reizes mit seiner biologischen und psychologischen Bedeutung und für die Auslösung der Kaskade emotionaler Verhaltensreaktionen zuständig.145 Zwar ist noch weitgehend ungeklärt, wie die empfangenen Potentiale im Gehirn verarbeitet und „erkannt“ werden. Man vermutet aber, dass sie ein „Geruchsbild“ ergeben, das unverzüglich mit bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten verglichen wird.146 Diese Gedächtnisinhalte sind nur zu einem geringen Anteil angeboren. Beispielsweise wird vermutet, dass bereits neu geborene Babies ihren Geruchssinn nutzen, um ihre Mütter zu erkennen und die milchspendende Brustdrüse zu finden.147 Das „Geruchsgedächtnis“ entwickelt sich jedoch im Wesentlichen durch fortlaufende Lernprozesse. Im Laufe des Lebens kommen immer neue Geruchseindrücke hinzu, die wahrscheinlich wie in einem Lernvorgang im Gehirn gespeichert und zumeist mit bestimmten Assoziationen, Erinnerungen, Empfindungen und Bewertungen verbunden werden. So kann ein Geruch auch Jahre später Erinnerungen wieder hervorrufen, wie zum Beispiel an die Schule, an bestimmte Menschen oder Gegebenheiten, an das kindliche Umfeld oder frühere Erlebnisse.148

d) Wahrnehmen und Erkennen Zur Auslösung eines Geruchsreizes bedarf es, wie bereits oben erwähnt, einer kritischen Menge an Geruchsstoffmolekülen, die an die einzelnen Rezeptorzellen in der Membran der Riechschleimhaut gelangen. Geruch wird erst in dem Moment wahrgenommen, in dem eine bestimmte Anzahl einzelner Geruchsstoffmoleküle an das Riechepithel gelangt. Dieses Moment wird als Wahrnehmungsschwelle bezeichnet. In diesem Moment wird lediglich Geruch wahrgenommen, nicht jedoch die Art des Geruchs erkannt. Zur Identifikation einer Geruchsart bedarf es einer größeren Menge an Geruchsstoffmolekülen derselben Art. Erst bei der Anlagerung dieser größeren Menge wird ein Geruch seiner Art nach erkannt. Dieses Moment wird als Erkennungsschwelle bezeichnet.149 Die Wahrnehmungs- und Erkennungsschwelle ist von der Art des erregenden Stoffes abhängig. So reicht die Wahrnehmungsschwelle riechender Stoffe im Allgemeinen von ca. 2  10 7 bis zu 1 ppm. Bei der Erkennungsschwelle ist nach den 144 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 30, Lexikon-Redaktion, Lexikon der Medizin, „limbisches System“. 145 Vgl. Deetjen / Speckmann / Hescheler, Physiologie, S. 332. 146 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 30; Hangartner, Geruchsemissionen, S. 1. 147 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 77; Deetjen / Speckmann / Hescheler, Physiologie, S. 178. 148 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 31. 149 Vgl. Nithammer, Gerüche aus Bioabfall-Kompostierungsanlagen, S. 2; Schön / Hübner, Geruch, S. 34.

II. Geruchsempfindung

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einzelnen Stoffen zu differenzieren. Zu den am intensivsten riechenden Substanzen gehören unter anderem das in Grapefruitsaft vorkommende (+)-(R)-p-Menth-1en-8-thiol, das in Galbanumöl und der Peperoni enthaltene 2-Methoxy-3-isobutylpyrazin und das im bulgarischen Rosenöl wirksame â-Damascenon. Zur Verdeutlichung seien hier einige Beispiele genannt: Die Wahrnehmungsschwelle des vorgenannten (+)-(R)-p-Menth-1-en-8-thiol liegt bei 0,002 ppb150 [ìg / ml Wasser]. Das bedeutet, dass die Masse von 0,002 ppb der vorgenannten Geruchsstoffmoleküle bereits einen wahrnehmbaren Reiz an der Riechhaarmembran auslöst.151 Besonders klein ist auch die Menge an dem in Knoblauch enthaltenen Methylmercaptan, die vorhanden sein muss, um vom Menschen wahrgenommen zu werden. Nur vier Milligramm dieses Stoffs in 108 m3 Luft (was dem Luftvolumen in 1000 Hallen zu jeweils 500  100  20 m entspräche) genügt, um eine Wahrnehmung zu haben, noch nicht jedoch, um zu erkennen, wonach es riecht. e) Ermüdung des Geruchssinns Eine Besonderheit der Geruchswahrnehmung stellt die mit Adaptation oder Fatigue beschriebene Ermüdung des Geruchssinns dar. Die permanente Einwirkung eines bestimmten Duftstoffes auf die Riechzellen führt zur Abnahme der Geruchsempfindung bis hin zum völligen Verschwinden.152 Wird der Riechzelle ein „Überangebot“ an Stimuli dargeboten, so sinkt ihre Erregbarkeit und die Wahrnehmungsschwelle steigt. Dies erfolgt wahrscheinlich über eine übermäßige Anlagerung von Proteinen innerhalb der Membran der Riechhärchen an die Ionenkanäle, so dass diese „verstopfen“ und keine positiv geladenen Teilchen aus der Nasenschleimhaut mehr durch die Ionenkanälchen fließen können.153 Ein oder mehrere Geruchsstoffe sind dann kaum mehr wahrnehmbar. Der Geruchssinn erholt sich von dieser Anpassung jedoch sehr schnell wieder, wenn der Reiz verschwindet und die Zelle wieder in ihren Ruhezustand zurückkehrt.154 f) Subjektive Geruchswahrnehmung und Erinnerungsvermögen Wenn wir uns daran erinnern sollen, ob wir innerhalb eines bestimmten Zeitraums Geruch wahrgenommen haben und wie lange wir diesen Geruch wahrgenommen haben, spielt uns das Erinnerungsvermögen „einen Streich“. Selbst wenn ppb steht für parts per billion. Vgl. Martinetz / Hartwig, Taschenbuch der Riechstoffe, „Geruchsschwelle“. 152 Vgl. Martinetz / Hartwig, Taschenbuch der Riechstoffe, „Geruchsschwelle“; Ohloff, Düfte, S. 166. 153 Vgl. Rawson / Yee, in: Hummel / Welge-Lüssen (Hrsg.), Taste and Smell, S. 22, 26; Hatt, Rätsel des Riechens, CD 1. 154 Vgl. Nithammer, Gerüche aus Bioabfall-Kompostierungsanlagen, S. 2; Deetjen / Speckmann / Hescheler, Physiologie, S. 180. 150 151

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

wir nur während eines bestimmten zeitlichen Anteils einer Stunde Geruch wahrgenommen haben, können wir subjektiv den Eindruck gewinnen, während der gesamten Stunde Geruch wahrgenommen zu haben.155 Mehrere kurze Überschreitungen der Geruchsschwelle innerhalb einer Stunde wirken daher belästigender als eine anhaltende Überschreitung, auch wenn die absolute Zeitdauer der Geruchsschwellenüberschreitung bei beiden gleich ist. Denn bei der lang andauernden Geruchsschwellenüberschreitung wird der Geruch nach einer bestimmten Zeit aufgrund der Adaptation nicht mehr wahrgenommen, während sich der Geruchssinn bei immer wieder auftretenden, kurzzeitigen Schwellenüberschreitungen zwischendurch erholt und Geruch wieder wahrnehmen kann. Dieses Phänomen ist für die Bewertung von Geruch von entscheidender Bedeutung. Ob eine Geruchseinwirkung noch zumutbar oder schon unzumutbar ist, hängt auch von der Dauer der Geruchswahrnehmung ab. Wenn die subjektive Wahrnehmung nicht nur davon abhängt, ob die Geruchsschwelle erreicht wird, sondern auch davon, wie oft und mit welcher zeitlichen Verteilung dies geschieht, muss bei der Bewertung von Geruch darauf Rücksicht genommen werden. Dies erfolgt beispielsweise in der Geruchsimmissions-Richtlinie anhand des sogenannten Geruchsstundenkonzepts. Eine Stunde als Messintervall wird bereits dann als geruchsbelastet berechnet, wenn nur ein bestimmter prozentualer Anteil dieser Stunde tatsächlich geruchsbelastet war.156 g) Sinneswahrnehmung über den Trigeminusnerv Auch die als „trigeminal“ bezeichneten Sinnesmodalitäten (Hautsinne) können Geruchsstoffe wahrnehmen, wenn sie in einer besonders hohen Konzentration auftreten.157 Wahrgenommen werden diese Reize über die feinen Verästelungen und Nervenendigungen des Trigeminusnervs (Nervus trigeminus, „Drillingsnerv“, da er aus drei großen Stämmen besteht158) in den Schleimhäuten von Mund und Nase.159 Die trigeminale Wahrnehmung ist von derjenigen des Riechnervs unabhängig. Als trigeminal wurden ursprünglich die Sinne bezeichnet, die Schmerz, Temperatur und mechanische Oberflächenverformung an den Schleimhäuten von Mund und Nase signalisieren.160 Mittlerweile muss auch die Wahrnehmung von Geruchsstoffen den Reizen zugeordnet werden, die trigeminal erfasst werden. Wie der Trigeminus Geruchsstoffe (in hoher Konzentration) erkennt, ist noch nicht bekannt. Vgl. Richter / Kost / Röckle, Gerüche, promet 2003, 39, 40. Das Konzept der Geruchsstunde wird sowohl im nachfolgenden Kapitel C. als auch im Zusammenhang mit der GIRL in Kapitel D. V. beschrieben. 157 Vgl. Hatt, Rätsel des Riechens, CD 1. 158 Vgl. Plattig, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 2. 159 Vgl. Plattig, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 2. 160 Vgl. Plattig, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 1. 155 156

II. Geruchsempfindung

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Ein Beispiel für trigeminale (Geruchs-)Wahrnehmungen ist der stark brennende Reiz, der bei der Berührung der Augen nach dem Hantieren mit scharfen Gewürzen (z. B. Peperoni) hervorgerufen wird. Auch das beim Riechen an einer eben geöffneten Mineralwasser- oder Sektflasche empfundene Prickeln wird mithilfe des Trigeminus wahrgenommen. Die leicht unangenehme Schmerzempfindung entsteht durch die von den perlenden Bläschen hochgerissene Kohlensäure. Die im CO2 bzw. H2CO3 enthaltenen Wasserstoffionen können Schmerzfasern des Trigeminus direkt reizen. Diesen Mechanismus benutzen so bekannte „Gerüche“ wie Sekt, Sprudel, Essig- oder Ameisensäure und Salmiakgeist.

4. Geruchsinterpretation Die Geruchsempfindung als Gesamtergebnis setzt sich aus der Geruchswahrnehmung und der Geruchsinterpretation zusammen.161 Der Sinneseindruck, der als Geruch wahrgenommen wird, besteht nicht nur aus dem Ablauf chemischer Reaktionen, wie dem Auftreffen von Geruchsstoffmolekülen auf der Membran der Riechhärchen und der anschließenden Auslösung eines elektrischen Impulses und seiner Weiterleitung in das Gehirn. Es tritt dem ein kognitiver Vorgang hinzu, der das Erkennen eines Geruchsstoffs, sowie eine Reaktion auf einen wahrgenommenen Geruch umfasst. Wie ein Geruch interpretiert wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab.162 Dazu gehören zum Beispiel die Erziehung und die Affektlage des Wahrnehmenden, der Zeitpunkt der Wahrnehmung sowie die soziale Bindung des Wahrnehmenden zum Emittenten.163 Es ist schon erwähnt worden, dass sich das Gehirn bei der Verarbeitung und Erkennung von Geruch teils seiner angeborenen, insbesondere aber seiner erlernten Kenntnisse bedient. Dabei greift es auf das im Laufe des Lebens entwickelte „Geruchsgedächtnis“ zurück. Einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung dieses Geruchsgedächtnisses dürfte die Erziehung im weitesten Sinne einnehmen, wozu auch die aufgrund der gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse entwickelten Gedächtnisinhalte gehören. Während des ganzen Lebens nimmt der Mensch vielfältige Eindrücke auf, die er zusammenfasst und in Verbindung setzt. Neugeborene erkennen nach kurzer Zeit die Mutter und verbinden sie mit einem bestimmten Geruch. Im Laufe des Heranwachsens werden neue Empfindungen und damit zusammenhängende Geruchsreize als Erfahrung für die Zukunft gespeichert. In später auftretenden neuen Situationen werden die gesammelten Eindrücke in die Erinnerung zurückgerufen. Auf diesem Wege finden Vergleichsverfahren statt, die zu entsprechenden Reaktionen führen. Wahrgenommener Geruch wird in Zusammenhang mit angenehmen oder unangenehmen Begebenheiten gebracht und entspre161 162 163

Vgl. Frechen, Geruchsemissionen aus Kläranlagen, S. 14. Vgl. Ohloff, Düfte, S. 168. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 20.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

chend gekennzeichnet. Durch diese unterbewussten Vorgänge stellen sich bestimmte Verhaltensweisen oder Erwartungen ein, die unter Umständen zu verschiedenen Reaktionen, wie Verteidigungsreaktionen oder aufgeregten Zuständen, führen können.164 Zu dem Geruchsgedächtnis treten auch temporäre Komponenten hinzu, die die Interpretation von Geruch beeinflussen können. So können sowohl die Affektlage des Wahrnehmenden als auch der Zeitpunkt der Geruchswahrnehmung entscheidenden Einfluss auf dessen Bewertung haben. Im Zustand der Entspannung und Ruhe kann ein Geruch anders interpretiert werden als in einem erregten Zustand. Darüber hinaus haben Untersuchungen gezeigt, dass nach Feierabend, an Wochenenden und im Urlaub, also zu Zeiten, die der Erholung dienen, Geruchsimmissionen besonders kritisch beurteilt werden, und zwar obwohl die absoluten Immissionshäufigkeiten zu diesen Zeiten typischerweise geringer sind als während der regulären Arbeitszeiten.165 Schließlich können auch die soziale Lage und die Beziehung zum Geruchsemittenten einen Einfluss auf die Geruchsinterpretation haben. So haben Untersuchungen ergeben, dass das Umweltbewusstsein der Bevölkerung in erheblich belasteten Gebieten noch verstärkt wird. Dabei lässt sich einerseits ein enger Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der selbst erfahrenen Belästigung und der Umweltschutzaktivität feststellen. Andererseits treten gerade auch weniger belastete Personen für eine bessere Umweltqualität ein. Die eigenen Überzeugungen und Einstellungen können daher bei der Geruchsinterpretation ebenfalls eine wichtige Rolle einnehmen.166 Ist der Geruchsemittent hingegen der Arbeitgeber des Betroffenen, so kann die Immission sich als weniger belastend darstellen. Dies kann sich mit dem Niveau der Arbeitsstelle verändern. Der Status oder Bekanntheitsgrad des Arbeitgebers und eine entsprechende Identifikation mit dem Arbeitgeber können ebenfalls Einfluss auf die Geruchsinterpretation haben.167

5. Einflussfaktoren auf die Geruchswahrnehmung Das Wahrnehmungsvermögen für Geruch ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Darüber hinaus unterliegt die Geruchswahrnehmung eines jeden Menschen den durch physiologische Veränderungen des Körpers bedingten Einflüssen, wie dem Alterungsprozess, akuten oder chronischen Krankheiten und anderen körperlichen Veränderungen.168

164 165 166 167 168

Vgl. Cooperative, Geruch, S. 20 f. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 21. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 22. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 9; Cooperative, Geruch, S. 22 f. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 18.

II. Geruchsempfindung

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Im Laufe des Lebens verschlechtert sich die Riechfähigkeit.169 Verglichen mit der Gruppe der 19- bis 24-jährigen nehmen 25- bis 50-jährige nur noch etwa 70 %, über 50-jährige nur noch 20% der Geruchsstoffe wahr.170 Das Riechvermögen kann darüber hinaus durch Krankheiten oder Unfälle beeinträchtigt werden und sogar total ausfallen (sog. Anosmie).171 Es kann zu einer partiellen Riechunfähigkeit kommen, die oft Gruppen von chemisch nah verwandten Geruchsstoffen betrifft, die nicht (mehr) wahrgenommen werden können. Schließlich kann eine Fehlwahrnehmung von Geruch oder eine besonders hohe Riechempfindlichkeit auftreten. Letztere ist extrem selten, tritt aber unter bestimmten physiologischen Zuständen – zum Beispiel im ersten Drittel der Schwangerschaft – auf.172 Ursachen für den partiellen oder vollständigen Verlust des Riechvermögens können sein die Schwellung der Nasenschleimhaut bei Schnupfen, Schädigungen der Riechschleimhaut durch Grippeviren oder Nasensprays, Schädigungen der Riechnerven oder des Riechkolbens bei einem Schädel-Hirn-Trauma oder nervliche Erkrankungen, wie multiple Sklerose, Alzheimer oder Parkinson.173 Geruch kann auch als Einbildung wahrgenommen werden. So hat eine Untersuchung ergeben, dass bereits der Anblick einer noch nicht in Betrieb genommenen Kläranlage bei der Nachbarschaft zur Wahrnehmung üblen Geruchs führte.174

6. Intensität und Wahrnehmung Zwischen der Anzahl an Geruchsstoffmolekülen, die an die Riechschleimhaut gelangen (Geruchsstoffkonzentration), und der vom Menschen wahrgenommenen Geruchsstärke besteht kein linearer Zusammenhang.175 Der Geruchssinn (wie z. B. auch der Tastsinn) beruht auf einer logarithmischen Wahrnehmungsskala.176 Die wahrgenommene Geruchsstärke ist vom dekadischen Logarithmus der Geruchsstoffkonzentration abhängig. Das bedeutet, dass erst die Erhöhung der Geruchsstoffkonzentration um das Zehnfache eine Verdoppelung der wahrgenommenen Geruchsstärke verursacht.177 Entdeckt wurde dieses Phänomen von den Physikern Weber, Fechner und Stevens. Sie haben Untersuchungen der quantitativen Beziehungen zwischen physikalisch-chemischen Reizen und den durch sie ausgelösten 169 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 18; Jager / Zeschmar-Lahl, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 56. 170 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 18; Frechen, Geruchsemissionen aus Kläranlagen, S. 17. 171 Vgl. Deetjen / Speckmann / Hescheler, Physiologie, S. 184. 172 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 178. 173 Vgl. Deetjen / Speckmann / Hescheler, Physiologie, S. 184. 174 Vgl. Frechen, Geruchsemissionen aus Kläranlagen, S. 23. 175 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 32. 176 Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 65. 177 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 32; Nithammer, Gerüche aus Bioabfall-Kompostierungsanlagen, S. 3.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

Empfindungen angestellt. Fechner hat einst das Arbeitsgebiet dieser so genannten Psychophysik begründet.178 Für das Verständnis der Wahrnehmung von Geruch ist es wichtig, den Unterschied zwischen Reiz- und Empfindungsstärke klar zu erkennen.179 Die Reizstärke muss zehnfach erhöht oder herabgesetzt werden, um eine doppelte oder halbierte Geruchsintensitätswahrnehmung zu erreichen. Die Beziehung zwischen Reiz- und Empfindungsstärke lässt sich mit dem Weber-Fechner-Gesetz darstellen. Es stellt die Gleichung auf: I ˆ KW  log

CGP …CG†

wobei I KW cG P cG

Intensität Weber-Fechner-Koeffizient Konzentration des Geruchsreizes der Probe Konzentration des Bezugsreizes, hier Geruchsschwellenkonzentration, definitionsgemäß 1 GE / m3.

Von besonderer Bedeutung ist das Wissen um dieses Phänomen bei der Geruchsmessung und der Interpretation von Messergebnissen, auf die im Kapitel C. eingegangen wird. Darüber hinaus ist es von Bedeutung bei der Herstellung des Zusammenhangs zwischen der Konzentration an Geruchsstoffen am Emissionsort und der dadurch am Immissionsort ausgelösten Wirkung, die keinesfalls gleich sein muss. 7. Folgen von Geruchseinwirkungen Geruchseinwirkungen können zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen beim Menschen führen.180 Dabei gilt es, zwischen den toxischen Wirkungen 178 Vgl. Fechner, Elemente der Psychophysik. Zur Beschreibung der Form des Zusammenhangs zwischen den chemischen Reizgrößen (Geruchsstoffkonzentration) und den ihnen entsprechenden Empfindungsgrößen (Geruchsstärkeempfindung) kommen zwei verschiedene, jeweils empirisch gestützte Gleichungen zur Anwendung: das Weber-Fechner-Gesetz oder die Potenzfunktion nach Stevens, vgl. VDI-Richtlinie 3882, Blatt 1, S. 18. Weber fand bei Beobachtungen von Gewichtsschätzungen, dass das Verhältnis von gerade erkennbarem Zuwachsreiz gegenüber dem Bezugsreiz konstant ist. Fechner nahm nun an, dass unendlich kleinen Reizänderungen auch unendlich kleine Empfindungsänderungen zugeordnet seien, so dass die Empfindungsstärke durch Integration bestimmbar ist. Stevens kritisierte am Ansatz Fechners insbesondere die Annahme, dass das Verhältnis von Zuwachsreiz zu Grundreiz für eben merkliche Unterschiede über die ganze physikalische Skala hin gleich bleibt und wies hiergegen darauf hin, dass die Art des quantitativen Zusammenhangs von Reiz- und Empfindungsgrößen von der Skalierungstechnik abhängig ist, vgl. VDI-Richtlinie 3882, Blatt 1, S. 19, 20. 179 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 114. 180 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 9; Baumbach, Luftreinhaltung, S. 176; HMU, Emissionen aus Kompostierungsanlagen, S. 200, 206.

II. Geruchsempfindung

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bestimmter Stoffe und der bloßen Wirkung von Geruch durch Konzentrationen unterhalb der schädlichen Wirkungsgrenze zu unterscheiden. Weitgehend ungeklärt ist noch, ob die bloße Wahrnehmung von Geruch schon zu Beeinträchtigungen der Gesundheit führen kann, oder ob im Umfeld von Geruchsemittenten typischerweise auch andere Stoffe auftreten, so dass mit der Geruchswahrnehmung noch andere Immissionen einhergehen, die möglicherweise die eigentlichen Verursacher der wahrgenommenen Beeinträchtigungen sind (z. B. Bioaerosole aus Kompostierungsanlagen oder Tierhaltungen). Zudem wird in der Untersuchung von Umweltphänomenen auf die Gesundheit unterschieden zwischen den empfundenen Beeinträchtigungen und den tatsächlich auftretenden (nachweisbaren) Beeinträchtigungen bei Betroffenen. Auf der derzeit vorhandenen Datengrundlage ist noch nicht direkt nachweisbar, dass Geruch von nicht toxischen Stoffen oder unterhalb der toxikologisch relevanten Schwelle unmittelbar gesundheitsschädlich ist. Dennoch können auch bloße Geruchseinwirkungen das Wohlbefinden beeinträchtigen. Zudem wird vermutet, dass bei dauerhaften Einwirkungen weitere Folgen, wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder sogar Organstörungen hervorgerufen werden können.181 Für die systematische Erhebung von körperlichen Beschwerden im Zusammenhang mit geruchsintensiven Immissionen im Wohnumfeld existieren keine Standards. Alle Ergebnisse, die bisher über die Folgen von Geruchseinwirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden gemacht worden sind, basieren auf einzelnen Untersuchungen, die jeweils unterschiedliche Methoden zur Befragung anwenden. Gleichwohl ist bekannt, dass es im Zusammenhang mit Geruchsexpositionen zu gesundheitlichen Beschwerden kommen kann.182 Als mögliche Beeinträchtigungen des Wohlbefindens kommen in Frage somatische Beschwerden, psychische Wirkungen und psychosomatische Reaktionen. Dabei ist es im Einzelfall jedoch schwer zu unterscheiden, ob ein Geruchsstoff unmittelbar einen somatischen Effekt hat, das heißt ob er über die Schleimhäute in den Blutkreislauf gelangt und direkt an Organen wirkt, oder ob eine körperliche Reaktion als psychosomatische Wirkung über den Umweg des Einflusses auf die Psyche hervorgerufen wird. Der Belästigungsgrad ist sowohl vom auslösenden Reiz, das heißt von seiner Intensität und Dauer abhängig als auch von der Konstitution des Betroffenen.183 In einer Untersuchung im Jahre 1975 haben Personen im Umkreis Vgl. Cooperative, Geruch, S. 78. Vgl. Rethage / zur Nieden / Eikmann / Herr, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 139. Vgl. zu Beschwerden durch Geruchseinwirkungen weiter Steinheider, Environmental odours and somatic complaints, Zentralblatt für Hygiene und Umweltmedizin 1999, S. 101 ff.; Sucker / Both / Winneke, Adverse effects of environmental odours: reviewing studies on annoyance responses and symptom reporting, Water Science and Technology Library 2001, S. 43 ff.; Schiffman / Williams, Science of odor as a potential health issue, Journal of Environmental Quality 2005, S. 129 ff.; Steinheider / Both / Winneke, Field studies on environmental odours inducing annoyance as well as gastric and general health-related symptoms, Journal of Psychophysiology 1998, Suppl 1, S. 64 ff. 181 182

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

von einem Geruchsstoffemittenten wesentlich häufiger als Personen in einem unbelasteten Kontrollgebiet die folgenden Beschwerden genannt: Kopfschmerzen, Übelkeit, Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen, Nervosität und Atembeschwerden, Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten und Appetitlosigkeit.184 In einer Untersuchung der Auswirkungen von Emissionen aus Kompostierungsanlagen in Hessen im Jahre 1999 ist eine höhere Häufigkeit der Nennung der Symptome Appetitmangel, Übelkeit, Durchfall, übermäßige Müdigkeit und erhöhte Medikamenten- bzw. Vitamineinnahme aufgetreten, die mit einer zugleich angegebenen erheblichen Geruchseinwirkung durch verschiedene Kompostierungsanlagen in Zusammenhang gebracht wurden.185 Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Geruchseinwirkungen bei der Betrachtung der medizinischen Effekte, die in einem Zusammenhang mit den Kompostierungsanlagen zu sehen sind, eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Bei der Studie zeigte sich, dass die Wirkung über einen reinen Belästigungseffekt hinausgeht. Als besonders gravierend wurde in dieser Studie bewertet, dass bei einer Geruchsbelastung im eigenen Wohnbereich keine Ausweichmöglichkeit für die Anwohner besteht. Diese Situation könne aus umweltmedizinischer Sicht langfristig nicht hingenommen werden.186 In einem Beitrag aus dem Jahre 2005 stellen Schiffman / Williams187 die Ergebnisse verschiedener, in den USA durchgeführter Untersuchungen von Anwohnern dar, die in Nachbarschaft zu Tierhaltungsanlagen oder zu Abfalldeponien leben. Beschwerden über gesundheitliche Beeinträchtigung sind in der Nachbarschaft zu solchen Emittenten erhöht im Vergleich zu unbelasteten Kontrollgruppen. Als Beeinträchtigungen werden von den Anwohnern genannt Entzündungen des Nasen-Rachen-Raums, Kopfschmerzen, laufende Nase, brennender Hals, starker Husten, Durchfall, brennende Augen und insgesamt eine herabgesetzte Lebensqualität im Vergleich zu Kontrollgruppen (in der Umgebung einer Schweinehaltung).188 Darüber hinaus werden erheblich größere Anspannung, Depressionen, Ärger, Müdigkeit und Verwirrtheit genannt (in der Umgebung einer Schweinehaltung).189 Die Verfasser des Beitrags stellen dabei die These auf, dass entsprechende Beeinträchtigungen vermutlich nicht ausschließlich durch die Geruchswahrnehmung, sondern durch die toxikologische und irritierende Wirkung von Geruchsstoffen hervorgerufen werden, oder durch mit der Emission von Geruchsstoffen einher183 Vgl. Jager / Zeschmar-Lahl, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 65; Cooperative, Geruch, S. 82 f. 184 Vgl. Winneke / Plattig / Brandl / Berresheim, in: VDI (Hrsg.), Geruchsstoffe, S. 411 ff.; vgl. auch die Untersuchung von Roeles, Auswirkungen von Müllverbrennungsanlagen, S. 87 f. 185 Vgl. HMU, Emissionen aus Kompostierungsanlagen, S. 200, 206, 212. 186 Vgl. HMU, Emissionen aus Kompostierungsanlagen, S. 223. 187 Vgl. Schiffman / Williams, Journal of Environmental Quality 2005, 129 ff. 188 Vgl. Schiffman / Williams, Journal of Environmental Quality 2005, 129, 130. 189 Vgl. Schiffman / Williams, Journal of Environmental Quality 2005, 129, 130.

II. Geruchsempfindung

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gehenden Emissionen anderer Stoffe, die diese Wirkungen hervorrufen könnten. Eine erhöhte Beeinträchtigung durch Geruchseinwirkungen könnte auch auf genetischen oder erlernten Abneigungen gegenüber bestimmten Geruchsarten beruhen.190 Sie weisen darauf hin, dass auch die Beeinträchtigung des allgemeinen Lebensgefühls und des Gemütszustands durch Geruch in Kombination mit Stress zu Herzkranzgefäß-Erkrankungen und chronischem Bluthochdruck führen kann.191 Insgesamt können sie jedoch noch keine abschließende Aussage darüber treffen, ob die genannten Beschwerden allein durch die Geruchswahrnehmung hervorgerufen werden und welche Langzeitfolgen zu erwarten sind. In einer Untersuchung, die im Jahre 2007 veröffentlicht worden ist, sind als Beschwerden, die unmittelbar mit Geruchseinwirkungen (und erhöhter Bioaerosolkonzentration) einer Großkompostierungsanlage in Zusammenhang gebracht wurden, identifiziert worden: Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, schlechter Geschmack im Mund und Atemnot.192 In dieser Studie ist jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Ergebnisse und die Methodik nur Aussagen über mögliche Zusammenhänge zulassen und Gegenstand weiterer Untersuchungen sein muss, ob die identifizierten Beschwerden wirklich eine Geruchsspezifität aufweisen.193 Darüber hinaus liegen neuere Erkenntnisse zur Geruchsempfindlichkeit von gesundheitlich vorbelasteten Personengruppen vor. Diese nähren die Vermutung, dass Menschen, die in ihrer Gesundheit vorgeschädigt sind (insbesondere durch Allergien in ihrer Krankheitsgeschichte bzw. die Disposition dazu oder durch Sinusitis in ihrer Krankheitsgeschichte), empfindlicher auf Geruch reagieren.194 Es ist daher denkbar, dass diese Gruppe auch andere, schwerwiegendere Symptome bei langanhaltenden oder immer wiederkehrenden Geruchseinwirkungen entwickelt als Menschen, die diese Vorerkrankung bzw. Krankheitsgeschichte nicht aufweisen und daher nicht entsprechend empfindlich auf Geruch reagieren. Allerdings ist auch in diesem Punkt die Datengrundlage für eine abschließende Beurteilung noch nicht ausreichend. Eine eindeutige Aussage „Eine Geruchseinwirkung im Ausmaß x über den Zeitraum y löst die folgenden Beschwerden aus: . . .“, lässt sich daher derzeit nicht treffen. Dazu wären weitere systematische Untersuchungen zu den Auswirkungen von Geruchseinwirkungen notwendig. Zumindest ist es nicht ausgeschlossen, dass Geruchseinwirkungen zu körperlichen Beschwerden führen können.195 Welcher Vgl. Schiffman / Williams, Journal of Environmental Quality 2005, 129, 130. Vgl. Schiffman / Williams, Journal of Environmental Quality 2005, 129, 132. 192 Vgl. Rethage / zur Nieden / Eikmann / Herr, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 139 f. 193 Vgl. Rethage / zur Nieden / Eikmann / Herr, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 139, 147. 194 Vgl. Herr / zur Nieden / Rethage / Stilianakis / Gieler / Eikmann, Epidemiology, 14(5) Supplement: S 100, September 2003. 190 191

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

Art diese Beschwerden sind und ob es sich dabei lediglich um (vorübergehende) Beeinträchtigungen oder möglicherweise (bleibende) Gesundheitsschäden handelt, kann bisher nicht abschließend beantwortet werden. Neben den physischen Auswirkungen haben Geruchseinwirkungen vor allem auch Effekte auf die Psyche eines Menschen.196 Geruchseinwirkungen können den Gemütszustand und die Persönlichkeit beeinflussen. So haben bei einer Befragung im Jahr 1979 bis zu 26 % der Betroffenen erklärt, dass sie wegen der Geruchseinwirkungen gereizt und launisch wurden.197 Auf die von Schiffman / Williams dargestellten und oben schon genannten Auswirkungen in Bezug auf den Gemütszustand wird hingewiesen. Geruchseinwirkungen können neben somatischen und psychischen Beschwerden auch soziale und soziologische Folgen hervorrufen. Geruchsimmissionen können je nach Schweregrad den außerhäuslichen Mobilitätsrahmen einschränken, da der Aufenthalt im Freien, zum Beispiel im eigenen Garten, auf dem Balkon oder der Terrasse, ebenso wie die Frischluftzufuhr Probleme bereiten. Darüber hinaus können Geruchseinwirkungen auch Anlass für den Wechsel des Wohnorts sein.198 Bei einer Befragung im Jahr 1981 äußerten beispielsweise 30 % der Anwohner in einer Entfernung von 300 Metern zu einer Geruchsquelle die Absicht, wegzuziehen. In einer Entfernung von 400 und 500 Metern waren es immerhin noch 20% der Anwohner, in einer Entfernung von 800 Metern noch rund 10% der Anwohner, die eine Wegzugsabsicht äußerten.199

III. Zwischenergebnis Geruch ist im medizinisch korrekten Verständnis eine Empfindung, die durch die Verarbeitung von äußerlich gesetzten Reizen hervorgerufen wird. Die Geruchsempfindung wird von bestimmten, von Stoffen freigesetzten Molekülen hervorgerufen, die Geruchsstoffmoleküle oder Geruchsstoffe genannt werden. Der Vorgang der Geruchswahrnehmung ist erst seit wenigen Jahren erforscht. Der Mensch verfügt über 350 unterschiedliche Rezeptoren, die 350 verschiedene Geruchsstoffmoleküle erkennen können. Geruchseindrücke setzen sich aus Kombinationen der Wahrnehmung dieser verschiedenen Geruchsstoffmoleküle zusammen. Insgesamt kann der Mensch bis zu 10.000 verschiedene Geruchsarten erkennen. Ein erwähnenswerter Vorgang ist die mit Adaptation oder „Fatigue“ beschriebene Ermüdung 195 Vgl. HMU, Emissionen aus Kompostierungsanlagen, S. 200, 206, 212, 222 f.; Rethage / zur Nieden / Eikmann / Herr, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 139. 196 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 84. 197 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 84. 198 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 84. 199 Vgl. Hangartner, Haustechnik, Bauphysik, Umwelttechnik 1981, 117 f.; Cooperative, Geruch, S. 84.

III. Zwischenergebnis

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der Riechzellen. Bei einem Überangebot von Geruchsstoffmolekülen über einen bestimmten Zeitraum wird Geruch kaum oder nicht mehr wahrgenommen. Erst nach einer Erholung von diesem Überangebot kann die Nase den Geruch wieder wahrnehmen. Daher werden viele einzelne Geruchswahrnehmungen vom Menschen intensiver empfunden als eine lang anhaltende Geruchsschwellenüberschreitung. Die Anzahl an chemischen und physikalischen Vorgängen, die zur Freisetzung von Geruchsstoffen in die Luft führen, ist unüberschaubar. Die immissionsschutzrechtlich interessierenden Geruchsemittenten sind die Tierhaltung, die Nahrungsmittelproduktion und die chemische Industrie sowie die Abfallbeseitigung und die Abwasserreinigung. Wie sich die von diesen Emittenten ausgestoßenen Geruchsstoffe in der Umwelt verteilen, hängt wesentlich von meteorologischen und topographischen Gegebenheiten ab. Geruch kann sich über mehrere Kilometer hinweg ausbreiten und auf diesem Wege noch in einiger Entfernung vom Emittenten zu Geruchseindrücken führen. Wie der Einzelne Geruch wahrnimmt, hängt von zahlreichen Einflussfaktoren ab. Geruch wird teilweise auf der Grundlage von angeborenem, überwiegend aber auf der Basis von anerzogenem und erlerntem Wissen erkannt. Der Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens ein Geruchsgedächtnis. Geruchseindrücke werden zumeist gekoppelt an bestimmte Gefühle oder Erlebnisse im Gehirn gespeichert. Aus diesem Grund können Geruchsereignisse auch nach vielen Jahren noch Erinnerungen an kindliche Erfahrungen oder weit zurückliegende Ereignisse hervorrufen. Der gesamte Wahrnehmungsvorgang ist somit subjektiv geprägt. Empfindungen, die von einer Geruchswahrnehmung ausgelöst werden, basieren auf persönlichen Erfahrungen und Prägungen. Auch die Wahrnehmungsfähigkeit unterliegt individuellen Einflussfaktoren. Der körperliche und physische Zustand kann sich auf die Fähigkeit, Geruch wahrzunehmen und zu erkennen, auswirken.200 Aus diesem Grund ist eine allgemeine Charakterisierung von Geruchsstoffen sowie eine allgemeingültige Aussage darüber, ob Geruch als angenehm oder als unangenehm und damit belästigend empfunden wird, nur eingeschränkt möglich. Ebenso schwierig ist daher eine Aussage darüber, welche Auswirkungen Geruchsimmissionen haben können.201 Zwar äußern Betroffene in der Umgebung von Geruchsstoffemittenten eine Vielzahl von physischen und psychischen Beschwerden. Bisher existiert jedoch weder eine ausreichende Datengrundlage noch eine befriedigende Methode, um herauszufinden, ob die genannten Beeinträchtigungen tatsächlich auf die Geruchswahrnehmung zurückzuführen sind, oder von anderen, mit der Geruchsimmission einhergehenden Immissionen oder eventuell von der Kombination aus Geruch und anderen Faktoren hervorgerufen werden. Geruchseinwirkungen wird daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich eine Beläs200 Dies gilt auch für bestimmten Typen von Geruchsemittenten, die aufgrund ihrer Art von vornherein mit subjektiv negativen Gefühlen behaftet sind, vgl. etwa zu Abwasseranlagen Weller, in: WAR (Hrsg.), Abwasseranlagen, S. 21, 26. 201 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 5.

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B. Entstehung und Wahrnehmung von Geruch

tigungswirkung zugesprochen. Dass Geruch Krankheiten hervorruft, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Die vielfältigen Umstände, die die Geruchswahrnehmung beeinflussen können, verdeutlichen, dass die menschliche Nase ein äußerst ungenaues und vielfältigen Schwankungen unterliegendes Wahrnehmungsorgan darstellt. Sie ist jedoch nach wie vor das wichtigste Messinstrument im immissionsschutzrechtlichen Kontext. Um dieses Messinstrument trotz seiner Schwächen einsetzen zu können, versucht man, den natürlichen Schwankungen der menschlichen Geruchswahrnehmung durch bestimmte Anforderungen an die jeweiligen Personen, die als Prüfer bei Geruchsmessungen eingesetzt werden, und durch die Systematisierung der Ermittlung von Geruchsemissionen und -immissionen, zu begegnen. Auf welchem Wege dies geschieht, wird im nachfolgenden Kapitel dargestellt.

C. Geruchsmessungen I. Grundlagen Das Wissen, dass von einer Anlage bestimmte Geruchsstoffe in die Atmosphäre freigesetzt werden, reicht nicht aus, um den erwarteten Geruch auch bewerten zu können. Geruchsereignisse, wie die Emission oder Immission von Geruchsstoffen, müssen zunächst gemessen werden, bevor sie beurteilt werden können.1 Die Bewertung setzt demnach voraus, dass Geruch erfasst wird. Zur Geruchsmessung stehen zwei Verfahren zur Verfügung: das analytische Messverfahren, bei dem verschiedene technische Einrichtungen zum Einsatz kommen, und das sensorische Messverfahren, bei dem die menschliche Nase als Detektor dient.2 Die Wahl des Messverfahrens richtet sich nach der Aufgabenstellung, da nicht beide Messverfahren gleichermaßen für die verschiedenen Untersuchungsziele der Geruchsmessung geeignet sind. Untersuchungsziel kann die Ermittlung der Geruchsstoffkonzentration am Emissionsort sein, wobei sowohl Einzelstoffe als auch Stoffgemische Untersuchungsgegenstand sein können. Ziel der Geruchsmessung kann auch die Ermittlung der Häufigkeit von Geruchseinwirkungen am Immissionsort und deren Belästigungsgrad durch Intensität, Art und Hedonik (Beurteilung als angenehm oder unangenehm) des Geruchs sein. Analytische Messgeräte eignen sich vorwiegend zur Ermittlung der Stoffkonzentration von Einzelstoffen am Emissionsort. Dies kann mithilfe von Prüfröhrchen erfolgen, deren Beschichtung auf die in der Luft enthaltenen Atome beispielsweise des Kohlenstoffs durch Verfärbung reagiert oder anhand von metallenen Sensoren („elektronische Nasen“), die bei Kontakt mit einem Stoff ihre Leitfähigkeit ändern und diesen Impuls an einen nachgeschalteten Rechner weitergeben.3 Stoffgemische lassen sich auf diesem Wege nur eingeschränkt feststellen, da die Erfassung einer Vielzahl von Substanzen im Ultraspurenbereich sehr aufwendig und teilweise technisch gar nicht möglich ist.4 Darüber hinaus kann das „Erkennen“ durch ein analytisches Messgerät immer nur anhand der chemischen Verbindungen festgemacht werden, deren Geruchswirkung anschließend über sensorische Messungen untersucht wird oder bereits im Vorfeld bekannt sein muss, um vom Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 57. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 57 f. 3 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 180. 4 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 59; Jager / Kuchta, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 3, 8. 1 2

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C. Geruchsmessungen

Stoff auf seine Wirkung schließen zu können. Eindeutige Geruchsstoffzusammensetzungen kommen zudem in der Praxis nur sehr selten vor.5 Fast überwiegend emittieren Quellen Gemische vielfältiger Stoffarten in die Atmosphäre, so dass der Einsatz analytischer Messgeräte nur eingeschränkt für die Praxis sinnvoll ist. Immissionsseitig ist die Konzentration zumeist zu gering, um sie mit Messgeräten erfassen zu können.6 Ein breiteres Anwendungsfeld hat das sensorische Messverfahren. Als sensorisch wird im Allgemeinen jede Analyse bezeichnet, bei der menschliche Sinnesorgane als Detektor fungieren. Da bei der Geruchsmessung der Geruchssinn zum Einsatz kommt, spricht man von olfaktometrischer7 Messung. Das olfaktometrische Messverfahren kommt bei der Ermittlung der Konzentration eines Geruchsstoffes oder Geruchsstoffgemisches am Emissionsort zum Einsatz. Insbesondere für das Messen von Geruchsstoffgemischen ist die menschliche Nase besser geeignet als die chemische oder physikalische Analytik. Für die menschliche Nase ist es unerheblich, aus wie vielen Einzelkomponenten sich ein Geruchsstoffgemisch zusammensetzt. Soweit ausreichend Geruchsstoffmoleküle auf den Sensor in der Nase treffen, wird Geruch wahrgenommen und kann registriert werden. Geruchsemissionen können von besonders geschulten Probanden auf ihre Konzentration und auch auf ihre Intensität und Hedonik hin untersucht werden. Für die Beurteilung der Immissionsseite kommt ausschließlich die sensorische Messung in Frage, und zwar sowohl hinsichtlich der Erfassung der Gesamtdauer und zeitlichen Verteilung von Geruchswahrnehmungen am Immissionsort als auch hinsichtlich ihrer Intensität, Art und Hedonik. Wie bereits erwähnt ist die Konzentration immissionsseitig zumeist zu gering, um von analytischen Messgeräten erfasst zu werden. Darüber hinaus kann nur der Mensch die Wirkung von Geruchsstoffen auf den Menschen beschreiben.8 Ob ein Geruch als angenehm oder unangenehm empfunden wird und ob er intensiv oder schwach wahrgenommen wird, ist eine sinnliche Empfindung, die auch nur sensorisch erfasst werden kann. Geruchsimmissionen werden mit der Raster- oder Fahnenbegehung im Umfeld einer geruchsstoffemittierenden Anlage ermittelt, bei der ebenfalls besonders ausgewählte und geschulte Prüfer zum Einsatz kommen. Eine weitere Methode zur Messung von Geruchsimmissionen ist die Befragung der „naiven“ (ungeschulten) Anwohner.9 Dabei können zusätzlich zu den Geruchswahrnehmungen noch weitere Komponenten (Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, körperliche Verfassung, Beziehung zum Emittenten etc.) berücksichtigt werden, um deren Einfluss auf die Wahrnehmung von Geruchsimmissionen untersuchen zu können. Allerdings hat die 5 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 56, 63; Jager / Kuchta, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 3, 8. 6 Vgl. Richter / Kost / Röckle, promet 2003, 39, 46. 7 Von lat. olere, riechen. 8 Vgl. Slameczka, connex 2003, 4, 5. 9 Vgl. dazu etwa Steinheider / Both / Winneke, Gefahrstoffe – RdL 1998, 411.

II. Sensorische Geruchsmessung

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Befragung von Anwohnern in Deutschland – im Vergleich zu anderen Ländern – noch keinen besonders hohen Stellenwert erlangt.10 Insgesamt kommen weder elektronische Nasen noch sonstige analytische Messinstrumente an die Fähigkeiten der Geruchswahrnehmung und -differenzierung durch den Menschen heran.11 Allerdings kann das sensorische Messverfahren in geeigneten Fällen durch analytische Messungen ergänzt werden, insbesondere dort, wo an Emissionsquellen einzelner Stoffarten deren Ausstoß kontinuierlich gemessen werden soll12 oder wo über technische Messungen die Unsicherheiten, die der sensorischen Messung innewohnen, ausgeglichen werden können.13

II. Sensorische Geruchsmessung 1. Messverfahren Zur sensorischen Geruchsmessung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Mit Olfaktometrie wird ein Messverfahren bezeichnet, bei dem mit Hilfe eines geeigneten Verdünnungsgerätes eine zu untersuchende Geruchs(emissions-)probe gezielt mit geruchsneutraler Luft vermischt und mehreren Probanden dargeboten wird.14 Das zur Verdünnung der Geruchsstoffprobe herangezogene Gerät heißt Olfaktometer.15 Anhand der Darbietung wird die Geruchsschwelle für einzelne Geruchsstoffe oder Geruchsstoffgemische ermittelt, also das Moment, in dem eine Geruchswahrnehmung gerade eben ausgelöst wird. Davon wird anschließend die Geruchsstoffkonzentration in einem definierten Luftvolumen abgeleitet. Mit dem Olfaktometer können darüber hinaus auch die Intensität eines Geruchsstoffs sowie seine hedonische Wirkung untersucht werden.16 Ein weiteres olfaktorisches Messverfahren ist die Begehung. Dabei handelt es sich um eine Untersuchung im Feld mit Probanden, die die Immissionssituation innerhalb eines bestimmten Zeitraums überprüfen. Dies kann zum einen zur Feststellung der Vorbelastung im Rahmen der Planung einer Anlage notwendig sein, zum anderen können Begehungen bei der Überprüfung einer Anlage, bei der Untersuchung der Effektivität von Abluftreinigungsmaßnahmen oder bei Anwohnerbeschwerden notwendig sein. Von den Ergebnissen einer Begehung kann zudem auch auf Emissionsraten zurückgerechnet werden. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 96; vgl. dazu unten F. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 64; Frechen, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 13; Schön / Hübner, Geruch, S. 63. 12 Vgl. Frechen, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 13. 13 Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 77. 14 Vgl. Oberthür, Staub – RdL 1990, 175, 178. 15 Vgl. Frechen, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 15. 16 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 63. 10 11

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C. Geruchsmessungen

Bei den Begehungen unterscheidet man die Rastermessung von der Fahnenmessung. Bei der Rastermessung wird ein festgelegtes und in ein Raster unterteiltes Gebiet, das als Beurteilungsgebiet bezeichnet wird, rund um eine (geplante) Anlage untersucht, um die Vorbelastung vor Errichtung einer Anlage oder die Belastung im Umkreis der bereits betriebenen Anlage festzustellen.17 Bei der Fahnenmessung wird, abhängig von der am Anlagenstandort vorherrschenden Windrichtung, der Bereich Lee der Anlage begangen, um die Ausbreitung der von der Anlage ausgehenden Geruchsfahne zu erfassen.18 Ziel der Messung ist die Ermittlung des Geruchszeitanteils einer bestimmten Geruchsart (typischerweise des interessierenden Anlagengeruchs), wobei sowohl die absolute Dauer als auch die relative Dauer innerhalb eines Messzeitraums, während der Geruch im überschwelligen Bereich wahrnehmbar ist, gemessen werden kann. Darüber hinaus können bei Begehungen auch die Geruchsart, die Intensität des Geruchs und die hedonische Geruchswirkung erfasst werden. Welchen vielfältigen Einflüssen und Schwankungen die menschliche Geruchswahrnehmung unterliegt, ist im vorherigen Kapitel ausgeführt worden. Geruchswahrnehmung und -interpretation sind stets subjektiv geprägt. Um das Mess- und Beurteilungsverfahren dennoch in höchstmöglichem Maße objektivier- und reproduzierbar zu machen, sind von privaten Stellen Regelungen erarbeitet worden, die die technischen und organisatorischen Einzelheiten zur standardisierten Geruchsmessung enthalten, zum Beispiel zur Auswahl von Probanden als Prüfer und zum Ablauf der Messungen. Die hierzu vorhandenen Regelungen sind von der Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) oder vom Europäischen Komitee für Normung erstellt worden. Das Europäische Komitee für Normung umfasst die nationalen Normenorganisationen der 31 Länder der EU und der EFTA. Die KRdL ist ein Gemeinschaftsgremium des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und für die Erstellung von Technischen Regeln, wie VDI-Richtlinien, DINNormen, DIN-EN-Normen und DIN-ISO-Normen im Bereich der Luftreinhaltung zuständig.19 Die Richtlinien und Normen zur Geruchsmessung finden über VerVgl. Frechen, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 23; Cooperative, Geruch, S. 72. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 73; Schön / Hübner, Geruch, S. 90; Frechen, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 22. 19 Die Kommission Reinhaltung wurde auf Initiative des Deutschen Bundestages im Jahre 1957 gegründet, nachdem das Thema der Luftverunreinigung 1956 erstmals Anlass für große parlamentarische Debatten war. Die KRdL erhielt den Auftrag, in freiwilliger Selbstverwaltung der interessierten Kreise ein technisch-wissenschaftliches Regelwerk zur Beschreibung des Standes der Technik in der Luftreinhaltung zu erarbeiten. Die KRdL trat am 02. 05. 1957 zur ersten Sitzung zusammen. Sie wird institutionell gefördert. Vgl. zu allem KRdL (Hrsg.), 50 Jahre KRdL, S. 17, 22, 38 f. Im Jahr 2005 erhielt die KRdL eine Förderung von 1.279.000 Euro, derselbe Beitrag sollte sowohl in 2006 als auch in 2007 gezahlt werden, vgl. Bundeshaushaltsplan 2007, Einzelplan 16 für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Unterplan 16 02, Allgemeine Bewilligungen, Umweltschutz, Naturschutz, 17 18

II. Sensorische Geruchsmessung

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weise in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften Einzug in die Bewertung von Geruchsemissionen und -immissionen.20 Sie sind zu unterscheiden von denjenigen Richtlinien, die die KRdL für bestimmte Anlagenarten entwickelt hat. Diese Richtlinien, wie beispielsweise die VDI-Richtlinie 3471 „Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine“21, dienen auch, aber nicht ausschließlich der Minderung von Geruchsemissionen und damit der Vorsorge vor der Entstehung von Geruchsimmissionen. Sie sehen insbesondere bauliche und betriebliche Standards für verschiedene Anlagenarten vor, um eine Emissionsminderung für Geruch, aber auch für Stäube und andere Emissionsarten zu erreichen.22 Die nachfolgende Auseinandersetzung mit den technischen Regelungen zur Geruchsmessung erfolgt im Rahmen der vorliegenden juristischen Arbeit relativ ausführlich. Grund dafür ist, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Geruchsimmissionen von einer Anlage herbeigeführt werden und ob sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen, stets eine messtechnische Beurteilung der konkreten und / oder der zu erwartenden Immissionssituation voraussetzt. Auch wenn eine rechtliche Entscheidung grundsätzlich auf der Grundlage fehlerhafter Daten ergehen kann, ohne deswegen rechtswidrig sein zu müssen, kommt der Richtigkeit des Messverfahrens im Rahmen der Geruchsbewertung eine grundsätzliche Bedeutung mit Auswirkungen auch für die rechtliche Bewertung zu. Wo die – rechtlich festzulegende – Zumutbarkeitsgrenze überwiegend auf olfaktorischen Messergebnissen beruht, kann sich die Unzulänglichkeit des Messverfahrens auf die rechtliche Entscheidung auswirken. Kann das Messverfahren auch nicht annähernd die Realität widerspiegelnde Ergebnisse liefern, so kann auf seiner Grundlage auch keine rechtmäßige Entscheidung ergehen. Da die sensorische Geruchsmessung den Menschen als Messinstrument einsetzt, ist sie mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, die vor allem den jeweiligen individuellen Schwankungen des Menschen, aber auch einigen anderen Parametern geschuldet ist. Dies gilt es auch im rechtlichen Kontext zu beachten. Im Jahre 1993 schrieb Frechen23: „Gleichwohl gilt nach wie vor, dass gerade der Bereich Geruchsemissionen und -immissionen einen Bereich darstellt, in dem die Sicherheit der getroffenen Aussagen so gering ist wie bei praktisch keiner anderen vergleichbaren Emission / Immission. Dies ist entsprechend zu bewerten und zu würdigen bei der Ableitung von Aussagen und Schlussfolgerungen.“ erneuerbare Energien, vgl. http://www.bundesfinanzministerium.de/bundeshaushalt2007/pdf/ epl16/s160268504.pdf. 20 Z. B. § 7 Abs. 5 BImSchG, Nr. 5.3.2.2 und 5.3.2.3 TA Luft, Anhang 6 Tabelle 21 zur TA Luft. 21 Dazu unten D. VI. 22 Auf einige dieser Richtlinien wird in Kapitel D. VI. eingegangen. 23 Vgl. Frechen, in: WAR (Hrsg.), Immissionsschutz, S. 25.

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C. Geruchsmessungen

Diese Aussage kann, wenn auch eingeschränkt, noch heute Geltung beanspruchen.24 In den letzten fünfzehn Jahren hat sich die Technik der Geruchsmessung zwar wesentlich weiterentwickelt.25 Dennoch stellt sie nach wie vor eine besondere Herausforderung dar. Dies liegt insbesondere an den Schwierigkeiten, eine den Besonderheiten der Geruchsempfindung des Menschen angepasste Messtechnik zu entwickeln.26 Anhand von qualitätssichernden Standards und der Beachtung der einer jeden Messung innewohnenden Unsicherheit versucht die Messtechnik, der Wahrnehmungswirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen. In den folgenden Ausführungen werden die verschiedenen Messverfahren dargestellt und zugleich aufgezeigt, welchen besonderen Schwierigkeiten das Messen und standardisierte Bewerten von Geruch unterliegt und wie die Messtechnik diesen Schwierigkeiten begegnet.

2. Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration (Geruchsschwellenbestimmung) mit dynamischer Olfaktometrie (DIN EN 13725) a) DIN EN 13725 Der Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration eines Stoffs oder Stoffgemisches mit dem Olfaktometer liegt die Überlegung zugrunde, dass die Geruchsstoffe, die die Wirkung „Geruch“ auslösen, in Form einer Konzentration quantifizierbar sein müssen27, dass also eine bestimmte Geruchsstoffkonzentration eine bestimmte Reizstärke verursacht. Diese Konzentration gilt es zahlenmäßig zu erfassen, um sie handhabbar zu machen. Die genaue Erfassung und Quantifizierung der Geruchsstoffemissionen ist besonders wichtig, da sie eine Eingangsgröße für die Ausbreitungsrechnung darstellt, anhand derer das Ausmaß der Geruchsimmissionen prognostiziert werden soll. Die Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration mit dynamischer Olfaktometrie erfolgt anhand der europäischen Norm EN 13725:2003.28 Nationaler Vorgänger dieser Norm war die von der VDI-Kommission Reinhaltung der Luft im Jahre 1986 entwickelte VDI-Richtlinie 3881 zur Geruchsschwellenbestimmung29, die 24 Vgl. dazu z. B. den Beitrag von Stockinger aus dem Jahre 2001 in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 51 ff., sowie vom selben Autor den Beitrag aus dem Jahre 2005, Entwicklung der Emissionsmesstechnik für MBA, VDI-Seminar „Messtechnik bei Verbrennungsanlagen“, 18. / 19. 10. 2005. 25 Vgl. Ohloff, Düfte, S. 177; o.V., in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, Vorwort. 26 Vgl. o.V., in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, Vorwort. 27 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 65. 28 Abgedruckt in: VDI / DIN (Hrsg.), VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 1a. 29 VDI-Richtlinie 3881 Blatt 1: Olfaktometrie, Geruchsschwellenbestimmung; Grundlagen (1986).

II. Sensorische Geruchsmessung

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bis 1989 um drei weitere Richtlinien ergänzt wurde.30 Die EN 13725:2003 hat diese vier Richtlinien im Jahre 2003 ersetzt. Sie ist vom Europäischen Komitee für Normung (Comitée Européen de Normalisation (CEN)) erarbeitet worden, und zwar vom Technischen Komitee CEN / TC 264 „Luftbeschaffenheit“ und dort in der Arbeitsgruppe 2 „Gerüche“.31 Die Arbeiten an der Europäischen Norm erfolgten unter Mitwirkung deutscher Experten und der fachlichen Begleitung durch das nationale Spiegelgremium der KRdL im VDI und DIN-Normenausschuss. Hauptziel der Norm ist die Schaffung einer gemeinsamen Grundlage zur Bewertung von Geruchsstoffemissionen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.32 Die EN 13725:2003 hat national den Status einer Norm mit der Bezeichnung DIN EN 13725 „Luftbeschaffenheit – Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration mit dynamischer Olfaktometrie“ (im Folgenden: DIN EN 13725).33 Im Vergleich zur VDI-Richtlinie 3881 hat die EN 13725:2003 insbesondere die Qualitätsanforderungen an die Messlabore erheblich verschärft.34 Die Norm legt ein Verfahren fest, das zum Erreichen von zweierlei Ergebnissen genutzt wird. Die Norm dient zunächst der „objektiven35 Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration einer gasförmigen Probe durch Anwendung der dynamischen Olfaktometrie mit Personen als Prüfern“. Die dynamische Olfaktometrie bezeichnet eine Messmethode, bei der eine Geruchsstoffprobe laufend mit Neutralluft verdünnt und anschließend dem Probanden dargeboten wird, der bei der Darbietung entscheiden muss, ob er einen Geruchseindruck wahrnimmt oder nicht. Anhand dessen wird die jeweilige Geruchsschwelle des dargebotenen Stoffs ermittelt, von der wiederum die Gesamtgeruchsstoffkonzentration der Abluftprobe abgeleitet werden kann. Bei der statischen Olfaktometrie, die nicht Gegenstand der DIN EN 13725 ist, wird hingegen ein bestimmtes, in einer Probenflasche enthaltenes Gemisch bewertet.36 30 VDI-Richtlinie 3881 Blatt 2, Olfaktometrie, Geruchsschwellenbestimmung; Probenahme, 1987; VDI-Richtlinie 3881 Blatt 3: Olfaktometrie, Olfaktometer mit Verdünnung nach dem Gasstrahlprinzip, 1986; E VDI-Richtlinie 3881 Blatt 4: Olfaktometrie, Geruchsschwellenbestimmung; Anwendungsvorschriften und Verfahrenskenngrößen, 1989. 31 Das Europäische Komitee für Normung CEN umfasst die nationalen Normenorganisationen der 28 Länder der EU und der EFTA. Das DIN ist für die Bundesrepublik Deutschland nationales Mitglied. Das CEN / TC 264, das für Fragen der Luftbeschaffenheit zuständig ist, wurde auf Antrag der KRdL eingerichtet. Die konstituierende Sitzung des CEN / TC 264 fand am 11. 03. 1990 in Bonn statt, vgl. http://www.vdi.de/vdi/organisation/schnellauswahl/fgkf/ krdl/community/coop/01851/ndex.php; ausführliche Informationen zur Arbeit des CEN / TC 264 sind im Internet auf den Seiten des CEN veröffentlicht, vgl. http://www.cen.eu/nr/cen/ doc/ExecutivePDF/6245.pdf, http://www.cen.eu/nr/cen/doc/PDF/6245.pdf. 32 DIN EN 13725, S. 4; Slameczka, connex 2003, S. 4. 33 Veröffentlicht von der KRdL, Berlin 2003. 34 Vgl. Stockinger, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 51, 61. 35 Auch wenn die DIN die objektive Bestimmung zum Ziel hat, so kann diese Bezeichnung nur unter den bereits dargestellten Einschränkungen aufgrund der individuellen Schwankungen des Sensors „Mensch“ gelten. Sie sollte daher als „so objektiv wie möglich“ gelesen werden.

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C. Geruchsmessungen

Darüber hinaus dient die Norm der „Bestimmung der Emissionsströme von Geruchsstoffen aus Punktquellen, Flächenquellen mit definiertem Volumenstrom und Flächenquellen ohne definierten Volumenstrom“.37 Dabei wird der Umfang an Emissionen aus einer Quelle in einem bestimmten Zeitraum ermittelt (Wie viele Geruchseinheiten entströmen der Quelle pro Sekunde / Minute / Stunde?). Von einer Punktquelle spricht man beispielsweise bei einem Schornstein, von einer Flächenquelle zum Beispiel bei Klärbecken, Deponien oder Kompostmieten, bei denen Geruchsstoffe von einer größeren Fläche in die Atmosphäre emittiert werden. Wird die Abluft mit einem bestimmten Druck in die Atmosphäre freigesetzt, zum Beispiel, indem die Luft in einem Produktionsraum an zentraler Stelle angesogen und anschließend durch einen Abluftkanal in die Atmosphäre ausgestoßen wird, so stellt dies einen definierten Volumenstrom dar. Entweichen Geruchsstoffe allein aufgrund von unkontrollierten Luftbewegungen, aufgrund des Dampfdrucks oder der Temperatur innerhalb und außerhalb des Produktionsraums, so stellt dies einen nicht definierten Volumenstrom dar.38 Anhand der Vorgaben der Norm werden sowohl Geruchsstoffkonzentrationen reiner Substanzen als auch definierte Gemische und nicht definierte Gemische gasförmiger Geruchsstoffe in Luft oder Stickstoff gemessen. Die der Norm zugrunde gelegte Maßeinheit ist die Geruchseinheit pro Kubikmeter (GE / m3), deren Ermittlung sogleich erklärt wird (in der EN 13725:2003 bezeichnet als Europäische Geruchseinheit pro Kubikmeter (GEE / m3); im Folgenden wird der Einfachheit halber von GE und GE / m3 gesprochen). Ausdrücklich vom Anwendungsbereich der DIN EN 13725 ausgenommen sind die direkte Messung der hedonischen Wirkung (Bewertung „angenehm – neutral – unangenehm“), die direkte Bewertung der potentiellen Geruchsbelästigung sowie das Messen der Erkennungsschwellen oder der Identifizierungsschwellen.39 In der Richtlinie heißt es dazu: „Zwar ist das Endziel der Geruchsmessung die Verringerung der Geruchsbelästigung, aber die Beziehung zwischen gemessenen Geruchsschwellen nach dieser Norm und dem Auftreten einer Geruchsbelästigung ist sehr komplex. Sie wird weitgehend durch atmosphärische Prozesse beeinflusst, die die Ausbreitung der Geruchsstoffe bestimmen, durch die Qualität des Geruchs (hedonische Wirkung) und letztlich durch die Rezeptoreigenschaften der dem Geruch ausgesetzten Personen. Diese Eigenschaften sind nicht nur von Person zu Person sehr unterschiedlich, sondern verändern sich im Laufe der Zeit auch bei ein und derselben Person. Die Darstellung der Beziehungen zwischen Emission, Ausbreitung, Exposition und Belästigung gehört nicht zur Zielsetzung dieser EN.“40

36 37 38 39 40

Vgl. DIN EN 13725, S. 6, Nr. 3. 1. 16; Ohloff, Düfte, S. 173 f., 175, 177. DIN EN 13725, S. 4. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 75. DIN EN 13725, S. 4. DIN EN 13725, S. 4.

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Die Richtlinie fasst damit in wenigen Worten die oben ausführlich dargestellte Schwierigkeit der Ermittlung der Zusammenhänge zwischen Geruchsemissionen, -immissionen und Geruchswirkung zusammen. Zugleich kann daraus abgeleitet werden, dass diese Zusammenhänge noch nicht ausreichend erforscht worden sind, um sie in einer Norm oder einem anderen Regularium (auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene) festzulegen. Es erstaunt daher nicht, dass der Bedarf an und der Wunsch nach weiterer Forschung in nahezu jeder Publikation zur Geruchsbewertung geäußert werden.41

b) Die Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration aa) Ablauf der Messung Die Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration einer Abluftprobe erfolgt nach den Vorgaben der DIN EN 13725. Zur Bestimmung der Wahrnehmungsschwelle wird eine Abluftprobe (zum Beispiel eines Schweinestalls, einer Brauerei, einer Abfallbehandlungsanlage etc.) mit dem Verdünnungssystem des Olfaktometers in Form einer geometrischen Reihe stark verdünnt (z. B. 16-fache Verdünnung, 32-fache Verdünnung, 64-fache Verdünnung, 128-fache Verdünnung, 256-fache Verdünnung . . . usw.). Dieses mit Hilfe des Olfaktometers hergestellte stark verdünnte Gemisch wird den Probanden über eine Nasenmaske zur Beurteilung angeboten, und zwar zunächst in unterschwelliger, sehr stark verdünnter Konzentration. In Stufen wird die Verdünnung reduziert und damit die Konzentration des Stoffs erhöht, wobei das Olfaktometer den Luftvolumenstrom der neutralen und der geruchsbeladenen Luft sowie die Austrittsgeschwindigkeit, mit der das Gemisch den Probanden dargeboten wird, reguliert. Um die persönliche Geruchsschwelle zu bestimmen, muss jeder Proband bei jeder Veränderung der Konzentration die Entscheidung „ich rieche etwas“ / „ich rieche nichts“ treffen (sog. Ja / Nein-Modus).42 Die Probanden signalisieren auf diesem Wege das Erreichen der Wahrnehmungsschwelle. Die Bestimmung der Wahrnehmungsschwelle erfolgt in mehreren Messreihen, wobei die einzelnen Aussagen der Probanden in Form einer Gauß’schen Verteilung erfasst werden. Die Darbietung der Abluftprobe in hoher Verdünnung 41 Vgl. auf europäischer Ebene van Broeck, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 91; zu notwendigen weiteren Forschungen im Rahmen der Olfaktometrie vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 261, 78; zu notwendigen weiteren Forschungen im Rahmen der Beziehung zwischen Geruchsbelästigungen und körperlichen Beschwerden vgl. Rethage / zur Nieden / Eikmann / Herr, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 139 f.; zur Notwendigkeit der Entwicklung von Bewältigungsstrategien bei Geruchsbelästigungen vgl. Cervinka / Neudorfer, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 149 f.; zum Erfordernis der Weiterentwicklung der GIRL aufgrund neuester Untersuchungen zu Geruchsbelästigungen in der Landwirtschaft vgl. Both, in VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 169 f. 42 Vgl. DIN EN 13725 S. 38, Nr. 8.1.2.; am Olfaktometer ist zumeist eine Tastatur oder ein Display angebracht, über die die Prüfer eine Geruchswahrnehmung festhalten können.

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und anschließend mit zunehmender Konzentration wird also mehrere Male durchgeführt. Die Probanden müssen dabei jeweils ihre individuelle Geruchsschwelle ermitteln. Wird ein Geruchsstoff in dem Verhältnis verdünnt, dass er bei 50% der Darbietungen keinen Geruchseindruck („ich rieche nichts“) und bei 50 % der Darbietungen einen Geruchseindruck („ich rieche etwas“) auslöst (also bei der Hälfte der Gesamtzahl der Darbietungen dieser konkreten Konzentration), so ist der an diesem Punkt erreichte Verdünnungsgrad die Wahrnehmungsschwelle, die zugleich die gesuchte Geruchsstoffkonzentration mit der Einheit 1GE / m3 (1 Geruchseinheit pro Kubikmeter Luft) ist.43 Sie stellt den sogenannten Z50 -Wert dar, der mathematisch dargestellt wird anhand der Gleichung Z50 ˆ

VG ‡ VN VG

wobei VG = Volumenstrom der Geruchsstoffprobe an der Geruchsschwelle und VN = Volumenstrom der Neutralluft an der Geruchsschwelle ist. Die Verdünnungszahl Z ist ein Maß für die Geruchsintensität. Ein hoher Wert von Z bedeutet, dass die Abluft sehr stark verdünnt werden muss, damit sie keine Geruchswirkung mehr auslöst und dass die Konzentration der geruchstragenden Moleküle in der unverdünnten Geruchsstoffprobe entsprechend hoch ist, ein niedriger Wert von Z bedeutet genau das Gegenteil.44 Die Geruchsstoffkonzentration in der Abluftprobe kann dann als Vielfaches der Wahrnehmungsschwelle ausgedrückt werden. Dies geschieht wie folgt: Die Probanden signalisieren das Erreichen der Geruchsschwelle je nach ihrer individuellen Geruchsschwelle bei unterschiedlichen Verdünnungsstufen. Aus der zugehörigen Verdünnungsstufe wird gemäß der Berechnungsvorschrift in der Norm (Bezug der überschwelligen Wahrnehmung auf die geometrische Intervallmitte und Bildung des geometrischen Mittels der Probandenresultate) auf die Geruchsstoffkonzentration in der Probe zurückgerechnet. 45 An der Wahrnehmungsschwelle kann noch keine Aussage getroffen werden, wonach es riecht.46 Um die Erkennungsschwelle zu erreichen, müssen mehr Geruchsstoffmoleküle auf den Rezeptor treffen als zur Auslösung des Geruchsreizes. Wie viel höher die Geruchsstoffkonzentration an der Erkennungsschwelle ist, variiert 43 Es ist dabei zu unterscheiden zwischen der individuellen Geruchswahrnehmungsschwelle und der kollektiven Geruchswahrnehmungsschwelle. Die individuelle Geruchswahrnehmungsschwelle entspricht derjenigen Geruchsstoffkonzentration, die in 50 % der Reizdarbietungen bei ein und demselben Probanden zu einer Geruchswahrnehmung führt; demzufolge entspricht die kollektive Geruchswahrnehmungsschwelle derjenigen Geruchsstoffkonzentration, die bei 50% der Reizdarbietungen bei einem Probandenkollektiv zu einer Geruchswahrnehmung führt, vgl. Lachnitt, Einfluss von Geruchsbelästigungen, S. 16. Im Rahmen der DIN EN 13725 kommt es auf die Geruchswahrnehmungsschwelle des Probandenkollektivs an. 44 Vgl. Richter / Kost / Röckle, promet 2003, 39, 41. 45 Vgl. Boeker / Haas, Gefahrstoffe – RdL 2007, 331, 332. 46 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 65.

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von Geruchsstoff zu Geruchsstoff. Auch dies kann mit Hilfe des Olfaktometers ermittelt werden, ist jedoch nicht Gegenstand der DIN EN 13725. bb) Festlegung der Geruchseinheit Die bereits zuvor erwähnte Geruchseinheit [GE] wird in der DIN EN 13725 als Maßeinheit für Geruch festgelegt.47 Um einen Referenzwert für alle denkbaren Geruchsstoffe zu schaffen, ist anhand von Ringversuchen mit dem Referenzstoff n-Butanol die Europäische Referenzgeruchsmasse (EROM) festgelegt worden. n-Butanol (auch 1-Butanol oder Butan-1-ol) ist ein aliphatischer Kohlenwasserstoff, der zur Gruppe der Alkanole gehört, die wiederum zu den Alkoholen gehören.48 Es handelt sich dabei um eine farblose Flüssigkeit mit charakteristischem stechenden Geruch.49 47 Die Geruchseinheit ist eine schwierig zu definierende Einheit, da sie einen physiologischen Effekt in Beziehung setzt zu dem Reiz, der diese Wirkung hervorgerufen hat. In diesem Fall kann der Reiz aus einer Vielzahl von Substanzen bestehen. In diesem Sinne ist die Geruchseinheit der LD50 sehr ähnlich, die in Toxikologiebewertungen verwendet wird. Damit wird die Dosis angegeben, die bei 50% einer genau definierten Grundgesamtheit tödliche Wirkung hat. Die physiologische Reaktion ist die allen gemeinsame Reaktion, die durch ein breites Spektrum von Substanzen bei einem ebenso breiten Spektrum an Dosierungen hervorgerufen werden kann. Das Potential, demzufolge eine bestimmte Menge einer Substanz den physiologischen Effekt hervorruft, lässt sich als Vielfaches der Dosis ausdrücken, die bei 50% einer Grundgesamtheit eine Wirkung hervorrufen würde. Das der Definition und der Verwendung dieser Einheit zugrunde liegende Konzept ist in hohem Maße analog zum Konzept der Geruchseinheit. In der Geruchsforschung könnte D50 als die Dosis beschrieben werden, die von 50 % der Bevölkerung als Sinnesreiz wahrgenommen werden kann. In der Vergangenheit haben Geruchsforscher keine Grundgesamtheit aus einheitlichen Prüfpersonen eingesetzt, sondern haben nur die physiologische Reaktion auf die Anzahl der Verdünnungen einer zu messenden Probendosis bezogen. Diese Vorgehensweise macht es aber grundsätzlich unmöglich, die Dosis verschiedener Proben untereinander anders als mit Hilfe der Bevölkerung zu vergleichen. Dies lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn der Forscher davon überzeugt ist, dass die Stichproben aus der Bevölkerung groß genug sind, um die biologische Unterschiedlichkeit innerhalb der Bevölkerung auszugleichen. Diese Annahme kann jedoch in der Praxis der Geruchsmessung nicht erfüllt werden. Die Stichprobe aus der Bevölkerung (4 bis 8 Personen, mehr oder weniger zufällig ausgewählt) ist eine viel zu begrenzte Stichprobe, um repräsentativ sein zu können, wenn man die Schwankungsbreite der sensorischen Empfindlichkeit innerhalb der Bevölkerung kennt. Diese Vorgehensweise erfüllt nicht die statistischen Anforderungen einer toxikologischen Versuchsanordnung, da die Stichprobengröße aus der Bevölkerung, die hinsichtlich der Repräsentativität notwendig wäre, wesentlich höher wäre als die normale Anzahl der für die Olfaktometrie eingesetzten Prüfer. Die Lösung liegt in einer Standardisierung der Prüfpersonen, die zur Bewertung der physiologischen Wirkung herangezogen werden, indem man Prüfer mit bekannter sensorischer Empfindlichkeit gegenüber einem anerkannten Referenzmaterial auswählt (derzeit n-Butanol). Es wird angenommen, dass die Empfindlichkeit gegenüber dem Referenzmaterial ebenso groß ist wie die Empfindlichkeit gegenüber anderen Substanzen. Die Dosis anderer Substanzen und Mischungen wird dann als Vielfaches der Dosis dargestellt, die die gleiche physiologische Reaktion hervorrufen würde wie die auf das Referenzmaterial, vgl. DIN EN 13725 S. 17.

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C. Geruchsmessungen

Die Geruchsschwelle wird erreicht beim Vorliegen von 123 ìg n-Butanol in einem Kubikmeter Neutralluft. Bei Verdampfen in 1 m3 Neutralluft unter Normbedingungen entsteht eine Konzentration von 0,040 ìmol / mol (was einem Volumenanteil von 40 Teilen zu 1 Billion Teilen entspricht). Für n-Butanol ist 1 EROM somit 123ìg. Die Verfasser der DIN EN 13725 gehen davon aus, dass eine Beziehung besteht zwischen 1GE / m3 des Referenzgeruchsstoffs n-Butanol und dem entsprechenden Wert irgend einer Geruchsstoffmischung. Die Norm setzt demnach voraus, dass das Geruchsempfinden des jeweiligen Prüfers gegenüber der Referenzsubstanz n-Butanol derjenigen gegenüber allen anderen Geruchsstoffen entspricht.50 Diese Beziehung wird nur auf der Ebene der physiologischen Reaktion, das heißt der Wahrnehmungsschwelle, definiert. Dabei gilt: 1 EROM  123 ìg n-Butanol  1 GE einer beliebigen Geruchsstoffmischung

Diese Beziehung ist die Grundlage der Rückverfolgbarkeit von Geruchseinheiten irgendeines Geruchsstoffs auf den Referenzgeruchsstoff. Dadurch werden Geruchsstoffkonzentrationen als „n-Butanol-Massenäquivalente“ dargestellt. Die Geruchsstoffkonzentration kann nur bei einer dargebotenen Konzentration von 1 GE / m3 bewertet werden. Folglich wird die Geruchsstoffkonzentration als Vielfaches von 1 GE in einem Kubikmeter Neutralluft dargestellt. Die Geruchsstoffkonzentration GE / m3 lässt sich in derselben Weise verwenden wie die Massenkonzentration (kg / m3).51 48 Man verwendet 1-Butanol als Lösungsmittel bei der Herstellung von Lacken. Es verhindert das Weißanlaufen beim Trocknen der Lacke in feuchter Umgebung. Des Weiteren verwendet man 1-Butanol als Ausgangsstoff bei der Herstellung von -Ethern und Estern, die ihrerseits wieder als Lösungsmittel oder auch als Weichmacher dienen. Weiterhin kann man 1-Butanol als Lösungsmittel für Farbstoffe, als Zusatz in Polituren und Reinigungsmitteln, als Zusatz in Kraftstoffen, als Laufmittel für die Dünnschicht- und Papierchromatographie, als Extraktionsmittel bei der Gewinnung von Arzneistoffen oder als Ausgangsstoff für die Herstellung von Flotationschemikalien verwenden. Außerdem wird Butanol eine große Zukunft als Biokraftstoff der dritten Generation vorausgesagt. 49 Vgl. DIN EN 13725, S. 30, Nr. 6.4.2.; der Stoff wurde als Referenzmaterial gewählt wegen seiner Anwendungshistorie und der Verfügbarkeit als rückverfolgbares Referenzmaterial im Rahmen der messtechnischen Infrastruktur. Ringversuche mit n-Butanol und Umweltgerüchen haben zwar mittlerweile gezeigt, dass die Wiederholgrenze (das heißt die absolute Differenz zwischen zwei einzelnen Ergebnissen unter identischen Prüfbedingungen in kurzen Zeitabschnitten) von Geruchsstoffgemischen besser ist, als die von Einzelstoffen und daher ein Gemisch als Referenzstoff vorzuziehen wäre. Dennoch gibt die DIN EN 13725 n-Butanol als Referenzstoff vor, vgl. DIN EN 13725, S. 30, Nr. 6.4.2. In der Praxis wird die Wiederholgenauigkeit der Prüfer teilweise zusätzlich zu n-Butanol anhand eines Geruchsstoffgemisches ermittelt, um eine Verbesserung der Messergebnisse zu erreichen. 50 Vgl. Stockinger, Entwicklung der Emissionsmesstechnik für MBA, VDI-Seminar „Messtechnik bei Verbrennungsanlagen“, 18. / 19. 10. 2005, S. 9, 10. Diese Annahme birgt eine gewisse Fehlerquelle in sich, wie sogleich noch dargelegt wird.

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Dementsprechend ist die Geruchseinheit die Menge von Geruchsstoff(en), die nach Verdampfen in 1 m3 Neutralluft unter Normbedingungen die gleiche physiologische Reaktion in einem panel (Versuchsgruppe) hervorruft, die durch 1 EROM hervorgerufen wird, wenn diese in 1 m3 Neutralluft unter Normbedingungen verdampft wird. Ein unter Normbedingungen in 1 m3 Neutralluft verdampftes EROM ist die Stoffmasse, die die physiologische Reaktion (Wahrnehmungsschwelle) eines panel hervorruft, das nach den Vorgaben der DIN EN 13725 ausgewählt worden ist; diese Stoffmasse hat per definitionem eine Konzentration von 1 GE / m3.52 cc) Technische und organisatorische Vorgaben im konkreten Messverfahren An der Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration nach DIN EN 13725 müssen mindestens vier53 Probanden teilnehmen, die mindestens 16 Jahre alt sein müssen. Weder das Geschlecht, noch das Alter, noch die Eigenschaft als Raucher sind Selektionskriterien für die Tätigkeit als Proband, da bislang keine signifikanten Unterschiede in der Wahrnehmung abhängig von diesen Kriterien gefunden worden sind.54 Bevor Prüfer als „zuverlässige Sensoren“ ausgewählt werden, müssen sie zunächst an verschiedenen Messungen teilnehmen. So wird beispielsweise vorab die Wiederholpräzision ihrer Ergebnisse überprüft. Dazu werden die olfaktorischen Antworten der einzelnen Prüfer an verschiedenen Tagen daraufhin überprüft, ob sie eine gewisse Konstanz aufweisen. Um neue Prüfpersonen mit dem olfaktometrischen Verfahren vertraut zu machen, müssen sie zunächst in mindestens einer vollständigen Messung trainiert werden. Anhand des Referenzgeruchsstoffs n-Butanol wird die olfaktorische Empfindlichkeit der Prüfer ermittelt. Diese muss in einer definierten Bandbreite liegen, Vgl. DIN EN 13725, S. 17 f. Vgl. DIN EN 13725, S. 17 f. 53 Zur Verbesserung der Wiederholgrenze und der Genauigkeit einer Prüfung wird eine größere Anzahl an Prüfern empfohlen, vgl. DIN EN 13725, S. 34, Nr. 6.7.3. 54 Vgl. Slameczka, connex 2003, 4, 5. Dies widerspricht den u. a. von Hatt und Hummel erforschten Erkenntnissen, dass ein Unterschied der Sensibilität für Geruch sowohl zwischen den Geschlechtern als auch zwischen jungen und alten Menschen besteht, vgl. zum Beispiel Rawson / Yee, in: Hummel / Welge-Lüssen (Hrsg.), Taste and Smell, S. 34; im Rahmen der Olfaktometrie soll dieses Problem jedoch durch das durchgeführte Auswahlverfahren für die Probanden ausgeglichen werden. Problematisch am praktischen Auswahlverfahren kann dabei sein, dass lediglich der Personenkreis als Prüfer in Frage kommt, der über ausreichend freie Zeit verfügt. So ist es beispielsweise üblich, durch Aushänge an Hochschulen Prüfer zu akquirieren. Die auf diese Weise gefundenen Prüfer sind zumeist Studenten jüngeren Alters und somit vermutlich sensibler für Geruch als vergleichbare Prüfer mit einem Altersdurchschnitt von 50 Jahren oder höher. Die Olfaktometrie kann dies jeweils nur durch die vorgeschriebene Sorgfaltwaltung bei der Auswahl, dem Test und dem Training der Prüfer korrigieren. 51 52

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und zwar in einer viel engeren als der Schwankungsbreite der Bevölkerung.55 Zur Auswahl eines Prüfers müssen mindestens zehn einzelne Schwellenschätzungen mit dem Referenzgas n-Butanol in Stickstoff erhoben werden, die als „individual threshold estimates“ (ITE) bezeichnet werden. Die Daten einer jeden Prüfperson müssen in mindestens drei Messkampagnen an verschiedenen Tagen mit einer Unterbrechung von jeweils mindestens einem Tag zwischen den Kampagnen gesammelt werden. Als Prüfer zugelassen werden nur solche Personen, deren Ergebnisse eine bestimmte Standardabweichung56 nicht überschreiten.57 Darüber hinaus muss der geometrische Mittelwert der einzelnen Schwellenschätzungen ITEsubstances – als Massenkonzentration des Referenzgases – zwischen dem 0,5-fachen und dem 2-fachen Bezugswert des Referenzmaterials liegen (bei n-Butanol zwischen 62 ìg / m3 und 246 ìg / m3 h zwischen 0,020 ìmol / mol und 0,080 ìmol / mol, da der Bezugswert bei 123 ìg / m3 und bei 0,040 ìmol / mol liegt).58 Dieser Toleranzbereich von der Hälfte bis zum Doppelten eines Messwertes ist auf der Grundlage entwickelt worden, dass Geruchsintensitätsunterschiede erst bei Verdoppelungen der Konzentration wahrgenommen werden.59 Der Toleranzbereich ist von wesentlicher Bedeutung, da er sich in der praktischen Anwendung auf die Messung aller Geruchsstoff(-gemisch)e bezieht, also auch auf die Untersuchung des Geruchs verschiedener Anlagen, worauf noch eingegangen wird. Liegt der geometrische Mittelwert der einzelnen Schwellenschätzungen eines Prüfers innerhalb dieses Rahmens, so bewegt er sich in der „normalen“ Spannweite des individuellen Riechempfindens. Sein Geruchssinn reagiert dann auf eine Intensitätshalbierung oder -verdoppelung jeweils mit dem zulässigen Maß. Auf diese Weise kann der „durchschnittliche“ Riecher ermittelt werden und können sowohl „extrem gute“ als auch „extrem schlechte“ Riecher vom Kreis der Prüfer ausgeschlossen werden.60 Personell bedingte Störfaktoren, wie die Gesundheit, Stimmung und momentane Geruchssensibilität der Probanden sind so gering wie möglich zu halten. Die Probanden haben für einen festgelegten Zeitraum vor und über die gesamte Dauer der Messung bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten. Dazu gehört unter anderem, keine geruchsintensiven Kosmetika zu verwenden, nur während größerer Pausen 55 Grund dafür ist, wie bereits erläutert, dass das Prüferpanel zu klein ist, um die natürliche Schwankungsbreite der Bevölkerung damit abzubilden. Daher muss die natürliche Schwankungsbreite „verengt“ werden. 56 Die Standardabweichung ist in der Stochastik ein Maß für die Streuung der Werte einer Zufallsvariablen um ihren Mittelwert. 57 Der Numerus der Standardabweichung s ITE muss kleiner sein als 2,3. Sie wird aus den dekadischen Logarithmen (log10) der einzelnen Schwellenschätzungen errechnet und als Massenkonzentration des Referenzgases angegeben, vgl. DIN EN 13725. 58 DIN EN 13725, S. 34, Nr. 6.7.2 Auswahl der Prüfer. 59 Vgl. Boeker / Haas, Gefahrstoffe – RdL 2007, S. 331. 60 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 64.

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zu rauchen, nach Mahlzeiten eine Pause von etwa 30 Minuten einzuhalten und die Geruchsmessung nur ausgeruht durchzuführen.61 Die Probanden müssen sich ihrer Verantwortung bewusst und ausreichend motiviert sein, und darüber hinaus den Anweisungen des Versuchsleiters folgen können.62 Auch die Raumbedingungen während des Messverfahrens müssen bestimmten Standards entsprechen, um eine Ablenkung und Beeinflussung der Messung durch bestimmte Faktoren auszuschließen, wie die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit sowie die Gestaltung und die Lichteinwirkung im Testraum.63 Darüber hinaus sieht die DIN EN 13725 bestimmte Anforderungen an die technischen Voraussetzungen der Olfaktometer vor. Die Geräte müssen regelmäßig kalibriert werden. Der Luftstrom sowohl der geruchsbeladenen als auch der Neutralluft muss sowohl hinsichtlich des Luftvolumens als auch hinsichtlich der Fließgeschwindigkeit auf bestimmte Werte einstellbar sein, da die Fließgeschwindigkeit die Wahrnehmung des Prüfers beeinträchtigen kann. Die Leitungen des Olfaktometers müssen geruchsneutral sein. Weitere Vorgaben enthält die Norm an die Reinigung des Olfaktometers. Hinsichtlich der Technik der Probenahme gibt die DIN EN 13725 keine Einzelheiten vor, was zu Recht kritisiert worden ist, da diese einen erheblichen Einfluss auf die Qualität der Abluftproben hat.64 Die Methodik der Probenahme ist darüber hinaus von besonderer Bedeutung für die Bestimmung der Emissionskonzentration und des Emissionsvolumens. Anhand des Abgasvolumenstroms bei der Probenahme muss später ermittelt werden können, welches Volumen insgesamt aus der untersuchten Quelle austritt, da auf der Grundlage der Ermittlung der Geruchsstoffkonzentration weitere Aussagen zur Konzentration der austretenden Geruchsstoffe und anschließend auch zu deren Ausbreitung getroffen werden sollen.65 Bei einer Punktquelle ist dies einfacher zu gestalten als bei einer Flächenquelle, da das Austrittsvolumen bei einer Punktquelle (beispielsweise einem Schonstein von einem Meter Durchmesser) einfacher zu erfassen ist als bei einer Flächenquelle. Dementsprechend werden bei Flächenquellen (Bsp.: Klärbecken, größere Luftschächte etc.) bestimmte Behälter und Verfahren zur Probenahme eingesetzt, um von dem Austrittsvolumen der getesteten Teiloberfläche einer Quelle auf das Austrittsvolumen der Gesamtfläche schließen zu können.66 Da die DIN EN 13725 zu all diesen Fragen keine Vorgaben enthält, hat der VDI eine Arbeitsgruppe zum Vgl. DIN EN 13725, S. 33, Nr. 6.7.1; Schön / Hübner, Geruch, S. 64. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 45; DIN EN 13725, S. 33, Nr. 6.7.1. 63 Vgl. Slameczka, connex 2003, 4, 5. Vgl. auch Nr. 6.6 der DIN EN 13725, in der die Umgebungsbedingungen für die Prüfer bei der Messung festgelegt sind. 64 Vgl. auch zum Einfluss des Zeitablaufs zwischen Probenahme und Messung unten III.B.2.ii.g. 65 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 72; Cooperative, Geruch, S. 42 f.; Frechen, in: WAR (Hrsg.), Bewertung von Geruchsemissionen- und -immissionen, S. 18. 66 Vgl. Richter / Kost / Röckle, promet 2003, 39, 41. 61 62

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Themenkomplex ins Leben gerufen.67 Sie erarbeitet derzeit eine Richtlinie zur Probenahme.68 Gleichwohl macht die DIN EN 13725 bestimmte Angaben zu Transport und Lagerung der Abluftproben, um eine Verfälschung durch Materialien, Zeitablauf etc. einzuschränken.69 Nach DIN EN 13725 sollen Proben so schnell wie möglich nach der Probenahme analysiert werden.70 Der Zeitraum zwischen der Probenahme und der Messung darf (konventionsgemäß) 30 Stunden nicht überschreiten.71 Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Verweilzeit der Probe zwischen Probenahme und Messung, ebenso wie das Probenaufbewahrungsmaterial, erheblichen Einfluss auf die Probe haben kann.72 Nach verschiedenen Untersuchungen kann dieser Einfluss zu einer Reduzierung der Geruchsstoffkonzentration in der Probe um 50% liegen.73 Je schneller nach der Probenahme die Abluftprobe olfaktometrisch untersucht wird, desto realistischer sind somit auch die Ergebnisse der Untersuchung. dd) Maßeinheit der Emission und Maßeinheit der Immission Zwischen der Darstellung der Geruchsstoffkonzentration in der Abluft, also der Emissionskonzentration, und der Darstellung der Wirkung der am Immissionsort wirkenden Geruchsstoffe einer bestimmten Konzentration muss klar differenziert werden. Die Geruchsstoffkonzentration erscheint zwar formal wie eine Gaskonzentration, ist aber von den Gaskonzentrationen der enthaltenen geruchsaktiven Gase zu unterscheiden. Bei stark riechenden Stoffen ist die Gaskonzentration der Geruchsstoffe bei gleicher Geruchsstoffkonzentration extrem niedrig, bei wenig riechenden Gasen dagegen hoch. Bei physikalischen Berechnungen, wie der Ausbreitungsrechnung, kann die Geruchsstoffkonzentration wie eine Gaskonzentration Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 106. VDI-RL 3880, Olfaktometrie – Statische Probenahme. 69 Anforderungen an Probenahmeverfahren, Probenahmematerial, Lagerung etc. werden von der DIN EN 13725 beschrieben in Nrn. 6, 7. Hinsichtlich der Probenahme hat es jedoch bisher noch keine ausreichenden Untersuchungen gegeben, worauf DIN EN 13725 ausdrücklich hinweist. Insofern sind die dort beschriebenen Vorgaben zur Probenahme lediglich ein erster Ansatz. 70 Vgl. DIN EN 13725, S. 37, Nr. 7.3.3. 71 Die Maximaldauer von 30 Stunden zwischen Probenahme und Analyse wurde aus dem rein praktischen Grund in die DIN EN 13725 aufgenommen, dass der Transport von Proben von der zu Frankreich gehörenden Insel La Réunion im indischen Ozean bis zum nächsten Olfaktometer in Paris 30 Stunden in Anspruch nahm. Mittlerweile existieren auch in anderen Teilen Frankreichs Olfaktometer, so dass sich die Transportdauer entsprechend verkürzt haben dürfte. 72 Vgl. DIN EN 13725, S. 37, Nr. 7.3.3. 73 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 43. 67 68

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verwendet werden. Bei Fragen der Geruchswirkung führt die Geruchsstoffkonzentration aber leicht zu Fehlinterpretationen. Eine Halbierung der Geruchsstoffkonzentration bedeutet eine eben wahrnehmbare Veränderung der Geruchswirkung, wie bereits anhand des Weber-Fechner-Gesetzes dargelegt worden ist. Anstelle der Geruchsstoffkonzentration ist daher der Aspekt der Geruchswahrnehmung besser anhand der logarithmischen Messgröße des Geruchspegels darzustellen.74 Um die Konzentration hinsichtlich ihrer Wirkung auf das menschliche Geruchsempfinden korrekt auszudrücken, wird daher ein Ansatz analog zur Darstellung des Schalldruckpegels in Dezibel vorgeschlagen.75 Denn die Beziehung zwischen Reiz und wahrgenommener Intensität ist logarithmisch und nicht linear. Das bedeutet, dass die Konzentration (GE / m3) verzehnfacht (und nicht nur verdoppelt) werden muss, um vom Menschen als doppelte Intensität wahrgenommen zu werden. Der „Geruchspegel“ lässt sich in geruchsbezogenen Dezibel dBOD (OD für odour) darstellen, was dem zehnfachen Zehner-Logarithmus der Geruchsstoffkonzentration entspricht.76 Ein Faktor 10 bei der Geruchsstoffkonzentration bedeutet eine Addition von 10 auf den Ursprungspegel. Eine Verdoppelung der Konzentration ist einer Addition von 3 dBOD äquivalent. Exemplarisch kann zum Beispiel gesagt werden, 1 GE / m3 entspricht 0 dBOD, 2GE / m3 entsprechen 3,01 dBOD, 4 GE / m3 entsprechen 6,02 dBOD, 10 GE / m3 entsprechen 10 dBOD, 100 GE / m3 entsprechen 20 dBOD, 1000 GE / m3 entsprechen 30 dBOD usw. Die Einheit dBOD war bereits in der VDI-Richtlinie 3881 enthalten und ist auch von der DIN EN 13725 übernommen worden. Der logarithmische Geruchspegel ist die durch das Messverfahren implizit vorgegebene Messgröße, die aus Gründen der besseren Anschaulichkeit und technischen Verwendbarkeit aber traditionell und in der DIN EN 13725 kodifiziert in die Geruchsstoffkonzentration umgerechnet wird. Für Fragen der Messunsicherheit sind aber allein die logarithmischen Größen maßgeblich, wie es auch nach der DIN EN 13725 gefordert und praktiziert wird.77 Vgl. Boeker / Haas, Gefahrstoffe – RdL 2007, 331, 332. Vgl. Stockinger, Entwicklung der Emissionsmesstechnik für MBA, VDI-Seminar „Messtechnik bei Verbrennungsanlagen“, 18. / 19. 10. 2005, S. 9, 10; vgl. ausführlich zur Darstellung der Geruchswahrnehmung in Dezibel Oberthür, Staub – RdL 1990, 175 ff.; ders. Staub – RdL 1993, 59 ff. 76 Als Beispiel: Unter dem Logarithmus x=log c versteht man den Exponenten x in der b Gleichung bx=c. Der Geruchspegel in dBOD ist nun der 10-fache Logarithmus des Verhältnisses von der Geruchsstoffkonzentration zur Geruchsstoffkonzentration an der Geruchsschwelle, die per definitionem = 1 ist. Eine Geruchsstoffkonzentration von 10 GE / m|l entspricht 10 dBOD, da das Verhältnis der Geruchsstoffkonzentration 10 zur Geruchsstoffkonzentration an der Geruchsschwelle 1 ist 10 / 1=10=101 und das Zahnfache des Exponenten 1=10. Eine Geruchsstoffkonzentration von 100 GE / m|l entspricht 20 dBOD, da das Verhältnis des Geruchsstoffkonzentration 100 zur Geruchsstoffkonzentration an der Geruchsschwelle 1 ist 100 / 1=100=102 und das Zehnfache des Exponenten 2=20 usf., vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 65. 77 Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 65. 74 75

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ee) Qualitätsunterschiede von Prüflaboren Einen für die Qualität von Messergebnissen erheblichen Faktor stellt die unterschiedliche Qualität der Ergebnisse von Messlaboren dar. Diese ist wiederholt in Ringversuchen aufgezeigt worden.78 Ringversuche dienen der Überprüfung der Qualität von Messlaboren. Einflussfaktoren auf die Messunsicherheit in den Messlaboren sind die Verdünnungseinheiten (Olfaktometer), die Referenzgase, die Prüfer und der Messraum.79 Hinsichtlich der Olfaktometrie für die Beurteilung verschiedenen Anlagengeruchs kommen als Einflussfaktoren noch die Unsicherheiten durch Probenahme, Transport und Lagerung von Abluftproben hinzu, die aber im Rahmen der DIN EN 13725 überhaupt nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Verdünnungseinheiten, also dem Olfaktometer und der Vorverdünnungseinheit, die die synthetische Luft mit der geruchsbeladenen Luft vermischt, kommt es auf die Genauigkeit und die Stabilität der Verdünnungsstufen, die Volumenströme und die Materialgerechtigkeit an.80 Entsprechende Qualitätsanforderungen hält die DIN EN 13725 vor. Bei den Referenzgasen kommt es insbesondere auf die Rückführbarkeit und die Lager- und Transportstabilität an. Die DIN EN 13725 macht insofern Vorgaben für die Probenahmenbehälter sowie für den einzuhaltenden Zeitraum zwischen Probenahme und Untersuchung des Geruchsstoffs (die besagten 30 Stunden, die jedoch zur Qualitätssicherung keinesfalls ausgereizt werden sollten), aber keine Angaben zur Probenahme. Hinsichtlich der Prüfer müssen die von der DIN EN 13725 vorgegebenen Kriterien für den Mittelwert eines jeden Prüfers sowie für die Standardabweichung, die die Messergebnisse der Prüfer nicht überschreiten dürfen, eingehalten werden. Schließlich muss der Messraum den oben genannten Kriterien an Temperatur, Luftqualität, Ruhe, Lichteinfluss etc. gerecht werden. Anhand des jüngsten Ringversuchs zur dynamischen Olfaktometrie nach DIN EN 13725, der im Jahre 2007 stattfand, zeigte sich zum wiederholten Male die erhebliche Schwankungsbreite bei der Ermittlung der Geruchsschwelle des Referenzstoffs n-Butanol durch einzelne Labore. Dementsprechend dürfte auch eine Schwankungsbreite bei der Ermittlung der Geruchsschwelle von Abluftproben aus verschiedenen Anlagen bestehen. Die Schwankungsbreite der Ergebnisse verschiedener Labore ist nicht nur im Ringversuch 2007 in Erscheinung getreten, sondern auch schon in früheren Ringversuchen.81 78 Ringversuche zur Olfaktometrie hat es bereits in den Achtziger Jahren und seitdem in unregelmäßigen Abständen gegeben, vgl. Thiele / Bahnmüller, Staub – RdL 1985, 200; Ringversuch Olfaktometrie 2003, Gefahrstoffe – RdL 2004, S. 118; Olfactometric Interlaboratory Comparison Test 2005, WEF / A&WMA Konferenz „Odors and Air Emissions 2006“, in Hartfort, CT, USA, 09. 04. 2006 bis 12. 04. 2006; zuletzt Ringversuch 2007, vgl. Maxeiner, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 31 f. 79 Vgl. Mannebeck / Hauschildt / Mannebeck, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 48. 80 Vgl. Mannebeck / Hauschildt / Mannebeck, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 48.

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Die unterschiedliche Qualität der Messlabore wird anhand von zwei Ergebnissen des Ringversuchs 2007 deutlich. Der Ringversuch wurde in zwei Alternativen angeboten. Die umfangreichere Variante bot den Laboren die Möglichkeit, die von der DIN EN 13725 vorgegebenen Anforderungen an die laborspezifische Präzision (Wiederholpräzision mit der Wiederholgrenze r) und Genauigkeit (AOD) im eigenen Labor zu überprüfen. Von 29 Laboren, die diese Variante des Ringversuchs durchführten, erreichten 12 Labore die Anforderungen der DIN EN 13725, das heißt weniger als die Hälfte dieser Labore. Sechs Labore erfüllten wenigstens einen der beiden Parameter (r oder AOD), elf Labore konnten weder r noch AOD normkonform nachweisen. Daneben hat sich gezeigt, dass die Labore, die aufgrund einer höheren Anzahl an Messungen als andere (über 250 Messungen pro Jahr) mehr Erfahrung haben, auch eine bessere Qualität im Hinblick auf die Messergebnisse aufweisen. Für die weiteren Ergebnisse wird auf die ausführliche Darstellung des Ringversuchs 2007 verwiesen.82 Für die Qualität einer Messung bei der Überwachung von Anlagen ist demnach von besonderer Bedeutung, wie die Qualität des zum Einsatz kommenden Messlabors ist. Genauso wichtig ist die Qualität der Messung im Anlagengenehmigungsverfahren, zum Beispiel durch Rasterbegehungen zur Feststellung der Vorbelastung durch Geruchsimmissionen am geplanten Anlagenstandort. Ein gewisses Maß an Qualitätssicherung bietet die Akkreditierung von Messlaboren durch die Immissionsschutzbehörden der Länder. In § 26 BImSchG ist vorgesehen, dass die zuständigen Landesbehörden Stellen für die Messung bekannt geben können. Die Bundesländer haben verschiedene Akkreditierungsverfahren eingeführt, in denen die Qualität der Messstellen überprüft und diese anschließend als akkreditierte Messstellen veröffentlicht werden. Dass diese akkreditierten Messlabore zum Einsatz kommen, ist jedoch nur bei denjenigen Messungen gesichert, die nach §§ 26, 28 BImSchG durch die Behörde zur Überwachung einer Anlage angeordnet werden können. Die akkreditierten Stellen müssen bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, die unter anderem in der DIN EN ISO / IEC 1702583 festgelegt sind. Die Stellen werden für jedermann veröffentlicht, so dass der Auftraggeber einer Emissionsmessung sich über akkreditierte Messstellen informieren kann.84 81 Bereits in den Achtziger Jahren – damals noch auf der Grundlage der VDI-RL 3881 Blatt 1 – ist ermittelt worden, dass die Messergebnisse verschiedener Labore bei der Bestimmung der Geruchsschwelle von vier definierten Stoffen um den Faktor 5 voneinander abwichen. Dies wurde damals den verwendeten Olfaktometertypen mit den ihnen innewohnenden technischen Fehlern und der Geruchsempfindung und dem Alter der Probanden zugeschrieben; vgl. Stockinger, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 51, 52 f. unter Hinweis auf Thiele, Olfaktometrie von H2S, sowie Lachenmayer / Kohler, Untersuchungen zur Neuentwicklung eines Olfaktometers, und Bahnmüller, Olfaktometrie von Dibutylamin u. a. 82 Vgl. Maxeiner, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 31 f. 83 DIN EN ISO / IEC 17025, Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierungslaboratorien. 84 Die akkreditierten Stellen werden zentral auf der Internetseite ReSyMeSa (Recherchesystem Messstellen und Sachverständige) https: //www.luis-bb.de/resymesa/veröffentlicht.

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ff) Beachtung der Messunsicherheit der Olfaktometrie Die Ermittlung der Geruchsstoffkonzentration einer Abluftprobe ist von besonderer Bedeutung, da sie eine Vielzahl weiterer Schlüsse zulässt. Von dem Grad an Verdünnung einer bestimmten Abluftprobe, der erforderlich ist, um die Wahrnehmungsschwelle zu ermitteln, lässt sich auf die Gesamtkonzentration des untersuchten Stoffs oder Stoffgemisches in der Probe schließen.85 Der Verdünnungsgrad wird anhand des oben genannten Verhältnisses mathematisch dargestellt.86 Auf diesem Wege kann berechnet werden, wie hoch die Gesamtgeruchsstoffkonzentration in einer bestimmten Abluftprobe aus einer Emissionsquelle ist. Über die Ermittlung des Abluftvolumens, das während eines bestimmten Zeitabschnitts aus der Quelle austritt, kann berechnet werden, welche Geruchsstoffkonzentration in einem bestimmten Zeitabschnitt (Sekunde / Minute / Stunde etc.) aus einer Quelle emittiert. Auf diese Weise wird der sogenannte Geruchsstoffstrom ermittelt, das heißt die Menge an Geruchseinheiten, die pro Zeiteinheit eine definierte Fläche durchströmt.87 Die zugehörige Einheit heißt GE / h (oder GE / min bzw. GE / s). Der Geruchsstoffemissionsstrom in GE / s ist das Äquivalent des Emissionsmassenstroms in kg / s, zum Beispiel in Ausbreitungsmodellen.88 Darüber hinaus können auf der Basis von Emissionsmessungen die relevanten Geruchsquellen einer Anlage ausfindig gemacht werden. Die Ermittlung der Geruchsstoffkonzentration dient auch der Überprüfung, ob eine Abluftreinigungsmaßnahme Wirkung zeigt, indem die Abluft einer Quelle sowohl vor als auch nach der Filterung untersucht wird.89 Entsprechend wichtig ist die Berücksichtigung der dem Messverfahren innewohnenden Unsicherheiten.90 Dass die Olfaktometrie als Messverfahren mit einer hohen Unsicherheit behaftet ist, ist unumstritten.91 Dies ist insbesondere der bekannten Schwankung des menschlichen Geruchsempfindens geschuldet. Darüber hinaus ergibt sich eine Messunsicherheit auch aus Einflüssen durch die Probenahme und den Probentransport, die von der DIN EN 13725 jedoch nicht 85 Vgl. Stockinger, Entwicklung der Emissionsmesstechnik für MBA, VDI-Seminar „Messtechnik bei Verbrennungsanlagen“, 18. / 19. 10. 2005, S. 10. 86 Vgl. dazu ausführlich Oberthür, Staub – RdL 1990, 175, 179. 87 Die DIN EN 13725 definiert den Geruchsstoffstrom als das Produkt der Geruchsstoffkonzentration cOD, der Austrittsgeschwindigkeit v und der Austrittsfläche A, oder das Produkt der Geruchsstoffkonzentration cOD und des zugehörigen Volumenstroms V, vgl. DIN EN 13725. 88 Vgl. DIN EN 13725, S. 9, Nr. 3. 1. 42.; DIN EN 13725, S. 18; Schön / Hübner, Geruch, S. 65. 89 Vgl. Richter / Kost / Röckle, promet 2003, 39, 41. 90 Zur Messunsicherheit in der Olfaktometrie vgl. Boeker / Haas, Gefahrenstoffe – RdL 2007, 331 f.; dies., in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61 f.; Mannebeck / Hauschildt / Mannebeck, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 47 f.; Schön / Hübner, Geruch, S. 115. 91 Vgl. zum Beispiel Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61.

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berücksichtigt werden. Unsicherheiten ergeben sich schließlich aus den zuvor beschriebenen Qualitätsunterschieden der Messlabore. Bei jeder Messung muss daher die sogenannte Messunsicherheit berücksichtigt werden.92 Die DIN EN 13725 geht davon aus, dass die Messunsicherheit eines Labors bei der Messung des Referenzstoffes (n-Butanol) derjenigen Messunsicherheit bei der Messung irgend eines Geruchs (aus der Abluft irgend eines Emittenten) entspricht. Für die Messung des Referenzgeruchsstoffes gibt die DIN EN 13725 bestimmte Anforderungen an die Wiederholpräzision und Genauigkeit eines Labors vor. Hierdurch wird über die Kontrolle des einzelnen Prüfers hinaus das Gesamtsystem der Olfaktometrie, bestehend aus Riechraum, Olfaktometer und Prüferpanel, mittels n-Butanol getestet.93 Die DIN EN 13725 verweist hinsichtlich der Messunsicherheit auf die Notwendigkeit von Ringversuchen, mit denen Präzision und Richtigkeit der Messung einer Geruchsschwelle im Labor überprüft werden sollen. Die DIN EN 13725 fordert diesbezüglich die Einhaltung eines Wertes für die Wiederholpräzision (die absolute Differenz zwischen unter identischen Bedingungen erfolgten Prüfungen; sie wird mit r bezeichnet und muss  0,477 sein) und für die Genauigkeit (sie wird mit A bezeichnet und muss  0,217 sein). Die Berechnung dieser Anforderungen geschieht über mindestens 10, maximal 20 Werte des Teammittelwerts ZITE.94 Boeker und Haas wenden hiergegen ein, dass die DIN EN 13725 lediglich auf die Werte von Wiederholpräzision und Genauigkeit verweist, und den „Guide to the expression of uncertainty in measurement“ (GUM), der seit 1993 der internationale Standard zu Fragen der Messunsicherheit ist, nicht berücksichtige.95 Oben ist beschrieben worden, zu welcher Spannweite unterschiedlicher Ergebnisse Messlabore im Rahmen des Ringversuchs kommen. Boeker und Haas kritisieren in diesem Zusammenhang, dass das Kriterium für die Auswahl eines einzelnen Prüfers im Rahmen der Ringversuche auf das panel übertragen werde, was sich aus der DIN EN 13725 methodisch nicht begründen lasse. Um aus der zulässigen Geruchsschwellenverteilung eines einzelnen Prüfers auf diejenige eines panel von Prüfern zu schließen, müsse die Standardabweichung der Panelverteilung aus der Standardabweichung der Verteilung des einzelnen Prüfers gemäß einer Gleichung ermittelt 92 Die Messunsicherheit wird definiert als dem Messergebnis zugeordneter Parameter, der die Streuung der Werte kennzeichnet, die vernünftigerweise der Messgröße zugeordnet werden können, vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 63. 93 Vgl. Mannebeck / Hauschildt / Mannebeck, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 47, 49. 94 Vgl. Mannebeck / Hauschildt / Mannebeck, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 47, 49. 95 Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 62; darüber hinaus existiert auch eine DIN Norm von September 2007, Luftbeschaffenheit – Leitlinien zur Schätzung der Messunsicherheit (ISO 20988:2007); Deutsche Fassung EN ISO 20988:2007, VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 5: Analysen und Messverfahren.

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C. Geruchsmessungen

werden. Boeker und Haas haben unter Zugrundelegung des GUM aus den Daten der Ringversuche der Jahre 2000, 2003 und 2005 und aus einer numerischen Monte-Carlo-Simulation quantitative Werte zur Messunsicherheit der Olfaktometrie abgeleitet, die von denen in der DIN EN 13725 abweichen. Insbesondere haben ihre Berechnungen einen anderen geometrischen Mittelwert der einzelnen Schwellenschätzungen ITEsubstances ergeben. Nach der DIN EN 13725 muss zur Eignungsprüfung der Prüfer der geometrische Mittelwert der einzelnen Schwellenschätzungen ITEsubstances – als Massenkonzentration des Referenzgases – zwischen dem 0,5-fachen und dem 2-fachen Bezugswert des Referenzmaterials liegen (bei n-Butanol zwischen 62 ìg / m3 und 246 ìg / m3 h zwischen 0,020 ìmol / mol und 0,080 ìmol / mol, da der Bezugswert bei 123 ìg / m3 und bei 0,040 ìmol / mol liegt).96 Die Berechnungen von Boeker und Haas zeigten jedoch, dass bei einer Panelgröße mit vier Prüfern als Referenzwert, wie es auch in der DIN EN 13725 als Minimum festgelegt ist, die Konzentrationsgrenzen für eine normgerechte Ermittlung der n-Butanol-Konzentration bei 49 bis 312 ìg / m3 liegt.97 Sie regen daher an, bei zukünftigen Ringversuchen möglichst viele der umfangreicheren Testvarianten durchzuführen, um mit den dann vollständig nachgeprüft konformen Laboren eine Ermittlung der Messunsicherheit unter eingehaltenen Normbedingungen zu erhalten.98 Insgesamt zeigen die Ergebnisse von Boeker und Haas, dass die Ergebnisse zwischen zwei Laboren unter Praxisbedingungen sehr voneinander abweichen können. Als weiteren Ergänzungsvorschlag zur DIN EN 13725 haben Mannebeck et al. dargelegt, dass die Übertragung der Messunsicherheit von Referenzstoffen auf die Analyse von Umweltgerüchen, wie sie die DIN EN 13725 vorschlägt, in der Praxis nicht in allen Fällen sinnvoll ist. Darüber hinaus schlagen sie vor, dass das Verfahren der Doppelbestimmung nach VDI-RL 421999 zur Ermittlung der Messunsicherheit des Gesamtsystems, von der Probenahme hin zur olfaktometrischen Messung, genutzt werden könnte. Die DIN EN 13725 berücksichtigt demgegenüber lediglich die laborinterne Messunsicherheit und bezieht Parameter wie Probenahme, Transport und Lagerung nicht mit ein. Mannebeck et al. kommen aufgrund eigener Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass auf Grund des logarithmischen Wirkungsbezugs der menschlichen Nase als Sensor und der unterschiedlichen Intensitätskennlinien verschiedener Geruchscharaktere die Messunsicherheit für jede Geruchsart und jedes Labor unterschiedlich ist.100

DIN EN 13725, S. 34, Nr. 6.7.2 Auswahl der Prüfer. Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 75. 98 Vgl. Boeker / Haas, Gefahrenstoffe – RdL 2007, 331, 338. 99 Ermittlung der Unsicherheit von Emissionsmessungen mit diskontinuierlichen Messverfahren; diese RL liegt derzeit im Entwurf vor. 100 Vgl. Mannebeck / Hauschildt / Mannebeck, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 47. 96 97

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Die Messunsicherheit in der Olfaktometrie wird erst in jüngerer Zeit in dieser Ausführlichkeit diskutiert.101 Die einzelnen messtechnischen Probleme, die sich daraus ergeben, können hier nicht abschließend beurteilt werden. Insgesamt wird aber deutlich, dass der der Olfaktometrie innewohnenden Messunsicherheit auch durch die Einführung der DIN EN 13725 noch nicht ausreichend Rechnung getragen wird und sich dies automatisch auch auf die Messergebnisse auswirkt, was je nach Sachlage entweder positive oder negative Folgen für den Anlagenbetreiber haben kann, dessen Geruchsemissionen letztlich nach der DIN EN 13725 bewertet werden sollen. Es bleibt abzuwarten, ob anhand der bisher geäußerten Kritik eine Weiterentwicklung der DIN EN 13725 oder eventuell die Entwicklung anderer Richtlinien zur Olfaktometrie erfolgen wird. In der Praxis hat die Berücksichtigung der Messunsicherheit eine wesentliche Bedeutung. Immer wenn Entscheidungen über Grenzwerte anstehen, ist die Frage nach der Konformität von Messresultaten gestellt.102 Grenzwerte sieht zum Beispiel die 30. BImSchV vor (dort in § 6 Nr. 4).103 Auch die TA Luft sieht einzuhaltende Emissionswerte vor (z. B. in Nr. 5.4.8.5 TA Luft). Darüber hinaus werden in jüngster Zeit immer häufiger, zum Beispiel bei der Genehmigung bzw. bei der Funktionsprüfung von Abluftreinigungsanlagen, Geruchskonzentrationen von 100 GE / m3 und weniger im gereinigten Luftstrom gefordert.104 Diese Werte werden beispielsweise in Genehmigungsbescheide für nach dem BImSchG genehmigungsbedürftige Anlagen aufgenommen. Ist beispielsweise für eine beliebige Anlage ein oberer Grenzwert von 1000 GE / m3 für die Geruchsstoffkonzentration im Emissionsstrom festgelegt, und wird die Messunsicherheit entsprechend der DIN EN 13725 angenommen, so existieren drei Bereiche: Der Indifferenzbereich von 250 bis 4000 GE / m3 ist durch den Grenzwert und das Intervall der Messunsicherheit festgelegt (er ergibt sich aus dem oben genannten Toleranzbereich von 0,5 bis 2 des festgelegten Wertes zuzüglich der zulässigen Messunsicherheit, die in der DIN EN 13725 mit den Werten r und A festgelegt ist). Erst Messwerte unter 250 GE / m3 unterschreiten sicher den Grenzwert, Messwerte über 4000 GE / m3 überschreiten den Grenzwert. Es ist dann eine Frage des Standpunktes, welche Festlegung für eine Konformitätsaussage getroffen wird. Die Messunsicherheit kann als Verschärfung oder Verminderung der Anforderungen interpretiert werden. Ist beispielsweise der Emittent in der Nachweispflicht, dass er den Grenzwert einhält, dann sollten alle Messwerte unterhalb des Grenzwertes abzüglich der Messunsicherheit liegen. Will aber der Beschwerdeführer einem Emittenten eine Grenzwertverletzung nachweisen, dann sollten erst 101 Auf der Tagung des VDI Gerüche in der Umwelt am 13. / 14. 11. 2007 ist dieses Thema zum ersten Mal in aller Ausführlichkeit diskutiert worden, was auch von den Anwesenden Referenten besonders hervorgehoben worden ist. 102 Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 76. 103 Dazu unten D. III. 2. d) aa) (2). 104 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 115, 116.

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Messwerte oberhalb des Grenzwertes zuzüglich der Messunsicherheit als Grenzwertverletzung gerechnet werden können.105 In Anbetracht der aufgezeigten Messungenauigkeit einer olfaktometrischen Geruchskonzentrationsbestimmung stellt sich insgesamt die Frage, ob die Vorgabe von fixen Emissionsgrenzwerten (in Rechtsvorschriften oder in Genehmigungsbescheiden) sinnvoll ist oder ob dies die Messmethode der Olfaktometrie insgesamt überfordert.106 Allein der Grenzwert in Geruchseinheiten gibt seine Wirkung nicht ausreichend wieder. Selbst wenn bei einem Grenzwert von 100 GE / m3 olfaktometrisch 200 GE / m3 gemessen werden, so ergibt sich daraus keine erkennbare Erhöhung der Geruchswirkung in der Umgebung, und zwar aufgrund des beschriebenen logarithmischen Zusammenhangs zwischen Reiz- und Empfindungsstärke. Erst eine Messung von 1000 GE / m3 wäre bei einem Grenzwert von 100 GE / m3 beachtlich. Schön und Hübner schlagen in diesem Zusammenhang vor, bei der Festlegung von Grenzwerten nicht nur die Konzentration der Emission in Geruchseinheiten, sondern zusätzlich die Wirkgröße in den logarithmischen Konzentrationsbereichen mit einzubeziehen. 107 Diesen Vorschlag hat auch der Verband der chemischen Industrie in einem Positionspapier im Zusammenhang mit der Aufnahme der Geruchsimmissions-Richtlinie geäußert und mit dem Argument begründet, dass quantitative Bewertungen von Gerüchen wegen der Mechanismen der Wahrnehmung nur mittels einer logarithmischen Skala zu erfassen seien. Beispielsweise würden Geruchskonzentrationswerte von 10.000 GE / m3 und 12.000 GE / m3 im logarithmischen Maßstab zu 40 dBOD bzw. 40,8 dBOD. Die Werte auf der linearen Skala suggerierten einen messbaren Unterschied, obwohl eine solche Differenzierung praktisch nicht möglich sei.108 gg) Weitere mögliche Fehlerquellen der Olfaktometrie Eine mögliche Fehlerquelle bei der Emissionsmessung ergibt sich aus der der DIN EN 13725 zugrunde liegenden Annahme, dass die Geruchsempfindlichkeit der Prüfer hinsichtlich des Geruchsstoffs n-Butanol derjenigen gegenüber allen anderen Geruchsstoffen entspricht. Im Rahmen einer Studie zu den Geruchsemissionen verschieden behandelter Güllen, die in Kooperation mit dem Institut für Pflanzenernährung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn durchgeführt wurde, wurde jedoch ermittelt, dass entgegen dieser Annahme das Geruchsempfinden unterschiedlicher Menschen bei unterschiedlichen Geruchsstoff(-gemisch)en teilweise sehr verschieden ausgeprägt ist.109 Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 76. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 116. 107 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 116. 108 Vgl. Junker / Schwarz / Schwarz-Schier (Hrsg.), Genehmigungsverfahren, Bd. I, A 2.0.1.3 – Disk. S. 8. 109 Vgl. Stockinger, Entwicklung der Emissionsmesstechnik für MBA, VDI-Seminar „Messtechnik bei Verbrennungsanlagen“, 18. / 19. 10. 2005, S. 16, 17, 18. 105 106

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Dieses Problem kann nur auf dem Wege gelöst werden, dass zur Auswahl der Prüfer nicht allein auf n-Butanol, sondern auf einen zusätzlichen Referenzgeruchsstoff zurückgegriffen wird und zusätzlich die individuelle Geruchsschwelle auch am Anlagengeruch selbst getestet und entsprechend ausgewertet wird. Nur der Vergleich der Messergebnisse aus der Untersuchung des Referenzgeruchsstoffs und des im Einzelfall zu untersuchenden Abgases kann ergeben, ob das panel auf beide Stoffe vergleichbar reagiert. So sieht es auch die Geruchsimmissions-Richtlinie vor (vgl. Nr. 4.4.7 GIRL 2008, Anhang B zur GIRL 2008, Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2008, zu Nr. 2.2.7, Test der Prüferinnen und Prüfer).110 Auf die Problematik des Einflusses der Lagerung einer Abluftprobe auf ihre Geruchsstoffkonzentration ist bereits kurz hingewiesen worden. Anlässlich eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsvorhabens im Jahre 2001 wurde unter anderem festgestellt, dass die Zeit zwischen der Probenahme und der Messung erheblichen Einfluss auf die Geruchsstoffkonzentration haben kann. Hintergrund des Forschungsvorhabens war der Erlass der Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfall111 (30. BImSchV), die in § 6 Nr. 4 vorsieht, dass kein Messwert einer Abluftprobe den Emissionsgrenzwert von 500 GE / m3 überschreiten darf. Ergebnis des Forschungsvorhabens war, dass bei der Messung der Geruchsemissionen einer biologischen Abluftreinigungsanlage nach Filterung durch einen oxidativen Filter die vier eingesetzten Messinstitute zum Teil stark voneinander abweichende Ergebnisse produzierten, teilweise um mehr als den Faktor 10.112 Dies wurde neben der Lagerdauer der Proben auch auf die Anwendung unterschiedlicher Olfaktometertypen zurückgeführt. Außerdem wurden Messunterschiede auf den Eigengeruch der Olfaktometer und die Verwendung unterschiedlicher Verdünnungsluft zurückgeführt. Die 30. BImSchV begegnet dem Problem des Einflusses der Lagerung auf die Geruchsproben, indem § 11 Abs. 2 vorsieht, dass die olfaktometrische Analyse unmittelbar nach der Probenahme zu erfolgen hat. Eine entsprechende Regelung für alle anderen Anlagenarten ergibt sich aus der TA Luft. Sie enthält in Nr. 5.3.2.5 hinsichtlich der Messung geruchsintensiver Stoffe die Aussage, dass diese olfaktometrisch zu überprüfen sind und verweist im Anhang 6 hinsichtlich der Emissionsmesstechnik auf die VDI-RL 3881 (die von der DIN EN 13725 ersetzt worden ist), so dass sich daraus die allgemeine Regelung der DIN EN 13725 ergibt, nach der die Prüfung so schnell wie möglich nach der Probenahme erfolgen soll und maximal 30 Stunden dazwischen liegen dürfen. Die Qualität der Messergebnisse kann nur durch eine zeitnahe Prüfung der Abluftproben sichergestellt werden, indem der vorgegebene Maximalrahmen von 30 Stunden nicht ausgeschöpft, sondern die Abluftproben „so schnell wie möglich“ untersucht werden. 110 111 112

Dazu unten D. V. Vom 20. 02. 2001, BGBl. I S. 317. Vgl. Stockinger, in: WAR (Hrsg.), Geruch, S. 51, 61 f.

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C. Geruchsmessungen

3. Bestimmung der Geruchsintensität und der hedonischen Geruchswirkung (VDI-Richtlinie 3882 Blatt 1 und 2) a) Sinn und Zweck der Bestimmung der Geruchsintensität und der hedonischen Geruchswirkung Neben der Geruchsstoffkonzentration können auch die Geruchsintensität und die hedonische Geruchswirkung einer Probe mit dem Olfaktometer bestimmt werden. In der Einführung der VDI-Richtlinie 3882 Blatt 1113 wird als Begründung für die Notwendigkeit dieser Messungen ausgeführt, die Erfahrung zeige, dass die Geruchsschwelle kein hinreichendes Beurteilungskriterium für einen Geruchsstoff ist. Vielmehr sei zusätzlich die Wirkung in überschwelliger Konzentration, das heißt die Zunahme der Empfindungsstärke mit zunehmender Geruchsträgerkonzentration, sowie die hedonische Wirkung, d. h. die Position auf der Skala „angenehm / unangenehm“, heranzuziehen. 114 Diese zusätzlichen charakteristischen Größen eines Geruchs werden im Sinne der VDI-Richtlinie 3882 bei kontrollierter Vorgabe der Geruchsstoffkonzentration am Olfaktometer bestimmt. Blatt 1 der Richtlinie beschreibt die Bestimmung der Geruchsintensität, Blatt 2 die Ermittlung der hedonischen Geruchswirkung einer Riechprobe.115 b) Bestimmung der Geruchsintensität (VDI-RL 3882 Blatt 1) aa) Sinn und Zweck Blatt 1 der Richtlinie 3882 beschreibt eine olfaktometrische Untersuchungsmethode, mit deren Hilfe Riechproben mit Geruchsstoffkonzentrationen oberhalb der Geruchsschwelle (überschwellige Konzentrationen) in Bezug auf die Empfindungsstärke beurteilt werden, die sie beim Menschen hervorrufen. Diese Empfindungsstärke oder Intensität ist bei gegebener Geruchsstoffkonzentration im Wesentlichen stoff- und / oder mischungsabhängig. Das bedeutet, dass durch die Beurteilung mehrerer überschwelliger Konzentrationsstufen einer bestimmten Geruchsstoffprobe der Intensitätsverlauf als Charakteristikum dieser Probe aufgezeigt werden kann („Bei einer Erhöhung der Konzentration um den Faktor x erhöht sich die wahrgenommene Intensität um den Faktor y“). Dies ist beispielsweise wichtig bei der Frage, ob die Vorgaben der DIN EN 13725 zur Messunsicherheit auf alle denkbaren Geruchsproben zu übertragen sind, wenn ihre Intensitätskennlinien jedoch ganz unterschiedlich verlaufen.116 113 Abgedruckt in VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 1A, S. 76 ff.; die VDI-RL 3882 Blatt 1 vom Oktober 1992 ist im Oktober 2003 und im Oktober 2008 überprüft und bestätigt worden. 114 So auch Schön / Hübner, Geruch, S. 68. 115 Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Blatt 1, S. 3; vgl. auch Schön / Hübner, Geruch, S. 68. 116 Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Blatt 1, S. 3.

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Die Ermittlung des überschwelligen Konzentrationsverlaufs ergibt einen Zusammenhang zwischen Geruchsstoffkonzentration und empfundener Geruchsintensität. Im Gegensatz zur Geruchsschwelle, die allein noch keine Bewertung einer eventuellen Belästigung zulässt, liefert der Intensitätsverlauf Anhaltspunkte für das Belästigungspotential. 117 Die Untersuchung der Geruchsintensität einzelner Konzentrationsstufen am Olfaktometer ermöglicht somit eine Abschätzung der Geruchsintensität unter Feldbedingungen.118 Durch den ermittelten Zusammenhang zwischen Geruchsintensität und Geruchsstoffkonzentration lassen sich auf der Grundlage von Intensitätsbestimmungen an Reingasproben und Ausbreitungsrechnungen für Geruchsstoffe Prognosen für die theoretisch verbleibende Geruchsintensität im Immissionsbereich erarbeiten. Merkliche Störeinflüsse durch interaktive Wirkungen mit anderen Geruchsstoffimmissionen bleiben hierbei allerdings unberücksichtigt, da sie rechnerisch nicht erfasst werden können.119 In der Richtlinie wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ermittlung des Intensitätsverlaufs zur Beschreibung des Belästigungspotentials einer Geruchsstoffprobe nicht ausreicht.120 Die Intensität ist nur einer von mehreren Parametern, die zur Ermittlung des Belästigungspotentials herangezogen werden können. Die Intensitätsbestimmung kann auch im Bereich der Emissionsminderung dienlich sein. Sie kann Anhaltswerte für die Geruchsstoffkonzentrationsminderung liefern, die zur Unterschreitung einer bestimmten Geruchsintensität an der Quelle erforderlich ist. Dabei ist die Abschätzung umso zuverlässiger, je weniger die Rohgaszusammensetzung durch die Minderungstechnik verändert wird (d. h. gleichmäßige Konzentrationsminderung aller Abgasinhaltsstoffe) und nicht bloß einzelne Stoffe herausgefiltert werden.121 Im Anhang 1 zu Blatt 1 werden die psychophysischen Grundlagen der Stärke der Geruchsempfindung dargestellt. Dort wird das bereits im Kapitel B. beschriebene Phänomen des Zusammenhangs zwischen Geruchsreizstärke und wahrgenommener Geruchsintensität erläutert. Die Besonderheit des Verhältnisses zwischen Reizstärke und empfundener Intensität besteht darin, dass die empfundene Intensität eines Geruchsreizes üblicherweise dem Logarithmus der Konzentration proportional ist.122 Mathematisch wird dies anhand des Weber-Fechner-Gesetzes123 dargestellt, das bereits oben beschrieben worden ist. Je größer die Weber-Fechner-Konstante (k) ist, die jeweils anhand der olfaktometrischen Messung ermittelt wird, desto stärker ändert sich die empfundene Vgl. VDI-Richtline 3882, Blatt 2, S. 14. Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Blatt 1, S. 3. 119 Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Blatt 1, S. 4. 120 Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Blatt 1, S. 4. 121 Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Bl. 1, S. 4, 15, 16. 122 Vgl. Richter / Kost / Röckle, promet 2003, 39, 40. 123 Nach dem Physiologen Ernst Heinrich Weber und dem Physiker und Begründer der Psychophysik Gustav Theodor Fechner. 117 118

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C. Geruchsmessungen

Intensität bei Änderung der Konzentration. Ein Geruch wird bei steigender Konzentration also schnell als intensiver und bei abnehmender Konzentration schnell als weniger intensiv empfunden, je größer k ist. Der Einfluss einer Verdünnung von Geruchsstoffen auf deren Wahrnehmung, wie sie zum Beispiel bei der Ausbreitung in der Atmosphäre stattfindet, ist also groß. Umgekehrt verhält es sich bei einer kleinen Weber-Fechner-Konstante. Eine am Emissionssort vorhandene Abluft hat bei einer festgestellten Emissionsintensität I einen größeren Intensitätseindruck am Immissionsort zur Folge, je kleiner der k-Wert ist.124 Das bedeutet auch, dass eine Verringerung der Geruchsstoffkonzentration um 50%, also eine Halbierung der Anzahl der Geruchsstoffmoleküle pro m3 Luft, nicht in gleichem Maße eine Verringerung der Geruchsintensität am Immissionsort bedeutet. Um die empfundenen Intensität zu halbieren, muss also möglicherweise die Konzentration um wesentlich mehr als um 50% verringert werden.125 Um wie viel mehr die Konzentration verringert werden muss, hängt jeweils vom konkreten Geruchsstoff(-gemisch) ab. Die VDI-Richtlinie 3882 Blatt 1 weist darauf hin, dass Untersuchungen dieses Phänomens auf der Grundlage der standardisierten Olfaktometrie an undefinierten Gasgemischen noch nicht in ausreichender Zahl durchgeführt wurden. Daher wird darauf verzichtet, diese Möglichkeit für die praktische Anwendung zu interpretieren. Sofern derartige Ergebnisse in der Praxis gefunden werden, sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und welche Konsequenzen (für den Immissionsschutz) zu ziehen sind.126 bb) Methodik Mindestens acht Probanden werden verschiedene Intensitätsstärken im überschwelligen Bereich dargeboten. Den Geruchseindruck ordnen die Probanden einem auf einer Skala genannten Begriff von nicht wahrnehmbar (Intensitätsstufe 0) über sehr schwach (1), schwach (2), deutlich (3), stark (4), sehr stark (5) bis extrem stark (6) zu.127 Die Reihenfolge der dargebotenen Konzentrationsstufen ist zufällig. Zwischen den Messungen wird eine Pause von einer Minute eingelegt, um eine Adaptation an den Geruchsstoff zu vermeiden. Anschließend wird aus den so gewonnenen Erkenntnissen mittels mathematischer Berechnungen das Verhältnis zwischen Geruchsstoffkonzentration eines bestimmten Geruchsstoff(-gemische)s und der empfundenen Geruchsintensität ermittelt.

124 125 126 127

Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Bl. 1, S. 17; Cooperative, Geruch, S. 52. Vgl. Cooperative, Geruch, S. 52. Vgl. VDI-Richtlinie 3882, Bl.1, S. 17. Vgl. VDI-RL 3882 Bl. 1, S. 9.

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cc) Fehlerquellen Fehlerquellen können sich hierbei aus dem Phänomen ergeben, dass der Mensch im Allgemeinen nur fünf Stufen beschreiben kann. Nur besonders geschulte Menschen können noch zwei weitere Stufen erfassen.128 Die VDI-Richtlinie 3882 Blatt 1 selektiert die Probanden nach Erfahrungen über ihre Fähigkeiten, wobei insbesondere die Gesundheit, die Rateneigung und die Entscheidungsfreudigkeit herangezogen werden. Zur Geruchsintensitätsbestimmung werden daher nur bereits erfahrene Probanden herangezogen. Die Empfindlichkeit der Riecher, das heißt die Lage der individuellen Geruchsschwelle, ist jedoch kein Kriterium für die Probandenauswahl.129 c) Bestimmung der hedonischen Geruchswirkung aa) Sinn und Zweck Die hedonische Geruchswirkung ist die Einstufung von Geruch auf einer Skala von „unangenehm“ über „neutral“ nach „angenehm“.130 Sie ist nicht mit der Geruchsqualität bzw. -art zu verwechseln („Es riecht blumig, stechend, faulig“, usw., „Es riecht nach . . .“). Die hedonische Wirkung eines Geruchs ist von dreierlei abhängig: vom Geruchsstoff(-gemisch), von der Geruchsstoffkonzentration (also von der empfundenen Geruchsintensität) und vom individuellen Erfahrungshintergrund des Riechers. Durch die Beurteilung mehrerer überschwelliger Konzentrationsstufen einer bestimmten Geruchsstoffprobe kann der Verlauf der hedonischen Wirkung als Charakteristikum einer Probe aufgezeigt werden.131 So würde der Stoff Skatol in sehr geringer Konzentration einen eher angenehmen Geruch (Jasmin) und in höherer Konzentration einen eher unangenehmen Geruch (Fäkalien) verursachen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration und der Geruchsintensität ermöglicht die zusätzliche Ermittlung der hedonischen Geruchswirkung eine Abschätzung der Belästigungswirkungen unter Immissionsbedingungen. Die VDI-RL 3882 Blatt2132 weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass eine abschließende Beurteilung der tatsächlichen Belästigungssituation allein mit den olfaktometrischen Methoden nicht möglich ist. Dazu sei die Heranziehung zusätzlicher Belästigungserhebungen mit sozialwissenschaftlichen Methoden hilfreich (z. B. Befragungen von Anwohnern).133 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 26. Vgl. VDI-RL 3882, Bl. 1 S. 8. 130 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 28. 131 Vgl. VDI-RL 3882, Bl. 2, S. 3. 132 Die VDI-RL 3882 Bl.2 vom September 1994 ist im Oktober 2003 und im Oktober 2008 überprüft und bestätigt worden. 133 Vgl. VDI-RL 3882, Bl. 2, S. 3 unter Verweis auf VDI-RL 3883, Bl. 1 und Bl. 2. 128 129

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Die Frage, ob die Beurteilung des – immissionsschutzrechtlich interessierenden – Belästigungsgrades die Berücksichtigung der Hedonik erfordert, war über lange Zeit umstritten.134 Mittlerweile ist im sogenannten „Hedonik-Projekt“ des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf festgestellt worden, dass die Hedonik einen erheblichen Einfluss auf den Belästigungsgrad hat.135 Auch die Verfasser der VDI-Richtlinie 3882 Blatt 2 gingen davon aus, obwohl die VDI-Richtlinie 3882 Blatt 2 schon im Jahre 1994 veröffentlicht wurde und die vorgenannten umfangreichen Untersuchungen erst in den Jahren 1998 bis 2001 stattfanden. Der Verlauf der hedonischen Wirkung des (bereits gefilterten) Reingases als Funktion der Geruchsstoffkonzentration mit Hilfe der Ausbreitungsrechnung gestattet eine Abschätzung der hedonischen Wirkung im Immissionsbereich nach Transport und Verdünnung in der Atmosphäre. Jedoch ist hierbei zu beachten, dass sich die Filterung der Abluft sowohl positiv als auch negativ auf die hedonische Wirkung der Abluft auswirken kann und nicht in jedem Fall eine Abluftreinigung auch dazu führt, dass zuvor eher unangenehmer Geruch anschließend als angenehm bewertet wird.136 bb) Hintergrund der Hedonik-Bewertung Die systematische und standardisierte Untersuchung der hedonischen Geruchswirkung ist nur dann sinnvoll, wenn die Ergebnisse weiterführende Aussagen ermöglichen. Dementsprechend setzt die VDI-Richtlinie 3882 Blatt 2 voraus, dass trotz der prinzipiellen Subjektivität von Gefühlen verschiedene Menschen sehr ähnliche Vorstellungen mit bestimmten Gefühlsqualitäten verbinden.137 Dazu beruft sich die Richtlinie auf das Polaritätenprofil von Osgood.138 Polaritätenprofile emotionaler Erlebnisqualitäten ergeben bei verschiedenen Beurteilenden ein sehr gleichförmiges Bild.139 Daraus wird geschlossen, dass auch die Beurteilung der hedonischen Geruchswirkung durch unterschiedliche Menschen ähnlich ausfallen dürfte. Das von Osgood entwickelte Polaritätenprofil zur Geruchsbeurteilung, das später von Hofstätter140 und Eyferth141 weiterentwickelt worden ist, stellt Begriffe Vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 5. Das Hedonik-Projekt ist durchgeführt worden, um zu ermitteln, welchen Einfluss die hedonische Tönung eines Geruchs auf den Belästigungsgrad hat. Die Ergebnisse haben insoweit Einzug in die Geruchsimmissions-Richtlinie gefunden, als eindeutig angenehme Anlagengerüche lediglich mit dem halbierten Wert in die Ermittlung der Gesamtimmissionsbelastung eingehen. Vgl. unten D. V. 136 Vgl. VDI-RL 3882, Bl. 2, S. 14, 15. 137 Vgl. VDI-RL 3882, Bl. 2, S. 6. 138 Vgl. dazu Osgood / Succi / Tannenbaum, The measurement of meaning. 139 Vgl. VDI-RL 3882, Bl. 2, S. 8. 134 135

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gegenüber wie stark – schwach, grob – fein, niederdrückend – erhebend, robust – zart, schwer – leicht, alt – jung, etc. Insgesamt umfasst das Profil 29 Begriffspaare. Anhand dieses Profils werden sowohl Begriffe wie Gestank als auch bestimmte Geruchsstoffe (Thiophenol, Pfefferminz) bewertet, indem der Proband eine Bewertung zu jedem Begriffspaar abgibt, wobei der Wert 1 für stark / grob / niederdrückend etc. und der Wert 7 für schwach / fein / erhebend etc. steht und zwischen den Begriffen abgestufte Werte von 2 – 6 liegen. Die Probanden erhalten das Profil auf einem Bogen, wobei jeweils die sich gegenüberstehenden Begriffspaare an den beiden äußeren Seiten des Bogens stehen und dazwischen die Abstufungen von 1 bis 7 eingezeichnet sind. Auf diesem Bogen tragen sie jeweils ein Kreuz auf der Linie zwischen jedem Begriffspaar ein, so dass sich daraus eine Linie aus 29 Einzelpunkten ergibt. Das Profil wird zum einen anhand der Emotionen, die mit bestimmten Begriffen („Gestank“ oder „Duft“) verbunden ausgefüllt, ohne dass den Probanden ein bestimmter Stoff auch tatsächlich dargeboten wird. So lassen sich vorgegebene Geruchsreize und „vorgestellte“ Geruchskonzepte auf einer Dimension „angenehm – unangenehm“ abbilden.142 Anschließend werden den Probanden bestimmte Stoffe dargeboten (zum Beispiel Geruchsproben verschiedener Anlagen) und anhand dieser das Polaritätenprofil erneut ausgefüllt. Nun können die Linien, die bei der Beurteilung der Begriffe Gestank oder Duft entstanden sind, mit denjenigen von Geruchsemissionen verschiedener Anlagen verglichen werden. Dieses Polaritätenprofil diente bisher allein dem Nachweis, dass bestimmten Geruchsstoffen von verschiedenen Beurteilern relativ einheitlich eine angenehme oder unangenehme Geruchswirkung zugemessen wird. Im Rahmen der eigentlichen Bewertung nach der VDI-Richtlinie 3883 Blatt 2 wird derzeit nicht das Polaritätenprofil, sondern eine Bewertungsskala mit mehreren Stufen von „äußerst unangenehm“ zu „äußerst angenehm“ verwandt. Allerdings sieht die Geruchsimmissions-Richtlinie seit ihrer Version von 2004 eine Bestimmung der hedonischen Klassifikation von Anlagengerüchen nach der Methode der Polaritätenprofile vor (Nr. 5 Abs. 3 GIRL 2004). Soweit bei der Geruchsbeurteilung die GIRL zur Anwendung kommt, ist demnach diese Methode der Methode der VDI-RL 3883 Blatt 2 vorzuziehen. cc) Methodik Bei der praktischen Bestimmung der hedonischen Geruchswirkung einer Abluftprobe wird bei der Zuführung von geruchsbeladener Luft abgefragt, ob diese als angenehm, neutral oder unangenehm bewertet wird. Hinsichtlich der Probenahme, 140 141 142

Vgl. Hofstätter, Psyche 1955, S. 54, 66 ff. Vgl. dazu Eyferth, in: Bergler (Hrsg.), Das Eindrucksdifferential. Vgl. VDI-RL 3882 Bl. 2, S. 7, 8.

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C. Geruchsmessungen

der Auswahl der Probanden, der Bedingungen der Messungen etc. folgt eine solche Messreihe den Vorgaben der DIN EN 13725. Jedoch müssen wegen der individuellen Unterschiede bei der Bewertung der hedonischen Geruchswirkung mindestens 15 Personen pro Messreihe eingesetzt werden. Im Unterschied zur Feststellung der Geruchsstoffkonzentration spielt die Empfindlichkeit der Riecher bei dieser Messung gerade keine Rolle. Allerdings werden den Probanden ebenfalls vorab Riechstoffe (Vanillin und Guajakol) zur Bewertung gegeben, damit der Mittelwert der Riechempfindlichkeit des Probandenkollektivs überprüft werden kann. Dieser muss in einem vorgegebenen Bereich zwischen zwei Werten liegen. Die Probanden bewerten sodann verschiedene Geruchsproben am Olfaktometer anhand einer Skala mit neun Abstufungen von „-4 = äußerst unangenehm“ über „- 3, -2, -1“ nach „0 = weder angenehm noch unangenehm“ und weiter über „+1, +2, +3“ nach „+4 = äußerst angenehm“. Anschließend werden die Ergebnisse anhand von mathematischen Berechnungen dargestellt, wobei sowohl die relative Häufigkeit der Nennung der Kategorien (-4 bis +4) als auch der Verlauf der hedonischen Geruchswirkung in Abhängigkeit von der Geruchsstoffkonzentration dargestellt werden kann. Auf diese Weise kann die hedonische Wirkung bestimmter Stoff(-gemisch)e ermittelt werden (z. B. Abluft von Schweineställen, Abluft einer Bierbrauerei etc.). In einer von Sucker et al. Durchgeführten Studie ist das Polaritätenprofil auf seine Eignung für die Bewertung der Hedonik erneut untersucht und auch vergleichend der in der VDI-RL 3882, Blatt 2 genannten Skala gegenübergestellt worden.143 Die Verfasser gelangten zu dem Ergebnis, dass mit dem Polaritätenprofil gegenüber der Skala eine Hedonikerfassung im Nahbereich geruchsintensiver Quellen objektivierend, differenziert und das Untersuchungsziel weitgehend kaschierend erfolgen kann. Dies sei gegenüber der eindimensionalen Hedonikskala von Vorteil.144 Es bleibt abzuwarten, ob bei einer Überprüfung der VDI-RL 3882 Blatt 2 gegebenenfalls das Polaritätenprofil gegenüber der Skala vorgezogen werden wird. 4. Wirkung und Bewertung von Geruch durch Befragung (VDI-Richtlinie 3883 Blatt 1, 2) a) Sinn und Zweck Die VDI-Richtlinie 3883145 ergänzt die Richtlinie zur Geruchsschwellenbestimmung mit olfaktometrischen Methoden. Sie behandelt die Frage nach Verfahren 143 Vgl. Sucker / Both / Bischoff / Guski / Krämer / Winnecke, Odor frequency and odor annoyance, Int. Arch. Occup. Environ. Health (2008, zur Veröffentlichung angenommen (accepted for publication)). 144 Vgl. Winneke / Sucker / Both / Müller, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 163 ff.

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für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang in einem Gebiet / einer Zone eine Belästigungssituation vorliegt.146 Dies erfolgt anhand der VDI-Richtlinie durch die systematische Einmalbefragung von Anwohnern mittels Fragebogentechnik (Blatt 1) sowie durch die systematische Mehrfachbefragung von Anwohnern (Blatt 2). Wie die VDI-RL 3883 Blatt 1 ausführt, bestimmen die Immissionsbelastungsparameter (d. h. die sensorische Reizbelastung durch Dauer, Hedonik, Intensität von Geruchsimmissionen etc.) nicht allein die Wirkung. Bei Untersuchungen zur Geruchsbelästigung unter umwelthygienischen und -psychologischen Aspekten müssen daher auch andere, nicht-olfaktorische, verstärkende oder abschwächende Einflussgrößen berücksichtigt werden, die zum Beispiel im betroffenen Menschen, in der Situation und im Umfeld vorliegen. Personen, die derselben Geruchsstoffimmission ausgesetzt sind, können selbst bei homogener Geruchsbelastung sehr unterschiedliche Belästigungsreaktionen zeigen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass sich eine Belästigungsmessung nicht an der Reaktion einzelner Betroffener orientieren kann, sondern dass hier das Prinzip der durchschnittlichen Belästigungsreaktion oder der Anwohnerreaktion als Prozentanteil von Personen, die sich stark belästigt fühlen, gilt (sog. „Community Reaction“). Die VDI-Richtlinie 3883 beschreibt Instrumente zur psychologischen Erfassung von Belästigungsstufen, wobei bestimmten, auf der Basis dieser Richtlinienvorschriften ermittelten Belästigungsstufen Immissionsmesswerte zuzuordnen sind.147 Abhängig von dem prozentualen Anteil an befragten Personen, die die Geruchsimmissionen als sehr belastend, belastend, kaum belastend, nicht belastend etc. empfinden, können Immissionswerte festgelegt werden (Bsp.: Wenn 10% der befragten Personen die Geruchsimmissionen als sehr belastend empfinden, ist die Belastung durch Geruchsimmissionen erheblich). Ausdrücklich weist die VDI-RL 3883 darauf hin, dass wegen der komplexen Ursache-Wirkung-Beziehung eine Übertragung vorgefundener Belästigungen in einem bestimmten Umfeld auf eine andere, in der Planung befindliche Situation nicht ohne weiteres möglich ist.148 Im Unterschied zur Raster- und Fahnenbegehung, bei der aufgrund des Einsatzes ortsfremder Probanden relativ objektive Ergebnisse erzielt werden können, werden bei der Befragung Ortsansässiger auch aktuelle Informationen zu standortbedingt bestehenden Belästigungssituationen gesammelt. Im Vordergrund dieser Erhebung stehen das momentane Geruchsempfinden und die Belästigungsbewertung ortsansässiger Personen. Die Befragungstechniken liefern für den konkreten Fall die zutreffendste Beschreibung der Belästigungssituation, jedoch keine objektivierbare 145 Abgedruckt in: Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) im VDI und DIN, Fachbereich III: Wirkungen von Staub und Gasen, Ausschuss Geruchsintensive Stoffe, Arbeitsgruppe Fragebogentechnik, VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 1 a. 146 Vgl. VDI-Richtlinie 3883, Bl.1, S. 3. 147 VDI-Richtlinie 3883, Bl.1, S. 3. 148 Vgl. VDI-Richtlinie 3883, Bl. 2, S. 3; so auch Schön / Hübner, Geruch, S. 94.

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Aussage. In Deutschland spielt diese Methode der Geruchsmessung bislang eine untergeordnete Rolle. Es bleibt abzuwarten, ob die Befragung von Anwohnern in Zukunft einen höheren Stellenwert erlangen wird.149 In anderen Ländern, wie zum Beispiel den Niederlanden, wird weitaus mehr Wert auf die Erfassung der konkreten Belästigungssituation als auf die objektive Erfassung von Geruchsimmissionen gelegt.150

b) Psychometrische Erfassung der Geruchsbelästigung, Fragebogentechnik (VDI-RL 3883 Blatt 1) aa) Sinn und Zweck Zielsetzung des Blattes 1 der VDI-Richtlinie 3883151 ist die Beschreibung von Befragungsverfahren zur Bestimmung der vorhandenen oder möglichen Belästigung durch geruchsintensive Stoffe. Die so gefundenen Ergebnisse sollen dazu dienen, Parameter zu ermitteln, mit deren Hilfe die Belästigung durch sensorisch vermittelte Umweltreize objektivierbar und quantifizierbar gemacht wird. Darüber hinaus sollen die erhobenen Belästigungsparameter die Möglichkeit geben, eine Klassierung der Belästigungssituation durchzuführen, Unterschiede der Belästigung zwischen Belastungs- und Kontrollzonen zu ermitteln, die Variation der Belästigungswirkung über die Entfernung der Anwohnergebiete zu Emittenten festzustellen und Dosis-Wirkungs-Kurven für die Beziehung zwischen Belästigung und Immissionsbelastung auf der Basis geeigneter Parameter der Immissionsbelastung durch olfaktorische Reize zu erstellen, sowie parallel zur Emissionsmessung und zur Ausbreitungsrechnung eine Belästigungswirkung festzustellen, um Belästigungsprognosen zu überprüfen.152 Die in der Richtlinie vorgestellten Verfahren der Belästigungsmessung ermöglichen die Beantwortung zweier konkreter Fragestellungen: zum einen die Prüfung einer Nachbarschaftsbeschwerde und zum anderen die Notwendigkeit und Wirksamkeit von Emissionsminderungsmaßnahmen.153 bb) Methodik Die Richtlinie gibt eine Mindestanzahl von Haushalten vor, die je Befragungszone in Abhängigkeit vom Untersuchungsziel zu erfassen ist. Je Haushalt wird dabei eine Person befragt, wobei die Befragung durch mündliche Interviews, Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 96. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 96; wie die Bewertung von Geruchsimmissionen in einigen anderen Ländern erfolgt, wird im Kapitel F. erörtert. 151 VDI-Richtlinie 3883 Bl.1 ist zuletzt im Oktober 2003 überprüft und bestätigt worden. 152 VDI-Richtlinie 3883, Bl. 1, S. 3, 4. 153 VDI-Richtlinie 3883, Bl.1, S. 4. 149 150

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schriftliche Umfragen per Post oder auch durch telefonische Befragung möglich ist. Der in der Richtlinie enthaltene Musterfragebogen beinhaltet beispielsweise Fragen wie: 1. Wie stark schätzen Sie die Umweltbelastung insgesamt hier in dem Wohngebiet ein? (keine = 0 bis unerträglich stark = 6), [ . . . ], 3.1 Wie stark sind Gerüche draußen am Haus / auf der Straße wahrzunehmen? (nicht zu riechen = 0 bis unerträglich stark zu riechen = 6), [ . . . ], 6. Halten Sie die Belästigung der Anwohner dieser Straße für zumutbar oder unzumutbar? (durch Gerüche zumutbar = 0, unzumutbar = 1), [ . . . ], 7. Wie oft führt Geruch bei Ihnen zu folgenden Auswirkungen: 7.1 Man kommt ungern nach Hause (nie = 0 bis sehr oft = 4), 7.2 Stört bei der Unterhaltung, 7.3 Hindert am Einschlafen, 7.4 Man bekommt Kopfschmerzen, 7.5 Man ist gereizt, 7.6 Man hat keinen Appetit, 7.7 Es wird einem übel, 7.8 Man wacht nachts auf.154 Entscheidend für diese Form der Datenbeschaffung ist die Motivation der Befragten, die von der Notwendigkeit der Untersuchung und auch von der Bedeutung ihrer Mitarbeit überzeugt sein müssen. Über Sinn und Zweck der Untersuchungen muss vorab und auch während des Ablaufs der Befragung laufend informiert werden, wobei regelmäßige Rundschreiben oder eine persönliche Kontaktpflege motivationssteigernd wirken. Entsprechende Musteranschreiben sind in der VDI-RL 3883 enthalten. c) Ermittlung von Belästigungsparametern durch Befragungen, wiederholte Kurzbefragung von ortsansässigen Probanden (VDI-RL 3883 Blatt 2) Blatt 2 der VDI-Richtlinie 3883 beschreibt ebenfalls ein Erhebungsverfahren zur Bestimmung der vorhandenen Geruchsbelästigung, wobei ortsansässigen Probanden wiederholt die Frage nach einer momentanen Geruchsempfindung und ihrer Belästigungsbewertung gestellt wird. Die Ergebnisse eines längeren Zeitraums dienen dazu, die durch Geruch ausgelöste Belästigung zu quantifizieren, das heißt den Index der Belästigung von Anwohnern in einem definierten Befragungsgebiet zu bestimmen. Auf diese Weise ist es unter anderem möglich, die zeitliche und räumliche Verteilung der Belästigung in einem Befragungsgebiet zu ermitteln, Unterschiede in der Belästigung im Belastungs- und in einem Kontrollgebiet aufzuzeigen, um eine Aussage über die Sanierungsbedürftigkeit eines komplexen Geruchsbelastungsgebietes zu machen sowie die Wirksamkeit von Minderungsoder Sanierungsmaßnahmen zu beurteilen. Auch können die Veränderung der Belästigung in Abhängigkeit von der Entfernung der Anwohner von einem großen Emittenten (bezogen auf den Emissionsstrom) festgestellt und Hinweise zur Identifizierung von belästigungsrelevanten Emissionsquellen in Abhängigkeit von der vorherrschenden Windrichtung erhalten werden. Mehrfachbefragungen von Anwohnern zur Geruchsbelästigung ermöglichen einen Vergleich verschiedener IstSituationen. 154

VDI-Richtlinie 3883, Bl. 1, Musterfragebogen, Seite 56 – 58.

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5. Bestimmung von Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen (VDI-Richtlinie 3940, Blatt 1 und 2) a) Sinn und Zweck Die VDI-Richtlinie 3940155 regelt die Bestimmung von Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen.156 Dabei behandelt die VDI-Richtlinie 3940 Blatt 1 die Bestimmung der Immissionshäufigkeit von erkennbaren Gerüchen durch die Rastermessung und Blatt 2 die Bestimmung der Immissionshäufigkeit von erkennbaren Gerüchen durch die Fahnenmessung. Begehungen dienen der Ermittlung von Immissionssituationen im Feld. Auf diese Weise können im Genehmigungsverfahren die Vorbelastung am geplanten Anlagenstandort oder bei der Überwachung einer in Betrieb genommenen Anlage, zum Beispiel auf Beschwerden der Anwohner hin, die tatsächlichen Geruchsimmissionen ermittelt werden. Raster- und Fahnenmessung dienen jeweils unterschiedlichen Zielen.

b) Rastermessung Die Rastermessung dient der Ermittlung der Geruchsvor- und / oder Geruchsgesamtbelastung in einem Beurteilungsgebiet und wird überwiegend in Genehmigungs- und Überwachungsverfahren eingesetzt.157 Bei der Rasterbegehung wird der „Geruchszeitanteil“ ermittelt, das heißt die Häufigkeit, mit der die Erkennungsschwelle in der Außenluft bei einer Einzelmessung überschritten wird und Geruch von der zu untersuchenden Anlage eindeutig erkannt wird.158 Zur Rastermessung legt man ein fiktives Netz von Rasterpunkten über das Beurteilungsgebiet, in dessen Zentrum sich die Emissionsquelle befindet. Auf diese Weise lassen sich flächenbezogen Aussagen über die Immissionssituation treffen. Das Beurteilungsgebiet wird in Größe und Form der Art der Messaufgabe entsprechend festgelegt. In der Regel wird das Beurteilungsgebiet um den Emittenten als Kreis festgelegt, dessen Radius das 30-fache der Kaminhöhe / Schornsteinhöhe beträgt. Bei Anlagen mit Austrittshöhen von unter 20m wird das Beurteilungsgebiet so festgelegt, dass die kürzeste Entfernung vom Rand des Anlagengeländes bis zur 155 Blatt 1 neugefasst im Februar 2006, abgedruckt in VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 1A. und berichtigt im Oktober 2006, Veröffentlichung ebenda; Blatt 2 neugefasst im Februar 2006. 156 Derzeit wird im CEN / TC 264, Arbeitsgruppe 27 „Messung der Geruchsstoffimmission durch Begehung“ an einer Europäischen Norm zu diesem Thema gearbeitet, vgl. http: //www.ecoma.de/de/_news01/cont_news_more.php?id=59. Bis zu ihrem Erlass gilt jedoch die VDI-RL 3940 weiter. 157 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 4. 158 Bei der Rastermessung könnte theoretisch auch die Geruchsintensität und die hedonische Wirkung ermittelt werden; dies ist jedoch nicht Gegenstand der VDI-RL 3940, vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 4.

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äußeren Grenze des Beurteilungsgebietes mindestens 600 m beträgt.159 Soll die Einwirkung einer oder mehrerer Quellen auf ein definiertes Areal ermittelt werden, so entspricht das Beurteilungsgebiet dem jeweilig definierten Areal. Soll die Geruchsstoffimmission im Rahmen eines Katasters ermittelt werden, so entspricht das Beurteilungsgebiet einer bestimmten Katasterfläche. Das zu untersuchende Gebiet wird fiktiv mit einem gleichmäßigen Netz von Messpunkten überzogen, wobei das sich aus jeweils vier dieser Messpunkte ergebende Quadrat eine Beurteilungs- bzw. Rasterfläche ist. Die VDI-RL 3940 Bl.1 sieht für die Festlegung des Rasters detaillierte Regelungen vor.160 Zunächst weist die VDI-RL 3940 Bl.1 darauf hin, dass entgegen dem von der TA Luft 2002 gewählten Punktbezug (für die Ermittlung von Immissionen durch Luftschadstoffe) auch weiterhin dem Flächenbezug bei Rastermessungen zur Ermittlung von Geruchsimmissionen der Vorzug zu geben ist, da nach den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen ein Flächenwert den Belästigungsgrad von Anwohnern besser repräsentiert als ein Punktwert. Im Anschluss sieht die VDI-RL 3940 Bl.1 vor, wie das Raster im Einzelnen festzulegen ist. Die Schrittweite des Rasternetzes legt man in Abhängigkeit von der Messaufgabe und der Größe des gesamten Beurteilungsgebietes fest. Zunächst und grundsätzlich wird eine Schrittweite von 250 m gewählt, je nach den Erfordernissen des Einzelfalles kann die Schrittweite jedoch auf 500 m vergrößert oder auch auf 50 m verringert werden161, wobei die VDI-RL 3940 Bl.1 in diesem Punkt die genauen Voraussetzungen für die Veränderung der Größe und Lage der Beurteilungsflächen regelt.162 Der Messzeitraum beträgt im Regelfall sechs Monate, kann im Sonderfall aber auf drei Monate reduziert oder auf ein Jahr ausgedehnt werden.163 Die zeitliche Verteilung der Messungen soll gleichmäßig über die 24 Stunden des Tages erfolgen oder sich an der Betriebszeit der geruchsemittierenden Anlage orientieren. Üblicherweise sind pro Messpunkt 13 unabhängige Einzelmessungen während des sechsmonatigen Untersuchungszeitraums durchzuführen. Bei dieser Methode finVgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 18. Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 19 f. 161 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 19. 162 Der Flächenbezug hat im Rahmen der Geruchsbewertung nach der GIRL erhebliche Kritik erfahren, wie in Kapitel D. V. noch dargestellt wird. Dennoch hat man sich auch bei Veröffentlichung der VDI-RL-3940 Bl.1 im Februar 2006 bewusst für den Flächen- und gegen den Punktbezug entschieden. 163 In Anbetracht des Wunsches nach zügigen Genehmigungsverfahren innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Fristen dürfte eine Rasterbegehung über die Dauer eines Jahres im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nur in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen eine erhebliche Vorbelastung besteht; vgl. zum immer wieder geäußerten Wunsch nach der Beschleunigung c„immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltschutz als Standortfaktor – Investitionssicherung und Möglichkeiten zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Industriezulassungen; Dose / Holznagel / Weber (Hrsg.), Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. 159 160

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det innerhalb von sechs Monaten an insgesamt 52 Tagen (innerhalb von zwölf Monaten an insgesamt 104 Tagen) eine Begehung des Standortes statt. Dabei sind sowohl die Tag- und Nachtzeiten als auch Sonn- und Feiertage zu berücksichtigen.164 Die Auswahl der Prüfer erfolgt nach denselben Kriterien, die von der DIN EN 13725 vorgegeben werden. Die Prüfer müssen auf den Referenzstoff n-Butanol getestet werden und ihre Antworten dürfen eine bestimmte Standardabweichung nicht überschreiten. Hinzu kommt, dass die Prüfer auf ihre Tauglichkeit für eine Untersuchung im Feld hin überprüft werden. Im Feld muss zum Beispiel bei der Überwachung einer Anlage der spezifische Anlagengeruch von den Prüfern erkannt werden. Eventuell müssen die Prüfer Geruchsarten verschiedener Anlagen identifizieren können oder Anlagengeruch von anderem Geruch, zum Beispiel aus dem Hausbrand oder dem Verkehr, unterscheiden können. Aus diesem Grunde empfiehlt die VDI-RL 3940 Blatt 1 Qualitäts- und Geruchsintensitätstests, bei denen die individuellen Fähigkeiten der Probanden hinsichtlich der Erkennung und Unterscheidung von Geruch ermittelt werden.165 Darüber hinaus müssen sich die Prüfer ihrer besonderen Verantwortung und der Bedeutung der Messungen für den Anlagenbetreiber sowie für die Anwohner bewusst sein. Sie müssen sich während der Prüfung ausreichend auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Um den Prüfern die Wichtigkeit ihrer Arbeit zu verdeutlichen, empfiehlt die Richtlinie eine angemessene Vergütung für die Teilnahme als Prüfer.166 An der Messung müssen mindestens zehn Prüfer teilnehmen. Sie erhalten zur Vereinfachung der Prüfung einen Schlüssel für Geruchsqualitäten („Es riecht nach . . .“), der vor der Untersuchung festgelegt und sinnvoll begrenzt wird. Geruchsqualitäten, die im Schlüssel nicht enthalten sind, werden als „Andere Anlagengerüche“ oder „Sonstige Gerüche“ aufgelistet. Die Probanden zeichnen pro Messpunkt jeweils über zehn Minuten die wahrgenommenen Geruchseindrücke auf, wobei darauf zu achten ist, dass nur die mit hinreichender Sicherheit und zweifelsfrei der entsprechenden Emissionsquelle zuzuordnenden Geruchsimmissionen dokumentiert werden. Das Messzeitintervall von zehn Minuten hat man aus pragmatischen Gründen festgelegt. Dieses Intervall ist erforderlich, um mit einer Sicherheit von mindestens 80% repräsentative Informationen zur Geruchssituation einer Stunde zu erhalten.167 Zur Bestimmung des Geruchszeitanteils in einem Messzeitintervall werden zwei Methoden angewandt und die Ergebnisse auf einem Datenbogen oder mit einem Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 20 f. Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 11. 166 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 12. Die Richtlinie stellt im Übrigen auch Anforderungen an den Charakter der Prüfer. Prüfpersonen mit Geltungsbedürfnis, häufigem Stimmungsumschwung oder Hang zu Rangordnungen sind ungeeignet. Sie müssen in der Lage sein, sich in ein panel einzuordnen, vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 12. 167 Vgl. Kost / Reis / Medrow, Staub – RdL 1991, 159; Cooperative, Geruch, S. 71. 164 165

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elektronischen Registriergerät erfasst. Entweder nimmt der Prüfer alle zehn Sekunden eine Riechprobe und registriert das Ergebnis differenziert nach Geruchsqualitäten auf einem Datenbogen. Oder der Prüfer beurteilt jeden einzelnen seiner Atemzüge und schaltet die Zeiterfassung seines elektronischen Registriergerätes ein, wenn ein Geruchsereignis beginnt, und wieder aus, wenn es endet. Der Geruchszeitanteil wird aus der aufsummierten Zeit der Geruchsereignisse und der Dauer des Messzeitintervalls berechnet, indem der Quotient aus den beiden Größen gebildet wird.168 Eine Einzelmessung über die Dauer von zehn Minuten wird dann als positiv gezählt, wenn der Geruchszeitanteil einen vorher festzulegenden Prozentsatz der Dauer des Messzeitintervalls bzw. der Gesamtzahl getakteter Riechproben während des Messzeitintervalls erreicht oder überschreitet. Das Ergebnis einer solchen Einzelmessung soll für 60 Minuten repräsentativ sein und wird deshalb auch als Geruchsstunde bezeichnet. Unter einer Geruchsstunde wird eine positiv bewertete Einzelmessung verstanden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der VDI-RL3940 Blatt 1 wird in Deutschland eine Einzelmessung dann als positiv bewertet, wenn der erhobene Geruchszeitanteil 10 % des Messzeitintervalls erreicht oder überschreitet. Die Verfasser der Richtlinie beziehen sich hierfür auf die Geruchs-Immissionsrichtlinie vom 21. 09. 2004.169 Es wird demnach auch Geruch, der in geringfügigen Zeitabschnitten wahrnehmbar ist, so behandelt, als hätte man ihn während einer gesamten Stunde gerochen. Als Begründung hierfür wird angeführt, dass Geruch schon nach kurzer Wahrnehmungszeit als lästig empfunden werden kann.170 In der Praxis wird darüber hinaus häufig beobachtet, dass kurzzeitig auftretende Überschreitungen der Geruchsschwellenkonzentration aufgrund eines Erinnerungseffektes („die ganze Zeit hat es gerochen . . .“) als weitaus unangenehmer empfunden werden als eine einmalige aber länger anhaltende Überschreitung.171 Betrachtete man 60 Minuten als Messzeitintervall, so würde eine Einzelmessung dann als positiv gewertet, wenn innerhalb dieser 60 Minuten mindestens während zehn Prozent der Zeit, also während sechs Minuten, ein Geruchseindruck empfunden wird. Bei der Immissionszeitbewertung würde demzufolge ein Zeitraum von sechs Minuten einer Stunde gleichgesetzt. 172 Da der Messzeitraum im Rahmen von Begehungen aufgrund von Praktikabilitätsgründen auf zehn Minuten begrenzt worden ist, bedeutet dies, dass eine Einzelmessung dann als positiv bewertet wird, wenn während zehn Prozent der Zeit, also entweder bei sechs von 60 Messintervallen im 10-Sekunden-Takt oder bei einer Minute absolute Dauer an GeruchswahrVgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 15. Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 7, 43; dazu unten D. V. 170 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 87. 171 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 87. 172 Vgl. Medrow, in: Mennerich (Hrsg.), Abluftemissionen aus kommunalen Abwasseranlagen, S. 165. 168 169

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nehmung bei Aufzeichnung jedes einzelnen Geruchsereignisses und Addition der auf diesem Wege ermittelten Zeit, ein Geruchseindruck empfunden wird.173 Nach Abschluss aller Einzelmessungen wird für jede Beurteilungsfläche die Summe der positiven Einzelmessungen berechnet. Die flächenbezogene Kenngröße der Geruchsstoffimmission wird aus der Anzahl der Geruchsstunden je Beurteilungsfläche und dem Erhebungsumfang errechnet. Die flächenbezogene Kenngröße der Geruchsstoffimmission ist gegebenenfalls für jede erhobene Geruchsqualität i zu berechnen. Diese Differenzierung dient zur Erfassung der Geruchsstoffimmissionen einzelner Betriebe, Anlagen oder Prozesse.174 Zugleich zur Rastermessung werden auch meteorologische Messungen vorgenommen, um die Plausibilität und die Repräsentativität der Ergebnisse überprüfen zu können. c) Fahnenmessung Die Fahnenmessung dient der Ermittlung von Geruchsstoffimmissionen bei konkreten Wettersituationen. Auch dabei wird der Geruchszeitanteil ermittelt. Allerdings werden Messungen nur im Bereich der möglichen „Geruchsfahne“ durchgeführt, also in dem Gebiet, in dem verschiedene Geruchsarten hinsichtlich ihrer Herkunft eindeutig erkennbar sind.175 Demzufolge lassen sich von einer Fahnenmessung auch nur für diesen Bereich geruchsspezifische Aussagen ableiten. Hauptanwendungsgebiet der Fahnenmessung ist die Rückrechnung auf Emissionsquellenstärken mit geeigneten Ausbreitungsmodellen (Bei x Geruchsstunden im Beurteilungsgebiet emittiert die Quelle eine Geruchsstoffkonzentration von y).176 Darüber hinaus kommt sie zum Einsatz beim Kalibrieren und Validieren von Ausbreitungsmodellen, zur Bestimmung der Fahnenweite und bei der Ermittlung von Emissionsverursachern.177 Eine Fahnenmessung ist immer anlagenbezogen und orientiert sich an den Betriebszeiten, den wesentlichen Emissionsquellen, Flächenund diffusen Quellen und dem in der Anlage durchgeführten Herstellungsverfahren bzw. den dort hergestellten Produkten.178 Die Untersuchungen erfolgen bei konkreten (gemessenen) meteorologischen Bedingungen.179 Denn gemessen wird die Geruchsfahne anhand der Ausbreitungsrichtung, die durch Bestimmung der aktuellen Windrichtung 2 m über Grund ermittelt wird.180 173 Diese Hochrechnung wird durchaus kritisch beurteilt, was bei der Erörterung der GIRL in Kapitel D. V. noch eingehend diskutiert wird, da sich die Verfasser der VDI-RL 3940, wie bereits erwähnt, bei der Festlegung des Messzeitintervalls auf die GIRL berufen. 174 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 1, S. 25. 175 Die Geruchsfahne einer Emissionsquelle ist die vom Betriebszustand und der aktuellen Ausbreitungssituation der Quelle abhängige Ausdehnung des Gebietes, in dem Gerüche eindeutig erkennbar sind, vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 16. 176 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 4. 177 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 4. 178 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 16. 179 Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 4.

II. Sensorische Geruchsmessung

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Die Anforderungen an die Prüfer sind dieselben wie bei der Rasterbegehung. Auch die Methodik der Prüfung ist dieselbe (Ermittlung des Geruchszeitanteils entweder anhand von Messungen im 10-Sekunden-Takt oder bei jedem Atemzug). Anders als bei der Rastermessung wird bei der Fahnenbegehung das Beurteilungsgebiet jedoch nach den meteorologischen Gegebenheiten, und zwar nach der aktuellen Windrichtung, ausgewählt. Eine Fahnenmessung besteht aus Messungen von je zehn Minuten Dauer auf mehreren Schnittlinien quer zur aktuellen Windrichtung. Eine Schnittlinienmessung besteht aus mindestens fünf Messpunkten und fünf Prüfern. Die Abstände der Schnittlinien und der Messpunkte richten sich nach der zu erwartenden Ausdehnung der Geruchsfahne, die beeinflusst wird durch die Bauhöhe der Emissionsquelle, durch den Geruchsstoffstrom, die aktuellen meteorologischen Bedingungen und durch Bebauung / Bewuchs (Orografie) und Geländerelief (Topografie).181 Typischerweise werden drei imaginäre Linien senkrecht zur Ausbreitungsrichtung gezogen. Die Probanden postieren sich an Messpunkten senkrecht zur Ausbreitungsrichtung und untersuchen zeitgleich einen Zeitraum von zehn Minuten und zeichnen dabei ihre Geruchswahrnehmungen nach derselben Methode wie bei der Rastermessung auf. Dabei wird ebenfalls nur anlagenspezifischer Geruch ermittelt und auch hier müssen die Probanden in der Lage sein, den anlagenspezifischen Geruch von Geruch aus dem Verkehr, aus dem Hausbrand etc. unterscheiden zu können. Zur Validierung der Messergebnisse wird die während des Messzeitraums vorherrschende meteorologische Situation repräsentativ für den Anlagenstandort erhoben. Dazu gehören die Windrichtung und die Windgeschwindigkeit sowie die Ausbreitungsklasse.182 Je nach dem Untersuchungsrahmen sieht die Richtlinie noch weitere Vorgaben für die einzelnen Messungen vor. Ob der Emissionsstrom zurückgerechnet, ein Ausbreitungsmodell validiert oder die Fahnenreichweite ermittelt werden soll, hat insofern jeweils Bedeutung zum Beispiel für die Positionierung der Prüfer auf den Schnittlinien, für die Distanz der Schnittlinien zur Emissionsquelle und der Schnittlinien untereinander, sowie für die erforderliche Anzahl an Einzelmessungen. Auch muss je nach Aufgabenstellung berücksichtigt werden, bei welchen Wetterlagen wie viele Untersuchungen durchzuführen sind oder ob ganz besondere Wetterlagen zur Prüfung in Frage kommen. d) Berücksichtigung der Messunsicherheit Auch bei der Begehung als olfaktorischer Messung muss die Messunsicherheit berücksichtigt werden. Hierzu ist in einer jüngeren Untersuchung im Rahmen des Projektes „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ ermittelt worden, dass bei korrekter Anwendung der Richtlinie VDI 3940 Blatt 1 und der Geruchsimmis180 181 182

Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 17. Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 17. Vgl. VDI-RL 3940, Bl. 2, S. 17 ff.

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C. Geruchsmessungen

sions-Richtlinie auch von unterschiedlichen Messinstituten vergleichbare Ergebnisse erzielt werden.183 Allerdings betonen die Verfasser, dass die Ergebnisse lediglich als erste Anhaltspunkte für die Rasterbegehung mit einem Erhebungsumfang von 104 Messtagen (also über die Dauer eines gesamten Jahres) zu werten sind und insbesondere nicht ohne weiteres auf Rasterbegehungen mit einem Erhebungsumfang von 52 Messtagen zu übertragen sind. Hierzu seien ähnliche Untersuchungen erforderlich.184 Die Untersuchung hat aus diesem Grunde – neben den darin gefundenen Ergebnissen – deutlich gemacht, dass es auch zur Berücksichtigung der Messunsicherheit bei der Begehung weiterer Forschung bedarf.

e) Bestimmung von Geruchsstoffen durch Begehung – Ermittlung von Geruchsintensität und hedonischer Geruchswirkung im Feld (der Entwurf der VDI-RL 3940 Blatt 3) Im Juni 2008 hat die Kommission Reinhaltung der Luft den Entwurf einer Richtlinie zur Ermittlung von Geruchsintensität und hedonischer Geruchswirkung im Feld herausgegeben. Die Einspruchsfrist zu diesem Entwurf endet am 30. 09. 2008. Der Richtlinienentwurf VDI 3940 Blatt 3 ist eine Anleitung zur Messung von Geruchsintensität und hedonischer Geruchswirkung in der Außenluft. Die dargestellte Methode ist als Zusatzuntersuchung, beispielsweise im Rahmen von Rastermessungen nach VDI 3940 Blatt 1, ohne wesentlichen zeitlichen oder materiellen Mehraufwand durchführbar. Um verwertbare Ergebnisse zu erlangen, stellt der Richtlinienentwurf festgelegte Anforderungen an die Prüfer, die Messplanung und die praktische Durchführung der Messung vor Ort. Die Bestimmung der Geruchsintensität erfolgt anhand einer siebenstufigen Skala, die von „sehr schwach“ bis „extrem stark“ reicht. Bei der hedonischen Geruchswirkung wird der Geruch auf einer neunstufigen Empfindungsskala von „äußerst unangenehm“ bis „äußerst angenehm“ beurteilt. Berechnungsbeispiele geben Hilfestellung bei der mathematischen Auswertung und Interpretation der Messergebnisse. Die Bestimmung der Geruchsintensität und der Hedonik kann beispielsweise Anhaltspunkte für die Planung und Prüfung der Wirksamkeit von Emissionsminderungsmaßnahmen liefern oder im Zuge eines Genehmigungsverfahrens zur Ermittlung der Genehmigungsvoraussetzungen herangezogen werden.185

Vgl. Müller / Sowa, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 79. Vgl. Müller / Sowa, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 79, 88. 185 Vgl. Meldung der KRdL vom 11. 06. 2008, veröffentlicht auf http: //www.vdi.de/ 7850.0.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=45653&tx_ttnews[backPid]=6487&cHash= 5e2ac76 0f1. 183 184

III. Analytische Messverfahren

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III. Analytische Messverfahren 1. Anwendungsbereich Analytische Messverfahren kommen dort zum Einsatz, wo Stoffarten und -konzentrationen zu messen sind, und zwar vorwiegend am Emissionsort. Stoffkonzentrationen am Immissionsort sind zumeist zu gering, um analytisch erfasst zu werden. Sinnvoll ist eine analytische Messung dann, wenn vom Emittenten vorwiegend ein Stoff oder eine Stoffgruppe ausgehen, die als Verursacher von Geruchsimmissionen in der Umgebung festgestellt worden sind. In diesem Fall kann anhand der Analytik punktuell oder auch kontinuierlich gemessen werden, in welcher Konzentration der Stoff oder das Stoffgemisch austritt. Analytische Messverfahren können darüber hinaus auch in Ergänzung zur Olfaktometrie zum Einsatz kommen, um der hohen Messunsicherheit der Olfaktometrie zu begegnen.186

2. Typen und Methodik Bei den analytischen Messverfahren unterscheidet man diejenigen, die Stoffgemische nachweisen von denjenigen, die zum Nachweis von Einzelstoffkonzentrationen dienen.187 Kontinuierlich registrierende Messungen der Gesamtkohlenstoff-Konzentration im Abluftstrom erlaubt beispielsweise der Flammen-Ionisations-Detektor (FID). Der FID nutzt als Messprinzip die Ionisation organisch gebundener Kohlenstoffatome in einer Wasserstoffflamme. Der dabei in einem elektrischen Feld auftretende Ionenstrom wird elektrisch verstärkt und gemessen.188 Dem Einzelstoffnachweis dient hingegen die Gaschromatographie. Dabei handelt es sich um ein Trennverfahren, das die Komponenten eines Stoff- oder Gasgemisches vereinzeln kann, um sie analytisch nachzuweisen. Der Gaschromatograph besteht aus einer Trenneinheit und einem Detektor. Als Trenneinheit fungiert eine beheizte Kapillare, die innen mit einem polarisierten Material beschichtet ist. Das gasförmige Gemisch wird mittels eines inerten Trägergases durch die Säule „geschleppt“, wobei die einzelnen Stoffkomponenten in Abhängigkeit ihrer unterschiedlichen polaren Affinitäten früher oder später am Ende der Säule austreten. Dort werden sie mit empfindlichen physikalischen Verfahren qualitativ und quantitativ detektiert.189 Stoffe können darüber hinaus auch anhand von metallenen Sensoren („elektronische Nasen“) detektiert werden, die bei Kontakt mit einem Stoff ihre Leitfähigkeit ändern und diesen Impuls an einen nachgeschalteten Rechner weitergeben.190 Vgl. Boeker / Haas, Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 2007, 331, 340. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 59 ff.; vgl. zu analytischen Messverfahren und zur „elektronischen Nase“ auch Ohloff, Düfte, S. 179 ff. 188 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 60. 189 Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 61 f. 186 187

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C. Geruchsmessungen

IV. Zwischenergebnis Die sensorische Geruchsmessung hat in Deutschland ein breites Anwendungsfeld. Dabei wird ein Schwerpunkt auf die „objektive“ Erfassung von Geruchsemissionen und -immissionen durch besonders geschulte und ausgewählte Prüfer gelegt; die Befragung ortsansässiger Probanden gewinnt erst langsam an Bedeutung. Um das Messverfahren so objektiv wie möglich zu gestalten, erarbeitet die KRdL Richtlinien und Normen, die Qualitätsstandards und praktische Vorgaben zu den Messverfahren enthalten. Diese Richtlinien befinden sich in einer fortlaufenden Entwicklung. Dies ist auch notwendig, um auf Fortschritte in der Technik sowie auf wachsende Erkenntnisse über die Geruchswahrnehmung reagieren zu können, wie die erst jüngst in den Vordergrund getretene Diskussion um die Messunsicherheit der Olfaktometrie zeigt. Für ein valides Ergebnis von Messungen und dessen korrekter Interpretation bedarf es verschiedener Voraussetzungen. Messlabore müssen bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, um die Richtigkeit von Messergebnissen zu garantieren. Die Behörden können zur Sicherstellung dieser Anforderungen bestimmte Voraussetzungen an Messlabore stellen und entsprechend akkreditierte Stellen veröffentlichen, um jedem potentiellen Auftraggeber von Messungen die Möglichkeit der Auswahl einer solchen Stellen zu bieten. Bei der Auswertung und Interpretation von Messergebnissen muss berücksichtigt werden, welche Faktoren Einfluss auf die Ergebnisse nehmen, insbesondere, welche Messunsicherheiten mit den Messungen verbunden sind. Darüber hinaus bedarf es des berechnungstechnischen Ausgleichs bei der Darstellung und Interpretation der Messergebnisse und nicht zuletzt des korrekten Verständnisses für den Unterschied zwischen Reiz- (Geruchsstoffkonzentration) und Wirkgröße (Geruchsintensität) und dessen Beachtung auch im (verwaltungs-)juristischen Zusammenhang durch die zuständigen Behörden bei ihren Entscheidungen über Anforderungen an Anlagen.191 Die Festlegung von Grenzwerten für Emissionen und Immissionen muss stets einer Plausibilitätsprüfung dahingehend unterzogen werden, ob sich entsprechende Werte überhaupt messtechnisch nachweisen lassen. Verschiedene Richtlinien sind mittlerweile auch auf europäischer Ebene in der Entwicklung. Es ist daher davon auszugehen, dass es auch in Zukunft eine Fortentwicklung dieses Gebietes auf Gemeinschaftsebene geben wird. Von besonderer Bedeutung für die mögliche Weiterentwicklung der Kenntnisse über das sensorische Messverfahren ist stets die Anzahl der einzelnen Untersuchungen in konkreten Fällen und die Veröffentlichung entsprechender Ergebnisse. Diese erfolgt entweder über eine öffentliche Förderung im Rahmen von konkreten Forschungsvorhaben oder über die auf Eigeninitiative von Messlaboren oder Ingenieurbüros hin angestellten Untersuchungen. Es ist sinnvoll, auch letztere in 190 191

Vgl. Ohloff, Düfte, S. 180. Vgl. Schön / Hübner, Geruch, S. 115, 116.

IV. Zwischenergebnis

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die öffentliche Diskussion und Weiterentwicklung von Richtlinien mit einzubeziehen. Die Verbesserung der Qualität von Messungen und ihrer Auswertungen dient dabei sowohl dem Interesse von Anlagenbetreibern, die sich vor überobligatorischen und messtechnisch nicht nachweisbaren Anforderungen an den Betrieb ihrer Anlage schützen wollen als auch dem Interesse der Anwohner, die sich auf die Tragfähigkeit von Emissions- und Immissionsmessungen sowie von Ausbreitungsrechnungen im Anlagengenehmigungsverfahren verlassen können sollen.

D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung I. Völkerrecht 1. Geruch als Regelungsgegenstand des Völkerrechts? Emissionen luftverunreinigender Stoffe und ihre Auswirkungen sind nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussionen und (gerichtlicher) Auseinandersetzungen. Neben dem nationalen Recht beinhaltet auch das internationale Recht Regelungen zur Luftreinhaltung. In einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge haben sich die unterzeichnenden Staaten zur Einhaltung bestimmter Umweltschutzmaßnahmen im Bereich der Luftreinhaltung verpflichtet. Daneben gilt im Völkergewohnheitsrecht der Grundsatz, nach dem jedem Staat eine Rechtspflicht obliegt, dem Nachbarstaat nicht durch grenzüberschreitende Luftverschmutzung erheblichen Schaden zuzufügen bzw. nach dem es verboten ist, eine vom eigenen Staatsgebiet ausgehende Schädigung durch Luftverschmutzung zu dulden oder zuzulassen.1 Der naheliegende Grund für die Entstehung völkerrechtlicher Regelungen im Bereich der Luftreinhaltung ist, dass Luftschadstoffe an Landesgrenzen nicht Halt machen. Die in einem Staat emittierten Stoffe können Auswirkungen in einem be1 Vgl. Hach, Verminderung grenzüberschreitender Luftverschmutzung, S. 40; seine Anfänge fand dieser völkerrechtliche Grundsatz im Trail-Smelter Fall von 1938 / 1941 (abgedruckt in American Journal of International Law (AJIL) Bd. 69 (1975), S. 181 – 212). Dort wurde der Staat Kanada verurteilt, Schäden, die durch den Ausstoß von Schwefeldioxid aus einer kanadischen Blei- und Zinkhütte im US-amerikanischen Bundesstaat Washington entstanden waren, zu ersetzen. Später haben beispielsweise die International Law Association und die Expertengruppe der World Commission on Environment and Development die Verpflichtung der Staaten zur Vorsorge, Bekämpfung und Kontrolle von grenzüberschreitenden Luftverschmutzungen formuliert, vgl. Legal Aspects of the Conservation of the Environment, Resolution No. 2 1982, ILA Report 1982, vgl. Munroe / Lammers, Environmental Protection and Sustainable Development, S. 75. Dabei hat sich der Schwerpunkt der Pflicht von der Haftung für entstandene Schäden auf die Vorsorge vor deren Entstehung verlagert, vgl. Hach, Verminderung grenzüberschreitender Luftverschmutzung, S. 42. Teilweise wird das Verbot, den Nachbarn durch grenzüberschreitende Umweltverschmutzung erheblich zu schädigen, auch unmittelbar aus dem Prinzip der guten Nachbarschaft abgeleitet, das als Grundsatz im 5. Absatz der Präambel der Charta der Vereinten Nationen sowie ebendort in Art. 74 und in der Friendly-Relations-Resolution verankert ist (Declaration on Principles of International Law Concerning Friendly Relations and Co-Operation among States in Accordance with the Charter of the United Nations, G. A. Res. 2625, 25 GAOR, Supp. 28, U.N. Doc.A / 8028, S. 121 vom 24. 10. 1970, zweiter Absatz der Präambel), vgl. Verdross, Völkerrecht, S. 294.

I. Vo¨lkerrecht

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nachbarten Staat haben. Sie können sich auch auf die Beschaffenheit der Umwelt insgesamt auswirken. Dies kann sowohl die direkten Nachbarn als auch weiter entfernt liegende Staaten oder sogar das Klima der Erde betreffen. Die Luftreinhaltung hat sich aus diesem Grund zu einer der zentralen Aufgaben des sogenannten Umweltvölkerrechts entwickelt.2 Die globale Dimension vieler Umweltprobleme macht und die grenzüberschreitenden Umweltbelastungen durch Umweltnutzungen machen eine internationale Kooperation zwischen den verursachenden und betroffenen Staaten erforderlich. Hinzukommt, dass die Globalisierung der Wirtschaft und die damit einhergehende Liberalisierung des Welthandels mit nationalen und internationalen Umweltschutzregelungen kollidiert. All dies ist Grund für die Entwicklung von völkerrechtlichen Regelungen zum Umweltschutz3, da die vorgenannten Probleme nur auf der Basis des Völkerrechts gelöst werden können.4 Geruchsstoffemissionen wird man eine globale Dimension nicht beimessen können, zumindest nicht hinsichtlich der Wirkung „Geruch“. Geruchsemissionen haben Auswirkungen im näheren Umkreis ihres Emittenten und stellen daher eher ein regionales als ein globales Problem dar. Diejenigen Auswirkungen, die geruchsintensive flüchtige organische Verbindungen in weiterreichenden Dimensionen haben können, werden im Umweltvölkerrecht unter einem anderen Aspekt als dem des von ihnen hervorgerufenen Geruchs betrachtet.5 Denkbar ist jedoch, dass durch Industrieanlagen in Grenzgebieten Geruchsimmissionen in einem Nachbarstaat hervorgerufen werden. Ein Beispiel hierfür sind Geruchsbelästigungen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet im Erzgebirge.6 Geruchsstoffe können sogar vom europäischen Festland über den Ärmelkanal mit der Luft nach Großbritannien getragen werden und dort zu Geruchswirkungen führen.7 Zumindest hinsichtlich dieses Phänomens ist eine Bedeutung des Völkerrechts für die Bewertung von Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 55. Vgl. Buck / Verheyen, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 1 Rn. 2; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 56 f. 4 Das Völkerrecht regelt die Beziehungen zwischen den Völkerrechtssubjekten. Dies sind in erster Linie souveräne Staaten, vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 55. 5 Dazu sogleich (2. b) bb)). 6 Vgl. Protokoll der Verhandlung am 02. 05. 2001 zu Beschwerden über Geruchsbelästigungen im deutschen Grenzgebiet, Bestimmung des weiteren Vorgehens zur Lösung der Geruchsbelästigungen auf der deutschen Seite des Erzgebirges, abrufbar unter http: // www.ecmost.cz/ver_cz/ovzdusi/pachova_zatez/pachy_usti_2. 5. 01.htm; vgl. auch den Newsletter des Bundesumweltministeriums von Mitte Juli 2008, in dem es heißt, dass beide Seiten sich darüber einig sind, dass zur Verminderung von Geruchsbelästigungen, die im wesentlichen im Winter auftreten, Anlagenbetreiber verpflichtet werden, geruchsintensive Prozesse während stagnierender Wetterlagen nicht durchzuführen, abrufbar unter http: //www.bmu.de/ files/pdfs/allgemein/application/pdf/newsbmude0807_mitte.pdf; vgl. ferner Pressemitteilung des BMU Nr. 153 / 08 vom 03. 07. 2008, abrufbar unter http: //www.bmu.de/english/ current_press_releases/pm/41957.php. 7 Vgl. o.V., „Den Briten stinkt’s: Deutsche Wolke sorgt auf der Insel für Unmut“, Hamburger Abendblatt vom 21. 04. 2008. 2 3

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Geruch auf zwischenstaatlicher Ebene denkbar. Insofern stellt sich die Frage, ob das Umweltvölkerrecht Regelungen beinhaltet, die eine Grundlage für die Geruchsbewertung im supranationalen Bereich bilden könnten. Darüber hinaus ist zu erörtern, ob und wenn ja, welche Auswirkungen völkerrechtliche Regelungen auf das nationale Immissionsschutzrecht haben und ob sie die Grundlagen der Geruchsbewertung im nationalen Recht beeinflussen. Theoretisch ist ein solcher Einfluss durchaus denkbar. Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind nach Art. 25 Satz 1 GG Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen nach Art. 25 Satz 2 GG den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.8 Um allgemeine Regeln des Völkerrechts handelt es sich bei den Normen des Völkergewohnheitsrechts und bei anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen.9 Beispielsweise fällt der oben genannte Grundsatz darunter, nach dem kein Staat einem Nachbarstaat durch grenzüberschreitende Luftverschmutzung erheblichen Schaden zufügen soll. Völkerrechtliche Verträge können ebenfalls innerstaatliche Geltung erlangen. Das setzt allerdings voraus, dass vor ihrer Ratifizierung eine Beteiligung von Bundestag und Bundesrat in Form eines Vertragsgesetzes stattgefunden hat, vgl. Art. 59 Abs. 2 GG.10 2. Völkerrechtliche Verträge zur Luftreinhaltung Auslöser für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge im Bereich der Luftreinhaltung waren zumeist konkrete Auswirkungen auf die Umwelt, die die Erkenntnis für einen Handlungsbedarf nach sich zogen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die zunehmende Versauerung skandinavischer Böden und Binnengewässer seit Anfang der Fünfziger Jahre zu nennen, die durch den Ausstoß von Luftschadstoffen in Kontinentaleuropa hervorgerufen wurde. Sie führte staatenübergreifend zu der Überzeugung, dass rechtlicher Handlungsbedarf hinsichtlich der Bekämpfung der Luftverschmutzung in Form konkreter Vereinbarungen bestand.11 In den Blickpunkt geriet dabei zunächst der „Saure Regen“, später rückten die Entstehung des Ozonlochs und der sogenannte Treibhauseffekt in den Mittelpunkt der umweltbezogenen Diskussion auf Völkerrechtsebene.12 Für die wirksame Bekämpfung dieser Phänomene reichten die allgemeinen Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts nicht aus, so dass eine Vielzahl internationaler Abkommen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung geschlossen wurde. Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 91. BVerfG, Urt. v. 26. 03. 1957, Az.: 2 BvG 1 / 55, BVerfGE 6, S. 309, 363; BVerfG, Beschl. v. 09. 06. 1971, Az.: 2 BvR 255 / 69, BVerfGE 31, S. 145, 178; BVerfG, Beschl. v. 17. 12. 1975, Az.: 1 BvR 548 / 68, BVerfGE 41, S. 88, 120 f. 10 Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 92. 11 Vgl. Neumann, Durchsetzung internationaler Umweltschutzpflichten, S. 16. 12 Vgl. Neumann, Durchsetzung internationaler Umweltschutzpflichten, S. 13. 8 9

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Den Ausstoß luftverunreinigender Stoffe regeln zum Beispiel das Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen vom 13. 11. 1979 mit den auf seiner Grundlage erlassenen Protokollen, das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht vom 22. 03. 1985, das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen vom 16. 09. 1987, die UN-Klimarahmenkonvention vom 09. 05. 1992 und das Kyoto-Protokoll vom 11. 12. 1997. Alle vorgenannten Protokolle zielen darauf ab, die globalen Auswirkungen des Ausstoßes von Luftschadstoffen zu bekämpfen. Ohne auf diese Protokolle im Einzelnen eingehen zu müssen liegt es nahe, dass diese Regelungen daher weniger die regionalen Folgen von Luftschadstoffen wie beispielsweise Geruchsimmissionen als vielmehr deren globale Auswirkungen zum Gegenstand haben. Die Reduktion von Geruchsimmissionen kann sich somit zwar als eine Folge der Verminderung des Ausstoßes von geruchsintensiven flüchtigen Stoffen darstellen. Sie dürfte jedoch zumeist Nebenfolge und nicht Hauptziel der vorgenannten Übereinkommen sein. Soweit bekannt taucht der Begriff „Geruch“ lediglich im sogenannten VOCProtokoll13 auf, das im Jahre 1991 auf der Grundlage des Genfer Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen14 erlassen worden ist.

a) Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung Im Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung ist erstmals die Luftverschmutzung allgemein und übergreifend in einem europäischen Vertragswerk erfasst worden.15 Anlass für das Übereinkommen war das vermehrte Auftreten des Phänomens „Saurer Regen“ in Europa.16 13 Genfer Protokoll betreffend die Bekämpfung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses vom 18. 11. 1991, BGBl. 1994 II S. 2358 (VOC-Protokoll, von versatile organic compounds, d. h. flüchtige organische Stoffe). 14 BGBl. 1982 II S. 374. 15 Das Übereinkommen wurde am 13. 11. 1979 von den 34 Mitgliedern der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe (UNECE)) und von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichnet und trat am 16. 03. 1983 in Kraft, vgl. Hach, Verminderung grenzüberschreitender Luftverschmutzung, S. 16; vgl. auch die ausführlichen Informationen über das Übereinkommen auf der Internetseite der UNECE, http: //www.unece.org/env/lrtap/lrtap_h1.htm. 16 Die Ursache des sauren Niederschlags, der sowohl über die Trägermedien Regen, Tau, Nebel und Schnee als auch als direkter Stoffeintrag erfolgen kann, sind Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid, Sulfat, Stickoxide, (stratosphärisches) Ozon und verschiedene Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Nickel, die überwiegend als Abfall bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen. Sie steigen von Schornsteinen und Auspuffen in die Luft und insbesondere in höhere Luftschichten auf und verbinden sich dort unter Einwirkung von Sonnenlicht mit Wasser zu Säuren. Über den Niederschlag kehren sie dann zur Erde zurück,

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Das Übereinkommen legt zum einen allgemeine Prinzipien zur internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung fest und bildet zum anderen den Rahmen für umfassende wissenschaftliche Untersuchungen und den Erlass weiterer Regelungen. Grund für den Abschluss des Übereinkommens war unter anderem die Erkenntnis, dass die Luftverunreinigung, einschließlich der grenzüberschreitenden Luftverunreinigung, früher oder später schädliche Auswirkungen haben kann, vgl. Abs. 6 der Präambel. Ausweislich Art. 2 des Übereinkommens sind die Vertragsparteien entschlossen, den Menschen und seine Umwelt gegen Luftverunreinigungen zu schützen. Als Ziel formuliert das Übereinkommen in der deutschen Übersetzung das Bemühen der Vertragsparteien, die Luftverunreinigung einschließlich der weiträumigen grenzüberschreitenden Luftverunreinigung einzudämmen und soweit wie möglich schrittweise zu verringern und zu verhindern.17 Das Übereinkommen definiert in Art. 1 lit. a. die „Luftverunreinigung“ als „die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Luft, aus der sich abträgliche Wirkungen wie eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine Schädigung der lebenden Schätze und Ökosysteme sowie von Sachwerten und eine Beeinträchtigung der Annehmlichkeiten der Umwelt oder sonstiger rechtmäßiger Nutzungen der Umwelt ergeben“.18 Die weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung wird in Art. 1 lit. b. des Übereinkommens definiert als Luftverunreinigung, „deren physischer Ursprung sich ganz oder teilweise im Hoheitsbereich eines Staates befindet und die schädliche Auswirkungen im Hoheitsbereich eines anderen Staates in einer Entfernung hat, bei der es in der Regel nicht möglich ist, die Beiträge einzelner Emissionsquellen oder Gruppen von Quellen gegeneinander abzugrenzen“.19 vgl. Neumann, Durchsetzung internationaler Umweltschutzpflichten, S. 13. Als „sauer“ wird der Regen bezeichnet, da durch die entstandenen Säuren der pH-Wert des Niederschlagwassers sinkt; ausgehend vom neutralen Wert 7 kann er in Extremfällen auf 1,4 sinken, wie es beispielsweise in der Stadt Wheeling im US-amerikanischen Bundesstaat West Virginia geschah, vgl. Webber, in: Yanarella / Ihara (Hrsg.), Acid Rain Debate, S. 219, 221. 17 In der englischen Version lautet diese Passage „The Contracting Parties . . . shall endeavour to limit . . . air pollution“ und in der französischen Version „Les Parties contractantes . . . s’efforceront de limiter . . . la pollution atmosphérique“, vgl. BGBl. 1982 II S. 374, 376. Die Verwendung des deutschen Begriffs „bemühen sich“ ist somit gelungen und stellt keine Abschwächung der Zielformulierung der Originalversionen dar. 18 Diese Definition ist von der Industrieanlagen-Richtlinie übernommen worden, vgl. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. 06. 1984 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen (84 / 360 / EWG), ABl. EG Nr. L 188, S. 20, 21 vom 16. 07. 1984. In etwas abgewandelter Form erscheint diese Definition auch in Art. 2 Nr. 2 der IVU-RL, dazu u. D. II. 5. 19 Das Genfer Übereinkommen stellt also bei der weiträumigen Luftverunreinigung darauf ab, dass sie einem Emittenten nicht zuzuordnen ist. Bei der Formulierung sah man nicht voraus, dass es einige Jahre später möglich sein würde, den Schadstoffeintrag auch über weitere Entfernungen mengenmäßig zunehmend genau berechenbar einem Herkunftsstaat zuzurechnen. Diese Möglichkeit hätte für die Zurechnung der Emission ausgereicht. An der For-

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Unter welchen Voraussetzungen sich „schädliche Auswirkungen“, „eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit“ oder „Beeinträchtigungen der Annehmlichkeiten der Umwelt oder sonstiger rechtmäßiger Nutzungen der Umwelt“ ergeben, regelt das Übereinkommen nicht. Es verpflichtet die Parteien lediglich, die beste verfügbare und wirtschaftlich vertretbare Technologie einzusetzen, um die Belastung der Luft mit Schadstoffen zu verringern (Art. 2 i.V. d. Art. 6 des Übereinkommens). Schwerpunkt des Übereinkommens ist daher die Vermeidung oder Verminderung des Ausstoßes von Schadstoffen. Einzelheiten zu bestimmten Luftschadstoffen regelt das Übereinkommen nicht. Sie sind Gegenstand der auf der Grundlage des Übereinkommens erlassenen Protokolle. b) Auf der Grundlage des Genfer Übereinkommens erlassene Protokolle aa) Regelungsgegenstand der Protokolle Das Genfer Übereinkommen ist seit seiner Unterzeichnung um acht Protokolle erweitert worden.20 Die Protokolle geben teilweise emissions- oder immissionsbezogene Pflichten vor, zu deren Einhaltung bzw. Erreichen sich die unterzeichnenden Staaten verpflichten. Zum Teil enthalten die Protokolle auch Obergrenzen bzw. Reduzierungspflichten für bestimmte Stoffe (z. B. das Erste Schwefelprotokoll und das VOC-Protokoll betreffend flüchtige organische Verbindungen) oder aber die Pflicht zur kompletten Vermeidung der Entstehung bestimmter Stoffe (z. B. das POP-Protokoll betreffend persistente organische Schadstoffe).21 Beispielsweise müssen nach dem VOC-Protokoll die Parteien den Ausstoß der dort geregelten Schadstoffe ausgehend von dem Wert eines bestimmten Bezugsjahres mulierung ist insoweit Kritik geübt worden, vgl. Hach, Verminderung grenzüberschreitender Luftverschmutzung, S. 19. 20 Protokoll betreffend die langfristige Finanzierung des Programms über die Zusammenarbeit der Messung und Bewertung der weiträumigen Übertragung von luftverunreinigenden Stoffen in Europa (EMEP) vom 28. 09. 1984, BGBl. 1988 II S. 421; Helsinki-Protokoll betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 Prozent vom 08. 07. 1985 (Erstes SO2-Protokoll), BGBl. 1986 II S. 1116; Sofia-Protokoll betreffend die Bekämpfung von Emissionen von Stickstoffoxiden oder ihres grenzüberschreitenden Flusses vom 31. 10. 1988, BGBl. 1990 II S. 1278 (NOX-Protokoll); Genfer Protokoll betreffend die Bekämpfung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses vom 18. 11. 1991, BGBl. 1994 II S. 2358 (VOC-Protokoll, von versatile organic compounds, d. h. flüchtige organische Stoffe); OsloProtokoll betreffend die weitere Reduktion von Schwefelemissionen vom 14. 06. 1994, BGBl. 1998 II S. 131 (Zweites SO2-Protokoll); Aarhus-Protokoll zum Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische luftverunreinigende Stoffe (POPs) vom 24. 06. 1998, BGBl. 2002 II S. 803, 839 (POP bedeutet persistant organic pollutants, d. h. persistente organische Schadstoffe); Aarhus-Protokoll zu Schwermetallen (Protokoll zum Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung über Schwermetalle vom 24. 06. 1998); Göteborg-Protokoll zur Bekämpfung der Versauerung, der Eutrophierung und des bodennahen Ozons vom 30. 11. 1999. 21 Vgl. Neumann, Die Durchsetzung internationaler Umweltschutzpflichten, S. 18 f.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

innerhalb einer bestimmten Frist um 30% senken.22 Das Aarhus-Protokoll betreffend persistente organische Schadstoffe hingegen sieht für die Parteien die Verpflichtung vor, die Produktion und den Verbrauch bestimmter im Anhang I zum POP-Protokoll genannter Schadstoffe einzustellen.23 bb) Geruch als Regelungsgegenstand eines Protokolls? Die auf der Grundlage des Genfer Übereinkommens erlassenen Protokolle verdeutlichen, dass die Verminderung des Ausstoßes von bestimmten Luftschadstoffen, wie Schwefeldioxid und Stickstoffoxiden sowie von organischen Stoffen einen wesentlichen Aspekt im völkerrechtlichen Luftreinhalterecht darstellt. Wie im Kapitel B. dargestellt worden ist, sind Hauptauslöser von Geruch flüchtige organische Stoffe. Es ist also denkbar, dass das Ziel der Verminderung des Ausstoßes organischer Stoffe unter anderem auch die Verminderung von Geruchsimmissionen ist. Die eingehende Betrachtung der Protokolle zu VOCs und POPs zeigt jedoch, dass sie andere als die Geruchswirkungen von organischen Stoffen in den Blick nehmen. Der Begriff „Geruch“ oder „geruchsintensiv“ wird ausschließlich im VOCProtokoll verwendet. In die Luft frei gesetzte flüchtige organische Verbindungen tragen zur Ozonbildung in der Troposphäre bei (Ozon in der unteren Schicht der Atmosphäre). In großen Mengen kann dieses Ozon sehr schädliche Auswirkungen auf Mensch, Vegetation, Wälder und Kulturpflanzen haben. Bei besonders sensiblen Personen kann es zu Reizungen von Hals und Augen sowie zu Atemproblemen führen. Troposphärisches Ozon ist zudem ein Treibhausgas.24 Das VOC-Protokoll dient der Begrenzung und Verringerung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, zu der sich die Parteien gemäß Art. 2 Abs. 1 des Protokolls verpflichten. Die Begrenzung und Verringerung der Emissionen dient nach Art. 2 Abs. 1 der Verringerung des grenzüberschreitenden Flusses flüchtiger organischer Verbindungen und der Verringerung des Flusses der daraus entstehenden sekundären photochemischen Oxidation mit dem Ziel, die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen zu schützen. Auf welche Weise dieses Ziel im Einzelnen erreicht werden soll, regelt Art. 2 Abs. 2 bis 7 VOC-Protokoll. Als Hauptemittenten von flüchtigen organischen Verbindungen nennt Anhang II des VOC-Protokolls den Einsatz von Lösungsmitteln, die Erdölindustrie einschließlich dem Umschlag von Erdölprodukten, die organische chemische Industrie, Kleinfeuerungsanlagen, die Nahrungsmittelindustrie, die Eisen- und Stahlindustrie, die Handhabung und Behandlung von Abfall sowie Vgl. Neumann, Die Durchsetzung internationaler Umweltschutzpflichten, S. 18. Art. 3 I lit. a) POP-Protokoll i. V. m. Anhang I. 24 Vgl. Europäische Union, Flüchtige organische Verbindungen (VOC), die bei bestimmten industriellen Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen entstehen, http: //europa.eu/ scadplus/leg/de/lvb/l28029b.htm. 22 23

I. Vo¨lkerrecht

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die Landwirtschaft. Einige dieser Industrien emittieren in hohem Maße geruchsintensive Stoffe.25 Auf Geruch wird im VOC-Protokoll und seinen Anhängen zweimal hingewiesen. Zum einen wird im Zusammenhang mit den von der Nahrungsmittelproduktion ausgehenden flüchtigen organischen Verbindungen erwähnt, dass diese gewöhnlich „Geruchsemissionen“ sind.26 Die deutsche Übersetzung ist in diesem Punkt allerdings wenig gelungen. In der englischen Version des Protokolls lautet der Text: „VOC emissions are typically odorous . . .“, was gelungener im Deutschen übersetzt würde mit: „Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen sind gewöhnlich / typischerweise geruchsintensiv. . .“. Zum anderen wird der Begriff „Geruch“ im Zusammenhang mit der Frage verwendet, welche Techniken zur Verfügung stehen, um flüchtige organische Verbindungen aus der Abluft zu filtern.27 Die Technik der Luftreinigung durch Biofilter wird dort als gering effizient sowohl bei niedrigeren Konzentrationen organischer Verbindungen im Luftstrom als auch bei höheren Konzentrationen zur Bekämpfung von VOC-Emissionen bewertet. Die Wirkung „Geruch“, die von flüchtigen organischen Verbindungen hervorgerufen wird, ist demnach von den Verfassern des VOC-Protokolls erkannt worden. Das Problem der Geruchswirkung steht jedoch nicht im Fokus des Protokolls. Regelungsgegenstand sind vielmehr die weiträumigen Schäden, die flüchtige organische Verbindungen auf die Atmosphäre haben können, insbesondere die Bildung von Ozon, vgl. Abs. 5 der Präambel zum VOC-Protokoll. Die Verminderung von Geruchsimmissionen im Umfeld einer Anlage mag ein Ergebnis der vom Protokoll vorgeschriebenen Reduktion des Ausstoßes von flüchtigen organischen Verbindungen sein. Ausdrücklich genanntes Ziel des Protokolls ist sie jedoch nicht. Zudem beinhaltet das Protokoll keine Vorgaben zu der Frage, unter welchen Bedingungen flüchtige organische Verbindungen schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Schließlich gibt das Protokoll keine Vorgaben zur Bewertung von Geruch vor.

3. Zwischenergebnis Die zur Luftreinhaltung vorhandenen völkerrechtlichen Verträge und Protokolle haben den Schutz der Umwelt vor Luftverunreinigungen und insbesondere vor weiträumigen grenzübergreifenden Luftverunreinigungen zum Ziel, um der globalen Dimension von Umweltverschmutzungen zu begegnen. Zwar sind Luftschadstoffe, die Gegenstand völkerrechtlicher Luftreinhalteregelungen sind, teilweise auch geruchsintensiv. Insbesondere flüchtige organische Verbindungen können Geruchs25 26 27

Vgl. dazu oben B. I. 3. Anhang II IV. E. Abs. 52. Anhang II, Tabelle 1.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

einwirkungen hervorrufen. So wird der Begriff „Geruch“ auch in dem auf der Grundlage des Genfer Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen entstandenen VOC-Protokoll genannt. Zielrichtung des Genfer Übereinkommens sowie der auf seiner Grundlage entstandenen Protokolle ist es aber in erster Linie, die Verminderung oder Vermeidung des Ausstoßes von Luftschadstoffen zu erreichen, die zu konkreten Schäden an der Umwelt wie Ozonbildung, Klimaerwärmung, Eutrophierung der Böden und Vesauerung des Wassers führen. Ein regionales Problem, wie die Geruchsimmissionen im Umfeld eines Geruchsstoffemittenten, gehört nicht dazu. Darüber hinaus geben die vorgenannten Regelungen eine Schädlichkeitsgrenze im Einzelnen oder Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen Luftverunreinigungen den Menschen nachteilig beeinträchtigen können, nicht vor. Aus den internationalen Abkommen über die Luftreinhaltung ergeben sich daher keine weitergehenden Anhaltspunkte für die Geruchsbewertung im nationalen Recht. Gegebenenfalls kann ihnen eine Bedeutung bei grenzüberschreitenden Geruchsimmissionen eines Emittenten im grenznahen Gebiet beigemessen werden.

II. Gemeinschaftsrecht 1. Geruch als gemeinschaftsrechtlicher Regelungsgegenstand? Die nachteiligen Auswirkungen von Geruchsimmissionen auf die Umwelt sind als umweltrelevantes Problem auf Gemeinschaftsebene erkannt worden. Dies beweist zum Beispiel die Europäische Norm EN 13725:2003.28 Ziel dieser Norm ist die Schaffung einer gemeinsamen Grundlage zur Bewertung von Geruchsstoffemissionen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.29 Als übergeordnetes Hauptziel wird zudem die Verringerung von Geruchsbelästigungen genannt.30 Die Darstellung der Beziehungen zwischen Emission, Ausbreitung, Exposition und Belästigung und mithin auch die Bewertung von Geruch sind jedoch vom Anwendungsbereich der EN 13725:2003 ausdrücklich ausgenommen.31 Dies wird in der Norm mit dem komplexen Zusammenhang zwischen den vorgenannten Komponenten begründet. Die EN 13725:2003 stellt somit keine umfassende oder gar abschließende Regelung zum Umgang mit und zur Bewertung von Geruchsemissionen und -immissionen auf Gemeinschaftsebene dar. Sie bildet lediglich einen Teil eines (denkbaren) gemeinschaftsrechtlichen Gesamtregelungswerks zur Thematik. Unabhängig davon ist zu beachten, dass es sich bei der EN 13725:2003 auch nicht um eine Rechtsnorm, sondern um ein technisches Regelwerk handelt. Die in der EN 13725:2003 enthaltenen Vorgaben finden in das nationale Bewer28 29 30 31

Vgl. oben C. II. 2. DIN EN 13725, S. 4; Slameczka, connex 2003, S. 4. DIN EN 13725, S. 4. Vgl. DIN EN 13725, S. 4 sowie die Ausführungen oben unter C. II. 2. a).

II. Gemeinschaftsrecht

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tungsverfahren lediglich über den Verweis in anderen untergesetzlichen Regelungen Eingang (in Deutschland über den Verweis in der TA Luft (Anhang 6, Tabelle 21) und in der Geruchsimmissions-Richtlinie (z. B. Nr. 4.1 und Nr. 4.5 GIRL)). Es stellt sich daher die Frage, ob Geruchsemissionen und -immissionen und ihre Auswirkungen auf die Umwelt darüber hinaus Gegenstand gemeinschaftsrechtlicher Regelungen sind und ob und wenn ja, in welcher Weise entsprechende Regelungen die Gesetzgebung und Gesetzesanwendung im nationalen Immissionsschutzrecht beeinflussen. Die zahlreichen Regelungen, die auf Gemeinschaftsebene zum Umweltschutz und – seit Anfang der Siebziger Jahre – insbesondere auch zur Luftreinhaltung entstanden sind, verdeutlichen das europaweite Interesse an einer sauberen Umwelt und an der Luftreinhaltung.32 Auch wenn das Gemeinschaftsziel „Umweltschutz“ zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Regelungen noch nicht ausdrücklich in den primären Rechtsgrundlagen der Gemeinschaft enthalten war, so ist der Schutz der Umwelt und damit auch die Erhaltung oder Wiederherstellung einer reinen Luft seit langem Ziel der Europäischen Gemeinschaft. Wortwörtlich hat das Gemeinschaftsziel „Umweltschutz“ jedoch erst knapp drei Jahrzehnte nach Abschluss des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft33 Einzug in die primärrechtlichen Rechtsgrundlagen der Gemeinschaft gehalten.34 Die primären und sekundären gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hatten und haben erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des nationalen Umweltrechts und damit auch auf das Immissionsschutzrecht. Die geltenden Grundlagen des Gemeinschaftsziels „Umweltschutz“ und die Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Luftreinhalterechts und des damit in engem Zusammenhang stehenden Anlagengenehmigungsrechts werden daher im Folgenden kurz dargestellt.

32 Vgl. nur die ausführliche Darstellung bei Kraft, Internationales Luftreinhalterecht, S. 50 ff. 33 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 03. 1957 (BGBl. II Nr. 23 v. 19. 08. 1957; Berichtigung BGBl. II Nr. 35 v. 05. 11. 1957 S. 1678 und Nr. 3 v. 05. 02. 1958, S. 64), in der Fassung des Vertrags von Nizza (ABl. EG Nr. C 80 v. 10. 03. 2001, S. 1); in der konsolidierten Fassung mit den Änderungen aufgrund des am 16. 04. 2003 unterzeichneten Vertrags von Athen veröffentlicht in ABl. EG Nr. C 321 v. 29. 12. 2006, S. 37. 34 Eine ausdrückliche Zielsetzung „Umweltschutz“ sowie spezifische Regelungen zur Zielumschreibung und Kompetenzbegründung waren nicht von Anfang an in den Gründungsverträgen enthalten. Die ersten umweltrelevanten Rechtsakte wurden im Wesentlichen auf die Harmonisierungskompetenz des Gemeinsamen Marktes in Art. 100 EWGV sowie auf die Regelung des Art. 235 EWGV gestützt, vgl. Caspar, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 2 Rn. 56. Erstmals durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) vom 28. 02. 1986 wurden tragfähige Ermächtigungen für spezifisch umweltpolitische Aktivitäten der Gemeinschaft unter dem Titel „Umwelt“ (Art. 130r bis 130t EWGV) in den EWGV eingefügt, vgl. Kloepfer, NVwZ 2002, 645, 646.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

2. Die Verankerung des Umweltschutzes im EG a) Allgemeine Zielvorgaben Der Umweltschutz ist Ziel der Europäischen Gemeinschaft.35 Dieses Ziel findet – neben der ausdrücklichen Erwähnung in der Präambel36 zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Union37 (im Folgenden: EUV38) – insbesondere in verschiedenen Regelungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) seinen Niederschlag.39 Der Umweltschutz als wesentliche Aufgabe der Gemeinschaft ist in Art. 3 Abs. 1 lit. l EG normiert. Dabei wirkt die Gemeinschaft gemäß Art. 3 Abs. 2 darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen. Art. 2 EG legt – neben den dort sonst normierten Aufgaben – als Aufgabe der Gemeinschaft fest, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Art. 3 und 4 EG genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität zu fördern.40 Darüber hinaus verlangt Art. 6 EG eine Berücksichtigung der Erfordernisse des Umweltschutzes bei Festlegung und Durchführung aller gemeinschaftlichen Politiken und Maßnahmen.41

35 Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 105; Schröder, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, Bd. I, § 9 Rn. 1; EuGH, Urt. v. 07. 02. 1985, Rs. 240 / 83 (ADBHU) – E 1985, 531, 549, Rn. 13. 36 Dort im 8. Erwägungsgrund; diese Ergänzung fand der EUV durch den Vertrag von Amsterdam vom 02. 10. 1997, BGBl. 1999 II 296, der am 01. 05. 1999 in Kraft trat. 37 Vertrag über die Europäische Union unterzeichnet zu Maastricht am 07. 02. 1992 (ABl. EG Nr. C 191 v. 29. 07. 1992, S. 1); in der Fassung des Vertrags von Nizza (ABl. EG Nr. C 80 v. 10. 03. 2001, S. 1); in der konsolidierten Fassung mit den Änderungen aufgrund des am 16. 04. 2003 unterzeichneten Vertrags von Athen veröffentlicht in ABl. EG Nr. C 321 v. 29. 12. 2006, S. 1. 38 Die Abkürzungen folgen der von Creifelds, Rechtswörterbuch, aufgestellten Abkürzungstabelle. Lediglich hinsichtlich des EGV wird differenziert zwischen EGV (aF) und EG (nF). 39 Ausgehend von der Änderung des EWGV durch die EEA fand der Vertrag hinsichtlich der umweltrechtlichen Regelungen weitere wesentliche Änderungen durch den Vertrag von Maastricht (Vertrag von Maastricht vom 07. 02. 1992 über die Europäische Union, Gesetz v. 28. 12. 1992, BGBl. II 1251, sowie Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. 12. 1992) und anschließend durch den Vertrag von Amsterdam (Vertrag von Amsterdam vom 02. 10. 1997, BGBl. 1999 II 296). Der Umweltschutz wurde ausdrücklich in den Katalog der Gemeinschaftspolitiken aufgenommen, und zwar in Art. 3 lit. k) EGV als „gemeinschaftliche Umweltpolitik“ und in Art. 2 EGV mit dem Begriff des „umweltverträglichen Wachstums“, vgl. Caspar, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 2 Rn. 9. Die so genannte Querschnittsklausel wurde durch den Vertrag von Amsterdam aus Art. 130r Abs. 2 Satz 3 EGV in Art. 6 EG in den ersten Teil des Vertrags vorgezogen, vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 100. 40 Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 105. 41 Vgl. Kloepfer, NVwZ 2002, 645, 646; Caspar, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 2 Rn. 9.

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b) Besondere Ziele und Kompetenzgrundlagen Art. 174 bis 176 EG42 schaffen über die im ersten Teil normierten allgemeinen Grundsätze hinaus konkrete Zielrichtungen sowie Kompetenzen für die Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes. In Art. 174 EG wird das gemeinschaftsrechtliche Umweltschutzprinzip konkretisiert.43 Als Einzelziele gibt Art. 174 Abs. 1 EG die Erhaltung und den Schutz der Umwelt sowie die Verbesserung ihrer Qualität (Spstr. 1), den Schutz der menschlichen Gesundheit (Spstr. 2), das Gebot der Ressourcenschonung (Spstr. 3) sowie die Förderung von Maßnahmen zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme (Spstr. 4) vor. Für die Zielerreichung hält Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG verschiedene Handlungsprinzipien bereit.44 Dazu gehört das Prinzip der Vorsorge und Vorbeugung, aus dem sich die Pflicht einer möglichst weit vorausschauenden und planenden Umweltvorsorge ergibt, um Umweltschäden erst gar nicht entstehen zu lassen; dazu gehört auch das Ursprungsprinzip, nach dem Umweltbeeinträchtigungen vorrangig an ihrer Quelle bekämpft werden sollen; schließlich gehört das Verursacherprinzip dazu, nach dem derjenige, der Umweltbelastungen verursacht, auch die Kosten zu ihrer Vermeidung, Verminderung oder teilweisen Beseitigung zu tragen hat.45 Bei alledem ist gemäß Art. 95 Abs. 3 EG und Art. 174 Abs. 2 Satz 1 EG unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft ein hohes Schutzniveau anzustreben.46 Art. 130r bis 130t EGV. Vgl. Caspar, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 2 Rn. 13. 44 Vgl. Caspar, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 2 Rn. 38 f. 45 Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 109. 46 Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 107; zum Streit über den daraus möglicherweise resultierenden Vorrang des Umweltschutzes vor den anderen Zielen der Gemeinschaft vgl. etwa Scheuing, EuR 1989, 152, 177 (für einen Vorrang des Umweltschutzes vor anderen Gemeinschaftszielen im Konfliktfall); Zuleeg, NJW 1993, 31, 35 (spricht sich gegen einen unumschränkten Vorrang des Umweltschutzes im Gemeinschaftsrecht aus); Kahl, in: Streinz (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 174 EGV Rn. 28 ff. (für einen relativen Vorrang des Umweltschutzes im Sinne einer Gewichtungs- bzw. Präferenzregel). Der EuGH hat sich in verschiedenen Urteilen unterschiedlich zum Rang des Umweltschutzes ausgesprochen. Zumeist hat er dieses Ziel neben den anderen Zielen der Gemeinschaft je nach dem Grad ihrer individuellen Betroffenheit mit unterschiedlichem Gewicht in die Abwägung eingebracht, so beispielsweise im Leybucht-Urteil, EuGH, Urt. v. 28. 02. 1991, Az.: C-57 / 89, Slg. I-1991, S. 883, oder in seiner Entscheidung über die Zulässigkeit der in die Warenverkehrsfreiheit eingreifenden dänischen Pfandflaschenregelung, EuGH, Urt. v. 20. 09. 1988, Az.: 302 / 86, Slg. 1988, S. 4607. Der Auffassung des EuGH folgen Schröder, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, Bd. I, § 9 Rn. 64; Frenz, Umweltrecht, Rn. 169 f.; Caspar, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 2 Rn. 16 f.; zurückhaltend äußert sich auch Calliess, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 174 EGV, Rn. 19; vgl. darüber hinaus zu diesem Problem Schröder, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. I, § 9 Rn. 62 ff.; Zuleeg, NVwZ 1987, 280, 283; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 161 ff., 314, Epiney, Umweltrecht in der EU, 1. Aufl., S. 118 f.; Nettesheim, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Bd. III, Art. 174 EGV, Rn. 57; vgl. dazu auch Wiegand, DVBl. 1993, 533, 535. 42 43

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Art. 174 Abs. 3 EG sieht vor, dass die Gemeinschaft bei der Erarbeitung ihrer Umweltpolitik die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten, die Umweltbedingungen in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft, die Vorteile und die Belastung aufgrund des Tätigwerdens bzw. Nichttätigwerdens sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gemeinschaft insgesamt und die ausgewogene Entwicklung ihrer Regionen berücksichtigt. Um diese allgemein formulierten Zielsetzungen zu verwirklichen, bedarf es ihrer Umsetzung in konkrete Regelungen. Ausdrückliche Kompetenzgrundlage hierfür ist Art. 175 EG, auf dessen Grundlage sekundärrechtliche Umweltschutzregelungen erlassen werden können. Durch Art. 175 Abs. 1 EG wird die Gemeinschaft ermächtigt, zur Erreichung der in Art. 174 EG genannten Ziele im Verfahren der Mitentscheidung von Rat und Europäischem Parlament gemäß Art. 251 EG und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen tätig zu werden.47 Neben Art. 175 EG stellt Art. 95 EG eine mittelbar umweltpolitische Kompetenzgrundlage dar. Danach kann der Rat ebenfalls mit qualifizierter Mehrheit zur Angleichung von Rechtsvorschriften, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben, im Verfahren der Mitentscheidung zwischen Rat und Europäischem Parlament gemäß Art. 251 EG tätig werden.48 Schließlich eröffnet Art. 176 EG den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, über die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen hinaus verstärkte Schutzmaßnahmen zu behalten oder zu ergreifen, sofern diese mit den Regelungen des Vertrags vereinbar sind. 3. Umsetzung des Gemeinschaftsziels „Umweltschutz“ Die Umweltpolitik der Gemeinschaft beschränkte sich zunächst darauf, medienspezifische, sektorale Maßnahmen zu ergreifen, die jeweils dem Schutz einzelner Umweltmedien dienten (z. B. der Luft). Es wurden Richtlinien entwickelt, die quellenunabhängig Grenzwerte für einzelne Luftschadstoffe in der Luft festlegten, wie zum Beispiel Schwefeldioxid49 oder Blei50. Später kam als allgemeine Rahmenanforderung an die Luftreinhaltung die Luftqualitätsrahmenrichtlinie 51 mit ihVgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 133. Vgl. Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 135. 49 Richtlinie über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub (80 / 779 / EWG), ABl. EG 1980, Nr. L 229, S. 30. 50 Richtlinie betreffend einen Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft (82 / 884 / EWG) vom 03. 12. 1982, ABl. EG 1982 Nr. L 378, S. 15, geändert durch Richtlinie des Rates vom 23. 12. 1991 zur Vereinheitlichung und zweckmäßigen Gestaltung der Berichte über die Durchführung bestimmter Umweltschutzrichtlinien (91 / 692 / EWG), ABl. EG 1991 Nr. L 377, S. 48 sowie durch den Beschluss des Rates vom 01. 01. 1995 ABl. EG 1995 Nr. K 1, S. 123. 51 Rahmenrichtlinie über die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität vom 27. 09. 1996 (96 / 62 / EG), ABl. EG Nr. L 296, S. 55; zur Fortentwicklung des europäischen Luftreinhalterechts vgl. Scheidler, NuR 2006, 354. 47 48

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ren vier Tochterrichtlinien52 hinzu, die ebenfalls Grenz- und Alarmwerte für den Gehalt einzelner Schadstoffe in der Luft festlegen.53 Mit der Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa54 sind im Juni 2008 die Luftqualitätsrahmenrichtlinie und ihre Tochterrichtlinien mit Ausnahme der aus dem Jahre 2004 abgelöst worden. Auch anlagenbezogene Richtlinien wurden erlassen, die emissionsseitig Grenzwerte vorsehen, um den Ausstoß von Schadstoffen in die Luft zu vermeiden oder zu vermindern. Dazu gehören die Industrieanlagen-Richtlinie 55, die Richtlinie betreffend alte56 und neue57 Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll und die Großfeuerungsanlagen-Richtlinie 58. Zunehmend gewann jedoch das Konzept der medienübergreifenden Betrachtung der Umwelt und des integrierten Umweltschutzes an Bedeutung.59 Die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten60 (UVP-Richtlinie) wurde erlassen, die nicht allein die Luft sondern die Umwelt als Ganzes betrachtet. Sie ist später durch die UVP-Änderungsrichtlinie61 noch modifiziert und ergänzt worden. 52 Die auf der Grundlage der Luftqualitätsrahmenrichtlinie ergangenen Richtlinien für bestimmte Schadstoffe sind: Richtlinie 1999 / 30 / EG des Rates vom 22. 04. 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffoxide sowie Partikel und Blei in der Luft, ABl. EG Nr. L 163, S. 41; Richtlinie 2000 / 69 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 11. 2000 über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft, ABl. EG Nr. L 313, S. 12; Richtlinie 2002 / 3 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 02. 2002 über den Ozongehalt in der Luft, ABl. EG 2002 Nr. L 67, S. 14; Richtlinie 2004 / 107 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 12. 2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft, ABl. EG 2005 Nr. L 23, S. 3. 53 Zur Fortentwicklung des europäischen Luftreinhalterechts und Reform der Luftqualitätsrahmenrichtlinie vgl. Scheidler, NuR 2006, 354. 54 Richtlinie 2008 / 50 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 05. 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, ABl. EU Nr. L 152, S. 1 v. 11. 06. 2008. 55 Richtlinie 84 / 360 / EWG des Rates vom 28. 06. 1984 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen, ABl. EG 1984 Nr. L 188, S. 20, zuletzt geändert durch Richtlinie 91 / 692 / EWG des Rates vom 23. 12. 1991, ABl. EG 1991 Nr. L 377, S. 48. 56 Richtlinie 89 / 429 / EWG des Rates vom 21. 06. 1989 über die Verhütung bzw. Verringerung der Luftverunreinigung durch bestehende Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABl. EG 1989 Nr. L 203, S. 50. 57 Richtlinie 89 / 369 / EWG des Rates vom 08. 06. 1989 über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABl. EG 1989 Nr. L 163, S. 32. 58 Richtlinie 88 / 609 / EWG des Rates vom 24. 11. 1988 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen, ABl. EG 1988 Nr. L 336, S. 1. 59 Zum Begriff des integrierten Umweltschutzes vgl. Schröder, NuR 2000, 481, 484; Kracht / Wasielewski, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, § 35 Rn. 1, 11 f. 60 Richtlinie 85 / 337 / EWG des Rates vom 27. 06. 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EG 1985 Nr. L 175, S. 40. 61 Richtlinie 97 / 11 / EG des Rates vom 03. 03. 1997 zur Änderung der Richtlinie 85 / 337 / EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EG Nr. L 73, S. 5.

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Die UVP-Richtlinie war die erste Richtlinie auf Gemeinschaftsebene, die das Konzept des medienübergreifenden Umweltschutzes in den Vordergrund stellte.62 Sie hat das verfahrensrechtliche Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingeführt. Die UVP dient dem Zweck, die von bestimmten Projekten hervorgerufenen Auswirkungen auf die Umwelt vor deren Zulassung bewerten und berücksichtigen zu können. Dabei sind nicht nur die Auswirkungen auf die einzelnen Schutzgüter Mensch, Fauna und Flora sowie Boden, Wasser, Klima und Landschaft zu berücksichtigen, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen den vorgenannten Komponenten, Art. 3 Spstr. 3 UVP-RL. Das Konzept des integrierten Umweltschutzes wurde mit Erlass der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung63 (IVU-Richtlinie) noch ausgebaut.64 Die IVU-Richtlinie ist bereits auf der Grundlage des besonderen Titels „Umweltschutz“ des Art. 130s EGV (jetzt: Art. 175 EG) erlassen worden. Diese Richtlinie gilt – im Unterschied zur UVP-Richtlinie – ausschließlich für den Betrieb von Anlagen und stellt sowohl verfahrensrechtliche als auch materiellrechtliche Anforderungen an das Genehmigungsverfahren und den Betrieb von Anlagen auf. Sie verdeutlicht ebenfalls die Verlagerung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik von einem umweltmedienspezifischen Ansatz hin zu einem medienübergreifenden Ansatz.65 Eine besondere gemeinschaftsrechtliche Regelung speziell und ausschließlich zur Bewertung von Geruch ist bisher noch nicht erlassen worden. Eine Einflussnahme des Gemeinschaftsrechts auf die Geruchsbewertung im nationalen Immissionsschutzrecht ist daher lediglich über die bisher erlassenen oben genannten Richtlinien denkbar, soweit diese auch die Bewertung von Geruch zum Gegenstand haben. Das BImSchG als wichtigste Grundlage der Geruchsbewertung im öffentlichrechtlichen Immissionsschutz66, und die auf seiner Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind von einer Vielzahl gemeinschaftsrechtlicher Regelungen beeinflusst worden. Eine Änderung der für die GeruchsVgl. Schröder, NuR 2000, 481, 483. Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates vom 24. 09. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. EG Nr. L 257, S. 26; die IVU-Richtlinie ist, aufgrund der Änderungen, die sie seit 1996 erfahren hat, zur Verbesserung der Übersichtlichkeit und Klarheit kodifiziert worden und trägt nunmehr den Titel Richtlinie 2008 / 1 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 01. 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (kodifizierte Fassung), ABl. EU Nr. L 24, S. 8. 64 Zu den Richtlinien, die die Umwelt als Ganzes im Blick haben, gehört auch die Richtlinie 94 / 67 / EG des Rates vom 16. 12. 1994 über die Verbrennung gefährlicher Abfälle, ABl. EG Nr. L 365, S. 34. 65 Vgl. Amtliche Begründung des „Artikelgesetzes“, mit dem die IVU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden ist, BT-Drs. 14 / 4599, S. 76. 66 Dazu unten D. III. 62 63

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bewertung maßgeblichen Regelungen hat insbesondere die IVU-Richtlinie herbeigeführt. Gleichfalls hat die UVP-Richtlinie die Gesetzgebung im nationalen Immissionsschutzrecht erheblich beeinflusst. Insbesondere das Anlagengenehmigungsverfahren nach dem BImSchG hat aufgrund der UVP-Richtlinie wesentliche Modifikationen erfahren, welche sich auf die Geruchsbewertung insofern auswirken, als dass diese nun nicht mehr nur im Rahmen der Überprüfung der sich aus dem BImSchG ergebenden Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb einer Anlage vorzunehmen ist sondern zusätzlich auch im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung.67 Ob die UVP-Richtlinie auch Auswirkungen auf das materielle Recht hat, ist umstritten und wird im Folgenden noch zu erörtern sein. Wenn es auch für die hier zu untersuchende Frage nach der Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht nur von mittelbarer Bedeutung ist, so sei doch angemerkt, dass das nationale Umweltrecht durch den Einfluss der Europäischen Gemeinschaft eine erhebliche Umwälzung erfahren hat und immer noch erfährt. Dabei stand und steht auch das BImSchG auf dem Prüfstand.68 Der deutsche Gesetzgeber hat sich in der Vergangenheit mit der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben im Umweltrecht oft schwer getan. Dies liegt unter anderem daran, dass das deutsche Umweltrecht ursprünglich als medienspezifisches, sektorales Recht ausgestaltet war, das dem Einzelnen im Rahmen des Zulässigen die Nutzung der Umweltressourcen ermöglichen sollte. Im Unterschied hierzu ist das Umweltrecht der Gemeinschaft auf den medienübergreifenden Umweltschutz zur Optimierung der Situation der Umwelt insgesamt ausgerichtet, wobei dem optimalen Zustand der Umwelt ein höherer Stellenwert eingeräumt werden kann als den Interessen des Einzelnen. Weil die Abkehr vom gewohnten nationalen Recht schwer fiel, sind Vorgaben der Gemeinschaft im Umweltrecht nicht selten schleppend und im Wege der geringstmöglichen Änderung des bestehenden Rechts umgesetzt worden. Probleme bei der Anwendung des nationalen Rechts waren die Folge dieser Vorgehensweise. Nicht ohne Grund hat es in der 16. Legislaturperiode einen erneuten Anlauf für die Schaffung eines einheitlichen Umweltgesetzbuches gegeben, mit dem streitige Fragen und Reibungspunkte zwischen dem europäischen und dem deutschen Umweltrecht gelöst werden könnten. Selbst wenn die Auseinandersetzungen über die Umsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Umweltschutzes in das nationale System mit der Schaffung eines Umweltgesetzbuches beendet würden, so könnten die Probleme der Geruchsbewertung im Recht im Einzelnen auch dann nicht gelöst werden. Denn problematisch an der Geruchsbewertung ist nicht nur die rein rechtliche Frage der Bewertung, sondern insbesondere die Umsetzung von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in das Recht und die Transformation von chemischen und biologischen Prozessen und technischen Vorgängen in handhabbare Vorschriften. Die Bewertung von Geruch ist jedoch immer im Gesamtrahmen des Immissionsschutzrechts und der (auch im europäischen 67 68

Dazu unten D. III. Vgl. Hoffmann-Riem, DVBl. 1994, 605, 606.

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Umweltrecht vorgesehenen) Anlagengenehmigung zu sehen, deren Gestalt sich durch das Gemeinschaftsrecht erheblich verändert hat. Auf welche Weise das Gemeinschaftsrecht das nationale Recht und damit auch die Grundlagen der Geruchsbewertung beeinflusst hat, wird im Folgenden dargestellt.

4. UVP-Richtlinie a) Ziel Gegenstand der UVP-Richtlinie (im Folgenden: UVP-RL) ist die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, vgl. Art. 1 UVP-RL. Mit dem Erlass der Richtlinie soll sichergestellt werden, dass diejenigen Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor der Erteilung einer Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden, vgl. Art. 2 Abs. 1 UVP-RL. Um dieses Ziel zu erreichen, verpflichtet die Richtlinie den Projektträger, Informationen über die Auswirkungen des Projekts beizubringen, die – gegebenenfalls noch ergänzt durch Informationen, die sich die zuständigen Behörden verschaffen69 – bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Projekts berücksichtigt werden, vgl. Art. 8 UVP-RL („Die gemäß den Artikeln 5, 6 und 7 eingeholten Angaben sind im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen.“). Im Rahmen der UVP hat neben einer Beteiligung der in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden und einer Information projektbetroffener Mitgliedstaaten eine Öffentlichkeitsbeteiligung dergestalt stattzufinden, dass der Öffentlichkeit jeder Genehmigungsantrag und die zusätzlich einzuholenden Informationen, insbesondere die Angaben des Projektträgers, zugänglich gemacht werden und der so betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich zu dem Projekt vor seiner Durchführung zu äußern.70 Die Richtlinie versteht die zentrale Funktion der UVP als solche der Entscheidungsvorbereitung und dies im Sinne der Vorsorge gegen schädliche Umweltbeeinträchtigungen. 71 b) Umsetzung im UVPG Die Richtlinie ist mit dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)72 umgesetzt worden, das später durch die Umsetzung der UVP-ÄndeVgl. Hoffmann-Riem, DVBl. 1994, 605, 606. Vgl. Erbguth, UPR 2003, 321. 71 Vgl. Erbguth, UPR 2003, 321. 72 Verabschiedet als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. 06. 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85 / 337 / EWG), BGBl. 1990 I S. 205. 69 70

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rungsrichtlinie73 noch ergänzt worden ist. Das UVPG formuliert in § 1 als Ziel der Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung die Sicherstellung, dass die Auswirkungen auf die Umwelt durch öffentliche und private Vorhaben frühzeitig ermittelt, beschrieben und bewertet werden und dass die Ergebnisse der UVP so früh wie möglich berücksichtigt und in die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens einbezogen werden. Dabei werden nicht nur die Auswirkungen auf die einzelnen in § 2 Abs. 1 UVPG genannten Schutzgüter betrachtet (z. B. Menschen, Boden, Wasser, Klima, Luft), sondern auch die Wechselwirkungen zwischen diesen Schutzgütern, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UVPG. Die UVP ist kein eigenständiges Verfahren, sondern unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen, vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 UVPG. Sie wird im Rahmen von sogenannten „Trägerverfahren“ durchgeführt. Eines dieser Trägerverfahren ist das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage, in dessen Rahmen eine UVP durchzuführen sein kann.74 Die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens richtet sich nach § 3 UVPG i.V. d. Anlage 1 zum UVPG. Ist im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens eine UVP durchzuführen, so sind deren Ergebnisse bei der Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit der Anlage zu berücksichtigen. Das UVPG regelt im Einzelnen in § 6, welche Informationen der Vorhabenträger beizubringen hat. Nach § 11 UVPG erarbeitet die zuständige Behörde auf der Grundlage der Angaben des Vorhabenträgers, der beteiligten Behörden, der Öffentlichkeit sowie ihrer eigenen Ermittlungen eine zusammenfassende Darstellung der Auswirkungen des Vorhabens. Gemäß § 12 UVPG „bewertet“ die zuständige Behörde die Umweltauswirkungen des Vorhabens auf der Grundlage der zusammenfassenden Darstellung nach § 11 UVPG und „berücksichtigt“ diese Bewertung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 2 und 4 UVPG nach Maßgabe der geltenden Gesetze. In der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des UVPG wird zu den einzelnen, von der Behörde vorzunehmenden Schritten, ausgeführt, dass sich die „Bewertung“ auf die Umweltauswirkungen der Anlage beschränkt. Andere betroffene Belange öffentlicher wie privater Art dürfen erst im Rahmen der Zulassungsentscheidung („Berücksichtigung“) Eingang finden.75 Dieser Auslegungshinweis ist insbesondere in Fällen von Bedeutung, in denen sämtliche öffentliche und private Belange in die Abwägung über die Zulässigkeit eines Vorhabens einzubeziehen sind. Dies betrifft vor allem die Abwägungsentscheidungen in Planverfahren. Weniger relevant ist dies für die Genehmi73 Die UVP-Änderungsrichtlinie ist mit dem bereits erwähnten „Artikelgesetz“ in nationales Recht umgesetzt worden. 74 Vgl. Gallas, UPR 1991, 214, 216. 75 BT-Drs. 11 / 3919, S. 27; vgl. dazu auch Jarass, NuR 1991, 201, 206.

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gungsentscheidung nach dem BImSchG, bei denen die in die Abwägung einzubeziehenden Kriterien als Tatbestandsmerkmale im Gesetz enthalten sind.76

c) Geruchsemissionen und -immissionen als Bewertungsgegenstand der UVP Nach § 2 Abs. 1 UVPG umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf die dort genannten Schutzgüter. Zu den Schutzgütern gehören unter anderem Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, sowie die Luft. Vorhaben sind gemäß § 2 Abs. 2 UVPG unter anderem die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage sowie der Bau einer sonstigen Anlage nach Maßgabe der in der Anlage 1 zum UVPG genannten Vorhaben. Dazu gehören auch Anlagenarten, die im Kapitel B. als wesentliche Geruchsstoffemittenten dargestellt worden sind, wie zum Beispiel Anlagen zur Intensivhaltung und -aufzucht verschiedener Tierarten (Nr. 7.1 ff. Anlage 1 zum UVPG), Anlagen zur Produktion von Nahrungsmitteln aus tierischen und pflanzlichen Rohstoffen (Nr. 7.14 ff. Anlage 1 zum UVPG), Abfallbeseitigungsanlagen (Nr. 8. Anlage 1 zum UVPG), Abwasserbehandlungsanlagen (Nr. 13.1 Anlage 1 zum UVPG) und die chemische Industrie (Nr. 6. Anlage 1 zum UVPG). Da beim Betrieb dieser Anlagen Geruchsstoffe in die Umwelt emittiert werden, umfasst die UVP somit auch die Auswirkungen dieser Geruchsstoffe. Nach dem Wortlaut des § 12 UVPG ist materiellrechtliche Grundlage der UVP das geltende Recht („nach Maßgabe der geltenden Gesetze“). Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wären dies in Bezug auf die Auswirkungen von Geruchsemissionen und -immissionen das BImSchG und die auf seiner Grundlage ergangenen rechtlichen Regelungen und Verwaltungsvorschriften zur Beurteilung von Geruch. Allerdings herrscht Streit darüber, ob der Umweltverträglichkeitsprüfung ein eigener materiellrechtlicher Prüfungsansatz innewohnt. d) Materiellrechtlicher Gehalt der UVP-RL? Die Frage, ob die UVP-RL lediglich verfahrensrechtlichen oder auch materiellrechtlichen Charakter hat, wurde (und wird) in der Literatur kontrovers diskutiert.77 Dabei vertritt ein Teil der Literatur die Ansicht, Art. 8 UVP-RL würde zu Vgl. Lange, DÖV 1992, 780, 783. Vgl. zur UVP-Richtlinie und zur Frage ihres formellen oder materiellen Gehalts Jarass, NuR 1991, 201; unter Hinweis auf Arnold / Koenig, DVBl. 1994, 228, 229; Schink, DVBl. 1995, 73; Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, 485; Günter, NuR 2002, 317; Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, § 51 Rn. 95 f., 109; Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 9 Rn. 399; Epiney, Umweltrecht in der EU, 1. Aufl., S. 183 f.; abgeschwächt in der 2. Aufl., S. 212; Gallas, UPR 1991, 214; Erbguth, UPR 2003, 321. 76 77

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einer materiellrechtlichen Änderung des Prüfungsrahmens im jeweiligen Genehmigungsverfahren führen. Eine Prüfung im Rahmen der geltenden Fachgesetze würde demnach nicht ausreichen. Vielmehr seien die geltenden Fachgesetze im Hinblick auf die UVP-RL auszulegen, wobei insbesondere der integrative Ansatz der UVP-RL zu beachten sei.78 Mindestens verfüge die UVP-RL auch über einen materiellrechtlichen Gehalt. Am Ende der UVP stehe die Bewertung – also ein kognitiv-subsumierender Vorgang – der Auswirkungen eines Vorhabens auf bestimmte Schutzgüter einschließlich der dabei relevanten Wechselwirkungen. Die Bewertung müsse die Auswirkungen in ihrer Gesamtheit, also „integrativ-medienübergreifend“ erfassen. Das Ergebnis der Bewertung sei bei der Zulassungsentscheidung über ein Vorhaben zu berücksichtigen, so dass sich die entscheidende Behörde mit dem Bewertungsergebnis inhaltlich auseinandersetzen müsse.79 Die Vorstellung, die UVP berge lediglich Verfahrensrecht, sei hiermit nicht zu vereinbaren.80 Die Gegenmeinung geht von einem rein verfahrensrechtlichen Charakter der UVP aus und stützt sich dabei sowohl auf die UVP-RL als auch auf das UVPG.81 Die UVP-RL stelle keine über die jeweilige fachbezogene Normierung hinausgehenden Zulassungsvoraussetzungen auf, sondern sei nur von verfahrensrechtlicher Bedeutung und daher ergebnisneutral.82 Sie enthalte insbesondere keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, materiell verschärfte Zulassungstatbestände einzuführen. Vielmehr verfolge sie das Ziel einer optimalen Erfassung und Aufbereitung von medienübergreifenden Umweltinformationen und verlange, dass die eingeholten Angaben in den Genehmigungsverfahren Niederschlag finden und ein UVPbedingtes höheres Informationsniveau sich auch im Ergebnis auswirken könne. Damit habe sie verfahrensrechtlichen Charakter.83 Dem entspreche auch die Umsetzung im UVPG. Der Bewertungsmaßstab ergäbe sich aus dem entscheidungsakzessorischen Charakter der UVP. Sie sei gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG ein unselbständiger Verfahrensteil, der in die bestehenden Zulassungsverfahren integriert sei. Als solcher partizipiere sie an der Funktion des Verfahrensrechts, der bestmöglichen Verwirklichung des materiellen Rechts zu dienen. Damit stünde nicht im Einklang, eine Bewertung nach autonomen Maßstäben vorzunehmen, die mit der materiellen Zulassungsnorm nichts zu tun hätten.84 Der Gesetzgeber habe 78 Vgl. Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, 485, 486 (der diese Meinung selbst nicht vertritt); Lange, DÖV 1992, 780, 784. 79 Vgl. Gallas, UPR 1991, 214, 215. 80 Vgl. Erbguth, NuR 1997, 261, 265. 81 Vgl. Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 9 Rn. 399; Böhm, ZUR 2002, 6, 8 („. . . allein prozedural ausgestaltete Anforderungen der UVP-Richtlinie . . .“); Schröder, NuR 2000, 481, 483; neutral: Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, § 51 Rn. 109 („noch immer ungeklärt“). 82 So Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 9, Rn. 399. 83 Vgl. Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, 485, 493. 84 Vgl. Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, 485, 486.

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durch die Art und Weise der Umsetzung der UVP-RL deutlich gemacht, dass er ebenfalls von einem rein verfahrensrechtlichen Charakter der UVP ausgehe, indem an den materiellrechtlichen Anforderungen der fachgesetzlichen Zulassungsnormen bei der Umsetzung der UVP-RL keine Änderungen vorgenommen worden seien.85 Die höchstrichterliche Rechtsprechung vertritt ebenfalls die letztere Auffassung. Hinsichtlich Art. 8 UVP-RL hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Regelung keine materiellrechtliche Anreicherung des Entscheidungsprogramms bewirke.86 Die UVP-Richtlinie beschränke sich auf verfahrensrechtliche Anforderungen im Vorfeld der Sachentscheidung, ohne das Umweltrecht materiell anzureichern.87 Sie stelle sich als ein der allgemeinen Abwägung vorgeschalteter Zwischenschritt dar.88 In jüngerer Zeit hat sich bei den Vertretern des materiellrechtlichen Charakters der UVP in der Literatur eine Ansicht herausgebildet, nach der die UVP-Richtlinie zwar auch gewisse materiellrechtliche Anforderungen aufstelle. Diese seien allerdings sehr beschränkt und insbesondere nicht so zu verstehen, dass die UVP-RL Aussagen über das bei der Genehmigung anzuwendende Recht treffe. Im Ergebnis erschöpften sich die materiellrechtlichen Anforderungen in der Verpflichtung, die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie die von dem Projektträger, den betroffenen Behörden und den anderen Mitgliedstaaten eingeholten Angaben beim Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Vorgaben über die Art und Weise dieser Berücksichtigung, insbesondere in Bezug auf die Gewichtung der verschiedenen Interessen, seien der Richtlinie jedoch nicht zu entnehmen, so dass der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bzw. ihrer Verwaltungen denkbar weit gehalten sei.89 Für die Bewertung von Geruch ergibt sich durch die UVP-RL und das UVPG somit keine materiellrechtliche Änderung. Die Bewertung innerhalb des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, in dessen Anwendungsbereich viele UVP-pflichtigen Anlagen fallen90, hat auf der Grundlage der geltenden Gesetze – also des BImSchG – zu erfolgen, ohne dass dabei weitere, aus der UVP-RL fließenden Kriterien zu berücksichtigen sind. Der Streit über den materiellrechtlichen Charakter und die Berücksichtigung medienübergreifender Gesichtspunkte im Immissionsschutzrecht dürfte mittlerweile auch insoweit zumindest abgeschwächt worden sein, als das BImSchG nach der Umsetzung der UVP-RL weitere

Vgl. Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, 485, 489. Vgl. BVerwG, Urt. v. 25. 01. 1996, Az.: 4 C 5 / 95, NVwZ 1996, 788, 789. 87 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 10. 10. 2006, Az.: 9 B 27 / 05, NVwZ 2007, 84, 86 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 25. 01. 1996, Az.: 4 C 5 / 95, NVwZ 1996, 788 und auf BVerwG, Urt. v. 18. 11. 2004, Az.: 4 CN 11 / 03, NVwZ 2005, 442. 88 Vgl. BVerwG, Urt. v. 18. 11. 2004, Az.: 4 CN 11 / 03, NVwZ 2005, 442, 443; dazu kritisch Erbguth, UPR 2003, 321 ff. 89 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 2. Aufl., S. 211. 90 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 2. Aufl., S. 214. 85 86

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umfangreiche Veränderungen erfahren hat. Der medienübergreifende, integrative Ansatz hat durch die Umsetzung der IVU-Richtlinie – wenn auch nur für die genehmigungsbedürftigen Anlagen91 – einen anderen Stellenwert im BImSchG erhalten. Insgesamt führt die Durchführung einer UVP im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu einer „doppelten“ Prüfung der Auswirkungen durch Geruchsemissionen. Zum einen wird im Rahmen der UVP untersucht, welche Auswirkungen die von dem Vorhaben zu erwartenden Geruchsemissionen auf die im UVPG genannten Schutzgüter haben werden und ob Wechselwirkungen zu erwarten sind. Zum anderen wird im Genehmigungsverfahren ermittelt, ob der Betreiber die sich aus dem BImSchG ergebenden Pflichten für die Genehmigungsfähigkeit seiner Anlage hinsichtlich der von der Anlage herbeigeführten Geruchsemissionen und -immissionen erfüllt. Dies mag zwar auf den ersten Blick unbefriedigend erscheinen. Entscheidend für das Erreichen der sich aus der UVP-RL ergebenden Ziele ist jedoch lediglich, dass die Auswirkungen der Anlage auf die Umwelt bereits im Vorfeld der Genehmigung überprüft werden. Dem wird durch die Bewertung der zu erwartenden Auswirkungen durch Geruchsemissionen im Rahmen der UVP bereits Rechnung getragen, selbst wenn diese Bewertung keinen anderen Maßstäben folgt als denjenigen im Rahmen der Prüfung der sich aus dem BImSchG ergebenden Pflichten.

5. IVU-Richtlinie a) Hintergrund Im Unterschied zur UVP-Richtlinie hat die IVU-Richtlinie die Gesetzgebung zum materiellen Immissionsschutzrecht in erheblicher Weise beeinflusst. Mit der Umsetzung der IVU-Richtlinie sind wesentliche Normen des BImSchG modifiziert worden. Dies betrifft insbesondere §§ 1, 3 Abs. 692, 5 Abs. 193, 7 und 48 BImSchG und die 4. BImSchV.94 Dabei handelt es sich um die Normen, die die Grundlage der Geruchsbewertung bilden. Insofern gilt es zu untersuchen, wie sich diese Gesetzesänderungen auf die Bewertung von Geruch nach dem BImSchG ausgewirkt haben. Der folgende Teil beschränkt sich auf eine knappe Beschreibung Dazu sogleich D. II. 5. Dazu unten D. III. 1. b) aa) (5) (b). 93 Dazu unten D. III. 1. b) aa) (3), (4) und (5). 94 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung der rechtlich geregelten Bereiche Luftreinhalterecht und Klimaschutz verschiedener Verfasser in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb., §§ 47 bis 54, insbesondere Jarass, Umweltqualitätsbezogene Regelungen, ebenda, § 48, sowie Sellner, Anlagenbezogene Regelungen im Luftreinhalterecht, ebenda, § 49. Vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Kraft, Internationales Luftreinhalterecht, S. 50 ff., 169 ff. 91 92

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des formell- und materiellrechtlichen Inhalts der Richtlinie. Erst im nachfolgenden Abschnitt C. im Rahmen der Erörterung der von der IVU-Richtlinie beeinflussten Normen des BImSchG wird auf einzelne Fragen zur Auswirkung der Richtlinie auf die Geruchsbewertung im nationalen Recht ausführlich eingegangen, da eine Darstellung ohne die konkrete Anknüpfung an den Gesetzestext unzweckmäßig wäre. Dennoch ist die folgende Untersuchung erforderlich, um die grundlegenden Änderungen, die das BImSchG durch die IVU-Richtlinie erfahren hat, nachvollziehen zu können. b) Zielsetzung Gemäß Art. 1 Satz 1 IVU-Richtlinie95 bezweckt die Richtlinie die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung infolge der in ihrem Anhang I genannten Tätigkeiten;96 gemäß Art. 1 Satz 2 sieht die Richtlinie Maßnahmen zur Vermeidung und, sofern dies nicht möglich ist, zur Verminderung von Emissionen aus den genannten Tätigkeiten in Luft, Wasser und Boden – darunter auch den Abfall betreffende Maßnahmen – vor, um unbeschadet der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie der sonstigen einschlägigen Bestimmungen der Gemeinschaft ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen.97 Die Richtlinie definiert weder, was unter dem Begriff „integriert“98 zu verstehen ist, noch wie sich das „hohe Schutzniveau für die Umwelt insgesamt“99 darstellt. 95 Die IVU-Richtlinie und ihre Entstehungsgeschichte ist Gegenstand einer Vielzahl wissenschaftlicher Abhandlungen. Vgl. nur als Auswahl Appel, DVBl. 1995, 399; Steinberg, NVwZ 1995, 209, 217; Dolde, NVwZ 1997, 313; Steinberg / Koepfer, DVBl. 1997, 973; Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 151 ff.; Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, Bd. II, § 51 Rn. 115 ff. 96 Die in Anhang I der Richtlinie aufgezählten industriellen Tätigkeiten sind in die sechs Gruppen Energiewirtschaft, Herstellung und Verarbeitung von Metallen, mineralverarbeitende Industrie, chemische Industrie, Abfallbehandlung und sonstige Industriezweige aufgeteilt. Aufgeführt werden dort die einzelnen Anlagentypen, die zu den vorgenannten Gruppen industrieller Tätigkeiten gehören. Zu den sonstigen Industriezweigen gehören unter anderem die Papierherstellung, die Textilbehandlung, die Tierschlachtung und auch die Intensivtierhaltung. Bei diesen handelt es sich um besonders geruchsintensive Produktionsvorgänge, wie bereits oben in Kapitel B. I. 3. ausgeführt worden ist. 97 Die Richtlinie zielt mit ihrem emissionsbezogenen Ansatz auf die Vorsorge ab. Sie will in erster Linie vermeiden und vermindern, und nicht bereits angerichteten Schaden „heilen“. Die Vorgaben der IVU-Richtlinie haben daher besonderen Einfluss auf die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, insbesondere hinsichtlich des in seiner Anwendung einzuhaltenden Standes der Technik, wie in diesem Kapitel im Abschnitt III. noch eingehend erörtert wird. 98 Zum Begriff des integrierten Umweltschutzes vergleiche aus der Vielzahl der Abhandlungen Schröder, NuR 2000, 481; Rengeling, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, Bd. II, § 91 Rn. 52; Di Fabio, NVwZ 1998, 329, 330; Volkmann, VerwArch. 1998, 363 ff. 99 Vgl. Rebentisch, NVwZ 1995, 949.

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Gleichwohl ermöglicht die Zusammenschau der einzelnen Regelungen der Richtlinie (Erwägungsgründe Nr. 8, 9, 10 und 15, Artt. 3, 7 und 9) zumindest einen Definitionsversuch.100 Danach bedeutet die integrative Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzungen in materieller Hinsicht, bei der Genehmigung eines Vorhabens alle Umweltauswirkungen in den Blick zu nehmen, wobei die Verlagerung von Umweltbelastungen vermieden und eine in Bezug auf die Umwelt insgesamt optimierte Entscheidung getroffen wird. Dies wird in prozeduraler Hinsicht durch eine umfassende Behördenkoordinierung bei mehreren Zulassungsentscheidungen für dasselbe Vorhaben erreicht.101 Der Berücksichtigung einer möglichen „Verlagerung“ der Umweltverschmutzung von einem Medium auf ein anderes kommt dabei besondere Bedeutung zu. Ausdrücklich grenzt sich die Richtlinie von den sogenannten „getrennten Konzepten“ ab, die lediglich der isolierten Verminderung der Emissionen in Luft, Wasser oder Boden dienen und die dazu führen können, dass die Verschmutzung von einem Umweltmedium auf ein anderes verlagert wird, anstatt die Umwelt insgesamt zu schützen, vgl. Erwägungsgrund Nr. 8. Die IVU-Richtlinie erfasst hingegen Emissionen in Wasser, Luft und Boden und bezieht die Abfallwirtschaft ein.102 Sie wird aus diesem Grunde auch als „medienübergreifend“ charakterisiert.103 Konsequenterweise löst die IVU-Richtlinie gemäß ihrem Art. 20 die IndustrieanlagenRichtlinie von 1984 ab, die noch eindimensional ausschließlich auf den Aspekt der Luftreinhaltung ausgerichtet war.104 Um das proklamierte Ziel des hohen Schutzniveaus für die Umwelt zu realisieren gibt die IVU-Richtlinie (im Folgenden: 100 Vgl. zum Beispiel Lübbe-Wolff, NuR 1999, 241, die unter dem integrierten Konzept ein solches versteht, dass die medienübergreifende Berücksichtigung umweltrelevanter Auswirkungen der Anlage gewährleistet; Dolde definiert den integrativen Ansatz in NVwZ 1997, 313, 314, als die inhaltliche Koordinierung und Zusammenfassung der Entscheidungen über Emissionen in Luft, Wasser und Boden, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt und nicht nur für ein Umweltmedium zu erreichen; dabei komme der Vermeidung unter Berücksichtigung der Verlagerung von Umweltverschmutzung von einem Umweltmedium auf ein anderes besondere Bedeutung zu; Feldhaus versteht den integrierten Umweltschutz schließlich – in Abgrenzung des integrierten Konzepts vom getrennten Konzept – als einen Umweltschutz, der nicht absolut im Sinne eines umfassenden bestmöglichen Umweltschutzes zu verstehen sei, sondern relativ in dem Sinne, dass er, verglichen mit bloß sektoralen Maßnahmen, zu einer Verbesserung für die Umwelt insgesamt führt, vgl. ZUR 2002, 1, 2; nach Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 1 Rn. 30 verlangt der integrierte Ansatz die übermediale Ermittlung, Gewichtung und Abwägung aller nachteiligen Umweltauswirkungen einer Anlage, um ein hinsichtlich des Umweltschutzes „insgesamt“ optimales Ergebnis zu erzielen. Beim Schutz eines Schutzgutes sind damit (auch) die möglichen Belastungen anderer Schutzgüter durch die entsprechenden Maßnahmen zu berücksichtigen. 101 In Anlehnung an Hansmann, ZUR 2002, 19; vgl. auch Schröder, NuR 2000, 481. 102 Vgl. Frenz, Europäisches Umweltrecht, S. 151. 103 Vgl. nur Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 62; Günter, NuR 2002, 394. 104 Vgl. Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, Bd. II, § 51 Rn. 115.

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IVU-RL) sowohl verfahrensrechtliche als auch materiellrechtliche Anforderungen vor.105

c) Verfahrensrechtliche Anforderungen der IVU-RL In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Vorgabe der Genehmigungsbedürftigkeit nach Art. 4 IVU-RL für neue Anlagen der in Anhang I genannten industriellen Tätigkeiten als besonders wichtiges Instrument herauszustellen. Die Ziele der Richtlinie können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die für die Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit notwendigen Informationen ermittelt werden können und die Durchsetzung der Ziele der Richtlinie durch gegebenenfalls in der Genehmigung festzulegende Auflagen sichergestellt werden kann. Dies lässt sich am besten in einem Genehmigungsverfahren erreichen.106 Die Richtlinie regelt das Genehmigungsverfahren jedoch nicht im Einzelnen selbst, sondern überlässt dessen Ausgestaltung den Mitgliedstaaten. Allerdings stellt die Richtlinie bestimmte Anforderungen an das Verfahren. So enthält die Richtlinie beispielsweise in Art. 6 bestimmte Vorgaben für den Genehmigungsantrag, nach denen der Antragsteller unter anderem die Quellen der Emissionen aus der Anlage und die Art und Menge der vorhersehbaren Emissionen aus der Anlage in jedes einzelne Umweltmedium benennen muss. Darüber hinaus muss der Antragsteller bereits bei Antragstellung eine Aussage über erhebliche Auswirkungen dieser Emissionen auf die Umwelt treffen, vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. e) IVU-RL. Auf diese Weise erlangt die Genehmigungsbehörde bereits Anhaltspunkte über die verschiedenen Emissionsarten, die von der Anlage zu erwarten sind sowie über deren Auswirkungen und kann dies in ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der Verlagerung von Umweltverschmutzungen von einem in ein anderes Medium einbeziehen. Für den Antragsteller hat dies zur Folge, dass er bereits im Vorfeld der Antragstellung eine Bewertung der vom Anlagenbetrieb hervorgerufenen Auswirkungen vornehmen muss, was wiederum voraussetzt, dass der Antragsteller eine Vorstellung von der Erheblichkeitsschwelle der Auswirkungen hat.107 Zu den verfahrensrechtlichen Regelungen der IVU-RL gehört auch Art. 7, der eine vollständige Koordinierung des Genehmigungsverfahrens und der Genehmigungsauflagen vorsieht, wenn bei dem Verfahren mehrere zuständige Behörden mitwirken.

Vgl. Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb., § 49 Rn. 134. Vgl. Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 10 Rn. 462; Dolde, NVwZ 1997, 313, 317. 107 Über eine solche kann der Antragsteller nur dann verfügen, wenn die Erheblichkeitsschwelle der möglichen Emissionen entweder allgemein festgelegt ist, oder andere Gesichtspunkte in die Entscheidung über die Erheblichkeit einer Emission herangezogen werden können, die dem Antragsteller bekannt sind. 105 106

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d) Materiellrechtliche Anforderungen der IVU-RL Die wesentlichen materiellrechtlichen Anforderungen der IVU-RL finden sich in den Artt. 3, 9 und 10.108 In Art. 3 statuiert die Richtlinie allgemeine Prinzipien der Grundpflichten der Betreiber von genehmigungsbedürftigen Anlagen, wobei die Regelung nur verlangt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die zuständigen Behörden sich vergewissern, dass die Anlage diesen Prinzipien entsprechend betrieben wird.109 Art. 9 IVU-RL regelt den Inhalt der Genehmigung, insbesondere die Aufgabe der Behörde, Emissionsgrenzwerte oder äquivalente Parameter in der Genehmigung festzulegen, vgl. Art. 9 Abs. 3 IVURL. Schließlich ermöglicht Art. 10 IVU-RL die Festlegung schärferer Auflagen, als sie durch den Stand der Technik gefordert werden und zwar auf der Grundlage anderer Umweltqualitätsnormen. Zu den Betreiberpflichten gehört unter anderem gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) IVU-RL die Pflicht, Anlagen so zu betreiben, dass alle geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschmutzungen, insbesondere durch den Einsatz der besten verfügbaren Techniken, getroffen werden. „Umweltverschmutzung“ wird in Art. 2 Nr. 2 IVU-RL definiert als die durch menschliche Tätigkeiten direkt oder indirekt bewirkte Freisetzung von Stoffen110 in Luft, Wasser oder Boden, die der menschlichen Gesundheit oder der Umweltqualität schaden oder zu einer Schädigung von Sachwerten bzw. zu einer Beeinträchtigung oder Störung von Annehmlichkeiten und anderen legitimen Nutzungen der Umwelt führen können.111 „Stoff“ 108 Verschiedene Autoren legen die Schwerpunkte der Richtlinie jeweils an anderer Stelle. Während Steinberg / Koepfer in DVBl. 1997, 973, 977 als zentrale materielle Regelung Art. 9 IVU-RL in den Vordergrund stellen, sieht Dolde in NVwZ 1997, 313, 314 als Herzstück der materiellrechtlichen Anforderungen die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung an. Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, § 51 Rn. 119 sieht in Art. 3 IVU-RL die zentralen materiellrechtlichen Regelungen. Anders äußert sich hingegen Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 10 Rn. 480, der keine der materiellrechtlichen Regelungen in den Vordergrund stellt, sondern konstatiert, dass vielmehr der prozedurale Rahmen den Hauptteil der Richtlinie bildet, der lediglich durch allgemeine materielle Anforderungen grundsätzlicher Art ausgefüllt wird. Dies zeigt, dass in jeder individuellen Erörterung auch die jeweiligen Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt werden und es daher nicht „den materiellrechtlichen Schwerpunkt“, sondern mehrere bedeutsame einzelne Regelungen gibt, die das „Gesamtsystem IVU“ ausmachen. 109 Vgl. Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 10 Rn. 481. 110 Daneben nennt die Richtlinie auch Erschütterungen, Wärme oder Lärm, auf die im vorliegenden Kontext jedoch nicht näher eingegangen wird. 111 An dieser Stelle taucht – in leicht abgewandelter Form – die bereits oben zitierte Definition der Luftverschmutzung des Genfer Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung wieder auf, die auch in die UVP-Richtlinie Einzug gefunden hat. Anders als das BImSchG, dessen zentraler Begriff „schädliche Umwelteinwirkungen“ ist, spricht die IVU-RL von „Umweltverschmutzung“ und stellt demnach nicht die Notwendigkeit einer „Einwirkung“ auf, wie das BImSchG. Bei der Umsetzung der IVU-RL in deutsches Recht ist kritisiert worden, dass der Begriff „Umweltverschmutzung“ keinen Einzug in das Gesetz gefunden hat, vgl. Wahl, ZUR 2000, 360, 363; dies hätte sich mit der Umsetzung

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

wird definiert als chemische Elemente und ihre Verbindungen, mit Ausnahme von radioaktiven Stoffen sowie genetisch modifizierten Organismen, vgl. Art. 2 Nr. 1 IVU-RL. Auch „beste verfügbare Techniken“ definiert die Richtlinie, vgl. Art. 2 Nr. 12. Sie beschreiben den effizientesten und fortschrittlichsten Entwicklungsstand der Tätigkeiten und entsprechenden Betriebsmethoden, der spezielle Techniken als praktisch geeignet erscheinen lässt, grundsätzlich als Grundlage für die Emissionsgrenzwerte zu dienen, um Emissionen in und Auswirkungen auf die gesamte Umwelt allgemein zu vermeiden oder, wenn dies nicht möglich ist, zu vermindern. Die drei einzelnen Bestandteile des Begriffes werden weiter definiert. Dabei ist als „verfügbar“ eine Technik anzusehen, die in einem Maßstab entwickelt ist, der unter Berücksichtigung des Kosten / Nutzen-Verhältnisses die Anwendung unter in dem betreffenden industriellen Sektor wirtschaftlich und technisch vertretbaren Verhältnissen ermöglicht, gleich, ob diese Techniken innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats verwendet oder hergestellt werden, sofern sie zu vertretbaren Bedingungen für den Betreiber zugänglich sind. Die „beste“ Technik ist diejenige, die am wirksamsten zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt ist, vgl. Art. 2 Nr. 12 lit. c) IVU-RL.112 Die Richtlinie nimmt demnach auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Bezug, der am gesamten betreffenden Industriebereich zu messen ist. Für die Verfügbarkeit einer Technik kommt es demnach nicht auf die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jeweils betroffenen Anlagenbetreibers und die Erhaltung der betriebswirtschaftlichen Rentabilität der einzelnen Anlage an, sondern darauf, ob die Einführung einer Technik für den Durchschnittsbetrieb einer Branche ruinöse Auswirkungen hätte.113 Zusätzlich zu der in Art. 2 Nr. 11 enthaltenen Definition der besten verfügbaren Techniken stellt die Richtlinie in Anhang IV Kriterien auf, die bei der Bestimmung des Standes der Technik zu berücksichtigen sind.114 eines Umweltgesetzbuches ändern können, wäre der Referentenentwurf vom 19. 11. 2007 in Kraft getreten, was jedoch derzeit nicht zu erwarten ist (§ 4 Nr. 2 UGB I stellt den Begriff der Umweltveränderungen auf, der an die Stelle der Umwelteinwirkungen rücken sollte, vgl. Begründung des Entwurfs, S. 64, gleichwohl auch der Entwurf des UGB weiterhin den Begriff der Einwirkung kennt, vgl. § 4 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 6 UGBE). 112 Die Definition der besten verfügbaren Techniken in der IVU-Richtline weicht vom Wortlaut der Umsetzung in § 3 Abs. 6 BImSchG bei der Definition des „Standes der Technik“ nicht unwesentlich ab. Hierauf wird in diesem Kapitel in Abschnitt III. bei der Erörterung der Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG und dem darin enthaltenen Begriff „Stand der Technik“ noch eingegangen. 113 Vgl. Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181, 183 m. w. N.; Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, Bd. II, § 51 Rn. 122, bemerkt gleichwohl, dass die Richtlinie nicht vorgebe, ob sich die Anforderungen der wirtschaftlich vertretbaren Verhältnisse auf den Anlagenbetreiber – in diesem Fall kommt dann nur der Anlagenbetreiber aus der spezifischen Branche in Frage – bezieht. 114 Diese Kriterien sind bei der Umsetzung der IVU-Richtlinie auch in das BImSchG übernommen worden und dort im Anhang zu § 3 Abs. 6 enthalten, dazu unten D. III. 1. b) aa) (5) (b).

II. Gemeinschaftsrecht

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Insgesamt wird anhand von Art. 2 Nr. 12 und Anhang IV (und später auch anhand von Art. 9 Abs. 4) die besondere Bedeutung der besten verfügbaren Techniken, die zumeist als BAT (best available techniques) oder BVT (beste verfügbare Techniken) abgekürzt werden115, im Rahmen der IVU-RL deutlich. Die besten verfügbaren Techniken sind das entscheidende Instrument, um den integrativen Ansatz der IVU-Richtlinie umzusetzen. Sie bilden den Maßstab für die Festlegung von Emissionsgrenzwerten sowohl allgemein als auch im Genehmigungsverfahren.116 Gemäß Art. 17 Abs. 2 IVU-RL veröffentlicht die Kommission die Ergebnisse des von der Richtlinie vorgesehenen Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten und der Industrie über die besten verfügbaren Techniken, die damit verbundenen Überwachungsmaßnahmen und die Entwicklungen auf diesem Gebiet. Auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 2 ist mittlerweile eine Vielzahl von sogenannten BREFs (Best Available Techniques Reference Documents) entstanden, die die beste verfügbare Technik für verschiedene Bereiche der Industrie beschreiben.117 Darauf wird in diesem Kapitel in Abschnitt III. bei der Erörterung des „Standes der Technik“ gemäß § 3 Abs. 6 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG noch ausführlich eingegangen. Zu den Betreiberpflichten gehört auch, dass durch den Anlagenbetrieb keine erheblichen Umweltverschmutzungen verursacht werden dürfen, vgl. Art. 3 Ab. 1 lit. b) IVU-RL. Welches Maß an Umweltverschmutzung als erheblich einzustufen ist, gibt die Richtlinie jedoch nicht vor.118 Die Erheblichkeit kann allerdings durch Emissionsgrenzwerte konkretisiert werden.119 Diese können auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 IVU-RL zustande kommen, nach dem der Rat auf Vorschlag der Kommission Emissionsgrenzwerte für die in Anhang I genannten Anlagen und für die in Anhang III genannten Schadstoffe festlegen kann, wenn sich aufgrund des von Art. 17 IVU-RL vorgesehenen Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission herausgestellt hat, dass die Gemeinschaft tätig werden muss.120 Solange solche Grenzwerte nicht vorliegen, sind gemäß Art. 19 115 Die Abkürzung BAT beruht auf dem englischen Originaltext der Richtlinie, in dem von „best available techniques“ gesprochen wird. Im Deutschen wird zumeist von BAT, teilweise auch von BVT gesprochen. 116 Vgl. Tausch, NVwZ 2002, 676, 677. 117 Alle bisher erschienenen BREFs sind veröffentlicht auf der Internetseite des IPPCBüros (Benannt nach dem Englischen Titel der Richtlinie Integrated Pollution Prevention and Control), das die Kommission gemäß Art. 19 IVU-RL bei der Anwendung der IVU-RL unterstützt, siehe http: //eippcb.jrc.es/. 118 Vgl. Günter, NuR 2002, 394. 119 Vgl. Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 10 Rn. 486. 120 Entsprechende Grenzwerte sind bisher nicht festgelegt worden. Angesichts der zunehmenden Enthaltsamkeit der europäischen Gesetzgebung in Bezug auf harte Emissionsanforderungen an stationäre Anlagen wird damit auch kaum gerechnet, vgl. Tausch, NVwZ 2002, 676, 677.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Abs. 2 IVU-RL mindestens die in anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften festgelegten Werte maßgeblich.121 Allerdings können die Mitgliedstaaten eigene – auch strengere – Werte bestimmen. Sie können bestimmte Anforderungen für Anlagen in Form von allgemeinen bindenden Vorschriften anstatt in Genehmigungsauflagen festlegen, sofern dabei ein integriertes Konzept und ein gleichwertiges hohes Schutzniveau für die Umwelt gewährleistet werden, vgl. Art. 9 Abs. 8 IVU-RL. Gemäß Art. 9 Abs. 4 IVU-RL sind die Emissionsgrenzwerte stets auf die besten verfügbaren Techniken zu stützen, ohne dass jedoch eine bestimmte Technik vorgegeben wird.122 In jedem Fall muss die Genehmigung nach Art. 9 Abs. 3 Emissionsgrenzwerte für Schadstoffe enthalten, die von der Anlage in „relevanter“ Menge emittiert werden können.123 Die Richtlinie führt in Anhang III verschiedene Schadstoffkategorien auf, die jedoch nicht abschließend sind.124 Die in die Genehmigung aufzunehmenden Grenzwerte können allerdings auch durch äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen erweitert oder ersetzt werden. Ist erkennbar, dass durch die auf der Grundlage des Standards der besten verfügbaren Techniken ermittelten Emissionsgrenzwerte bestehende Umwelt-Qualitätsziele nicht eingehalten werden können, muss die Genehmigungsbehörde darüber hinausgehende Vorkehrungen treffen, also zum Beispiel strengere Emissionsgrenzwerte in der Genehmigung festsetzen, vgl. Art. 10 IVU-RL. Bestehende Umweltqualitätsziele werden von der Richtlinie als „Umweltqualitätsnormen“ bezeichnet. Dies ist nach Art. 2 Nr. 7 IVU-RL die Gesamtheit von Anforderungen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in einer gegebenen Umwelt oder einem bestimmten Teil davon nach den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erfüllt werden müssen. An Art. 10 IVU-RL wird deutlich, dass die Richtlinie auch die Immissionsgesamtmenge und nicht allein die Emissionen im Blick hat. Denn die Umweltqualitätsnormen im Sinne des Art. 10 IVU-RL definieren die Grenze dessen, was bezogen auf einen Raum als Höchstbelastung tragbar sein soll. Sie sind also der 121 Vgl. Frenz, Europäisches Umweltrecht, § 10 Rn. 493; krit. zu Art. 16 Abs. 2 Schröder, NuR 2000, 481, 484, der bemängelt, dass die bereits vor der IVU-RL bestehenden Emissionsgrenzwerte noch nicht dem medienübergreifenden Ansatz der IVU-RL folgen und daher auch dem Anspruch der Richtlinie an Emissionsgrenzwerte nicht gerecht werden können. 122 Vgl. zur besonderen Bedeutung der besten verfügbaren Techniken Tausch, NVwZ 2002, 676. 123 Diese Festlegungen in der Genehmigung resultieren entweder aus Grenzwerten, die vom Rat auf Vorschlag der EU-Kommission festgelegt worden sind, aus solchen der Mitgliedstaaten oder – soweit allgemeine Grenzwerte nicht existieren – aus im Rahmen des Genehmigungsverfahrens festgelegten Grenzwerten, vgl. Tausch, NVwZ 2002, 676, 677. 124 Dies ergibt sich aus der Wortwahl „insbesondere . . .“ in Art. 2 Nr. 6 sowie aus Anhang III Abs. 1. Zu den dort genannten Stoffen gehören auch flüchtige organische Verbindungen (Anhang III, „Luft“, Nr. 4), unter die auch die Mehrzahl der Geruchsstoffe fallen, da diese zumeist organische Verbindungen und nur in wenigen Fällen anorganische Verbindungen darstellen.

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Maßstab für die maximal zulässige Gesamtbelastung der Umwelt am Standort und im Einwirkungsbereich der zu genehmigenden Anlage.125 Gemäß Art. 8 IVU-RL erteilt die zuständige Behörde eine Genehmigung mit Auflagen, die sicherstellen, dass die Anlage den Anforderungen der Richtlinie entspricht, und zwar unbeschadet sonstiger Anforderungen aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften. Entspricht die Anlage nicht den Anforderungen der Richtlinie, lehnt sie die Genehmigung ab. Entgegen verschiedener Ansichten in der Literatur126 ist damit keine Festlegung darüber getroffen worden, ob die Genehmigung als gebundene oder Ermessensentscheidung zu ergehen hat.127 Ungeklärt bleibt damit aber die Frage, ob der Behörde bei ihrer Entscheidung zusätzlicher Beurteilungsspielraum einzuräumen ist.128 Dies wird in diesem Kapitel im Abschnitt III. erörtert. Um sicherzustellen, dass auch bestehende Anlagen den Anforderungen der Richtlinie gerecht werden, können ihnen nach Maßgabe des Art. 5 IVU-RL Auflagen erteilt werden. Spätestens acht Jahre nach Beginn der Anwendung der IVU-RL müssen bestehende Anlagen den materiellrechtlichen Anforderungen der Richtlinie entsprechen. e) Umsetzung der IVU-Richtlinie im „Artikelgesetz“ Die IVU-Richtlinie ist mit dem sogenannten „Artikelgesetz“129 vom 27. 07. 2001 in das nationale Recht umgesetzt worden.130 Die Verspätung der Umsetzung 125 Vgl. Steinberg / Koepfer, DVBl. 1997, 973, 979; Frenz, Europäisches Umweltecht, § 10 Rn. 496. 126 Aufgrund der Formulierung in Art. 8 IVU-RL ist ein Streit darüber entbrannt, ob die Richtlinie es dem Mitgliedstaat offen lässt, eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung vorzusehen, ob eine gebundene Entscheidung im nationalen Recht der Richtlinie entspricht, und ob es sogar erforderlich ist, die im BImSchG in § 6 vorgesehene gebundene Entscheidung in eine Ermessensentscheidung umzuwandeln; vgl. zu den höchst unterschiedlichen Ansichten Schröder, NuR 2000, 481, 485, der davon ausgeht, dass die IVU-Richtlinie eine gebundene Entscheidung vorsieht. Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Anlagengenehmigung und damit für ein Ermessen sprechen sich auch Steinberg / Koepfer in DVBl. 1997, 975 aus; vgl. dazu auch Hoffmann-Riem, DVBl. 1994, 605 (zur UVP und dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren); Appel, DVBl. 1995, 399, 407. 127 Ein auf diese Frage bezogener Klarstellungswunsch der Bundesrepublik Deutschland ist mit der Begründung zurückgewiesen worden, eine Ergänzung sei überflüssig, da die IVU-RL in Art. 8 insoweit keine Festlegung treffe. Die Genehmigungserteilung kann somit sowohl als gebundene als auch als Ermessensentscheidung ergehen, vgl. Böhm, ZUR 2002, 6, 9; Erbguth / Stollmann, ZUR 2000, 379, 382 ff. 128 Pro Beurteilungsspielraum vgl. Di Fabio, NVwZ 1998, 329; Ladeur, ZUR 1998, 245; Schmidt, A.-Drs. 14 / 458, Teil 1, S. 52. Contra Beurteilungsspielraum vgl. Lübbe-Wolff, NuR 1999, 241. 129 Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EU-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. 07. 2001, BGBl. I 2001, S. 1950. Das Gesetz trat am 03. 08. 2001 in Kraft. Siehe dazu Enders / Krings, DVBl. 2001, 1389.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

– die Umsetzungsfrist endete am 30. 10. 1999131 – ist auf die nach Inkrafttreten der IVU-RL entstandene Uneinigkeit über das „Wie“ der Umsetzung zurückzuführen. Die IVU-RL sollte zunächst im Rahmen eines Umweltgesetzbuches (UGB) umgesetzt werden.132 Nach dessen Scheitern bestand Eile zur Umsetzung, so dass es schließlich zu einer Umsetzung durch die Änderung und Ergänzung bestehender Gesetze kam.133 Mit dem Artikelgesetz sind neben Regelungen des BImSchG, der 4. BImSchV und der 9. BImSchV auch Regelungen anderer Gesetze, namentlich des WHG, des KrW- / AbfG, des BBodSchG und der Landeswassergesetze geändert worden.134 Über die Frage, welche Änderungen im BImSchG aufgrund der IVU-RL überhaupt erforderlich sein würden135, wurde von der Literatur im Vorfeld der Umsetzung ebenso lebhaft und ausführlich diskutiert, wie über die sich in diesem Zusammenhang bereits zuvor stellende Frage, ob und in welchem Umfang das BImSchG schon medienübergreifende Ansätze enthielt.136 Dieses Thema ist auch nach wie vor Gegenstand der Auseinandersetzung über die Umsetzung der IVU-RL.137 Min130 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb., § 49 Rn. 141 f. 131 Die IVU-RL sieht in Art. 21 Abs. 1 die Umsetzung innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten vor. Da die Richtlinie gemäß Art. 22 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft tritt und am 10. 10. 1996 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht worden ist, endete die Umsetzungsfrist am 30. 10. 1999. 132 Zum Projekt des Umweltgesetzbuches s. nur Sendler, NVwZ 1996, 1145; Rehbinder, UPR 1995, 361; Kloepfer, DÖV 1995, 745 und zum Scheitern desselben Wahl, ZUR 2000, 360, 361; Wasielewski, ZUR 2000, 373, 374. 133 Zur Entstehungsgeschichte des Artikelgesetzes s. Böhm, ZUR 2002, 6 ff.; Feldhaus, ZUR 2002, 1; weiterführend dazu auch Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb., § 49 Rn. 141 f. 134 Vgl. Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb., § 49 Rn. 140. 135 Von einer nachhaltigen Veränderung des Rechts der Zulassung von Industrieanlagen in Deutschland spricht Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 1998, § 51 Rn. 130. Von einem Umsetzungsbedarf nur in geringem Umfang und in wenigen Regelungen sprechen Steinberg / Koepfer, in DVBl. 1997, 973, 981. Von Umsetzungsbedarf in wichtigen Punkten spricht Dolde, NVwZ 1997, 313, 319. 136 Für einen bereits umfänglich im BImSchG enthaltenen integrativen Ansatz Rebentisch, NVwZ 1995, 949; a.A. Sendler, in: Koch / Lechelt (Hrsg.), Zwanzig Jahre BImSchG, S. 217, 219; vgl. auch Steinberg, NuR 1999, 192, 195; Steinberg / Koepfer gehen davon aus, dass der integrative Ansatz zur Prüfung der Umweltverschmutzungen vom deutschen Recht bereits mit geringfügigen Einschränkungen verfolgt wird, DVBl. 1997, 973, 981. Lediglich von integrativen Ansätzen des BImSchG spricht Dolde, NVwZ 1997, 313, 319, der zugleich davor warnt, anzunehmen, einer Umsetzung der IVU-RL in das BImSchG bedürfe es nicht, a. a. O., S. 320. Vgl. dazu auch Schnutenhaus, ZUR 1994, 299, 303; Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb, § 49 Rn. 140. Vgl. auch die Amtliche Begründung zum Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz, BT-Drs. 14 / 4599, S. 64, 77. 137 Vgl. zum Beispiel Hansmann, der in der ZUR 2002, 19, ausführt, dass das deutsche Anlagenzulassungsrecht schon seit 150 Jahren einem integrativen Ansatz folge.

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destens hat die Umsetzung der IVU-Richtlinie den integrativen Gedanken im BImSchG – soweit er zuvor schon bestand – ausgeweitet. Gegenstand einer ausführlichen Diskussion und vielfacher Kritik war (und ist) auch die Art und Weise der Umsetzung der IVU-Richtlinie durch ein Artikelgesetz unter Fortsetzung des bisherigen Systems des deutschen Umweltrechts, das durch eine Vielzahl nebeneinander bestehender Fachgesetze gekennzeichnet ist.138 Es wird nach wie vor darüber diskutiert, ob die Vorgaben der IVU- (und der UVP-) Richtlinie überhaupt vollständig umgesetzt sind.139 Die Umsetzung der IVU-Richtlinie in einzelnen Fachgesetzen führe dazu, dass nur deren Zusammenschau es ermögliche, zu beurteilen, ob der deutsche Gesetzgeber eine der Richtlinie entsprechende Umsetzung beschlossen habe. Das BImSchG, das mit dem medienspezifischen Umweltschutz eine grundsätzlich andere Herangehensweise verfolge, sei durch eine bloße Änderung von Normen bzw. durch die Hinzufügung von Begriffen in den bestehenden Gesetzestext der neuen medienübergreifenden Zielsetzung des EU-rechtlichen Umweltschutzes nicht anpassbar. Die nun aufgenommenen Begriffe wie beispielsweise „ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt“ in den im Übrigen weitgehend unveränderten Gesetzestext führten zu „Friktionen“ bei der Anwendung des BImSchG.140 Es mag sein, dass die in der 16. Legislaturperiode wiederaufgenommenen Arbeiten zur Schaffung eines Umweltgesetzbuches diese Diskussion in Zukunft möglicherweise entbehrlich machen.141

138 Vgl. Sellner, in: Rengeling, EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb., § 49 Rn. 145; vgl. in dieser Richtung auch Wahl, ZUR 2000, 360, 361 f. 139 Dies ließe sich aufgrund der Vielzahl an gesetzlichen sowie untergesetzlichen Regelungen, die nach wie vor das nationale Umweltrecht darstellen, kaum überprüfen, vgl. Wahl, ZUR 2000, 360, 361 f.; eine ausreichende Umsetzung bejahen Böhm, ZUR 2002, 6, sowie Enders / Krings, DVBl. 2001, 1389, 1405; eine überwiegend ausreichende Umsetzung bejaht Günter, NuR 2002, 394. 140 Vgl. Sellner, in: Rengeling, EUDUR 2003, Bd. II, 1. Tb., § 49 Rn. 145; Wahl, ZUR 2000, 360, 361 f. 141 In der 16. Legislaturperiode hat es einen erneuten Anlauf für die Schaffung eines Umweltgesetzbuches gegeben, das das Umweltrecht in einem einzigen Gesetzbuch regeln sollte und das auch das BImSchG ablösen würde, vgl. den Referentenentwurf für ein Umweltgesetzbuch (UGB) Erstes Buch (I) vom 19. 11. 2007, http: //www.bmu.de/files/pdfs/ allgemein/application/pdf/ugb1_allgem_vorschriften.pdf. Im Rahmen dieser Gesetzgebung besteht die Möglichkeit, die bei Erlass des Artikelgesetzes kritisierte „Minimallösung“ (vgl. Wahl, ZUR 2000, 360) der Umsetzung der IVU-Richtlinie in einen gänzlich neuen Rahmen zu gießen. Das Gesetzesvorhaben ist jedoch entgegen der Planung der Großen Koalition nicht innerhalb dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht worden (vgl. zu dem ursprünglich angestrebten Plan auch Teil B. Nr. 7.2 des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD vom 11. 11. 2005, der auf der Internetseite der Bundesregierung veröffentlicht ist, http: // www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/koalitionsvertrag.html; vgl. dazu auch die Rede des Bundesumweltministers Sigmar Gabriel anlässlich der vom Bundesumweltministerium (BMU) am 16. 02. 2007 in Berlin veranstalteten Tagung „Herausforderung Umweltgesetzbuch“, http: //www.bmu.de/reden/bundesumweltminister_sigmar_gabriel/doc/38767. php).

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Ob und in welcher Weise die Änderung von Normen des geltenden BImSchG zu vermehrten Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung der entscheidenden Normen insbesondere in Bezug auf die Bewertung von Geruch geführt hat, wird unten bei der Erörterung der einschlägigen Regelungen im Einzelnen diskutiert, insbesondere bei den §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2, sowie 22 BImSchG. Regelungsschwerpunkte der Änderungen, die das BImSchG durch das Artikelgesetz gefunden hat, sind der Gesetzeszweck (§ 1 BImSchG)142, die Erweiterung des Umfangs der genehmigungsbedürftigen Anlagen (4. BImSchV)143, die Anpassung des Begriffs des Standes der Technik (§ 3 Abs. 6 BImSchG), die Modifikation bzw. Erweiterung der Betreiberpflichten (§ 5 Abs. 1 BImSchG), die Koordination des Genehmigungsverfahrens (§ 10 Abs. 5 BImSchG), die Anpassung der Verordnungsermächtigung bzw. der Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften (§§ 7 und 48 BImSchG) sowie die Änderung der 9. BImSchV.144 f) Auswirkungen der IVU-Richtlinie auf die Geruchsbewertung Die für die Anforderungen an Anlagen mit besonders geruchsintensiven Prozessen besonders relevanten §§ 3 Abs. 6, 5 Abs. 1 und 22 BImSchG sind durch die Umsetzung der IVU-RL verändert worden. Dies gilt insbesondere für den in § 5 Abs. 1 eingefügten Eingangssatz, nach dem die in § 5 Abs. 1 genannten Betreiberpflichten der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt dienen sollen und für die Neufassung des Begriffs des Standes der Technik in § 3 Abs. 6 BImSchG, der sowohl auf die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 als auch des § 22 BImSchG Auswirkungen hat. Es stellt sich somit die Frage, ob sich die Umsetzung der IVU-Richtlinie in nationales Recht auch unmittelbar auf die Art und Weise der Bewertung von Geruch auswirkt, ob also die materiellrechtlichen Grundlagen der Geruchsbewertung durch die Richtlinie dahingehend verändert worden sind, dass die Entscheidung über die Erheblichkeit einer Geruchseinwirkung nun auf der Grundlage anderer Parameter erfolgt als zuvor. Nicht ohne weiteres ist diese Frage im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beurteilen. Durch die Einfügung des Eingangssatzes in § 5 Abs. 1 kommt in Betracht, bei der Abwägung über die Erheblichkeit einer Umwelteinwirkung andere Kriterien heranzuziehen, als sie bis zur Umsetzung der IVU-RL zu berücksichtigen waren. Feldhaus145 stellt in diesem Zusammenhang die These auf, dass der Eingangssatz in Fällen zur Anwendung kommen könnte, in denen Maßnahmen 142 Eine vollständige Neuerung ist der in § 1 Abs. 2 BImSchG nunmehr normierte Ansatz des „integrierten Umweltschutzes“, dazu bereits oben D. II. 5. a). 143 Mit dem Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23. 10. 2007 (BGBl. I S. 2470) hat sich der Genehmigungsumfang gleichwohl erneut geändert. 144 Vgl. Enders / Krings, DVBl. 2001, 1389, 1390. 145 Vgl. Feldhaus, ZUR 2002, 1, 4.

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gegen bloße Nachteile und Belästigungen (zum Beispiel Gerüche) mit Schutzmaßnahmen aus anderen Umweltmedien – wie Kläranlagen zur Reinigung des Wassers (die wiederum den Ausstoß von Geruchsstoffen verursachen, Anm. d. Verf.) – konfligieren. Ob in solchen Fällen Gerüche als erheblich, das heißt als schädliche Umwelteinwirkungen zu bewerten seien, könnte dann von einer medienübergreifenden Abwägung abhängig sein. Auf diese These wird noch eingehend bei der Erörterung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG im Abschnitt C. einzugehen sein. Hinsichtlich des Einflusses der Umsetzung auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gilt, dass nunmehr bei der Festlegung von Vorsorgemaßnahmen die dadurch hervorgerufenen Verlagerungseffekte in die Entscheidung einbezogen werden müssen.146 Das könnte beispielsweise bei dem Einbau einer Abluftreinigungsanlage zur Einhaltung des notwendigen Maßes an Vorsorge vor Geruchsemissionen bedeuten, dass die Auswirkungen des Betriebs einer solchen Anlage in die Abwägung mit einbezogen werden müssen. Bei einem Abluftwäscher könnte dies zum Beispiel bedeuten, die durch den Betrieb verursachte Verschmutzung des Schutzgutes Wasser ebenfalls zu bewerten und der damit erreichten Verbesserung der Luft wertend gegenüberzustellen. Die Umsetzung der IVU-Richtlinie hat darüber hinaus die an konkretisierende Regelungen nach §§ 7, 48 BImSchG zu stellenden Anforderungen geändert. Sowohl für die Festlegung von Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen in Rechtsverordnungen nach § 7 BImSchG als auch für die Festlegung von Anforderungen in allgemeinen Verwaltungsvorschriften gemäß § 48 BImSchG gilt es nun, mögliche Verlagerungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu gewährleisten.147 Demnach müssen sich sowohl Rechtsverordnungen als auch allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bewertung von Geruch an diesen Vorgaben messen lassen. Für die Geruchsbewertung ist neben den bereits genannten Punkten von besonderer Bedeutung, wie der Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 6 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nunmehr auszulegen ist. Hinsichtlich der sich ständig fortentwickelnden Technik der Abluftreinigung und der mit dem Einbau einer solchen Anlage verbundenen Kosten kommt es für den Anlagenbetreiber entscheidend darauf an, ob er zum Einbau einer – möglicherweise in Deutschland noch nicht vorhandenen – Technik verpflichtet werden kann und welche Kriterien in die Abwägung über das dem Betreiber zumutbare Maß an Vorsorge einfließen. Darüber hinaus ist auch die Regelung in Art. 9 Abs. 3 IVU-RL von Bedeutung, nach der die Genehmigung zum Betrieb einer Anlage Emissionsgrenzwerte für Schadstoffe enthalten soll, die von der Anlage in „relevanter“ Menge emittiert werden können. Es stellt sich hier insbesondere die Frage, ob und wie diese Vorgabe im nationalen Recht umgesetzt worden ist und wie dies sinnvollerweise mit Rück146 147

Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 7. Vgl. dazu Hansmann, ZUR 2002, 19 ff.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

sicht auf die Schwierigkeit der Geruchsemissionsmessung erfüllt werden kann. Hierauf wird im Rahmen der Erörterung der Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und sonstigen technischen Regelwerke zur Bewertung von Geruch eingegangen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat die Umsetzung der IVU-RL dazu geführt, dass Anlagenarten mit besonders geruchsintensiven Produktionsverfahren der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterworfen worden sind, die zuvor nicht genehmigungsbedürftig waren.148 Für diese Anlagen ist infolgedessen im Genehmigungsverfahren nun zu prüfen, ob durch deren Errichtung oder Betrieb (neben anderen schädlichen Umwelteinwirkungen) erhebliche Geruchsimmissionen herbeigeführt werden. Darüber hinaus hat die Richtlinie Änderungen im Genehmigungsverfahren bewirkt sowie deren Pflichten modifiziert. 6. Kommt die gemeinschaftsrechtliche Richtlinie zur Geruchsbewertung? Die EN 13725:2003 und die derzeitigen Arbeiten des Europäischen Komitees für Normung an einer Europäischen Norm zur Messung der Geruchsstoffimmission durch Begehung149 beweisen, dass die Problematik der Auswirkungen von Geruchsemissionen und -immissionen auch auf europäischer Ebene von Bedeutung ist. Die zuständigen Legislativ- und Exekutivorgane der Gemeinschaft sind sich des Problems durchaus bewusst.150 van Harreveld151 ging 2004 dennoch davon aus, dass von der Europäischen Union eine befriedigende Regelung zur Geruchsbewertung zu diesem Zeitpunkt 148 Folgende Anlagentypen, die in besonderem Maße Geruchsimmissionen herbeiführen können, sind in den Katalog der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Anhang zur 4. BImSchV aufgenommen worden: Industrieanlagen zur Herstellung von Papier und Pappe, deren Produktionskapazität 20 t pro Tag übersteigt (Anhang I Nr. 6.1 b) IVU-Richtlinie; Anhang zur 4. BImSchV, Spalte 1, Nr. 6.2); Anlagen zum Schlachten mit einer Schlachtkapazität (Tierkörper) von mehr als 50 t pro Tag, (Anhang I Nr. 6.4 a) IVU-RL; Anhang zur 4. BImSchV, Spalte 1, Nr. 7.2.); Behandlungs- und Verarbeitungsanlagen zur Herstellung von Nahrungsmittelerzeugnissen aus: 1. tierischen Rohstoffen (mit Ausnahme von Milch) mit einer Produktionskapazität von mehr als 75 t Fertigerzeugnissen pro Tag (Anhang I Nr. 6.4 b“,) IVU-RL; Anhang zur 4. BImSchV, Spalte 1, Nr. 7.3, 7.4, 7.5, 7.8, 7.9, 7.16, 7.17), 2. pflanzlichen Rohstoffen mit einer Produktionskapazität von mehr als 300 t Fertigerzeugnissen pro Tag (Vierteljahresdurchschnitt) (Anhang I Nr. 6.4 b 2. Spstr. IVU-RL; Anhang zur 4. BImSchV, Spalte 1, Nr. 7.4 a) bb), 7.19, 7.20 u. a.); Anlagen zur Behandlung und Verarbeitung von Milch, wenn die eingehende Milchmenge 200 t pro Tag übersteigt (Jahresdurchschnitt) (Anhang I Nr. 6.4 c) IVU-RL; Anhang zur 4. BImSchV, Spalte 1, Nr. 7.32); Änderungen hat es auch in der Nr. 8. des Anhangs zur 4. BImSchV gegeben, dort bei Nr. 8.6 (Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen). 149 Vgl. http: //www.ecoma.de/de/_news01 / cont_news_more.php?id=59. Der englische Titel der Arbeitsgruppe CEN / TC 264 / WG 27 lautet: Air quality – Determination of odour exposure in ambient air by using field inspection. 150 Vgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1 f.

II. Gemeinschaftsrecht

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nicht erwartet werden könne. Es existierten Ansätze und es werde über das Problem der Geruchsbelästigung gesprochen. Die Problematik der Geruchsbelästigung werfe jedoch erhebliche Fragen auf und auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts sei eine baldige Lösung oder auch eine rechtliche Regelung nicht zu erwarten. Nach wie vor gibt es soweit ersichtlich auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene keine Bemühungen, neben den technischen Rahmenbedingungen für die Messung von Geruch auch rechtliche Regelungen zur Bewertung von Geruch zu entwickeln, mit der Grenzwerte für zulässige Geruchsemissionen oder -immissionen geschaffen würden. Dies erstaunt nicht, da die Legislativorgane der Gemeinschaft in dieser Frage vor denselben Problemen stehen, wie der nationale Normgeber. Solange der Zusammenhang zwischen der Emission von Geruchsstoffen und deren Wirkung auf den Menschen mit den bekannten Unsicherheiten behaftet ist, kann eine Regelung, die dieses Verhältnis in feste Vorschriften zu gießen sucht, stets nur eine Annäherung an eine tragfähige Grundlage zur Bewertung von Geruch darstellen. Dennoch besteht der Wunsch nach weiterer Vereinheitlichung der Regelungen zur Geruchsmessung in Europa, um eine Basis zur gemeinsamen Bekämpfung von Geruchsimmissions-Problemen in Europa zu bilden.152 van Broeck153 untermauert diese Notwendigkeit unter anderem mit der erheblichen Problematik durch Geruchsbelästigungen in dichtbesiedelten Gegenden Europas und der erforderlichen Stabilisierung des Konkurrenzkampfes bestimmter Industrien in der Europäischen Union. Durch die Festlegung von Geruchsemissionsbegrenzungen in mehr und mehr Regionen der EU könnten die Wettbewerbsbedingungen für bestimmte Industrien EU-weit angeglichen werden. Eine Vereinheitlichung der Regelungen führe zugleich zum Erreichen der Ziele, die im Sechsten Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft154 im „Clean Air for Europe Programm“ (CAFE)155 genannt werden. Die EN 13725:2003, die IVU-RL und die auf deren Grundlage entwickelten BREFs seien erste Schritte in Richtung einer Harmonisierung. Diese müsse jedoch fortgeführt werden. 151 Anlässlich der Konferenz „Environmental Odour Management“ der Kommission Reinhaltung der Luft im November 2004 hatte van Harreveld vergeblich versucht, einen Vertreter der EU als Referenten für die Veranstaltung zu gewinnen. Zum Zeitpunkt der Konferenz fühlte sich jedoch weder ein Mitglied der „Kommission Umwelt“, noch der European Environment Agency (EEA), noch der Direktion, die die IVU-Richtlinie erlassen hat, in der Lage und im Stande, zu dem Thema „Environmental Odour Management“ Auskunft zu geben, vgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1 f. 152 Vgl. van Broeck, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 91, 92. 153 Vgl. van Broeck, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 91, 92. 154 ABl. EG L 242, S. 1 vom 10. 09. 2002. 155 Vgl. dazu die Mitteilung der Kommission zur Thematischen Strategie zur Luftreinhaltung, KOM(2005) 446 endgültig vom 21. 09. 2005, http: //eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/ de/com/2005/com2005_0446de01.pdf sowie den mittlerweile ergangenen Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über die Luftqualität und saubere Luft für Europa, KOM(2005) 447 endgültig, http: //ec.europa.eu/environment/air/cafe/pdf/com_2005_447_de. pdf.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Als Vorbild schlägt van Broeck die Richtlinie 2002 / 49 / EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm156 vor, räumt jedoch zugleich ein, dass es sich als wesentlich schwieriger darstelle, eine entsprechende Direktive für Geruchsbekämpfung zu entwickeln, da der Zusammenhang von Geruchsemission und Geruchsbelästigungswirkung wesentlich komplexer sei als beim Lärm. Über die in den BREFs vorgesehenen Maßnahmen der Geruchs-Überwachung durch die Identifikation der Geruchsquellen und die Schaffung und Überwachung von Abhilfemaßnahmen, sollte es eine weitergehende Herangehensweise an die Geruchsproblematik geben. Dabei hätten solche Faktoren eine wichtige Bedeutung, wie beispielsweise Training, Austausch, Funktionskontrolle, Wartungsprogramme, Einbeziehung der Mitarbeiter, R&D Aktivitäten (research and development)157 und Benchmarking158. Darüber hinaus bestünde auch Bedarf nach weiterer Harmonisierung von Überwachungs-Mechanismen (systematische Befragungen, Sammlung und Auswertung derselben etc.). 7. Zwischenergebnis Die nachteiligen Auswirkungen von Geruchsimmissionen auf die Umwelt sind als umweltrelevantes Problem auf Gemeinschaftsebene angekommen. Dies beweist zum Beispiel die Europäische Norm EN 13725:2003, bei der es sich jedoch um ein technisches und nicht um ein rechtliches Regelwerk handelt. Mit der EN 13725:2003 ist zunächst eine Harmonisierung der technischen Regelungen zur Geruchsmessung in Gang gesetzt worden, was als ein wichtiger erster Schritt zu werten ist. Eine gemeinschaftsrechtliche Regelung zur (rechtlichen) Bewertung von Geruch existiert gleichwohl noch nicht. Ein entsprechender Erlass ist in Zukunft auch nicht zu erwarten. Die Luftreinhaltung ist aber ein wesentlicher Regelungsschwerpunkt des gemeinschaftlichen Umweltschutzes und zwei der auf den primärrechtlichen Grundlage ergangenen Richtlinien umfassen auch die Auswirkungen von geruchsintensiven Stoffen auf die Umwelt. Dabei handelt es sich um die UVP-RL und die IVU-RL. Die UVP-RL hat das verfahrensrechtliche Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingeführt. Sie dient dem Zweck, die von bestimmten Projekten hervorgerufenen Auswirkungen auf die Umwelt vor deren Zulassung bewerten 156 RL 2002 / 49 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25. 06. 2002, ABl. EG Nr. L 189, S. 12 vom 18. 07. 2002; vgl. dazu Falke, ZUR 2000, 384; Dietrich, ZUR 2006, 501. 157 Der Begriff R&D, der für research and development steht, wird im Deutschen zumeist als F&E (Forschung und Entwicklung) übersetzt. Forschung und Entwicklung umfasst alle planvollen und systematischen Aktivitäten auf der Basis wissenschaftlicher Methoden, deren Ziel der Erwerb neuen Wissens ist, wobei „neu“ in Bezug auf die jeweilige organisatorische Einheit zu verstehen ist, vgl. Schröder, Forschung und Entwicklung, S. 29 f. 158 Unter Benchmarking versteht man eine vergleichende Analyse mit einem festgelegten Referenzwert, vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 3 „Benchmarking“.

II. Gemeinschaftsrecht

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und berücksichtigen zu können. Dabei sind nicht nur die Auswirkungen auf die einzelnen Schutzgüter Mensch, Fauna und Flora sowie Boden, Wasser, Klima und Landschaft zu berücksichtigen, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen den vorgenannten Komponenten. Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung sind auch die Auswirkungen von geruchsintensiven Prozessen auf die Umwelt, insbesondere auf den Menschen, zu prüfen. Dies ergibt sich aus den im Anhang zur UVP-RL aufgeführten Anlagenarten, bei deren Genehmigung eine UVP durchzuführen ist. Dazu gehören auch Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen. Die UVP-Richtlinie ist mit dem UVPG in nationales Recht umgesetzt worden. Bei der Anwendung im nationalen Recht herrscht Streit über den materiellrechtlichen Gehalt der UVP-RL. Während ein Teil der Literatur sowie die höchstrichterliche Rechtsprechung einen solchen bisher abgelehnt hat, wird von einem anderen Teil der Literatur vertreten, die UVP-RL würde auch die materiellrechtlichen Kriterien, die beispielsweise im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens zu prüfen seien, beeinflussen. Allerdings gehen auch die einen materiellrechtlichen Gehalt bejahenden Stimmen in der Literatur davon aus, dass sich die materiellrechtlichen Anforderungen im Ergebnis in der Verpflichtung erschöpfen, die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie die von dem Projektträger, den betroffenen Behörden und den anderen Mitgliedstaaten eingeholten Angaben beim Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Vorgaben über die Art und Weise dieser Berücksichtigung, insbesondere in Bezug auf die Gewichtung der verschiedenen Interessen, sind der Richtlinie danach jedoch nicht zu entnehmen. Im Unterschied zur UVP-Richtlinie hat die IVU-Richtlinie die Gesetzgebung zum materiellen Immissionsschutzrecht in erheblicher Weise beeinflusst. Mit der Umsetzung der IVU-Richtlinie sind wesentliche Normen des BImSchG modifiziert worden, und zwar auch die für die Anforderungen an Anlagen mit besonders geruchsintensiven Prozessen besonders relevanten §§ 3 Abs. 6, 5 Abs. 1 und 22 BImSchG. Dies gilt insbesondere für den in § 5 Abs. 1 eingefügten Eingangssatz, nach dem die in § 5 Abs. 1 genannten Betreiberpflichten der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt dienen sollen und für die Neufassung des Begriffs des Standes der Technik in § 3 Abs. 6 BImSchG, der sowohl auf die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 als auch des § 22 BImSchG Auswirkungen hat. Ob die Bewertung von Geruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG aufgrund des neu eingefügten Eingangssatzes nun nach anderen materiellen Maßstäben muss als zuvor, erscheint zumindest insoweit fraglich, als im Rahmen der Schutzpflicht aufgrund des absoluten Maßes an dadurch gewährleistetem Schutz für eine Abwägung der Auswirkungen auf die unterschiedlichen Schutzgüter und eine Verringerung des Schutzumfangs grundsätzlich kein Raum ist. Hinsichtlich des Einflusses der Umsetzung auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gilt, dass nunmehr bei der Festlegung von Vorsorgemaßnahmen die dadurch hervorgerufenen Verlagerungseffekte in die Entscheidung einbezogen werden müssen. Insgesamt hatten und haben die primären und sekundären gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des nationalen Umwelt-

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

rechts und damit auch auf das Immissionsschutzrecht. Der gemeinschaftsrechtliche integrierte und medienübergreifende Ansatz hat in das nationale Immissionsschutzrecht Einzug gehalten, ohne dass das nationale Regelungsgefüge bisher auf eine vollständig neue Systematik hin ausgerichtet worden ist. Dies mag sich in Zukunft mit dem Erlass eines Umweltgesetzbuches jedoch noch verändern. Schon die bisher ergangenen Vorgaben der Gemeinschaft haben eine Änderung der für die Geruchsbewertung maßgeblichen Regelungen im nationalen Recht bewirkt, die sich auch auf die Frage auswirken, auf welche Weise nach dem materiellen Immissionsschutzrecht Geruch zu bewerten ist. Welche Regelungen dies im Einzelnen sind und wie sich der gemeinschaftsrechtliche Ansatz auf die Geruchsbewertung auswirkt, wird im nachfolgenden Abschnitt erörtert.

III. Nationales Recht 1. Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) a) Geruch als Regelungsgegenstand des BImSchG Das Bundes-Immissionsschutzgesetz159 (BImSchG) ist die wichtigste gesetzliche Grundlage zur Bewertung von Geruch im öffentlich-rechtlichen Immissionsschutzrecht.160 Das Gesetz spricht zwar nicht ausdrücklich von „Geruch“, sondern führt in § 3 Abs. 4 BImSchG Geruchsstoffe als eine Form der Luftverunreinigungen auf. Da Luftverunreinigungen gemäß § 3 Abs. 2 BImSchG eine Immissionsart sind und Immissionen wiederum unter bestimmten, in § 3 Abs. 1 BImSchG normierten Voraussetzungen schädliche Umwelteinwirkungen darstellen, können auch Geruchsstoffe zu schädlichen Umwelteinwirkungen werden, vor denen das BImSchG gerade schützen will. Zweck des Gesetzes ist gemäß § 1 Abs. 1 BImSchG Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen. Darüber hinaus dient das BImSchG – soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen handelt – auch der integrierten Vermeidung und Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Emissionen in Luft, Wasser und Boden unter Einbeziehung der Abfallwirtschaft, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen, sowie dem Schutz und der Vorsorge gegen Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen, die auf andere Weise161 herbeigeführt werden, § 1 Abs. 2 BImSchG.162 159 Zum Zweck und zur Entstehungsgeschichte des BImSchG vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG BT-Drs. 7 / 179, 7 / 1508, 7 / 1513. 160 Immissionsschutzrechtliche Vorschriften finden sich sowohl in einer Vielzahl von Normen des öffentlichen als auch in einigen Normen des Zivilrechts. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich jedoch auf die Untersuchung der Bewertung von Geruch nach dem BImSchG und den auf seiner Grundlage ergangenen Regelungen.

III. Nationales Recht

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Um den Zweck des Gesetzes zu erreichen, stellt das BImSchG bestimmte Anforderungen an all jene Quellen auf, die potentiell schädliche Umwelteinwirkungen herbeiführen können.163 Dies sind im Wesentlichen (technische) Anlagen, aber auch Produkte oder sonstige Handlungen, durch die Immissionen herbeigeführt werden können. Die Anforderungen knüpfen jeweils an den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen an. Beispielsweise sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden können, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Der Gesetzeszweck kann jedoch nur erreicht werden, wenn bekannt ist, unter welchen Voraussetzungen Immissionen zu schädlichen Umwelteinwirkungen werden. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist die in § 3 Abs. 1 BImSchG enthaltene Legaldefinition164 des Begriffs der schädlichen Umwelteinwirkungen. aa) Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG (1) Definition Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, § 3 Abs. 1 BImSchG. Schädliche Umwelteinwirkungen sind demnach Immissionen, die durch eine Störeigenschaft gekennzeichnet sind. Die potentiellen Störwirkungen werden als Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen umschrieben. Durch den Zusatz der Erheblichkeit – der entgegen dem Wortlaut auch für den Begriff der Gefahren gilt165 – erfährt der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 BImSchG insofern eine Einschränkung, als erst ein bestimmter Grad an Störwirkung eine Immission zu einer schädlichen Umwelteinwirkung macht. Anhalts161 Mit sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen sind solche gemeint, die durch Unfälle oder Betriebsstörungen herbeigeführt werden können, BTDrs. 14 / 4599, S. 125. 162 § 1 Abs. 2 BImSchG in seiner geltenden Fassung ist erst durch das bereits erörterte Artikelgesetz vom 27. 07. 2001 (BGBl. I S. 1950 ff., 1973) in das BImSchG eingeführt worden, vgl. dazu Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 1 Rn. 7, 29; vgl. dazu auch die Amtliche Begründung zum Artikelgesetz, BT-Drs. 14 / 4599, S. 64 ff. 163 Vgl. Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 4. 164 Für bestimmte für das Gesetz besonders wichtige Begriffe hat der Gesetzgeber Legaldefinitionen eingeführt, vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29. 165 Vgl. hierzu die Kritik von Jarass, DVBl. 1983, 725, 728, und Feldhaus, DVBl. 1979, 304.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

punkte für die Herangehensweise an die Festlegung der Erheblichkeit gibt der Zusatz „nach Art, Ausmaß oder Dauer“. Der Wortlaut verdeutlicht zudem, dass Immissionen nur „geeignet“ sein müssen, eine Störwirkung der beschriebenen Art herbeizuführen.166 Eine tatsächlich eintretende Störwirkung ist demnach nicht erforderlich, um eine Immission als schädliche Umwelteinwirkung qualifizieren zu können. Immission müssen lediglich potentiell eine Störwirkung hervorrufen können.167 Die (potentielle) Störwirkung muss den in der Norm genannten Adressatenkreis treffen. Das sind die „Nachbarschaft“ oder die „Allgemeinheit“. Die Definition des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ verwendet eine Vielzahl von Begriffen, die der weiteren Auslegung bedürfen. Der Begriff der Immissionen wird in § 3 Abs. 2 legaldefiniert, wie sogleich dargestellt wird. Die Begriffe „Nachbarschaft“, „Allgemeinheit“ und „Art, Ausmaß und Dauer“ müssen durch den Rechtsanwender ausgelegt werden. Dies gilt auch für die Begriffe „Gefahren“, „erhebliche Nachteile“ und „erhebliche Belästigungen“, die sich jedoch als schwieriger auszulegende Tatbestandsmerkmale darstellen.168 Während die Begriffe „Nachbarschaft“, „Allgemeinheit“ und „Art, Ausmaß und Dauer“ ihrem Wortlaut nach überwiegend noch an objektiv bestimmbare Merkmale anknüpfen, vermag der Rechtsanwender anhand der Begriffe „Gefahren“, „erhebliche Nachteile“ und „erhebliche Belästigungen“ nicht zu beurteilen, ob Immissionen im konkreten Fall schädliche Umwelteinwirkungen sind oder nicht. Er muss zunächst ermitteln, was unter einer Gefahr, einem erheblichen Nachteil und einer erheblichen Belästigung zu verstehen ist, wobei der Zusatz der Erheblichkeit bereits verdeutlicht, dass hier eine Wertung durch den Rechtsanwender gefordert ist. Die Begriffe Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen stellen – wie im Übrigen auch der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen selbst169 – „unbestimmte Rechtsbegriffe“170 dar.171 Unbestimmte Rechtsbegriffe 166 167

Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 8c. Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 29. 168

Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 29. 169 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung von Blank, Der unbestimmte Rechtsbegriff „schädliche Umwelteinwirkungen“. 170 Genau genommen müsste man von einem unbestimmten Gesetzesbegriff sprechen. Der Ausdruck „unbestimmter Rechtsbegriff“ hat sich im juristischen Sprachgebrauch jedoch durchgesetzt und wird auch hier so verwendet; ebenso Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 225; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 28. Zur Rechtsfigur des unbestimmten Rechtsbegriffs vgl. von Mutius, Jura 1987, 92; Ossenbühl, DÖV 1970, 84; Schoch, Jura 2004, 612. Der Ausdruck „unbestimmter Rechtsbegriff“ wird zum Teil als „Pleonasmus“ bezeichnet, da letztlich jeder Rechtsbegriff mehrdeutig und insofern unbestimmt sei, vgl. Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allg. VerwR, § 10 Rn. 3. Als spontane juristische Laienlinguistik wird der Begriff bezeichnet von Müller / Christensen, Methodik, Bd. II, Kap. 452.1.

III. Nationales Recht

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sind Begriffe im Tatbestand einer Norm, die in besonderem Maße der Auslegung und Konkretisierung bedürfen, da ihr Bedeutungsgehalt durch objektive Maßstäbe nicht erschöpfend festgelegt werden kann. Auf die Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs wird sogleich noch eingegangen.172 Hieran wird schon ein wesentliches Charakteristikum des BImSchG deutlich: Konkrete Anforderungen zum Immissionsschutz gibt das Gesetz nur an ganz wenigen Stellen vor.173 Es zeichnet sich vielmehr durch die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen aus, die vom Rechtsanwender ausgelegt werden müssen.174 Vor der diffizileren Auseinandersetzung mit diesen unbestimmten Rechtsbegriffen werden zunächst der legaldefinierte Begriff der Immissionen, sowie der in seiner Legaldefinition enthaltene Begriff der Luftverunreinigungen und in Abgrenzung zu den Immissionen der Begriff der Emissionen dargestellt. (2) Immissionen i. S. d. § 3 Abs. 2 BImSchG Immissionen im Sinne des § 3 Abs. 2 BImSchG sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind allein Luftverunreinigungen in Form von Geruchsstoffen, so dass auf die anderen Immissionsarten nicht näher eingegangen wird.175 Für den Begriff der Luftverunreinigungen hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 4 BImSchG eine Legaldefinition eingeführt.176 Danach sind Luftverunreinigungen Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.177 Das Gesetz geht somit davon aus, dass die Luft in ihrer „natürlichen Zusammensetzung“ einer 171 Vgl. Ule / Laubinger, BImSchG, Komm., Teil 1, § 3 Rn. 17; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 18; OVG Münster, in: Ule / Laubinger (Hrsg.), BImSchG, Rspr., Bd. I, § 6 Nr. 13, S. 7. 172 In diesem Abschnitt unter cc). 173 Vgl. VGH München, Urt. v. 01. 07. 2005, Az.: 25 B 99.86, NJOZ 2005, 3882; Hansmann, BImSchG, S. 17. 174 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 16; Hansmann, in: FS Sendler, S. 285. 175 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung von Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 20 f. – 20n. 176 Vgl. dazu die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29. 177 Die Phänomene Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole und Dämpfe sind nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung und werden daher nicht näher erläutert. Vgl. dazu Feldhaus, BImSchR, Bd. I, § 3 BImSchG, Nr. 3 unter Hinweis auf die VDI-Richtlinie 2104, September 1966, Begriffsbestimmungen Reinhaltung der Luft.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

bestimmten Qualität unterliegt, die durch die Zuführung der genannten Stoffe in die Luft verändert wird.178 Bemerkenswert an der Definition in § 3 Abs. 4 BImSchG ist die Verwendung des Begriffs „Geruchsstoffe“ und nicht etwa des Begriffs „Geruch“. Dies ist medizinisch-biologisch gelungen, da Geruch eine Empfindung darstellt, die erst durch die chemische Wirkung von Geruchsstoffen auf den Menschen hervorgerufen wird, wie oben ausführlich erläutert worden ist.179 Diese naturwissenschaftlich korrekte Wortwahl findet sich gleichwohl nicht in allen rechtlichen Regelungen zum Immissionsschutz wieder.180 Der Begriff der Immission ist von dem lateinischen Wort immittere, zu Deutsch hineinsenden, abgeleitet. 181 Die Immission kennzeichnet somit ihr einwirkender Charakter. Die Einwirkung muss physischer Natur sein; psychische Einwirkungen stellen keine Immissionen dar.182 Allerdings müssen Immissionen nicht notwendigerweise auch Wirkungen an den Gütern hervorrufen, auf die sie einwirken. Es genügt, wenn sie am Einwirkungsort auftreten.183 In Bezug auf Geruchsstoffe kommt es auf diese Unterscheidung nicht an. Zwar ist zur Qualifizierung eines Stoffs als Immission eine tatsächliche Wirkung nicht erforderlich. Geruchsstoffe können aber nur dann als Immissionen festgestellt werden, wenn sie ihre Wirkung schon entfaltet haben, und zwar als wahrgenommener Geruch. Ihr bloßes Auftreten am Immissionsort unter der olfaktorischen Wahrnehmungsschwelle kann Geruchsstoffe zwar theoretisch als Immissionen qualifizieren. Dieses Auftreten ist jedoch ohne praktische Bedeutung, da es wirkungslos und 178 Wenngleich die natürliche Zusammensetzung der Luft Schwankungen nach Ort und Zeit unterliegt (vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 22), können dennoch die Hauptbestandteile der Luft und ihr prozentualer Anteil annähernd genau bestimmt werden. Dies sind Stickstoff mit einem Anteil von 78,10 Volumen-Prozent, Sauerstoff mit einem Anteil von 20,93 Volumen-Prozent, Argon mit einem Anteil von 0,9325 Volumen-Prozent, Kohlendioxid und Wasserstoff sowie die chemischen Elemente Neon, Helium, Krypton und Xenon jeweils in Volumina von unter 0,03 Prozent (diese Festlegung ist der Richtlinie 2104 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) entnommen, vgl. Engelhardt / Schlicht, BImSchG, § 3 Rn. 5). Geruchsstoffe sind organische oder anorganische Verbindungen, wie im Kapitel B. ausführlich dargestellt worden ist. In die Luft ausgestoßen verändern sie deren natürliche Zusammensetzung. 179 Vgl. oben B. I. 1. 180 Vgl. etwa § 906 Abs. 1 BGB: „Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von [ . . . ] Gerüchen [ . . . ] insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.“ 181 Vgl. Hansmann, BImSchG, S. 9. 182 Vgl. Hansmann, BImSchG, S. 9; so auch die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29; auch bei der Beurteilung von Geruchsstoffen kann daher lediglich deren reale physische Wirkung bewertet werden, gleichwohl bereits der Anblick einer noch nicht in Betrieb genommenen Kläranlage zu Geruchseindrücken führen kann, wie oben ausgeführt worden ist, vgl. B. II. 4. 183 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 20a.

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somit nicht nachweisbar ist. Den Nachweis einer Einwirkung ohne Wirkung kann es demnach für Geruchsstoffe nicht geben. Immissionen werden nicht anlagenbezogen sondern vom Einwirkungsort aus betrachtet.184 Entscheidend für ihre Beurteilung ist die Gesamtbelastung am Einwirkungsort und zwar unabhängig davon, ob die Immissionen von einer oder von mehreren Quellen hervorgerufen werden.185 Grund dafür ist, dass das BImSchG nicht nur den Schutz vor den von einer bestimmten Anlage herbeigeführten Immissionen bezweckt, sondern auf den Schutz vor einem absoluten Maß an Einwirkungen abzielt. Welches Maß dabei jeweils das Höchstmaß einer zulässigen Einwirkung darstellt, hängt davon ab, ab wann die Einwirkung zur schädlichen Umwelteinwirkung wird und damit ab wann sie geeignet ist, eine Gefahr, eine erhebliche Belästigung oder einen erheblichen Nachteil herbeizuführen. Denkbar ist es, hierfür einen festgelegten Immissionsgrenzwert anzulegen, also einen bezifferten Wert, dessen Überschreitung zur Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung führt. Für die Neuerrichtung oder Erweiterung einer Anlage hat diese Herangehensweise zur Folge, dass nicht nur ihr (zusätzlicher) Beitrag zu möglicherweise auftretenden Immissionen berücksichtigt werden, sondern auch festgestellt werden muss, wie sich die Immissionssituation am Einwirkungsort vor Inbetriebnahme der (erweiterten) Anlage darstellt, da im anderen Falle der angestrebte Schutz nicht erreicht werden kann. Dies kann auch bedeuten, dass bestimmte Standorte, die bereits in hohem Maße durch andere Anlagen oder weitere, zu berücksichtigende Quellen, immissionsvorbelastet sind, für die Neuerrichtung oder Erweiterung einer Anlage ungünstig oder sogar ungeeignet sind. Um Immissionen einer bestimmten Anlage zurechnen zu können, muss stets ein kausaler Zusammenhang mit den von ihr ausgehenden Emissionen bestehen. Letztere müssen also zu den konkret zu bewertenden Immissionen beitragen.186 Dies ist beispielsweise für die Genehmigungsfähigkeit einer einzelnen Anlage oder für die nachträgliche Anordnung von Maßnahmen zum Immissionsschutz von Bedeutung, auch wenn es am Immissionsort auf die Gesamtbelastung ankommt. Bei der Feststellung der Immissionen am Einwirkungsort muss demnach danach differenziert werden, welche Quelle welche Art von Immissionen hervorruft. Dies erfolgt über messtechnische Verfahren. Auch Geruchsimmissionen als Folge des Ausstoßes von Geruchsstoffen müssen demnach stets vom Einwirkungsort aus beurteilt werden. Die messtechnischen Einzelheiten zur Feststellung von Geruchsimmissionen in Form von Begehungen sind bereits im Kapitel C. erörtert worden. Für die Zurechnung von Geruchsimmissionen zu einer bestimmten Anlage ist bei der Messung von erheblicher Bedeutung, 184 185 186

Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 03. 07. 2000, Az.: 1 K 1014 / 00, DVBl. 2000, 1871, 1873. Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 20c. Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 20a.

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ob bei Begehungen zur Feststellung von Geruchsimmissionen die Probanden den Geruch einer spezifischen Anlage von den sonstigen am Einwirkungsort auftretenden Geruchsarten – etwa durch den Kraftverkehr oder durch den Hausbrand – abgrenzen können. Werden Geruchsimmissionen von mehreren Anlagen zugleich oder zusätzlich von weiteren Quellen hervorgerufen, kann die Differenzierung nur über eine besondere Schulung der Probanden auf die einzelnen Anlagengeruchsarten erfolgen.187 (3) Abgrenzung der Emissionen i. S. d. § 3 Abs. 3 BImSchG von den Immissionen Von den Immissionen sind die Emissionen abzugrenzen. Letztere werden gemäß § 3 Abs. 3 BImSchG definiert als die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen.188 Zur Abgrenzung des Begriffs führt die Amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs aus, dass der Emissionsbegriff die Objekte unter einem zeitlich und örtlich verschiedenen Aspekt erfasst als der Immissionsbegriff. Während als Immissionen die am Einwirkungsort auftretenden Luftverunreinigungen usw. bezeichnet werden, sind Emissionen die im unmittelbaren Bereich der Anlage im Zeitpunkt des Austritts auftretenden Luftverunreinigungen, [ . . . ] usw.189 Emissionen werden daher stets an ihrer Austrittsquelle erfasst.190 Emissionen geraten insbesondere im Bereich der Vorsorge in den Blickpunkt und können Anknüpfungspunkt für besondere Anforderungen nach dem BImSchG oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift sein. Durch Vorsorgemaßnahmen sollen Emissionen reduziert werden, um so dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen, vgl. § 1 Abs. 1 BImSchG. Die Betrachtung der Emissionen hat durch die Umsetzung der IVU-Richtlinie insofern weiter an Bedeutung gewonnen, als der in § 1 Abs. 2 BImSchG postulierte integrative Umweltschutz bei der Vermeidung und Verminderung der Emissionen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen ansetzt. Bei den Anforderung zur Vermeidung und Verminderung von Emissionen handelt es sich typischerweise um bestimmte betriebliche und bauliche Anforderungen an die Anlage, die von vornherein dem Entstehen von Emissionen entgegenwirken sollen. Hinzukommen können Emissionsgrenzwerte, die beim Betrieb der Anlage einzuhalten sind und auf die noch eingegangen wird. Nur mittelbar an der EmisVgl. dazu oben C. II. 5. Da Gegenstand der vorliegenden Untersuchung allein Luftverunreinigungen in Form von Geruchsstoffen sind, werden die anderen Erscheinungsformen nicht behandelt, vgl. dazu Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 2. 189 Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, Allgemeines, BTDrs. 7 / 179, S. 29. 190 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 21a. 187 188

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sion setzen Abstandsregelungen an, die durch die Sicherstellung eines Abstands zwischen Emittenten und potentiell von den Emissionen Betroffenen Vorsorge treffen. Wichtig ist die Unterscheidung von Emissionen und Immissionen. Sie müssen nicht identisch sein. Die umweltrelevanten Erscheinungen können sich auf dem Ausbreitungspfad zum Beispiel durch Synergismen oder durch Umwandlung in ihrer Konzentration oder in ihrer Art verändern.191 Allein von der Qualität und Konzentration an Emissionen kann daher nicht unbedingt auf das Maß an dadurch hervorgerufenen Immissionen geschlossen werden. Die Ermittlung des Umfangs an Emissionen ist zwar ein wesentlicher, aber dennoch nur ein Teil einer möglichen Prognose über die dadurch herbeigeführten Immissionen. Zusätzlich müssen bei den sogenannten Immissionsprognosen – die in Form von Ausbreitungsrechnungen erstellt werden – die äußeren Einflüsse, die auf die Emissionen einwirken können, berücksichtigt werden. Dies kann zu erheblichen Schwierigkeiten führen.192 Die vorgenannten Probleme sind für die Bewertung von Geruch von besonderer Relevanz. Die Methodik der Geruchsemissionsmessung und die Bedeutung der Feststellung von Geruchsemissionen ist in Kapitel C. ausführlich beschrieben worden. Aufgrund der Schwierigkeit der Festlegung von Immissionswerten für Geruch wird versucht, der Problematik der Geruchsimmissionen zunächst durch umfangreiche Vorsorgemaßnahmen zu begegnen und auf Immissionswerte erst dann zurückzugreifen, wenn selbst bei Vornahme der möglichen Vorsorgemaßnahmen der Eintritt von erheblichen Geruchsimmissionen nicht auszuschließen ist oder aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls der Problematik besser mit der Festlegung von Immissionswerten begegnet werden kann.193 Besonderes Augenmerk wird daher auf die Vermeidung und Verminderung der Emission von Geruchsstoffen gelegt, was insbesondere durch technische und bauliche Maßnahmen erfolgt. Außerdem soll durch die Einhaltung bestimmter Abstände zwischen Emittent und Schutzgut verhindert werden, dass es überhaupt zu erheblichen Geruchsimmissionen kommt. In einigen wenigen Fällen werden allgemeine Emissionsgrenzwerte festgelegt, die der Einhaltung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Anforderungen dienen sollen.194 Die Feststellung von GeruchsemisVgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 16. Vgl. oben A. I. 4., B. I. 4. und C. II. 2. a). 193 Dies wird zum Beispiel deutlich, wenn die Geruchsimmissions-Richtlinie vorsieht, dass vor einer Prüfung nach der von ihr aufgestellten Vorgaben zunächst zu prüfen ist, ob die (der Vorsorge dienenden) Vorschriften der TA Luft und der VDI-Richtlinien 3471 und 3472 eingehalten werden und bereits auf diesem Wege verhindert werden kann, dass die von der zu beurteilenden Anlage ausgestoßenen Geruchsemissionen zu erheblichen Geruchsbelästigungen werden, vgl. GIRL 2008, Nr. 2. 194 Welche Schwierigkeiten sich bei der Festlegung starrer Emissionsgrenzwerte für Geruchsstoffe ergeben, ist bereits im Kapitel B. angesprochen worden. Auf die existierenden 191 192

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

sionen ist daneben im Rahmen des Anlagengenehmigungsverfahrens von besonderer Bedeutung. Dort ist eine Prognose anhand einer Ausbreitungsrechnung erforderlich, um die zu erwartende Immissionsbelastung zu ermitteln. Grundlagen der Ausbreitungsrechnung sind unter anderem die Emissionskonzentration und das -volumen an Geruchsstoffen.195 bb) Störqualität der Umwelteinwirkungen: Gefahr, erheblicher Nachteil oder erhebliche Belästigung (1) Gefahren, Nachteile, Belästigungen Immissionen werden dann zu schädlichen Umwelteinwirkungen, wenn sie eine gewisse Störqualität aufweisen. Sie müssen nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sein, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für bestimmte Schutzgüter herbeizuführen.196 Da vorliegend ausschließlich von Bedeutung ist, unter welchen Voraussetzungen Geruchsimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen darstellen, beschränkt sich die folgende Darstellung auf die sich im Zusammenhang mit dieser Immissionsart stellenden Fragen und Probleme. (2) Gefahr durch Geruchsimmissionen? Gefahr ist die objektive Möglichkeit des Eintritts eines Schadens.197 Schaden wird als die erhebliche Verletzung eines Rechtsguts definiert.198 Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG umfasst insbesondere die Möglichkeit des Eintritts einer Schädigung der menschlichen Gesundheit.199 Eine Erheblichkeitsprüfung ist in diesem Falle nicht erforderlich (anders als bei Belästigungen und Nachteilen). Sind Immissionen geeignet, Gesundheitsschäden hervorzurufen, so sind sie stets erhebEmissionsgrenzwerte für Geruchsstoffe wird unten bei der Erörterung der in Rechtsverordnungen (in diesem Kapitel unter II. 2.) sowie in Verwaltungsvorschriften enthaltenen Emissionsgrenzwerte (in diesem Kapitel unter IV.) noch eingegangen. 195 Die Systematik der Einbettung der Ausbreitungsrechnung bei der Frage der Bewertung von Geruch wird im Rahmen der Erörterung der TA Luft und der Geruchsimmissions-Richtlinie dargestellt, die die Ausbreitungsrechnung als Instrument in das Genehmigungsverfahren einführen. 196 Vgl. zur historischen Entwicklung dieser Begriffstrias die ausführliche Darstellung von Ebinger, Der unbestimmte Rechtsbegriff, S. 58 ff. 197 Vgl. VGH Mannheim, in: Ule / Laubinger (Hrsg.), BImSchG Rspr. Bd. I, § 3 Nr. 14, S. 4. 198 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 10; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 26. 199 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 10. Daneben kommt auch eine Schädigung von Tieren, Pflanzen und Sachen in Betracht. Da es vorliegend jedoch um die Bewertung der Geruchswirkung auf den Menschen geht, bleiben diese Rechtsgüter außer Betracht.

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lich.200 Auch die Gesundheitsschäden, die lediglich bei besonders empfindlichen Bevölkerungsgruppen, wie Kindern, Alten oder Kranken auftreten, sind stets erheblich.201 Es stellt sich somit das Problem, ob Geruchsimmissionen geeignet sein können, Gefahren im vorgenannten Sinne bei der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit herbeizuführen. Welche Auswirkungen mit Geruchsimmissionen in Verbindung gebracht werden, ist bereits im Kapitel B. dargestellt worden. Fraglich bleibt daher, ob diese Auswirkungen Gesundheitsschäden im vorgenannten Sinne darstellen. Das hängt davon ab, wie die menschliche Gesundheit im Rahmen des BImSchG definiert wird und unter welchen Voraussetzungen von einer Schädigung derselben auszugehen ist. Die Frage nach dem Gesundheitsbegriff stellt sich im Rahmen der Geruchsbewertung aus einem besonderen Grund. Die allgemein herrschende Auffassung ist, dass Geruchsstoffe – unter Ausklammerung der toxischen Wirkung bzw. unterhalb der toxikologisch relevanten Schwelle – nach heutigem Wissensstand unmittelbar keine Schäden an der Gesundheit auslösen.202 Mindestens ist eine unmittelbar gesundheitsschädigende Wirkung von Geruchsstoffen unterhalb der toxischen Schwelle auf den Menschen bisher nicht nachweisbar.203 Im Zusammenhang mit der Wirkung von Geruchsstoffen wird in der Literatur jedoch wiederholt auf die in der Präambel zur Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) enthaltene Definition des Begriffs Gesundheit verwiesen.204 Es wird dazu ausgeführt, dass eine unmittelbar gesundheitsschädigende Wirkung von Geruch zwar nicht nachgewiesen sei; Geruch könne jedoch zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens führen, was aufgrund der WHO-Definition bereits als eine Beeinträchtigung der Gesundheit anzusehen sei.205 Damit stellt sich umso mehr das Problem, welcher Gesundheitsbegriff dem BImSchG zugrunde zu legen ist und welche Bedeutung die Definition des Begriffs in der WHO-Verfassung bei der Geruchsbewertung nach dem BImSchG einnimmt. Der Begriff „Gesundheit“ wird im BImSchG nicht definiert. Unter Bezugnahme auf verschiedene Urteile des VGH Mannheim206 wird in diesem Zusammenhang in 200 Vgl. BVerwG, Urt. v. 23. 05. 1991, Az.: 7 C 19.90, BVerwGE 88, S. 210, 216; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 11; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 51; ders., DVBl. 1983, 725, 729. 201 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn 51. 202 Vgl. Cooperative, Geruch, S. 82; BayStUGV, Analysesystem, S. 13; davon geht auch die GIRL aus, vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL in der Fassung vom 29. Februar 2008, zu Nr. 3.1, Abs. 1 , 5. Aufzählungszeichen. 203 Vgl. Roßnagel, NuR 1998, 69, 70; der gegenwärtige Stand der Forschung hierzu ist in Kapitel B. dargestellt worden. 204 Vgl. o.V., in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, Vorwort; BayStUGV, Analysesystem, S. 13; Hangartner, Geruchsanalysen, S. 3. 205 Vgl. BayStUGV, Analysesystem, S. 13. 206 VGH Mannheim, Urt. v. 21. 09. 1993, DVBl. 1994, 354; VGH Mannheim, Urt. v. 23. 10. 2001, DVBl. 2002, S. 709.

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der Kommentarliteratur zumeist ausgeführt, dass ein Gesundheitsschaden im Sinne des BImSchG vorliegt, wenn funktionelle oder morphologische Veränderungen des Organismus auftreten, die die natürliche Variationsbreite signifikant überschreiten.207 Auch die VDI-Richtlinie 2310208 legt in Bezug auf Luftverunreinigungen fest, dass eine Gesundheitsbeschädigung vorliegt, wenn durch unmittelbare Einwirkung luftverunreinigender Stoffe funktionelle oder morphologische Veränderungen des menschlichen Organismus eingetreten sind, die die natürliche Variationsbreite signifikant überschreiten. Ein Gesundheitsschaden soll nur für den Fall physiologischer Effekte zu bejahen sein. Wirkungen, die nur mittels psychologischer oder sozialwissenschaftlicher Methoden zu ermitteln sind, stellen demnach lediglich Belästigungen, jedoch keine Gesundheitsschäden dar.209 Diese Definition bezieht sich zwar auf den Schaden und nicht auf die Gesundheit. Daraus lässt sich aber ableiten, dass unter Gesundheit ein bestimmter Zustand des menschlichen Organismus innerhalb einer natürlichen Variationsbreite zu verstehen sein soll. Wie dieser Zustand beschaffen ist, geht daraus gleichwohl nicht hervor. Die Betonung des Organismus lässt darauf schließen, dass es sich dabei um einen körperlichen und nicht um einen seelischen Zustand handelt. Eine funktionelle oder morphologische Veränderung kann auch der Bedeutung der Begriffe nach nur an einem verkörperten Gegenstand eintreten.210 Die nationale Rechtsordnung legt den Begriff „Gesundheit“ nicht einheitlich aus. Er wird vielmehr je nach Zielrichtung eines Gesetzes unterschiedlich definiert. So finden sich beispielsweise im Sozialrecht, im Arbeitsrecht und im Krankenversicherungsrecht unterschiedliche Auslegungen des Begriffs.211 Aus diesen Rechtsgrundlagen ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, wie der Begriff im Rahmen des Umweltrechts auszulegen ist. Eine besonders weite Definition von „Gesundheit“ beinhaltet die bereits angesprochene Verfassung der WHO. Die WHO definiert den Begriff der Gesundheit mit: „Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“212

Ins Deutsche übersetzt lautet die Definition: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“213 207 Vgl. z. B. Feldhaus, BImSchR, Bd. I, § 3 BImSchG Nr. 7; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 51. 208 VDI-Richtlinie 2310, Maximale Immissionswerte, September 1974, Präambel Nr. 3. 209 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 51. 210 Denn funktionell bedeutet die Funktion(sweise) betreffend und morphologisch bedeutet den Gegenstand betreffend, vgl. Brockhaus-Redaktion, Enzyklopädie, Band 18, „Morphologie“. 211 Vgl. Jung, Recht auf Gesundheit, S. 2 f. 212 Vgl. Arbab-Zadeh, Das Verhältnis der WHO zu den Mitgliedstaaten, S. 1.

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Es ist somit zu hinterfragen, ob dem BImSchG der Gesundheitsbegriff der WHO-Verfassung zugrunde gelegt werden muss.214 In der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des BImSchG ist zwar ebenfalls keine Definition des Begriffs enthalten. Allerdings finden sich dort mehrere Aussagen dazu. In der Amtlichen Begründung zu § 1 des Gesetzentwurfs heißt es zunächst, dass die Vorschrift deutlich mache, dass die angestrebte gesetzliche Regelung eine Verbesserung des Umweltschutzes zum Ziel habe. Weiter lautet die Amtliche Begründung zu § 1 des Entwurfs, dass „Freisein von Krankheit und physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden (Gesundheitsdefinition der WHO) neben anderem das Vorhandensein bestimmter, dem Menschen gemäßer Lebensbedingungen“

voraussetzt.215 Der Gesetzgeber war sich des Gesundheitsbegriffs der WHO demnach bewusst. Aus der Amtlichen Begründung geht aber nicht hervor, dass dieser Begriff auch dem BImSchG zugrunde zu legen ist. In der Amtlichen Begründung zu § 3 BImSchG wird ausgeführt, dass das durch eine Gefahr bedrohte Rechtsgut in aller Regel die menschliche Gesundheit sein wird. In Abgrenzung dazu seien Belästigungen hingegen Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens des Menschen, ohne dass darin bereits eine Schädigung der Gesundheit liege216, wobei der Übergang zwischen Belästigungen und Gesundheitsgefahren fließend sei.217 Die Abgrenzung der Belästigung Ähnlich übersetzt von Hüfner, Die Vereinten Nationen, S. 273. Vgl. allgemein zum Begriff der Gesundheit im Umweltrecht Seewald, NuR 1988, 161, 163 f. In jedem Fall hat die vorgenannte Definition des Begriffs „Gesundheit“ Bedeutung für das nationale Recht. Die Bundesrepublik trat am 29. 05. 1951 der WHO bei, vgl. Vierheilig, WHO-regulations, S. 161. Die mit dem Erwerb der Mitgliedschaft entstandenen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Zweck und dem Ziel der Organisation, die in der Präambel und in Artikel 1 der Satzung definiert sind. Die in der Präambel enthaltene allgemeine Proklamation der Mitgliedstaaten, zum Schutze und zur Förderung der Gesundheit aller Völker untereinander und mit anderen Staaten zusammenarbeiten zu wollen, erstreckt sich auch auf die Erklärungen, die in den einzelnen Absätzen der Präambel enthalten sind, vgl. ArbabZadeh, Das Verhältnis der WHO zu den Mitgliedstaaten, S. 60. Dazu gehört auch besagte Definition, die durch die Unterschrift unter die Charta „anerkannt wird“, wie es im letzten Absatz der Präambel heißt (Im Originaltext beginnt der letzte Absatz der Präambel mit den Worten: „Accepting these principles . . .“). Es stellt sich daher die Frage, ob der Begriff der WHO nicht dem BImSchG zugrunde gelegt werden müsste bzw. ob das BImSchG mit seinem abgestuften Modell der Gefahren und erheblichen Belästigungen dem Gedanken der WHOVerfassung grundsätzlich gerecht wird. 215 Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 26. § 1 BImSchG lautete in seiner ursprünglichen Fassung: „Zweck dieses Gesetzes ist es, Menschen sowie Tiere und Pflanzen und andere Sachen vor schädlichen Umwelteinwirkungen und, soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, auch vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die auf andere Weise herbeigeführt werden, zu schützen.“ 216 Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, Allgemeines, BTDrs. 7 / 179, S. 29. 213 214

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zur Gefahr der Gesundheitsbeschädigung falle nicht immer leicht. Belästigungen stärkeren Grades müssten nach neueren medizinischen Erkenntnissen allgemein als schädlich angesehen werden, insbesondere dann, wenn sie über längere Zeit oder in Verbindung mit anderen Immissionen auf den Menschen einwirkten. Die Übergänge zwischen Belästigungen, Gesundheitsgefahren und Gesundheitsschäden seien oft nicht exakt abgrenzbar.218 Der Unterschied der Belästigungen zur Gefahr der Gesundheitsbeschädigung sei somit allein ein quantitativer und die Übergänge seien fließend.219 Diese Ausführungen verdeutlichen, dass der Gesetzgeber zwischen dem körperlichen und seelischen Wohlbefinden auf der einen und der Gesundheit auf der anderen Seite unterscheidet. Dem entspricht die abgestufte Differenzierung zwischen Gefahr und erheblicher Belästigung in § 3 Abs. 1 BImSchG. Das Gesetz schützt gerade nicht nur vor der möglichen Schädigung der Gesundheit, sondern auch vor der Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens unterhalb der Schädlichkeitsschwelle. Allerdings schützt es nur vor solchen Beeinträchtigungen, die erheblich sind, wie sich aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 BImSchG ergibt. Die weite Definition von „Gesundheit“ aus der Präambel der WHO-Verfassung soll somit nicht dem Gesundheitsbegriff des BImSchG zugrunde gelegt wird. Anderenfalls wäre der besonders ausgewiesene Schutz vor (erheblichen) Belästigungen in § 3 Abs. 1 BImSchG überflüssig.220 Dem Gesundheitsbegriff der WHO wird durch die Abstufung zwischen Gefahr und erheblicher Belästigung Rechnung getragen. Das BImSchG stellt an die Annahme einer Belästigung aber strengere Anforderungen als die WHO-Verfassung, da zusätzlich zur Belästigungswirkung das Merkmal der Erheblichkeit erfüllt sein muss. Die Anwendung des weiten Begriffs der WHO-Verfassung im Rahmen des BImSchG würde deshalb dazu führen, dass jegliche nachteilig beeinträchtigenden Immissionen schon die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung im Sinne des BImSchG darstellen würden. In diesem Falle wäre jede Aktivität ausgeschlossen, die merkliche nachteilige Immissionen herbeiführt. Die Industriegesellschaft ist jedoch gewillt, gewisse Beeinträchtigungen hinzunehmen.221 Die im Kapitel B. beschriebenen Auswirkungen werden zwar mit Geruchsimmissionen in Verbindung gebracht (Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, schlechter Geschmack im Mund, Atemnot etc.). Ob sie tatsächlich geruchsspezifisch sind, ist aber noch nicht hinreichend geklärt. Ebensowenig kann abschließend beurteilt werden, welche Langzeitfolgen Geruchseinwirkungen haben können. 217

Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 27. 218

Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 29. 219 220 221

Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 13. Vgl. Seewald, NuR 1988, 161, 164. Dazu sogleich.

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Somit kann nach derzeitigem Wissensstand die Möglichkeit des Eintritts einer Gesundheitsbeschädigung durch Geruchsimmissionen nicht bejaht werden. Zwar gibt es die Vermutung, dass das langfristige Ausgesetztsein gegenüber Geruchsimmissionen schließlich auch zu organischen Veränderungen führen kann. Allerdings ist die Datengrundlage hierzu noch nicht ausreichend. Es ist in Ermangelung anderer Erkenntnisse somit derzeit (noch) davon auszugehen, dass Geruchsimmissionen keine Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen können. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass sich in Zukunft herausstellen wird, dass die dauerhafte oder regelmäßig wiederkehrende Einwirkung von Geruch auch die Gesundheit beschädigen kann. Anwohner in der Umgebung von Geruchsemittenten gaben neben bestimmten körperlichen Phänomenen zum Teil auch die Beeinträchtigung ihrer allgemeinen Lebensqualität und ihrer Stimmungslage an. Es liegt daher nahe, dass der Umweltstressor Geruch sich über einen längeren Zeitraum auch als krankmachend erweisen kann. In der Lärmwirkungsforschung ist man hinsichtlich der Erkenntnisse zum Zusammenhang von Lärm und körperlichen Erkrankungen weiter. Im Jahre 2003 sind die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens veröffentlicht worden, das vom RobertKoch-Institut und dem Bezirksamt Spandau von Berlin unter der Bezeichnung „Spandauer Gesundheits-Survey“ (SGS) durchgeführt wird.222 Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wird seit 1982 periodisch im zeitlichen Abstand von zwei Jahren der Gesundheitszustand der Teilnehmer untersucht, um allgemeingültige Präventionsstrategien abzuleiten. Bezüglich ärztlicher Behandlungen wegen Hypertonie (Bluthochdruck) war bei der Perioden-Prävalenz eine signifikante Erhöhung des relativen Risikos zu verzeichnen, wenn der nächtliche äquivalente Dauerschallpegel des Straßenverkehrs an den Wohnungen der Probanden über 55 dB(A) lag. Diese Ergebnisse werden von der 2008 veröffentlichten HYENA Studie223 bestätigt (HYENA steht für Hypertension and Exposure to Noise near Airports). In dieser Studie wurden Anwohner untersucht, die seit mindestens fünf Jahren in der Nachbarschaft von einem der sechs großen europäischen Flughäfen wohnen (London Heathrow, Berlin Tegel, Amsterdam Schiphol, Stockholm Arlanda, Mailand Malpensa und Athen Elephterios Venizelos). Auch dort zeigte sich ein signifikanter Expositions-Wirkungsbezug zwischen Nachtfluglärm und Verkehrslärm am Tage auf der einen und dem Risiko für Bluthochdruck auf der anderen Seite. 222 Vgl. Maschke / Wolf / Leitmann, Epidemiologische Untersuchungen zum Einfluss von Lärmstress auf das Immunsystem und die Entstehung von Arteriosklerose, WaBoLu-Heft 01 / 03. 223 Vgl. Jarup et al., Hypertension and Exposure to Noise Near Airports: the HYENA Study, Environmental Health Perspectives 2008, 329 ff.; vgl. zu den Folgen des Fluglärms auch o.V., „Stress auch im Schlaf“, Mediziner warnt vor Folgen des Fluglärms für Kinder, FAZ vom 27. 10. 2007.

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In Anbetracht des Zeitraums, der vergangen ist, seitdem die Bevölkerung erhöhter Lärmbelastung durch Straßen- und Flugverkehr ausgesetzt ist, und der Anerkennung eines Zusammenhangs zwischen Lärm und gesundheitlichen Gefahren, kann vermutet werden, dass ebenfalls noch viele weitere Jahre vergehen könnten, bis ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Geruchsimmissionen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestätigt oder endgültig ausgeschlossen werden kann. Möglicherweise werden die im Zusammenhang von Lärm und Bluthochdruck gefundenen Ergebnisse die Umwelt aber auch in Bezug auf die Beurteilung anderer Umweltstressoren sensibilisieren. Ob und ggf. wann konkretere Aussagen zum Zusammenhang zwischen Geruchsimmissionen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemacht werden können, kann hier nur gemutmaßt werden. Dass der Bedarf für weitere Forschung in diese Richtung besteht, zeigen aber gerade die Ergebnisse aus der Lärmwirkungsforschung und die Beschwerden, die Personen im Umfeld von geruchsstoffemittierenden Anlagen äußern. (3) Geruchsimmissionen als erhebliche Belästigungen (a) Erheblichkeit / Zumutbarkeit als Entscheidungsmaßstab Belästigungen werden in der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zum BImSchG definiert als Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens eines Menschen.224 Wie bereits zuvor erörtert, grenzen sie sich von Gefahren dadurch ab, dass bei ihrem Auftreten keine Schäden drohen.225 Die Grenze zwischen der Belästigung und der Gefahr der Beschädigung der menschlichen Gesundheit ist fließend, da ihr Unterschied allein ein quantitativer ist.226 Insbesondere langandauernde Belästigungen können erfahrungsgemäß zu Gesundheitsschäden führen und werden damit zu Gefahren.227 Zu schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Belästigungen werden Immissionen, wenn sie erheblich sind, wie sich aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 BImSchG ergibt. Grund dafür ist, dass das BImSchG nicht vor jeder beliebigen Beeinträchtigung schützt. Viele der geringfügigen Beeinträchtigungen, wie sie in einer Industriegesellschaft üblich sind, werden als tolerabel angesehen.228 Die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BImSchG sieht das Erfordernis der Einschränkung durch das Merkmal „erheblich“ als das Ergebnis einer Güterabwägung an, auf die in einem hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Land nicht verzichtet werden könne.229 224

Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 29. 225 Vgl. BVerwG, Urt. v. 23. 05. 1991, Az.: 7 C 19 / 90, NVwZ 1991, 886; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 27. 226 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 13. 227 Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 13. 228 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 46.

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Ob eine Beeinträchtigung erheblich ist, lässt sich nicht generell festlegen, sondern muss im Rahmen einer Güterabwägung jeweils für den Einzelfall bestimmt werden.230 Schon im vorletzten Jahrhundert ist als Maßstab hierfür das Kriterium der Zumutbarkeit entwickelt worden.231 Auch das Bundesverwaltungsgericht232 hat seit jeher die Erheblichkeit der Beeinträchtigungen an deren Zumutbarkeit ausgerichtet. Im Tunnelofen-Urteil233 hat das Bundesverwaltungsgericht dazu ausgeführt, dass als nicht „erheblich“ im Sinne des § 5 Nr. 1 BImSchG Belästigungen anzusehen seien, die der Umgebung zuzumuten seien. In der Entscheidung zum Heidelberger Heizkraftwerk234 hat das Bundesverwaltungsgericht ergänzt, dass der Begriff der Zumutbarkeit nicht zu ein für allemal feststehenden Konfliktlösungen führe, sondern eine Abwägung und damit eine Bewertung der widerstreitenden Interessen voraussetze.235 Die Ermittlung dessen, was unzumutbar und damit erheblich im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG ist, stelle demnach einen umfangreichen Abwägungsvorgang dar, in dessen Rahmen eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu berücksichtigen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Vorgang in dem soeben zitierten Urteil als „eine Abwägung und damit eine Bewertung der widerstreitenden Interessen“ bezeichnet. Daraus ergibt sich, dass in die Abwägung auch solche Kriterien Eingang finden, die nicht ausdrücklich im Gesetz genannt werden. (b) Der „verständige Durchschnittsmensch“ als Maßstab Ausgangspunkt einer jeden Abwägung ist, dass es hinsichtlich der Zumutbarkeit allein auf die Wirkungen der Immissionen für den Betroffenen ankommt. Es wird dabei nicht auf das Empfinden des individuell Betroffenen, sondern auf dasjenige Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage abgestellt.236 „Verständig“ ist derjenige, der unter Würdigung anderer öffentlicher 229

Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 29. 230 So das BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, BVerwGE 69, S. 37, 43, 44, in der Entscheidung zum Heidelberger Heizkraftwerk. 231 Bereits in der Preußischen Technischen Anleitung vom 14. 04. 1875 zu §§ 16 GewO (vgl. dazu Landmann / Rohmer, GewO, 12. Auflage, § 18 Rn. 9) hieß es, es sei zu erwägen, „ob Nachteile, Gefahren oder Belästigungen dasjenige Maß überschreiten, dessen Duldung sowohl den Nachbarn als dem Publikum im Interesse der für die allgemeine Wohlfahrt unentbehrlichen Industrie angesonnen werden kann“, vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 14. 232 Vgl. BVerwG, Urt. v. 07. 10. 1983, Az.: 7 C 44 / 81, NJW 1984, 989; BVerwG, Urt. v. 25. 02. 1992, Az.: 1 C 7 / 90, NVwZ 1992, 886. 233 Vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1975, Az.: IV C 71.73, BVerwGE 50, S. 49, 55. 234 Vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, BVerwGE 69, S. 37, 43, 44. 235 Vgl. BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1992, Az.: 7 C 25 / 91, BVerwGE 90, S. 163, 165.

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und privater Belange und gesetzlichen Wertungen feststellt, was ihm billigerweise nicht mehr zuzumuten ist.237 Dabei sind neben dem Maß der allgemeinen Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber bestimmten Belästigungen auch Aspekte der sozialen Adäquanz und der Herkömmlichkeit zu berücksichtigen.238 Der Ermittlung der Zumutbarkeit wird somit ein differenziert-objektiver Maßstab zugrunde gelegt239, da es nicht auf das subjektive Empfinden des Einzelnen, sondern auf das objektive Empfinden des „verständigen Durchschnittsmenschen“ ankommt, wobei die einzelnen Gesichtspunkte differenziert werden, die der „verständige Durchschnittsmensch“ seinen Überlegungen zugrundelegt. Dennoch kann an dieser Stelle die besondere Empfindlichkeit ganzer Gruppen von Personen berücksichtigt werden, etwa diejenige von Kindern, Kranken oder Alten.240 Empfindlichere Menschen, die keiner der vorgenannten Personengruppen zugeordnet werden können, sind somit verpflichtet, ein Maß an Immissionen hinzunehmen, welches sie stärker beeinträchtigt als den verständigen Durchschnittsmenschen. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst generell und anschließend in Bezug auf Geruchsimmissionen die Frage, ob der Maßstab „Durchschnittsmensch“ dem Schutz empfindlicherer Personen ausreichend Rechnung trägt. Verschiedene Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass bestimmte Bevölkerungsteile aufgrund ihrer Krankheitsgeschichte sensibler auf Geruch reagieren als andere.241 Sie lassen sich nicht ohne Weiteres den auch von der Rechtsprechung anerkannten besonders schutzbedürftigen Bevölkerungsteilen „Kinder, Kranke, Alte“ zuordnen. Die Disposition zu einer Allergie oder eine überstandene Sinusitis qualifiziert einen Menschen nicht zum „Kranken“. Die dadurch aber vermutlich hervorgerufene besondere Empfindlichkeit ist in der Gruppe der „verständigen Durchschnittsmenschen“ derzeit nicht berücksichtigt. Darüber hinaus ist dargelegt worden, dass zwischen den Geschlechtern eine unterschiedliche Sensibilität für Geruch besteht, da Frauen Geruch besser wahrnehmen können als Männer. Es ist auch dargelegt worden, dass die Empfindlichkeit für Geruch im Laufe des Alters abnimmt, so dass ältere Menschen in der Regel weniger sensibel für Geruch sind als junge Menschen.242 Generell ist zu sagen, dass bei der Festlegung von Grenzwerten grundsätzlich zwar eine Typisierung schon deshalb unabdingbar ist, weil es keine verschiedenen

236 Vgl. BVerwG, Urt. v. 07. 10. 1983, Az.: 7 C 44 / 91, BVerwGE 68, S. 62; BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1975, Az.: IV C 71.73, BVerwGE 50, S. 49. 237 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 15a. 238 Vgl. BVerwG, Urt. v. 07. 10. 1983, Az.: 7 C 44 / 81, NJW 1984, 989; BVerwG, Urt. v. 24. 04. 1991, Az.: 7 C 12 / 90, NVwZ 1991, 884; BVerwG, Beschl. v. 03. 05. 1996, Az.: 4 B 50 / 96, NVwZ 1996, 1001. 239 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 15a. 240 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 53. 241 Vgl. oben B. II. 7. 242 Vgl. oben B. II. 5.

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Grenzwerte für jede einzelne Person geben kann. Die Frage ist dann aber, woran sich dieser allgemeine Grenzwert zu orientieren hat.243 Böhm244 ist im Rahmen einer umfassenden Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass der gegenwärtig herrschende rechtliche Schutz der menschlichen Gesundheit vor Umweltschadstoffen unter anderem im Immissionsschutzrecht mit der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren sei. Der Schutz empfindlicherer Personen werde mehr oder weniger bewusst stark beschnitten. Es sei insbesondere auch den besonderen Schutzbedürfnissen von Menschen mit bestimmten Krankheitsdispositionen Rechnung zu tragen.245 Ausgangspunkt der Typisierung müsse die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts sein, wobei es unzulässig sei, einen atypischen Fall zum Leitbild zu wählen.246 Gerade dies sei beim Schutz der menschlichen Gesundheit vor Umweltgefahren aber regelmäßig der Fall, soweit ein gesunder Erwachsener zum Maßstab gemacht werde.247 Für den Bereich der Beurteilung von Geruchsimmissionen ist dieser Auffassung zuzustimmen. Es ist im Kapitel B. ausführlich dargestellt worden, dass die Geruchsempfindung eine von einer Vielzahl subjektiver Einflussfaktoren geprägte Sinneswahrnehmung ist. Selbst wenn bestimmte Geruchsarten, wie H2S oder der Geruch von Fäkalien, vom überwiegenden Anteil der Bevölkerung als unangenehm empfunden werden dürften, so kann nicht für alle Geruchsarten eine generelle Einordnung als angenehm oder unangenehm getroffen werden. Es ist zudem dargelegt worden, dass die Geruchsempfindlichkeit nicht nur von Mensch zu Mensch abweicht, sondern dass auch die individuelle Geruchsempfindlichkeit des Einzelnen einer „internen Schwankungsbreite“ unterliegt, die vom physischen oder psychischen Zustand, von dem Moment der Geruchswahrnehmung sowie von zahlreichen weiteren Faktoren abhängt. Der „verständige Durchschnittsmensch“ bzw. die „Normnase“ existiert daher nicht. Hinsichtlich der erwähnten gesteigerten Sensibilität für Geruchsimmissionen aufgrund besonderer Dispositionen liegen bisher zwar keine ausreichenden Untersuchungsergebnisse vor, um daraus allgemein gültige Schlüsse zu ziehen und eine neue, besonders schützenswerte Bevölkerungsgruppe zu schaffen.248 Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich dies in Zukunft anders darstellen wird.

Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 129. Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 292. 245 Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 292. 246 Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 131. 247 Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 97. 248 Vgl. in Bezug auf diese Problematik, jedoch im Zusammenhang mit Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Mobilfunkbasisstationen Hoppenberg / Meiners / Martens, NVwZ 1997, 12, 14 m. w. N., insbesondere die in Fn. 38 genannten Entscheidungen des OVG Lüneburg, Beschl. v. 02. 12. 1992, Az.: 1 M 3997 / 92, NVwZ 1993, 1117; VGH Kassel, Beschl. v. 11. 03. 1993, Az.: 3 TH 768 / 92, NVwZ 1993, 1119; VGH München, Beschl. v. 25. 10. 1994, Az.: 20 CS 93.3622, NVwZ 1995, 919. 243 244

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(c) Art, Ausmaß oder Dauer als Bewertungskriterium Das Gesetz sieht ausdrücklich „Art, Ausmaß oder Dauer“ als Kriterien vor, die bei der Ermittlung der Erheblichkeit zu berücksichtigen sind, vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG. Hinsichtlich der Art kommt es bei Luftverunreinigungen zum Beispiel auf die chemischen Elemente bzw. Verbindungen, die Toxizität oder den Aggregatzustand an. Bei Geruch kann die Art auch als die Geruchsart verstanden werden, das heißt die Berücksichtigung dessen, wonach es riecht. Mit dem Ausmaß ist die Intensität der Einwirkung gemeint, bei Luftverunreinigungen insbesondere die Quantität und die Konzentration. Hinsichtlich Geruchsimmissionen ist demnach zu fragen, welches Maß an Geruchsstoffkonzentration am Immissionsort zu erwarten ist. Die Dauer bezieht sich sowohl auf den zeitlichen Umfang als auch auf die zeitliche Verteilung der Einwirkung, bei Geruch also, in welchem zeitlichen Umfang und zu welchem Zeitpunkt Geruchsimmissionen auftreten.249 (d) Weitere Beurteilungskriterien Als zu berücksichtigende Gesichtspunkte sind demnach bisher genannt worden die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz.250 Weitere Aspekte bei der Ermittlung der Erheblichkeit von Immissionen sind die Schutzwürdigkeit und die Schutzbedürftigkeit des betroffenen Gebietes. Dies hängt von der baunutzungsrechtlichen Art des Gebietes ab251 sowie von möglichen Vorbelastungen im betroffenen Gebiet. Je nach der unterschiedlichen Natur und Zweckbestimmung des Gebiets können Immissionen zumutbar sein oder nicht. In der bereits zitierten Entscheidung zum Heidelberger Heizkraftwerk hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, was der Umgebung an nachteiligen Wirkungen zugemutet werden dürfe, bestimme sich nach der aus ihrer Eigenart herzuleitenden Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit.252 Bei der Bestimmung der Gebietsart kommt es insoweit auf die rechtlichen Vorgaben zur Nutzung, insbesondere auf die bauplanungsrechtliche Prägung an.253 Die normativen Vorgaben haben Vorrang vor den tatsächlichen Verhältnissen.254 Wichtige Anhaltspunkte ergeben sich aus den Bebauungsplänen sowie aus der Baunutzungsverordnung.255 Die BauNVO sieht insofern unterschiedliche GebietsVgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 50. Vgl. VG Minden, Urt. v. 09. 05. 2005, Az.: 11 K 2789 / 04, n.v.; BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1992, Az.: 7 C 25.91, BVerwGE 90, S. 163, 165 f.; BVerwG, Urt. v. 29. 04. 1988, Az.: 7 C 33.87, BVerwGE 79, S. 254, 260. 251 Vgl. BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1992, Az.: 7 C 25 / 91, BVerwGE 90, S. 163, 165. 252 Vgl. BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1992, Az.: 7 C 25 / 91, BVerwGE 90, S. 163, 165. 253 Vgl. BVerwG, Urt. v. 22. 03. 1985, Az.: 4 C 63 / 80, BVerwGE 71, S. 150, 155; BVerwG, Urt. v. 24. 04. 1991, Az.: 7 C 12 / 90, BVerwGE 88, S. 143, 144. 254 Vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 08. 1999, Az.: 4 CN 4 / 98, BVerwGE 109, S. 246, 255. 255 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 06. 08. 1982, Az.: 7 B 67 / 82, NVwZ 1983, 155 (Die Schutzwürdigkeit eines Gebietes bemisst sich nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig 249 250

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typen vor, die nach ihrer Schutzbedürftigkeit abgestuft gestaffelt sind (vgl. §§ 2 bis 11 BauNVO). Werden durch Bebauungsplan unterschiedliche Gebiete nebeneinander zugelassen und treffen damit verschiedene Nutzungsarten aufeinander (sogenannte Gemengelage), verlangt das Gebot der Rücksichtnahme einen wechselseitigen Ausgleich, etwa wenn ein Sportplatz neben Wohnhäusern vorgesehen ist.256 Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme kann sowohl dazu führen, dass ein nutzungsrechtlich schutzbedürftigeres Gebiet im Randbereich zu einem nutzungsrechtlich weniger schutzbedürftigen Gebiet eine höhere Beeinträchtigung hinzunehmen verpflichtet ist als auch dazu, dass das nutzungsrechtlich weniger schutzbedürftige Gebiet im Grenzbereich zum schutzbedürftigeren Gebiet auf dessen gesteigerte Schutzwürdigkeit Rücksicht nehmen muss.257 Das Bundesverwaltungsgericht258 hat hierzu entschieden, dass in Gemengelagen ein Wert zuzumuten sei, der zwischen den Richtwerten liege, welche für die benachbarten Gebiete unterschiedlicher Nutzung und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit bei jeweils isolierter Betrachtung gegeben seien. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass als konkretes Ergebnis der gegenseitigen Rücksichtnahme sich weder der eine noch der andere Richtwert durchzusetzen vermag. In welchem Umfang eine Abweichung von den Immissionswerten zulässig ist, ist bislang aber noch nicht geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt insofern eine Bewertung unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit sowie der Umstände des Einzelfalls. Eine schematische Mittelwertbildung im Sinne einer mathematischen Interpolation lehnt es ab. Diese ursprünglich für den Bereich der Lärmimmissionen entwickelte Rechtsprechung gilt nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts259 auch für Geruchsimmissionen. Bewohnern am Rande eines Wohngebiets in nächster Nähe zu einem Gewerbe- oder Industriegebiet werden also mehr Immissionen zugemutet als im übrigen Wohngebiet.260 Fehlen rechtliche Vorgaben zur Nutzung des betreffenden Gebiets, so ist auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Dies betrifft sowohl im Zusammenhang bebaute Gebiete ohne Bebauungsplan261 als auch den Außenbereich, ist; dies wiederum beurteilt sich in beplanten Gebieten nach den einschlägigen Festsetzungen des Bebauungsplans in Verbindung mit den Vorschriften der Baunutzungsverordnung; nur dort, wo die Festsetzungen eines Bebauungsplans im Hinblick auf die davon abweichende tatsächliche Bebauung, „wegen Funktionslosigkeit“ außer Kraft getreten sind, ist Maßstab für die Zulässigkeit von Vorhaben gemäß § 34 BBauG die vorhandene Bebauung, BVerwG, a.a.O, S. 155). 256 BVerwG, Urt. v. 24. 04. 1991, Az.: 7 C 12 / 90, BVerwGE 88, S. 143, 145. 257 Vgl. Dürr / König, Baurecht, Rn. 180. 258 Vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1975, Az.: IV C 71.73, BVerwGE 50, S. 49; BVerwG, Beschl. v. 29. 10. 1984, Az.: 7 B 149 / 84, NVwZ 1985, 186; BVerwG, Beschl. v. 28. 09. 1993, Az.: 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139. 259 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 28. 09. 1993, Az.: 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139. 260 Vgl. VGH Kassel, Urt. v. 04. 11. 1992, Az.: 14 UE 21 / 88, NVwZ 1993, 1004, 1005. 261 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 57.

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in dem jedoch typischerweise höhere Belastungen als in Wohngebieten hingenommen werden müssen.262 Bedeutsam für die Ermittlung der Erheblichkeit ist auch, dass der Immissionsbegriff seiner Natur nach auf die Gesamtbelastung abstellt. Bei der Ermittlung der Zumutbarkeit kommt es daher nicht nur auf den zu beurteilenden Immissionsanteil an, sondern auch darauf, welcher Gesamtbelastung das Schutzgut unter Berücksichtigung des zu bewertenden Immissionsanteils ausgesetzt ist bzw. sein wird.263 In umgekehrter Richtung kann dies von Bedeutung sein, wenn eine bereits vorhandene Vorbelastung die Zumutbarkeitsschwelle anhebt.264 Die bei der Bebauung eines Grundstücks vorgefundene Vorbelastung kann die Erheblichkeitsschwelle in der Weise beeinflussen, dass der neu Hinzukommende die vorgefundene Belastung regelmäßig hinnehmen muss.265 Eine rechtmäßig errichtete Anlage oder sonstige Quelle kann den Gebietscharakter auch insofern beeinflussen, als kein Bebauungsplan besteht. Die Erheblichkeit hängt dann von der durch eine vorhandene Nutzung vorgegebenen Situation ab.266 Werden Wohnhäuser in einem unbeplanten Gebiet in der Nähe einer emittierenden Anlage errichtet, so liegt die Zumutbarkeitsschwelle höher als bei Wohnhäusern, die in einem reinen Wohngebiet errichtet werden.267 Der Umstand, dass die betroffene Aktivität in einem (rechtmäßig) vorbelasteten Gebiet vorgenommen wird, rechtfertigt jedoch nicht jede Art der Beeinträchtigung. Gesundheitsschäden sind, wie erörtert, immer erheblich und damit unzumutbar. Der Betroffene kann keinen Schutz gegen Immissionen reklamieren, wenn seine Nutzung im Einwirkungsbereich formell und materiell baurechtswidrig ist und bei rechtmäßiger Nutzung der negative Effekt nicht auftreten würde. Dies gilt dem Prinzip nach auch für alle weiteren Rechtsverstöße, soweit die fragliche Rechtsvorschrift direkt oder indirekt auch die Interessen des Verursachers schützt und er daher den Rechtsverstoß des Nachbarn abwehren kann.268 Der Nachbar kann zuVgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 25. 06. 1996, 10 S 200 / 96, NVwZ 1997, 1014 f. Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 49; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 15c. 264 Vgl. VG Minden, Urt. v. 09. 05. 2005, Az.: 11 K 2789 / 04, NuR 2005, 740; BVerwG, Urt. v. 22. 06. 1990, 4 C 6 / 87, NVwZ 1991, 64; BVerwG, Urt. v. 29. 01. 1991, Az.: 4 C 51 / 89, BVerwGE 87, S. 332; BVerwG, Urt. v. 23. 05. 1991, Az.: 7 C 19 / 90, BVerwGE 88, S. 210; BVerwG, Urt. v. 18. 05. 1995, Az.: 4 C 20 / 94, BVerwGE 98, S. 235; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 49; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 15c. 265 Vgl. BVerwG, Urt. v. 23. 05. 1991, Az.: 7 C 19.90, BVerwGE 88, S. 210, 214, 215. 266 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 12. 06. 1990, Az.: 7 B 72 / 90, NVwZ 1990, 962. 267 Vgl. VGH Kassel, Urt. v. 04. 11. 1992, Az.: 14 UE 21 / 88, NVwZ 1993, 1004, 1005. 268 Vgl. Jarass, NJW 1993, 342; die Erheblichkeit der Immission kann auch dadurch ausgeschlossen sein, dass der Betroffene in dieselbe einwilligt. Liegt eine solche Einwilligung vor, so kann der Betroffene von der Behörde kein Einschreiten gegen die Immissionen mehr verlangen. Entsprechende Verträge sind weder sittenwidrig noch sonst unwirksam. Sie gelten 262 263

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dem auf die Geltendmachung nachbarrechtlicher Abwehransprüche durch Vertrag wirksam verzichten.269 Ein solcher Vertrag kann rechtmäßig vereinbart werden, er gilt jedoch stets nur im Verhältnis des jeweiligen Nachbarn zum Emittenten und hat keine Auswirkungen auf weitere (hinzukommende) Nachbarn. Alle vorgenannten Kriterien können dem Grundsatz nach auch im Rahmen der Prüfung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen zu berücksichtigen sein.270 (4) Geruchsimmissionen als erhebliche Nachteile Nachteile – als dritte Variante der Störwirkung – sind alle sonstigen negativen Auswirkungen. Kennzeichnend für den Nachteil ist, dass es an einem Schaden fehlt, weil nur ein Interesse und kein Rechtsgut beeinträchtigt ist und zudem keine Belästigung vorliegt. Zu den Nachteilen gehören unter anderem bloße Vermögenseinbußen.271 Denkbar wäre es beispielsweise, einen erheblichen Nachteil durch Geruchsimmissionen aufgrund einer Wertminderung eines Grundstücks anzunehmen. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts272 geklärt, dass Wertminderungen durch die „unpassende“ Nutzung von Nachbararealen für sich allein nicht ausreichen, diese aus öffentlich-rechtlicher Sicht abwehren zu können. Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Genehmigung (beispielsweise zur Errichtung einer Schweinemastanlage) bilden danach für sich allein genommen keinen ausreichenden Maßstab zur Beantwortung der Frage, ob die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots noch zuzumuten sind oder nicht. Wie das OVG Lüneburg hierzu ausgeführt hat, gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, der Einzelne habe einen Anspruch darauf, vor jeglicher Wertminderung durch benachbarte Baumaßnahmen bewahrt zu bleiben. Maßgeblich sei vielmehr, ob bei der Abwägung der miteinander konkurrierenden Nutzungsinteressen das des Dritten ohne einen sich aus der Situation ergebenden Grund, das heißt einseitig, hintangestellt worden sei.273 jedoch stets nur im Verhältnis der Vertragspartner und berühren nicht die Interessen anderer Betroffener sowie die Güter der Allgemeinheit, vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 15g. Keine Bedeutung für die Beurteilung der Zumutbarkeit hat im Übrigen die Frage, welche Nachteile die Vermeidungsmaßnahmen für den Verursacher der Immissionen und für die Allgemeinheit haben, vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 47; a.A. Feldhaus, DVBl. 1979, 301, 305. Die Zumutbarkeit hängt auch nicht davon ab, welchen Nutzen die immissionsverursachende Tätigkeit für die Allgemeinheit aufweist, vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 63. 269 Vgl. dazu Schlemminger / Fuder, NVwZ 2004, 129 ff. 270 Inwieweit die bestehenden Regelungen zur Geruchsimmissionsbeurteilung diesen Rechnung tragen, wird noch erörtert (unten IV. und V.). 271 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 26 f. 272 Vgl. BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1975, Az.: IV C 71.73, BVerwGE 50, S. 49. 273 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 14. 03. 2007, Az.: 1 ME 222 / 06, Informationsdienst Öffentliches Baurecht, BRS Heft 6, 2007, S. 15, 16.

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(5) Geeignetheit zur Herbeiführung schädlicher Umwelteinwirkungen Nicht jedes Störpotential begründet die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne des BImSchG. Es muss vielmehr ermittelt werden, ob Immissionen geeignet sind, die genannten Beeinträchtigungen herbeizuführen. Dies ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu ermitteln, insbesondere nach dem Stand der Wissenschaft.274 Die erforderliche Störqualität einer Immission ist gegeben, wenn bei ungehindertem Ablauf des objektiv erwarteten Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Störeffekte auftreten können.275 Bei der Beurteilung der Störwahrscheinlichkeit kommt es vor allem auf das Gewicht der Störeffekte an. Je schwerwiegender sie in Rechtsgüter eingreifen und je mehr Rechtsgüter sie betreffen, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit zu stellen.276 Kann die Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht angegeben werden, weil der entsprechende Sachverhalt in der gegebenen Zeit nur unzureichend aufgeklärt werden kann oder weil entsprechende Erfahrungssätze fehlen, kann gleichwohl eine Gefahr nicht generell ausgeschlossen werden. In einem solchen Fall hängt die Bejahung einer Gefahr davon ab, wie groß die möglichen Schäden sind. Je größer sie sind, desto eher kann der bloße Verdacht eines Schadens eine Gefahr begründen.277 Auf die Anforderungen an die Kausalität zwischen Emission und Immission sowie zwischen Immission und tatsächlicher Störwirkung wird im Rahmen der Erörterung der Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG noch eingegangen. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Störwirkungen durch Geruchsimmissionen wird im Wesentlichen davon abhängig gemacht, in welchem zeitlichen Umfang (Dauer) Geruchsimmissionen zu erwarten sind.278 Von einer erheblichen Belästigung für die von Geruchsimmissionen Betroffenen wird ab Überschreiten eines bestimmten Zeitanteils an deutlich wahrnehmbaren Geruchsimmissionen pro Jahr ausgegangen.279 Weitere Parameter können die Geruchsart und die Geruchsqualität der auftretenden Geruchseinwirkungen sein.280 Ermittelt wird die voraussichtliche Geruchsbelastung durch Immissionsprognosen. Dabei werden die Qualität und Konzentration der beim Emittenten austretenden Geruchsstoffmoleküle sowie meteorologische und topographische VerhältVgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1978, Az.: 1 C 102.76, BVerwGE 55, S. 250, 251. Vgl. zum Begriff der Gefahr BVerwG, Urt. v. 26. 02. 1974, Az.: I C 31 / 72, BVerwGE 45, S. 57. 276 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 11c; OVG Münster, NVwZ 1991, 1202; BVerwG, Urt. v. 26. 06. 1970, Az.: IV C 99 / 67, NJW 1970, 1890; BVerwG, Urt. v. 16. 11. 1973, Az.: IV C 44 / 69, NJW 1974, 815. 277 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 44; ders., DVBl. 1983, 725, 729. 278 Vgl. dazu unten D. V. 279 Vgl. dazu unten D. V. 280 Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 23. 04. 2002, Az.: 10 S 1502 / 01, NVwZ 2003, 365, 367. 274 275

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nisse am Anlagenstandort berücksichtigt. Einer solchen Immissionsprognose liegen auch unsichere Komponenten zugrunde, die bei der Ermittlung des Ergebnisses berücksichtigt werden müssen. Ob es dann zu weiteren Folgen kommt, wie den schon beschriebenen Auswirkungen, die mit Geruchsimmissionen in Verbindung gebracht werden (Kopfschmerzen, Übelkeit, Schleimhautschwellungen, Atembeschwerden usw.), hängt nicht nur vom Ausmaß an Immissionen, sondern von weiteren Einflussfaktoren ab, insbesondere von der Empfindlichkeit der Wahrnehmenden.281 (6) Allgemeinheit und Nachbarschaft Immissionen müssen geeignet sein, die vorgenannten Störeffekte bei der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft herbeizuführen, um als schädliche Umwelteinwirkungen qualifiziert werden zu können. Aufgabe dieses Merkmals ist es nicht, bestimmte negative Effekte auszuklammern. Vielmehr verdeutlicht es, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Allgemeininteresse erfolgt, aber auch im Interesse der Nachbarschaft und insoweit gegebenenfalls drittschützend ist.282 (a) Allgemeinheit Allgemeinheit ist eine unbestimmte Mehrheit von Personen. Die GewO hat dies früher in § 16 mit dem Begriff „das Publikum überhaupt“ bezeichnet.283 Der Schutzzweck des Gesetzes bezieht dabei neben dem körperlichen Wohlbefinden der Menschen und ihren Sachgütern, soweit diese Gegenstand von Rechten sind, auch die gesamte Umwelt ein.284 Wie aus der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf der ersten Fassung des BImSchG hervorgeht, erfolgte die Einbeziehung der Allgemeinheit als solche in den Schutzbereich des Gesetzes aufgrund der zunehmenden großräumigen Immissionsbelastungen, wie sie vor allem durch Luftverunreinigungen hervorgerufen wurden (und werden).285 Diese Ausführungen verdeutlichen, dass das Tatbestandsmerkmal „Allgemeinheit“ im Rahmen der Geruchsbewertung nur eine untergeordnete Rolle einnimmt. Die Geruchsbewertung untersucht Geruchsstoffmoleküle ausschließlich unter dem Aspekt der durch sie hervorgerufenen Geruchswirkung. Die sonstigen weiträumi281 Nach der GIRL soll ausreichend für die Bejahung der Störwirkung das für eine bestimmte (über das Jahr verteilte) Dauer bestehende Auftreten von Geruchsimmissionen über der Wahrnehmungsschwelle sein, vgl. dazu unten D. V. 282 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 31. 283 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 32. 284 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 5. 285 Vgl. Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29.

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gen Auswirkungen, die insbesondere flüchtige organische Verbindungen auf die Umwelt haben können, werden hierbei ausgeklammert.286 Im Rahmen der Bewertung von Geruch ist daher insbesondere das Tatbestandsmerkmal der Nachbarschaft von Bedeutung. Denn Schutz vor Geruchsimmissionen bedarf es insbesondere dort, wo Menschen sich dauerhaft aufhalten und sich dieser Wirkung nicht ohne weiteres entziehen können. (b) Nachbarschaft Der Begriff „Nachbarschaft“ knüpft an die räumliche Nähe zu einer Anlage an.287 Zur Nachbarschaft gehört der gesamte Einwirkungsbereich der Anlage, nicht nur die an die Anlage unmittelbar angrenzenden Grundstücke.288 Dabei gehören nicht nur die Eigentümer der im Einwirkungsbereich liegenden Grundstücke zur Nachbarschaft, sondern alle Personen, die nachhaltig und auf Dauer den von den zu beurteilenden Emissionsorten herrührenden Immissionen ausgesetzt sind. Dazu gehören beispielsweise auch Mieter.289 Das Bundesverwaltungsgericht290 hat zur Abgrenzung des Begriffs ausgeführt, dass zur Nachbarschaft nur solche Personen gehören, die nach ihren Lebensumständen den Einwirkungen der Anlage in einer vergleichbaren Weise, wie sie der Wohnort vermittelt, ausgesetzt sind. Daher können auch die im Einwirkungsbereich einer Anlage beschäftigten Personen Nachbarn im Sinne der Vorschrift sein.291 Der Einwirkungsbereich ist der Bereich, in dem die Emissionen der Anlage nach Art, Ausmaß und Dauer noch einen relevanten, das heißt individualisierbaren Immissionsbeitrag liefern.292 Der Einwirkungsbereich ist daher kein per se festgelegter Bereich in einem bestimmten Umkreis einer Anlage. Vielmehr wird der Einwirkungsbereich durch die Reichweite der (erheblichen) Immissionen be286 Interessant wäre dann beispielsweise die Frage, wie mit erheblichen Geruchsimmissionen in einem Naherholungsgebiet oder auf einem Kinderspielplatz umzugehen wäre, deren Benutzung unzumutbar beeinträchtigt ist und die dadurch für die Allgemeinheit wertlos würden. Eine Schwierigkeit ergäbe sich bereits daraus, dass „die Allgemeinheit“ nicht klagebefugt sein dürfte, da der Begriff der „Allgemeinheit“ aufgrund der mangelnden Abgrenzbarkeit nicht drittschützend ist. Schutz könnte die Allgemeinheit dann durch die Genehmigungsbehörde erhalten, die die Güter der Allgemeinheit in die Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit der entsprechenden Anlage einbeziehen müsste. Zudem ist zu beachten, dass bei echten Allgemeingütern eine Beeinträchtigung nur erheblich ist, wenn durch eine Rechtsverordnung oder eine Satzung ein entsprechender Schutz vorgesehen ist, etwa durch einen Bebauungsplan, vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 21a, § 3 Rn. 62. 287 Vgl. dazu Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 6. 288 Vgl. Jarass, DVBl. 1983, 725, 728, sowie die Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29. 289 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 35. 290 Vgl. BVerwG, Urt. v. 22. 10. 1982, Az.: 7 C 50 / 78, NJW 1983, 1507. 291 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 6c. 292 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 6 f.

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stimmt. Da sich die verschiedenen in § 3 Abs. 4 BImSchG genannten luftfremden Stoffe unterschiedlich weit ausbreiten können, kann demnach auch der Einwirkungsbereich unterschiedlich groß sein.293 So kann ein leichter Stoff (z. B. flüchtige Verbindungen, Geruchsstoffmoleküle) mit dem Wind in weitere Entfernungen transportiert werden als ein schwerer Stoff (z. B. Stäube). Im konkreten Fall – beispielsweise bei der Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage – muss jedoch ermittelt werden, wie weit sich der Einwirkungsbereich der Anlage erstreckt, um feststellen zu können, ob die von der Anlage möglicherweise herbeigeführten Immissionen zu schädlichen Umwelteinwirkungen werden. Aus dem BImSchG ergeben sich dazu keine Hinweise. Das Gesetz kennt zwar den Begriff des Einwirkungsbereichs (vgl. §§ 5 Abs. 1 Satz 2, 26, 67a Abs. 2 Nr. 1 BImSchG), es gibt aber nicht vor, auf welchem Wege dieser zu ermitteln ist. Das Verfahren zur Ermittlung von Emissionen und Immissionen kann gemäß § 48 BImSchG jedoch in einer Verwaltungsvorschrift geregelt werden.294 Die Frage nach dem Einwirkungsbereich der Anlage ist für die Geruchsbewertung im Rahmen der Vorsorge vor der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen von besonderer Bedeutung. Zum einen soll durch die Einhaltung eines Mindestabstands zum nächsten Schutzgut verhindert werden, dass innerhalb des Einwirkungsbereichs der Anlage, in dem erhebliche Geruchsimmissionen auftreten, eine zu schützende Nutzung angesiedelt ist.295 Kann dies nicht eingehalten werden, so kann z. B. der Anlagenbetreiber dazu verpflichtet werden, Emissionsminderungsmaßnahmen vorzunehmen, die im Ergebnis den Einwirkungsbereich der Anlage verkleinern. Auf diese Weise kann das Auftreten erheblicher Geruchsimmissionen verhindert werden. Zudem zählt jeder, der sich im Einwirkungsbereich der Anlage befindet, zur Nachbarschaft i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG. Da der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen die Nachbarschaft einbezieht, begründet dies einen drittschützenden Charakter der Vorschrift.296 Dritte können daher – soweit sie zur Nachbarschaft gehören, da sie sich im Einwirkungsbereich befinden und daher ggf. „noch“ in erheblicher Weise von den Geruchsimmissionen einer bestimmten Anlage betroffen sind – Rechtsschutz gegen Geruchsimmissionen ersuchen. Typischerweise sind in Abhängigkeit von der am Standort überwiegend herrschenden Windrichtung die in der Hauptwindrichtung gelegenen Nachbarn der AnVgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn 6 f. Ob und in welcher Form hinsichtlich der Bewertung von Geruch Verwaltungsvorschriften zur Festlegung des Beurteilungsgebietes vorliegen, wird in diesem Kapitel in den Abschnitten IV. und V. erörtert. 295 Wie in diesem Kapitel in Abschnitt IV. und VI. unten noch dargestellt wird, sehen sowohl die TA Luft als auch verschiedene VDI-Richtlinien Mindestabstände zwischen Emittent und schützenswerter Nutzung als wesentliches Element der Vorsorge vor der Entstehung erheblicher Geruchsbelästigungen an. 296 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 31; gleichwohl ist nicht jede Vorschrift, die den Begriff „Nachbarschaft“ benutzt, notwendig drittschützender Natur. Diese Frage ist vielmehr bei jeder Vorschrift eigenständig zu prüfen, vgl. Jarass, a. a. O. 293 294

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lage dauerhaft oder in gewisser Regelmäßigkeit von Geruchsimmissionen betroffen.297 Da Geruchsstoffe sich je nach Meteorologie und Topographie über mehrere Kilometer hinweg ausbreiten können, können im Einzelfall auch einige Kilometer von der Anlage entfernt belegene Personen zur Nachbarschaft im vorgenannten Sinne gehören. Darüber hinaus können unregelmäßig auftretende Windrichtungen auch zu erheblichen Geruchsimmissionen bei anderen Personen führen. Entscheidend für die Möglichkeit der Geltendmachung nachbarrechtlicher Ansprüche ist dann, ob ein bestimmter Geruch einer Anlage noch zugeordnet werden kann und in welchem Umfang dieser auftritt. Beides kann nur mit messtechnischen Verfahren festgestellt werden und muss im Einzelfall anhand entsprechender Untersuchungen beurteilt werden.298 cc) „Schädliche Umwelteinwirkungen“ als unbestimmter Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum der Verwaltung (1) Unbestimmter Rechtsbegriff Sowohl der Terminus „schädliche Umwelteinwirkungen“ als auch die ihn ausfüllenden Begriffe „Gefahren“, „erhebliche Nachteile“ und „erhebliche Belästigungen“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe stellt sich als besonders schwierig dar, da ihr Bedeutungsgehalt durch objektive Maßstäbe nicht erschöpfend festgelegt werden kann.299 Der Rechtsanwender muss den Bedeutungsgehalt dieser Tatbestandsmerkmale durch Auslegung ermitteln und auf diesem Wege den Inhalt eigenständig festlegen, wobei er häufig eine Wertung vornehmen muss. Darüber hinaus kann als zusätzliche Herausforderung bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe eine Prognose in die Zukunft verlangt sein.300 Dies erfordert wiederum die Berücksichtigung unterschiedlicher Gesichtspunkte und im Ergebnis eine Entscheidung, auch wenn Zweifel vorliegen.301 Vor diesem Hintergrund kann die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im konkreten Fall erheblichen Schwierigkeiten begegnen. Zwar kann es entsprechend dem „Prinzip der einzigen richtigen (rechtmäßigen) Entscheidung“302 in rechtlicher Hinsicht jeweils nur eine richtige Auslegung geben.303 Es existieren jedoch 297 Sinngemäß VGH Mannheim, Urt. v. 23. 04. 2002, Az.: 10 S 1502 / 01, NVwZ 2003, 365, 367. 298 Auf die Messung von Geruch und die Identifizierung einer Geruchsart – mit der daraus folgenden Möglichkeit der Zuordnung – ist im Kapitel C. eingegangen worden. 299 Vgl. Ebinger, Der unbestimmte Rechtsbegriff, S. 20. 300 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 29; Erichsen, DVBl. 1985, 25. 301 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn 226. 302 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1974, 309, 310; VG Wiesbaden, Urt. v. 25. 09. 1986, Az.: V / 1 E 52 / 82, NJW 1988, 356, 358.

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Grenzfälle, bei denen zweifelhaft sein kann, was richtig ist. Die an sich einzig rechtmäßige Entscheidung lässt sich nicht immer eindeutig feststellen304, wobei das Problem des unbestimmten Rechtsbegriffes im Bereich der Erkenntnis liegt.305 Je besser und genauer die bei der Auslegung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ermittelt werden können, umso leichter fällt die Entscheidung im Einzelfall. Gerade im Bereich des Immissionsschutzes, in dem physische Auswirkungen bestimmter Phänomene auf die Umwelt bewertet werden und somit im Wesentlichen die Beurteilung naturwissenschaftlicher Vorgänge die Grundlage der Entscheidung bildet, stellt sich die Auslegung des Begriffs als schwierig dar.306 Die eigene Auslegungsleistung bei der Anwendung des Begriffs der schädlichen Umwelteinwirkungen liegt in der Festlegung einer Erheblichkeitsschwelle für eine bestimmte Immissionsart, was immer auch eine Wertung des Rechtsanwenders voraussetzt. Alle Gesichtspunkte, die bei der Ermittlung der Erheblichkeit heranzuziehen sind, muss der Rechtsanwender gewichten und in seine Entscheidung einbringen. Dies wird ihm leichter fallen, soweit verbindliche Grenzwerte vorliegen, sei es emissions- oder immissionsseitig. Der Rechtsanwender kann sich bei seiner Auslegung auf entsprechende Werte stützen. Doch auch hier muss er den bei der Anwendung von Grenzwerten zu berücksichtigenden Unsicherheiten (z. B. Messunsicherheiten) Rechnung tragen. Schwierigkeiten kann dabei zunächst die Ermittlung des zu erwartenden Maßes an Immissionen bereiten. Die Prognose, welche Wirkungen die zu erwartenden Immissionen voraussichtlich bei den Schutzgütern haben werden, kommt als weiterer unsicherer Faktor hinzu. Eine Prognose auf der Grundlage von naturwissenschaftlichen Vorgängen kann als eine auf die Zukunft ausgerichtete Vorhersage die sich dann real ereignenden Vorgänge immer nur annähernd wiedergeben. Soweit verbindliche Werte nicht vorliegen oder aber vorliegende Werte nur als „Richtwerte“ oder „Orientierungswerte“ herangezogen werden können, muss der Rechtsanwender zugleich andere wertende Gesichtspunkte in seine Entscheidung einbeziehen. In diesem Falle muss er letztlich die Erheblichkeitsschwelle selbst festlegen, was Schwierigkeiten bereiten kann. Ein besonders geeignetes Beispiel für diese besondere Schwierigkeit ist die Festlegung der Erheblichkeitsschwelle für Geruchsimmissionen. Bundesweit einheitliche und allgemeinverbindliche Grenzwerte für Geruchsimmissionen existieren nicht; zu Geruchsemissionen liegen nur vereinzelte Werte für besondere Anlagenarten vor, auf die sich der Rechtsanwender 303 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 29; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn 226. 304 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 29; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 226. 305 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 29. 306 Vgl. dazu Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 16; Hansmann, BImSchG, S. 17 f.; Sendler, UPR 1981, 1, 3 f., 9 f.

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stützen kann. Mit der GIRL hat es einen Versuch der Festlegung einer solchen Schädlichkeitsschwelle für Geruchsimmissionen gegeben.307 Allerdings entfaltet die GIRL nur für die Verwaltungsbehörden derjenigen Bundesländer eine Bindungswirkung, die sie als Verwaltungsvorschrift eingeführt haben. Von der Rechtsprechung wird sie zwar überwiegend, aber noch nicht durchgehend als Entscheidungshilfe akzeptiert.308 Teilweise setzen Gerichte nach wie vor andere, von der GIRL abweichende Grenzwerte für die Festlegung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen an.309 All dies bietet dem Rechtsanwender ein eher verwirrendes Bild denn einen klaren Leitfaden, wie der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Rahmen der Geruchsbewertung auszulegen ist. Schließt man zusätzlich in die Überlegung ein, welche Anforderungen an die Festlegung eines Grenzwertes zu stellen sind, also wie viele einzelne Untersuchungen der Grenzwertfestsetzung zugrunde gelegt werden müssen, damit diese repräsentativ / richtig ist und welchen Maßstäben diese Untersuchungen genügen müssen, so stellt sich die weitere Frage, ob derzeit ein einziger der zur Erheblichkeit von Geruchsimmissionen vertretenen Werte zu einer Entscheidung führen kann, die die Bezeichnung der „einzig Rechtmäßigen“ für sich in Anspruch nehmen darf, oder ob es sich stets nur um eine Annäherung an die fiktive richtige Entscheidung handelt. Gleichfalls schwierig erweist sich die Einschätzung der Erheblichkeit der Auswirkungen, die ebenfalls als Gesichtspunkt in die Auslegung einfließen muss. Je nach der individuellen Empfindlichkeit des zu schützenden Rechtsgutes ist es denkbar, dass es bei einigen Schutzgütern zu erheblichen Auswirkungen kommt, bei anderen aber (noch) nicht. Darüber hinaus können auch die naturwissenschaftlich-fundierten Meinungen darüber auseinander gehen, welche Art von Auswirkungen durch die zu beurteilenden Immissionen zu erwarten ist. Die Rechtsprechung sucht dieses Problem zu lösen, indem sie für das Maß dessen, was eine Gefahr, einen erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung darstellt, auf den „verständigen Durchschnittsmenschen“ abstellt (mit der Einschränkung, dass auch besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Alte, Kinder und Kranke zu berücksichtigen sein können).310 Dass sich diese Herangehensweise hinsichtlich der Bestimmung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen möglicherweise als zu pauschal erweist, ist bereits dargestellt worden.311 Die individuelle Empfindlichkeit für Geruch kann bei Teilen der Bevölkerung höher sein als bei anderen und dies unabhängig von deren Zugehörigkeit zu den nach der Dazu unten D. V. Vgl. unten D. V. 7. 309 Vgl. unten D. V. 7. c) aa). 310 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 53; Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), BImSchG, § 3 Rn. 15a; BVerwG, Urt. v. 07. 10. 1983, Az.: 7 C 44 / 91, BVerwGE 68, S. 62, 67 (Angelus-Läuten); BVerwG, Urt. v. 07. 05. 1996, Az.: 1 C 10 / 95, BVerwGE 101, S. 157, 162 (Sperrzeitverkürzung für Diskothek). 311 Vgl. oben D. III. 1. a) bb) (3) (b). 307 308

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Rechtsprechung zu berücksichtigenden Gruppen der Alten, Kinder und Kranken.312 Eine Lösung dieses Problems könnte daher nur darin liegen, im Einzelfall zu prüfen, welche schützenswerte Gruppe an die Stelle des „verständigen Durchschnittsmenschen“ rücken muss, um der besonderen Empfindlichkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen Rechnung tragen zu können. Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass der „Erkenntnisgewinn“ bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 3 Abs. 1 BImSchG im Rahmen der Geruchsbewertung ein diffiziler Vorgang ist, der die Berücksichtigung einer Vielzahl von – zum Teil unsicheren – Faktoren erfordert. Dennoch muss im Einzelfall entschieden werden, ob beispielsweise eine Anlage genehmigungsfähig ist, oder ob der Betreiber einer Anlage weitergehende Vorkehrungen zur Minimierung des Geruchsstoffausstoßes vornehmen muss. Der dieser Entscheidung innewohnende „Unsicherheitsfaktor“ muss dabei hingenommen werden. (2) Beurteilungsspielraum und Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen? Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aus dem BImSchG ist eine Vielzahl einzelner Kriterien zu berücksichtigen, abzuwägen und zu bewerten. Häufig handelt es sich dabei um technische Fragen, messtechnische Einzelheiten, die Gewichtung von Messergebnissen und die Abwägung der widerstreitenden Interessen von Emittent und Betroffenen. Dies ist ein in jedem Einzelfall umfangreicher Entscheidungsvorgang, der einen nicht unerheblichen Bedarf an Einzelwissen und technischem Verständnis verlangt. Offen scheint daher, inwieweit der Verwaltung ein eigener, vom Gericht nicht zu überprüfender Beurteilungsspielraum zusteht. Grundsätzlich wird die zuerst 1955 von Bachof313 entwickelte Lehre vom Beurteilungsspielraum, nach der der Verwaltungsbehörde durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein Bereich eigener, gerichtlich nicht weiter überprüfbarer Wertung und Entscheidung zugestanden wird314, von der Rechtsprechung nicht anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht315 begründet seine Auffassung mit der strikten Gesetzesbindung der Verwaltung. Mit Art. 19 Abs. 4 GG sei es nicht zu vereinbaren, die Gerichte an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen der Verwaltung zu binden. Dies bedinge eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Verwaltung, mit der auch das Bundesverwaltungsgericht seine Kontrollkompetenz begründet.316 Nur im Ausnahmefall, der durch besondere Gründe gerechtfertigt 312 Vgl. dazu nur die Untersuchung von Rethage / zur Nieden / Eikmann / Herr, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 139. 313 Vgl. Bachof, JZ 1955, 97 ff. 314 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 31. 315 BVerfG, Beschl. v. 28. 06. 1983, Az.: 2 BvR 539 / 80 und 612 / 80, BVerfGE 64, S. 261, 279 (Gewährung von Hafturlaub).

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sein und aus der jeweiligen gesetzlichen Regelung entnehmbar sein muss, können die Gerichte die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung nicht voll überprüfen.317 Einen solchen Ausnahmefall stellt unter anderem die Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der darauf folgenden Risikoabschätzung im Bereich der Naturwissenschaft und Technik dar, wie sie im Umweltrecht vorgenommen werden muss.318 Das Bundesverwaltungsgericht319 hat in der Wyhl-Entscheidung über die Teilgenehmigung für die Errichtung eines Kernkraftwerks und die Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG („Vorsorge gegen Schäden“ hinsichtlich der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen) anerkannt, dass es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen.320 Dies sei schon deshalb anzunehmen, da die Exekutive sowohl gegenüber der Legislative als auch gegenüber den Verwaltungsgerichten über rechtliche Handlungsformen verfüge, die sie für die Verwirklichung des Grundsatzes bestmöglicher Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sehr viel besser ausrüsten würden. Diese Entscheidung nimmt somit einen Beurteilungsspielraum bei Risikoentscheidungen im Atomrecht an. Sie ist jedoch umstritten.321 Zudem ist fraglich, ob diese Ansicht auf das Immissionsschutzrecht übertragen werden kann.322 Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit in verschiedenen Entscheidungen einen Beurteilungsspielraum bei der Auslegung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ verneint. Im Voerde-Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht323 316 Ein Beurteilungsspielraum wurde beispielsweise verneint von BVerwGE 15, S. 207, 208 („wichtiger Grund“ im Sinne des Namensänderungsgesetzes); BVerwG, Urt. v. 22. 04. 1966, Az.: IV C 120.65, BVerwGE 24, S. 60, 63 f. („Denkmalswürdigkeit eines Gebäudes“); BVerwG, Urt. v. 09. 06. 1978, Az.: 5 C 54.75, BVerwGE 56, S. 71, 75 (Wohl der Allgemeinheit); BVerwGE 59, S. 1, 2 (besondere Umstände des Einzelfalles im Sinne des § 6 BAföG); BVerwGE 81, S. 12, 17 (nach dem Stand der Wissenschaft nicht vertretbare sonstige Auswirkungen auf den Naturhaushalt); vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 229, sowie Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 35, jeweils m. w. N. 317 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 35; BVerwG, Urt. v. 25. 11. 1993, Az.: 3 C 38.91, BVerwGE 94, S. 307, 309; BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1995, Az.: 3 C 24.94, BVerwGE 100, S. 221, 225, im konkreten Fall jeweils abgelehnt. 318 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 236. 319 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985, Az.: 7 C 65 / 82, BVerwGE 72, S. 300, 316. 320 Das BVerwG verweist zu dieser Ansicht auf VG Schleswig, Urt. v. 17. 03. 1980, Az.: 10 A 512 / 76, NJW 1980, 1296. 321 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 236; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 117. 322 Verneinend Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), § 5 Rn. 46; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 117. 323 BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1978, Az.: 1 C 102.76, BVerwGE 55, S. 250, 253; vgl. dazu Anm. Horn, NJW 1978, 2409.

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hierzu ausgeführt, dass uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt, ob im einzelnen Fall die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind und ob insbesondere die in Rede stehenden Immissionen (Luftschadstoffe aus einem Kohlekraftwerk) geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Auch hinsichtlich des von einer Sportanlage ausgehenden Lärms hat das Bundesverwaltungsgericht324 ausgeführt, dass die Beurteilung der Erheblichkeit von Belästigungen der Nachbarschaft durch Geräusche gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG weitgehend eine Frage tatrichterlicher Bewertung sei. Auch im Schrifttum wird ein Beurteilungsspielraum bei der Auslegung des Begriffs schädliche Umwelteinwirkungen überwiegend verneint.325 Zur Begründung wird auf die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 6 BImSchG verwiesen326, was insofern unpassend erscheint, als es dort heißt: „Die Vorschrift enthält eine abschließende Aufzählung der Genehmigungsvoraussetzungen. Liegen diese vor, hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung. Die einzelnen Nummern enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe. Für ein Ermessen der Genehmigungsbehörde ist kein Raum. Die Verwaltungsgerichte können in vollem Umfang nachprüfen, ob die Genehmigungsbehörde die festgestellten Tatschen richtig unter die genannten Rechtsbegriffe subsumiert hat.“327

Hier werden Beurteilungsspielraum und Ermessen scheinbar miteinander vermischt, was jedoch rechtsdogmatisch nicht korrekt ist. Der Beurteilungsspielraum setzt auf der Tatbestandsseite an, das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite.328 Die Frage, ob die Verwaltung bei der Auslegung eines Rechtsbegriffs einen Beurteilungsspielraum hat, ist daher eine grundlegend andere als diejenige, ob sie bei der Subsumtion bestimmter Tatsachen unter einen Sachverhalt ein richtiges Ergebnis trifft, und zwar im Falle des § 6 BImSchG, ob eine Genehmigung zu erteilen ist oder nicht. Bei der Entscheidung über die Rechtsfolge hat die Verwaltung anerkanntermaßen kein Ermessen.329 Liegen die von § 6 BImSchG normierten Voraussetzungen vor, so ist die Genehmigung zu erteilen. An dieser Stelle passt im Übrigen der Verweis auf die Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf. Im Ergebnis ist daher mit den oben zitierten Entscheidungen im Rahmen der Anwendung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ nicht von einem der Überprüfung der Gerichte entzogenen Beurteilungsspielraum auszugehen. 324 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 01. 1989, Az.: 7 C 77 / 87, BVerwGE 81, S. 197, 203; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 30. 04. 1992, Az.: 7 C 25 / 91, NJW 1992, 2779. 325 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 18a; Breuer, NVwZ 1988, 104, 108. 326 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 18a; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 117. 327 Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 31. 328 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 26. 329 Vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 26.

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dd) Einheitlichkeit des Begriffs Nachdem die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ herausgearbeitet worden sind, gilt es noch ein letztes Problem zu erörtern. Es ist umstritten, ob der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in den einzelnen Vorschriften des BImSchG jeweils einheitlich oder unterschiedlich auszulegen ist. Ganz überwiegend wird die Ansicht vertreten, dass der Begriff in den einzelnen Vorschriften des Gesetzes eine unterschiedliche Bedeutung haben kann.330 Als Argument hierfür wird auf den Regierungsentwurf zu § 3 BImSchG verwiesen. Nach dem BImSchG würde Schutz nicht nur vor Gefahren – die per se erheblich seien – gewährt, sondern auch vor Nachteilen und Belästigungen, allerdings nur wenn diese erheblich seien.331 Der Regierungsentwurf bezeichne diese Einschränkung als das Ergebnis einer Güterabwägung, auf die in einem hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Land nicht verzichtet werden könne. Daraus lasse sich schließen, dass diese Güterabwägung im Rahmen der verschiedenen Vorschriften des BImSchG auch unterschiedlich ausfallen könne. Der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen könne daher nicht generell, sondern nur im Zusammenhang mit der einzelnen Norm, in dem er verwandt werde, ermittelt werden.332 Dafür spreche auch der Grundsatz, dass die Erheblichkeit durch die Zumutbarkeit bestimmt werde. Was dem Betroffenen an Immissionen zugemutet werden könne, hänge im Einzelfall von vielerlei Umständen ab; insoweit bestünde ein Unterschied, ob Anforderungen gestellt würden, bei deren Nichteinhaltung ein Vorhaben nicht ausgeführt werden dürfe (wie nach § 6 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) oder die lediglich Vorkehrungen an einer konkreten Anlage zum Gegenstand hätten (wie nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG).333 Dies gelte insbesondere bei einem Vergleich der der Gefahrenabwehr dienenden „Schutzpflicht“ des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, bei der es um konkret schädliche Umwelteinwirkungen gehe, und der „Vorsorgepflicht“ des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG für potentiell bzw. hypothetisch schädliche Umwelteinwirkungen.334 Hiergegen wird angeführt, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen Maßnahmen gerade vor und unabhängig von der Schwelle verlange, ab der schädliche Umwelteinwirkungen drohten. Das Gesetz knüpfe damit an die Legaldefinition an und ziehe lediglich für die zu treffenden Maßnahmen weitergehendere Schlussfolgerungen als etwa in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.335 Auch wenn der 330 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 23; Hansmann, in: Landmann / Rohmer, UmwR, BImSchG, § 50 Rn. 42 f., 45. 331 Vgl. Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 29. 332 Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 50 Rn. 44. 333 Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 50 Rn. 44. 334 Vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, BVerwGE 69, S. 37, 43; Jarass, DVBl. 1983, 731 f.; ders., BImSchG, § 3 Rn. 23.

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Nachweis nicht erbracht sei, dass schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden könnten, könne Vorsorge gegen sie geboten sein. Die Bedeutung einer einheitlichen, auch für die Vorsorge maßgeblichen Legaldefinition liege gerade darin, dass der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen Anknüpfungspunkt für die Vorsorge bleibe, da diese anderenfalls überhaupt nicht mehr eingrenzbar wäre. Zu Recht habe das Bundesverwaltungsgericht336 daher bemerkt, dass Vorsorge geboten sein könne, wenn Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führten oder wenn sie unabhängig von geltenden Schädlichkeitsgrenzen Risiken begegnen solle.337 Für diese Ansicht spreche auch, dass im anderen Fall die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG keine eigenständige Forderung gegenüber der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG mehr enthalten würde. Um zu erreichen, dass eine bestimmte Wirkung nicht hervorgerufen werden könne, wie die Schutzpflicht es verlange, müssten nämlich auch alle Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, die vernünftigerweise erwartet werden könnten. Die Vorsorgepflicht habe jedoch offenbar eine über die Schutzpflicht hinausgehende Bedeutung. Durch sie sollten Immissionen auch unterhalb der für § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geltenden Schädlichkeitsgrenze verhindert oder verringert werden.338 Jarass339 wendet gegen dieses Auffassung ein, dass sie übersehe, dass es beim Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen nicht nur um die Kausalkette zwischen Quelle und Immissionen, sondern auch (wegen der notwendigen Schädlichkeit) um diejenige zwischen Immissionen und belastenden Effekten gehe. Er vertritt die Ansicht, dass der Begriff im BImSchG nicht immer im gleichen Sinne verstanden werden soll, da die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit und Erheblichkeit unterschiedlich seien. Dies gelte insbesondere bei einem Vergleich der (der Gefahrenabwehr dienenden) Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, wo es um konkret schädliche Umwelteinwirkungen gehe, und der Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, für die potentiell bzw. hypothetisch schädliche Umwelteinwirkungen genügten.340 Jarass341 vertritt weiter die Auffassung, dass im Bereich der Gefahrenabwehr, etwa nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG generell eine konkrete Gefährlichkeit bestehen müsse, was eine nähere Bestimmung der Wahrscheinlichkeit erfordere. Er legt dabei an die Kausalität zwischen Anlagenbetrieb und Auftreten von Immissionen dieselben Anforderungen, wie an die Kausalität zwischen dem Auftreten von Immissionen und dem Eintritt negativer Effekte. Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem Anlagenbetrieb und dem Auftreten von Immissionen genüge eine 335 336 337 338 339 340 341

Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 4. Vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, NVwZ 1984, 371, 373. Vgl. Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 3a. Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 50 Rn. 45. Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 23. Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 23. Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 39.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

hinreichende Wahrscheinlichkeit.342 Ebenso müssten auch die negativen Effekte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Immissionen ausgelöst werden können.343 Im Bereich der Vorsorge genüge dagegen eine abstrakte Störqualität im Sinne einer potentiellen Gefährlichkeit.344 Die potentielle Gefährlichkeit der Emissionen könne sich aus der Schädlichkeit der emittierten Stoffe, aus der Menge der Stoffe, aus der zeitlichen Verteilung der Emissionen oder aus einer Kombination dieser Faktoren ergeben. Dabei genüge ein statistischer Zusammenhang zwischen Emission und Schaden, ein abstraktes Besorgnispotential oder ein Gefahrenverdacht.345 Dieser Streit ist insofern interessant, als sich die Vertreter der verschiedenen Auffassungen auf dieselben Quellen berufen (insbesondere das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. 02. 1984 zum Heidelberger Heizkraftwerk346), diese jedoch gänzlich unterschiedlich interpretieren. Bei der Auslegung des Begriffs schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen würde ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs in den verschiedenen Regelungen des BImSchG für die Praxis zur Folge haben, dass an die Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen im Rahmen der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG eintreten können, ein anderer Prüfungsmaßstab angelegt werden müsste als an diejenige Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen im Rahmen der Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu erwarten sind. Dieses Verständnis lässt sich auch aus der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts347 herauslesen, soweit das Gericht ausführt, „ob Immissionen eine solche Eignung (zur Herbeiführung von Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen) zukommt, lässt sich nicht generell und allgemein, sondern nur im Kontext der jeweiligen Vorschrift des Bundesimmissionsschutzgesetzes beantworten, in der der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen verwendet wird“. Die Vorsorge „soll dabei gerade den durch die Festlegung von Immissionswerten noch nicht umfassten Bereich der Restrisiken abdecken“. Schädliche Umwelteinwirkungen im Rahmen der Vorsorge wären daher auch schon dann zu bejahen, „wenn eine konkrete Schädlichkeit zwar nicht angenommen werden kann, wenn aber hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen und damit – auch wenn sich entsprechende Ursachenzusammenhänge im einzelnen noch nicht eindeutig feststellen lassen – ein Gefahrenverdacht besteht“.348

342 343 344 345 346 347 348

Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 16. Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 19. Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 39. Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 52. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, NVwZ 1984, 371. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, NVwZ 1984, 371. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, NVwZ 1984, 371, 373.

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Gleichwohl ist in diesem Zusammenhang durchaus offen, ob die in Bezug auf Schwefeloxidemissionen und die Grenzwerte in der damals geltenden Verordnung über Großfeuerungsanlagen ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts überhaupt generell auf andere Immissionsarten, wie zum Beispiel Geruchsimmissionen, übertragen werden kann. Bei luftverunreinigenden Stoffen, wie Schwefeloxiden, sind möglicherweise Folgewirkungen zu erwarten, die (zumindest zum damaligen Zeitpunkt der Entscheidung bzw. der Festlegung von Grenzwerten) nicht abschätzbar waren und ggf. auch heute noch nicht abschätzbar sind. Dies verhält sich in Bezug auf Geruchsstoffe unterhalb der toxikologisch relevanten Schwelle jedoch anders. Die von Geruchsstoffen zu erwartende Wirkung (Geruch) bleibt stets dieselbe. Fernwirkungen, wie sie insbesondere in der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts349 diskutiert worden sind, sind bei Geruchsstoffen, zumindest was ihre Geruchswirkung betrifft, kaum zu erwarten. Insofern dürfte sich das Problem der unterschiedlichen Auslegung des Begriffs schädliche Umwelteinwirkungen in Bezug auf Geruchsimmissionen nicht in dem Ausmaß stellen, wie es von der Literatur im Hinblick auf Immissionen im Allgemeinen diskutiert wird. ee) Konkretisierung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ Auch wenn die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Begriffs schädliche Umwelteinwirkungen zuvor herausgearbeitet und ihre Auslegung erörtert worden sind, so ist noch nicht ersichtlich, wann im Einzelfall eine Immission zu einer schädlichen Umwelteinwirkung wird. Es bedarf hierzu einer weitergehenden Konkretisierung. Um den Begriff in der Praxis handhabbar zu machen, sind im BImSchG verschiedene Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften enthalten, durch die die Grenzen, ab der Immissionen als schädliche Umwelteinwirkungen zu bewerten sind, näher konkretisiert werden können.350 Solche Ermächtigungsgrundlagen sind unter anderem in §§ 7 Abs. 1 und Abs. 4, 23 Abs. 1 und Abs. 2, 48a und 48b BImSchG enthalten.351 Darüber hinaus beinhaltet § 48 BImSchG eine Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften ebenfalls zum Zwecke der Konkretisierung des Begriffs. Auf diese Vorschriften wird noch einzugehen sein.352 Einige auf der Grundlage dieser Normen erlassene Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften legen Grenz- oder Richtwerte für Immissionen und / oder Emissionen fest.353 Liegen entsprechende allgemeinverbindliche Werte vor, muss BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, NVwZ 1984, 371. Vgl. Ebinger, Der unbestimmte Rechtsbegriff, S. 13. 351 Insgesamt sind im BImSchG weitaus mehr Verordnungsermächtigungen enthalten, vgl. Saurer, Funktionen der Rechtsverordnung, S. 69, der je nach Zählweise auf 31 bis 35 Verordnungsermächtigungen kommt. 352 Zu §§ 7, 23 BImSchG vgl. u. D. III. 2.; zu § 48 BImSchG vgl. u. D. IV. 2. a). 349 350

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der Rechtsanwender bei der Beurteilung konkreter Emissionen oder Immissionen entweder nur deren Einhaltung überprüfen (Grenzwerte) oder kann die Werte als Orientierung seiner Entscheidung zugrunde legen (Richtwerte), was die Rechtsanwendung vereinfacht. Immissions- und Emissionswerte, die in Form von Verwaltungsvorschriften erlassen worden sind, binden zudem die Verwaltung bei ihren Entscheidungen. Nicht für jede Art der Umwelteinwirkung liegen jedoch Grenzoder Richtwerte oder überhaupt untergesetzliche Regelungen vor. Die Festlegung eines Grenzwertes für Geruchsimmissionen durch eine auf der Grundlage des BImSchG erlassene untergesetzliche Regelung ist bisher ausgeblieben. Geruchsemissionswerte sind nur in einer Rechtsverordnung und einer Verwaltungsvorschrift, die jeweils auf der Grundlage des BImSchG in den dafür vorgesehenen Verfahren zustande gekommen sind, festgelegt worden.354 Dies ist zum einen die Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen355 (30. BImSchV). Sie legt als einzige der Rechtsverordnungen zur Durchführung des BImSchG einen Emissionsgrenzwert für Geruchsstoffe fest, der beim Betrieb von biologischen Abfallbehandlungsanlagen einzuhalten und dessen Einhaltung anhand von olfaktometrischen Messungen zu überprüfen ist.356 Zum anderen ist dies die TA Luft. Regelungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen sind zwar ausdrücklich vom Anwendungsbereich der TA Luft ausgenommen.357 Die Verwaltungsvorschrift beinhaltet jedoch Regelungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsemissionen und legt auch für einzelne Anlagenarten Grenzwerte für Geruchsemissionen fest.358 Sie sieht darüber hinaus im Wesentlichen bauliche und technische Maßnahmen sowie räumliche Abstände zwischen Emittent und baulicher Nutzung vor, um ein ausreichendes Maß an Vorsorge zu erreichen.359 Ferner sieht die TA Luft vor, dass die Genehmigungsbehörde in der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage einen Emissionsgrenzwert für Geruchsstoffe festlegen kann.360 353 Zum Beispiel §§ 3 f. 13. BImSchV (Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen), oder § 5 17. BImSchV (Verordnung über Müllverbrennungsanlagen). Die Begriffe Emissionswerte, Immissionswerte, Emissionsgrenzwerte und Immissionsgrenzwerte werden im BImSchG nicht einheitlich verwendet, s. dazu Kutscheidt, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 3 Rn. 2. Zur Handhabung der Werte in der TA Luft siehe Bender / Sparwasser / Engel, Umweltrecht, Kap. 8 Rn. 99; zur Festlegung von (Immissions-) grenzwerten vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 210 ff.; Hansmann, in: FS Sendler, S. 285 ff. 354 Vgl. VGH München, Urt. v. 01. 07. 2005, Az.: 25 B 99.86, NJOZ 2005, 3882, 3885; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23. 10. 2001, Az.: 10 S 141 / 01, DVBl. 2002, 709, 711. 355 Dazu unten D. III. 2. d) aa) (1). 356 Vgl. § 6 Nr. 4 i. V. m. § 2 Nr. 8 c) 30. BImSchV. 357 Vgl. Nr. 1 Abs. 3 TA Luft. 358 Vgl. Nr. 1 Abs. 3 2. HS. TA Luft; vgl. dazu unten D. IV. 2.; Geruchsemissionsgrenzwerte legen Nrn. 5.4.8.5, 5.4.8.9, 5.4. 8. 10.1, 5.4. 8. 10.2, 5.4. 8. 11.1 TA Luft fest. 359 Vgl. Nr. 5.2.8 TA Luft.

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Ein sachlicher Grund für die mangelnde Festlegung allgemein gültiger Immissions- und Emissionsgrenzwerte oder auch nur entsprechender Richtwerte für Geruchsstoffe in untergesetzlichen Regelwerken des Bundes dürfte in der besonderen Schwierigkeit der Objektivierung der Bewertung von Geruch liegen.361 Die ursprünglich geplante Aufnahme der Geruchsimmissionswerte der GIRL in die TA Luft 2002 scheiterte an Widerständen der Industrie und der Landwirtschaft, die dem System der GIRL die Eignung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen absprachen.362 Seitdem hat es keinen weiteren Versuch der Festlegung bundesweit einheitlicher, verbindlicher Immissionswerte für Geruch gegeben. Demnach scheint der Rechtsanwender in jedem Einzelfall entscheiden zu müssen, ob die von einer Anlage herbeigeführten Geruchsimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen darstellen, ohne sich dabei auf verbindliche Grenzwerte oder auch nur Richtwerte als Anhaltspunkte in Gesetzen oder untergesetzlichen Regelwerken stützen zu können. Ganz ohne Anhaltspunkt steht er gleichwohl nicht da. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die zuständigen Genehmigungsbehörden in der überwiegenden Anzahl der Bundesländer bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen auf die GIRL zurückgreifen, die Grenzwerte für Geruchsimmissionen festlegt. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gewinnt die GIRL zunehmend an Akzeptanz als „Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen“363. Die GIRL ist nicht in dem Verfahren erlassen worden, das § 48 BImSchG zum Erlass von Verwaltungsvorschriften vorsieht. Sie ist aber in der überwiegenden Anzahl der Bundesländer in der Fassung des LAI oder leicht modifizierter Fassung auf dem Erlasswege eingeführt worden und damit für die zuständigen Behörden in diesen Bundesländern verbindlich.364 Geruchsminderungsmaßnahmen sehen darüber hinaus verschiedene technische Regelungen privater Stellen vor, die Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure365 (VDI). Sie enthalten keine Grenzwerte für Geruchsimmissionen, sondern bilden den technischen Rahmen der Geruchsmessung oder sehen für einzelne Anlagenarten bauliche und technische Maßnahmen sowie räumliche Abstände zwischen Emittent und baulicher Nutzung vor, um ein ausreichendes Maß an VorVgl. Nr. 5.2.8. TA Luft. Vgl. Roßnagel, NuR 1998, 69, 70; vgl. dazu auch schon oben B. II. 362 Vgl. dazu unten D. IV. 2. 363 So das OVG Münster, Urt. v. 24. 06. 2004, Az.: 21 A 4130 / 01, NVwZ 2004, 1259, unter Hinweis auf zahlreiche weitere Entscheidungen, die im Einzelnen noch erörtert werden (vgl. unten D. V. 7. c). 364 Vgl. zum Beispiel den in NVwZ 1995, 46 ff. abgedruckten Erlass des Landes Sachsen vom 16. 03. 1993, Sächs. Amtsbl., S. 514; Geruchsimmissions-Richtlinie für Berlin vom 08. 12. 1994, ABl. 1995, S. 1113, geändert am 26. 10. 1999, ABl. S. 4604; Niedersächsischer Runderlass vom 14. 11. 2000, Nds. MBl. 2001, S. 224; Thüringische Verwaltungsvorschrift vom 17. 12. 2003, ThürStAnz. 2004, S. 157. Zu allem ausführlich unten D. V. 5. b). 365 Dazu unten D. VI. 1. 360 361

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sorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu erreichen. Einige Richtlinien des VDI sind in die TA Luft inkorporiert und finden so Eingang in das Genehmigungsoder Überwachungsverfahren geruchsintensiver Anlagen.366 Den Abständen der VDI-Richtlinien kommt zudem eine Indizwirkung für die Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen zu.367 Darüber hinaus existieren für verschiedene Branchen von der Europäischen Kommission erlassene „Best Available Technology Reference Documents“ (BREFs). Sie enthalten ebenfalls bauliche und betriebliche Vorgaben, die der Emissionsminderung dienen sollen.368 Für einzelne Anlagenarten sind darüber hinaus in einigen Bundesländern oder Landkreisen spezifische Regelungen entwickelt worden. Dazu gehört zum Beispiel die „Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen“. Dabei handelt es sich um eine von der Technischen Universität München entwickelte Methode zum Umgang mit Geruchsemissionen und -immissionen aus Rinderställen.369 Im Landkreis Cloppenburg ist der „Cloppenburger Leitfaden zur Feststellung der Eignung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung zur Anwendung in der Genehmigungspraxis und bei der Überwachung“ entwickelt worden.370 Zum Teil nimmt die Rechtsprechung Bezug auf einzelne dieser Regelwerke.371 Im Ergebnis bedarf daher die Konkretisierung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ in Bezug auf Geruchsimmissionen der Berücksichtigung einer Vielzahl von untergesetzlichen und privaten Regelungen. Welche Anforderungen im Einzelnen an den Betreiber einer Anlage mit geruchsintensiven Prozessen gestellt werden und wie die verschiedenen Regelwerke ineinander greifen, wird im Folgenden erörtert.

366 Vgl. Anhang 6 zu TA Luft, Tabelle 21, Zeile „Geruchsstoffe“. Der dort enthaltene Verweis ist jedoch mittlerweile überholt, da an die Stelle der VDI-Richtlinien 3881 Blatt 1, 2 und 3 die VDI-Richtlinie DIN EN 13725 getreten ist, dazu unten D. VI. 1. c). 367 Vgl. unten D. VI. 1. 368 Wie die BREFs im Einzelnen zu berücksichtigen sind, wird unten im Rahmen der Darstellung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erläutert. 369 Vgl. Zeisig, Geruchsemissionen aus Rinderställen; Zeisig / Langenegger, Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen; vgl. dazu VGH München, Urt. v. 23. 11. 2004, Az.: 25 B 00.366, NVwZ-RR 2005, 605 ff. 370 Vgl. Hahne / Schirz / Schumacher, Leitfaden des Landkreises Cloppenburg zur Feststellung der Eignung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung zur Anwendung in der Genehmigungspraxis und bei der Überwachung vom 14. 06. 2002, abrufbar unter http: //www.lkclp.de/0_technik/formulare/kv_bauen/leitfaden_ zur_feststellung_dereignung_ von_abluftreinigungsanlagen.pdf. 371 Vgl. VGH München, Urt. v. 23. 11. 2004, Az.: 25 B 00.366, NVwZ-RR 2005, 605; OVG Lüneburg, Beschl. v. 13. 11. 2006, Az.: 1 ME 166 / 06, n.v.

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b) Anforderungen nach dem BImSchG an die Errichtung und den Betrieb von Anlagen in Bezug auf Geruchsimmissionen aa) Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen (1) Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage nach § 4 Abs. 1 BImSchG i.V. m. § 1 4. BImSchV Das BImSchG unterscheidet zwischen genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, wobei erstere in den §§ 4 ff. BImSchG und letztere in den §§ 22 ff. BImSchG geregelt sind. Anlagen im Sinne des Gesetzes sind gemäß § 3 Abs. 5 BImSchG Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 BImSchG unterliegen, und Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege. Mit genehmigungsbedürftigen Anlagen sind alle Anlagen gemeint, die im Anhang zur 4. BImSchV aufgeführt sind und nicht unter § 4 Abs. 2 BImSchG fallen.372 Von der Genehmigungsbedürftigkeit sind sowohl die Errichtung als auch der Betrieb der Anlage umfasst. Die Errichtung beginnt dabei regelmäßig mit dem Beginn der Baumaßnahmen am vorgesehenen Ort und endet mit der Einrichtung der Anlage.373 Zum Betrieb einer Anlage gehört nicht nur die Produktion im engeren Sinne, sondern die gesamte Betriebsweise, einschließlich Wartung und Unterhaltung der Anlage.374 Auch die wesentliche Änderung einer Anlage ist eine Errichtung im Sinne dieser Bestimmung, vgl. § 16 BImSchG. Verschiedene Anlagenarten mit besonders geruchsbelasteten Produktionsverfahren sind bereits im Kapitel B. genannt worden. Dazu gehören auch einige der Anlagen, die im Anhang der 4. BImSchV unter der Überschrift Nr. 7. „Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse“ aufgeführt sind, wie zum Beispiel Anlagen zum Halten und zur Aufzucht von Geflügel oder Pelztieren oder zum Halten oder zur getrennten Aufzucht von Rindern oder Schweinen375, Anlagen zum Räuchern von Fleisch- oder Fischwaren376, Anlagen zur Beseitigung oder Verwertung von Tierkörpern oder tierischen Abfällen377, Anlagen zur ErzeuVgl. Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 12. Zu unterscheiden ist hiervon die Herstellung von Anlagen bzw. Anlagenteilen gemäß § 3 Abs. 7 BImSchG, die üblicherweise an einem anderen Ort als dem der Aufstellung der Anlage stattfindet und für die die Sonderregelungen der §§ 32 bis 37 BImSchG gelten. 374 Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 31. 375 Vgl. Nr. 7.1 Anhang zur 4. BImSchV, vgl. oben B. I. 3. a). 376 Vgl. Nr. 7.5 Anhang zur 4. BImSchV. 377 Vgl. Nr. 7.12 Anhang zur 4. BImSchV. 372 373

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gung von Ölen und Fetten378 und Brauereien mit einem Ausstoß von 3000 Hektoliter Bier oder mehr je Tag als Vierteljahresdurchschnittswert379. Geruchsintensiv sind zudem die Produktionsprozesse der unter Nr. 8. „Verwertung und Beseitigung von Abfällen und Stoffen“ genannten Anlagenarten, wie Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen380 oder Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen381. Geruchsintensive Anlagen sind darüber hinaus die in Nr. 4. „Chemische Erzeugnisse, Arzneimittel, Mineralölraffination und Weiterverarbeitung“ genannten Anlagen sowie die unter Nr. 6. „Holz, Zellstoff“ genannten Anlagen zur Herstellung von Papier, Karton oder Pappe382. (2) Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung gemäß § 6 BImSchG Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung nach § 6 BImSchG ist die Erfüllung der sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Darüber hinaus dürfen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften sowie Vorschriften des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG.383 Die Behörde hat bei der Entscheidung darüber, ob eine Anlage genehmigungsfähig ist, kein Ermessen. Liegen die vom Gesetz in § 6 BImSchG normierten Voraussetzungen vor, so besteht ein gebundener Anspruch auf eine positive Entscheidung. Dies entspricht der Annahme, dass das Gesetz, wenn auch nur unvollkommen, die Tatbestandsvoraussetzungen oder Rechtsfolgen abschließend festlegt.384 Vgl. Nr. 7.23 Anhang zur 4. BImSchV. Vgl. Nr. 7.27 Anhang zur 4. BImSchV. 380 Vgl. Nr. 8.5 Anhang zur 4. BImSchV. 381 Vgl. Nr. 8.6 Anhang zur 4. BImSchV. 382 Vgl. Nr. 6.2 Anhang zur 4. BImSchV. 383 Auf die eingehende Erörterung dieser Vorschriften wird vorliegend verzichtet, da sie im Rahmen der hiesigen Problematik nicht interessieren. Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang zu beachtenden baurechtlichen Vorschriften gilt, dass sie regelmäßig keinen weitergehenden Schutz als § 5 BImSchG gewähren, vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 17; vgl. im Übrigen zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Jarass, a. a. O., Rn. 10 ff.; die Problematik des Schutzes der in der Anlage beschäftigten Arbeitnehmer vor Geruchsbelästigungen wird vorliegend nicht erörtert, vgl. dazu Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 6 Rn. 54 bis 58. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schwartz, Gesundheitsgefahren und Geruchsbelästigung durch Lösemitteldampfgemische am Arbeitsplatz, Tübingen 1974, sowie Sturm, Über die arbeitshygienische Bedeutung der Geruchsbelästigung durch gewerbliche Noxen, Tübingen 1972. 384 So hat es auch bereits die Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf zu § 6 BImSchG vorgesehen, die dazu ausführt, dass für ein Ermessen kein Raum sei. Insofern können auch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang nachprüfen, ob die Genehmigungsbehörde die festgestellten Tatsachen richtig unter die genannten Rechtsbegriffe subsumiert hat, vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des BImSchG, BT-Drs. 7 / 179, S. 31. 378 379

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(3) § 5 Abs. 1 BImSchG „Vorsatz“ – die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt In § 5 BImSchG sind die sogenannten Betreiberpflichten normiert. Sie gelten für die Errichtung und den Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage und sind nicht nur im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung, sondern während der gesamten Dauer des Betriebs der Anlage zu erfüllen.385 Für die vorliegende Untersuchung sind die Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, die sogenannte Schutzpflicht, und aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, die sogenannte Vorsorgepflicht, von Bedeutung. Sie dienen dem Schutz vor bzw. der Vorsorge vor der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen, so dass im Genehmigungsverfahren überprüft werden muss, ob von der zu genehmigenden Anlage schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen ausgehen können und auf welche Weise deren Entstehung vorzubeugen ist. Die übrigen Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 3 BImSchG (Abfallvermeidungspflicht, Pflicht zur sparsamen Verwendung von Energie, besondere Vorsorgepflichten für Anlagen, die unter das TreibhausgasEmissionshandelsgesetz fallen, sowie die Rückbaupflicht) sind nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit.386 Der Einleitungssatz des § 5 Abs. 1 BImSchG ist mit der Umsetzung der IVURichtlinie um den Zusatz „zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt“ erweitert worden. Die Betreiberpflichten müssen demnach unter Berücksichtigung dieses Ziels erfüllt werden.387 Die IVU-RL definiert zwar nicht unmittelbar, was unter einem hohen Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu verstehen ist.388 Gleichwohl wird aus der Zusammenschau verschiedener Regelungen der IVU-RL deutlich, dass hiermit die Abkehr von einer isolierten Betrachtung möglicher negativer Umwelteinwirkungen hin zu einer integrativen, alle Auswirkungen des Betriebs einer Anlage übergreifend betrachtenden Umweltpolitik verfolgt wird. Dieser integrative, medienübergreifende Charakter wird mit der Aufnahme in § 5 Abs. 1 BImSchG nun auch explizit in das nationale Anlagengenehmigungsrecht übertragen.389 Fraglich ist jedoch, inwiefern sich der Umfang der Betreiberpflichten durch den Zusatz verändert hat. Durch die Einfügung des Eingangssatzes in § 5 Abs. 1 BImSchG kommt in Betracht, bei der Abwägung über die Erheblichkeit einer Umwelteinwirkung andere Kriterien heranzuziehen, als sie bis zur Umsetzung der Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 21. Vgl. dazu Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 168 ff., 197 ff. sowie 207 ff.; gleichwohl kann sich die Abfallvermeidungspflicht mittelbar auch auf die Anforderungen an die Vermeidung von Geruchsimmissionen auswirken, soweit Abluftreinigungsanlagen erneut Abfall produzieren. 387 Vgl. Feldhaus, ZUR 2002, 1, 4. 388 Vgl. oben D. II. 5. b). 389 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 7; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 5. 385 386

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IVU-RL zu berücksichtigen waren. Jarass390 spricht von einer möglicherweise erforderlichen bilanzierenden Betrachtung. Dietlein391 nennt die Erforderlichkeit eines „intermedialen Nutzenvergleichs“, durch den verschiedene Immissionen im Sinne einer „Verschmutzungskombination“ verbunden werden können, um so diejenige Kombination ausfindig zu machen, die ein größtmögliches Schutzniveau erreicht. Der in § 5 Abs. 1 BImSchG nunmehr explizit verankerte integrative Ansatz hat nach Auffassung der Literatur jedoch weniger Bedeutung für die Betreiberpflicht aus Nr. 1 der Regelung, da diese wegen des Verbots der Überschreitung bestimmter Belastungsgrenzen wenig Raum für eine Abwägung im Sinne eines intermedialen Nutzenvergleichs belasse.392 Der integrative Ansatz soll seine Entfaltung vielmehr im Bereich der Pflicht aus Nr. 2 der Regelung, der Vorsorgepflicht, finden.393 Dort gilt es zu überprüfen, welche Vorsorgemaßnahmen vorzunehmen sind, um der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen, wobei auch hier das hohe Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu beachten sein soll. Bereits an anderer Stelle394 ist darauf hingewiesen worden, dass Feldhaus395 in diesem Zusammenhang erörtert, ob der Eingangssatz in Fällen zur Anwendung kommen könnte, „in denen Maßnahmen gegen bloße Nachteile und Belästigungen (z. B. Gerüche) mit Schutzmaßnahmen aus anderen Umweltmedien (Wasser – Kläranlagen) konfligieren“. Die Frage, ob in solchen Fällen Gerüche als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkungen zu bewerten sind, könnte dann von einer medienübergreifenden Abwägung abhängig sein. Feldhaus schickt dieser Überlegung den Gedanken voraus, dass Schutzmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, insbesondere die Einhaltung von Immissionswerten, immer dazu dienen, ein hohes Schutzniveau sicherzustellen und dass eine Abwägung mit dem Ziel der Optimierung nicht stattfinde.396 Daher müssten immer sämtliche für eine Anlage geltenden medienbezogenen Schutzstandards (Luft, Wasser, Boden) erfüllt werden und es werde auf diesem Wege unabhängig vom Eingangssatz ein hohes Schutzniveau insgesamt erreicht. Soweit die Überlegung von Feldhaus dahingehend zu verstehen sein soll, dass bei Maßnahmen gegen „bloße Nachteile und Belästigungen“ entgegen der grundsätzlich im Rahmen von Schutzmaßnahmen nicht vorzunehmenden Abwägung doch abgewogen werden soll, gilt es diese These auf ihre Tragfähigkeit hin zu untersuchen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist diese nicht anders zu verstehen, Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 5. Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 7; vgl. auch Koch / Prall, NVwZ 2002, 666, 668. 392 Vgl. Feldhaus, ZUR 2002, 1, 4. 393 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 7. 394 Vgl. oben D. II. 5. f). 395 Vgl. Feldhaus, ZUR 2002, 1, 4. 396 So auch Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 23a. 390 391

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als dass Geruchsimmissionen dann als weniger erheblich einzustufen sein sollen, wenn sie bei einer Schutzmaßnahme zugunsten eines anderen Schutzgutes auftreten, die eine Gefahr verhindern soll. Dies würde eine Verpflichtung zur Hinnahme von Geruchsimmissionen im Sinne einer ausreichenden Klärung des Wassers begründen (als dem von Feldhaus genannten Beispiel). Es führte im Ergebnis gerade doch zu einer unterschiedlichen Gewichtung der jeweiligen Schutzobjekte. Dem Schutz des Wassers wäre dann ein höherer Stellenwert einzuräumen als dem Schutz der Umwelt vor Geruchsimmissionen. Dieser Gedanke erscheint auf den ersten Blick nicht abwegig. Vergleichbar ist – wenn auch mit einem etwas anderen gedanklichen Hintergrund – die Pflicht zur Hinnahme eines höheren Maßes an Immissionen in bauplanungsrechtlich weniger schutzbedürftigen Gebieten. Die individuelle Empfindlichkeit des Menschen für Geruchsimmissionen ändert sich nicht dadurch, dass er sich von einem (schutzbedürftigen) Wohngebiet in ein (weniger schutzbedürftiges) Industriegebiet begibt. Gleichwohl ist er dort zur Hinnahme eines höheren Ausmaßes an Immissionen verpflichtet. Die Erheblichkeit der Umwelteinwirkung „Geruch“ – wie beispielsweise auch der Umwelteinwirkung „Lärm“ – wird gerade nicht nur von subjektiven Faktoren (Empfindlichkeit des verständigen Durchschnittsmenschen), sondern auch von den aus dem Bauplanungsrecht resultierenden Kriterien der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit abhängig gemacht. Dies ist letztlich dem Umstand geschuldet, dass die Industriegesellschaft ohne den Ausstoß von Emissionen, die zu Immissionen führen, nicht funktionieren kann und es daher notwendigerweise Gebiete geben muss, in denen dieses jeweils höhere Maß an Emissionsausstoß möglich sein muss und die dadurch verursachten Immissionen von den Betroffenen hinzunehmen sind. Ebenso könnte im Sinne des integrierten Umweltschutzes im Einzelfall der Schutz vor erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen hinter dem Schutz anderer Umweltmedien (der ausreichenden Klärung des Wassers) zurückstehen müssen, wenn es „objektiv“ wichtiger wäre, ein bestimmtes Schutzgut umfassender zu schützen als ein anderes. Zweifel bestehen hinsichtlich des von Feldhaus aufgeworfenen Gedankens jedoch insoweit, als dass danach im Ergebnis einer „Schutzmaßnahme“ zugunsten eines Umweltmediums ein höherer Stellenwert eingeräumt wird als einer Maßnahme gegen „bloße Nachteile und Belästigungen“ in einem anderen Umweltmedium. Dies könnte zu der Annahme führen, dass es wichtiger sei, dem Schutz vor Gefahren nachzukommen als dem Schutz vor (erheblichen) Nachteilen oder Belästigungen und dass somit nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer Unterschied zwischen den durch die verschiedenen Maßnahmen anzustrebenden Zielen anzunehmen ist. Dieser Gedanke findet sich gleichwohl auch bei Böhm397 wieder. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Frage, ob dem Immissionsschutzrecht der „Normmensch“398 bzw. der „Durchschnittsmensch“ als Schutzgut zugrunde zu legen ist, 397

Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 35.

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wird ausgeführt, dass zwischen der Störung der Nachtruhe durch gackernde Hühner und den von Umweltschadstoffen ausgehenden Gesundheitsgefahren qualitative Unterschiede bestünden, denen durch eine problemadäquate Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen Rechnung getragen werden müsse.399 Dies lässt darauf schließen, dass Böhm die Beeinträchtigung durch nächtlichen Lärm als qualitativ weniger schwerwiegend ansieht als die Beeinträchtigung der Gesundheit durch Umweltschadstoffe. Konsequenterweise könnte dann auch dem Gedanken von Feldhaus gefolgt werden, dass Geruchsimmissionen dort weniger erheblich sind, wo sie gleichsam im Sinne des qualitativ höherwertigen Schutzes eines anderen Umweltmediums hinzunehmen sind. Dies umso mehr, als die Verunreinigung des Wassers möglicherweise zu schwerwiegenderen Auswirkungen führen würde als die Geruchsbelastungen, denen das Umfeld von Kläranlagen ausgesetzt ist. Jarass400 merkt gleichwohl in diesem Zusammenhang an, dass die Beurteilung von Immissionen im Rahmen der Schutzpflicht trotz der Integrationsklausel nicht davon abhängt, in welchem Maße es zu Belastungen durch andere Einwirkungen kommt. Das rechtlich gebotene Schutzniveau sei im Bereich der Gefahrenabwehr, insbesondere wegen des Schutzes der Nachbarn, für alle Medien einzuhalten.401 Dennoch ist der Gedanke von Feldhaus nicht ganz von der Hand zu weisen. Der gemeinschaftsrechtlich vorgegebene integrierte Umweltschutzgedanke zielt darauf ab, im Rahmen des Betriebs von Anlagen nicht nur die jeweiligen Schutzgüter einzeln, sondern auch ihre Wechselwirkungen untereinander zu betrachten. Dass der Anlagenbetrieb nicht gänzlich ohne Auswirkungen auf die Umwelt auskommt, wird dabei gleichwohl vorausgesetzt und akzeptiert. Verhindert werden soll lediglich, dass beim Schutz eines Mediums die Auswirkungen auf ein anderes gänzlich außer Betracht bleiben. Dies stünde bei der Abwägung zwischen dem Schutz vor erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen und dem Schutz vor Gefahren durch die Verunreinigung des Wassers jedoch nicht zu befürchten. Es käme dann auf eine Prüfung im Einzelfall an, welches Maß an Geruchsimmissionen das Umfeld noch hinzunehmen verpflichtet wäre, wenn die Klärung des Wassers zwingend mit einem gewissen, unvermeidbaren Umfang an Geruchsimmissionen verbunden ist. Dem integrativen Gedanken würde damit auch Rechnung getragen. Gleichwohl müsste jeweils alle Anstrengung darauf gerichtet sein – auch und gerade im Sinne des gemeinschaftsrechtlichen Umweltrechts – die Emissionen soweit wie möglich zu reduzieren und nur hinsichtlich des unvermeidbaren Anteils von einer gesteigerten Zumutbarkeit in der Nachbarschaft auszugehen. Das im Vorsatz zu § 5 Abs. 1 BImSchG normierte hohe Schutzniveau kann daher auch im Rahmen

398 Der Begriff ist der Habilitationsschrift von Böhm entnommen, vgl. Böhm, Der Normmensch. 399 Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 35. 400 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 23a. 401 So ähnlich auch Hansmann, ZUR 2002, 19, 21 f.

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der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Anwendung finden, soweit Maßnahmen zum Schutz eines Umweltgutes mit Maßnahmen gegen Belästigungen durch Geruchsimmissionen konfligieren. Dies gilt jedoch nur, soweit die im Rahmen des Schutzes eines Umweltmediums auftretenden Geruchsemissionen nach allen dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen vermieden oder vermindert werden und es gleichwohl zu Geruchsimmissionen im Umfeld kommt. (4) Die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG (sog. Schutzpflicht) § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG legt dem Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage die generelle Pflicht auf, die Anlage so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen (und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen, die durch andere Einwirkungen als durch Immissionen herbeigeführt werden402 und aus diesem Grunde vorliegend nicht interessieren) für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft403 nicht hervorgerufen werden können. In der Literatur wird die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG teilweise als Schutzpflicht404, Abwehrpflicht405 oder (Gefahren-)Vermeidungspflicht406 bezeichnet. Die Begriffe „Schutzpflicht“ für die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und „Vorsorgepflicht“ für die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG lehnen sich an die Unterscheidung zwischen Schutz und Vorsorge in § 1 BImSchG an407 („Zweck dieses Gesetzes ist es, Menschen [ . . . ] vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen“). Sie sollen auch im Folgenden in diesem Sinne verwendet werden.408 Mit der Verwendung der Formulierung „. . .dass schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden können“ hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass Immissionen aufgrund des Anlagenbetriebs nicht sicher auftreten müssen. Es muss lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens bestehen.409 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 7. Die Begriffe „Allgemeinheit“ und „Nachbarschaft“ in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genauso auszulegen, wie in § 3 Abs. 1 BImSchG. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden; vgl. auch Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 21a. 404 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rn. 7. 405 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 6. 406 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 53. 407 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 6. 408 Gleichwohl wird an dieser Begrifflichkeit kritisiert, dass das BImSchG in einer Reihe von Vorschriften von „Schutz“ spricht, in denen auch die Vorsorge gemeint ist, vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 6. Die Diskussion um die exakte Begrifflichkeit braucht hier gleichwohl nicht wiederholt zu werden. Die Begriffe „Schutzpflicht“ und „Vorsorgepflicht“ werden von weiten Teilen der Literatur und auch von der Rechtsprechung verwendet, vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 11. 12. 2003, Az.: 7 C 19 / 02, NVwZ 2004, 610 ff. 402 403

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§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verlangt vom Anlagenbetreiber daher, den Eintritt von schädlichen Umwelteinwirkungen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, „unbedingt“ zu verhüten.410 Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ kann auf die Ausführungen zu § 3 Abs. 1 BImSchG411 verwiesen werden. Dies gilt auch hinsichtlich der dort bereits erwähnten Notwendigkeit der Konkretisierung des Begriffs durch untergesetzliche Normen. Die Schutzpflicht kann nur dann erfüllt bzw. ihre Einhaltung nur dann überprüft werden, wenn feststeht, ob die vorhandenen oder zu erwartenden Immissionen schädliche Umwelteinwirkungen darstellen. Dies kann allein anhand der Norm nicht ermittelt werden, sondern bedarf der Konkretisierung und damit der „Ausfüllung“ der darin enthaltenen Begriffe durch untergesetzliche Regelwerke. Dabei ist auch hier zu beachten, dass es für die Bestimmung der Erheblichkeit einer Umwelteinwirkung stets auf den Empfängerhorizont und damit auf die Situation am Immissionsort ankommt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. BImSchG auch nur dann einschlägig ist, wenn von der Anlage Emissionen ausgehen.412 Für § 5 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. BImSchG sind demnach nur solche Immissionen relevant, die durch von der betreffenden Anlage ausgehende Emissionen zumindest mitverursacht werden. Eine Mitverursachung entfällt, wenn von der Anlage nahezu keine nennenswerten Emissionen ausgehen und der Anteil an der Immissions(gesamt-)belastung sehr gering ist, wenn es sich also um irrelevante Verursachungsbeiträge handelt.413 In Ergänzung der bei § 3 Abs. 1 BImSchG diskutierten Kausalität zwischen Immissionen und dem Eintritt von schädlichen Umwelteinwirkungen kommt es im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zusätzlich auf diejenige zwischen Anlagenbetrieb und dem Auftreten von Immissionen an. Insgesamt muss hinreichend wahrscheinlich sein, dass von der Errichtung und dem Betrieb der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen herbeigeführt werden, um das Ergreifen von Schutzmaßnahmen notwendig zu machen. Es gilt somit herauszuarbeiten, wann der Eintritt von schädlichen Umwelteinwirkungen „hinreichend wahrscheinlich“ ist. Der Begriff der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ ist bereits bei der Darstellung von § 3 Abs. 1 BImSchG behandelt worden. Dort gilt hinsichtlich der Kausalität zwischen Immissionen und schädlichen Umwelteinwirkungen, dass nicht jedes Störpotential die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne der Norm begründet. Vielmehr muss ermittelt werden, ob Immissionen geeignet sind, die genannten Beeinträchtigungen (Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche 409 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 16; Dietlein, in: Landmann / Rohmer, UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 94. 410 Vgl. Rehbinder, in: FS Sendler, S. 269, 273. 411 Vgl. oben D. III. 1. a) aa). 412 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 11. 413 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 17; Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 57, 58.

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Belästigungen) herbeizuführen. Die erforderliche Störqualität einer Immission ist gegeben, wenn bei ungehindertem Ablauf des objektiv erwarteten Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Störeffekte auftreten können414, wobei dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung und insbesondere nach dem Stand der Wissenschaft zu ermitteln ist.415 Dies gilt auch im Hinblick auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen dem Anlagenbetrieb und dem Auftreten schädlicher Umwelteinwirkungen. Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG besteht zusätzlich die Besonderheit, dass zur Ermittlung des Kausalzusammenhangs sowohl die gegenwärtigen Umstände als auch künftig veränderte Umstände, soweit sie absehbar sind (dies soll der Begriff „können“ gerade deutlich machen), zugrunde zu legen sind.416 Unter letztere fällt beispielsweise auch die zukünftig zu erwartende bauliche Entwicklung im Einwirkungsbereich der Anlage.417 § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bezweckt damit bereits einen gewissen vorbeugenden Gefahrenschutz.418 Dieser ist gleichwohl zu unterscheiden von der Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. Während die Schutzpflicht erkannte oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigungen bis zur Erheblichkeitsschwelle vermeiden will, soll mit der Vorsorgepflicht potentiellen Gefährdungen trotz ungeklärter Wirkungszusammenhänge begegnet bzw. gegenüber der Schutzschwelle eine Art „Pufferzone“ eingehalten werden.419 Bei der Abgrenzung von Schutzpflicht zur Vorsorgepflicht und weiter zu dem hinzunehmenden Restrisiko kann vereinfacht Folgendes gesagt werden: Gefahren, das heißt Geschehensabläufe, bei denen ohne Verhütungsmaßnahmen der Eintritt Vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 02. 1974, Az.: I C 31 / 72, BVerwGE 45, 57. Vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1976, Az.: 1 C 102.76, BVerwGE 55, S. 250, 251. 416 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 60 f.; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 16. 417 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 62; allerdings kann der Erlass eines Bebauungsplans auch mit den Plänen der Erweiterung einer Anlage zur Schweinemast konkurrieren. In seinem Urteil vom 26. 04. 2007 hat das OVG Münster, Az.: 7 D 4 / 07.NE, n.v., entschieden, dass die Gemeinde vor Aufstellung des Bebauungsplans das berechtigte Interesse eines Schweinemästers an der Erweiterung seiner Anlage in ihre Abwägung mit hätte einbeziehen müssen und der B-Plan daher im Ergebnis rechtswidrig sei. Auch eine zukünftig geplante Bebauung kann rechtswidrig sein, wenn sich der Emittent auf Bestandsschutz berufen kann, vgl. zum Beispiel das Urteil des OVG Münster vom 13. 12. 2007, Az.: 7 D 142 / 06, n.v., das den von einer Gemeinde erlassenen Bebauungsplan für die Errichtung eines Wohngebiets in unmittelbarer Nähe zu einem Schweinemastbetrieb zum Gegenstand hatte. Im Ergebnis kam das Gericht dazu, dass der B-Plan an materiellrechtlichen Mängeln leidet, da bei einer rechtmäßigen Abwägung nach § 1 Nr. 7 BauGB hätte berücksichtigt werden müssen, dass bei den vor Ort herrschenden Immissionsbedingungen eine Sonderbeurteilung der Geruchsimmissionen notwendig gewesen wäre, die die Gemeinde jedoch unterlassen hatte; vgl. auch in einem ähnlichen Fall OVG Münster, Beschl. v. 15. 12. 2005, Az.: 10 B 1668 / 05.NE, ZUR 2006, 209, sowie OVG Münster, Urt. v. 25. 09. 2000, Az.: 10a D 8 / 00.NE., NWVBl. 2001, 185. 418 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 14. 419 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 64. 414 415

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eines Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, sind „unbedingt“ zu verhüten, wie es § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG deutlich macht („. . . nicht herbeigeführt werden können“). Dabei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Gefahr, insbesondere des nach Art und Umfang möglichen Schadens und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, gewisse Abwägungs- und Prognosespielräume bestehen können. Bloße Risiken unterhalb der Gefahrenschwelle sind dagegen grundsätzlich nur nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Wege der Vorsorge (ggf. auch nur nach dem Ermessen der Behörde), zu vermindern, wie es § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auch deutlich macht („. . . , dass Vorsorge getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.“). Das danach verbleibende Restrisiko ist als allgemeine Zivilisationslast vom Bürger hinzunehmen.420 Die Rechtsprechung hat eine einheitliche Linie hinsichtlich der Behandlung solcher Fälle noch nicht gefunden, in denen die Gefahrenschwelle (noch) nicht überschritten ist und die Einschätzung der Situation Schwierigkeiten bereitet.421 Die Schutz- und die Vorsorgepflicht lassen sich daher nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen. Wichtig ist die Unterscheidung gleichwohl für den Drittschutz, denn nur die Schutzpflicht hat eine drittschützende Funktion.422 Hinsichtlich der Anforderungen aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG an Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen bedeutet dies, dass zunächst die vorhandenen und / oder zu erwartenden Geruchsimmissionen ermittelt werden müssen.423 Anschließend muss entschieden werden, ob auf der Grundlage der ermittelten Geruchsimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten sind. Wie bereits im Rahmen von § 3 Abs. 1 BImSchG erörtert, gibt weder das BImSchG noch ein auf seiner Grundlage erlassenes untergesetzliches Regelwerk einen Grenzwert für Geruchsimmissionen vor. Unter bestimmten Voraussetzungen kommen hier die Geruchsimmissionswerte der GIRL zur Anwendung.424 Für die Geruchsbewertung ist zudem von Bedeutung, dass grundsätzlich bei Fehlen von Immissionswerten im Rahmen der Schutzpflicht auch in Betracht kommt, auf konkretisierende Regelungen zur Vorsorgepflicht zurück zu greifen.425 Ist von der Herbeiführung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen auszugehen, muss der Anlagenbetreiber diesen mit SchutzmaßnahVgl. Rehbinder, in: FS Sendler, S. 269, 273. Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 64; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 120 f. 422 Vgl. BVerwG, Urt. v. 11. 12. 2003, Az.: 7 C 19 / 02, NVwZ 2004, 610, 611; vgl. auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 64; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 120 f. 423 Wie dies im Einzelnen geschieht, ist in Kapitel B. beschrieben worden. 424 Dazu unten D. V. 425 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 39; wie bei der Erörterung der Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, sowie der Geruchsimmissions-Richtlinie noch dargestellt wird, räumen diese Regelungen der Vorsorge einen Vorrang vor der Festlegung konkreter Immissionswerte ein. 420 421

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men entgegenwirken. Welche Maßnahmen der Anlagenbetreiber ergreift, um schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden, ist ihm anheim gestellt. Allerdings können Rechtsverordnungen nach § 7 BImSchG oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften426 den Spielraum des Anlagenbetreibers einschränken. Als Schutzmaßnahmen ist etwa an die Vermeidung oder Begrenzung von Emissionen oder eine günstigere Ableitung oder Verteilung von Emissionen zu denken. Auch Vereinbarungen mit den Betroffenen können in Betracht kommen.427 In Bezug auf Geruchsimmissionen bieten sich insbesondere bauliche und betriebliche Vorgaben an.428 Passiver Immissionsschutz ist bei Geruchsimmissionen nur schwer denkbar. Anders als bei Lärmimmissionen, wo passive Schutzmaßnahmen etwa an den Gebäuden der davon Betroffenen in Frage kommen, sind diese Schutzmaßnahmen bei Geruchsimmissionen ausgeschlossen. Gleichwohl ist es denkbar, den Geruchsimmissionsbetroffenen eine gewisse Mitwirkungspflicht nahezulegen, etwa durch das Schließen der Fenster zu bestimmten Zeiten, oder – bei der Neuerrichtung eines Hauses – durch die Ausrichtung von Balkonen, Terrassen etc. in einer der Anlage abgewandten Richtung.429 (5) Die Betreiberpflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG (sog. Vorsorgepflicht) (a) Inhalt der Vorsorgepflicht – Abgrenzung zur Schutzpflicht Die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verlangt vom Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen, insbesondere durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen. Die Vorsorge wird auch als multifunktionales Gebot bezeichnet, da ihr Schutzzweck und ihre Funktion vielfältig sind.430 In Abgrenzung der VorsorDazu unten D. IV. 1. Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 33; vgl. dazu zum Beispiel Schlemminger / Fuder, NVwZ 2004, 129. 428 Darauf wird im Rahmen der Erörterung der TA Luft, der GIRL und der VDI-Richtlinien noch eingegangen, vgl. unten D. IV., V. und VI. 429 Vgl. zur „architektonischen Selbsthilfe“ OVG Münster, Urt. v. 20. 09. 2007, Az.: 7 A 1434 / 06, BauR 2008, 71: Das OVG hatte über die Zulässigkeit eines Wohnhauses in Nachbarschaft zu drei Schweinemästern zu entscheiden; es hielt die erteilte Baugenehmigung für rechtmäßig und führte aus, es bleibe dem Bauherren überlassen, durch die Ausrichtung seines Hauses architektonische Selbsthilfe vorzunehmen. In umgekehrter Richtung kann der Immissionsbetroffene jedoch nicht immer die Ausrichtung von Schornsteinen / Abluftschächten etc. in eine andere Richtung hin verlangen, wie das Urteil des OLG Karlsruhe vom 09. 05. 2001, Az.: 6 U 223 / 00, NJW-RR 2001, 1236, zeigt. Das Begehren eines Hoteleigentümers, das benachbarte Backhaus möge sein Abluftrohr vom Hotel weg ausrichten, blieb ohne Erfolg, OLG Karlsruhe, a. a. O., S. 1237. 430 Vgl. zu den verschiedenen Funktionen des Vorsorgegebots BVerwG, Urt. v. 18. 05. 1982, Az.: 7 C 42 / 80, NVwZ 1983, 32, 34; BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, NVwZ 1984, 371. 426 427

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gepflicht von der Schutzpflicht soll die Vorsorgepflicht bloßen Risiken unterhalb der Gefahrenschwelle vorbeugen. Sie dient nicht dem Schutz vor konkret bzw. belegbar schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern soll dem Entstehen solcher Umwelteinwirkungen generell vorbeugen und richtet sich damit gegen potentiell schädliche Umwelteinwirkungen.431 Mit anderen Worten soll die Vorsorge eine Art Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle schaffen („Pufferzone“). Die Vorsorgepflicht soll dort greifen, wo eine Zuordnung von Emittenten und Immissionen nicht mehr möglich ist, also insbesondere im Bereich der Fernwirkungen. In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Heidelberger Heizkraftwerk432 hat auch der 7. Senat die Funktion des Vorsorgegebots als Risikovorsorge unterhalb der Gefahrenschwelle besonders hervorgehoben.433 Insbesondere in solchen Fällen, in denen die konkrete Gefahrenschwelle nicht oder nur schwer zu bestimmen ist, etwa weil es für die Beurteilung der Erheblichkeit keine normativ festgelegten Schwellenwerte gibt, ermöglicht die Vorsorgepflicht generelle Standards zur Steigerung der Effizienz des Umweltschutzes. Es ist schon erwähnt worden, dass bei der Auslegung der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auf untergesetzliche Konkretisierungen zur Vorsorge zurückgegriffen werden kann, soweit Schwellenwerte nicht existieren. Die Vorsorgepflicht ermöglicht daneben aber auch die Herstellung vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen für die Betreiber.434 So betont van Broeck435 die Notwendigkeit der weiteren Vereinheitlichung der Regelungen zur Geruchsmessung in Europa, um eine Basis zur gemeinsamen Bekämpfung von Geruchsimmissions-Problemen in Europa zu bilden436, und untermauert diese Forderung unter anderem mit der erheblichen Problematik durch Geruchsbelästigungen in dichtbesiedelten Gegenden Europas und der erforderlichen Stabilisierung des Konkurrenzkampfes bestimmter Industrien in der Europäischen Union. Seiner Ansicht nach könnten die Wettbewerbsbedingungen für bestimmte Industrien durch die Festlegung von Geruchsemissionsbegrenzungen in mehr und mehr Regionen der Europäischen Union EU-weit angeglichen werden. Die Vorsorge stellt darüber hinaus sicher, dass noch unbelastete Freiräume erhalten oder erneut geschaffen werden. Dies dient einerseits der Sicherung der Umwelt und des Lebensraums für die in der Nachbarschaft der Anlage lebenden Personen, andererseits aber auch der Ansiedlung weiterer emittierender Anlagen. In der AmtVgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 46. Vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1984, Az.: 7 C 8 / 82, BVerwGE 69, S. 37, 43, 44. 433 Vgl. Rehbinder, in: FS Sendler, S. 269, 275. 434 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 136; auf den Aspekt der Notwendigkeit der Vereinheitlichung von Standards zur Sicherung der Chancengerechtigkeit im Zusammenhang mit Geruchsimmissionen ist bereits hingewiesen worden, vgl. oben D. II. 6. 435 In: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 91 ff. 436 Vgl. van Broeck, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 91, 92. 431 432

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lichen Begründung zu § 6 BImSchG des Regierungsentwurfs wird dazu ausgeführt, dass die Forderung nach ausreichender Vorsorge angesichts der zunehmenden Verdichtung unserer Lebensräume unabdingbar sei, sie aber zudem im Interesse der Industrie selbst notwendig sei, um rechtzeitig zu verhindern, dass später die Errichtung neuer Industrieunternehmen wegen vorhandener bedenklicher Immissionsbelastung untersagt werden muss.437 Der Vorsorge wird darüber hinaus auch eine gewisse planerische Komponente zugesprochen.438 Allerdings besteht mit dem Vorsorgegebot keine genuine Planungs- oder Abwägungsermächtigung der Genehmigungsbehörde.439 In diesem Zusammenhang sei bereits auf den Ansatz der „Immissionskontingentierung“ in der Bauleitplanung aus der GIRL hingewiesen, der versucht, über die Verteilung von höchstzulässigen zusätzlichen Geruchsimmissionsbelastungen entsprechende Freiräume zu erhalten.440 Schließlich soll die Vorsorge über die Gefahrenabwehr hinaus auch bestehende Belastungen in gewissem Maße abbauen. Auf diesem Wege soll zu einer fortschreitenden Verbesserung der Umweltverhältnisse beigetragen werden. Die Vorsorgepflicht leistet damit entsprechend dem nunmehr im BImSchG ausdrücklich enthaltenen integrativen Ziel des Grundpflichtenkatalogs aus § 5 Abs. 1 BImSchG einen erheblichen Beitrag dazu, ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu sichern. Der Vorsorgepflicht wohnt somit auch eine „Sanierungskomponente“ inne.441 Im Rahmen der Vorsorgepflicht erscheint insbesondere problematisch, welches Ausmaß an Vorsorgemaßnahmen das Gesetz dem Anlagenbetreiber auferlegt. Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gibt mit der Formulierung „insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen“ einen Anhaltspunkt dafür, was vom Anlagenbetreiber verlangt werden kann. Dabei beziehen sich die Maßnahmen nach dem Stand der Technik auf die Emissionsbegrenzung beim Betrieb der Anlage selbst. Darüber hinaus kommen zur Vorsorge jedoch auch noch raum- und immissionsbezogene Maßnahmen in Betracht (z. B. Luftreinhaltepläne, aber auch die teilweise oder vollständige Einschränkung des Betriebs der Anlage, soweit Maßnahmen nach dem Stand der Technik nicht zum gewünschten Erfolg führen).442 Bei allen Maßnahmen der Vorsorge ist zu beachten, dass das Gesetz nicht jede mögliche Maßnahme zur Erreichung der Ziele der Vorsorge verlangt, 437

Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 6 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 32. Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 47. Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 140. 440 Vgl. die Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 GIRL 2008. 441 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG § 5, Rn. 142; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 47. 442 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 153; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 54. 438 439

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

sondern lediglich das Ergreifen der adäquaten Maßnahmen gegen vermutete Gefahren. Die Vorsorge wird insofern durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt.443 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt dabei auch für die die Vorsorge konkretisierenden Vorschriften, wobei es nur generell auf ihre Verhältnismäßigkeit ankommt und die besonderen Umstände des Einzelfalls jeweils unbeachtlich sind.444 (b) Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 6 i.V. m. dem Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG (aa) Definition Der zentrale Begriff der Vorsorgepflicht ist der unbestimmte Rechtsbegriff „Stand der Technik“.445 Der Begriff hat mit der Umsetzung der IVU-Richtlinie eine wesentliche Veränderung erfahren.446 Der integrative Ansatz der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erhält nun auch bei der Bestimmung des Standes der Technik unmittelbaren Einfluss.447 Die Neufassung, die der Begriff „Stand der Technik“ durch Umsetzung der IVU-RL im Artikelgesetz erfahren hat, ist das Ergebnis eines langwierigen Prozesses.448 Grund dafür ist, dass der Begriff der „besten verfügbaren Technik“ aus der IVU-RL in einigen Punkten vom ursprünglichen Begriff „Stand der Technik“ abweicht, wie er vor der Umsetzung der IVU-RL im BImSchG enthalten war.449 Der Begriff hat im nationalen Recht eine lange Geschichte und durch Rechtsprechung und Literatur, durch Konkretisierung in Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie in privaten Regelwerken seine besondere nationalrechtliche Ausprägung erfahren. Mit den neuen Vorgaben aus dem Gemeinschaftsrecht hat sich der Begriff verändert; er entspricht in der geltenden Version des BImSchG gleichwohl nicht vollständig dem Begriff der „besten verfügbaren Technik“ aus der IVU-RL. Im Ergebnis aber – und dies ist für die Rechtsanwendung von Bedeutung – zielen beide Begriffe auf den gleichen Technikstand ab. Allein ihr gedanklicher Hintergrund und die einzelnen dogmatischen Schritte, die jeweils zum Ergebnis der Auslegung führen, weichen in einigen Punkten voneinander ab.450 Vorliegend kommt es gleichwohl weniger auf die Unterschiede zwischen IVU-RL und BImSchG als darauf an, was vom AnlagenbetreiVgl. Rehbinder, in: FS Sendler, S. 269, 279 f. Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 63. 445 Vgl. Seibel, Stand der Technik im Umweltrecht, S. 35. 446 D. II. 5. a). 447 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 150; zu den Änderungen des Begriffs im Einzelnen vgl. auch Enders / Krings, DVBl. 2001, 1389, 1392. 448 Vgl. dazu ausführlich Feldhaus, NVwZ 2001, 1. 449 Vgl. zum Begriff „beste verfügbare Technik“ auch im Vergleich zum „Stand der Technik“ OVG Saarlouis, Urt. v. 10. 11. 2006, Az.: 3 M 1 / 05, n.v. 450 Vgl. Feldhaus, NVwZ 2001, 1. 443 444

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ber einer Anlage mit geruchsintensiven Prozessen verlangt werden kann, wenn Vorsorge nach dem „Stand der Technik“ gefordert und erwartet wird. Insofern beschränken sich die folgenden Ausführungen darauf, auf Differenzen zwischen IVU-RL und BImSchG nur an wenigen wichtigen Stellen hinzuweisen. Grundsätzlich trägt der Begriff (prä- und post-IVU-RL) dem dynamischen Charakter der technischen Entwicklung und damit auch den sich ständig weiter entwickelnden möglichen Maßnahmen zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen Rechnung.451 Stand der Technik ist stets das, was zum Zeitpunkt der Rechtsanwendung technisch möglich (und wirtschaftlich verhältnismäßig) ist, wie sich aus der Legaldefinition des Begriffs in § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG und dem Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG ablesen lässt. Nach § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG ist „Stand der Technik“ im Sinne des BImSchG der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Mit Verfahren, Entscheidungen und Betriebsweisen ist das gemeint, was Art. 2 Nr. 11 IVU-RL als „Techniken“ bezeichnet. Es geht dabei einerseits um die angewandte Technologie, andererseits um die Art und Weise, wie die Anlage geplant, gebaut, gewartet, betrieben und stillgelegt wird. Erfasst werden zudem nicht nur „end-of-the-pipe-Techniken“. Vielmehr sind auf allen Stufen die besten Technologien zu nutzen. Außerdem geht es auch nicht nur um technische Maßnahmen im engeren Sinne, sondern um sämtliche Arbeitsweisen im Anlagenbetrieb. Mit einzubeziehen sind auch die Betriebsorganisation und die Ausbildung des Personals.452 Mit dem Begriff „fortschrittlich“ werden die Anforderungen an die „Front der technischen Entwicklung“ gelegt, wie es das Bundesverfassungsgericht453 formuliert hat. Zudem kommt es gemäß Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 6 BImSchG auf Fortschritte in der Technologie und in den wissenschaftlichen Erkenntnissen an. Nur solche Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen können als fortschrittlich im Sinne der Norm bezeichnet werden, die sich unter Beachtung neuester technischer Erkenntnisse als objektiv besonders wirksam zur Erreichung der dort genannten Ziele („. . . Begrenzung von Emissionen in die Luft . . .“) erweisen.454 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 149. Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 102. 453 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08. 08. 1978, Az.: 2 BvL 8 / 77, NJW 1979, 359, 362. 454 Vgl. Seibel, Stand der Technik im Umweltrecht, S. 38 ff., 42; Buschbaum / Schulz, NuR 2001, 181, 184. 451 452

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Bei Betrachtung der Definition in § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG fällt auf, dass diese „schwächer“ erscheint als die Definition der besten verfügbaren Techniken in der IVU-RL.455 Während § 3 Abs. 6 BImSchG vom „Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen“ spricht, definiert die IVU-Richtlinie in Art. 2 Nr. 11 die „besten verfügbaren Techniken“ als „effizientester und fortschrittlichster Entwicklungsstand der Tätigkeiten und entsprechenden Betriebsmethoden“.456 An der Definition des § 3 Abs. 6 BImSchG wird daher kritisiert, sie stelle keine zureichende Umsetzung der Vorgaben der IVU-RL dar.457 Unabhängig davon sei das nationale Recht jedoch gemeinschaftsrechtskonform auszulegen und generell auf die nach Technik und Wissenschaft besonders wirksamen Techniken abzustellen.458 Einen umfangreichen Vergleich zwischen den Begriffen „beste verfügbare Techniken“ und „Stand der Technik“ stellt Feldhaus an.459 Er kommt zu dem Ergebnis, dass die „besten verfügbaren Techniken“ und „Stand der Technik“ trotz der „definitorischen Übertreibung“460 der IVU-Richtlinie darin übereinstimmen, dass sie das Ergebnis einer Abwägung zwischen mehreren, oft gegenläufigen Randbedingungen sind. Beide spiegeln nach seiner Auffassung nicht die wirksamsten, sondern den wirksamsten angenäherte, insgesamt optimale Verfahren wider.461 Diese „Randbedingungen“ werden vom Gesetz selbst vorgegeben. Nach § 3 Abs. 6 Satz 2 BImSchG sind bei der Festlegung des Standes der Technik die im Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG enthaltenen – nicht abschließenden – Kriterien zu berücksichtigen. Sie entsprechen nahezu vollständig denjenigen aus dem Anhang IV der IVURichtlinie.462 Dazu gehören beispielsweise der Einsatz abfallarmer Technologie (Anhang zu § 6 Abs. 6 BImSchG, Nr. 1), vergleichbare Verfahren, Vorrichtungen und Betriebsmethoden, die mit Erfolg im Betrieb erprobt wurden (Nr. 4), Fortschritte in der Technologie und in den wissenschaftlichen Erkenntnissen (Nr. 5) sowie der Verbrauch an Rohstoffen und die Art der bei den einzelnen Verfahren verwendeten Rohstoffe (einschließlich Wasser) sowie Energieeffizienz (Nr. 9). Zu Vgl. oben D. II. 5. d). Vgl. die Ausführungen oben bei D. II. 5. d). 457 Vgl. Tausch, NVwZ 2002, 676, 677; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 103. 458 Vgl. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 103. 459 Vgl. Feldhaus, NVwZ 2001, 1; vgl. auch die Gegenüberstellung der Begriffe bei Seibel, Stand der Technik im Umweltrecht, S. 109, 112. 460 So Feldhaus, NVwZ 2001, 1, 3; vgl. auch Pape, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, WHG, § 7a Rn. 109. 461 Vgl. Seibel, Stand der Technik im Umweltrecht, S. 109, 112. 462 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 150; vgl. auch oben D. II. 5. d); im Unterschied zu Anhang IV der IVU-Richtlinie ist nach dem Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG jedoch auch die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen („. . . unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen . . .“). Der Anhang IV der IVU-Richtlinie spricht in diesem Punkt lediglich von einer Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Vergleichs („. . . unter Berücksichtigung der sich aus einer bestimmten Maßnahme ergebenden Kosten und ihres Nutzens . . .“). 455 456

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den Kriterien gehören nach Nr. 12 auch Informationen, die von der Europäischen Gemeinschaft gemäß Art. 16 Abs. 2 der IVU-Richtlinie oder von internationalen Organisationen veröffentlicht werden. Dabei handelt es sich um die bereits erwähnten463 BREFs (Best Available Techniques Reference Documents), die somit auch im Rahmen der Anwendung des BImSchG mindestens zu würdigen sind.464 Im Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG wird zudem ausdrücklich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hingewiesen (im Unterschied zur IVU-RL, die in diesem Punkt von der Kosten-Nutzen-Relation einer Maßnahme spricht und den Begriff von der Verhältnismäßigkeit nicht erwähnt). Die dort genannten Kriterien sind „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen sowie des Grundsatzes der Vorsorge und Vorbeugung, jeweils bezogen auf Anlagen einer bestimmten Art“ zu berücksichtigen. Sowohl dieser ausdrückliche Hinweis als auch die Wortwahl in § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG („praktische Eignung“) öffnet den Begriff für ökonomische Gesichtspunkte.465 Die Gewähr für die praktische Eignung einer Maßnahme (im Rahmen der Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen) muss demnach sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht gegeben sein und Aufwand und Ertrag müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.466 Dabei kommt es jedoch nicht auf die Verhältnismäßigkeit für den einzelnen Anlagenbetreiber an. An die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist vielmehr ein genereller Maßstab anzulegen.467 Erst ein grobes Missverhältnis zwischen finanziellem Aufwand und Nutzen schließt es aus, eine Maßnahme zum Stand der Technik zu rechnen.468 (bb) Konkretisierungen durch Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke privater Stellen Welche Maßnahmen im Einzelnen den Stand der Technik erfüllen, geht jedoch weder aus der Legaldefinition in § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG, noch aus dem Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG hervor. Es bedarf vielmehr der Konkretisierung des Begriffs durch untergesetzliche Normen. Das BImSchG sieht in verschiedenen Regelungen eine Konkretisierung durch untergesetzliche Regelwerke vor. So lautet § 48 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, dass die Bundesregierung [ . . . ] VerwaltungsvorVgl. oben D. II. 5. d). Vgl. Tausch. NVwZ 2002, 676, 680. 465 Vgl. Seibel, Stand der Technik im Umweltrecht, S. 47. 466 Vgl. Heimlich, NuR 1998, 582. 467 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 150; Heimlich, NuR 1998, 582; in diesem Zusammenhang ist bei IV.B.5.i. ausgeführt worden, dass aus der IVU-Richtlinie nicht hervorgehe, ob es bei der wirtschaftliche Verfügbarkeit einer Maßnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Betreibers ankommt. Zumindest die Kommentarliteratur zum nationalen Recht geht jedoch von dem abstrakt-generellen Wirtschaftlichkeitsmaßstab aus, vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 150; Heimlich, NuR 1998, 582; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 106 f. 468 Vgl. Heimlich, NuR 1998, 582. 463 464

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schriften insbesondere über Emissionswerte erlässt, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist. § 7 BImSchG ermächtigt die Bundesregierung zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Konkretisierung der sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten. Auch wenn die Norm nicht ausdrücklich vom Stand der Technik spricht, so sieht sie doch in Abs. 1 Nr. 1 vor, dass Rechtsverordnungen regeln können, dass Anlagen bestimmten technischen Anforderungen entsprechen müssen. In § 7 Abs. 5 BImSchG ist schließlich geregelt, dass wegen der Anforderungen nach Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen verwiesen werden kann. Hiermit sind private Regeln der Technik gemeint, auf die in den Rechtsverordnungen verwiesen werden kann.469 Die Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen (30. BImSchV), die als einzige Rechtsverordnung einen Grenzwert für Geruchsemissionen vorsieht, beschreibt gemäß ihrem § 1 Abs. 3 Anforderungen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlagen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu erfüllen sind. Einige betriebliche bzw. technische Vorgaben sieht die Verordnung in den §§ 4 und 5 vor. Dazu gehören Anforderungen für die Anlieferung, die Aufbereitung und die Stofftrennung, sowie die Lagerung und den Transport von biologischen Abfällen. Dazu gehören auch emissionsbezogene Anforderungen für die biologische Behandlung, für Prozesswässer und Brüdenkondensate. Gleichwohl gelten diese Anforderungen ausschließlich für Bioabfallbehandlungsanlagen.470 Weitere Rechtsverordnungen, die den Stand der Technik in Bezug auf Geruchsemissionsvermeidung oder -verminderung beschreiben, existieren bislang nicht. Die wesentliche Vorschrift zur Beschreibung des Standes der Technik in der Luftreinhaltung ist die TA Luft. Sie enthält in Nr. 5. Anforderungen zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen, wozu sowohl Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist (Nr. 5.1.1, 1. Spstr.) als auch emissionsbegrenzende Anforderungen, die dem Stand der Technik entsprechen (Nr. 5.1.1, 2. Spstr.), gehören. Geruchsintensiven Stoffen ist in Nr. 5.2.8 eine eigene Regelung gewidmet. Dort werden für Anlagen, die bei bestimmungsgemäßem Betrieb oder wegen betrieblich bedingter Störanfälligkeit geruchsintensive Stoffe emittieren können, bestimmte Anforderungen zur Emissionsminderung genannt. So sind beispielsweise geruchsintensive Abgase in der Regel einer Abgasreinigungseinrichtung zuzuführen. Die TA Luft sieht vor, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Anforderungen im Einzelfall verschiedene Kriterien zu berücksichtigen sind (örtliche Bedingungen, Abgasvolumenstrom, Dauer der Emissionen, Abstand zur nächsten Bebauung etc.). Soweit in der Umgebung einer Anlage Geruchseinwirkungen zu erwarten sind, sind die Möglichkeiten, die Emissionen 469 470

Vgl. Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 25. Auf die 30. BImSchV wird noch in Kapitel D. II. 2. eingegangen.

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durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen weiter zu vermindern, auszuschöpfen (Nr. 5.2.8 Abs. 3 TA Luft). Darüber hinaus enthält die TA Luft in Nr. 5.4 besondere Regelungen für bestimmte Anlagenarten. Für verschiedene Anlagenarten werden jeweils unter der Überschrift „Geruchsintensive Stoffe“ die zu ergreifenden baulichen und betrieblichen Maßnahmen beschrieben (Bsp.: Kapselung von Anlagenteilen, Zuführung von Abgasen zu einer Abluftreinigungseinrichtung, Höchsttemperaturen bei thermischen Aufbereitungsprozessen). Teilweise spricht die TA Luft allerdings auch in allgemeinen Worten von der Verminderung von Emissionen an Geruchsstoffen durch „primärseitige Maßnahmen“, ohne diese im Einzelnen zu konkretisieren. Die TA Luft sieht darüber hinaus Emissionsgrenzwerte sowie Mindestabstände zur nächsten Bebauung vor. Soweit die TA Luft technische Maßnahmen fordert (Abluftreinigungseinrichtung, primärseitige Maßnahmen), geht aus ihr gleichwohl nicht immer hervor, welche Maßnahmen im Einzelnen dem Stand der Technik entsprechen. Die in diesen Punkten notwendige weitere Konkretisierung übernehmen technische Regelungen privater Stellen, insbesondere die bereits erwähnten VDI-Richtlinien. So sieht es auch Nr. 5.1.1 TA Luft vor.471 Federführend in der Erarbeitung privater Regeln zur Beschreibung des Standes der Technik in der Luftreinhaltung ist die Kommission Reinhaltung der Luft, ein Gemeinschaftsgremium der VDI und DIN. Die KRdL hat den offiziellen Auftrag der Bundesregierung, in freiwilliger Selbstverwaltung der interessierten Kreise ein technisch-wissenschaftliches Regelwerk zur Beschreibung des Standes der Technik in der Luftreinhaltung zu erarbeiten.472 Neben den bereits im Kapitel C. erörterten Richtlinien, die den Rahmen der Geruchsmessung bilden, hat die KRdL auch Richtlinien entwickelt, die betriebliche und bauliche Vorgaben zur Emissionsminderung enthalten. Im Zusammenhang mit Geruchsimmissionen sind hier zum Beispiel die VDI-Richtlinie 3471 „Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine“ und 3472 „Emissionsminderung Tierhal471 Soweit die Nummern 5.2 oder 5.4 keine oder keine vollständigen Regelungen zur Begrenzung der Emissionen enthalten, sollen bei der Ermittlung des Standes der Technik im Einzelfall [ . . . ] Richtlinien oder Normen des VDI / DIN-Handbuches „Reinhaltung der Luft“ als Erkenntnisquelle herangezogen werden, vgl. Nr. 5.1.1 Abs. 7 TA Luft. 472 Vgl. KRdL (Hrsg.), 50 Jahre KRdL, S. 17, 22, 38 f. In ihrem Tätigkeitsbericht 2007 führt die KRdL dazu aus: Der staatsentlastende Auftrag der KRdL kommt im Haushaltstitel des Bundes zum Ausdruck: „Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird bei der Durchführung der Aufgaben auf dem Gebiet der Reinhaltung der Luft im Sinne von § 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes von der „Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN“ in der Weise unterstützt, dass diese den Stand von Wissenschaft und Technik in freiwilliger Selbstverantwortung und gemeinsam mit allen Beteiligten (Behörden, Wissenschaft und Industrie) feststellt und in Richtlinien festhält sowie normungstechnisch umsetzt. Die von der KRdL erarbeiteten Richtlinien bzw. Normen fließen in die Gesetzgebung und die Tätigkeit der Exekutive ein. Sie werden ferner als Basisdokumente in die europäische und die internationale Normungsarbeit eingebracht“, vgl. KRdL (Hrsg.), Tätigkeitsbericht 2007, S. 4.

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tung – Hühner“ zu nennen. Diese beiden Richtlinien enthalten bauliche und betriebliche Vorgaben zur Gestaltung der Haltungseinrichtung (Aufstallung, Fütterung, Lüftung, Entmistung, Mistlagerung etc.) sowie Abstandskurven, die in Abhängigkeit von der Tierplatzzahl bestimmte Abstände zwischen Haltung und nächstgelegener Bebauung vorsehen, um erhebliche Geruchsimmissionen zu vermeiden.473 Neben den VDI-RL 3471 und 3472 existiert eine Vielzahl weiterer Richtlinien zur Emissionsminderung in anderen Industriezweigen, wie beispielsweise in der Stahl- und Chemie-Industrie, die Mineralölindustrie, produzierende Industriezweige (Textilien, Papier, Keramik etc.), in der Nahrungsmittelindustrie (wie beispielsweise für Anlagen zur Gewinnung pflanzlicher Öle und Fette (VDI-RL 2592 Blatt 1 vom November 2000)) und in der Abfallwirtschaft (wie beispielsweise Biologische Abfallbehandlungsanlagen – Kompostierung und Vergärung (VDI-RL 3475 Blatt 1 vom Januar 2003 und Blatt 2 vom Dezember 2005) und Anlagen zur mechanischen und biologischen Behandlung von Siedlungsabfällen (VDI-RL 3475 Blatt 3 vom Dezember 2006474)). Insgesamt sind bisher rund fünfzig VDI-Richtlinien zur Emissionsminderung veröffentlicht worden.475 (cc) Konkretisierung durch BVT-Merkblätter der Europäischen Kommission Die VDI-Richtlinien sind nicht die einzigen detaillierten Regelungen zur Beschreibung des Standes der Technik im Sinne des § 3 Abs. 6 BImSchG. Es ist oben bereits darauf hingewiesen worden, dass nach Nr. 12 Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG bei der Bestimmung des Standes der Technik auch die BREFs (Best Available Techniques Reference Documents476) der Europäischen Kommission zu berücksichtigen sind (im Folgenden: BVT-Merkblätter).477 Die BVT-Merkblätter werden im Rahmen eines von der Europäischen Kommission aufgestellten Arbeitsprogramms entwickelt. Soweit möglich sollen für alle im Anhang zur IVU-RL genannten Kategorien von industriellen Tätigkeiten BVTMerkblätter entstehen.478 Für die einzelnen Merkblätter sind technische Arbeitsgruppen eingerichtet worden, in denen Experten aus der Verwaltung der Mitgliedstaaten, der Industrie und den Umweltverbänden mitarbeiten. In Deutschland orga473 In Bezug auf die Rinderhaltung und auf die Tierhaltung insgesamt hat es zwei Richtlinienentwürfe gegeben (Emissionsminderung – Tierhaltung: Rinder – Geruchsstoffe, VDI-RL 3473 Blatt 1 vom November 1994, Emissionsminderung – Tierhaltung – Geruchsstoffe, VDI-RL 3474 vom März 2001), die jedoch nicht verabschiedet worden sind. 474 Hierzu ist im Februar 2007 eine Berichtigung erschienen. 475 Auf einige dieser Richtlinien wird in diesem Kapitel in Abschnitt VI. noch eingegangen. 476 Dazu schon oben D. II. 5. d). 477 Zur Entstehungsgeschichte der BVT-Merkblätter und dem sogenannten „Sevilla-Prozess“, Feldhaus, NVwZ 2001, 1, 7; Tausch, NVwZ 2002, 676, 678. 478 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.1.1. Rn. 16.

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nisiert das Umweltbundesamt Abstimmungsgruppen mit den Länderbehörden, der Industrie und weiteren Sachverständigen.479 Mittlerweile sind für viele Industriezweige BVT-Merkblätter von der Europäischen Kommission veröffentlicht worden.480 Die Bezeichnung „Merkblatt“ soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den BREFs um umfangreiche Regelwerke handelt. So umfasst beispielsweise das BVT-Merkblatt zur Intensivhaltung von Geflügel und Schweinen 383 Seiten. Im Anhang zu § 3 Abs. 6 spricht das BImSchG davon, dass die BVT-Merkblätter bei der Bestimmung des Standes der Technik „zu berücksichtigen sind“. Die BVTMerkblätter entwickeln gleichwohl keinerlei rechtliche Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten, für Genehmigungs- oder Überwachungsbehörden oder für Anlagenbetreiber.481 In die Entscheidung über die Bestimmung des Standes der Technik fließen zudem auch die anderen im Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG genannten Kriterien ein, so dass den BVT-Merkblättern ihnen gegenüber kein Vorrang eingeräumt wird. Die BVT-Merkblätter erlangen vielmehr eine mittelbare Wirkung, ohne dass sie direkter Maßstab der Anforderungen an Genehmigung oder Betrieb einer Anlage würden.482 Dies wird auch bei Betrachtung der Nr. 5.1.1 TA Luft deutlich, die das Verhältnis von BVT-Merkblättern zur TA Luft regelt. Soweit nach Erlass der TA Luft neue oder überarbeitete BVT-Merkblätter von der Europäischen Kommission veröffentlicht werden, sollen die Anforderungen der TA Luft dadurch nicht außer Kraft gesetzt werden.483 Zunächst prüft ein vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eingerichteter beratender Ausschuss, der sich aus sachkundigen Vertretern der beteiligten Kreise im Sinne von § 51 BImSchG zusammensetzt, inwieweit sich aus den Informationen der BVT-Merkblätter weitergehende oder ergänzende emissionsbegrenzende Anforderungen ergeben, als sie die TA Luft enthält. Der Ausschuss soll sich anschließend dazu äußern, inwieweit sich der Stand der Technik gegenüber den Festlegungen dieser Verwaltungsvorschrift fortentwickelt hat oder die Festlegungen dieser Verwaltungsvorschrift ergänzungsbedürftig sind. Soweit das Bundesumweltministerium das Fortschreiten des Standes der Technik oder eine notwendige Ergänzung in einem dem § 31a Abs. 4 BImSchG484 entspreVgl. Tausch, NVwZ 2002, 676, 678 f. Die BVT-Merkblätter werden veröffentlicht auf der Internetseite des „European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau“, http: //eippcb.jrc.es/pages/FAbout.htm. 481 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.1.1. Rn. 16. 482 Vgl. Tausch, NVwZ 2002, 676, 679. 483 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.1.1. Rn. 18. 484 Die 1990 eingefügte Vorschrift zum Technischen Ausschuss für Anlagensicherheit wurde 2005 aufgehoben. Der Technische Ausschuss für Anlagensicherheit ist mittlerweile mit der Störfallkommission zur Kommission für Anlagensicherheit verbunden worden, vgl. Jarass, BImSchG, § 31a Rn. 1, § 51a Rn. 1. 479 480

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chenden Verfahren bekannt gemacht hat, sind die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden an die der Bekanntmachung widersprechenden Anforderungen der TA Luft nicht mehr gebunden. In diesen Fällen haben die zuständigen Behörden bei ihren Entscheidungen die Fortentwicklung des Standes der Technik zu berücksichtigen.485 Weiter heißt es in der TA Luft, dass bei der Ermittlung des Standes der Technik im Einzelfall BVT-Merkblätter (oder Richtlinien oder Normen des VDI / DINHandbuches Reinhaltung der Luft) als Erkenntnisquelle herangezogen werden sollen, soweit die Nummern 5.2 oder 5.4 TA Luft keine oder keine vollständigen Regelungen zur Begrenzung der Emissionen enthalten. Wie sich das Verhältnis von BVT-Merkblättern zu VDI-Richtlinien gestaltet, regelt weder das BImSchG noch die TA Luft. Nach dem Wortlaut der TA Luft stehen beide gleichberechtigt nebeneinander (soweit die TA Luft keine oder keine vollständigen Regelungen enthält). Allerdings ist es für den Anlagenbetreiber von Bedeutung, ob er die Anforderungen der BVT-Merkblätter oder diejenigen der VDI-Richtlinien erfüllen muss (beispielsweise hinsichtlich der Haltung von Schweinen, die sowohl in der VDI-Richtlinie 3472 als auch im oben erwähnten BVT-Merkblatt Intensivhaltung Geflügel und Schweine (IFL) geregelt wird). Dies dürfte sich nach den Anforderungen richten, die das BImSchG an ein fortschrittliches Verfahren stellt. Stellen die in den BVT-Merkblättern enthaltenen Vorgaben einen Fortschritt gegenüber den Regelungen der VDI-Richtlinien dar und entsprechen sie im übrigen den Kriterien, die das BImSchG an den Stand der Technik stellt („Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren . . .“), so dürften sie den VDI-Richtlinien vorzuziehen sein (in Bezug auf die VDI-RL zur Emissionsminderung – Tierhaltung Schweine, die im Jahre 1986 veröffentlich worden ist, könnte dies bedeuten, dass das wesentlich jüngere BVT-Merkblatt „Intensive Rearing of Poultry and Pigs“ aus dem Jahr 2003 Vorrang hat, soweit darin fortschrittlichere Verfahren beschrieben werden). (6) Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß § 7 BImSchG – zugleich Ermächtigungsnorm zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Konkretisierung der sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG stellt an die Errichtung und den Betrieb von genehmigungsbedürftigen Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen weitere Anforderungen. Die sich aus einer auf Grund von § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten müssen dabei erfüllt werden. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass das BImSchG verschiedene Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften enthält. § 7 BImSchG ist eine solche Ermächtigungsnorm zum Erlass von Rechtsverordnungen.486 In 485

Vgl. dazu auch Hansmann, TA Luft, Nr. 5.1.1. Rn. 23.

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Bezug auf Geruchsimmissionen liegt bislang lediglich eine einschlägige Rechtsverordnung vor. Die 30. Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen), die auf der Grundlage von § 7 BImSchG erlassen worden ist, sieht in § 6 Nr. 4 einen Emissionsgrenzwert für Geruchsstoffe vor, der bei Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen einzuhalten ist.487 bb) Anforderungen an genehmigungsfreie Anlagen (1) Handlungspflichten gemäß § 22 BImSchG Auch für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die keiner Genehmigungspflicht nach dem BImSchG unterliegen (aber zum Beispiel lediglich einer Genehmigungspflicht nach dem BauGB), sieht das BImSchG bestimmte Pflichten vor. Sie sind in den §§ 22 ff. BImSchG geregelt. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG), nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) und die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG). In § 22 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist darüber hinaus die ausnahmsweise Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG (Abfallvermeidungspflicht)488 auf bestimmte Anlagenarten vorgesehen. Auf welche Anlagenarten die Abfallvermeidungspflicht Anwendung finden soll, kann in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Darüber hinaus sieht § 22 Abs. 2 BImSchG vor, dass weitergehende öffentlichrechtliche Vorschriften unberührt bleiben. An dieser Stelle macht das Gesetz den Unterschied zum Genehmigungsverfahren nach den §§ 4 ff. BImSchG deutlich. Während die Genehmigung dort Konzentrationswirkung hat (vgl. § 13 BImSchG)489, und somit alle öffentlich-rechtlichen Pflichten innerhalb des Genehmigungsverfahrens zu prüfen und deren Erfüllung mit Erteilung der Genehmigung bestätigt wird, sind die Pflichten aus § 22 Abs. 1 BImSchG nur ein Teil eines möglichen Pflichtenkatalogs an nicht genehmigungsbedürftige Anlagen aus anderen öffentlich-rechtlichen Normen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den Eintritt von schädlichen Umwelteinwirkungen zu vermeiden, die durch nicht genehmigungsbedürftige Anlagen herAuf diese Regelung wird in Kapitel D. III. 2. eingegangen. Auf diese Verordnung wird in Kapitel D. III. 2. eingegangen. 488 Vgl. oben D. III. 1. b) aa) (2). 489 Vgl. dazu auch Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 6 Rn. 24, 25. 486 487

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vorgerufen werden können. Auch wenn die Schaffung des Typus „nicht genehmigungsbedürftige Anlage“ gegenüber den genehmigungsbedürftigen Anlagen indiziert, dass von ersteren ein wesentlich geringeres Ausmaß an schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten ist, so sollen doch auch diese – ggf. kleinräumigeren oder mit einem geringeren Risiko behafteten – Umwelteinwirkungen vermieden werden. In der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf heißt es dazu (damals noch zu § 20, dem jetzigen § 22 BImSchG), dass die weitaus meisten Anlagen in der Regel nicht in einem solchen Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen, dass sie einer eingehenden Prüfung in einem Genehmigungsverfahren bedürften. Je nach den Betriebsverhältnissen oder ihrer Lage könnten jedoch auch sie zu erheblichen Störungen der Nachbarschaft oder, etwa wegen ihrer großen Verbreitung, zur Beeinträchtigung der Allgemeinheit führen.490 Der Vergleich des Wortlauts von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 BImSchG zu dem in § 5 Abs. 1 BImSchG verdeutlicht die wesentlich weniger strengen Anforderungen, die an die Errichtung und Betrieb von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen gestellt werden. Während nach § 5 Abs. 1 BImSchG – unabhängig vom Stand der Technik – der Eintritt schädlicher Umwelteinwirkungen zu verhindern ist, wird nach dem Pflichtenkatalog aus § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG die Verhinderung oder – für unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen – Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen, jeweils in dem nach dem Stand der Technik möglichen Maße, gefordert. Gleichwohl enthält auch § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG eine Verpflichtung zur Verhinderung konkret drohender und nach dem Stand der Technik vermeidbarer schädlicher Umwelteinwirkungen. Es ist umstritten, ob nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG über den Schutz vor konkret schädlichen Umwelteinwirkungen hinaus auch Vorsorge gegen potentiell beeinträchtigende Immissionen gefordert werden kann.491 Aus dem Wortlaut der Vorschrift geht eine solche Pflicht nicht hervor. Auch in der Amtlichen Begründung finden sich dafür keine Anhaltspunkte. Gleichwohl soll sie unter anderem daraus abzuleiten sein, dass die Bundesregierung Emissionswerte in Form von Rechtsverordnungen für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen festgelegt hat und dass in der Verwaltungspraxis häufig unter Bezugnahme auf § 22 BImSchG Vorsorgemaßnahmen festgelegt werden, zum Beispiel im Baugenehmigungsbescheid. Darüber hinaus soll die Vorsorgepflicht, die als allgemeiner Gesetzeszweck in § 1 BImSchG statuiert ist, bei der Auslegung aller Bestimmungen, also auch des § 22 490

Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 20 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 38. 491 Dafür: Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 14, 15; dagegen: OVG Münster, Beschl. v. 18. 05. 1993, Az.: 10 B 681 / 93, NVwZ 1993, 1115; BVerwG, Urt. v. 28. 01. 1999, Az.: 7 CN 1 / 97, NVwZ 1999, 651; Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 22; vgl. darüber hinaus die weiteren Nachweise für die ablehnende Meinung bei Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 14.

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BImSchG, heranzuziehen sein.492 Der Streit braucht jedoch an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Zumindest hinsichtlich der Verhinderung von Geruchsimmissionen dürfte die Anforderung an die Einhaltung des Standes der Technik zugleich auch eine etwaig bestehende Vorsorgepflicht erfüllen. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG enthält insofern eine Sonderregelung gegenüber § 5 Abs. 1 BImSchG, als solche schädlichen Umwelteinwirkungen, die nicht bereits nach Nr. 1 zu vermeiden sind, auf ein Mindestmaß beschränkt werden müssen. Durch das Abstellen auf ein Mindestmaß wollte der Gesetzgeber einen nachbarlichen Interessenausgleich ermöglichen. In der Amtlichen Begründung heißt es dazu, diese Verpflichtung sei eine spezielle öffentlich-rechtliche Ausformung des allgemeinen Rechtsgedankens, dass grundsätzlich niemand sein Eigentum oder eine diesem gleichkommende Rechtsposition zum Schaden anderer ausüben darf. Durch die Verwendung der in Nr. 2 enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe solle im Rahmen des Zumutbaren eine möglichst weitgehende Verpflichtung zu Schutzmaßnahmen begründet werden. Zugleich werde ein ausreichend weiter Spielraum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eröffnet, wobei dem nachbarlichen Interessenausgleich eine besondere Bedeutung zukomme.493 Somit verlangt § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG eine Abwägung im Einzelfall.494 Wann nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BImSchG konkrete schädliche Umwelteinwirkungen drohen, kann – ebenso wie im Rahmen des § 5 Abs. 1 BImSchG – anhand untergesetzlicher Regelwerke ermittelt werden. Ebenso wie in § 7 BImSchG für genehmigungsbedürftige Anlagen, ist in § 23 BImSchG für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen enthalten. Die Rechtsgrundlage zum Erlass von Verwaltungsvorschriften in § 48 BImSchG ist bereits erwähnt worden. Darüber hinaus können auch Regelungen in technischen Normen herangezogen werden. Ebenso wie im Rahmen der Konkretisierung der Betreiberpflichten aus § 5 BImSchG dürfen jedoch auch hier die Konkretisierungen in Form von untergesetzlichen Regelwerken nicht schematisch angewandt werden.495 Die Beurteilung der verschiedenen Immissionsarten setzt auch hier – wie in § 5 BImSchG – eine wertende Entscheidung unter Berücksichtigung der entscheidungserheblichen Tatsachen voraus.496 492 493

Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 15. Vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zu § 20 BImSchG, BT-Drs. 7 / 179,

S. 38. 494 So auch Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 21, 22, der die Auffassung vertritt, dass das „Mindestmaß“ bestimme, wie weit die Nachbarschaft und die Allgemeinheit vor konkreten schädlichen Umwelteinwirkungen geschützt werden müssten. 495 Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 13. 496 Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 13, der ausführlich darstellt, welche Kriterien in die Bewertung von Geräuschen, aber auch von Gerüchen, eingehen sollen.

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Die Anforderungen, die nach dem Stand der Technik gefordert werden können, sind bereits oben im Rahmen der Erörterung von § 3 Abs. 6 BImSchG dargelegt worden.497 Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Anders als im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG („. . . , insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.“) können von dem Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage ausschließlich Maßnahmen nach dem Stand der Technik und keine anderweitigen Maßnahmen gefordert werden.498 Inwieweit § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine nachbarschützende Funktion hat, kann nicht für alle Grundpflichten einheitlich beantwortet werden. Soweit die Nrn. 1 und 2 der Verhinderung oder Beschränkung konkreter schädlicher Umwelteinwirkungen im Einwirkungsbereich der Anlage dienen, sind die Bestimmungen drittschützend.499 Eine drittschützende Wirkung besteht dabei auch in den Fällen, in denen der Nachbar im Einzelfall keinen Anspruch auf ein Einschreiten der Behörde (nach §§ 24, 25 BImSchG) hat.500 Er kann dann zumindest eine fehlerfreie Ausübung des behördlichen Ermessens verlangen.501 (2) Anforderungen an die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 23 BImSchG – zugleich Ermächtigungsnorm zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Konkretisierung der Anforderungen Wie schon erwähnt enthält § 23 BImSchG eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Konkretisierung der Pflichten aus § 22 Abs. 1 BImSchG. Auf diese Vorschrift wird im nächsten Abschnitt 2. eingegangen. c) Zwischenergebnis Grundlage für die Bewertung von Geruch im öffentlich-rechtlichen Immissionsschutzrecht ist der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG. Geruchsimmissionen können dazu geeignet sein, Belästigungen und Nachteile herbeizuführen, nicht aber Gefahren. Im Rahmen der Befragung von Anwohnern im Umkreis von geruchsstoffemittierenden Anlagen äußern diese zwar häufiger bestimmte physische und psychische Beschwerden als Bevölkerungsgruppen, die sich außerhalb des Einwirkungsbereichs solcher Anlagen befinden (sog. Vgl. oben D. III. 1. b) aa) (5). Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 16. 499 Vgl. BVerwG, Urt. v. 04. 07. 1986, Az.: 4 C 31 / 84, NJW 1987, 1713; BVerwG, Urt. v. 07. 05. 1996, Az.: 1 C 10 / 95, NVwZ 1997, 276, 277. 500 Vgl. dazu Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 35; außerdem VG Meiningen, Urt. v. 19. 06. 1995, Az.: 5 K 74 / 92.Me, LKV 1996, 424 ff., zur Reichweite des Ermessens, das die Behörde bei Anordnungen im Einzelfall hat. 501 Vgl. Hansmann, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 22 Rn. 4. 497 498

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Kontrollgruppen).502 Die derzeit vorhandenen Kenntnisse reichen gleichwohl nicht dazu aus, Geruchsimmissionen die Eignung zur Herbeiführung einer Gefahr in Form der (potentiellen) Schädigung der Gesundheit beizumessen. Ob Geruch manifeste Krankheiten hervorrufen kann, kann nur anhand von weiteren Untersuchungen über den Zusammenhang von Geruchseinwirkungen und gesundheitlichen Beschwerden ermittelt werden. Aufgrund der in der Vergangenheit geäußerten Beschwerden von Anwohnern und der Erkenntnisse über den Zusammenhang von Lärm und Bluthochdruck bei Lärmbetroffenen besteht Anlass dafür, einem möglichen Zusammenhang zwischen Geruchseinwirkungen und der Entstehung von Krankheiten auf den Grund zu gehen. Geruchsimmissionen stellen nur dann schädliche Umwelteinwirkungen dar, wenn sie erheblich sind. Wann Immissionen erheblich sind, geht aus der Definition in § 3 Abs. 1 BImSchG jedoch nicht hervor. Art, Ausmaß und Dauer sind drei Kriterien, die bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus ist von der Rechtsprechung die Erheblichkeit seit jeher von der Zumutbarkeit abhängig gemacht worden. Was zumutbar ist, kann nicht generell beantwortet werden, sondern lässt sich nur im Rahmen einer wertenden Entscheidung auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls ermitteln. Dabei ist auch die Empfindlichkeit der von den Immissionen Betroffenen zu berücksichtigen. Die Zumutbarkeit im Einzelfall wird dabei nicht von den individuell Betroffenen, sondern von der Einschätzung des „verständigen Durchschnittsmenschen“ abhängig gemacht. Im Einzelfall kann die Empfindlichkeit ganzer Bevölkerungsgruppen, wie Alte, Kranke oder Kinder, berücksichtigt werden. Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Menschen mit einer bestimmten Disposition oder Krankheitsvorgeschichte empfindlicher auf Geruch reagieren als andere. Zurzeit lassen sich hierzu zwar keine abschließenden Aussagen treffen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass bei Vorliegen umfangreicherer Erkenntnisse hierzu in Zukunft eine weitere, besonders schützenswerte Gruppe der Bevölkerung an die Stelle des verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt werden muss. Weitere zu berücksichtigende Umstände bei der Ermittlung der Erheblichkeit sind die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des betroffenen Gebiets. Je nach den Festsetzungen im Bebauungsplan können geringere oder höhere Immissionen noch zumutbar sein. In einer Gemengelage, wo unterschiedliche Nutzungen aufeinander treffen, müssen diese jeweils gegenseitig Rücksicht nehmen. Das Gebot der Rücksichtnahme hat zur Folge, dass auch eine grundsätzlich gegenüber einem Gewerbe- oder Industriegebiet schützenswertere Wohnbebauung im Grenzbereich zu einem solchen Gebietstypus ein höheres Maß an Immissionen zu dulden 502 Bei der Befragung von Anwohnern geruchsemittierender Anlagen werden zur Überprüfung der Ergebnisse zumeist auch sogenannte Kontrollgruppen befragt, die von geruchsstoffemittierenden Anlagen nicht betroffen sind, um die Signifikanz der Beeinträchtigungen durch Geruchsstoffe nachzuweisen.

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verpflichtet ist, während Emittenten im Gewerbe- oder Industriegebiet an der Grenze zu einem Wohngebiet weniger emittieren dürfen als solche, die im Zentrum eines Gewerbe- oder Industriegebiets angesiedelt sind. Die im Zuge der Beurteilung von Lärm entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bildung eines „Mittelwerts“ gilt auch für Geruchsimmissionen. Konkrete Bedeutung erlangt der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen bei der Festlegung der Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG sowie von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BImSchG. Im Rahmen der Genehmigung einer Anlage nach dem Immissionsschutz- oder Baurecht, bei der Überwachung von Anlagen sowie bei Beschwerden von Anwohnern ist anhand des Begriffs schädliche Umwelteinwirkungen zu ermitteln, welche Verpflichtungen im Einzelfall bestehen. Die Anforderungen an genehmigungspflichtige und nicht genehmigungspflichtige Anlagen unterscheiden sich dabei jedoch insofern voneinander, als von genehmigungsbedürftigen Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen nicht herbeigeführt werden dürfen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Hingegen wird der Pflichtenumfang für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG dadurch begrenzt, dass lediglich nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden müssen und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden müssen. Insgesamt zeichnet sich der Wortlaut der vorgenannten Regelungen durch die Verwendung einer Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen aus, die ihrerseits ausgelegt werden müssen. Einige dieser Begriffe werden im Gesetz legaldefiniert (wie zum Beispiel „schädliche Umwelteinwirkungen“ in § 3 Abs. 1 BImSchG oder Stand der Technik“ in § 3 Abs. 6 BImSchG). Allerdings sind die Definitionen teilweise durch die Verwendung weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe gekennzeichnet, die der weitergehenden Auslegung bedürfen. Sie können nicht ausschließlich anhand von objektiven Kriterien ausgelegt werden (wie zum Beispiel „Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen“ in § 3 Abs. 1 BImSchG). Der Grund für die Unbestimmtheit der gesetzlichen Vorschrift liegt in der Komplexität der zu regelnden Lebenssachverhalte, die entweder allgemeine oder sehr differenzierte und detaillierte Regelungen erfordert. Die meisten Entscheidungen im Immissionsschutzrecht setzen die Beurteilung komplizierter naturwissenschaftlicher und technischer Vorgänge voraus, die der Gesetzgeber nicht ohne die Inanspruchnahme von verwaltungsfremdem Sachverstand beurteilen kann. Der Gesetzgeber hat daher die bewusste Entscheidung getroffen, die Ausfüllung des Gesetzes weitestgehend dem untergesetzlichen Normgeber zu überlassen. Um im Einzelfall die Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Anlagen trotz der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe festlegen zu können, sieht das BImSchG in verschiedenen Normen den Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung der Anforderungen vor. Mit diesen untergesetzlichen

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Normen soll zudem schneller auf neuere Erkenntnisse über das Ausmaß an Störwirkungen einzelner Immissionsarten für die Umwelt und auf den technischen Fortschritt reagiert werden können. Für die Bewertung von Geruch sind auf der Grundlage des BImSchG bislang nur einige wenige untergesetzliche Normen erlassen worden, die im Folgenden dargestellt werden.

2. (Bundes-)Rechtsverordnungen zur Durchführung des BImSchG a) Geruch als Regelungsgegenstand einer Rechtsverordnung Das BImSchG sieht vor, dass schwierige naturwissenschaftliche und technische Fragen entweder in Form von Rechtsverordnungen (§§ 7, 23 BImSchG) oder in Form von Verwaltungsvorschriften503 (§ 48 BImSchG) geregelt werden. Die Rechtsverordnung eignet sich insofern zur Konkretisierung von Regelungen des BImSchG, als sie nicht vom Parlament in einem der Verfassung entsprechenden Verfahren, sondern von der Exekutive erlassen wird und das Verfahren entsprechend vereinfacht und verkürzt ist.504 Dennoch erzeugen Rechtsverordnungen als Gesetze im materiellen Sinne Rechte und Pflichten im Bürger-Staat-Verhältnis.505 Die Problematik der eingeschränkten Bindungswirkung, die insbesondere bei Verwaltungsvorschriften auftritt, entsteht bei der Rechtsverordnung somit nicht. Dennoch soll mit der Rechtsverordnung schneller auf technische Entwicklungen reagiert werden können als etwa im Wege des Erlasses von Gesetzen. Die 36 bisher auf der Grundlage des BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen zeigen, dass sich die Rechtsverordnung im Umweltrecht als akzeptiertes und bewährtes Instrument der Rechtssetzung bewiesen hat.506 Trotz detaillierter Verfahrensregelungen hat sich die Rechtsverordnung auch nicht als unangemessen schwerfällig erwiesen.507 Auf Änderungen der Realität oder neue Erkenntnisse konnte durchaus zeitnah reagiert werden, was sich zum Beispiel an den zahlreichen Änderungen der 4. BImSchV seit ihrem ersten Erlass im Jahre 1985 ablesen lässt.508 Grundsätzlich soll sich das Parlament durch die Verordnung auch von der Regelung technischer Details entlasten können.509 Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Regelungstiefe der einzelnen Rechtsverordnungen zum BImSchG nicht sehr groß ist und diese auch nicht ohne die Heranziehung technischer Regelwerke oder den Verweis auf den Stand der Technik auskommen.510 Dazu unten D. IV. Allgemein zu den Funktionen der Rechtsverordnung vgl. Saurer, Funktionen der Rechtsverordnungen. 505 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 142; Gusy, NVwZ 1995, 105, 108. 506 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 108. 507 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 108. 508 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 108. 509 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 142. 503 504

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Die Rechtsprechung des EuGH zur Unzulässigkeit der Umsetzung von Grenzwerten für Luftschadstoffe aus europäischen Richtlinien in Verwaltungsvorschriften511 war zweifelsohne dazu geeignet, der Rechtsverordnung seit Beginn der Neunziger Jahre eine zunehmende Bedeutung zu verschaffen. Im Hinblick auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand kann dies jedoch nicht festgestellt werden. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass sich die Legislativorgane der Gemeinschaft zu Luftverunreinigungen durch Geruchsstoffe bisher überhaupt nicht explizit geäußert haben. Aus der IVU-Richtlinie lässt sich zwar herauslesen, dass auch Geruchsimmissionen Gegenstand der Überprüfung und Überwachung im Genehmigungsverfahren sein müssen. Eine eigenständige Regelung oder etwaige Grenzwerte für Geruchsemissionen oder -immissionen sind darin jedoch nicht enthalten. Auch auf nationaler Ebene existiert eine Rechtsverordnung zur Bewertung von Geruch bisher nicht. Die in der Vergangenheit auf der Grundlage des BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen regeln Anforderungen an die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb bestimmter Anlagenarten (Bsp.: Anlagen zur Bearbeitung von Holz (7. BImSchV), Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen (13. BImSchV), Anlagen der militärischen Landesverteidigung (14. BImSchV), Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe (17. BImSchV)) oder sehen Anforderungen an bestimmte Industriezweige oder den Umgang mit bestimmten Stoffen vor (Bsp.: Schwefelgehalt bestimmter flüssiger Kraft- oder Brennstoffe (3. BImSchV), Qualität von Kraftstoffen (10. BImSchV), Verwendung organischer Lösemittel in bestimmten Anlagen (31. BImSchV)). Lediglich zwei der auf der Grundlage des BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen weisen Regelungen zu Geruch auf. In der Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe taucht der Begriff „Geruchsemissionen“ auf, und zwar im Rahmen einer Ausnahmeregelung zur baulichen Beschaffenheit einer Anlage (§ 19 Abs. 2 17. BImSchV). Umfangreichere Regelungen im Hinblick auf Geruch trifft dagegen nur die Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen (30. BImSchV), die unter anderem einen Grenzwert für Geruchsstoffemissionen für Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen festlegt. In der Praxis werden diese Anlagen auch als mechanischbiologische Abfallbehandlungsanlagen (MBA) bezeichnet. Vor der Darstellung der 30. BImSchV wird zunächst kurz auf ihre Rechtsgrundlage (§ 7 BImSchG) eingegangen.

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Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 108. Dazu unten D. IV.

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b) Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen in Bezug auf genehmigungsbedürftige Anlagen (§ 7 BImSchG) aa) Allgemeines In § 7 Abs. 1 Satz 1 BImSchG wird die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51 BImSchG) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass die Errichtung, die Beschaffenheit, der Betrieb, der Zustand nach Betriebseinstellung und die betreibereigene Überwachung genehmigungsbedürftiger Anlagen zur Erfüllung der sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten bestimmten Anforderungen genügen müssen.512 Die Rechtsverordnung kann sämtliche aus § 5 BImSchG sich ergebenden Pflichten konkretisieren, also auch die Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, die vorliegend von Interesse sind.513 § 7 Abs. 1 Satz 2 BImSchG betont, dass bei der Festlegung der Anforderungen insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen sind und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu gewährleisten ist.514 Darüber hinaus wird die Ermächtigung des Abs. 1 durch Abs. 2 und Abs. 3 näher ausgestaltet. Eine eigene Ermächtigung für die Umsetzung EG-rechtlicher Pflichten enthält Abs. 4.515 Die in einer Rechtsverordnung festgelegten Anforderungen müssen in allen Teilen verhältnismäßig sein. Sie müssen demnach erforderlich und geeignet sein und auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Die durch die Anforderungen für die Anlagenbetreiber bedingten Belastungen dürfen in keinem Missverhältnis zu den mit den Anforderungen erreichbaren Zielen stehen.516 § 7 Abs. 1 Satz 1 BImSchG enthält eine nicht abschließende Aufzählung darüber, was in Rechtsverordnungen geregelt werden kann. Beispielsweise kann geregelt werden, dass die Anlagen bestimmten technischen Anforderungen entsprechen müssen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG), dass die von Anlagen ausgehenden Emissionen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen (Nr. 2) oder dass die Betreiber von Anlagen Messungen von Emissionen und Immissionen nach in der Rechtsverordnung näher zu bestimmenden Verfahren vorzunehmen haben oder vornehmen lassen müssen (Nr. 4).517 Vgl. Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 4, 8. Vgl. Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 4, 8. 514 Über diese Regelung findet der integrative Ansatz des Gemeinschaftsrechts auch Eingang in die untergesetzlichen Konkretisierungen der Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 BImSchG, vgl. BT-Drs. 14 / 4599, S. 128: „Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass infolge von Maßnahmen zum Schutz eines Umweltbereichs verbleibende nachteilige Auswirkungen dieser Schutzmaßnahmen möglicherweise auf einen anderen Umweltbereich verlagert werden . . .“; vgl. dazu auch Hansmann, ZUR 2002, 19 ff. 515 Vgl. Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 1. 516 Vgl. Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 10. 512 513

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bb) Immissionswerte als Regelungsgegenstand einer Rechtsverordnung? An der Aufzählung in § 7 Abs. 1 Satz 1 BImSchG fällt – im Vergleich zu § 48 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG – auf, dass die Festlegung von Immissionswerten nicht zu den genannten Beispielen gehört. Die Beispiele knüpfen vielmehr an die Errichtung, die Beschaffenheit, den Betrieb etc. genehmigungsbedürftiger Anlagen an und damit an die Anlagen selbst. Dies kann als eine vom Gesetzgeber bewusst getroffene Entscheidung gewertet werden, für die Festlegung von Immissionsrichtoder -grenzwerten vorzugsweise andere Regelungsformen als die der Rechtsverordnung zu wählen. Dies bestätigt die Betrachtung einiger der auf der Grundlage des § 7 BImSchG erlassenen BImSchV. Die für die Geruchsbewertung relevante 30. BImSchV weist in § 1 Abs. 3 darauf hin, dass sie insbesondere Anforderungen enthält, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 des BImSchG zu erfüllen sind. In § 17 30. BImSchV wird ausgeführt, dass die Befugnis der zuständigen Behörde unberührt bleibt, andere oder weitergehende Anforderungen des BImSchG, insbesondere zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, zu treffen. Ähnliche Regelungen finden sich auch in §§ 1 Abs. 3, 22 13. BImSchV. Es kann daher festgestellt werden, dass die Rechtsverordnung im immissionsschutzrechtlichen Kontext bisher nicht die Funktion der Konkretisierung der Schutzpflicht durch die Festlegung von Immissionswerten, sondern vorwiegend die Funktion der Verrechtlichung des Vorsorgeprinzips einnimmt.518 Soweit in der Vergangenheit daher eine Aktivität des Gesetz- und Verordnungsgebers zur Vereinheitlichung der zur Bewertung von Geruch existierenden untergesetzlichen Regelwerke gefordert worden ist519, dürfte der Wunsch nach dem Erlass einer Rechtsverordnung unerfüllt bleiben.

c) Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen in Bezug auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (§§ 22 Abs. 1 Satz 2, 23 BImSchG) Die §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 23 BImSchG enthalten die Parallelermächtigung zu § 7 BImSchG für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, die bestimmten Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen520 sowie zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen 517 Die Nrn. 2a und 4 in § 7 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind im vorliegenden Zusammenhang nicht unmittelbar von Interesse. Vgl. dazu Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 6. 518 Vgl. Saurer, Funktionen der Rechtsverordnung, S. 96 f. 519 Vgl. zu allem Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 215. 520 Soweit diese Anlagen gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden und Betriebsbereiche oder Bestandteile von Betriebsbereichen sind, dürfen in der Rechtsverordnung auch Vorgaben zum Schutz vor sonstigen Gefahren zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nr. 5 der Richtlinie 96 / 82 / EG und zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle für Mensch und Umwelt enthalten sein.

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genügen müssen. Soweit ersichtlich sind bisher auf der Grundlage von §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 23 BImSchG jedoch keine Rechtsverordnungen erlassen worden, die die Bewertung von Geruch zum Gegenstand haben.

d) Verordnungen über bestimmte Anlagenarten aa) Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen (30. BImSchV) (1) Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich Die Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen521 vom 20.02. 2001 (30. BImSchV) wurde als Art. 2 der Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen und über biologische Abfallbehandlungsanlagen (Artikelverordnung) erlassen und trat am 01. 03. 2001 in Kraft. Damit ging ein seit Jahren andauernder Richtungsstreit über das „Wie“ in der Frage der Restabfallbehandlung zu Ende.522 Der Anwendungsbereich der 30. BImSchV wird in § 1 geregelt. Danach gilt die Verordnung für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Anlagen, in denen Siedlungsabfälle und Abfälle, die wie Siedlungsabfälle entsorgt werden können, im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 der Abfallablagerungsverordnung mit biologischen oder einer Kombination von biologischen mit physikalischen Verfahren behandelt werden. Dabei müssen biologisch stabilisierte Abfälle als Vorbehandlung zur Ablagerung oder vor einer thermischen Behandlung erzeugt, heizwerte Fraktionen oder Ersatzbrennstoffe gewonnen oder Biogase zur energetischen Nutzung erzeugt werden (biologische Abfallbehandlungsanlagen). Zudem fallen nur solche Anlagen unter den Anwendungsbereich, die nach § 4 des BImSchG i.V. d. der 4. BImSchV genehmigungsbedürftig sind. Die Verordnung gilt nicht für Anlagen, die für die Erzeugung von verwertbarem Kompost oder Biogas ausschließlich aus Bioabfällen bestimmt sind. Nach § 1 Abs. 3 30. BImSchV enthält die Verordnung insbesondere Anforderungen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlagen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu erfüllen sind. In der Amtlichen Begründung zur Verordnung heißt es, dass durch die Verordnung insbesondere sichergestellt werden soll, dass bei den in Planung befindlichen neuen biologischen Abfallbehandlungsanlagen der modernste Stand der Technik zur Minderungen von Luftverunreinigungen zur Anwendung gebracht wird. Diese Anforderungen sollen nach einer Übergangszeit auch für bestehende Anlagen gelten.523 Als Ziel der 30. BImSchV wird in der Amtlichen Begründung genannt, für BGBl. I S. 317. Vgl. Bergs / Radde, Abfallablagerungsverordnung – 30. BImSchV – TA Siedlungsabfall, S. 5. 521 522

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen spezielle materielle Anforderungen verbindlich festzulegen. Die Anforderungen an diese Anlagen werden dabei in Anlehnung an die für die thermische Abfallbehandlungsanlagen geltenden Anforderungen der Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe (17. BImSchV) festgelegt.524 Von der Literatur werden die in der Verordnung genannten Anforderungen als sehr hoch bewertet.525 In der Amtlichen Begründung wird ferner unter der Überschrift „Ziele und Konzepte der Verordnung“ ausgeführt, dass bei überwiegend ungekapselt betriebenen Anlagen – zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung wurden in Deutschland ca. 30 Anlagen betrieben – durch das Freisetzen geruchsintensiver Stoffe erhebliche Geruchsbelästigungen in der Nachbarschaft auftreten könnten. Bestimmte organische Einzelstoffe könnten als geruchsintensive Stoffe erhebliche Geruchsbelästigungen hervorrufen. Ziel der Verordnung sei es daher, die Emissionsfrachten relevanter Luftverunreinigungen durch geeignete bauliche und betriebliche Maßnahmen sowie durch die Festlegung „anspruchsvoller“ Emissionsgrenzwerte so zu begrenzen, dass eine ausreichende Vorsorge für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen gegeben sei. Hierzu sollten vor allem auch die Betriebsergebnisse und Auslegungen von neuen und geplanten Anlagen sowie die vorliegenden Erfahrungen bei der Emissionsminderung von anderen genehmigungsbedürftigen Anlagenarten mit vergleichbaren Abgasen berücksichtigt werden.526 Unabhängig von den baulichen und betrieblichen Anforderungen legt die Verordnung in § 3 einen einzuhaltenden Mindestabstand von 300 m zwischen Anlagengrenze und nächster vorhandener oder in einem Bebauungsplan festgesetzter Wohnbebauung fest, welcher vor allem bei Störungen des Betriebs die unmittelbare Nachbarschaft von biologischen Abfallbehandlungsanlagen vor möglichen Geruchsbelästigungen weitgehend schützen soll.527 Zur Erreichung der vorgenannten Ziele sieht die Verordnung verschiedene Maßnahmen in den §§ 3 bis 7 vor. Dazu gehören neben dem bereits erwähnten einzuhaltenden Mindestabstand emissionsbezogene Anforderungen für die Anlieferung, Aufbereitung, Stofftrennung, die Lagerung sowie den Transport, vgl. § 4 30. Vgl. BR-Drs. 596 / 00, S. 1. Vgl. BR-Drs. 596 / 00, S. 45, 46. 525 Als „anspruchsvoll“ bezeichnet Zacharias, UPR 2001, 95, 98, die in der 30. BImSchV enthaltenen Emissionsgrenzwerte; vgl. aus der Praxis Ketelsen / Bröker / Fehre, Müll und Abfall 2001, 461, 466, die ausführen, dass sich die Vorgaben durch konsequente Ausrichtung der MBA (mechanisch biologische Abfallbehandlungsanlagen; so werden die Anlagen in der Praxis genannt) auf das geforderte Anforderungsprofil erfüllen ließen. Dazu bedürfe es ganzheitlicher MBA-Konzepte mit angepasster Verfahrens- und Bautechnik, optimierter Prozessführung und ausgeklügelten Abluftmanagementsystemen. 526 Vgl. BT-Drs. 596 / 00, S. 51, 52. 527 Vgl. BT-Drs. 596 / 00, S. 53. 523 524

III. Nationales Recht

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BImSchV. Emissionsbezogene Anforderungen für die biologische Behandlung, für Prozesswässer und Brüdenkondensate enthält § 5 30. BImSchV. Emissionsgrenzwerte werden in § 6 30. BImSchV festgelegt, unter anderem auch ein Emissionsgrenzwert für Geruchsstoffe. Ableitbedingungen für Abgase regelt § 7 30. BImSchV. Die Messung und Überwachung regeln die §§ 8 ff. 30. BImSchV. Die 30. BImSchV sieht sowohl kontinuierliche Messungen (§§ 9, 10 30. BImSchV) als auch Einzelmessungen (§§ 11, 12 30. BImSchV) vor. Für die Einhaltung von Qualitätsstandards bei der Messung sorgt § 8 Abs. 3 30. BImSchV. Danach ist über den ordnungsgemäßen Einbau von Messeinrichtungen zur kontinuierlichen Überwachung eine Bescheinigung von der nach Landesrecht zuständigen Behörde bekannt gegebene Stelle zu erbringen. (2) Ausdrückliche Erwähnung von Geruchsstoffen und Festsetzung eines Grenzwertes für Geruchsstoffemissionen Die 30. BImSchV erwähnt Geruchsstoffe in mehreren Regelungen. In § 2 (Begriffsbestimmungen) werden Abgase definiert als Trägergase mit festen, flüssigen oder gasförmigen Emissionen; Abgasreinigungseinrichtungen werden definiert als Einrichtungen zur Emissionsminderung von emissionsrelevanten Luftverunreinigungen im Abgas der biologischen Abfallbehandlungsanlage, insbesondere zur Emissionsbegrenzung für Geruchsstoffe, § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 30. BImSchV. In Nr. 8 c) werden Emissionen definiert als die von einer biologischen Abfallbehandlungsanlage ausgehenden Luftverunreinigungen, die angegeben werden als Geruchsstoffkonzentration in der Einheit Geruchseinheit je Kubikmeter (GE / m3) als olfaktometrisch gemessenes Verhältnis der Volumenströme bei Verdünnung einer Abgasprobe mit Neutralluft bis zur Geruchsschwelle, angegeben als Vielfaches der Geruchsschwelle. Nach § 6 Nr. 4 30. BImSchV hat der Betreiber die biologische Abfallbehandlungsanlage so zu errichten und zu betreiben, dass in den zur Ableitung in die Atmosphäre bestimmten Abgasströmen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 und § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 30. BImSchV kein Messwert einer Probe den Emissionsgrenzwert von 500 GE / m3 überschreitet. (3) Vorgaben zur Messung und zur Überprüfung der Einhaltung des Grenzwerts für Geruchsstoffe Die Einhaltung des Emissionsgrenzwerts für Geruchsstoffe ist durch Einzelmessungen nachzuweisen. Gemäß § 11 Abs. 1 30. BImSchV hat der Betreiber nach Errichtung oder wesentlicher Änderung der biologischen Abfallbehandlungsanlage Messungen einer nach § 26 BImSchG bekannt gegebenen Stelle zur Feststellung durchführen zu lassen, ob die Anforderungen nach § 6 Nr. 4 30. BImSchV erfüllt werden. Die Messungen sind im Zeitraum von zwölf Monaten nach Inbetriebnahme alle zwei Monate mindestens an einem Tag und anschließend wiederkehrend spätestens alle zwölf Monate mindestens an drei Tagen durchführen zu lassen.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Sie sollen vorgenommen werden, wenn die Anlagen mit der höchsten Leistung betrieben werden, für die sie bei den während der Messung verwendeten Einsatzstoffen für den Dauerbetrieb zugelassen sind. Nach § 11 Abs. 2 30. BImSchV sollen für jede Einzelmessung je Emissionsquelle mindestens drei Proben genommen werden. Die olfaktometrische Analyse hat unmittelbar nach der Probenahme zu erfolgen. § 11 Abs. 3 Satz 1 30. BImSchV sieht zudem vor, dass die zuständige Behörde nach Errichtung oder wesentlicher Änderung der Anlage auch Immissionsmessungen in Form von Begehungen verlangen kann, um festzustellen, ob in der Nachbarschaft der Anlage Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, die eine erhebliche Belästigung i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen. (4) Berücksichtigung der Messunsicherheit – ein Problem aus der Praxis und seine Lösung Im Kapitel C. ist das Problem der Messunsicherheit der Olfaktometrie beschrieben und sind die einzelnen Faktoren dargelegt worden, die sich auf das Ergebnis einer Messung auswirken können. Dazu gehört unter anderem auch der Einfluss, den der Zeitablauf zwischen Probenahme und olfaktometrischer Messung auf die Qualität der Probe und damit auch auf das Ergebnis haben kann. Diesem Problem trägt § 11 Abs. 2 Satz 2 Rechnung, indem vorgesehen ist, dass die olfaktometrische Analyse der Abluftproben unmittelbar nach der Probenahme zu erfolgen hat. Aus der in § 11 Abs. 1 und 2 30. BImSchG vorgegebenen Messtechnik ergeben sich jedoch weitere Probleme, die die Verordnung nicht berücksichtigt. Dazu gehört zum Beispiel der Umgang mit dem oben beschriebenen sogenannten Indifferenzbereich, der bei einer olfaktometrischen Messung aufgrund der Messunsicherheit der Olfaktometrie noch als Einhaltung eines vorgegebenen Grenzwertes gewertet wird. Oben ist hierfür als Beispiel dargelegt worden, dass bei einem vorgegebenen Grenzwert von 1000 GE / m3 alle Messwerte zwischen 250 und 4000 GE / m3 noch in den zulässigen Bereich fallen, wobei sich dieser Indifferenzbereich aus dem oben genannten Toleranzbereich von 0,5 bis 2 des festgelegten Wertes zuzüglich der zulässigen Messunsicherheit, die in der DIN EN 13725 mit den Werten r und A festgelegt ist, ergibt. Nach diesem Beispiel unterschreiten erst Messwerte unter 250 GE / m3 sicher den Grenzwert. Messwerte über 4000 GE / m3 überschreiten den Grenzwert. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass es dann eine Frage des Standpunktes ist, welche Festlegung für eine Aussage über die Konformität der Messergebnisse getroffen wird. Die Messunsicherheit kann als Verschärfung oder Verminderung der Anforderungen interpretiert werden. Ist beispielsweise der Emittent in der Nachweispflicht, dass er den Grenzwert einhält, dann sollten alle Messwerte unterhalb des Grenzwertes abzüglich der Messunsicherheit liegen. Will aber der Beschwerdeführer einem Emittenten eine Grenzwertverletzung nachweisen, dann sollten erst Messwerte oberhalb des Grenzwertes zuzüglich der Messunsicherheit als Grenzwertverletzung gerechnet werden können.528 528

Vgl. Boeker / Haas, in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 61, 76.

III. Nationales Recht

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Dieses Problem ist in der Verwaltungspraxis auch in Bezug auf Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen aufgetaucht. Im Januar 2004 wurde von Seiten des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft ein Problem im Hinblick auf die Messunsicherheiten im Rahmen der 30. BImSchV an den LAI herangetragen, nachdem sich nachgeordnete sächsische Behörden mit dem Problem an das Staatsministerium gewandt hatten.529 Hintergrund waren die erheblichen Messunsicherheiten, mit denen die Auswertung der nach § 11 Abs. 2 30. BImSchV vorzunehmenden drei Einzelproben je Quelle zur Überprüfung der Emissionsgrenzwerts von 500 GE / m3 erfahrungsgemäß verbunden waren. In seinem Schreiben stellte das Sächsische Umweltministerium dar, dass Nr. 5.3.2.4 TA Luft bei Überwachungsmessungen bei Altanlagen zulasse, dass die Messunsicherheit zugunsten des Betreibers berücksichtigt werden darf. Bei erst- und wiederkehrenden Messungen werde hingegen die Messunsicherheit zu Ungunsten des Betreibers gewertet.530 Aus den Qualitätsanforderungen für die Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration gemäß DIN EN 13725 ergebe sich, dass bei einer Einzelprobe ein Emissionsgrenzwert von 500 GE / m3 in einem Messbereich zwischen 336 und 743 GE / m3 konkret abgebildet werde und somit der Grenzwert als eingehalten gelte. Das Sächsische Umweltministerium schlug vor, über die dortigen Vorgaben noch hinauszugehen und unter Berücksichtigung weiterer möglicher Messunsicherheiten innerhalb der einzelnen Proben, unter anderem bedingt durch die unterschiedliche Dauer der Zwischenlagerung bis zur Auswertung, eine Messunsicherheit von 50% bei jeder Einzelprobe zugunsten des Betreibers zu akzeptieren. Danach wäre bei einem Einzelmesswert von 1000 GE / m3 der Grenzwert von 500 GE / m3 noch eingehalten. 529 Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses Luft / Technik des LAI vom 09. 01. 2004. 530 Nr. 5.3.2.4 TA Luft (Auswertung und Beurteilung der Messergebnisse) lautet: Abs. 1: Es soll gefordert werden, dass über das Ergebnis der Messungen ein Messbericht erstellt und unverzüglich vorgelegt wird. Der Messbericht soll Angaben über die Messplanung, das Ergebnis jeder Einzelmessung, das verwendete Messverfahren und die Betriebsbedingungen, die für die Beurteilung der Einzelwerte und der Messergebnisse von Bedeutung sind, enthalten. Hierzu gehören auch Angaben über Brenn- und Einsatzstoffe sowie über den Betriebszustand der Anlage und der Einrichtungen zur Emissionsminderung; er soll dem Anhang B der Richtlinie VDI 4220 (Ausgabe September 1999) entsprechen. Abs. 2: Im Falle von erstmaligen Messungen nach Errichtung, von Messungen nach wesentlicher Änderung oder von wiederkehrenden Messungen sind die Anforderungen jedenfalls dann eingehalten, wenn das Ergebnis jeder Einzelmessung zuzüglich der Messunsicherheit die im Genehmigungsbescheid festgelegte Emissionsbegrenzung nicht überschreitet. Abs. 3: Sollten durch nachträgliche Anordnungen, die auf der Ermittlung von Emissionen beruhen, zusätzliche Emissionsminderungsmaßnahmen gefordert werden, ist die Messunsicherheit zugunsten des Betreibers zu berücksichtigen. Abs. 4: Eine Überprüfung, ob das Messverfahren, besonders im Hinblick auf seine Messunsicherheit, dem Stand der Messtechnik entspricht, ist für den Fall notwendig, dass das Messergebnis zuzüglich der Messunsicherheit die festgelegte Emissionsbegrenzung nicht einhält. Im Falle einer Überschreitung werden weitere Ermittlungen (z. B. Prüfung der anlagenspezifischen Ursachen) notwendig.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Im August 2004 wurde im Rahmen eines Fachgesprächs des LUA Sachsen-Anhalt hierzu ein Antwortvorschlag formuliert.531 Das LUA Sachsen führte aus, dass bei der 30. BImSchV die Berücksichtigung der Messunsicherheit im Sinne der Nr. 5.3.4.2 der TA Luft formal zu behandeln sei, auch wenn im Rahmen der 30. BImSchV größere Messunsicherheiten vorliegen sollten. Das LUA wies zudem darauf hin, dass Nr. 5.3.2.4 Abs. 2 TA Luft nicht zwischen Altanlagen und Neuanlagen unterscheide und die Beurteilung für erstmalige oder wiederkehrende Messungen gleich durchzuführen sei.532 Dieses Beurteilungsschema der TA Luft gelte auch für Anlagen der 30. BImSchV. Überschreite bei einer Anlage der Messwert zuzüglich der Messunsicherheit die festgelegte Emissionsbegrenzung, habe die Behörde nach Nr. 5.3.2.4 Abs. 4 TA Luft zu prüfen, ob das richtige Messverfahren angewandt worden sei. Sei dies der Fall, sollten anlagenspezifische Ursachen ermittelt werden. Das LUA formulierte auf dieser Grundlage eine allgemeine Aussage, nach der es – die Anwendung des Standes der Messtechnik vorausgesetzt – zu einer Überschreitung kommen könnte, deren Behebung allerdings nur durch zusätzliche Emissionsminderungsmaßnahmen i. S. d. Nr. 5.3.2.4 Abs. 3 TA Luft erreicht werden könnte; in diesem Fall sei auch die Messunsicherheit im Sinne dieses einschlägigen Absatzes, also zugunsten des Betreibers, zu beurteilen. Als Ergebnis der 109. Sitzung des UA Luft / Technik im LAI im Februar 2005 wurde festgehalten, dass für die Berücksichtigung der Messunsicherheit bei Anlagen nach der 30. BImSchV im Sinne von Nr. 5.3.2.4 Abs. 2 TA Luft zu verfahren sei und schloss sich den oben genannten Vorschlägen des LUA an. Im Ergebnis wird daher die Messunsicherheit nur zugunsten des Anlagenbetreibers berücksichtigt, soweit durch nachträgliche Anordnungen, die auf der Ermittlung von Emissionen beruhen, zusätzliche Emissionsminderungsmaßnahmen gefordert werden. Diese Situation ist nicht mit den nach Nr. 6 TA Luft vorgeschriebenen Anforderungen an Altanlagen zu verwechseln. Im Genehmigungsverfahren sowie bei der Überprüfung der Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen bei einmaligen und wiederkehrenden Messungen muss hingegen das Ergebnis jeder Einzelmessung zuzüglich der Messunsicherheit die im Genehmigungsbescheid (bzw. in § 6 Nr. 4 30. BImSchV) festgelegte Emissionsbegrenzung einhalten.

531 Ergebnisprotokoll 14. Fachgespräch „Prüfberichte“ im LUA Sachsen-Anhalt, Halle, durchgeführt in Berlin am 09. 08. 2004. 532 Das grundsätzlich Problem der unterschiedlichen Behandlung von Altanlagen und Neuanlagen ergab sich daraus, dass eine Regelung darüber getroffen werden musste, auf welchem Wege sichergestellt werden sollte, dass Altanlagen (bestehende Anlagen) die Anforderungen der novellierten TA Luft erfüllten. Altanlagen sind in Nr. 2.10 TA Luft geregelt. Danach sind Altanlagen zum Beispiel solche Anlagen, für die am 01. 10. 2002 eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb nach § 6 oder § 16 BImSchG erteilt ist. In Nr. 6 TA Luft wird der Umgang mit bestehenden Anlagen geregelt.

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bb) Weitere Verordnungen über Anlagenarten mit geruchsintensiven Produktionsabläufen Außer in der 30. BImSchV wird der Begriff „Geruch“ noch in der Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe (17. BImSchV) erwähnt. Deren Anwendungsbereich umfasst solche Anlagen, in denen feste, flüssige oder in Behältern gefasste gasförmige Abfälle oder ähnliche feste oder flüssige brennbare Stoffe eingesetzt werden, soweit sie nach § 4 BImSchG i.V. d. der 4 BImSchV genehmigungsbedürftig sind, vgl. § 1 Abs. 1 17. BImSchV. Die 17. BImSchV enthält Anforderungen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BImSchG bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlagen unter anderem zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu erfüllen sind, vgl. § 1 Abs. 5 17. BImSchV. Nach § 3 Abs. 1 17. BImSchV sind Verbrennungsanlagen für feste Abfälle oder feste Stoffe nach § 1 Abs. 1 17. BImSchV mit einem Bunker auszurüsten, der mit einer Absaugung ausgerüstet ist und dessen abgesaugte Luft der Feuerung zuzuführen ist. In § 19 Abs. 2 17. BImSchV ist in Bezug hierauf eine Ausnahmeregelung vorgesehen. Die Behörde kann Verbrennungsanlagen ohne Abfallbunker oder eine teilweise offene Bunkerbauweise in Verbindung mit einer gezielten Luftabsaugung zulassen, wenn durch bauliche oder betriebliche Maßnahmen oder auf Grund der Beschaffenheit der Abfälle oder Stoffe nach § 1 Abs. 1 17. BImSchV die Entstehung von Staub- oder Geruchsemissionen möglichst gering gehalten wird. Weitergehende Aussagen dazu, wann von einer geringen Entstehung von Geruchsemissionen auszugehen ist, enthält die 17. BImSchV nicht. Auch im Übrigen werden keine weiteren Aussagen zu Geruchsemissionen getroffen.

e) Zwischenergebnis In § 7 Abs. 1 BImSchG wird die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass die Errichtung, die Beschaffenheit, der Betrieb, der Zustand nach Betriebseinstellung und die betreibereigene Überwachung genehmigungsbedürftiger Anlagen zur Erfüllung der sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten bestimmten Anforderungen genügen müssen. Parallelermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen für die Errichtung und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen sind enthalten in den §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 23 BImSchG. In Bezug auf die Anforderungen an Anlagen hinsichtlich Geruchsemissionen hat der Verordnunggeber bisher nur einmal von der Ermächtigung in § 7 Abs. 1 BImSchG Gebrauch gemacht, und zwar für Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen. Die 30. BImSchV legt einen Emissionsgrenzwert für Geruch fest, der beim Betrieb der Anlage einzuhalten ist. Die 30. BImSchV weist eine relativ große Regelungstiefe in Bezug auf die technischen Anforderungen an Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen auf. Allerdings haben sich auch bei ihrer

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Anwendung die Schwierigkeiten und Ungenauigkeiten des olfaktometrischen Messverfahrens gezeigt. Die in diesem Punkt in der Vergangenheit aufgetretenen Probleme werden anhand der Regelungen zur Messung von Emissionen aus der TA Luft gelöst. Dementsprechend kommt auch die 30. BImSchV nicht ohne den Rückgriff auf andere technische Regelwerke aus. Obwohl die Rechtsverordnung sich in der Vergangenheit als akzeptiertes und bewährtes Instrument erwiesen hat, hat es – soweit ersichtlich – keine Anstrengungen gegeben, ein System zur Bewertung von Geruch in dieser Form zu erlassen. Die Rechtsverordnung scheint nach dem Willen des Gesetzgebers hierfür auch nicht die adäquate Regelungsform zu sein. Eine Rechtsverordnung könnte zwar die im Rahmen der Geruchsbewertung stets diskutierte Frage nach der Verbindlichkeit der vorliegenden Regelwerke lösen. Da Rechtsverordnungen Staatsgewalt und Bürger gleichermaßen berechtigen und verpflichten, könnte auf diesem Wege ein bundesweit verbindliches System zur Bewertung von Geruch im Immissionsschutz geschaffen werden. Wie die nicht abschließende, beispielhafte Aufzählung in § 7 Abs. 1 Satz 1 BImSchG gerade im Vergleich zur Aufzählung in § 48 Abs. 1 BImSchG zeigt, sind Immissionswerte aber vorzugsweise in Verwaltungsvorschriften und nicht in Rechtsverordnungen festzulegen. Im Immissionsschutzrecht erfüllen Rechtsverordnungen primär die Funktion der Konkretisierung der Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG und dienen damit der Festlegung von Emissionsminderungsmaßnahmen und ggf. Emissionsgrenz- oder -richtwerten. Anders würde sich die Situation vermutlich erst dann darstellen, wenn auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts allgemeine Vorgaben zur Bewertung von Geruch(-simmissionen) ergehen würden. Im Hinblick auf die vom EuGH in der Vergangenheit geäußerten Zweifel an der Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Verwaltungsvorschriften533 könnte dann die Notwendigkeit bestehen, ein Gesamtsystem zur Geruchsbewertung in Form einer Rechtsverordnung zu erlassen. Von der Gemeinschaft sind in Bezug auf Geruch bisher jedoch noch keine expliziten Regelungen getroffen worden. Somit bestand zumindest aus Sicht einer den Anforderungen an die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht genügenden Wahl der Regelungsform nicht die Notwendigkeit, eine generelle Regelung für die Bewertung von Geruch in Form einer Rechtsverordnung zu schaffen. 3. Landesrechtliche Regelungen a) Landes-Immissionsschutzgesetze aa) Regelungsbereich landesrechtlicher Immissionsschutzgesetze in Abgrenzung zum BImSchG Inwieweit die Länder überhaupt eigene Regelungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen treffen können, hängt von 533

Dazu unten D. IV. 1.

III. Nationales Recht

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ihrer Gesetzgebungskompetenz ab. Der Bund verfügt im Bereich der Luftreinhaltung und des Lärmschutzes über eine grundsätzlich umfassende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG, die auch nichttechnische Einrichtungen umfasst und von der der Bund bei Erlass des BImSchG Gebrauch gemacht hat.534 Den Ländern sind in diesen Bereichen eigene Regelungen somit verwehrt, Art. 31 GG. Von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausgenommen ist lediglich der Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm. Dabei unterscheidet man diejenigen Pflichten von „bloßen“ Anlagenbenutzern, die dem verhaltensbezogenen Lärm anzurechnen sind (Bsp.: Benutzer von Sport- und Freizeiteinrichtungen, sozialen Einrichtungen), und diejenigen Pflichten der Anlagenbetreiber, die unmittelbar mit dem Anlagenbetrieb in Zusammenhang stehen und daher von der Ausnahme nicht umfasst sind.535 Für die Länder verbleibt somit ein Regelungsbereich in Bezug auf den Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm.536 Für sonstige Immissionen (Erschütterungen, Licht, Wärme etc.) besitzt der Bund in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, soweit es um Anlagen im gewerblichen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmungen geht.537 Dieser Titel ist auch bedeutsam, soweit es um den (nicht immissionsbezogenen Störfallschutz) geht, allerdings auch dies nur, soweit es Anlagen in gewerblichen oder sonstigen wirtschaftlichen Unternehmungen betrifft.538 Den Ländern verbleiben im Bereich des Immissionsschutzes daher nur einige wenige Bereiche für eigenständige Regelungen. Das ist zum einen menschliches Verhalten, soweit schädliche Umwelteinwirkungen aufgrund menschlichen Fehlverhaltens verursacht werden (Bsp.: Betrieb einer übermäßig laut gestellten Stereoanlage (verhaltensbezogener Lärm)); zum anderen handelt es sich um den Bereich, in dem das BImSchG im Einzelfall landesrechtliche Regelungen ausdrücklich zulässt (§ 22 Abs. 2, § 23 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 49 BImSchG). Für die Errichtung und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen können die Länder gemäß § 22 Abs. 2 BImSchG weiterreichende oder konkretere Anforderungen treffen, sofern nicht eine Rechtsverordnung gemäß § 23 Abs. 1 BImSchG eine entsprechende Regelung mit abschließendem Charakter enthält.539 Zum dritten betrifft dies den Bereich zur Störfallsicherheit sowie zur Vermeidung von Störfallauswirkungen, soweit Anlagen nicht im Rahmen von wirtschaftlichen Unternehmungen oder Gewerbebetrieben verwendet werden.540 Vgl. Jarass, BImSchG, Einl Rn. 41. Vgl. Jarass, BImSchG, Einl Rn. 41. 536 Inwieweit es dem Bundesgesetzgeber gelungen ist, das materielle Immissionsschutzrecht umfassend zu regeln und in welchen Bereichen für die Länder gleichwohl eigene Regelungsbereiche geblieben sind (insbesondere für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sowie für den Bereich des nicht anlagenbezogenen Immissionsschutzes) beschreibt Jarass, BImSchG, Einl Rn. 44 f. 537 Vgl. Jarass, BImSchG, Einl Rn. 41. 538 Vgl. Jarass, BImSchG, Einl Rn. 41. 539 Jarass, BImSchG, Einl Rn. 46. 534 535

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

bb) Geruch als Regelungsobjekt der Landes-Immissionsschutzgesetze? Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Länder lediglich in Bezug auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen eigenständige Regelungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen treffen könnten. Soweit die Bundesländer überhaupt Immissionsschutzgesetze erlassen haben541, nehmen diese entweder auf die für die Geruchsbewertung erheblichen Normen des BImSchG Bezug542 oder übernehmen diese im Wortlaut (dies betrifft insbesondere den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen).543 Besondere, darüber hinaus gehende Regelungen zur Geruchsbewertung sind in den Landesimmissionsschutzgesetzen nicht enthalten. Schwerpunkt der landesrechtlichen Immissionsschutzgesetzgebung ist vielmehr der Umgang mit Lärmimmissionen, die durch verhaltensbezogenen Lärm ausgelöst werden.544 Aus der Landesgesetzgebung im Immissionsschutzrecht ergeben sich daher keine weiteren Kriterien zur Bewertung von Geruch (in Bezug auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen).

b) Sonstige Regelungen auf Länderebene zur Bewertung von und zum Umgang mit Geruch Wenngleich die Landesimmissionsschutzgesetze keine über das BImSchG hinausgehenden Aussagen zur Bewertung von und zum Umgang mit Geruchsimmissionen treffen, so ist auf Landesebene gleichwohl eine Vielzahl an untergesetzlichen Regelwerken, Handlungsanweisungen oder bloßen Empfehlungen und Informationsblättern entstanden, die den Umgang mit Geruchsemissionen und -immissionen zum Gegenstand haben. Dabei handelt es sich soweit ersichtlich um nicht verbindliche Regelwerke, die die Länder jeweils in Eigenregie entwickelt haben und die lediglich als Beurteilungshilfen zur Anwendung kommen. Im Folgenden werden beispielhaft eine Regelung aus dem Freistaat Sachsen sowie eine Regelung aus Niedersachsen umrissen.

540 Vgl. Wasielewski / Chotjewitz / Sander, Immissionsschutzrecht in Brandenburg, S. 15 f.; vgl. auch Jarass, BImSchG, Einl Rn. 41a. 541 Landesimmissionsschutzgesetze haben bisher erlassen: Rheinland-Pfalz, Bayern und Nordrhein-Westfalen, vgl. dazu die Nachweise bei Wasielewski / Chotjewitz / Sander, Immissionsschutzrecht in Brandenburg, S. 13 f., sowie Berlin, Landesimmissionsschutzgesetz vom 05. 12. 2005, GVBl. S. 735, und Brandenburg, Landesimmissionsschutzgesetz v. 22. 07. 1999, GVBl. I S. 386. 542 Z. B. § 1 Abs. 2 LImSchG Bln; indirekt in Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 BayImSchG; § 2 LImSchG NRW. 543 § 2 LImSchG RhPf. 544 Vgl. z. B. §§ 4 bis 12 LImSchG RhPf; §§ 3 bis 7 LImSchG Bln.

III. Nationales Recht

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aa) Freistaat Sachsen: Immissionsschutzrechtliche Regelung – Rinderanlagen – Im Freistaat Sachsen ist eine immissionsschutzrechtliche Regelung zum Umgang mit Rinderanlagen herausgegeben worden.545 In Ermangelung anderer gesetzlicher oder untergesetzlicher Regelungen zum Umgang mit Geruchsemissionen und -immissionen aus der Rinderhaltung546 ist zunächst im Zuge der mit dem Artikelgesetz eingeführten Genehmigungspflichtigkeit von Rinderhaltungen ab einer bestimmten Größe im Jahre 2005 ein Beurteilungsleitfaden herausgegeben worden, der 2008 in einer überarbeiteten Version erschienen ist. Anhand dieses Leitfadens können sowohl genehmigungsbedürftige als auch nicht genehmigungsbedürftige Rinderanlagen beurteilt werden.547 Die einzelnen Regelungen orientieren sich dabei an der Systematik der Nr. 5.4.7.1 TA Luft, die Sonderregelungen für die Schweine- und die Geflügelhaltung trifft, wie zum Beispiel eine Abstandsregelung zwischen Anlage und Wohnbebauung. Eine solche Abstandsregelung zwischen Rinderhaltungsanlagen und der nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung enthält auch die sächsische Regelung zur Rinderhaltung.548 Darüber hinaus umfasst sie Angaben zur Technik der Rinderhaltung, wie die Ausgestaltung der Ställe, den Vorgang der Fütterung, Vorgaben zur Lüftung sowie Vorgaben zur Entmistung.549 bb) Landkreis Cloppenburg: Leitfaden zur Eignungsprüfung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung Im Auftrag des Landkreises Cloppenburg ist im Jahre 2002 ein Leitfaden zur Feststellung der Eignung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung zur Anwendung in der Genehmigungspraxis und bei der Überwachung entwickelt wor545 Vgl. SMUL Sachsen (Hrsg.), Immissionsschutzrechtliche Regelung, – Rinderanlagen –, März 2008; abrufbar unter http: //www.umwelt.sachsen.de/umwelt/download/luft/Rinderrege lung_05 – 2008.pdf; zuvor hatte es eine entsprechende Regelung vom März 2005 gegeben. Aufgrund des Gesetzes zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23. 10. 2007 (BGBl. I S. 2470) wurden unter anderem die Platzzahlen bei Rinderställen, die einer Genehmigungspflicht unterliegen, von 250 auf 600 Rinderplätze heraufgesetzt. Dies war Anlass für das Sächsische Umweltministerium, die Regelung zu überarbeiten. 546 Wie noch gezeigt wird, existieren Sonderregelungen zum Umgang mit Gerüchen aus der Tierhaltung bisher lediglich für die Schweine- sowie für die Geflügelhaltung, vgl. Nr. 5.4.7.1 TA Luft, sowie die VDI-RL 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine und 3472 Emissionsminderung Tierhaltung – Hühner. 547 Vgl. SMUL Sachsen (Hrsg.), Immissionsschutzrechtliche Regelung, – Rinderanlagen –, S. 5. 548 Vgl. SMUL Sachsen (Hrsg.), Immissionsschutzrechtliche Regelung, – Rinderanlagen –, S. 28 ff. 549 Vgl. SMUL Sachsen (Hrsg.), Immissionsschutzrechtliche Regelung, – Rinderanlagen –, S. 5 ff.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

den.550 Veranlassung für die Entwicklung dieses Leitfadens war die Absicht des Landkreises Cloppenburg, im Interesse des Umwelt- und Immissionsschutzes den Einsatz von bewährten Abluftreinigungsanlagen und funktionstüchtigen Kombinationssystemen im Genehmigungsverfahren zuzulassen. Damit sollten gleichzeitig die Voraussetzungen für ein qualitatives Wachstum in der Landwirtschaft auf den vorhandenen Standorten ermöglicht und einer weiteren Zersiedlung des Außenbereiches entgegengewirkt werden.551 Der Leitfaden weist darauf hin, dass Abluftreinigungsanlagen für die Tierhaltung inzwischen zwar einen hohen technischen Standard erreicht haben, jedoch nicht zum Stand der Technik des Produktionsverfahrens der tierischen Veredelung in der Landwirtschaft gehören. Soweit die festgesetzten Immissionsgrenzwerte (z. B. nach der GIRL) und / oder Abstandsregelungen nach der TA Luft eingehalten werden, können Abluftreinigungsanlagen daher auch bei genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 4 BImSchG nicht generell (als zusätzliche Vorsorgemaßnahme) gefordert werden. Gleichwohl existiere der Stand der Technik für die Anwendung von Abluftreinigungsanlagen in der Landwirtschaft. Ihn gelte es zur Erreichung der im Leitfaden festgelegten Ziele zu bestimmen.552 Der Leitfaden beschreibt die verschiedenen, zur Verfügung stehenden Abluftreinigungsmethoden und gibt eine Anleitung zur Bewertung von Abluftreinigungssystemen.553 Darüber hinaus beschreibt der Leitfaden die einzelnen Schritte des Zulassungsverfahrens für Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung und gibt Vorgaben für die Abnahmemessung und die Überwachung der Abluftreinigungsanlagen im Betrieb.554

c) Zwischenergebnis Den Ländern bleiben auf Gesetzgebungsebene neben dem BImSchG nur einzelne Bereiche zur eigenständigen Regelung. Im Hinblick auf die im BImSchG relevanten Regelungen zur Bewertung von Geruch verweisen die Landesimmissionsschutzgesetze auf diese oder übernehmen deren Wortlaut. Eigenständige Regelungen zur Bewertung von Geruch enthalten die LImSchG nicht. Dennoch ist auf Länderebene eine Vielzahl an untergesetzlichen Regelwerken entstanden, die den Umgang mit und die Bewertung von Geruch zum Gegenstand haben. Regelungen betreffen zum Beispiel die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Rinderhaltung oder Anforderungen an Abluftreinigungsanlagen, die in der Tierhaltung zum Einsatz kommen. Diese Regelwerke, Handlungsanweisungen oder Informati550 Vgl. Hahne / Schirz / Schumacher, Leitfaden des Landkreises Cloppenburg zu Feststellung der Eignung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung zur Anwendung in der Genehmigungspraxis und bei der Überwachung vom 14. 06. 2002. 551 Vgl. Hahne / Schirz / Schumacher, Leitfaden des Landkreises Cloppenburg, S. 1. 552 Vgl. Hahne / Schirz / Schumacher, Leitfaden des Landkreises Cloppenburg, S. 1. 553 Vgl. Hahne / Schirz / Schumacher, Leitfaden des Landkreises Cloppenburg, S. 1 ff., 4 ff. 554 Vgl. Hahne / Schirz / Schumacher, Leitfaden des Landkreises Cloppenburg, S. 5 ff., 9 ff.

IV. Verwaltungsvorschriften

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onsblätter entwickeln die Länder jeweils in Eigenregie und ausschließlich für die eigenen Immissionsschutz- bzw. Überwachungsbehörden. Eine generelle und verbindliche Konkretisierung, aus der hervorgeht, wann Geruchsimmissionen erheblich und damit schädliche Umwelteinwirkungen sind, stellen sie gleichwohl nicht dar.

IV. Verwaltungsvorschriften 1. Verwaltungsvorschriften zur Bewertung von Geruch Verwaltungsvorschriften nehmen eine wesentliche Rolle für die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht ein. Dabei sind zwei Verwaltungsvorschriften besonders hervorzuheben. Dies ist zum einen die TA Luft555. Sie enthält zwar keine Konkretisierungen der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in Bezug auf Geruchsimmissionen, regelt aber Anforderungen an die Vorsorge vor Geruchsimmissionen und konkretisiert damit die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG (vgl. Nr. 1 Abs. 3 TA Luft). Zum anderen ist die GIRL hervorzuheben, die jedoch nur in denjenigen Bundesländern den Rechtscharakter einer Verwaltungsvorschrift hat, in denen sie auf dem Erlasswege eingeführt worden ist und aus diesem Grunde dort die Verwaltung bei ihren Entscheidungen über die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen bindet. Auf die GIRL und ihre Bindungswirkung im Einzelnen wird im nachfolgenden Abschnitt E. eingegangen. Dieser Abschnitt ist der rechtlichen Verankerung der TA Luft im BImSchG und den in der TA Luft enthaltenen Regelungen zur Vorsorge vor Geruchsimmissionen gewidmet. 2. Grundlagen a) Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften (§ 48 BImSchG) In § 48 Abs. 1 BImSchG wird die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51 BImSchG) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung des BImSchG und der auf Grund des BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Das Gesetz enthält eine nicht abschließende Aufzählung darüber, was in Verwaltungsvorschriften geregelt werden kann.556 Dazu gehören Immissionswerte, die zu dem in § 1 BImSchG genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG), Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Tech555 Eine erste Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft als allgemeine Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 GewO a.F. hat die Bundesregierung am 08. 09. 1964 (GMBl. S. 433) erlassen. Danach hat es Novellierungen der TA Luft 1974, 1983, 1986 und schließlich 2002 gegeben; vgl. zur Geschichte der TA Luft Hansmann, TA Luft, Vorb. Rn. 11. Im Folgenden werden die Regelungen der TA Luft 2002 erörtert. 556 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 5.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

nik vermeidbar ist (Nr. 2), das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen (Nr. 3) sowie die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2 oder 3 BImSchG vorgesehen werden können, insbesondere unter Berücksichtigung der dort genannten Voraussetzungen (Nr. 4). Insgesamt ist es wesentliche Aufgabe entsprechender Verwaltungsvorschriften, die schwierigen Auslegungsfragen, die das BImSchG sowie die darauf gestützten BImSchV aufwerfen, zu reduzieren.557 Darüber hinaus dienen sie der Ausfüllung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen, um insoweit für ein einheitliches Vorgehen der Verwaltung zu sorgen.558 Die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften folgt aus Art. 84 Abs. 2 GG. Insofern bräuchte es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage im BImSchG nicht. Allerdings schreibt § 48 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zusätzlich zu der von Art. 84 Abs. 2 GG geforderten Zustimmung des Bundesrates die Anhörung der beteiligten Kreise gemäß § 51 BImSchG vor. Nach § 51 BImSchG ist ein jeweils auszuwählender Kreis von Vertretern der Wissenschaft, der Betroffenen, der beteiligten Wirtschaft, des beteiligten Verkehrswesens und der für den Immissionsschutz zuständigen Obersten Landesbehörden zu hören, soweit Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften die Anhörung der beteiligten Kreise vorschreiben. Die Einbeziehung der beteiligten Kreise in die Entstehung von Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG hat einen besonderen Grund. Soweit in Verwaltungsvorschriften Grenzwerte festgesetzt werden, geschieht dies vielfach unter Heranziehung verwaltungsfremden Sachverstands. Dabei kann es auch vorkommen, dass Hoheitsträger die von sachverständigen Privaten erstellten Grenzwerte schlicht übernehmen und in staatliches Recht transformieren. Die Grenzwertfestsetzung ist jedoch nicht allein eine Angelegenheit wissenschaftlich-technischen Sachverstands. Sie ist auch eine politische Bewertungsfrage. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber für umweltrechtliche Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage des § 48 BImSchG die Anhörung beteiligter Kreise vorgeschrieben559, um allen von der Grenzwertfestsetzung Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Anhörung dient dabei zum einen in der besseren Information des betreffenden Normgebers. Zum anderen soll die Vorschrift aber auch günstige Auswirkungen für die in § 51 BImSchG genannten Kreise, insbesondere für die Gruppe der Betroffenen, haben.560 Die Anhörung der beteiligten Kreise in Kombination mit der zwingenden Beteiligung des Bundesrates soll zudem verfahrensmäßige Legitimationsdefizite abbauen und die Akzeptanz der Regelungen insgesamt fördern.561 557 Vgl. Schröder, in: Hill (Hrsg.), Verwaltungsvorschriften, S. 1; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 155. 558 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 1. 559 Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 211. 560 Vgl. Jarass, BImSchG, § 51 Rn. 1. 561 Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 211.

IV. Verwaltungsvorschriften

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Die Form der Anhörung der beteiligten Kreise ist nicht festgelegt. Sie kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Auch in der Auswertung der Anhörung ist der Normgeber frei. Er darf die Resultate der Anhörung jedoch nicht vollständig ignorieren.562 Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sind bei der Festlegung der Anforderungen insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten. Auf diesem Wege findet der integrative Gedanke des gemeinschaftsrechtlichen Umweltschutzes auch Eingang in nationale Verwaltungsvorschriften.563

b) Die Entstehung von Verwaltungsvorschriften in der Praxis – wie transparent und nachvollziehbar ist das Verfahren? Das Grundgesetz gibt ebenso wie das BImSchG nur ganz allgemein vor, in welchem Verfahren Verwaltungsvorschriften zu erlassen sind. Während Art. 84 Abs. 2 GG vorsieht, dass die Bundesregierung allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates erlassen kann, verlangt § 48 Abs. 1 BImSchG darüber hinaus die Anhörung der beteiligten Kreise, wobei das Gesetz in § 51 BImSchG weiter präzisiert, was darunter zu verstehen ist. Zum eigentlichen Verfahren oder zur Vorbereitung des Erlasses einer Verwaltungsvorschrift treffen die Regelungen jedoch keine Aussage. So kann die Anhörung sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen.564 In diesem Zusammenhang treten verschiedene Fragen zur Entstehung von Verwaltungsvorschriften auf, die sich im Übrigen auch im Rahmen anderer Formen von Regelwerken zur Konkretisierung des BImSchG stellen. Dies ist zunächst die Überlegung, auf welchem Wege Verwaltungsvorschriften überhaupt zustande kommen. So können zum Beispiel Grenzwerte in Verwaltungsvorschriften sowohl von der Verwaltung selbst als auch von besonderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von privatrechtlichen Organisationen entwickelt werden. Dabei kann es vorkommen, dass Hoheitsträger verwaltungsfremden Sachverstand heranziehen oder aber die von sachverständigen Privaten erstellten Regelungen schlicht übernehmen und in staatliches Recht, wie zum Beispiel in Verwaltungsvorschriften, 562 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 3; vgl. allgemein zur Festsetzung von Immissionsgrenzwerten und zum Verfahren der Grenzwertfindung Hansmann, in: FS Sendler, S. 285, 296 ff. 563 Vgl. Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des Artikelgesetzes, BT-Drs. 14 / 4599, S. 129 f.; siehe auch die Veröffentlichung des Bundesumweltministeriums „Allgemeine Verwaltungsvorschriften (VwV) zum Bundesimmissionsschutzgesetz“, S. 4, die auf den Internetseiten des BMU abrufbar ist, http: //www.bundesumweltministerium.de/luftrein haltung/downloads/doc/36056.php. Dort heißt es, dass bei der Festlegung der Anforderungen zur Luftreinhaltung ein besonderes Augenmerk auf die Zusammenhänge mit anderen Bereichen gelegt worden ist; vgl. dazu auch Hansmann, ZUR 2002, 19, 23 f. 564 Vgl. Jarass, BImSchG, § 51 Rn. 3.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

transformieren.565 Daher stellt sich auch das Problem, welche Institutionen oder Personen im Einzelnen als sachverständige Private für die Verwaltung tätig werden. Eine weitere Frage stellt sich hinsichtlich der eigentlichen Grenzwertfindung. Der Vorgang der Entstehung einer Verwaltungsvorschrift ist – bis auf einige übergeordnete Punkte – aber nicht vorgeschrieben. Dies gilt gleichfalls für die Vorbereitung zur Entwicklung einer Verwaltungsvorschrift. Im Zusammenhang mit der Problematik der Festsetzung von Immissionsgrenzwerten hat Hansmann566 kritisiert, dass zwar der Entscheidungsvorgang bei einer staatlichen Grenzwertfestsetzung durch die Form der Entscheidung vorgegeben und auch für Verwaltungsvorschriften ein entsprechender Entscheidungsvorgang vorgeschrieben sei. Gar nicht oder nur rudimentär sei jedoch vorgegeben, wie die Grenzwertfestsetzung vorbereitet werde, welche Erkenntnisquellen auszuschöpfen seien, welche Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssten und wie sie zu gewichten und zu bewerten seien. Die Transparenz des Verfahrens habe entscheidende Bedeutung für die Akzeptanz der Werte durch die von ihrer Anwendung Betroffenen. Hansmann567 fordert insoweit ein Tätigwerden des Gesetzgebers und schlägt beispielsweise vor, gesetzliche Vorschriften zu entwickeln über notwendige Untersuchungen durch bestimmte Einrichtungen, die Einholung von Gutachten durch Sachverständige mit einer bestimmten Qualifikation, die Durchführung eines wissenschaftlichen Kolloquiums unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lehrmeinungen und die Beteiligung bestimmter sachkundiger Interessenvertreter zur Überprüfung der Praktikabilität. Die vorgenannten Überlegungen beziehen sich zwar auf Immissionsgrenzwerte, sie dürften jedoch für den Erlass von Werten in Verwaltungsvorschriften insgesamt, also auch für Emissionsgrenzwerte, gelten. Denn für den Anlagenbetreiber haben letztere eine ebenso hohe Bedeutung wie Immissionsgrenzwerte. Über die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage entscheidet auch die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten. Aus diesem Grunde ist es wünschenswert, den Weg der Festsetzung dieser Werte ebenso nachvollziehen zu können. Regelungen zum Verfahren der Grenzwertfestsetzung sind bisher nicht erlassen worden.568 Es ist daher derzeit nicht davon auszugehen, dass entsprechende Regelungen in nächster Zukunft erlassen werden. Die vorangegangenen Überlegungen sind zum einen für die Entstehung und die Akzeptanz der Emissionsgrenzwerte für Geruchsstoffe in der TA Luft von Bedeutung. Besondere Relevanz erhalten sie zum anderen im Rahmen der Geruchsimmissions-Richtlinie, worauf noch eingegangen wird.

Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 210 f. Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285, 301. 567 Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285, 301; ähnlich kritisch äußern sich auch Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205 ff., 210 f., in Bezug auf die Entstehung der Geruchsimmissions-Richtlinie. 568 Auch der Entwurf eines UGBE Teil I vom 19. 11. 2007 – das allerdings vorerst gescheitert ist – sieht in dieser Hinsicht keine besondere Regelung vor (vgl. § 46 UGBE Teil I). 565 566

IV. Verwaltungsvorschriften

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c) Rechtscharakter und Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften Die Wirkung von Verwaltungsvorschriften ist in der Regel auf den Innenbereich der Verwaltung beschränkt.569 Verwaltungsvorschriften sind Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergehen.570 Sie entfalten daher regelmäßig keine Bindungswirkung für Dritte, allerdings sind Ausnahmen von diesem Grundsatz möglich. Verwaltungsvorschriften dienen dazu, Organisation und Handeln der Verwaltung näher festzulegen.571 Man unterscheidet zwei Typen von Verwaltungsvorschriften: die Verwaltungsvorschriften mit organisatorischem Inhalt, die den Aufbau, die innere Ordnung, Zuständigkeit und Verfahren der Behörden regeln, und verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften, die das Handeln der Behörden regeln.572 Vorliegend interessieren ausschließlich letztere. Bei den verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften sind wiederum verschiedene Typen zu unterscheiden. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften klären rechtliche Zweifelsfragen bei der Anwendung von Normen. Sie entlasten die das Recht anwendenden Bediensteten und tragen damit zur Rationalisierung der Verwaltungsarbeit und Vereinheitlichung der Rechtsanwendung bei. Zu den verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften gehören darüber hinaus Ermessensrichtlinien, die Entscheidungsmaßstäbe bzw. Entscheidungsmuster für eine Ausübung des Verwaltungsermessens liefern und dadurch ebenfalls für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgen. Außerdem gehören auch Vereinfachungsanweisungen dazu, die – allgemein gesprochen – die Komplexität einer Rechtsmaterie reduzieren sollen, zum Beispiel durch Pauschalierungen.573 Von den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften sind die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften zu unterscheiden, die das Bundesverwaltungsgericht zuerst in seiner Rechtsprechung zum Atomrecht entwickelt hat.574 In dem entschiedenen Fall, der auch als Wyhl-Urteil bezeichnet wird, ging es um Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung des Standards „Stand von Wissenschaft und Technik“ auf dem Sachgebiet des Atomrechts. Das Bundesverwaltungsgericht attestierte den betreffenden Verwaltungsvorschriften eine normkonkretisierende 569 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 151; Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 212. 570 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 151; Stober / Kluth, Verwaltungsrecht I, § 24 Rn. 19. 571 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 152; Schröder bezeichnet Verwaltungsvorschriften mit der Faust-Formel, sie seien das, was die Verwaltungswelt im Innersten zusammenhält, vgl. Schröder, in: Hill (Hrsg.), Verwaltungsvorschriften, S. 1. 572 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 153, 154; Stober / Kluth, Verwaltungsrecht I, § 24 Rn. 21, 22. 573 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 154. 574 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985, Az.: 7 C 65.82, BVerwGE 72, S. 300, 315 ff.

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Funktion und führte aus, dass sie für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich seien.575 Mit dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht zugleich teilweise von seiner zuvor vertretenen Auffassung576 verabschiedet, Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung technischer Standards stellten antizipierte Sachverständigengutachten dar.577 Damit hatte die Rechtsprechung bereits früher versucht, Verwaltungsvorschriften eine über die Verwaltung hinausgehende Bindungswirkung beizumessen. Infolge der Entwicklung der Kategorie der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im Wyhl-Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht später noch eingehender präzisiert, unter welchen Bedingungen es eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften anerkennt.578 Das Bundesverwaltungsgericht erkennt normkonkretisierende Vorschriften nur im Bereich des Umwelt- und Technikrechts an. Weitere Voraussetzungen für die Anerkennung sind, dass die Verwaltungsvorschriften höherrangige Gebote beachten, dass sie die im Gesetz getroffenen Wertungen berücksichtigen, dass sie in einem sorgfältigen Verfahren unter Einbeziehung des wissenschaftlichen und technischen Sachverstands erarbeitet werden und dass sie nicht durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind.579 Normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, die die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen, kommt damit unmittelbare Außenwirkung zu. Der Umfang der gerichtlichen Kontrolle der Verwaltungsentscheidungen, die sich auf entsprechende normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften stützen, ist reduziert. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften haben darüber hinaus auch die Funktion, Beurteilungsspielräume der Verwaltung auszufüllen. Zur Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Tatbestand einer Norm sowie zum daraus möglicherweise resultierenden Beurteilungsspielraum der Verwaltung ist oben ausgeführt worden, dass der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum nur in einigen wenigen Ausnahmefällen zugestanden wird. Soweit der Verwaltung im Gesetz aber ein Beurteilungsspielraum für ihre Entscheidungen zugestanden wird, ist sowohl die einzelne Entscheidung der Verwaltung als auch die generelle Regelung der Verwaltungsentscheidung durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften gerichtlich lediglich eingeschränkt überprüfbar.580 Ein Beurteilungsspielraum bei der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ ist der Verwaltung von der Rechtsprechung zwar nicht zugestanden worden. GleichVgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 212. Vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1978, Az.: 1 C 102.76, BVerwGE 55, S. 250, 256. 577 Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 212; unter antizipierten Sachverständigengutachten sind nicht förmliche Beweismittel zu verstehen, die im Sinne eines qualifizierten Erfahrungssatzes dafür sprechen, dass die festgelegten Grenzwerte den vom Gesetzgeber jeweils normierten technischen Standard zutreffend konkretisieren, vgl. Steiling / Sterner, a. a. O. 578 Vgl. BVerwG, Urt. v. 28. 10. 1998, Az.: 8 C 16 / 96, BVerwGE 107, S. 338, 341. 579 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 06. 2001, Az.: 7 C 21.00, BVerwGE 114, S. 342 ff. 580 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 158. 575 576

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wohl können Verwaltungsvorschriften, die auf der Grundlage des BImSchG erlassen worden sind, eine über die Verwaltung hinausreichende Bindungswirkung entfalten, zum Beispiel, wenn sie andere unbestimmte Rechtsbegriffe des BImSchG konkretisieren. Das Bundesverwaltungsgericht581 hat zu den auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften entschieden, dass sie nicht nur für die Immissionsschutzbehörden grundsätzlich verbindlich sind.582 Sie konkretisieren zugleich die unbestimmten Rechtsbegriffe des BImSchG durch generelle, dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug dienende Standards, die entsprechend der Art des Zustandekommens in höherem Maße wissenschaftlichtechnischen Sachverstand und allgemeine Folgenbewertungen verkörperten. Ein Abweichen von solchen Regelungen komme nur in Betracht, wenn feststehe, dass sie durch gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt seien, wobei das Bundesverwaltungsgericht an die Begründung einer solchen Feststellung hohe Anforderungen stellt.583 Diese (eingeschränkte) Bindungswirkung hat auch Auswirkungen für Dritte. Zwar ist der Bürger grundsätzlich nicht unmittelbar an normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften gebunden, da nur ein Gesetz im materiellen Sinne eine Bindung für den Bürger erzeugt.584 In Bezug auf die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften gilt jedoch, dass sich Dritte auch auf diese berufen können, soweit sie Rechtsnormen konkretisieren, die als drittschützend anzusehen sind.585 Für die TA Luft, die ihre größte rechtliche Bedeutung im Bereich der Normkonkretisierung hat586, bedeutet dies, dass sich Dritte auf sie berufen können, soweit sie Immissionswerte zur Konkretisierung der Schutzpflicht festlegt. Emissionsgrenzwerte haben als Konkretisierung der Vorsorgepflicht keinen drittschützenden Charakter. Allerdings können sie als Substitut insoweit zum Schutze der Nachbarn herangezogen werden, als Immissionswerte fehlen bzw. unzureichend sind. Darüber hinaus kommt auch den in Nr. 5.3 TA Luft enthaltenen Abstandsvorschriften ein drittschützender Charakter zu.587

581 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985, Az.: 7 C 65 / 82, BVerwGE 72, S. 300, 320; BVerwG, Beschl. v. 10. 01. 1995, Az.: 7 B 112 / 94, NVwZ 1995, 994; vgl. zur Auslegung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften BVerwG, Urt. v. 20. 12. 1999, Az.: 7 C 15 / 98, NVwZ 2000, 440 ff.; zusammenfassend Sendler, UPR 1993, 321 ff. 582 Zur Bindungswirkung von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften vgl. Mühlenbruch, Außenwirksame Normkonkretisierung durch „Technische Anleitungen“ (zur TA-Abfall); Jarass, Inhalte und Wirkungen der TA-Siedlungsabfall. 583 Vgl. Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 204. 584 Vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 158. 585 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 56 f. 586 Vgl. Hansmann, TA Luft, Vorb. Rn. 2. 587 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 57.

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d) Zulässigkeit der Konkretisierung umweltrechtlicher Vorgaben in Verwaltungsvorschriften Wie sich aus § 48 Abs. 1 BImSchG ergibt, ist es im Immissionsschutzrecht ausdrücklich vorgesehen, umweltrechtliche Vorgaben aus dem BImSchG und aus den auf der Grundlage des BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen in Verwaltungsvorschriften zu konkretisieren.588 Problematischer stellt sich die Situation im Hinblick auf die Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben des Umweltrechts in Verwaltungsvorschriften dar.589 Der Europäische Gerichtshof590 hat 1991 zu verschiedenen europäischen Richtlinien, die in Deutschland in Verwaltungsvorschriften – wie z. B. der TA Luft – umgesetzt worden waren, entschieden, dass diese Form der Umsetzung gemeinschaftsrechtswidrig sei. Insbesondere reichte diese Umsetzung nach Auffassung des EuGH nicht aus, sofern die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts die Statuierung von Rechten und Pflichten des Bürgers verlangten. Es soll danach nicht ausreichen, wenn Deutschland Grenzwerte, die eine EG-Richtlinie vorgibt, in normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften übernimmt.591 Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht die Außenwirkung der TA Luft nach der Entscheidung des EuGH insbesondere zu Gunsten Dritter verstärkt hat, vertritt Jarass592 die Ansicht, dass ein gemeinschaftsrechtlich wohl nicht hinnehmbarer Unterschied verbleibt. Dieser Ansicht folgen auch Hoppe / Otting593, die verfassungsrechtliche Zweifel an der Qualität der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften als Außenrechtsnormen äußern594 und die Kritik des EuGH an der Umsetzung von Richtlinien in Verwaltungsvorschriften zumindest insofern für gerechtfertigt halten, als die Rechtsprechung durchaus Grenzen der Verbindlichkeit von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften sehe. Uerpmann595 spricht sich dafür aus, für die Umsetzung einer Richtlinie, die Grenzwerte festschreibt, ausschließlich die Rechtsform der Rechtsverordnung zu wählen, da diese von Haus aus die notwendige Normativität besitze. Die Stärken normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften könnten sich bei der Richtlinienumsetzung nicht 588 Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 50 f. 589 Vgl. dazu Hoppe / Otting, NuR 1998, 61 ff.; Stober / Kluth, Verwaltungsrecht I, § 24 Rn. 32 f. 590 EuGH, Urt. v. 28. 02. 1991, Rs. C-131 / 88, EuZW 1991, 405 (zur Grundwasserrichtlinie); EuGH, Urt. v. 30. 05. 1991, Rs. C-59 / 89, EuZW 1991, 442 (zur Bleirichtlinie); EuGH, Urt. v. 30. 05. 1991, Rs. C-361 / 88, EuZW 1991, 440 (zur Schwefeldioxid / Schwebestaubrichtlinie); EuGH, Urt. v. 17. 10. 1991, Rs. C-58 / 89, EuZW 1991, 761 (zur Trinkwasserrichtlinie). 591 Vgl. Uerpmann, BayVBl. 2000, 705, 710. 592 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 4. 593 Vgl. Hoppe / Otting, NuR 1998, 61, 63 f. 594 Unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988, Az.: 1 BvR 520 / 83, BVerfGE 78, S. 214, 226; BVerfG, Beschl. v. 21. 06. 1989, Az.: 1 BvR 32 / 87, BVerfGE 80, S. 257, 265. 595 Vgl. Uerpmann, BayVBl. 2000, 705, 710.

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entfalten. Die besondere Einbindung von wissenschaftlich-technischem Sachverstand, die den Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften kennzeichne, sei bei der Richtlinienumsetzung überflüssig, da die komplexen wissenschaftlichen, technischen und politisch-normativen Entscheidungen auf die europäische Ebene vorverlagert seien. Diesen Vorschlag formuliert auch Gusy596, der in einer Untersuchung der untergesetzlichen Regelwerke zum BImSchG zu dem Schluss kommt, dass die „tatsächlichen oder vermeintlichen Vorteile der Technischen Anleitungen [ . . . ] mit einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit erkauft werden“. Er sieht aus diesem Grund in der Ersetzung der (angeblich) außenwirksamen Verwaltungsvorschriften durch Rechtsverordnungen einen „funktionell äquivalenten, verfassungsrechtlich wie dogmatisch aber überlegenen Ausweg“.597 In Bezug auf Geruch stellt sich das vorgenannte Problem bisher schon aus dem Grunde nicht, als bislang auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene keine Vorgaben zur Bewertung von Geruch oder Grenzwerte für Geruch festgelegt worden sind. Der Streit muss daher vorliegend nicht entschieden werden, wenngleich der Auffassung von Uerpmann und Gusy insoweit zuzustimmen ist, als Verwaltungsvorschriften gerade nur die oben dargestellte eingegrenzte Bindungswirkung zukommt. Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien für die Aufhebung der Bindungswirkung („gesicherte Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik“) lassen einen interpretatorischen Spielraum zu. Z. B. ist daraus nicht ersichtlich, ob es sich um gesicherte Erkenntnisse inländischer Wissenschaft und Technik handeln muss, oder ob auch technischer Fortschritt aus dem Ausland die Bindungswirkung einer nationalen Verwaltungsvorschrift entfallen lassen kann.

3. Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) a) Exkurs: Novellierung der TA Luft – Nachvollziehbarkeit des Verfahrens Oben ist bereits die Problematik angesprochen worden, wie nachvollziehbar die Entstehung einer Verwaltungsvorschrift für die Öffentlichkeit sein muss. Anhand der Novellierung der TA Luft, die mit dem Erlass der TA Luft 2002 endete, kann überblicksartig aufgezeigt werden, welche einzelnen Entwicklungsschritte zur Entstehung der TA Luft 2002 führten und inwieweit diese für die Öffentlichkeit damals nachzuvollziehen waren und heute noch nachzuvollziehen sind. Wesentlicher Anlass für die Novellierung der TA Luft war das Inkrafttreten verschiedener gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien, insbesondere der Luftqualitätsrahmen-Richtlinie und der IVU-Richtlinie. Eine Anpassung der TA Luft an die Vgl. Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.), Zwanzig Jahre BImSchG, S. 185, 203. Gusy, in: Koch / Lechelt (Hrsg.), Zwanzig Jahre BImSchG, S. 185, 203; ähnlich Bönker, DVBl. 1992, 804, 810; Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 145. 596 597

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Vorgaben dieser Richtlinien war zwingend erforderlich.598 Die Vorarbeiten für die Novellierung fanden in einem Bund-Länderarbeitskreis, dem sogenannten Würzburger Kreis, und im Umweltbundesamt statt. Im März 2000 wurde der betroffenen Wirtschaft, den Umweltverbänden und den Ländern ein erster, noch unvollständiger und im Dezember 2000 ein überarbeiteter Arbeitsentwurf zur Verfügung gestellt, um diese Kreise in einem möglichst frühen Stadium in die einzelnen Novellierungsschritte einzubeziehen. Am 13. 06. 2001 übersandte das BMU im Einvernehmen mit den übrigen Bundesressorts einen innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmten Referentenentwurf vom 12. 06. 2001 an die beteiligten Kreise und lud zur Anhörung nach § 51 BImSchG für den 08. 08. 2001 ein. Am 09. 08. 2001 fand zudem ein Gespräch mit den für den Immissionsschutz zuständigen Obersten Landesbehörden statt.599 Eine schriftliche Niederlegung dieser Anhörung existiert soweit bekannt nicht. Dementsprechend schwierig bzw. unmöglich ist es, die Entscheidungsfindung über die Festlegung von Immissions- und Emissionsgrenzwerten im Nachhinein nachzuvollziehen. Letztlich lässt sich lediglich aus einzelnen Veröffentlichungen herauslesen, welcher Kreis sich für oder gegen eine bestimmte Regelung ausgesprochen hat und zu welchem Ergebnis dies bei der endgültigen Fassung der TA Luft 2002 geführt hat. Auch und gerade betrifft dies den Entschluss, die Regelungen der GIRL nicht in einen Anhang der TA Luft aufzunehmen, wie es ursprünglich geplant war. Dies wird in der Literatur zumeist mit der Aussage begründet, hiergegen hätte es erhebliche Widerstände aus der Industrie und der Landwirtschaft gegeben.600 Soweit ersichtlich ist lediglich bei Junker / Schwarz / Schwarz-Schier601 ein „Diskussionspapier zur Einbindung der Problematik ,Geruch‘ in eine neue TA Luft“ des Verbands der chemischen Industrie (VCI) veröffentlicht, das sich im Zuge der Novellierung der TA Luft mit einzelnen Regelungspunkten der GIRL auseinandersetzte und alternative Vorschläge formulierte. Auf welchem Wege aber letztendlich bei der Bundesregierung der Entschluss entstanden ist, die Regelungen der GIRL nicht in die TA Luft aufzunehmen, ist nicht bekannt. Die endgültige Fassung der TA Luft 2002 datiert vom 24. 07. 2002.602 598 Vgl. Hansmann, NVwZ 2003, 266, 267; vgl. auch eine Veröffentlichung des Bundesumweltministeriums mit dem Titel „Kabinettsbeschluss vom 12. 12. 2001, Begründung“, S. 2, die auf den Internetseiten des BMU abrufbar ist, http: //www.bundesumweltministerium. de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/taluft_begruendung.pdf. 599 Vgl. BMU, Kabinettsbeschluss vom 12. 12. 2001, Begründung, S. 3. 600 Vgl. Hansmann, NVwZ 2003, 266, 272; ders., TA Luft, Nr. 1 Rn. 8; Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 111; Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 47; Junker / Schwarz / Schwarz-Schier (Hrsg.), Genehmigungsverfahren, Bd. I, A 2.0.1 K S. 13, A 2.0.1.3 – Disk. S. 1. 601 Vgl. Junker / Schwarz / Schwarz-Schier (Hrsg.), Genehmigungsverfahren, Bd. I, A 2.0.1.3 – Disk. S. 1 f., „Positionspapier“ des VCI. 602 Vgl. zur TA Luft 2002 Hansmann, TA Luft 2002, NVwZ 2002, 1208 f.; ders., Die neue TA Luft, NVwZ 2003, 266 ff.

IV. Verwaltungsvorschriften

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Die Amtliche Fassung ist im Gemeinsamen Ministerialblatt vom 20. 07. 2002 (GMBl. S. 511) veröffentlicht worden.603

b) Anwendungsbereich der TA Luft Die TA Luft604 dient gemäß ihrer Nr. 1 dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen und der Vorsorge gegen schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen. Zu Geruchsimmissionen wird im Anwendungsbereich ausgeführt, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen in der TA Luft nicht geregelt wird, vgl. Nr. 1 Abs. 3 TA Luft. Dagegen wird die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen in dieser Verwaltungsvorschrift geregelt. Der ausdrückliche Hinweis auf das Vorliegen von Bestimmungen zur Vorsorge und auf den Ausschluss von Bestimmungen zum Schutz vor Geruchsimmissionen ist erst mit der Novellierung der TA Luft im Jahre 2002 aufgenommen worden. Hintergrund dieser Klarstellung ist der bereits erwähnte Streit um die Aufnahme von Grenzwerten für Geruchsimmissionen, der im Zusammenhang mit der Novellierung der TA Luft auftrat.605 Ursprünglich war im Zuge der Novellierung vorgesehen, die Anforderungen zum Schutz vor Geruchsimmissionen in Anlehnung an die GIRL in einen Anhang der TA Luft aufzunehmen.606 Hiergegen gab es die bereits genannten erheblichen Bedenken von Vertretern sowohl der Industrie als auch der Landwirtschaft. Um das Vorhaben einer Novellierung der TA Luft nicht insgesamt zu gefährden, wurde deshalb im Würzburger Kreis vorgeschlagen, die Vorschriften zur Bewertung von 603 Die TA Luft 2002 als Verwaltungsvorschrift mit Außenwirkung musste auch bekannt gemacht werden, damit sie Wirksamkeit erlangt, vgl. BVerwG, Urt. v. 25. 11. 2004, Az.: 5 CN 1.03, NVwZ 2005, 602. 604 Soweit im Folgenden von der TA Luft gesprochen wird, ist stets die TA Luft in der Fassung vom 24. Juli 2002 (GMBl. S. 511) gemeint. 605 Vgl. Hansmann, NVwZ 2003, 266, 272; vgl. auch den im Internet veröffentlichten Text der KTBL, Zur Neufassung der TA Luft 2002, abrufbar unter http: //www.ktbl.de/ index.php?id=118&no_cache=1. 606 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 1 Rn. 8; vgl. dazu auch die Antwort von Both auf die Frage eines Teilnehmers des 10. Leipziger Umweltrechts-Symposions des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Leipzig am 21. und 22. April 2005, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 111: „Wir hätten sie uns gewünscht, die parlamentarische Entscheidung [zu einem Toleranzmaßstab für Geruch, Anm. d. Verf.]. Wir hatten die GIRL im Anhang 1 der TA Luft und dann wäre es zwangsläufig dazu gekommen. Aber das hat leider nicht geklappt.“; wer sich auf welchem Wege so vehement gegen die Aufnahme der GIRL in die TA Luft gewehrt hat, ist im Einzelnen nicht veröffentlicht. In der Literatur wird zumeist von der „Industrie und der Landwirtschaft“ gesprochen; vgl. aber die ausführliche Auseinandersetzung bei Junker / Schwarz / Schwarz-Schier, Genehmigungsverfahren, A 2.0.1.3 – Disk., S. 1 ff.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Geruchsimmissionen aus dem Regelwerk herauszunehmen, zugleich aber deutlich zu machen, dass hier eine Regelungslücke vorliegt.607 Diese ist in den meisten Bundesländern mittlerweile durch die GIRL geschlossen worden, die auch in der Rechtsprechung wachsende Akzeptanz findet.608 Praktisch bedeutet die Regelungslücke zur Geruchsproblematik in der TA Luft, dass es in diesem Bereich keine bundesweit verbindliche Normkonkretisierung gibt und dass die Behörden und Gerichte deshalb auf andere Erkenntnisquellen zurückgreifen müssen.609 Dies führt im Ergebnis dazu, dass trotz der wachsenden Akzeptanz der GIRL einzelne Entscheidungen der Rechtsprechung auf älteren Geruchsimmissionsgrenzwerten aus Vorgängerregelungen der GIRL oder auf von dem jeweils erkennenden Gericht in eigener Entscheidungsfindung festgelegten Immissionsgrenzwerten beruhen und dadurch eine bundesweite einheitliche, gleichen Maßstäben und Grenzwerten folgende Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht nicht gegeben ist. Es bleibt abzuwarten, ob im Zuge einer erneuten Novellierung der TA Luft auch Grenzwerte für Geruchsimmissionen darin aufgenommen werden. Zumindest die im Zuge der Novellierung der TA Luft 2002 geäußerten Bedenken seitens des Verbandes der Chemischen Industrie sollten mittlerweile ausgeräumt sein.610 Auch weitere Kritikpunkte an der GIRL, auf die im Einzelnen im Abschnitt E. eingegangen wird, dürften durch die zweimalige Überarbeitung der GIRL (im Jahr 2004 und im Jahr 2008) seit der Novellierung der TA Luft aus dem Weg geräumt sein. Insgesamt wäre eine bundesweit verbindliche Regelung zur Vereinheitlichung des Verwaltungsvollzugs und der Rechtsprechung und damit im Ergebnis für Anlagenbetreiber sowie für Nachbarn wünschenswert.611

c) Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen aa) Konkretisierung der Vorsorgepflicht in Bezug auf Geruchsemissionen Im Gegensatz zur Schutzpflicht wird die Vorsorgepflicht in Bezug auf Geruchsemissionen in der TA Luft geregelt, vgl. Nr. 1 Abs. 3 2. HS. TA Luft. Die TA Luft gilt unmittelbar für genehmigungsbedürftige Anlagen, vgl. Nr. 1 Abs. 2 TA Luft. Auch für die Beurteilung von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen kann die TA Luft herangezogen werden. Soweit im Rahmen von § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG der Stand der Technik zu ermitteln ist, können die in Nr. 5 TA Luft für genehmigungsbedürftige Anlagen festgelegten Vorsorgeanforderungen als ErVgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 1 Rn. 8. Vgl. dazu unten D. V. 7. c). 609 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 1 Rn. 8. 610 Dies soll sich aus einem Schreiben des VCI ergeben, das kurz nach Inkrafttreten der TA Luft 2002 dem Bundesumweltministerium zuging. 611 So auch Hansmann, NVwZ 2003, 266, 272. 607 608

IV. Verwaltungsvorschriften

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kenntnisquelle herangezogen werden.612 Nr. 5 TA Luft enthält verschiedene Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Die Regelungen in Nr. 5.2 TA Luft (Allgemeine Anforderungen zur Emissionsbegrenzung) in Verbindung mit Nr. 5.3 TA Luft (Messung und Überwachung der Emissionen) gelten für alle Anlagen. Soweit davon abweichende Regelungen in Nr. 5.4 TA Luft (Besondere Regelungen für bestimmte Anlagenarten) festgelegt sind, gehen diese den jeweils betroffenen Regelungen in den Nummern 5.2, 5.3 oder 6.2 TA Luft vor, vgl. Nr. 5.1.1 TA Luft. Regelungen in Bezug auf Geruch enthalten sowohl Nr. 5.2 als auch Nr. 5.4 TA Luft. Nr. 5.2.8 TA Luft regelt die Handhabung geruchsintensiver Stoffe im Allgemeinen. In Nr. 5.4 TA Luft sind zudem besondere Regelungen für bestimmte Anlagenarten festgelegt. Von Bedeutung für die Geruchsbewertung sind darüber hinaus die Vorgaben für die Geruchsmessung in Nr. 5.3 TA Luft, insbesondere Nr. 5.3.2.5 und 5.3.2.4 TA Luft.613 Für die Geruchsmessung sind auch einige der in Nr. 2 TA Luft enthaltenen Begriffsbestimmungen und Einheiten im Messwesen von Bedeutung, auf die im Folgenden soweit erforderlich jeweils eingegangen wird. bb) Handhabung geruchsintensiver Stoffe (Nr. 5.2.8 TA Luft) Nr. 5.2.8 TA Luft enthält eine Sonderregelung zum Umgang mit geruchsintensiven Stoffen. Die TA Luft verlangt bei Anlagen, die bei bestimmungsgemäßem Betrieb oder wegen betrieblich bedingter Störanfälligkeit geruchsintensive Stoffe emittieren können, dass Anforderungen zur Emissionsminderung getroffen werden. Dazu gehören zum Beispiel die Einhausung der Anlagen, das Kapseln von Anlagenteilen, die Erzeugung eines Unterdrucks im gekapselten Raum sowie die geeignete Lagerung von Einsatzstoffen, Erzeugnissen und Abfällen und die Steuerung des Prozesses. Die TA Luft sieht darüber hinaus vor, dass geruchsintensive Abgase in der Regel Abgasreinigungseinrichtungen zuzuführen oder gleichwertige Maßnahmen zu treffen sind. Hieraus lässt sich aber keine generelle Pflicht zum Einbau einer Abgasreinigungseinrichtung ableiten. Ausnahmen von dieser Regel werden sogleich erörtert. Abgase sind darüber hinaus gemäß Nr. 5.5 TA Luft abzuleiten. Die Anforderungen an die Ableitung von geruchsintensiven Abgasen sind jeweils anhand der im Einzelfall vorliegenden Rahmenbedingungen festzulegen. Beispielhaft nennt die TA Luft das Abgasvolumen, den Massenstrom geruchsintensiver Stoffe, die örtlichen Ausbreitungsbedingungen, die Dauer der Emissionen und den Abstand der Anlage zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Vgl. dazu auch Hansmann, TA Luft, Nr. 1 Rn. 8. Auf Nr. 5.3.2.4 TA Luft ist bereits im vorherigen Abschnitt D. III. 2. bei der Erörterung der 30. BImSchV eingegangen worden, dort im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der Messunsicherheit bei Emissionsmessungen an Anlagen zur mechanisch-biologischen Behandlung von Abfällen, vgl. oben III. 2. d) aa) (4). 612 613

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

schützenswerten Nutzung (z. B. Wohnbebauung). Bemerkenswert ist, dass die Regelung in diesem Punkt die Wohnbebauung nur beispielhaft aufführt, in anderen Regelungen der TA Luft aber stets nur auf die vorhandene oder in einem Bebauungsplan vorgesehene Wohnbebauung hingewiesen wird. Dies legt die Annahme nahe, dass in Bezug auf Geruch nach der TA Luft auch andere Baugebietsarten als Wohngebiete bei der Festlegung der erforderlichen Vorsorgemaßnahmen zu berücksichtigen sind. Ausdrücklich verlangt die TA Luft, dass die Möglichkeiten, die Emissionen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen weiter zu vermindern, auszuschöpfen sind, soweit in der Umgebung einer Anlage Geruchseinwirkungen zu erwarten sind, Nr. 5.2.8 Abs. 3 Satz 2 TA Luft. Sofern eine Emissionsbegrenzung für einzelne Stoffe oder Stoffgruppen oder als Gesamtkohlenstoff nicht möglich ist oder nicht ausreicht, soll bei Anlagen mit einer Abgasreinigungseinrichtung die emissionsbegrenzende Anforderung in Form eines olfaktometrisch zu bestimmenden Geruchsminderungsgrades oder einer Geruchsstoffkonzentration festgelegt werden, Nr. 5.2.8 Abs. 4 TA Luft.614 Die TA Luft definiert den Begriff der Geruchsstoffkonzentration in Nr. 2 Abs. 2 lit e) als die Anzahl der Geruchseinheiten der emittierten Geruchsstoffe bezogen auf das Volumen von Abgas bei 293,15 K (Kelvin) und 101,3 kPa (Kilopascal) vor Abzug des Festgehaltes an Wasserdampf. Die Geruchsstoffkonzentration ist danach das olfaktometrisch gemessene Verhältnis der Volumenströme bei Verdünnung einer Abgasprobe mit Neutralluft bis zur Geruchsschwelle, angegeben als Vielfaches der Geruchsschwelle.615 Der Geruchsminderungsgrad wird nach Nr. 2.6 TA Luft definiert als Emissionsminderungsgrad, wobei letzterer das Verhältnis der im Abgas emittierten Masse eines luftverunreinigenden Stoffes zu seiner zugeführten Masse im Rohgas ist; er wird nach den Vorgaben der TA Luft angegeben als Vomhundertsatz. Der Geruchsminderungsgrad erlangt dann Bedeutung, wenn die Abluft einer Anlage einer Abluftreinigungsanlage zuzuführen ist und die Abluftreinigung einen gewissen Grad erreichen muss; dieser wird dann als Geruchsminderungsgrad – zum Beispiel im Genehmigungsbescheid – angegeben. In der Praxis wird in diesem Zusammenhang zumeist vom Rohgas und vom Reingas gesprochen, wobei letzteres die Abluft bezeichnet, die einer Abluftreinigungseinrichtung entweicht. In einem Genehmigungsbescheid könnte es etwa heißen: „. . . Einbau einer Abluftreinigungseinrichtung mit einem 95%-igen Geruchsminderungsgrad vom Rohgas ins Reingas“.

614 Es ist in Kapitel C. darauf hingewiesen worden, dass die Angabe einer konkret bezifferten Geruchsstoffkonzentration im Genehmigungsbescheid die Geruchsmesstechnik möglicherweise überfordert. Dennoch sieht auch die TA Luft eine entsprechende Festlegung vor. 615 Die Methode der Ermittlung der Geruchsstoffkonzentration einer Abluftprobe ist ausführlich im Kapitel C. dargestellt worden. Bei der Anwendung der TA Luft erhalten die Ausführungen zu den technischen Einzelheiten der Geruchsmessung praktische Relevanz.

IV. Verwaltungsvorschriften

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Hintergrund für die Sonderregelung in Nr. 5.2.8 TA Luft zu geruchsintensiven Stoffen ist die besondere Schwierigkeit, die die Konkretisierung der Anforderungen zur Emissionsbegrenzung geruchsintensiver Stoffe bereitet. Die TA Luft verlässt in diesem Punkt das übliche Regelungskonzept zur stoffbezogenen Emissionsbegrenzung. An die Stelle von festgelegten Emissionsgrenzwerten, wie zum Beispiel für Gesamtstaub in Nr. 5.2.1 TA Luft, für staubförmige anorganische Stoffe in Nr. 5.2.2 TA Luft oder für gasförmige anorganische Stoffe in Nr. 5.2.4 TA Luft rücken bei Geruchsemissionen eine Einzelfallbehandlung und eine flexible Festlegung geeigneter Maßnahmen.616 Mit den „Anforderungen zur Emissionsminderung“, die Nr. 5.2.8 TA Luft verlangt, sind in erster Linie bauliche und betriebliche Maßnahmen gemeint, wie sich auch aus der anschließenden beispielhaften Aufzählung ergibt. Können geruchsintensive Emissionen durch entsprechende Maßnahmen nicht vollständig vermieden werden, sollen die Abgase erfasst und einer Abgasreinigungseinrichtung zugeführt werden. Welche verschiedenen Techniken zur Abgasreinigung existieren, ist in Kapitel B. beschrieben worden. Die TA Luft schreibt kein besonderes Verfahren vor. Vielmehr muss im Einzelfall entschieden werden, welche Art der Abluftreinigung bei dem zu reinigenden Abgas geeignet ist. Unabhängig von der Abgasreinigung schreibt Nr. 5.2.8 TA Luft vor, dass geruchsintensive Abgase gemäß Nr. 5.5 TA Luft abzuleiten sind. Nr. 5.5 TA Luft sieht vor, dass Abgase so abzuleiten sind, dass ein ungestörter Abtransport mit der freien Luftströmung ermöglicht wird. In der Regel ist danach eine Ableitung über Schornsteine erforderlich, deren Höhe vorbehaltlich besserer Erkenntnisse nach den Nummern 5.5.2 bis 5.5.4 TA Luft zu bestimmen ist. Bereits in Kapitel B. ist im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Geruchsstoffen in der Atmosphäre erwähnt worden, dass Quellhöhe und Quellart eine wesentliche Bedeutung für die Verteilung von Geruchsstoffen haben.617 Dieser Aspekt wird von der vorgenannten Regelung der TA Luft aufgegriffen. Da gerade bei geruchsintensiven Stoffen die belästigende Wirkung in hohem Maße vom Grad der Verdünnung in der Atmosphäre abhängt und für diesen die effektive Quellhöhe eine entscheidende Voraussetzung darstellt, sollen die Abgase gefasst und über ausreichend dimensionierte Schornsteine oder gleichwertige Quellen abgeleitet werden.618

616 617 618

Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.2.8 Rn. 2. Vgl. oben B. I. 4. Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.2.8 Rn. 7.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

cc) Besondere Regelungen für bestimmte Anlagenarten (Nr. 5.4 TA Luft) (1) Kombination von Abständen, baulichen und betrieblichen Maßnahmen und Emissionsgrenzwerten für geruchsintensive Stoffe bei einzelnen Anlagenarten (a) Einhaltung von Mindestabständen Bei Betrachtung der Regelungen für einzelne Anlagenarten wird deutlich, dass die TA Luft jeweils eine Kombination aus verschiedenen Vorsorgemaßnahmen vorsieht. In chronologischer Reihenfolge steht zumeist an erster Stelle ein bestimmter Mindestabstand zwischen der Anlage und der nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung.619 Die Vorschriften für einzelne Anlagenarten unterscheiden sich insofern im Wortlaut von der oben zitierten Regelung in Nr. 5.2.8 TA Luft, nach der ein Mindestabstand zur nächsten schützenswerten Nutzung eingehalten werden soll. Der Mindestabstand bezieht sich auf die Entfernung zwischen der Emissionsquelle (nicht der Anlagengrenze) und der nächsten vorhandenen oder festgesetzten Wohnbebauung (nicht die Grenze eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks).620 Dies kann beispielsweise von Bedeutung sein, wenn die Entfernung zwischen dem zu einem Wohnhaus gehörenden Garten und der Emissionsquelle den Mindestabstand unterschreitet, die Entfernung zwischen Hauswand und Emissionsquelle jedoch den Mindestabstand einhält oder überschreitet. Der geforderte Mindestabstand wäre in diesem Falle gleichwohl eingehalten. Nach dem Zweck der Regelung wird nur eine zusammenhängende Bebauung mit einer selbständigen Bedeutung für das Wohnen von Menschen erfasst. Vereinzelt im Außenbereich oder in einem Gewerbegebiet gelegene Hausgrundstücke sind nicht als Wohnbebauung anzusehen, da derartige Grundstücke gewissermaßen situationsbelastet sind.621 Soweit ein Bebauungsplan besteht, sind allerdings nicht nur reine und allgemeine Wohngebiete, sondern auch Kleinsiedlungs-, Dorf- und auch Mischgebiete zu schützen.622 Beim Dorfgebiet kann sich jedoch eine Einschränkung daraus ergeben, dass dort gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ein Vorrang der Landwirtschaft gegenüber anderen Nutzungen besteht. Situationsbedingt sind daher auch gegenüber Wohnhäusern in Dorfgebieten geringere Abstände nicht ausgeschlossen.623 Ein Mindestabstand kann stets nur bei 619 Z. B. bei Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen; bei einer Durchsatzleistung von 3.000 Mg je Jahr oder mehr soll bei der Errichtung ein Mindestabstand bei geschlossenen Anlagen von 300 m und bei offenen Anlagen (Mietenkompostierung) von 500 m eingehalten werden, Nr. 5.4.8.5 TA Luft. 620 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.4.7 Rn. 3. 621 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 17. 04. 1986, Az.: 21a A 2504 / 85, n.v., und Urt. v. 27. 04. 1990, Az.: 21 A 1107 / 89, n.v.; OVG Lüneburg, Urt. v. 18. 02. 1998, Az.: 7 L 2108 / 96, NuR 1998, 661; OVG Bautzen, Beschl. v. 15. 07. 1998, Az.: 1 S 258 / 98, SächsVBl. 1998, 293, 294. 622 Vgl. zu Dorfgebieten OVG Münster, Urt. v. 08. 02. 1990, Az.: 21 A 2535 / 88, NWVBl. 1990, 274.

IV. Verwaltungsvorschriften

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einer neu zu errichtenden Anlage gefordert werden, da der Standort bzw. Abstand von bestehenden Anlagen zur vorhandenen Bebauung nicht beeinflusst werden kann.624 Bedeutung gewinnt dieses Problem jedoch erneut, wenn in der Umgebung einer bestehenden Anlage die Neuerrichtung von Wohnbebauung geplant wird.625 Der von der TA Luft vorgesehene Mindestabstand kann unterschritten werden, wenn die Emissionen an Geruchsstoffen durch primärseitige Maßnahmen gemindert werden oder das geruchsbeladene Abgas in einer Abgasreinigungseinrichtung behandelt wird. Die oben beschriebene nur unverbindliche Anforderung, eine Abgasreinigungseinrichtung einzubauen, kann also in dem Falle zwingend erforderlich werden, in dem der von der TA Luft vorgesehene Mindestabstand unterschritten wird. Welche Art der Abgasreinigungseinrichtung zu wählen ist, gibt die TA Luft nicht vor.626 Die durch die Minderung der Emissionen an Geruchsstoffen mögliche Verringerung des Mindestabstands ist mit Hilfe eines geeigneten Modells zur Geruchsausbreitungsrechnung festzustellen, dessen Eignung der zuständigen Fachbehörde nachzuweisen ist.627 Während die TA Luft für verschiedene Anlagenarten „fixe“ Mindestabstände von 300 m oder 500 m vorsieht, trifft sie in Nr. 5.4.7.1 TA Luft eine Sonderregelung für Anlagen zur Haltung oder zur Aufzucht von Schweinen und Geflügel.628 Sie sieht dort einen Mindestabstand zwischen diesen Anlagen und der nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung vor, wobei der Mindestabstand in Form einer Kurve dargestellt wird.629 Der jeweils einzuhaltende Mindestabstand richtet sich nach der in der Anlage vorgesehenen Tierlebendmasse in Großvieheinheiten. Es kommt dabei auf die geplante Größe an und nicht auf die tatsächliche Auslastung in der Anlage, da letztere im Laufe der Zeit erheblich variieren kann.630 Die TA Luft gibt Faktoren zur Umrechnung von Tierplatzzahlen in Tierlebendmasse, angegeben in Großvieheinheiten, vor (1 Großvieheinheit (GV) = 500 kg Tierlebendmasse). Dabei umfasst die MindestabstandsVgl. KTBL (Hrsg.), Handhabung der TA Luft, S. 158. Vgl. KTBL (Hrsg.), Handhabung der TA Luft, S. 148. 625 Hierauf wird im Kapitel E. unter dem Gliederungspunkt „Heranrückende Wohnbebauung“ eingegangen. 626 Vgl. dazu sogleich unten dd). 627 Vgl. z. B. Nr. 5.4.8.5 TA Luft; gleiche oder ähnliche Regelungen enthalten Nr. 5.4.8.6.1 TA Luft (Anlagen zur Vergärung von Bioabfällen und Anlagen, die Bioabfälle in Kofermentationsanlagen mitverarbeiten) und Nr. 5.4. 8. 10.1 TA Luft (Anlagen zum Trocknen von Abfällen); auf die Geruchsausbreitungsrechnung wird ebenfalls sogleich eingegangen (unten c)). 628 Vgl. dazu KTBL (Hrsg.), Handhabung der TA Luft, S. 148 f.; Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 55. 629 Die Mindestabstandskurve in der TA Luft basiert auf der in der VDI-Richtlinie 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine enthaltenen Mindestabstandskurve. Auf diese Richtlinie wird in diesem Kapitel in Abschnitt VI. eingegangen. 630 Vgl. KTBL (Hrsg.), Handhabung der TA Luft, S. 47. 623 624

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

kurve Anlagen von knapp unter 100 GV bis maximal 700 GV. Die Mindestabstandskurve ist nur in dem festgelegten Rahmen anwendbar. Eine Extrapolation bei höheren Tierplatzzahlen ist unzulässig. Vielmehr ist in derartigen Fällen eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. In der Regel soll der aus den Kurven zu entnehmende höchste Abstand für die größte Tierlebendmasse von 700 GV auch bei größeren Tierplatzzahlen ausreichen (er beträgt für 700 GV Geflügel etwa 460 m, für 700 GV Schweine etwa 430 m).631 Diese Annahme dürfte indes fraglich sein. Als Rechenbeispiel sei einmal die in der Mindestabstandskurve enthaltene höchste Großvieheinheit von 700 GV bei der Haltung von Mastschweinen herangezogen. Mastschweine (bis 120 kg) werden als 0,15 Großvieheinheiten bewertet. Bei 700 GV wären dies rund 4660 Mastschweine (700 / 0,15). Angesichts von Anlagen mit einer Größe von bis zu 85.000 Tierplätzen für die Schweinehaltung, wie sie verschiedentlich in den neuen Bundesländern geplant werden, dürfte zwingend eine Einzelfallbetrachtung notwendig sein. (b) Bauliche und betriebliche Maßnahmen Nach den Mindestabständen als erste Vorsorgemaßnahme sieht die TA Luft zumeist bauliche und betriebliche Anforderungen vor, die je nach Anlagenart unterschiedlich ausfallen. Während beispielsweise im Rahmen der Tierhaltung Einzelheiten wie Sauberkeit und Trockenheit im Stall, das Stallklima, der Ablauf der Fütterung etc. geregelt werden, wird bei anderen Anlagenarten die Gestaltung des Prozessablaufs im Einzelnen geregelt, beispielsweise hinsichtlich der Entladung von Stoffen, der Aufbewahrung von Stoffen, dem exakten Modus der Weiterverarbeitung, der Reinigung von Anlagenteilen und der Einkapselung von bestimmten Anlagenteilen. (c) Emissionswerte Nach Mindestabständen und baulichen und betrieblichen Maßnahmen gibt die TA Luft für einige wenige Anlagenarten einzuhaltende Emissionswerte vor.632 Bei Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen mit einer Durchsatzleistung von 10.000 Mg (Megagramm; entspricht t = Tonne) je Jahr oder mehr dürfen die Emissionen an geruchsintensiven Stoffen im Abgas die Geruchsstoffkonzentration 500 GE / m3 nicht überschreiten, Nr. 5.4.8.5 TA Luft. Dieser Wert gilt auch für Anlagen zur Vergärung von Bioabfällen und Anlagen, die Bioabfälle So Hansmann, TA Luft, Nr. 5.4.7 Rn. 5. Emissionswerte sind Grundlagen für Emissionsbegrenzungen, Nr. 2.7 TA Luft. Emissionsbegrenzungen sind wiederum die im Genehmigungsbescheid oder in einer nachträglichen Anordnung festzulegenden zulässigen Geruchsstoffkonzentrationen von Luftverunreinigungen im Abgas mit der Maßgabe, dass sämtliche Tagesmittelwerte die festgelegte Konzentration und sämtliche Halbstundenmittelwerte das 2-fache der festgelegten Konzentration nicht überschreiten, Nr. 2.7 a) TA Luft. 631 632

IV. Verwaltungsvorschriften

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in Kofermentationsanlagen mitverarbeiten (Nr. 5.4.8.6.1 TA Luft) sowie für Anlagen zum Trocknen von Abfällen (Nr. 5.4. 8. 10.1. TA Luft) und für Anlagen zum Trocknen von Klärschlamm (Nr. 5.4. 8. 10.2. TA Luft) sowie für Anlagen zur mechanischen Behandlung von gemischten Siedlungsabfällen und ähnlich zusammengesetzten Abfällen (Nr. 5.4. 8. 11.1 TA Luft). Es fällt auf, dass auch in der TA Luft Abfallbehandlungsanlagen die einzigen Anlagenarten sind, für die ein Emissionswert vorgeschrieben ist. Wie oben erörtert worden ist, liegt der einzige Emissionswert in Form einer Rechtsverordnung für Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen vor. Aus welchem Grund lediglich für diesen Anlagentypus Emissionswerte in Form von allgemeinen Regelungen erlassen worden sind, geht weder aus der TA Luft noch aus der Amtlichen Begründung der 30. BImSchV hervor. Ebenfalls geht aus der TA Luft und deren Amtlicher Begründung nicht hervor, wie die Emissionsgrenzwerte zustande gekommen sind. Es wäre wünschenswert, im Rahmen einer zukünftigen Novellierung der TA Luft eine entsprechende Begründung hinzuzufügen, um das Verfahren zur Festsetzung von Emissionsgrenzwerten für die davon Betroffenen transparent zu gestalten. (2) Vorschriften zur Messung von Geruchsemissionen Nr. 5.3 TA Luft regelt die Messung und Überwachung von Emissionen. Die TA Luft unterscheidet zwischen Einzelmessungen und kontinuierlichen Messungen. Aus den in Kapitel C. dargestellten Gründen kommen kontinuierliche Messungen von Geruchsemissionen nur in den Fällen Betracht, in denen von der Anlage im Wesentlichen ein oder mehrere abgrenzbare und einzeln ermittelbare Stoffe emittiert werden, die Geruchsimmissionen herbeiführen können und anhand von analytisch-technischen Messungen kontinuierlich ermittelt werden können (Bsp.: kontinuierliche Messungen des Gesamtkohlenstoffs). Nach Nr. 5.3.1 TA Luft sollen nach Errichtung, wesentlicher Änderung und anschließend wiederkehrend durch Messungen einer nach § 26 BImSchG bekannt gegebenen Stelle die Emissionen aller luftverunreinigenden Stoffe festgestellt werden, für die im Genehmigungsbescheid nach Nr. 5.1.2 TA Luft Emissionsbegrenzungen festzulegen sind. Nr. 5.1.2 TA Luft sieht ganz allgemein vor, dass die den Vorschriften der Nr. 5 TA Luft entsprechenden Anforderungen im Genehmigungsbescheid für jede einzelne Emissionsquelle und für jeden luftverunreinigenden Stoff oder jede Stoffgruppe festgelegt werden sollen, soweit die Stoffe oder Stoffgruppen in relevantem Umfang im Rohgas enthalten sind. Dies gilt dementsprechend auch für Geruchsstoffe. Nr. 5.1.2 TA Luft sieht weiter vor, dass im Genehmigungsbescheid entweder der Massenstrom oder die Massenkonzentration zu begrenzen ist, soweit in Nr. 5 TA Luft die Einhaltung eines bestimmten Massenstroms oder einer bestimmten Massenkonzentration vorgesehen ist. Dies ist zum Beispiel in den bereits genannten Regelungen für verschiedene Anlagen zur Abfallbehandlung der Fall. Darüber hinaus sieht die Sonderregelung Nr. 5.2.8

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

TA Luft für Geruchsstoffe vor, dass bei Anlagen mit einer Abgasreinigungseinrichtung die emissionsbegrenzende Anforderung in Form eines olfaktometrisch zu bestimmenden Geruchsminderungsgrades oder einer Geruchsstoffkonzentration festgelegt werden soll, sofern eine Emissionsbegrenzung für einzelne Stoffe oder Stoffgruppen oder als Gesamtkohlenstoff nicht möglich ist oder nicht ausreicht. Neben dem generellen Erfordernis der Emissionsmessung kann demnach auch der Einbau einer Abgasreinigungseinrichtung Geruchsemissionsmessungen erforderlich machen. Hinsichtlich der Messung geruchsintensiver Stoffe sieht Nr. 5.3.2.5 TA Luft vor, dass diese durch olfaktometrische Messungen überprüft werden sollen, wenn bei der Genehmigung einer Anlage die Emissionen geruchsintensiver Stoffe durch Festlegung des Geruchsminderungsgrades einer Abgasreinigungseinrichtung oder als Geruchsstoffkonzentration begrenzt werden. Die einzusetzende Messtechnik ergibt sich aus Nr. 5.3.2.3 TA Luft in Verbindung mit Anhang 6 TA Luft. Dort wird zwar noch auf die VDI-RL 3881 Blatt 1, Blatt 2 und Blatt 3 verwiesen. Diese sind aber mittlerweile von der DIN EN 13725 ersetzt worden. Es ist im Rahmen der Erörterung der 30. BImSchV darauf hingewiesen worden, dass in der TA Luft auch Vorgaben zur Berücksichtigung von Messunsicherheiten enthalten sind. Nach Nr. 5.3.2.4 Abs. 2 TA Luft sind im Falle von erstmaligen Messungen nach Errichtung, von Messungen nach wesentlicher Änderung oder von wiederkehrenden Messungen die Anforderungen jedenfalls dann eingehalten, wenn das Ergebnis jeder Einzelmessung zuzüglich der Messunsicherheit die im Genehmigungsbescheid festgelegte Grenze nicht überschreitet. Soweit durch nachträgliche Anordnungen, die auf der Ermittlung von Emissionen beruhen, zusätzliche Emissionsminderungsmaßnahmen gefordert werden sollten, ist die Messunsicherheit zugunsten des Betreibers zu berücksichtigen, vgl. Nr. 5.3.2.4 Abs. 3 TA Luft. Diese beiden differenzierten Regelungen sind erforderlich, weil sich die zu überprüfenden Emissionsbegrenzungen auf die gesamte Betriebszeit beziehen, die Ergebnisse von Einzelmessungen jedoch unmittelbar nur eine Aussage über die Zeit der Messung zulassen. Bei Routineüberprüfungen, wie erstmaligen oder wiederkehrenden Messungen, kann die Überwachungsbehörde sich damit zufrieden geben, dass kein Ergebnis einer Einzelmessung zuzüglich der Messunsicherheit die festgelegte Emissionsbegrenzung überschreitet.633 Anders ist dies jedoch, wenn ein Einzelergebnis die maßgebende Emissionsbegrenzung überschreitet. In einem solchen Fall ist ein Verstoß gegen die materiellen Anforderungen nur dann eindeutig festzustellen, wenn das einzelne Messergebnis unter Abzug der Messunsicherheit bei einer Konzentrationsbegrenzung das Doppelte des vorgegebenen Wertes überschreitet (Nr. 2.7 Abs. 2 lit. a) lit. bb) TA Luft) oder wenn das einzelne Messergebnis unter Abzug der Messunsicherheit bei einer Massenstrombegrenzung auch ohne Hochrechnung auf eine volle Stunde den zulässigen Massenstromwert überschreitet. Nur dann kann aufgrund des Messergebnisses eine nachträg633

Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.3.2 Rn. 19.

IV. Verwaltungsvorschriften

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liche Anordnung erlassen werden.634 Soweit für eine Anlage eine Geruchsstoffkonzentration von 500 GE / m3 im Abgas festgelegt ist, hielte bei einer Einzelmessung demnach auch noch ein ermittelter Wert von 1000 GE / m3 nach Abzug der Messunsicherheit die Anforderungen ein. Diese Handhabung berücksichtigt die erhöhte Messunsicherheit bei Einzelmessungen. Bereits in Kapitel C.635 ist die Thematik der Messunsicherheit der Olfaktometrie erörtert worden und für die 30. BImSchV anhand eines konkreten Beispiels verdeutlicht worden, welche Schwierigkeiten sich bei der Überwachung von Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen im Zusammenhang mit der Messunsicherheit der Olfaktometrie ergeben können. Im geschilderten Fall ergab sich aus § 11 Abs. 2 30. BImSchV für die Überwachungsbehörden nicht, in welchen Fällen die Messunsicherheit zugunsten des Anlagenbetreibers gewertet werden kann. Dieses Problem ist mittlerweile durch eine Klarstellung des LAI behoben worden, nach der die Messunsicherheit bei Messungen nach § 11 Abs. 2 30. BImSchV entsprechend Nr. 5.3.2.4 TA Luft zu handhaben sind. Es zeigt sich daher, dass die Messunsicherheiten der Olfaktometrie auf die Anforderungen an den Anlagenbetrieb erhebliche Auswirkungen haben können, die es bei der Prüfung und Überwachung der Einhaltung von Emissionsgrenzwerten zu beachten gilt. dd) Bezugnahme auf technische Regelwerke privater Stellen Auch wenn die TA Luft in einigen Punkten detaillierte Vorsorgemaßnahmen beschreibt, so geht nicht aus allen Regelungen hervor, wie diese Maßnahmen im Einzelnen auszugestalten sind. Daher nimmt die TA Luft Bezug auf verschiedene technische Regelwerke privater Stellen. Für die Geruchsbewertung sind dabei insbesondere die VDI-Richtlinien von Bedeutung, die – wie bereits gesehen – sowohl das Messverfahren von Geruchsemissionen und -immissionen als auch die Ausgestaltung von Anlagenarten mit geruchsintensiven Produktionsverfahren zum Gegenstand haben. Eine allgemeine Regelung zum Verhältnis von TA Luft und VDI-Richtlinien im Bereich von Vorsorgemaßnahmen ist in Nr. 5.1.1 TA Luft enthalten. Danach sollen – soweit die Nummern 5.2 oder 5.4 keine oder keine vollständigen Regelungen zur Begrenzung der Emissionen enthalten – bei der Ermittlung des Standes der Technik im Einzelfall BVT-Merkblätter oder Richtlinien oder Normen des VDI / DIN-Handbuches Reinhaltung der Luft als Erkenntnisquelle herangezogen werden. Darüber hinaus verweist die TA Luft in Nr. 5.4 in den Regelungen zu einzelnen Anlagenarten auf verschiedene VDI-Richtlinien. In der Praxis bedeutet dies, dass bei der Festlegung von Maßnahmen zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen zunächst 634 635

Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 5.3.2 Rn. 19. Vgl. C. II. 2. f).

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

die TA Luft heranzuziehen ist und – soweit diese zur Konkretisierung der sich aus den §§ 5, 22 BImSchG ergebenden Pflichten nicht ausreicht – anschließend auf die BVT-Merkblätter sowie die VDI-Richtlinien zurückzugreifen ist. Zum Verhältnis der BVT-Merkblätter zu VDI-Richtlinien ist schon gesagt worden, dass erstere nur dann anzuwenden sind, wenn die Kommission für Anlagensicherheit befindet, dass die darin enthaltenen Bestimmungen den Vorgaben der schon vorhandenen nationalen Regelungen vorzuziehen sind. Kein Hinweis findet sich darauf, welche Abgasreinigungseinrichtung bei der Reinigung geruchsintensiver Abgase einzusetzen ist.636 Welche Technik zur Anwendung kommt, steht dem Anlagenbetreiber grundsätzlich frei. Dennoch haben sich im Laufe der Zeit einzelne Techniken als jeweiliger „Stand der Technik“ für bestimmte Anlagenarten entwickelt. Zudem kann dem Anlagenbetreiber vorgeschrieben werden, welchen Geruchsminderungsgrad die Abluftreinigungseinrichtung erreichen muss.637 Der VDI hat verschiedene Richtlinien zu Abgasreinigungseinrichtungen veröffentlicht, so beispielsweise die VDI-Richtlinie 2442 Abgasreinigung – Verfahren und Technik der thermischen Abgasreinigung, VDIRichtlinie 2443 Abgasreinigung durch oxidierende Gaswäsche, VDI-Richtlinie 3477 Biologische Abgasreinigung – Biofilter, VDI-Richtlinie 3478 Biologische Abgasreinigung – Biowäscher und Rieselbettreaktoren. Diese sind beim Einbau einer Abgasreinigungseinrichtung zu berücksichtigen. ee) Erfüllung der Vorsorgepflicht gleich Erfüllung der Schutzpflicht? Im Rahmen der Erörterung der Schutzpflicht und der Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG ist angesprochen worden, dass sich für die Schutzpflicht Anhaltspunkte aus Konkretisierungen der Vorsorgepflicht ergeben können, soweit Immissionsgrenzwerte nicht existieren.638 Es stellt sich daher die Frage, welche Bedeutung den Vorsorgeanforderungen der TA Luft für Geruchsimmissionen zukommt und ob die Vorsorgeanforderungen der TA Luft herangezogen werden können, um die Schutzpflicht im Hinblick auf Geruchsimmissionen zu konkretisieren. Dies würde beispielsweise bedeuten, dass die Schutzpflicht aus § 5 636

In Kapitel B. sind die verschiedenen Techniken der Abgasreinigung kurz umrissen wor-

den. 637 Vgl. insofern aber das Urteil des OVG Lüneburg vom 03. 07. 2000, Az.: 1 K 1014 / 00, NVwZ-RR 2001, 218, in dem das Gericht eine Festsetzung in einem Bebauungsplan für rechtswidrig erklärte, in der die Gemeinde vorgesehen hatte, dass bauliche Anlagen, in denen mehr als zehn Großvieheinheiten von Schweinen oder Hühnern gehalten oder aufgezogen werden, als geschlossene Systeme mit Unterdruckentlüftung und einer Abluftreinigung auszubilden seien, die einen Geruchsminderungsgrad von 95% dauerhaft gewährleistet, a. a. O., S. 219, 220. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Gemeinde nicht nachweisen können, dass eine entsprechende Abluftreinigungseinrichtung Stand der Technik sei und darüber hinaus auch die dadurch entstehenden Kosten nicht berücksichtigt. 638 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 39.

IV. Verwaltungsvorschriften

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Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht erfüllt wäre, wenn die in Nr. 5 TA Luft vorgesehenen Mindestabstände nicht eingehalten werden. Gegen diese Annahme spricht zunächst der Wortlaut in Nr. 1 TA Luft, nach der die TA Luft die Konkretisierung der Schutzpflicht für Geruchsimmissionen gerade nicht zum Gegenstand hat. Die Einhaltung der Mindestabstände der TA Luft ist zwar ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen auftreten.639 Das bedeutet gleichwohl nicht, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG schon dann nicht erfüllt ist, wenn die von der TA Luft vorgesehenen Mindestabstände nicht eingehalten werden.640 In diesem Fall ist eine Sonderbeurteilung erforderlich. Auch von der Rechtsprechung wird – soweit ersichtlich von einer einzigen Ausnahme abgesehen641 – die TA Luft zur Bestimmung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen nicht herangezogen. Die Rechtsprechung begnügt sich im Übrigen bei der Ermittlung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen damit, darauf hinzuweisen, dass die TA Luft keine näheren Vorschriften darüber enthält, ob von einer Anlage Geruchsimmissionen herbeigeführt werden, die eine erhebliche Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen.642 d) Ausbreitungsrechnung im Genehmigungsverfahren Die Ausbreitungsrechnung nimmt in der TA Luft an zwei verschiedenen Stellen eine bedeutende Rolle einen. Zum einen kommt sie im Rahmen der Konkretisierung der Schutzpflicht in Nr. 4 TA Luft zum Tragen, zum anderen im Zusammenhang mit der Vorsorge vor Geruchsemissionen, wobei vorliegend allein letztere interessiert. In einzelnen Regelungen der Nr. 5.4 TA Luft ist vorgesehen, dass die mögliche Verringerung des Mindestabstandes zwischen Anlage und Wohnbebauung bei Einbau einer Abluftreinigungseinrichtung durch ein geeignetes Geruchsausbreitungsmodell nachzuweisen ist, dessen Eignung der zuständigen Fachbehörde nachzuweisen ist (vgl. z. B. Nr. 5.4.8.6.1 TA Luft). Welches das geeignete Geruchsausbreitungsmodell ist, schreibt die TA Luft indes nicht vor. Im Anhang 3 zur TA Luft ist aber ein Ausbreitungsmodell beschrieben. Problematisch könnte daher sein, ob das dort beschriebene Ausbreitungsmodell als geeignetes Geruchsausbreitungsmodell zum Nachweis der möglichen Verringerung der Mindestabstände angesehen werden kann. Das in Anhang 3 TA Luft beschriebene Ausbreitungsmodell dient der Berechnung der Ausbreitung von Gasen und Stäuben (vgl. Anhang 3 TA Luft Nr. 1). Mit der Novellierung im Jahre 2002 hat die TA Luft einen neuen Weg bei der Ausbreitungsrechnung eingeschlagen. Während die TA Luft 1986 zur Beurteilung 639 640 641 642

Vgl. Gablenz, ZMR 2000, 499, 500. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 59. Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 14. 07. 1989, Az.: 6 A 152 / 87, NVwZ-RR 1990, 232. Vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 21. 03. 2003, Az.: 5 B 4148 / 02, n.v.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

der Immissionssituation auf ein Gauß-Modell zurückgriff, berücksichtigt die neue Ausbreitungsrechnung in der TA Luft 2002 das Lagrang’sche Partikelmodell, das in seinem Kern in der VDI-RL 3945 Blatt 3, „Atmosphärische Ausbreitungsmodelle – Partikelmodell“ aus dem Jahre 2000 beschrieben wird und das punktförmige Partikel, die einen Spurenstoff repräsentieren, auf ihrem Weg durch die Atmosphäre verfolgt.643 Mit dem Ausbreitungsmodell der TA Luft kann für jede Ausbreitungssituation, das heißt für jede Kombination aus Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Turbulenzklasse die Immissionskonzentration an einem vorgegebenen Aufpunkt berechnet werden. Geruchsstoffe breiten sich wie gasförmige Luftschadstoffe aus. Prinzipiell sollte das Ausbreitungsmodell für Gase also in der Lage sein, die Ausbreitung von Geruchsstoffen zu berechnen. Allerdings liefern die üblicherweise eingesetzten Ausbreitungsmodelle – so auch das Modell der TA Luft 2002 – Stundenmittelwertkonzentrationen. Zur Einschätzung von Geruchssituationen sind jedoch nicht Stundenmittelwerte, sondern die Häufigkeit momentaner Geruchsspitzen von Interesse. Selbst wenn der Stundenmittelwert der Geruchsstoffkonzentration unter der Geruchsschwelle liegt, können doch Geruchseindrücke auftreten. Für die Wahrnehmung von Geruch kommt es auf die Überschreitung der Geruchsschwelle an. Der Mensch gewinnt in der Rückschau selbst bei nur wenigen, möglicherweise nur sekunden- oder minutenlangen Überschreitungen der Geruchsschwelle innerhalb einer Stunde den Eindruck, er hätte über einen längeren Zeitraum Geruch wahrgenommen. Ein Abstellen auf den Stundenmittelwert würde diesem Phänomen nicht gerecht. Ein Geruchsausbreitungsmodell muss daher in der Lage sein, die Häufigkeitsverteilung der Konzentrationen innerhalb des Mittelungszeitraums zu liefern.644 Ebenso wie die Methodik der Ausbreitungsrechnung von Gasen und Stäuben entwickelt sich auch diejenige für Geruchsstoffe fort.645 Das ursprünglich auch für Geruchsstoffe eingesetzte Gauß-Modell646 zur Ermittlung von Stundenmittelwerten dient mittlerweile nur noch zur Ausbreitungsrechnung in bestimmten Konstellationen, da es nicht in der Lage ist, Gelände- oder Gebäudeeinflüsse zu berücksichtigen und daher nur für bestimmte Quellentypen in Frage kommt.647 Anders Vgl. Hansmann, TA Luft, Vorb. zu Anhang 3 Rn. 4. Vgl. Richter / Kost / Röckle, Gerüche, promet 2003, 39, 43. 645 Um zu verdeutlichen, wie viele verschiedene Programme zur Geruchsausbreitungsrechnung existieren, seien hier beispielhaft einige aufgeführt: WinOdif (TA-Luft / Faktor 10, Ausbreitungsrechnung nach TA Luft unter Verwendung des Faktors 10); Gerda II, ein Screening-Modell, mit dem im Rahmen von Genehmigungsverfahren oder bei Nachbarschaftsbeschwerden eine erste Aussage über die immissionsseitige Relevanz von Anlagen bezüglich Geruchs erlangt werden kann; LASAT, Lagrange-Simulation von Aerosol-Transport; ODOR View, später AUSTAL View G, ein Lagrang’sches Partikelmodell; MEPOD, Meandering Plume Model for Odor Dispersion. 646 Siehe dazu Meyer, Ausbreitungsrechnung Glossar, „Gauß-Modell“. 647 Vgl. Richter / Kost / Röckle, Gerüche, promet 2003, 39, 43. 643 644

IV. Verwaltungsvorschriften

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geht das Lagrange-Modell an die Ausbreitungsberechnung heran, da es die Schadstoffausbreitung berechnet, indem es die Bahnen einer Vielzahl von gedachten punktförmigen Partikeln in einem zuvor berechneten dreidimensionalen Windfeld kalkuliert und daher auch die meteorologischen Gegebenheiten berücksichtigt, die vom Gelände oder von umliegenden Gebäuden beeinflusst werden.648 Mittlerweile existiert ein eigens für die Geruchsausbreitungsrechnung entwickeltes Modell auf der Grundlage der TA Luft, das AUSTAL 2000 G (Ausbreitungsrechnung TA Luft 2000 Geruchsmodul).649 Veranlassung für die Entwicklung des Modells war der Wunsch, Geruchsausbreitungsrechnungen auch für niedrigere Quellen, deren Abluftführung von Gebäudeeffekten beeinflusst werden und die häufig in ländlichen Gebieten mit geringer Rauhigkeit liegen, zu entwickeln. Es entstand in einem Verbundprojekt der Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen und ist auch das Modell, das die GIRL für die Geruchsausbreitungsrechnung vorsieht (vgl. Nr. 1 Abs. 9 GIRL 2008).650 Grundlegende Anforderungen an die Geruchsausbreitungsrechnung enthält darüber hinaus die VDI-Richtlinie 3788 Blatt 1 von 2000, die im Jahre 2004 überprüft und bestätigt worden ist, und die ebenfalls im Rahmen von Ausbreitungsrechnungen auf der Grundlage der GIRL zu berücksichtigen ist.651

4. Zwischenergebnis Die TA Luft ist für die Bewertung von Geruch insofern von Bedeutung, als sie die Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG in Bezug auf Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen konkretisiert. Sie beschreibt für verschiedene Anlagenarten im Detail, welche Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen sind und sieht ein gestaffeltes System von Mindestabständen, baulichen und betrieblichen Maßnahmen und Geruchsemissionswerten vor, anhand derer sich Anlagenbetreiber, Genehmigungsbehörden und Gerichte orientieren können. Sie eröffnet zudem die Möglichkeit, auf private technische Standards zurückzugreifen, soweit die Angaben zur Emissionsvorsorge in der TA Luft nicht ausreichen. Im Anlagengenehmigungsverfahren nimmt die TA Luft aus diesem Grund eine erhebliche Rolle ein, soweit es um die Beurteilung von Geruch geht. Die Einhaltung der Mindestabstände sowie der anderen Vorsorgemaßnahmen der TA Luft können als Indiz dafür herangezogen werden, dass nicht nur die Vorsorgepflicht, sondern auch die Schutzpflicht erfüllt ist. Gleichwohl dient die TA Luft nicht unmittelbar der KonSiehe dazu Meyer, Ausbreitungsrechnung Glossar, „Lagrange-Modelle“. Siehe http: //www.austal2000g.de/ . 650 Dazu unten D. V. 651 Der VDI hatte bereits 1991 den Entwurf einer Richtlinie „Ausbreitung von Geruchsstoffen in der Atmosphäre“ vorgelegt, der jedoch wieder zurückgezogen worden ist (VDI-RL 3782 Blatt 4); vgl. zur Entwicklung der verschiedenen Modellkonzepte der Geruchsausbreitungsrechnung Richter/ Kost / Röckle, Gerüche, promet 2003, 39, 43 f. 648 649

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

kretisierung der Schutzpflicht. Ob eine Geruchsimmission im Einzelfall erheblich und damit eine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG darstellt und eine genehmigungsbedürftige Anlage im Ergebnis nicht genehmigt werden kann, kann allein anhand der TA Luft nicht ermittelt werden. Die im Zuge der Novellierung der TA Luft 2002 ursprünglich geplante Aufnahme von Geruchsimmissionswerten in die TA Luft ist gescheitert. Dies wird auf die Widerstände aus der chemischen Industrie sowie aus der Landwirtschaft zurückgeführt. Teile des Schrifttums wandten sich gegen die Aufnahme von Immissionswerten in die TA Luft insbesondere unter Bezug auf die Kritik an den messtechnischen Vorgaben der GIRL. Befürchtet wurden möglicherweise auch überzogene Anforderungen an Anlagenbetreiber sowie die Notwendigkeit von Investitionen bei bestehenden Anlagen und erhöhte Kosten bei der Errichtung neuer Anlagen. Ob die Kritik an den messtechnischen Vorgaben der Geruchsimmissions-Richtlinie, die ursprünglich in die TA Luft integriert werden sollte, begründet ist, kann hier allerdings nicht abschließend beurteilt werden. Die zunehmende Akzeptanz der GIRL beweist jedoch, dass sich das System der GIRL auch in wiederholter Überprüfung bewährt hat.652 Die Regelungslücke, die durch den Ausschluss von Bestimmungen zum Schutz vor Geruchsimmissionen in der TA Luft entstanden ist, hat insofern Kritik erfahren, als ein Beitrag zur Rechtssicherheit dadurch nicht geleistet worden ist.653 Daraus dürfte der Wunsch abzulesen sein, bei einer erneuten Novellierung der TA Luft entsprechende Regelungen zu Geruchsimmissionen aufzunehmen. Dieser Wunsch ist insoweit nachvollziehbar, als eine bundesweite Regelung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen einer einheitlichen und gerechten Anwendung des BImSchG ebenso dienlich wäre, wie sie dem Bestreben nach einem zügigeren Ablauf von Genehmigungsverfahren Rechnung tragen würde. Im Ergebnis könnte möglicherweise eine Vielzahl an Gerichtsverfahren vermieden oder zumindest deren Dauer erheblich verkürzt werden. Grundsätzlich bieten sich Verwaltungsvorschriften dafür an, Geruchsimmissionswerte bundesweit verbindlich festzulegen (mit einer Einschränkung hinsichtlich des sich daraus ergebenden Problems der eingeschränkten Bindungswirkung entsprechender Werte). Es stellt sich gleichwohl die Frage, ob eine Integration von Geruchsimmissionswerten in die TA Luft die bestmögliche Lösung darstellen würde. Mit der GIRL ist in der Vergangenheit auf technische Fortschritte und Erkenntnisse aus der Expositions-Wirkungsforschung über Geruchsimmissionen stets zeitnah reagiert worden. In Anbetracht der 16 Jahre, die zwischen der TA Luft 1986 und ihrer Novellierung im Jahre 2002 vergangen sind, ließe eine Integration in die TA Luft befürchten, dass zukünftig solche raschen Entwicklungen nicht mehr ohne Weiteres in das Regelwerk integrierbar wären. 652 653

Dazu unten D. V. Vgl. Hansmann, NVwZ 2003, 266, 272.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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Allgemein und losgelöst von der Geruchsbewertung ist für die Entstehung von Verwaltungsvorschriften durchaus wünschenswert, dass sowohl ihre Vorbereitung als auch insbesondere die Festlegung von Grenzwerten in Verwaltungsvorschriften in Zukunft noch transparenter gestaltet werden als bisher. Es muss auch im Nachhinein noch nachvollzogen werden können, auf welchem Weg eine Verwaltungsvorschrift zustande gekommen ist, welche Gutachten dabei einbezogen worden sind und wer an der Entstehung beteiligt war. Es sollte zudem auch nachvollziehbar sein, welche Einwendungen die Vertreter der beteiligten Kreise gegen den einmal gefassten Regelungsentwurf erhoben haben und aus welchem Grunde sich der Normgeber im Ergebnis für die eine oder die andere Version entschieden hat.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie 1. Was ist die GIRL? Weder das BImSchG noch eine auf der Grundlage des BImSchG erlassene Rechtsverordnung noch die TA Luft konkretisieren, wann Geruchsimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen. Die sich dadurch ergebende „Lücke“ bei der Auslegung des BImSchG versucht die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zu schließen. Sie ist Ende der Achtziger / Anfang der Neunziger Jahre von einem Arbeitskreis in Nordrhein-Westfalen, bestehend aus Vertretern von Verwaltung, Wissenschaft und technischer Überwachung, entworfen und seitdem mehrfach überarbeitet worden.654 Die Geruchsimmissions-Richtlinie ist die einzige derzeit vorhandene Regelung, die ein Gesamtkonzept zur Bewertung von Geruchsimmissionen festlegt, das auch Grenzwerte für Geruchsimmissionen umfasst. Ihr Ziel ist es, für den Zeitraum bis zum Erlass von bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen eine einheitliche Praxis bei der Bewertung von Geruchsimmissionen zu gewährleisten, und damit sicherzustellen, dass bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen und bei den daraus gegebenenfalls folgenden Anforderungen an Anlagen mit Geruchsemissionen im Interesse der Gleichbehandlung einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren angewandt werden (vgl. Nr. 1 Abs. 4 GIRL). Der GIRL liegt das sogenannte Geruchsstundenkonzept zugrunde, das schon in Kapitel C. beschrieben worden ist und das die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen nach der relativen Häufigkeit des Auftretens von Geruch über der Wahrnehmungsschwelle beurteilt. Nach der GIRL wird als Geruchsstunde im vorgenannten Sinne eine Zeitstunde dann gewertet, wenn innerhalb eines bestimmten prozentualen Anteils der vollen Stunde die Geruchsschwelle überschritten wird. Die GIRL 654

Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160; E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6, 8.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

legt diesen Anteil bei 10 % und damit bei sechs Minuten einer vollen Stunde fest.655 Neben der relativen Häufigkeit kann nach der GIRL im Rahmen der Beurteilung im Einzelfall (Nr. 5 GIRL) auch die Hedonik eines Geruchs berücksichtigt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen dies als erforderlich erscheinen lassen. Seit Verabschiedung der GIRL 2008 wird außerdem bei der Beurteilung von Geruch aus Tierhaltungsanlagen berücksichtigt, welche Geruchsqualität auftritt (Geruchsqualität von Mastgeflügel, Geruchsqualität von Mastschweinen / Sauen, Geruchsqualität von Milchkühen mit Jungtieren / Mastbullen / Kälbermast). Bei der Ermittlung der Gesamtbelastung durch Geruchsimmissionen, die durch Tierhaltungsanlagen verursacht werden, erhält jede einzelne Tierart einen Gewichtungsfaktor, anhand dessen die Gesamtbelastung ermittelt wird. Bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen aus industriellen Quellen erfolgt im Gegensatz hierzu keine Berücksichtigung eines besonderen Faktors. Die Intensität eines Geruchs wird im Rahmen der Beurteilung von Geruchsimmissionen nach der GIRL nicht berücksichtigt. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Berücksichtigung der Intensität eines Geruchs als nicht oder nur marginal wirkungsrelevant erweist.656 Das Konzept der Geruchsstunde ist nicht erst mit der GIRL entwickelt worden. Vielmehr bestanden bereits zuvor zwei Regelungen, die dieses Konzept verfolgten und die als Vorgängerregelungen zur GIRL bezeichnet werden.657 Zum ersten Mal wurde das Prinzip der Geruchsstunde in den Verwaltungsvorschriften zum Genehmigungsverfahren nach §§ 6, 15 BImSchG für Mineralölraffinerien und petrochemische Anlagen zur Kohlenwasserstoffherstellung (Raffinerie-Richtlinie (RaRi))658 verankert. Die RaRi wurde 1975 als Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen erlassen.659 Auslöser hierfür waren die von der Mineralöl- und petrochemischen Industrie ausgehenden Emissionen organisch-chemischer Stoffe, die als Geruchsbelästigungen das Wohlbefinden des Menschen beeinträchtigen konnten.660 Die Richtlinie stellte in Beantwortung der von der TA Luft hierzu seinerzeit noch nicht beantworteten Fragen technische 655 Das System der Geruchsstunde wird ausführlich beschrieben bei Prinz / Otterbeck / Koch, in: VDI (Hrsg.), Gerüche, S. 125 ff. 656 Dies war das Ergebnis sowohl der Untersuchung von Steinheider / Winneke aus dem Jahr 1992, vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 37, als auch des von Sucker et. al. durchgeführten Hedonik-Projekts 2003, vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Küner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 120. 657 Vgl. Prinz / Both, LIS 1992, 47. 658 Verwaltungsvorschriften zum Genehmigungsverfahren nach §§ 6, 15 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) für Mineralölraffinerien und petrochemische Anlagen zur Kohlenwasserstoffherstellung. Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 14. April 1975 (MBl. NW S. 966 / SMBl. NW 7130). 659 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1159. 660 Vgl. MBl. NW 1975, S. 978.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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Anforderungen zur Emissionsminderung und Kriterien für die Prüfung auf, ob von einer genehmigungsbedürftigen Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können.661 Sie verfolgte insofern eine einheitliche Genehmigungspraxis für Mineralölraffinerien und petrochemische Anlagen zur Kohlenwasserstoffherstellung. In der RaRi waren unter anderem auch Immissionsgrenzwerte in Form von Geruchsstundenanteilen pro Jahr enthalten. Als die RaRi als Instrument zur Geruchsbewertung nicht mehr ausreichte, erging in Nordrhein-Westfalen der Gemeinsame Runderlass des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie vom 14. 10. 1986 mit dem Titel „Durchführung der technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“.662 Sinn und Zweck des Gemeinsamen Runderlasses war es, den zuständigen Behörden Auslegungs- und Anwendungshinweise zu verschiedenen Regelungen der damals geltenden TA Luft663 an die Hand zu geben. Darunter fiel auch Nr. 2.2.1.3 TA Luft 1986, die sowohl die Prüfung regelte, soweit Immissionswerte nicht festgelegt waren als auch die Prüfung in Sonderfällen. Der Gemeinsame Runderlass enthält ebenfalls Angaben zu Immissionsgrenzwerten.

2. Vorgängerregelungen und erster Entwurf der GIRL 1993 a) Konzept der Raffinerie-Richtlinie Die RaRi statuierte unter anderem Anforderungen an die Immissionsprognose für Geruch (Nr. 2.1 RaRi), ein Berechnungsverfahren für die Ermittlung der Zusatzbelastung (Nr. 2.4 RaRi) und eine Vorgehensweise hinsichtlich der Ermittlung der Gesamtbelastung (Nr. 2.5 RaRi). Sie stellte in Nr. 2.6 ferner Immissionsgrenzwerte für Geruch auf, wobei hiermit insbesondere die erhebliche Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG konkretisiert werden sollte.664 Hinsichtlich der Immissionsgrenzwerte führte Nr. 2.6 RaRi aus: „Die Grenzwerte hinsichtlich der belästigenden Wirkung stellen Immissionskonzentrationen dar, bei deren Überschreitung bereits eine erhebliche Störung des Wohlbefindens durch geruchsintensive Stoffe eintreten kann. Der Grad einer Belästigung hängt jedoch nicht allein von der Konzentration – und damit von der Geruchsintensität – eines Stoffes ab, sondern auch von der Häufigkeit und Dauer seiner Einwirkung. Eine erhebliche Belästigung im Sinne § 3 Abs. 1 BImSchG liegt somit vor, wenn eine bestimmte Konzentration Vgl. MBl. NW 1975, S. 966. Durchführung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft, Gemeinsamer Runderlass des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie vom 14. 10. 1986, MBl. NW v. 17. 11. 1986, S. 1658 ff.; vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7. 663 Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 27. 02. 1986 (GMBl. S. 95). 664 Vgl. MBl. NW 1975, S. 978. 661 662

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

luftverunreinigender Stoffe überschritten wird und die Überschreitung ein bestimmtes zeitliches Ausmaß erreicht. Für die Beurteilung des Zeitanteils sind viele Faktoren von Bedeutung, zum Beispiel die Geruchsart des einwirkenden Stoffes, der Rhythmus oder auch die jahreszeitliche Verteilung der Einwirkung des Stoffes. Die hier betrachteten Anlagen und Verfahren sowie der Einfluss der meteorologischen Vorgänge lassen die Annahme zu, dass die Zeiten der Grenzwertüberschreitung nicht auf einen kurzen Zeitraum konzentriert, sondern über den Ablauf eines Jahres verteilt sind. Unter Berücksichtigung dieser Annahme erscheint für das im Bereich der Mineralölverarbeitung und der petrochemischen Industrie gegebene Spektrum von Emissionen eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für belästigende Wirkungen an etwa 4% der Stunden eines Jahres hinnehmbar, bevor der Tatbestand einer erheblichen Belästigung erfüllt sein dürfte. Die Genehmigungsbehörde ist jedoch verpflichtet, die Frage nach der zulässigen Überschreitungszeit unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls zu entscheiden. Dabei wird insbesondere der Charakter des betroffenen Gebietes, in dem sich die Immissionen auswirken, von Einfluss auf die Entscheidung sein. Nach allen vorliegenden Erfahrungen wird jedoch eine Geruchsbelästigung auch in industriellen Gebieten dann mit Sicherheit als erheblich im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu qualifizieren sein, wenn der Grenzwert an mehr als 6% der Jahresstunden überschritten wird.“665

Weiter hieß es in der Richtlinie: „Bei sämtlichen in dieser Richtlinie aufgeführten Immissionsgrenzwerten handelt es sich um Stundenmittelwerte. Die zum Schutze vor Belästigungen gewählten Grenzwerte sind abgeleitet von den Konzentrationswerten für die kurzzeitige physiologische Wahrnehmbarkeit im Labor. Die erschwerte Wahrnehmbarkeit außerhalb des Labors ist in der Regel durch den Faktor 5 und für die Übertragung von der physiologischen Beurteilungszeit (wenige Sekunden) auf die messtechnische Bezugszeit (1 Stunde) durch den Umrechnungsfaktor 1 / 10 berücksichtigt.“666

In der RaRi tauchte damit zum ersten Mal das Geruchsstundenkonzept auf, wenn auch nur indirekt667, da die RaRi nicht von einer relativen Einwirkungsdauer, sondern von Stundenmittelwerten ausging. In der Anwendung bereitete die RaRi daher auch Schwierigkeiten. Die von der RaRi vorgesehene Verwendung von Stundenmittelwerten – anstelle von Geruchsspitzen – hatte den Nachteil, dass quasi schon ein einziger Geruchseindruck pro Stunde aus dieser eine Geruchsstunde machte.668 Dieses Kriterium wurde vielfach als zu streng angesehen, auch wenn es in aller Regel unwahrscheinlich war, dass eine Beaufschlagung realiter nur in einem einzigen Geruchseindruck bestand.669 Darüber hinaus wurden zur selben Zeit Diskussionen darüber geführt, ob Geruch erst ab einer bestimmten „Belästigungsschwelle“ oder Intensität als belästigend einzustufen sei oder bereits dann, wenn er nur wahrgenommen wurde.670 In spe665 666 667 668 669

MBl. NW 1975, S. 978. MBl. NW 1975, S. 978. Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7. Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7. Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7.

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ziellen Fällen sollten daher nicht die Häufigkeiten des Überschreitens der Wahrnehmungsschwelle mit den Grenzhäufigkeiten 4% und 6% zu vergleichen sein, sondern die Häufigkeit des Überschreitens einer Belästigungsschwelle (zum Beispiel 3 oder 5 GE / m3). Hiergegen wurde eingewandt, dass mit einer solchen Überlegung an „zwei Schrauben gedreht“ werde und daher eher die Grenzhäufigkeiten nach Gebietsnutzung gefächert werden sollten, als eine Intensitätsbetrachtung durchzuführen. Die RaRi bot darüber hinaus einen Spielraum hinsichtlich der Formulierung „an etwa 4% der Stunden eines Jahres“, da damit lediglich ein Anhaltspunkt, jedoch kein fester Immissionsgrenzwert getroffen wird.671 Hinzu kommt, dass die Festlegung der Immissionswerte nur schwer nachvollziehbar ist. Was die „vorliegenden Erfahrungen“ sind, nach denen die Grenzwerte 4 % bzw. 6 % der Jahresstunden festgelegt wurden, geht aus der Richtlinie nicht hervor. Der Grenzwert in der Raffinerierichtlinie soll „nach Hörensagen“672 dadurch zustande gekommen sein, dass Inversionswetterlagen einen Anteil von 4% bis 6% an allen Wetterlagen ausmachen und bei Inversionswetterlagen kein Luftaustausch möglich ist.673 Bei Inversionswetterlagen sollen Geruchsimmissionen durch so große Anlagen wie Raffinerien auch durch Geruchsminderungsmaßnahmen nicht verhindert werden können.674 Unabhängig davon konnte von der RaRi auch nicht ohne weiteres auf andere Anlagenarten geschlossen werden, da diese ausschließlich für den Bereich der Mineralölindustrie und petrochemischen Industrie entwickelt worden war. Die RaRi wurde in Nordrhein-Westfalen mittlerweile zurückgezogen.675 Dennoch sind die Wortwahl und der hinter der RaRi stehende Gedanke nach wie vor von Interesse, da er sich in den späteren Regelungen zur Bewertung von Geruchsimmissionen zumindest teilweise wieder findet. b) Gemeinsamer Runderlass „Durchführung der technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ Anders als die RaRi sollte der Gemeinsame Runderlass eine generelle Regelung zur Handhabung von Geruchsimmissionen in der Verwaltungspraxis von Nordrhein-Westfalen darstellen. Hinsichtlich der Festlegung von Immissionswerten für Geruch führte der Gemeinsame Runderlass in Nr. 5.23 aus: Vgl. Thiele, LIS 1979, 82. Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7. 672 Vgl. Prinz / Otterbeck / Koch, in: VDI (Hrsg.), Gerüche, S. 125 ff., dort die ab S. 144 ff. abgedruckte Diskussion zum Referat von Prinz, S. 145. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die a. a. O., S. 144 abgedruckte Wortmeldung eines Zuhörers: „Manchmal ist es bei Grenzwerten besser, man fragt nicht, wie sie zustande gekommen sind.“ 673 Vgl. dazu oben B. I. 4. b). 674 Vgl. Prinz / Otterbeck / Koch, in: VDI (Hrsg.), Gerüche, S. 125 ff., dort die ab S. 144 ff. abgedruckte Diskussion zum Referat von Prinz, S. 145. 675 Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7. 670 671

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

„Besondere Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung von Geruchsbelästigungen. Ob derartige Belästigungen als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, hängt nicht nur von der jeweiligen Immissionskonzentration, sondern auch von der Geruchsart, der tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Einwirkungen, dem Rhythmus, in dem die Belästigungen auftreten, der Nutzung des beeinträchtigten Gebietes, der historischen Entwicklung der unterschiedlichen Nutzungen (Industrie und Wohnsiedlung) und den Möglichkeiten zur Befolgung des Rücksichtnahmegebots im Nachbarschaftsverhältnis ab.“ 676

Weiter heißt es: „Im allgemeinen wird man davon ausgehen können, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten sind, wenn der Geruchsschwellenwert in mindestens 97% der Jahresstunden nicht überschritten wird und in der übrigen Zeit jedenfalls keine Ekel oder Übelkeit auslösenden Gerüche zu erwarten sind. Das deutlich wahrnehmbare Auftreten belästigender Gerüche innerhalb eines Zeitraumes von mehr als 5% der Jahresstunden ist dagegen stets als schädliche Umwelteinwirkung zu werten, wenn hierdurch Personen betroffen werden, die nicht nur vorübergehend derartigen Belästigungen ausgesetzt sind. Im Übrigen kommt es auf eine abwägende Beurteilung im Einzelfall an; dabei ist auch die Verteilung von Geruchsereignissen auf einzelne Stunden zu berücksichtigen. Wird die Geruchsschwelle innerhalb einer Stunde nicht nur für geringfügige Zeitabschnitte deutlich überschritten, so ist diese Stunde bei der Ermittlung des Prozentsatzes der Jahresstunden voll anzurechnen.“677

Wie schon die RaRi warf auch der Gemeinsame Runderlass in der Anwendung verschiedene Fragen auf. Diese ergaben sich insbesondere aus der Verwendung unbestimmter Formulierungen, wie „das deutlich wahrnehmbare Auftreten belästigender Gerüche“ und „wird die Geruchsschwelle innerhalb einer Stunde nicht nur für geringfügige Zeitabschnitte deutlich überschritten“. Unklar war, was unter „deutlich“ und „nicht nur geringfügig“ zu verstehen sein sollte. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „deutlich“ ergaben sich Schwierigkeiten daraus, dass die Verfasser des Gemeinsamen Runderlasses darunter soviel verstanden wissen wollten, wie „eindeutig“ oder „erkennbar“, die Anwender des Runderlasses jedoch zur Auslegung des Begriffs auf eine Skalierung der KRdL im VDI zurückgriffen.678 Die Formulierung „deutlich wahrnehmbares Auftreten“ wurde teils als „erkennbar“ im Sinne von wahrnehmbar aufgrund des Vorliegens von 1 GE / m3 verstanden, teils als „deutlich“ im Sinne der VDI-Richtlinie 3882 Blatt 1 (3 GE / m3) und teils als das Auftreten von Geruch mit Geruchszahlen über 5 GE / m3 interpretiert.679 Hinzu kam, dass missachtet wurde, dass die Intensitätsskala der VDI-RL für Laborzwecke und nicht für die Anwendung im Feld entwickelt worden war.680 676 677 678 679 680

Gemeinsamer Runderlass, Mbl. NRW v. 17. 11. 1986, S. 1658, 1660. Gemeinsamer Runderlass, MBl. NRW v. 17. 11. 1986, S. 1658, 1660. Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7; Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7.

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Auch für die Auslegung von „nicht geringfügig“ gab es unterschiedliche Herangehensweisen. Als „nicht nur geringfügige Zeitabschnitte“ innerhalb einer Stunde wurden 5 %, 10% und Anteile bis zu 17% einer Stunde (3 bis ca. 10 Minuten) angesehen.681 Als weiterer „Unsicherheitsfaktor“ trat hinzu, dass der Gemeinsame Runderlass keine Vorgaben zum methodischen Vorgehen bei der Erstellung von Geruchsgutachten machte und aus diesem Grunde Sachverständige teilweise von einem Flächen- und teilweise von einem Punktbezug ausgingen.682 Die Vorbelastung wurde nicht in jedem Fall in das Geruchsgutachten einbezogen. Die Anzahl von Stichproben bei Begehungen wurde ohne ein erkennbares System variiert.683 Ein einheitliches Verfahren für die Bestimmung und Bewertung von Geruchsimmissionen war demnach auch auf der Grundlage des Gemeinsamen Runderlasses nicht gegeben.684 Obwohl der Gemeinsame Runderlass inzwischen formell aufgehoben worden ist,685 beziehen sich einige Gerichte weiterhin auf die darin festgelegten Werte.686 Auch von Teilen der Literatur wird der Gemeinsame Runderlass der Anwendung der Geruchsimmissions-Richtlinie immer noch vorgezogen.687 Dabei wird insbesondere als Vorteil angesehen, dass Hedonik und Intensität der Geruchseinwirkungen bei der Festlegung des Immissionswertes eine Rolle spielen, darüber hinaus wird die größere Flexibilität der Regelung begrüßt.688 Hansmann689 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Gemeinsame Runderlass zwar auch nach seiner formellen Aufhebung noch als Entscheidungshilfe zur Bewertung von Geruchsimmissionen herangezogen werden könnte, wenn er die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens aufweisen würde, das ebenso aussagekräftig sei wie die GIRL. Dagegen spreche aber, dass die in dem Erlass genannten Werte nicht durch epidemiologische Untersuchungen abgesichert seien, sondern aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung von den Verfassern mehr oder weniger frei „gegriffen“ worden seien.690 Anderweitige Grundlagen für die Festlegung der Immissionsgrenzwerte gehen aus dem Gemeinsamen Runderlass auch nicht hervor. Anlass für die Aufhebung des Runderlasses war darüber hinaus, dass die InterpreVgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 8; Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. 683 Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 8; Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. 684 Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 8. 685 Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstandsförderung, Technologie und Verkehr vom 09. 04. 1999, 2> / 4>MBl. NW S. 666. 686 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19. 01. 1995, Az.: 1 L 166 / 90, UPR 1996, 74; OVG Lüneburg, Urt. v. 11. 04. 1997, Az.: 1 L 7648 / 95, NuR 1998, 493; vgl. auch die Nachweise bei Lang, Beurteilung von Gerüchen, S. 64, Fn. 273. 687 Vgl. zum Beispiel Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 206. 688 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. 689 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. 690 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1164. 681 682

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

tationsmöglichkeiten – ebenso wie bei der RaRi – so weit gingen, dass das Prinzip der Gleichbehandlung bei Handlungen der Verwaltung nicht mehr gewährleistet war.691

c) Entwurf und Genehmigung der GIRL durch den Länderausschuss für Immissionsschutz Weder die RaRi noch der Gemeinsame Runderlass konnten die bestehenden methodischen Unsicherheiten und praktizierten Uneinheitlichkeiten bei der Bewertung von Geruchsimmissionen beseitigen. Aus diesem Grunde bestand der Wunsch nach einer einheitlichen Regelung auch nach Erlass des Gemeinsamen Runderlasses weiterhin fort.692 Aus dieser Situation heraus wurde zunächst in NordrheinWestfalen in einem Arbeitskreis aus Sachverständigen, bestehend aus Angehörigen des Umweltministeriums, der früheren Landesanstalt für Immissionsschutz Nordrhein-Westfalen (LIS), der Technischen Überwachungs-Vereine Essen und Köln sowie des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene an der Universität Düsseldorf (MIU) ein erster Entwurf einer Geruchsimmissions-Richtlinie erarbeitet.693 Dahinter stand das Bestreben, Immissionswerte festlegen zu können und auf diesem Wege den Begriff der erheblichen Belästigung aus § 3 Abs. 1 BImSchG für Geruchsimmissionen zu konkretisieren. Die Häufigkeit des Auftretens von Geruch war bereits zuvor als kritisches Maß bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen herangezogen worden. Das darauf aufbauende Konzept der Geruchsstunde, das sich zumindest ansatzweise in beiden Vorgängerregelungen fand, sollte auch hier zum Tragen kommen und als Bezugsgröße zur Festlegung von Immissionswerten dienen.694 Hierfür wurde in verschiedenen Untersuchungen die Beziehung zwischen der Dosis an Geruchsbelastung und der Wirkung auf den Menschen als Geruchsbelästigung untersucht (dieser Zusammenhang wird auch als ExpositionsWirkungsbeziehung oder als Expositions-Belästigungsbeziehung bezeichnet695).696 Eine erste Untersuchung aus der Nachbarschaft eines Chemiebetriebs im westlichen Ruhrgebiet (Duisburg) nährte die Annahme, dass mit der Bezugsgröße „Geruchshäufigkeit als kritisches Expositionsmaß“ die gewünschte Wirkungsanbindung gelingen und das Konzept der Geruchsstunde sich bestätigen könnte.697 Vgl. Prinz / Both, LIS 1992, 47. Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 8. 693 Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 8; Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 209; Buchholz, AgrarR 2000, 5, 6; Prinz / Both, LIS 1992, 47; Hansmann, NVwZ 1999, 1159, 1160; Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 100. 694 Vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 8. 695 Vgl. Winneke / Steinheider, Abschlussbericht, S. 3. 696 Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 100. 697 Vgl. Winneke / Harkort / Ratzki / Steinheider, Zusammenhänge zwischen Geruchshäufigkeit und Belästigungsgrad. 691 692

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Die wesentliche Grundlage der Immissionswerte der ersten Version der GIRL bildeten Begehungen verschiedener Institutionen und darauf fußende Befragungen von Anwohnern sowie die Auswertung der dort gefundenen Ergebnisse durch das MIU der Universität Düsseldorf.698 Während der Entwicklung der ersten Version der GIRL beauftragte der Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen das MIU mit der Befragung von Anwohnern zur Erfassung der Belästigungswirkungen von Geruchsbelästigungen in Brühl, Dortmund und Köln-Rodenkirchen.699 Für diese Gebiete lagen Begehungsergebnisse zur Feststellung der Geruchshäufigkeit von drei verschiedenen Messinstituten vor, die während eines Zeitraums von drei Monaten durchgeführt worden waren und bei denen auf anlagenbezogene Gerüche aller Intensitäten abgestellt worden war.700 Ziel der Untersuchung des MIU war die Ermittlung von Expositions-Wirkungsbeziehungen für immissionsbedingte Geruchsbelästigungen.701 Dazu wurden die Ergebnisse der Begehungen (Expositionserfassung) und die Antworten der Anwohner (Wirkungserfassung) daraufhin untersucht, ob Zusammenhänge zwischen dem Geruchsstundenanteil an Jahresstunden und dem Grad der Geruchsbelästigung nachgewiesen werden konnten.702 Im Ergebnis konnten auf der Grundlage dieser Untersuchung an zwei Standorten (Dortmund und Köln-Rodenkirchen) statistisch gesicherte Zusammenhänge zwischen dem Geruchsstundenanteil an den 698 Die Ergebnisse der Untersuchungen des MIU sind in verschiedenen Berichten zusammengefasst, zum einem in dem Bericht von Winneke / Steinheider, Durchführung und Bewertung von Geruchsbelästigungsuntersuchungen unter Expositions-Wirkungsaspekten, Abschlussbericht, 1990 (im Folgenden: Abschlussbericht), und zum anderen in dem Bericht von Steinheider / Winneke, Materialienband zur Geruchsimmissionsrichtlinie in NRW – Psychophysiologische und epidemiologische Grundlagen der Wahrnehmung und Bewertung von Geruchsimmissionen, 1992 (im Folgenden: Materialienband 1992). 699 Das MIU führte daraufhin punktbezogene Befragungen an 1139 Personen durch. Die Befragung der Anwohner wurde auf der Grundlage eines Fragebogens durchgeführt, der sowohl die VDI-RL 3881 Blatt 1 berücksichtigte, die damals im Vorentwurf vorlag, als auch einen schon bei der Untersuchung in Duisburg verwendeten Musterfragebogen einbezog, vgl. Winneke / Steinheider, Abschlussbericht, S. 5. Teil der Befragung war unter anderem die Einstufung des wahrgenommenen Anlagengeruchs auf einer 11-stufigen Belästigungsthermometerskala von „0 = kein bisschen belästigend“ bis „10 = unerträglich belästigend“ und auf einer sechsstufigen Verbalskala zur Belästigung, die mit den Attributen „nicht belästigend“ bei 0 über „deutlich belästigt“ bei 3 bis „unerträglich stark belästigt“ bei 6 versehen war. 700 Die systematischen Rasterbegehungen erfolgten aufgrund einer vorher festgelegten Methodik (die VDI-RL 3940 existierte zu diesem Zeitpunkt lediglich in einer Entwurfsfassung; sie wurde erst im Oktober 1993 im Weißdruck ausgegeben), wobei die Häufigkeit von Anlagengerüchen aller Intensitäten ohne Berücksichtigung der hedonischen Wirkung festgehalten wurde. Die bei den Rasterbegehungen eingesetzten Probanden beurteilten demnach lediglich, ob innerhalb eines bestimmten Messzeitintervalls anlagenspezifischer Geruch wahrnehmbar war oder nicht, ließen aber außen vor, ob dieser Geruch als angenehm oder unangenehm empfunden wurde und in welcher Intensität der Geruch auftrat. Die Rasterbegehungen wurden über einen Zeitraum von drei Monaten durchgeführt und jeder Begehungspunkt 13 mal begangen. 701 Vgl. Winneke / Steinheider, Abschlussbericht, S. 4, 5. 702 Vgl. Winneke / Steinheider, Abschlussbericht, S. 3.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Jahresstunden und dem Grad der Geruchsbelästigung nachgewiesen werden. Am dritten Standort (Brühl) gelang dieser Nachweis nicht, was darauf zurückzuführen war, dass sich die Belastungssituation während der Befragungen durch einen zusätzlichen Emittenten grundlegend veränderte.703 Anhand der in dieser Untersuchung gefundenen Ergebnisse wurden anschließend Anhaltspunkte für die empirische Definition der „Erheblichkeit“ von Geruchsbelästigungen erarbeitet.704 Dabei wurde auch auf Erkenntnisse aus der Lärmforschung zurückgegriffen. Die Untersuchung kam insgesamt anhand einer Beispielsrechnung zu dem Ergebnis, dass ein Jahresgeruchsstundenanteil von 10% bis 20% als kritischer Bereich anzusehen sei, für den, auch im Einklang mit einer rein statistischen Betrachtung, das Attribut „erheblich“ gelten könne.705 Zusätzlich zu dieser Untersuchung wurde in einer weiteren Untersuchung der Aspekt des Vergleichs der Lärmwirkung zur Geruchswirkung vertieft und anhand der aus der vorgenannten Untersuchung ermittelten Ergebnisse wurden Lärm- und Geruchsregressionen ineinander überführt. Auf der Grundlage des zum damaligen Zeitpunkts bereits bestehenden Schallpegels von 60 dB(A), der den Immissionsgrenzwert (Tageswert) für Mischgebiete nach der Technischen Anleitung zum Schutz vor Lärm706 (TA Lärm) darstellte (Nr. 2.321 c) TA Lärm 1968), wurde der diesem Belästigungsgrad entsprechende Geruchsstundenanteil in Jahresstunden ermittelt. Dieser lag nach den Ergebnissen von Befragungen und Berechnungen des MIU bei 9,14% der Jahresstunden. Mit dieser Belastung korrespondierten 15% stark geruchsbelästigte Personen und 25% Unzumutbarkeitsurteile.707 Nach den Ergebnissen der Untersuchung nahm der Anteil stark Belästigter zwischen 10% und 20% Geruchsstundenanteil von 16% auf 18 % und der Anteil der Unzumutbarkeitsurteile von 25% auf 29 % zu.708 Eine Sprungstelle, an der aus einer unerheblichen eine erhebliche Belästigung wurde, gab es gleichwohl nicht.709 Steinheider und Winneke710 schlugen als Endergebnis der Untersuchungen des MIU vor, als Kennzahl der erheblichen Belästigung durch Geruchsimmissionen in Wohngebieten einen Geruchsstundenanteil von 10 % der Jahresstunden festzulegen und grob nach der Gebietsnutzung zu differenzieren. Für Gewerbegebiete hielten sie einen Geruchsstundenanteil von 15% für akzeptabel.711 Dieser Vorschlag Vgl. Winneke / Steinheider, Abschlussbericht, S. 3. Vgl. Winneke / Steinheider, Abschlussbericht, S. 11 f. 705 Vgl. Winneke / Steinheider, Abschlussbericht, S. 14. 706 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung – GewO, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 16. Juli 1968 (Beil. BAnz. Nr. 137) (aufgehoben). 707 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 2. 708 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 2. 709 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 36. 710 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 2. 711 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 36. 703 704

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wurde aufgegriffen und mündete in eine Festlegung entsprechender Immissionswerte in der GIRL 1993 von 10% in Wohn- / Mischgebieten und zusätzlich dazu von 15% in Industrie- / Gewerbegebieten. Der erste Entwurf der GIRL wurde in den Landesausschuss für Immissionsschutz (LAI), ein Beratungsgremium aller für den Immissionsschutz zuständigen Obersten Bundes- und Landesbehörden712, eingebracht und dort im Unterausschuss Wirkungsfragen einer eingehenden Überprüfung unterzogen.713 Am 12. 01. 1993 wurde der Entwurf der GIRL vom LAI verabschiedet. Dieser empfahl den Ländern, für die Feststellung und Beurteilung von Geruchsstoffimmissionen den Inhalt der GIRL, die den damaligen Stand der Erkenntnisse berücksichtigte, in Verwaltungsvorschriften umzusetzen oder in entsprechend anderer Weise für die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden verbindlich zu machen.714 Oben ist schon einmal die Frage aufgeworfen worden, wie transparent sich die Entstehung von Verwaltungsvorschriften gestaltet und welche Auswirkungen ein transparentes Verfahren auf die Akzeptanz von Verwaltungsvorschriften haben kann. Dieses Problem stellt sich auch in Bezug auf das Zustandekommen der GIRL. Sie hat – insbesondere von der Landwirtschaft – erhebliche Kritik erfahren. Ursache für die erhebliche Kritik an der ersten Version der GIRL und die mangelnde Berücksichtigung der ihr zugrunde liegenden Systematik bei der Novellierung der TA Luft 2002 könnte – unabhängig von der Kritik an der Methodik der GIRL – der Umstand gewesen sein, dass die GIRL „in Eigenregie“ im Land Nordrhein-Westfalen initiiert und entwickelt worden ist. Die ersten der GIRL zugrunde liegenden Untersuchungen wurden nicht von Seiten des Bundes angestoßen, sondern in einem vom Umweltministerium NRW festgesteckten Rahmen durchgeführt.715 An der Entstehung der GIRL waren von Beginn an allerdings nicht nur private Sachverständige, sondern auch Vertreter des Umweltministeriums NRW beteiligt. 712 Der Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) ist ein Gremium zur Beratung wichtiger Fragen aus allen Bereichen des Immissionsschutzes und der Anlagensicherheit. Er wurde durch Beschluss der 36. Konferenz der Arbeitsminister und Senatoren für Arbeit am 29. / 30. 04. 1964 gegründet. Durch Beschluss der Umweltministerkonferenz vom 03. bis 05. 11. 2004 wurde der LAI umbenannt in Bund / Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz, vgl. Bundesumweltministerium, Immissionsschutzrecht in Deutschland, S. 10, http: //www.bmu.de/files/luftreinhaltung/downloads/application/pdf/hintergrund_bimschg.pdf. Gleichwohl tritt die Arbeitsgemeinschaft – beispielsweise im Internet – nach wie vor unter dem Kürzel LAI auf, vgl. http: //www.lai-immissionsschutz.de, und wird auch im Folgenden weiter als „der LAI“ bezeichnet. 713 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160. 714 Die GIRL 1993 ist 1994 veröffentlicht worden, vgl. Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie), LAI-Schriftenreihe, Band 5, Berlin 1994. 715 So wurde die Untersuchung „Psychophysiologische und epidemiologische Grundlagen der Wahrnehmung und Bewertung von Geruchsimmissionen“ vom Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben.

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Die ersten Entwicklungsschritte noch vor Veröffentlichung der GIRL sowie die späteren Weiterentwicklungen der GIRL sind auf öffentlichen Tagungen716 dargestellt und von Seiten der Initiatoren mit Fachbeiträgen begleitet worden.717 Die ersten Untersuchungen, die zur Entwicklung der GIRL geführt haben, sind im Materialienband 1992 veröffentlicht worden. Soweit ersichtlich sind auch alle späteren Untersuchungen, die jeweils zu den einzelnen Überarbeitungen der GIRL (1998, 2004, 2008) geführt haben, nahezu vollständig – zumindest im Internet – für die Öffentlichkeit zugänglich. In zahlreichen Veröffentlichungen finden sich darüber hinaus Diskussionsbeiträge zur GIRL, die auf immissionsschutzrechtlichen oder anderen Tagungen vorgetragen worden sind, teilweise ergänzt um die wortwörtliche Wiedergabe von Wortmeldungen und den sich daran anschließenden Diskussionen über die GIRL.718 Auch hat es zwischen den Initiatoren der GIRL und den Vertretern der Landwirtschaft – als den schärfsten Kritikern der GIRL – bereits in den Neunziger Jahren zahlreiche Diskussionen über die Methodik der GIRL gegeben.719 Die Entstehungsgeschichte und Weiterentwicklung der GIRL kann daher als transparent beurteilt werden. Soweit ersichtlich haben die Verfasser der GIRL zudem stets versucht, den an der GIRL geäußerten Kritikpunkten nachzugehen und die Stimmigkeit des Systems der GIRL in Felduntersuchungen zu überprüfen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der GIRL kann eine mangelnde Transparenz daher allenfalls marginal zur mangelnden Akzeptanz der GIRL beigetragen haben. 3. Die Fortentwicklung der GIRL seit 1993 Die Geruchsimmissions-Richtlinie ist seit 1993 bereits dreimal überarbeitet worden. In den Jahren 1998720, 2004721 und 2008722 wurde jeweils eine veränderte 716 Vgl. zum Beispiel Prinz / Otterbeck / Koch, in: VDI (Hrsg.), Gerüche, 1989, S. 125 ff.; Both, in: KTBL (Hrsg.), Geruchsemissionen aus der Landwirtschaft, S. 24 ff.; ders., in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998, S. 273 ff.; ders., in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97 ff.; ders., in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150 ff.; ders., in: VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007, S. 169 ff. 717 Vgl. zum Beispiel Both / Otterbeck / Prinz, Staub – RdL 1993, 407 ff.; E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 ff.; Hansmann, NVwZ 1999, 1158 ff. 718 So schon 1989 auf der Tagung Gerüche, Stand der Erkenntnisse zur Ermittlung von Belastung und Belästigung, Workshop, 28. November 1989, vgl. Prinz / Otterbeck / Koch, in: VDI (Hrsg.), Gerüche, S. 125, 144 ff.; MUVBW (Hrsg.), Geruchsimmissionsrichtlinie, Expertenanhörung am 2. Oktober 1997 in Stuttgart, mit der vollständigen Wiedergabe der Anhörung im Wortlaut sowie der schriftlichen Antworten verschiedener Experten auf einen umfangreichen Fragebogen zur GIRL; außerdem Both, in: Oldiges, Umweltqualität durch Planung, S. 97 ff., mit der vollständigen Veröffentlichung im Wortlaut der Aussprache zum Beitrag von Both, S. 110 f. 719 Vgl. E. Koch, Immissionsschutzrecht 1997, 6, 14. 720 Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie) in der Fassung vom 13. Mai 1998 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 7. Mai 1999.

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Fassung verabschiedet. Die Änderungen der GIRL im Jahre 1998 fußten auf den ersten Erfahrungen, die mit der GIRL seit 1993 gemacht worden waren. Darüber hinaus fand im Oktober 1997 in Stuttgart eine Expertenanhörung zur GIRL statt, deren Ergebnisse ebenfalls in die Änderung der GIRL einflossen.723 In die Nr. 1 GIRL 1998 wurde eine Regelung aufgenommen, nach der bei der Beurteilung von Tierhaltungen vorrangig vor der GIRL die Abstandsregelungen der TA Luft und der VDI-RL 3471 und 3472 zum Einsatz kommen sollten (Nr. 1 Abs. 6 GIRL 1998). Die GIRL 1998 nahm Abstand von dem zuvor vorgesehenen Ausbreitungsmodell nach der VDI-RL 3782 Blatt 4, das erhebliche Kritik erfahren hatte724, und sah nunmehr bis zur Einführung der Ausbreitungsrechnung nach VDI-RL 3788 die Heranziehung eines „geeigneten“ Modells vor (Nr. 1 Abs. 9 GIRL 1998). Bestandteil einer jeden Geruchsbeurteilung sollte darüber hinaus die Prüfung sein, ob wegen der besonderen Umstände eine Beurteilung im Einzelfall nach Nr. 5 GIRL notwendig sei (Nr. 3.1 Abs. 4 GIRL 1998). Auch die Regelungen zur Ermittlung der vorhandenen Belastung erfuhren einige Änderungen (Nr. 4 GIRL 1998). Mit der GIRL 1998 wurden zudem erstmals eine Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL veröffentlicht, die die Anwendung vereinfachen und den Anwendern Unterstützung bei der Auslegung sein sollten.725 Anlass für die erneute Überarbeitung und Verabschiedung der GIRL 2004 waren die Ergebnisse des „Hedonik-Projekts“726, das ebenfalls vom MIU durchgeführt wurde. Das Hedonik-Projekt wurde aufgrund der wiederholt geäußerten Kritik initiiert, die GIRL berücksichtige weder die Intensität noch die Hedonik von Geruchsimmissionen in ausreichender Weise.727 Dabei wurden umfangreiche messund wirkungsbezogene Untersuchungen im Umfeld von sechs geruchsstoffemittierenden Quellen durchgeführt, wobei sowohl Emissions- und Immissionsmessungen mit Probanden erfolgten, als auch Befragungen von Anwohnern im Umfeld der Anlagen durchgeführt wurden.728 Ergebnis des Hedonik-Projekts war, dass die Intensität zwar keinen erheblichen Einfluss auf den Belästigungsgrad von Geruchsimmissionen hat, dass die Hedonik eines Geruchs sich aber generell und nicht nur 721 Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – ) in der Fassung vom 21. September 2004 mit Begründung und Auslegungshinweisen. 722 Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – ) in der Fassung vom 29. Februar 2008 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 29. Februar 2008. 723 Vgl. MUVBW (Hrsg.), Geruchsimmissionsrichtlinie. 724 Vgl. Peschau, UPR 1998, 248, 250. 725 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 66; Junker / Schwarz / Schwarz-Schier, Genehmigungsverfahren, A 2.0.1.3 – Disk. S., 1, 3, 6; Buchholz, AgrarR 2000, 5, 7; Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 210. 726 Vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003. 727 Vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 5. 728 Vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 5, 14 ff.

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im Ausnahmefall auf den Belästigungsgrad auswirkt.729 Die Berücksichtigung der Hedonik ist nach den Erkenntnissen aus dem Hedonik-Projekt jedoch nur im Falle von eindeutig angenehmen Gerüchen erforderlich.730 Als Reaktion hierauf wurde die Berücksichtigung der Hedonik stärker in das System der GIRL integriert, wenn sie auch weiterhin nur bei der „Beurteilung im Einzelfall“ nach Nr. 5 GIRL zum Tragen kommt. Seit der GIRL 2004 besteht die Möglichkeit, im Falle hedonisch eindeutig angenehmer Gerüche deren Beitrag zur Gesamtbelastung mit dem Faktor von 0,5 zu gewichten (Nr. 5 Abs. 3 GIRL), wobei die hedonische Klassifikation über die Methode der Polaritätenprofile vorzunehmen ist, das bereits in Kapitel C. beschrieben worden ist731 und deren Methodik im Anhang zu den Auslegungshinweisen der GIRL eingehend beschrieben wird.

4. Die GIRL 2008 Im Jahre 2008 ist die zweite ergänzte und aktualisierte Fassung der GIRL verabschiedet worden.732 Anlass für die Überarbeitung waren Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“.733 Das Forschungsprojekt, das als Verbundprojekt der Länder Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen konzipiert war und vom Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen koordiniert wurde, hatte zum Ziel, die Grundlagen für ein Beurteilungssystem für Geruchsimmissionen im Umfeld von Tierhaltungsanlagen auf der Basis von systematischen Belastungsund Belästigungsuntersuchungen zu entwickeln. Grund hierfür waren die immer wiederkehrenden Probleme im Zusammenhang mit der Beurteilung von Geruchsimmissionen, die durch landwirtschaftliche Anlagen verursacht werden.734 Ergebnis des Forschungsprojekts war, dass eine Differenzierung der Belästigungswirkung anhand der Hedonik bei den Tierhaltungsgerüchen zwar nicht möglich ist, da alle untersuchten tierartspezifischen Geruchsqualitäten als unangenehm beurteilt wurden.735 Es ist aber im Gegensatz zu den Industriegerüchen möglich, die BeläsVgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 120. Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 99. 731 Vgl. oben C. II. 3. c). 732 Feststellung und Beurteilung von Gerüchen (Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – ) in der Fassung vom 29. Februar 2008 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 29. Februar 2008; der Länderausschuss für Immissionsschutz hatte zuvor den Auftrag erhalten, die GIRL zu überarbeiten und das Ergebnis bis zur Frühjahrskonferenz 2008 der Umweltminister vorzulegen, vgl. https: //www.umweltministerkonferenz.de//index.php? area=1&np=7,0,0,0,0,0,0,0#faq291. 733 Vgl. Sucker / Müller / Both, Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft; Both, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150. 734 Vgl. Both, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150. 735 Vgl. Both, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150. 729 730

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tigungswirkung anhand der (tierartspezifischen) Geruchsqualitäten zu unterscheiden.736 Es zeigte sich in dem Forschungsprojekt, dass die Geruchsqualitäten „Rind“ und „Schwein“ geringer belästigend sind als „Industriegerüche“, während „Geflügel“-Gerüche deutlich stärker belästigend wirken als „Industriegerüche“.737 Daher sieht die GIRL 2008 vor, Geruchsimmissionen dieser drei Qualitäten unterschiedlich zu gewichten (Nr. 4.6 GIRL).738 In der GIRL 2008 ist darüber hinaus neben den Immissionswerten für Wohn- / Mischgebiete einerseits und Gewerbe- / Industriegebiete andererseits ein Immissionswert für Dorfgebiete aufgenommen worden, soweit Gerüche aus Tierhaltungen zu beurteilen sind. Auf die Anwendung der GIRL in der Landwirtschaft wird unten noch gesondert eingegangen, da es in diesem Zusammenhang kontroverse Auseinandersetzungen in Literatur und Rechtsprechung gegeben hat. Auf der 70. Umweltministerkonferenz am 5. und 6. Juni 2008 in Mainz stellte die Umweltministerkonferenz fest, dass die GIRL ein geeignetes Instrument zur Unterstützung des immissionsschutzrechtlichen Vollzugs ist.739

5. Rechtliche Einordnung der GIRL a) Die GIRL in der Fassung des LAI Die GIRL ist jeweils in ihren Versionen von 1993, 1998, 2004 und 2008 vom Länderausschuss für Immissionsschutz verabschiedet und den Bundesländern zur Anwendung bzw. zur Umsetzung im Erlasswege empfohlen worden.740 Eine Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 48 BImSchG ist die GIRL gleichwohl nicht, da sie nicht in dem dort vorgesehenen Verfahren zustande gekommen ist. Sie ist nicht von der Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51 BImSchG) erlassen worden, wie gemäß § 48 Abs. 1 BImSchG vorgesehen, sondern von einem Gremium von Sachverständigen entwickelt und anschließend vom LAI verabschiedet und zur Anwendung empfohlen worden. Weder durch die Verabschiedung noch durch die Empfehlung zur Anwendung durch den LAI ist die GIRL eine Verwaltungsvorschrift im Rechtssinne. Der LAI ist keine Behörde, sondern ein Arbeitsgremium der Umweltministerkonferenz, das als Beratungsgremium der UmweltVgl. Both, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150. Vgl. Both, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150, 156 f. 738 Vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2008, Zu Nr. 1 GIRL, Ableitung der Immissionswerte; vgl. hierzu krit. Lang, NuR 2008, 841 ff. 739 Vgl. Endgültiges Ergebnisprotokoll der 70. Umweltministerkonferenz am 5. und 6. Juni 2008 in Mainz vom 20. 06. 2008, TOP 20: Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL), S. 29, abrufbar unter http: //www.umweltministerkonferenz.de/uploads/EndgueltigesProtokoll _70_UMK_ce7.pdf. 740 Vgl. Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 203; vgl. allgemein zur Regelungsform des Erlasses Leisner, JZ 2002, 219 ff. 736 737

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ministerien des Bundes und der Länder fungiert.741 Zu den Aufgaben des LAI gehören zwar unter anderem die Erarbeitung von Auslegungshinweisen für die in der Praxis der Länder aufgetretenen Auslegungsfragen von bundesweit geltenden Vorschriften und die Erarbeitung von technischen Auslegungen zum Themenfeld Luftreinhaltung, Lärm, Verkehr und elektromagnetische Felder.742 Dies bedeutet aber nicht, dass die vom LAI entwickelten Regelwerke Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 48 BImSchG sind. Die GIRL in der Fassung des LAI ist vielmehr als sonstiges öffentlich-rechtliches Regelwerk zu charakterisieren.743 Die GIRL entfaltet somit weder Bindungswirkung für die Verwaltung noch für die Gerichte.744 Eine Bindungswirkung für die Verwaltung ergibt sich allerdings aus der Einführung der GIRL im Erlasswege in den einzelnen Bundesländern.

b) Anwendung der GIRL durch die Landesbehörden aa) Umsetzungspraxis der einzelnen Bundesländer Die GIRL ist im Erlasswege eingeführt worden in Baden-Württemberg745, Berlin746, Brandenburg747, Hessen748, Mecklenburg-Vorpommern749, Niedersachsen750, Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 213. Vgl. http: //www.lai-immissionsschutz.de/servlet/is/7278/ . Zu den Aufgaben des LAI gehört darüber hinaus die Mithilfe und die Beratung des Bundes bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in praxisgerechte nationale Vorschriften, die Vorbereitung und Begleitung europäischer Rechtssetzungsverfahren sowie Information und Meinungsaustausch über immissionsschutzrechtliche Entwicklungen und deren Bewertung, vgl. ebenda. 743 Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 213. 744 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 69; a.A. Hansmann, der vertritt, dass die GIRL als antizipiertes Sachverständigengutachten von den Gerichten bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen angewendet werden müsse, NVwZ 1999, 1158, 1160; eine hinreichende Wertung soll danach nicht vorliegen, wenn lediglich ausgeführt werde, die Bewertungsmethode der GIRL sei nicht unbestritten, so aber das OVG Bautzen, Beschl. v. 15. 07. 1998, Az.: 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292, 294; vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160; hierzu ist anzumerken, dass sich das Bundesverwaltungsgericht von der ursprünglich einmal zur TA Luft entwickelten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. 02. 1978, Az.: 1 C 102.76, BVerwGE 55, S. 250, 256 ff.) zur Einordnung der TA Luft als antizipiertes Sachverständigengutachten mittlerweile wieder getrennt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985, Az.: 7 C 65.82, BVerwGE 72, S. 300). Eine etwaige Bindungswirkung erkennt die Rechtsprechung nur bei normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, zu denen die GIRL nicht gehört, und unter den oben D. IV. 2. c). erörterten Voraussetzungen, an. 745 In Baden-Württemberg ist die GIRL erstmals mit Schreiben des Umweltministeriums vom 25. 11. 1994, Az.: 43 – 8827.21 / 3 als Erkenntnisquelle und Entscheidungshilfe im Verwaltungsvollzug eingeführt worden (behördenverbindlich). Bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen ist die GIRL nach der Vorstellung des Umweltministeriums stets anzuwenden; im landwirtschaftlichen Bereich kann die zulassende Dienststelle bzw. Fachbehörde entscheiden, ob eine Prüfung nach GIRL erforderlich ist. 746 Die GIRL ist in Berlin bereits im Jahre 1995 erstmalig zur Anwendung eingeführt worden, Richtlinie zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmis741 742

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Nordrhein-Westfalen751, Rheinland-Pfalz752, Saarland753, Sachsen754, SachsenAnhalt755 und Schleswig-Holstein756. In Bremen erfolgt die Beurteilung von Gerüchen in Anlehnung an die GIRL, die dort aber nicht förmlich umgesetzt worden ist. Dabei werden auch nicht alle Regesions-Richtlinie – GIRL) vom 08. 12. 1994 (ABl. Nr. 18 vom 04. 04. 1995, S. 1113), geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 26. 10. 1999 (ABl. Nr. 59 vom 12. 11. 1999, S. 4604); mittlerweile ist in Berlin die GIRL in der Fassung vom 21. 09. 2004 bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Immissionen heranzuziehen; siehe 1. Abs. 7 d) der Ausführungsvorschriften zum Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin (AV LImSchG Berlin) vom 30. 11. 2007. 747 Erlass vom 12. 11. 2007, Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – ) in der Fassung vom 21. 09. 2004 mit Begründung und Auslegungshinweisen vom 21. 09. 2004; Brandenburg hat zudem bereits 2007 besondere Regelungen zur Beurteilung von Gerüchen aus Tierhaltungen eingeführt, dazu unten D. V. 5. b) cc). 748 Die GIRL wurde erstmals 1995 für einen Testzeitraum von zwei Jahren für Kompostierungsanlagen eingeführt und enthielt damals Modifikationen, insbesondere zur Geruchsschwelle. Mittlerweile ist in Hessen die GIRL in der Fassung vom 21. 09. 2004 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 21. 09. 2004 im Erlasswege eingeführt worden. 749 Vgl. Richtlinie zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen in Mecklenburg-Vorpommern (Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL M-V), Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums vom 02. 11. 2006; diese trat mit Wirkung vom 01. 11. 2006 in Kraft und tritt am 31. 12. 2011 außer Kraft. Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschrift trat die Geruchsimmissions-Richtlinie des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 07. 05. 1998 (unveröffentlicht) außer Kraft. 750 In Niedersachsen war bereits die erste Fassung der GIRL zunächst vom Niedersächsischen MU mit Erlass vom 14. 03. 1996 und die überarbeitete Version der GIRL vom 13. 05. 1998 durch Gemeinsamen Runderlass vom 14. 11. 2000 (Nds. MBl. 2001, S. 224) eingeführt worden. Mittlerweile ist die Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen eingeführt worden, Gem RdErl. d. MU, d. MS, d. ML u. d. MW v. 30. 05. 2006, Nds. MBl. Nr. 24 / 2006, S. 657. 751 In Nordrhein-Westfalen wurde die GIRL bereits 1995 mit Erlass vom 12. 01. 1995 für die Dauer von zwei Jahren probeweise zur Orientierung eingeführt. Mittlerweile wurde die GIRL 2004 in Nordrhein-Westfalen mit Erlass vom 11. 10. 2004 eingeführt. 752 In Rheinland-Pfalz wurde die GIRL erstmals per Erlass vom 05. 04. 1993 eingeführt. Sie ist bei der Durchführung von Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren sowie bei Überwachungsmaßnahmen zu beachten, vgl. E. Koch, Immissionsschutzrecht 1997, 6, 9. 753 Im Saarland wurde die GIRL 1993 zuerst am 19. 05. 1995 eingeführt, vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6, 9. 754 In Sachsen ist die GIRL am 16. 03. 1993 in Form einer Verwaltungsvorschrift umgesetzt worden: Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen – Geruchsimmissions-Richtlinie – vom 16. 03. 1993 (SächsABl. Nr. 17 / 1993 vom 22. 04. 1993, S. 514, NVwZ 1995, 46 ff.). 755 Die GIRL wurde in Sachsen-Anhalt zuerst mit Erlass vom 30. 03. 1995 eingeführt, der am 15. 05. 1995 ergänzt wurde, vgl. Kothe, NuR 1998, 240, 243; E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6, 9. 756 Zuerst eingeführt mit Erlass vom 14. 02. 1997; Schleswig-Holstein hat bereits die Neuerungen der GIRL 2008 umgesetzt, vgl. Amtsbl. Schl.-H. 2008, S. 567.

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lungen der GIRL angewendet.757 Auch in Hamburg ist die GIRL nicht förmlich umgesetzt worden. Sie wird dort aber als Erkenntnisquelle und Entscheidungshilfe fallweise bei der Genehmigung und Überwachung von Industrieanlagen und bei der Bauleitplanung angewandt.758 In Thüringen ist eine sprachlich von der GIRL abweichende Regelung eingeführt worden, die jedoch der Systematik der GIRL folgt.759 In Bayern ist derzeit keine spezielle Richtlinie vorgeschrieben, anhand derer Geruchsimmissionen zu bewerten sind. Im Bedarfsfall wird in der Regel die GIRL des Landes Nordrhein-Westfalen als Erkenntnisquelle herangezogen.760 bb) Rechtliche Bindungswirkung bei Einführung auf dem Erlasswege Die Einführung im Erlasswege hat zur Folge, dass die GIRL in diesen Bundesländern grundsätzlich die nachgeordneten Behörden bindet.761 Die Bindungswirkung der Verwaltungsbehörden an eine durch Landeserlass eingeführte GIRL folgt dabei allein aus der Weisungsabhängigkeit der betroffenen Behörden.762 Gleichwohl ist der landesrechtliche Einführungserlass nicht als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts763 anzusehen. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften mit einer weitergehenden, auch von den Gerichten zu beachtenden Bindungswirkung liegen nur vor, wenn und soweit der Gesetzgeber selbst die Konkretisierung der von ihm in allgemeiner Form vorgegebenen Anforderungen dem untergesetzlichen Vorschriftengeber übertragen hat.764 In § 48 BImSchG hat der Gesetzgeber selbst die Kon757 Nach Auskunft des Referates Immissionsschutz, Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa der Hansestadt Bremen werden im Einzelfall allerdings auch von der GIRL abweichende Entscheidungen getroffen. Eine entsprechende Dienstanweisung sei in Vorbereitung. 758 Vgl. Kothe, NuR 1998, 241, 243; so lautete auch eine Auskunft des Amtes für Immissionsschutz und Betriebe, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg. 759 Vgl. Thüringer Richtlinie zur Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen vom 15. 12. 2003, Thüringische Verwaltungsvorschrift vom 17. 12. 2003, ThürStAnz. 2004, S. 157. 760 Vgl. BayLFU, Gerüche und Geruchsbelästigungen, S. 11; vgl. dazu auch VGH München, Beschl. v. 28. 08. 2001, Az.: 26 ZS 01.1413, GewArch 2001, 499. 761 Da die GIRL 2008 erst im Mai 2008 veröffentlicht worden ist, beziehen sich die nachfolgend angegebenen jeweils jüngsten Quellenangaben ganz überwiegend auf die GIRL 2004; es ist jedoch sehr wohl denkbar, dass in denjenigen Bundesländern, in denen die GIRL seit ihrer ersten Veröffentlichung oder im Laufe der letzten 15 Jahre im Erlasswege eingeführt worden ist, auch hinsichtlich der GIRL 2008 entsprechend verfahren werden wird. 762 So Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160. 763 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 15. 02. 1988, Az.: 7 B 219 / 87, NVwZ 1988, 824; BVerwG, Beschl. v. 10. 01. 1995, Az.: 7 B 112 / 94, NVwZ 1995, 994; BVerwG, Beschl. v. 21. 03. 1996, Az.: 7 B 164 / 95, NVwZ-RR 1996, 498. 764 So Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160; vgl. zu den Voraussetzungen für die Annahme einer Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften für die Gerichte oben D. IV. 2. c).

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kretisierung der von ihm vorgegebenen Anforderungen dem untergesetzlichen Vorschriftengeber übertragen, unter anderem in Bezug auf die Festlegung von Immissionswerten und dabei auch im Hinblick auf die Bewertung von Geruchsbelästigungen. Adressatin dieser Konkretisierungsermächtigung ist aber die Bundesregierung, die zum Erlass einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift zudem der Zustimmung des Bundesrates bedarf.765 Die einzelnen Länder sind zwar im Zusammenhang mit ihren Aufgaben zur Durchführung von Bundesrecht zur Normkonkretisierung berufen. Sie können jedoch keine normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 48 BImSchG erlassen.766 Das hat zur Folge, dass die Gerichte an die GIRL als solche nicht gebunden sind, auch wenn diese im Erlasswege eingeführt worden ist.767 Hansmann768 hat hierzu in der Vergangenheit die Ansicht vertreten, die Anwendung der GIRL durch die Verwaltungsbehörden könne im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG auch für Gerichte beachtlich sein.769 Die Annahme einer Bindungswirkung über Art. 3 GG setzt neben einer entsprechenden Verwaltungspraxis einen behördlichen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum voraus, dessen Ausfüllung die Vorschrift dient.770 Der Verwaltung ist im Bereich des Immissionsschutzrechts nach dem Gesetz aber gerade kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt.771 Eine Bindungswirkung über Art. 3 GG besteht daher nicht. Die Frage nach der Beachtlichkeit der GIRL für Gerichte stellt sich in der jüngeren Zeit immer weniger, da die GIRL sowohl in der verwaltungsgerichtlichen als auch in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung an Akzeptanz gewonnen hat und in den letzten Jahren ihre grundsätzliche Anwendbarkeit nur noch vereinzelt abgelehnt wird.772 Soweit ersichtlich ist dies ausschließlich in Bayern der Fall. Dort ist die GIRL auch nicht im Erlasswege eingeführt worden, sondern die Behörden greifen nur nach Bedarf auf die GIRL zurück.773 Die zunehmende Akzeptanz der GIRL bedeutet zwar nicht, dass die Rechtsprechung sich einer etwaigen Bindungswirkung der GIRL unterwirft. Die GIRL ist jedoch zumindest als „Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen“ in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung überwiegend anerkannt.774 So Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160; vgl. auch oben D. IV. 2. a). So Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160; vgl. auch Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 204. 767 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 07. 05. 2007, Az.: 4 B 5 / 07, BauR 2007, 1454; OVG Münster, Urt. v. 20. 09. 2007, Az.: 7 A 1434 / 06, DVBl. 2005, 1515 L, im Volltext n.v. 768 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160. 769 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160. 770 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 27, 29. 771 Vgl. dazu oben D. III. 1. a) cc) (2). 772 Dazu unten D. V. 7. c). 773 Vgl. BayLFU, Gerüche und Geruchsbelästigungen, S. 11. 765 766

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Nach einer Auffassung soll die Bindungswirkung für die betroffene Behörde entfallen, soweit ein atypischer Sachverhalt vorliegt, der in der GIRL nicht berücksichtigt wurde, die GIRL offensichtlich nicht (mehr) mit dem materiellen Recht übereinstimmt oder neue gesicherte Erkenntnisse zur Bewertung der Geruchsimmissionen vorliegen.775 Diese Auffassung hat sich aber weder in der Verwaltungspraxis noch in der Rechtsprechung durchgesetzt. In der Verwaltungspraxis hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass einige Bundesländer auch weiterhin ältere Versionen der GIRL (1993) angewandt haben, während bereits neuere Versionen der GIRL (2004) veröffentlicht worden waren, in die auch neuere Erkenntnisse eingeflossen waren. Teilweise wurde die vom LAI zur Anwendung empfohlene Fassung der GIRL erst mehrere Jahre später im Erlasswege eingeführt. Das OVG Lüneburg776 entschied hierzu mit Urteil vom 03. 05. 2006, dass es für die Anwendbarkeit der GIRL nicht darauf ankäme, ob die GIRL in un- oder veränderter Form Landesbehörden gegenüber (wieder) Bindungswirkung entfaltet, sondern darauf, ob sich Gerichte ihrer als Entscheidungshilfe bedienen dürften, sofern sie dies für angemessen und überzeugend hielten, was das Gericht im zu entscheidenden Fall – mit der Einschränkung, bei den Immissionswerten der GIRL handele es sich nur um einen mehr oder minder groben Anhaltspunkt – bejahte. Diese Rechtsprechung bestätigte das OVG Lüneburg777 mit Beschluss vom 16. 05. 2006, wonach die GIRL 1998 als Entscheidungshilfe bei der Beurteilung der Frage, ob das in Rede stehende Vorhaben (Biogasanlage) zu unzumutbaren Immissionen führt, ungeachtet dessen herangezogen werden könne, dass sie zwischenzeitlich außer Kraft getreten sei. Gleichwohl wird es nach beiden zitierten Entscheidungen für erforderlich gehalten, neuere Erkenntnisse – die in der Fassung der GIRL 2004 bereits enthalten waren, wenn diese auch noch nicht (wieder) in Niedersachsen per Erlass eingeführt worden war – zu berücksichtigen, ohne damit aber die GIRL 1998 für unanwendbar zu erklären. Insgesamt ist die Vorgehensweise der Länder im Hinblick auf die dadurch entstehende sehr uneinheitliche Umsetzungspraxis kritisiert worden.778 Dem kann entgegengesetzt werden, dass die Einführung der GIRL generell eine Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis zumindest im Vergleich zu der vorherigen Praxis der Geruchsbeurteilung zur Folge hatte. Alle Bundesländer, die ihre Verwaltungspraxis danach ausrichteten, haben sich der grundsätzlichen Systematik der GIRL unterworfen, die sich seit ihrer ersten Fassung nicht entscheidend verändert hat. Die 774 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 24. 06. 2004, Az.: 21 A 4130 / 01, NVwZ 2004, 1259; OVG Lüneburg, Beschl. v. 03. 08. 2007, Az.: 12 LA 60 / 07, NVwZ-RR 2008, 94; OVG Münster, Urt. v. 20. 09. 2007, Az.: 7 A 1434 / 06, DVBl. 2007, 1515 L; zuletzt OVG Münster, Beschl. v. 14. 03. 2008, Az.: 8 B 34 / 08, n.v. 775 Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160; entsprechend zur TA Luft: Peschau, UPR 1998, 248, 249. 776 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 03. 05. 2006, Az.: 1 LB 259 / 04, NdsVBl. 2006, 243. 777 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 16. 05. 2006, Az.: 7 ME 6 / 06, ZUR 2006, 497. 778 Vgl. Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 202; Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 66.

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Umsetzungspraxis der Länder könnte daher allenfalls dahingehend kritisiert werden, dass nach der Veröffentlichung einer überarbeiteten Version der GIRL neuere Erkenntnisse nicht berücksichtigt worden sind (wie zum Beispiel die Verwendung eines anderen Ausbreitungsmodells etc.). cc) Modifikation der GIRL durch die Landesbehörden Kritik hat die Umsetzungspraxis der einzelnen Bundesländer auch insoweit erfahren, als die Länder die GIRL bei der Umsetzung teilweise modifiziert haben, was ebenfalls – so die Kritik – zu einer uneinheitlichen Verwaltungspraxis geführt haben soll.779 Bei genauerer Betrachtung der unterschiedlichen Versionen der GIRL zeigt sich, dass die Modifikationen ganz überwiegend den Bereich der Landwirtschaft betreffen. Beispielsweise hat das Land Mecklenburg-Vorpommern bei der Umsetzung der GIRL 2004 bereits einen eigenen Immissionswert für Dorfgebiete (15 % der Jahresstunden) eingeführt, soweit Gerüche aus Tieranlagen zu beurteilen waren, obwohl dieser Wert in der GIRL 2004 in der Fassung des LAI noch nicht enthalten war.780 Die Thüringer Richtlinie zur Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen, die zwar in ihrer Wortwahl gänzlich von der GIRL abweicht, aber grundsätzlich derselben Systematik wie die GIRL folgt, sieht in Nr. 6 besondere Regelungen für Anlagen der Tierhaltung vor, die ebenfalls in der GIRL 2004 nicht enthalten waren. Augenscheinlich sahen die Länder aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit der Beurteilung von Geruchsbelästigungen im landwirtschaftlichen Bereich einen Bedarf dafür, auf regionale Besonderheiten einzugehen und die jeweils vom LAI empfohlene Fassung anhand der individuell relevanten Probleme in den Punkten zu ergänzen, in denen die GIRL keine Regelungen zu den auftretenden Problemen enthielt. Dies betraf, wie die vorgenannten Beispiele zeigen, nahezu ausschließlich die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Tierhaltung. Die Kritik an der uneinheitlichen Umsetzungs- und Verwaltungspraxis der Länder erscheint in diesem Punkt jedoch verfehlt. Es ist grundsätzlich wünschenswert, zu einer bundesweit einheitlichen Anwendung der GIRL in der Fassung des LAI zu gelangen. Dies führte zu einem höheren Maß an Rechtssicherheit, an der Vergleichbarkeit der Entscheidungen und der Vorhersehbarkeit der Bedingungen für Anlagenbetreiber. Es entspräche auch der „Maxime bundesweit einheitlicher Anforderungen“.781 Vgl. Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 202; Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 66. Vgl. Nr. 3.1 GIRL M-V vom 02. 11. 2006. 781 Diese wird in einer Veröffentlichung des Bundesumweltministeriums wie folgt beschrieben wird: „Die seit über 30 Jahren in Deutschland festgelegte Maxime bundesweit einheitlicher Anforderungen hat sich auch für die Umwelt bewährt. Den Bundesländern und den zuständigen Stellen vor Ort ist hierdurch ein Ökodumping erspart geblieben, in deren Verlauf Investoren versuchen könnten, die öffentlichen Stellen gegeneinander auszuspielen, um Nachlässe etwa bei der Luftreinhaltung zu erwirken.“ Bundesumweltministerium, Immis779 780

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Es darf dabei aber nicht verkannt werden, dass es sich bei der Beurteilung von Geruch nicht um einen schematischen Vorgang handelt, wie in den Kapiteln B. und C. ausführlich dargestellt worden ist. Im Umkreis eines Industriestandortes stellen sich andere Probleme als im Umkreis intensiver Nutztierhaltung, da verschiedene Typen von Emissionsquellen unterschiedliche Auswirkungen haben. Auch innerhalb des Problemkreises „Nutztierhaltung“ weist die Rinderhaltung andere Probleme als die Geflügelhaltung oder als die Schweinehaltung auf. Dies ist im Verbundprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ bestätigt worden und hat zu den erwähnten Änderungen in der aktuellen Version der GIRL geführt. Bereits in der Vergangenheit war es auch auf der Grundlage der GIRL möglich, wenn nicht im Einzelfall sogar notwendig, für die jeweils von den Behörden zu beurteilenden Geruchsimmissionsproblematiken individuelle Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Entscheidend für die Einheitlichkeit der Verwaltungspraxis ist die methodische Vorgehensweise. Die GIRL spricht insoweit von „einheitlichen Maßstäben und Beurteilungsverfahren“. Die GIRL bietet das „Gerüst“ zur systematischen und einheitlichen Beurteilung von Geruchsimmissionen, sie bietet jedoch zugleich an verschiedenen Stellen ganz bewusst die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Besonderheiten im Einzelfall.782 Als bemerkenswertes Beispiel sei genannt, dass die GIRL sogar vorsieht, von den 2008 eingeführten Gewichtungsfaktoren für Tiergeruchsqualitäten regional abzuweichen, wenn wissenschaftliche Untersuchungen dort eine abweichende Belästigungsreaktion der Betroffenen belegen (vgl. Begründung und Auslegungshinweise, zu Nr. 4.6 GIRL, Ermittlung der belästigungsrelevanten Kenngröße IGb). Soweit „die“ einheitliche Beurteilung von Geruchsimmissionen gefordert wird, welche die GIRL angeblich nicht erfülle, werden Anforderungen an die GIRL gestellt, die diese selbst nicht erfüllen will. Das System der GIRL ist von nahezu allen Bundesländern adaptiert worden. Selbst diejenigen Bundesländer, die die GIRL nicht im Erlasswege eingeführt haben, ziehen diese in Einzelfällen zur Beurteilung von Geruchsimmissionen heran. Solange die Landesbehörden in der Vergangenheit bei ihren Entscheidungen über die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen den Anforderungen an eine systematische und gleiche Herangehensweise genügten, wie sie die GIRL vorgibt, ist ihr Vorgehen nicht zu beanstanden. Sollte es zur Heranziehung unterschiedlicher Immissionswerte in Bezug auf die Tierhaltung gekommen sein, widerspräche dies zwar der „Maxime bundesweit einheitlicher Anforderungen“ an die Bewertung von Geruch. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Immissionswerte der GIRL von der Rechtsprechung nicht als „absolut“ geltende Werte angesehen werden. Sie werden vielmehr als Anhaltspunkt für die Bewertung von Geruch herangezogen.783 sionsschutz in Deutschland, abrufbar unter http: //www.bmu.de/files/luftreinhaltung/down loads/application/pdf/hintergrund_bimschg.pdf. 782 Vgl. Nr. 1 Abs. 2, Nr. 3.1 Abs. 5, Nr. 5 GIRL. 783 Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 24. 06. 2004, Az.: 21 A 4130 / 01, NVwZ 2004, 1259.

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Daher kann in der Praxis auch eine Genehmigungsbehörde ihre Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage nicht allein von der Einhaltung der Immissionswerte der GIRL abhängig machen. Das Problem der uneinheitlichen Umsetzung der GIRL dürfte – zumindest für den Bereich der Beurteilung von Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen – durch die Veröffentlichung der GIRL 2008 ganz überwiegend behoben worden sein, da in der GIRL 2008 erstmals ein eigener Immissionswert für Dorfgebiete aufgestellt wird, soweit Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen zu beurteilen sind (Nr. 3.1 GIRL 2008). In der GIRL 2008 wurden zudem die neuesten Erkenntnisse über die Auswirkungen der tierartspezifischen Geruchsqualität auf die Belästigungswirkung berücksichtigt, so dass die unterschiedlichen Geruchsqualitäten verschiedener Tierarten nun bei der Ermittlung der Zusatzbelastung durch Geruch unterschiedlich behandelt werden (Nr. 4.6 GIRL 2008). Diese Vorgehensweise hatte das Land Brandenburg bereits mit Erlass vom 12. 11. 2007 vorgegeben.784 Schleswig-Holstein hat diese neuesten Vorgaben zur Beurteilung von Geruchsimmissionen aus Tierhaltungen im Juni 2008 – und damit kurz nach der Verabschiedung der GIRL 2008 – umgesetzt.785 Es zeigt sich daher, dass die Länder besondere Regelungen ausschließlich dort entwickelten, wo die Fassung des LAI für die Beurteilung der konkreten Problemfälle noch nicht ausreichte, dass aber im Zuge der weiteren Untersuchung und Forschung auf dem Gebiet der Expositions-Wirkungs-Beziehung von Geruch auch die GIRL in der Fassung des LAI den relevanten Problemen Rechnung trägt und die dort getroffenen Regelungen auf fundierte Erkenntnisse stellt, von denen dann wiederum die Länder profitieren können.

6. Die Systematik der GIRL a) Anwendungsbereich der GIRL (Nr. 1 GIRL) Sinn und Zweck der GIRL786 ist es, für die Beurteilung von Geruchsimmissionen und der daraus gegebenenfalls folgenden Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen im Interesse der Gleichbehandlung einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren aufzustellen, solange bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften hierzu nicht existieren (Nr. 1 Abs. 4 GIRL). Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen kann die GIRL nach Nr. 1 Abs. 5 sinngemäß angewendet werden. 784 Vgl. Erlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg vom 12. 11. 2007. 785 Vgl. Amtsbl. Schl.-H. vom 16. 06. 2008, S. 572 f. 786 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die GIRL 2008, soweit nicht anders gekennzeichnet. Da die GIRL 2008 erst im Mai 2008 veröffentlicht worden ist, bezieht sich die zitierte Literatur auf die GIRL 2004 oder ältere Versionen der GIRL, soweit die behandelten Regelungen in der GIRL 2008 unverändert geblieben sind.

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Die GIRL knüpft damit an den Anwendungsbereich der TA Luft an und gilt unmittelbar nur für genehmigungsbedürftige Anlagen.787 In den Auslegungshinweisen wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der sinngemäßen Anwendbarkeit der GIRL auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen um eine Kann-Bestimmung handelt. Treten bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen auf, so ist zunächst zu prüfen, ob die nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen ausgeschöpft sind (vgl. Begründung und Auslegungshinweise, zu Nr. 1 GIRL, „Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen“). Zur Beurteilung der Erheblichkeit einer Geruchswirkung stellt die GIRL in Abhängigkeit von verschiedenen Baugebieten Immissionswerte als regelmäßigen Maßstab für die höchstzulässige Geruchsimmission fest (Nr. 3.1. GIRL). Mit diesen Immissionswerten sind die Kenngrößen zu vergleichen, die auch die durch andere Anlagen verursachte, vorhandene Belastung berücksichtigen. Dabei kann die Hedonik ergänzend durch Gewichtungsfaktoren berücksichtigt werden (Nr. 5 GIRL). Zur Geruchsqualität enthält die GIRL die bereits erwähnte Neuregelung in Bezug auf Tierhaltungsanlagen (Nr. 4.6 GIRL). In den Auslegungshinweisen wird zudem ausgeführt, dass ein Vergleich der ermittelten Belastung mit den Immissionswerten nicht immer ausreicht. Regelmäßiger Bestandteil der Beurteilung der Erheblichkeit der Belästigung ist deshalb im Anschluss an die Bestimmung der Geruchshäufigkeit die Prüfung, ob Anhaltspunkte für ein Vorgehen nach Nr. 5 der GIRL für den jeweiligen Einzelfall bestehen (vgl. Begründung und Auslegungshinweise, zu Nr. 1 GIRL, „Bewertung von Gerüchen“). Die GIRL sieht zwei Verfahren vor, anhand derer die vorhandene Belastung und die zusätzliche Belastung am (geplanten) Anlagenstandort zu bestimmen ist. Für die Ermittlung der vorhandenen Belastung sind im Allgemeinen olfaktorische Feststellungen im Rahmen von Begehungen entsprechend der VDI-RL 3940 vorzunehmen (Nr. 4.1, 4.4 GIRL); die vorhandene Belastung kann jedoch auch durch eine Geruchsausbreitungsrechnung ermittelt werden. Die Ermittlung der Zusatzbelastung erfolgt stets anhand einer Geruchsausbreitungsrechnung (Nr. 4.5 GIRL). Nach der GIRL hat die Geruchsausbreitungsrechnung auf der Basis der VDI-RL 3788 (Blatt 1), des Anhangs 3 der TA Luft und der speziellen Anpassung für Geruch entsprechend dem Referenzmodell AUSTAL 2000 (AUSTAL 2000G) zu erfolgen. Aus der vorhandenen Belastung und der zu erwartenden Zusatzbelastung ist durch Addition die zukünftige Gesamtbelastung zu ermitteln, die mit den von der GIRL vorgegebenen Immissionswerten zu vergleichen ist (Nr. 4.6 GIRL). Die GIRL sieht eine Sonderregelung für die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage für den Fall vor, dass die zu erwartende Zusatzbelastung durch die zu beurteilende Anlage die in Nr. 3.3 genannten Kriterien der Irrelevanz erfüllt oder eine Interessenabwägung mit anderen, die Zumutbarkeit der Geruchsimmission beeinflussenden Kriterien ergibt, dass die Geruchsbelästigung nicht als erheblich zu 787

Dazu oben D. III. 1. c) aa) (1).

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qualifizieren ist. Die GIRL öffnet somit bereits in Nr. 1 den Weg für eine Überschreitung der Immissionswerte bzw. für die Festlegung von strengeren Immissionswerten unter bestimmten Voraussetzungen. In Nr. 1 GIRL wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Beurteilung von Geruchsbelästigungen grundsätzlich von derjenigen anderer Immissionen unterscheidet, da der Nachweis von Geruchsimmissionen im Vergleich schwerer fällt und die belästigende Wirkung von Geruch stark von der Sensibilität und der subjektiven Einstellung der Betroffenen abhängt und dass aus diesem Grund bei der Erfassung, Bewertung und Beurteilung von Geruchsimmissionen eine Vielzahl von Kriterien in Betracht zu ziehen ist. Die GIRL verdeutlicht damit, dass die Geruchsbewertung kein schematischer Vorgang ist.

b) Vorrang der Vorsorgeanforderungen der TA Luft (Nr. 2 GIRL) Nach Nr. 2 GIRL ist vor einer Immissionsbeurteilung zu prüfen, ob die nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Verminderung der Emissionen – unter Verweis auf Nr. 5 TA Luft – ausgeschöpft sind, und ob die Ableitung der Restemissionen den Anforderungen der Nr. 5.5 TA Luft entspricht.788 Die GIRL räumt damit dem Grundsatz der Verminderung erheblicher Geruchsimmissionen im Wege der Vorsorge einen Vorrang ein und erkennt ausdrücklich die TA Luft als höherrangiges Regelwerk an. Der Vorrang der TA Luft vor der GIRL folgt bereits aus dem unterschiedlichen Rangverhältnis der Vorschriften. Soweit Vorgaben des BImSchG nicht durch das Gesetz selbst oder durch Rechtsverordnungen konkretisiert werden, ist für den Bereich der Luftreinhaltung die TA Luft die rangnächste Regelung, die zur Konkretisierung des BImSchG heranzuziehen ist. Erst wenn sich aus der TA Luft keine weiteren Anhaltspunkte ergeben – im Hinblick auf den Schutz vor Geruchsimmissionen weist die TA Luft schon in Nr. 1 auf die Regelungslücke hin –, kann auf andere Regelwerke zurückgegriffen werden. In Bezug auf nicht genehmigungsbedürftige Tierhaltungsanlagen räumt die GIRL auch den VDI-Richtlinien 3471 und 3472 einen gewissen Vorrang ein. Die (Bau-)Genehmigungsbehörde kann bei nicht genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlagen die Entscheidung über die (Bau-)Genehmigungsfähigkeit auf die Einhaltung der Abstände nach den vorgenannten Richtlinien gründen, vgl. Nr. 1 Abs. 6. Dies entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem dort, wo die Anwendung einfacherer Regelungen zu brauchbaren und aussagekräftigen Feststellungen führt, auf kostenträchtige Einzelgutachten zu verzichten ist.789

788 789

Dazu oben D. IV. 3. c). So Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 76.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

c) Beurteilungskriterien (Nr. 3 GIRL) aa) Immissionswerte (Nr. 3.1 GIRL) In Nr. 3.1 legt die GIRL Immissionswerte für Geruch fest. Eine Geruchsimmission ist nach der GIRL zu beurteilen, wenn sie nach ihrer Herkunft aus Anlagen erkennbar, das heißt abgrenzbar ist gegenüber Gerüchen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder ähnlichem. Nur in Ausnahmefällen werden diese Quellen – Kraftfahrzeugverkehr, Hausbrandbereich, andere nicht nach Nr. 3.1 GIRL zu erfassende Quellen – bei der Beurteilung der Geruchsimmissionen berücksichtigt (Nr. 5 Abs. 1 a) GIRL). Die Geruchsimmission ist in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten, wenn die Gesamtbelastung (IG) die in Tabelle 1 der GIRL angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet. Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden. Die GIRL sieht in ihrer Fassung aus dem Jahre 2008 drei verschiedene Immissionswerte vor. Für Wohn- / Mischgebiete gilt ein Immissionswert von 0,10 (dies entspricht einem Anteil von 10% Geruchsstunden bezogen auf die Gesamtanzahl an Jahresstunden), für Gewerbe- / Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15 (15% Jahresgeruchsstundenanteil) und für Dorfgebiete ebenfalls ein Immissionswert von 0,15 (15 % Jahresgeruchsstundenanteil); letzterer gilt allerdings nur, soweit Geruchsimmissionen beurteilt werden, die durch Tierhaltungsanlagen verursacht werden und unter Berücksichtigung der belästigungsrelevanten Kenngröße IGb nach Nr. 4.6 GIRL. Wie bereits zuvor in den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 GIRL weist die GIRL an dieser Stelle nochmals darauf hin, dass ein Vergleich mit den Immissionswerten nicht immer zur Beurteilung der Erheblichkeit der Belästigung ausreicht. Regelmäßiger Bestandteil dieser Beurteilung ist deshalb im Anschluss an die Bestimmung der Geruchshäufigkeit die Prüfung, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung nach Nr. 5 für den jeweiligen Einzelfall bestehen. Nach Nr. 3.2 GIRL gelten die Immissionswerte nur in Verbindung mit den in der GIRL in Nr. 4 festgelegten Verfahren zur Ermittlung der Kenngröße für die Geruchsimmission. Über die Regelung in Nr. 4.4.1 GIRL hinausgehend berücksichtigt die Festlegung der Immissionswerte Unsicherheiten, die sich aus der olfaktometrischen Emissionsmessung sowie der Berechnung der zu erwartenden Zusatzbelastung nach Nr. 4.5 GIRL ergeben. bb) Immissionskontingentierung Wenngleich eine Immissionskontingentierung in Nr. 3.1 GIRL nicht ausdrücklich erwähnt wird, so weisen die Begründung und die Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 GIRL jedoch auf die Möglichkeit einer entsprechenden Kontingentierung hin. Im Bauleitplanverfahren, in dem die GIRL in der Praxis auch als Beurteilungsgrundlage herangezogen wird, stellt demnach die Frage der Kontingentierung der Immissionsteile für einzelne Anlagen häufig ein Problem dar. Die GIRL sieht inso-

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weit vor, dass eine einzelne Anlage in der Regel den zulässigen Immissionswert nicht ausschöpfen sollte. Als mögliche Lösungsansätze schlägt die GIRL vor, zum Beispiel lediglich 50 v.H. des Immissionswertes zuzulassen, im Rahmen einer Schornsteinhöhenberechnung lediglich die zusätzliche Beaufschlagung der betroffenen Flächen um 0,06 Geruchsstundenanteil an Jahresstunden zuzulassen790 oder das Irrelevanzkriterium zur Anwendung zu bringen. Unabhängig davon ist nach der GIRL auch hier auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG bei genehmigungsbedürftigen Anlagen und ggf. auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen stets die Einhaltung des Standes der Technik zu fordern. cc) Irrelevanzkriterium (Nr. 3.3 GIRL) Die GIRL sieht in Nr. 3.3 vor, dass die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden soll, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, den Wert 0,02 überschreitet (Irrelevanzkriterium). Die GIRL geht bei Einhaltung dieses Wertes davon aus, dass die Anlage die Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht. Sie stellt jedoch klar, dass bei der Prüfung auf Einhaltung des Irrelevanzkriteriums weder der Faktor für angenehme Gerüche, noch derjenige für unterschiedliche Geruchsqualitäten verschiedener Tierarten Anwendung findet.

d) Messverfahren – Ermittlung der Kenngrößen der Geruchsimmission (Nr. 4 GIRL) aa) Allgemeines In Nr. 4 GIRL wird die Ermittlung der Kenngrößen der Geruchsimmissionen geregelt. Dabei unterscheidet die GIRL zwischen der Ermittlung im Genehmigungsverfahren und der Ermittlung im Überwachungsverfahren. Darüber hinaus werden jeweils Regeln für die Ermittlung der vorhandenen Belastung und für die Ermittlung der zu erwartenden Zusatzbelastung im Genehmigungsverfahren festgelegt. Grundsätzlich wird in allen Fällen die Geruchsimmission durch einen Wert, den die GIRL als Kenngröße bezeichnet, festgelegt. Diese Kenngröße beschreibt die zeitliche Wahrnehmbarkeit der Geruchsimmission oberhalb einer bestimmten Intensität (Erkennungsschwelle), vgl. Nr. 4.1 GIRL. Die GIRL sieht zur Ermittlung der Vorbelastung zwar grundsätzlich die Begehung vor. Allerdings kann alternativ zur Begehung – die sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht erheblichen Aufwand erfordert – eine Ausbreitungsrechnung durchgeführt werden, wenn auf Grund vorliegender Messungen oder Schätzungen anzunehmen ist, dass die 790

Vgl. dazu VG Stade, Beschl. v. 10. 07. 2001, Az.: 6 B 278 / 01, NVwZ 2002, 619.

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vorhandene Belastung 70 v.H. des anzuwendenden Immissionswerts nach Tabelle 1 GIRL unterschreitet oder wenn die Ermittlung der Belastung durch Begehungen als unverhältnismäßig eingeschätzt werden muss, vgl. Nr. 4.1 Abs. 2 GIRL.791 In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, etwaige bereits vorhandene Geruchsemissionsquellen eingehend zu untersuchen (durch Emissionsmessungen nach DIN EN 13725 oder Fahnenbegehungen nach VDI-RL 3940 Blatt 2). bb) Ermittlung der vorhandenen Belastung durch Rasterbegehungen Die Methode der Ermittlung von Geruchsimmissionen durch Rasterbegehungen ist im Kapitel C. ausführlich dargestellt worden.792 Bei der Rasterbegehung wird ein fiktives Raster über das Beurteilungsgebiet gelegt und es werden jeweils an den vier Eckpunkten eines jeden Quadrates Messungen vorgenommen. Aus diesen vier Messergebnissen wird sodann ein Messergebnis für die jeweils beurteilte Fläche errechnet, wie oben dargestellt worden ist (sog. Flächenbezug). Einen solchen Flächenbezug beinhaltete auch die TA Luft 1986. Als Nachteil wurde dabei zwar gesehen, dass durch die Mittelung der Belastung, die an den Eckpunkten der einzelnen Flächen festgestellt wurde, einerseits eine gewisse Nivellierung der tatsächlichen Belastung herbeigeführt werde, als Vorteil wurde daran allerdings gesehen, dass andererseits eine Aussage für das gesamte Beurteilungsgebiet ermöglicht werde.793 Würden demgegenüber Kenngrößen nur für ganz wenige Punkte im Beurteilungsgebiet ermittelt, müssten diese so gewählt werden, dass sie eine Aussage für den gesamten Einwirkungsbereich der Anlage zuließen. Um eine sichere Aussage über die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Schutzpflichten treffen zu können, müssten dazu die Punkte mit der mutmaßlich höchsten Gesamtbelastung gewählt werden, soweit an diesen Punkten noch eine relevante Zusatzbelastung durch die Anlage verursacht werde. Präzise Vorgaben zur Festlegung der Punkte seien dabei wegen der zahlreichen zu berücksichtigenden Umstände, die im Rahmen der Immissionsprognose lediglich abgeschätzt werden könnten, kaum möglich.794

791 Um zu verdeutlichen, wie sich das Verhältnis von Begehungen und Immissionsprognosen anhand von Ausbreitungsrechnungen darstellt, wird auf den Vortrag von Both / Müller, Behördliche Erwartungen an die Messung und Bewertung von Gerüchen, Seminar „Messung und Bewertung von Geruchsemissionen und -immissionen“, Lichtenwalde, 26. 09. 2006, verwiesen. Danach wird für die Ermittlung und Bewertung von Gerüchen in Nordrhein-Westfalen in etwa 80% der Fälle eine Immissionsprognose durchgeführt. Nur in etwa 15% der Fälle werden Rasterbegehungen durchgeführt. Die Präsentation zum Vortrag ist abrufbar unter http: //ifu-analytik.dnsalias.net/ifu/lib/pdf/2006/Vortrag_Müller_2006.pdf; ein Abstract des Vortrags ist abrufbar unter http: //ifu-analytik.dnsalias.net/ifu/lib/pdf/2006/Vortrag_ Müller_2006_Text.pdf. 792 Vgl. oben C. II. 5. b). 793 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.6.2.6 Rn. 2. 794 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.6.2.6 Rn. 2.

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Gleichwohl ist mit der TA Luft 2002 vom Flächenbezug abgewichen und zum Punktbezug übergegangen worden. Dies ist den Vorgaben im Luftqualitätsrecht der Gemeinschaft geschuldet.795 Danach ist eine Mittelung der Messergebnisse von mehreren Messstellen im Rahmen der allgemeinen Beurteilung der Luftqualität unzulässig.796 Dies schließt eine flächenbezogene Beurteilung der Auswirkungen einzelner Anlagen zwar nicht aus.797 Der Vorschriftengeber ist aber zur Vermeidung der parallelen Anwendung von zwei Beurteilungssystemen zum Punktbezug übergegangen.798 Der Flächenbezug in der GIRL konnte dennoch beibehalten werden, da die TA Luft insoweit eine Regelungslücke aufweist und daher keine Sperrwirkung gegenüber der GIRL entfaltet.799 Darüber hinaus wird die GIRL zumeist zur Beurteilung der Geruchsimmissionen, die von einer Anlage herbeigeführt werden, herangezogen, so dass auch nach den vorherigen Ausführungen nichts gegen eine Beibehaltung des Flächenbezugs spricht.800 Die von der GIRL vorgesehene Methodik der Rasterbegehung beruht auf der VDI-RL 3940 Blatt 1. Die GIRL sieht in den Nrn. 4.4.1 bis 4.4.7 in wenigen Punkten kleinere Ergänzungen zu den Regelungen der VDI-RL 3940 Blatt 1 vor. Die Lage der Rasterflächen ist an die vorhandene bzw. planungsrechtlich zulässige Bebauung sowie Besonderheiten vor Ort anzupassen. In Abweichung von der Standardflächengröße 250 m  250 m ist die Wahl eines kleineren Rasters von bis zu 50 m  50 m bis hin zu einer Punktbetrachtung in begründeten Einzelfällen möglich. Dabei wird in der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 4.4.3 GIRL ausgeführt, dass Inhomogenitäten der Belästigungen, die zu einer Verkleinerung der Fläche führen können, sich häufig im Nahbereich einer Anlage bei niedriger Quellhöhe oder in topographisch stark gegliederten Gebieten ergeben könnten. Hier sei eine Abstimmung zwischen Gutachter und Behörde besonders wichtig. Mit einer Flächenverkleinerung soll erreicht werden, zu einer für den Einzelfall gerechten Lösung zu kommen (vgl. Begründung und Auslegungshinweise, zu Nr. 4.4.3 GIRL, Lage und Größe der Beurteilungsflächen, Beurteilungsflächen als Grundlage der Immissionsbewertung). Eine erwähnenswerte Regelung ist in Nr. 4.4.1 GIRL enthalten. Danach wird bei der Errechnung der vorhandenen Belastung ein Korrekturfaktor verwendet. Die Kenngröße für die vorhandene Belastung (IV) ergibt sich aus IV ˆ k 

795 796 797 798 799 800

Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.6.2.6 Rn. 3. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.6.2.6 Rn. 3. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.6.2.6 Rn. 3. Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.6.2.6 Rn. 3. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 113. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 113.

nv N

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Hierbei bedeutet N den Erhebungsumfang (N = 52 oder 104) und nV die Summe der an den vier Eckpunkten der Beurteilungsfläche erhobenen Geruchsstunden. Der Korrekturfaktor k wird benötigt, um die unterschiedliche Aussagesicherheit der mit einem Erhebungsumfang von 52 oder 104 Begehungen ermittelten vorhandenen Belastung berücksichtigen zu können. Die GIRL sieht insoweit bei einem Erhebungsumfang von 52 / 104 einen Korrekturfaktor von 1,7 / 1,5 für Wohn- / Mischgebiete, einen Korrekturfaktor von 1,6 / 1,3 für Gewerbe- / Industriegebiete und einen Korrekturfaktor von 1,6 / 1,3 für Dorfgebiete vor. Der Faktor beruht auf einer Hypothesenprüfung unter Anwendung der Binomialverteilung801 (Nr. 4.4.1 GIRL). Der Korrekturfaktor soll ausschließlich im Genehmigungsverfahren zur Anwendung kommen, da die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen wegen der Unsicherheiten der Begehungsmethode andernfalls nicht als statistisch sicher angesehen werden kann. In den Auslegungshinweisen der GIRL wird insoweit auf § 6 Abs. 1 BImSchG verwiesen, wonach die Genehmigung unter anderem zu erteilen ist, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. In den Auslegungshinweisen wird hierzu weiter ausgeführt, dass demgegenüber Korrekturfaktoren im Überwachungsverfahren nicht verwendet werden müssen. Grund für diese Unterscheidung sei die unterschiedliche materielle Beweislast bei nicht weiter aufklärbaren Zweifeln an der Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen. Im Genehmigungsverfahren müsse der Schutz vor erheblichen Belästigungen sichergestellt bzw. nachgewiesen sein. Anordnungen nach den §§ 17 und 24 BImSchG setzten dagegen den Nachweis von Verstößen gegen die immissionsschutzrechtlichen Pflichten voraus (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 4.3 GIRL, Anwendung der Korrekturfaktoren bei Rasterbegehungen). cc) Ermittlung der zu erwartenden Zusatzbelastung anhand der Ausbreitungsrechnung Die Zusatzbelastung wird anhand der Ausbreitungsrechnung ermittelt. Die GIRL sieht vor, dass die zu erwartende Zusatzbelastung mit dem in Anhang 3 der TA Luft beschriebenen Ausbreitungsmodell und der speziellen Anpassung für Geruch (AUSTAL 2000G) zu erfolgen hat. dd) Auswertung der Ermittlungsergebnisse (1) Allgemeines Aus der vorhandenen Belastung IV und der zu erwartenden Zusatzbelastung IZ wird nach Nr. 4.6 GIRL die Gesamtbelastung IG ermittelt. Dabei ergibt sich die 801 Die Binomialverteilung ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Sie beschreibt den wahrscheinlichen Ausgang einer Folge von gleichartigen Versuchen, die jeweils nur zwei mögliche Ergebnisse haben.

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Kenngröße der Gesamtbelastung aus der Addition von IV und IZ. Die GIRL führt hierzu aus, dass Häufigkeitswerte voneinander unabhängiger Verteilungen zwar grundsätzlich nicht auf einfache Weise addiert werden können. Die algebraische Addition der vorhandenen Belastung und der zu erwartenden Zusatzbelastung stelle eine für die praktische Anwendung gebotene Vereinfachung dar, die auf dem Multiplikationstheorem der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhe. Dabei werde davon ausgegangen, dass das Produkt pv * pz als Korrekturterm zu vernachlässigen sei, weil die Teilwahrscheinlichkeiten pv und pz deutlich unter 10 v.H. lägen (pv = Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Geruchsereignisses in der vorhandenen Belastung, pz = Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Geruchsereignisses in der zu erwartenden Zusatzbelastung). (2) Sonderregelung für die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen In Nr. 4.6 enthält die GIRL 2008 eine neue Regelung für die Beurteilung von Geruchsimmissionen, die durch Tierhaltungsanlagen verursacht werden. In diesem Fall ist eine belästigungsrelevante Kenngröße IGb zu berechnen und diese anschließend mit den von der GIRL vorgesehenen Immissionswerten nach Tabelle 1 zu vergleichen. Bei der Berechnung der belästigungsrelevanten Kenngröße wird die gefundene Gesamtbelastung IG mit einem Gewichtungsfaktor multipliziert, welcher wiederum aus der jeweiligen tierartspezifischen Geruchshäufigkeit und einem tierartspezifischen Gewichtungsfaktor zusammengesetzt ist. Die tierartspezifische Geruchsqualität Mastgeflügel wird mit einem Gewichtungsfaktor von 1,5 beaufschlagt, die Geruchsqualität Mastschweine / Sauen mit einem Gewichtungsfaktor von 0,75 und die Geruchsqualität Milchkühe mit Jungtieren mit einem Gewichtungsfaktor von 0,5 (Tabelle 4 GIRL). Diese Faktoren sind das Ergebnis der bereits zitierten Untersuchung „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“. Zu dieser Neuregelung enthalten die Auslegungshinweise zu Nr. 4.6 GIRL noch den oben bereits erwähnten Hinweis, nach dem von den Gewichtungsfaktoren der Tabelle 4 regional abgewichen werden kann, wenn wissenschaftliche Untersuchungen in der jeweiligen Region eine abweichende Belästigungsreaktion der Betroffenen belegen.

e) Beurteilung im Einzelfall (Nr. 5 GIRL) In Nr. 5 sieht die GIRL eine sogenannte Beurteilung im Einzelfall vor. Unter den dort beschriebenen Voraussetzungen reicht der Vergleich der ermittelten Gesamtbelastung mit den Immissionswerten der Tabelle 3.1 GIRL nicht aus. Zum einen ist dies nach der GIRL der Fall, wenn auf einzelnen Beurteilungsflächen in besonderem Maße Geruchsimmissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich oder anderen nicht nach Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL zu erfassenden Quellen auftreten. Zum anderen ist eine Beurteilung im Einzelfall erforderlich, wenn An-

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haltspunkte dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich Hedonik und Intensität der Geruchswirkung, der ungewöhnlichen Nutzungen in dem betroffenen Gebiet oder sonstiger atypischer Verhältnisse trotz Einhaltung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden (zum Beispiel Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche) oder trotz Überschreitung der Immissionswerte eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit durch Geruchsimmissionen nicht zu erwarten ist (zum Beispiel bei Vorliegen eindeutig angenehmer Gerüche). Hier sieht die GIRL die bereits erwähnte Möglichkeit vor, im Falle hedonisch eindeutig angenehmer Gerüche deren Beitrag zur Gesamtbelastung mit dem Faktor 0,5 zu wichten, wobei zur Feststellung eindeutig angenehmer Anlagengerüche die Methode zur hedonischen Klassifikation von Anlagengerüchen – Methode der Polaritätenprofile – anzuwenden ist. In Nr. 5 GIRL werden darüber hinaus noch Beurteilungskriterien aufgezählt, die bei der Ermittlung der Erheblichkeit heranzuziehen sind. Die GIRL betont zunächst, dass die Erheblichkeit in Einzelfällen nur durch Abwägung der dann bedeutsamen Umstände festgestellt werden kann. Unter Berücksichtigung der eventuell bisherigen Prägung eines Gebietes durch eine bereits vorhandene Geruchsbelastung (Ortsüblichkeit) können dann noch der Charakter der Umgebung, insbesondere die in Bebauungsplänen festgelegte Nutzung der Grundstücke, landes- oder fachplanerische Ausweisungen und vereinbarte oder angeordnete Nutzungsbeschränkungen, besondere Verhältnisse in der tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Geruchseinwirkungen sowie Art und Intensität der Geruchseinwirkung berücksichtigt werden, wobei bei der Art der Gerüche zu beachten ist, dass Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche bereits eine Gesundheitsgefahr darstellen können. 7. Resonanz auf die GIRL in Rechtsprechung und Literatur a) Allgemeines Die GIRL ist in Literatur und Rechtsprechung zum Teil sehr kontrovers diskutiert worden.802 Für besonders kontroverse Auseinandersetzungen hat die Anwendung der GIRL im Bereich der Landwirtschaft und dort insbesondere im Zusammenhang mit der Tierhaltung geführt.803 Gerade für den Bereich der Land802 Vgl. Lang, NuR 2008, 15; dies., Rechtliche Beurteilung, S. 65 ff.; Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97 ff.; Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201 ff.; Gablenz, ZMR 2000, 499, 500 f.; Buchholz, AgrarR 2000, 5, 6; Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205 ff.; Hansmann, NVwZ 1999, 1158 ff.; Kothe, NuR 1998, 240, 242 f.; Peschau, UPR 1998, 248 ff.; E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 ff.; Both, in: KTBL (Hrsg.), Geruchsemissionen aus der Landwirtschaft, S. 24 ff.; Krause, in: KTBL (Hrsg.), Geruchsemissionen aus der Landwirtschaft, S. 31, 36 f.; Krause / Munack, Landtechnik 1995, 268; Paduch, Staub – RdL 1995, 389 ff.; Both / Otterbeck / Prinz, Staub – RdL 1993, 407 ff.

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wirtschaft ist der GIRL über einen langen Zeitraum die Geeignetheit zur Beurteilung von Geruchsimmissionen abgesprochen worden.804 Da die Landwirtschaft einer der wesentlichen Verursacher von Geruchsimmissionen ist, verwundert es nicht, dass gerade in diesem Bereich die GIRL intensiv diskutiert wurde und dass auch die gerichtlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit der GIRL nahezu ausschließlich die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Tierhaltung zum Gegenstand haben. Die Kritik sowohl von Seiten der Literatur als auch von Seiten der Rechtsprechung an der GIRL hat in den letzten Jahren gleichwohl abgenommen.805 Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass sich in den erwähnten Untersuchungen „Hedonik-Projekt“ und „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“806 sowie in einigen anderen Untersuchungen807 das System der GIRL wiederholt bestätigt hat. Möglicherweise hat die GIRL auch nicht zu einer erheblichen Verschärfung der Anforderungen an Anlagenbetreiber geführt, wie zunächst in der Literatur befürchtet worden war808 und auch daher weiter an Akzeptanz gewonnen. Im Folgenden 803 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung von Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 65 ff., die die rechtliche Beurteilung von Gerüchen aus der Schweinehaltung darstellt und die GIRL insbesondere unter dem Aspekt der Verwendung im landwirtschaftlichen Bereich untersucht. Lang kommt zu dem Ergebnis, dass das Regelungskonzept der GIRL insgesamt erhebliche Mängel aufweist und derzeit als nicht ausreichend angesehen werden kann, um den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG gesetzeskonform zu konkretisieren, vgl. a. a. O., S. 121, 122. 804 Vgl. Krause, in: Grimm (Hrsg.), Immissionsschutz in der Landwirtschaft, S. 77, 86; Krause / Munack, Landtechnik 1995, 268; Peschau, in: KTBL (Hrsg.), Freisetzung, Eintrag und Bewertung, S. 89 f.; KTBL (Hrsg.), Rahmenbedingungen der Veredelungsproduktion, S. 41 ff.; Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205 f.; Gablenz, ZMR 2000, 499, 502; Buchholz, AgrarR 2000, 5; KTBL (Hrsg.), Handhabung der TA Luft, S. 67 f.; für die Anwendbarkeit der GIRL in der Landwirtschaft aber Both, in: KTBL (Hrsg.), Geruchsemissionen aus der Landwirtschaft, S. 24 ff. 805 Ein Gradmesser für die zunehmende Akzeptanz der GIRL ist die Tagung „Gerüche in der Umwelt“, die das Wissensforum des Vereins Deutscher Ingenieure sowohl im Jahre 1998 als auch im Jahre 2007 durchgeführt hat. Während die Kritik an der GIRL 1998 noch im Vordergrund der Tagung stand (vgl. VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 1998), wurde die grundsätzliche Anwendbarkeit der GIRL im Jahr 2007 nicht mehr diskutiert (vgl. VDI (Hrsg.), Gerüche in der Umwelt 2007). Neuerdings sind andere Fragen, wie etwa die im Kapitel C. angesprochene Messunsicherheit der Olfaktometrie in den Vordergrund gerückt (vgl. oben C. II. 2. b) ee). 806 Vgl. dazu Both, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150 ff.; Sucker, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 159 ff. 807 Umfangreiche Untersuchungen haben auch das Sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie Berlin durchgeführt, vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2008, zu Nr. 1 GIRL, Die GIRL als System. 808 Von Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 206, ist befürchtet worden, dass die GIRL zu Ergebnissen führt, die die Betreiber geruchsstoffemittierender Anlagen unverhältnismäßig einschränken und die der Immissionssituation nicht gerecht würden; ähnliche Befürchtungen äußern auch Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 210.

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wird auf einige grundsätzliche Regelungen der GIRL und auf die in der jüngeren Vergangenheit nach wie vor geäußerten Kritikpunkte eingegangen. Dabei kann nach ihrer jeweiligen Zielrichtung zwischen der Kritik an den messtechnischen und rechnerischen Vorgaben der GIRL und der Kritik aus rechtlicher Perspektive differenziert werden, wobei es in Einzelpunkten auch Überschneidungen gibt. b) Ausgewählte Kritikpunkte aa) Bindungswirkung der GIRL Aus rechtlicher Sicht ist an der GIRL bemängelt worden, dass sie als sonstiges öffentliches Regelwerk, das nicht auf der Grundlage des § 48 BImSchG zustande gekommen ist, keine einer auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschrift entsprechende Bindungswirkung entfalte.809 Die in der GIRL vorgesehenen Grenzwerte und Verfahren zur Beurteilung von Geruchsimmissionen seien daher schon aus formellen Gründen nicht geeignet, die im BImSchG genannten abstrakt generellen Anforderungen an die Genehmigung und Überwachung geruchsintensiver Anlagen verbindlich zu konkretisieren.810 Gleichwohl orientiere sich die immissionsschutzrechtliche Praxis bei der Genehmigung und Überwachung von Anlagen, die Geruchsimmissionen hervorrufen, an den in der GIRL enthaltenen Bestimmungen. Die GIRL werde extensiv und oftmals unkritisch angewandt. Regelwerke besonderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts – wie etwa des Länderausschusses für Immissionsschutz – könnten zwar eine wertvolle Orientierungshilfe bieten, mangels staatlicher Legitimation aber stets nur Anhaltspunkte geben. Vielmehr sei der Gesetz- und Verordnunggeber aufgerufen, für die Bewertung von Geruchsimmissionen einen normativen Rahmen zu schaffen, der rechtsstaatlichen Anforderungen in höherem Maße entspreche als der gegenwertige Rechtszustand.811 Die GIRL ist – entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Verfasser der GIRL812 – bisher nicht als Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassen worden. Sie kann daher auch keine einer solchen Verwaltungsvorschrift entsprechende Bindungswirkung beanspruchen. Gleichwohl ist die GIRL in einem Arbeitskreis von Sachverständigen und Vertretern der Verwaltung entwickelt und fortgeschrieben worden. Dass es der GIRL per se an dem für den Erlass einer Bundesverwaltungsvorschrift notwendigen Sachverstand mangelt, kann daher nicht behauptet werden. Zwar hat es bei der Entstehung der GIRL keine „Anhörung der betroffenen Kreise“ gegeben. Die GIRL ist jedoch in einem Kreis von Sachverständigen entwickelt und darüber hinaus in einer Vielzahl von Diskus809 810 811 812

Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 213. Vgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 213. Vgl. zu allem Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 215. Vgl. z. B. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 111.

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sionsrunden auf Tagungen und in zahlreichen Veröffentlichungen beschrieben und diskutiert worden. Die Voraussetzungen für den Erlass der GIRL als Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 48 BImSchG dürften daher in der Vergangenheit zumindest teilweise schon „untechnisch“ erfüllt worden sein, wenngleich es eines solchen Verfahrens bedürfte, sollte die GIRL als Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassen werden. Die oben genannte Kritik kann insofern nachvollzogen werden, als die Gefahr bei der Festsetzung von Immissions- (und eingeschränkt auch Emissions-)grenzwerten, insbesondere in einem so schwierig zu beurteilenden Bereich wie dem der Geruchsimmissionen, darin liegt, dass Grenzwerte ohne weitergehende Würdigung und Beachtung anderer entscheidungserheblicher Kriterien herangezogen werden, um Entscheidungen der Verwaltung zu begründen. Im Falle der Beurteilung von Geruchsimmissionen im Anlagengenehmigungsverfahren erfordert es wesentlich weniger Aufwand, die – möglicherweise ausschließlich anhand von Ausbreitungsrechnungen – festgestellte Immissionsgesamtbelastung mit den Werten der GIRL zu vergleichen, als eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Bei genauem Hinsehen versucht die GIRL jedoch durch ihre Wortwahl, einem solchen Vorgehen entgegenzuwirken. Sie betont an verschiedenen Stellen, dass es für die Beurteilung von Geruchsimmissionen auf eine Vielzahl von Kriterien ankommt (vgl. Nr. 1 Abs. 2, Nr. 3.1 Abs. 5, Nr. 5 Abs. 4 und 5 GIRL 2008). Die GIRL enthält darüber hinaus keine dahingehende Formulierung, nach der die Überschreitung der Immissionswerte zwingend die Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Folge hätte. Sie gibt in Nr. 3.1 lediglich vor, dass bei Überschreiten der Immissionswerte davon auszugehen ist, dass die (zu erwartenden) Geruchsimmissionen erheblich sind. Der oben genannten Kritik ist sicherlich auch insoweit zuzugeben, dass die GIRL insbesondere in den Ländern, in denen sie als Verwaltungsvorschrift erlassen worden ist, eine erhebliche praktische Bedeutung entfaltet. Die Anwendung der GIRL in der Verwaltungspraxis dürfte sich von derjenigen der TA Luft kaum unterscheiden. Die GIRL hat über die „Hintertür“ des Erlasses als Verwaltungsvorschrift auf Länderebene in der Verwaltungspraxis faktisch die Bedeutung einer Bundesverwaltungsvorschrift nach § 48 BImSchG gewonnen. An der Anwendung der GIRL durch die Landesbehörden besteht jedoch zumindest methodisch eher wenig Grund zu Kritik, als sich das System der GIRL in zahlreichen Felduntersuchungen bestätigt hat. Der „extensiven und unkritischen“ Anwendung der Immissionswerte der GIRL ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ist in der Vergangenheit zudem durch die Rechtsprechung eine Grenze gesetzt worden. Selbst wenn es der (inzwischen) allgemeinen Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, dass die GIRL jedenfalls ein geeignetes Hilfsmittel für die Beurteilung von Geruchsimmissionen darstellt, so wird doch der rechtlich nicht verbindliche Charakter der GIRL stets betont und werden die Immissionswerte nur als Anhaltspunkte und nicht als verpflichtend einzuhaltende Grenzwerte qualifiziert.813

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Einerseits ist die mangelnde bundesweite Bindungswirkung der GIRL als unbefriedigend zu bewerten, da bisher noch keine einheitliche Beurteilung von Geruch bundesweit unter gleichen Maßstäben gewährleistet ist.814 Den Bundesländern steht es auch entgegen der Empfehlung des LAI frei, die GIRL beim Erlass als Landes-Verwaltungsvorschrift zu modifizieren. Gleichwohl verliert dieses Problem mit wachsenden Erkenntnissen zum Zusammenhang zwischen Geruchsbelastung und -belästigung und deren Umsetzung in der GIRL in der Fassung des LAI an Bedeutung, da sich die einzelnen Bundesländer diesen Erkenntnissen nicht auf Dauer entziehen können. Andererseits war es in der Vergangenheit gerade aufgrund der mangelnden Rechtsqualität der GIRL als Verwaltungsvorschrift i. S. d. § 48 BImSchG relativ einfach möglich, die GIRL anhand neuerer Erkenntnisse zeitnah zu überarbeiten. Im Vergleich zur TA Lärm, die nach ihrem Erlass erstmals nach 30 Jahren novelliert wurde, oder zur TA Luft, die nach ihrer im Jahre 1986 erfolgten Überarbeitung erst wieder 2002 novelliert wurde, hat die GIRL mit den seit 1993 erfolgten drei Überarbeitungen eine wesentlich schnellere Reaktion auf den technischen Fortschritt sowie auf neuere Erkenntnisse bei der Expositions-Wirkungs-Beziehung im Vergleich zu den vorgenannten Technischen Anleitungen gezeigt. Die Kritik an der mangelnden Bindungswirkung der GIRL ist zudem nicht dazu geeignet, das eigentliche System der GIRL anzuzweifeln. Wie bereits erwähnt hat es in der Vergangenheit im Zuge der Novellierung der TA Luft 2002 einen vergeblichen Versuch gegeben, die Regelungen der GIRL als Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage des § 48 BImSchG einzuführen.815 Seinerzeit scheiterte dieses Vorhaben am Widerstand von Vertretern der chemischen Industrie und der Landwirtschaft.816 Da die GIRL seitdem in einigen Punkten überarbeitet worden ist, die von den Kritikern der GIRL als unzureichend angesehen worden waren, würde sich die Situation bei einer neuerlichen Novellierung der TA Luft möglicherweise anders darstellen. Alternativ bestünde auch die Möglichkeit, eine eigene „TA Geruch“ als Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage des § 48 BImSchG zu erlassen, welche in Anbetracht des zumindest in der Vergangenheit raschen Zuwachses an Erkenntnissen und der Umsetzung derselben in die GIRL sogar vorzuziehen wäre.817 Für beide Alternativen ist der Wille der Bundesregierung entscheidend, neben der 813 Vgl. zuletzt OVG Lüneburg, Beschl. v. 27. 06. 2007, Az.: 12 LA 14 / 07, RdL 2007, 240, unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 07. 05. 2007, Az.: 4 B 5.07, n.v. (vgl. dazu Anm. Pützenbacher, IBR 2007, 453) und zahlreiche weitere, die grundsätzliche Anwendbarkeit der GIRL befürwortende Entscheidungen. 814 So auch Hansmann, TA Luft, Nr. 1 Rn. 8. 815 Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 111. 816 Vgl. Junker / Schwarz / Schwarz-Schier, Genehmigungen, A 2.0.1 K, S. 13; Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 202; Hansmann, NVwZ 2003, 266, 272. 817 Dies schlägt der Verband der Chemischen Industrie vor, vgl. „Diskussionspapier zur Einbindung der Problematik ,Geruch‘ in eine neue TA Luft“, in: Junker / Schwarz / SchwarzSchier, Genehmigungen, A 2.0.1.3, S. 1, 4.

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Beurteilung von Lärm und von Luftschadstoffen auch diejenige von Geruchsimmissionen bundeseinheitlich zu regeln. Bisher ist eine entsprechende Entwicklung nicht abzusehen, obwohl sie auch von den Kritikern der GIRL wiederholt geäußert worden ist.818 Möglicherweise führt erst ein Zuwachs an Erkenntnissen über die Auswirkungen von Geruchsimmissionen auf die menschliche Gesundheit zu einem entsprechenden Handlungswillen. bb) Geruchsstundenkonzept Nach der Methode der GIRL werden zur Beurteilung von Geruchsimmissionen Immissionswerte in Form von Geruchshäufigkeiten festgelegt. Die Werte basieren dabei auf der Feststellung von erkennbarem Geruch nach dem Geruchsstundenkonzept (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 1 GIRL). Das bereits in Kapitel C. erörterte Geruchsstundenkonzept, das auch indirekt in den Vorgängerregelungen RaRi und Gemeinsamer Runderlass zur TA Luft von 1986 enthalten war, beruht auf den Erkenntnissen über die allgemeinen Eigenschaften des Geruchssinns, insbesondere seinem ausgeprägten Adaptationsverhalten. Nach den Erfahrungen mit der Belästigungswirkung von Geruch sind bei gleicher absoluter Gesamtdauer viele kurz dauernde Geruchsschwellenüberschreitungen innerhalb eines Beobachtungszeitraumes belästigungsrelevanter als wenige länger anhaltende, da letztere durch Adaptation wirkungsseitig verkürzt werden.819 Das Geruchsstundenkonzept bewertet daher viele Kurzereignisse strenger als wenige länger anhaltende Geruchsepisoden. In der Richtlinie VDI 3940 Blatt 1, auf die die GIRL Bezug nimmt, wird die Geruchsstunde wie folgt definiert820: „Unter einer Geruchsstunde wird eine positiv bewertete Einzelmessung verstanden. Eine Einzelmessung ist dann positiv zu bewerten, wenn der ermittelte Zeitanteil mit eindeutig erkennbarem Geruch einen bestimmten, vorher festzulegenden Prozentsatz erreicht oder überschreitet.“

Nach der GIRL liegt dieser vorher festzulegende Prozentsatz bei 10 v.H. Werden auf der Grundlage der GIRL Geruchsbeurteilungen durchgeführt und Geruchsimmissionen durch Begehungen gemessen (dies erfolgt im Rahmen der in Kapitel C. erörterten Rasterbegehung), so dauert eine Einzelmessung zehn Minuten. Ein Prozentsatz von 10 v.H. entspricht demnach einer Geruchswahrnehmung von mindestens einer Minute innerhalb des Messzeitraums, wobei diese aus zehn einVgl. Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 215. Vgl. Prinz / Otterbeck / Koch, Gerüche, S. 125, 126 f.; Both / Otterbeck / Prinz, Staub – RdL 1993, 407, 408; Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1161 f.; den Umstand, dass aufgrund der ausgeprägten Adaptation und der raschen Readaptation häufige Geruchsschwellenüberschreitungen in der Zeit belästigender wirken als eine zeitlich gleichbleibende, erkennen auch die Kritiker der GIRL an, vgl. KTBL (Hrsg.), Rahmenbedingungen der Veredelungsproduktion, S. 47. 820 Vgl. dazu oben C. II. 5. b). 818 819

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zelnen positiven Messungen im 10-Sekunden-Takt besteht, die sich über die Gesamtdauer von zehn Minuten verteilen können. Im Rahmen der Ausbreitungsrechnung wird dementsprechend ab einem Zeitraum von sechs Minuten (als 10. v.H. einer vollen Stunde) an überschwelligen Geruchseinwirkungen eine Stunde als Geruchsstunde gewertet. An dem Geruchsstundenkonzept der GIRL ist die Festlegung des Prozentsatzes bei 10% als „willkürlich“ und „manipulierbar“ kritisiert worden.821 Entsprechend führte das OVG Lüneburg822 im Urteil vom 25. 07. 2002 dazu aus, da der Zeitraum von sechs Minuten (10% einer Stunde) über die Geruchsstunde entscheide, komme es bei der Ermittlung, ob eine Geruchsstunde vorliege oder nicht, im Rahmen der Begehung gemäß der GIRL nur auf den gewählten Zeitausschnitt an. Die Beurteilung von Gerüchen, die – wie die bodennahen Gerüche in der Nähe von Stallanlagen – nicht kontinuierlich aufträten, sei daher „mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, um nicht zu sagen manipulierbar“. Ebenso bewertete der VGH München823 die GIRL in seiner Entscheidung vom 27. 11. 2006 als ungeeignet, um Geruchsimmissionen aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu beurteilen. Dies liege zum einen daran, dass die GIRL die Geruchsstunde bereits dann ansetze, wenn während nur einer Minute eine der Geruchsquelle zuzuordnende Geruchswahrnehmung eintrete. Zum anderen bewerte die GIRL bereits den geringsten Grad der spezifischen Geruchswahrnehmung. Das führe, kombiniert, am Maßstab der Immissionswerte der Nr. 3.1 GIRL zu einer unrealistischen Beurteilung der Immissionen aus typisch landwirtschaftlicher Tierhaltung. Die Kritik des OVG Lüneburg ist dahin zu verstehen, dass es bei Anwendung der GIRL vom Zufall abhängt, ob in dem Moment der Begehung wahrnehmbarer Geruch vorliege oder nicht und dass aus dieser „zufälligen“ Situation nicht auf die tatsächliche Immissionssituation geschlossen werden kann. Der Vorwurf der Manipulierbarkeit kann nur dahingehend verstanden werden, dass es nach der GIRL möglich sein soll, einen bestimmten Messzeitraum bewusst auszuwählen, an dem entweder mit dem Auftreten von Geruchsimmissionen zu rechnen oder gerade nicht zu rechnen ist. Es ist eine Frage der Wahrscheinlichkeitsrechnung, welche Schlüsse von dem Auftreten wahrnehmbaren Geruchs in 10% eines Messzeitraums von zehn Minuten auf die Gesamtsituation gezogen werden können, die hier nicht abschließend beantwortet werden kann. Gleichsam diametral zur Kritik an diesem Konzept ist jedoch auch zur Kenntnis zu nehmen, dass das Geruchsstundenkonzept zu einer systematischen Unterschätzung der Immissionssituation führen kann und es ebenso wahrscheinlich sein kann, dass innerhalb des Messzeitraums zwar nur für die Dauer von einer Minute Geruch wahrgenommen wird, dass die Immissions821 Vgl. VGH München, Urt. v. 27. 11. 2006, Az.: 5 BV 06.422, ZUR 2007, 600, 601; OVG Bautzen, Beschl. v. 15. 07. 1998, Az.: 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 293, 294; vgl. Krause / Munack, Landtechnik 1995, 268. 822 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 07. 2002, Az.: 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24, 26. 823 Vgl. VGH München, Urt. v. 27. 11. 2006, Az.: 5 BV 06.422, ZUR 2007, 600.

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gesamtbelastung realiter jedoch viel höher ist.824 Die Messergebnisse sind darüber hinaus auch zumindest insoweit nicht als „manipulierbar“ anzusehen, als bei der Ermittlung der Immissionen durch Begehung alle Tages- und Nachtzeiten sowie die Sommer- und die Winterzeit berücksichtigt werden. Dass es auf Grund des Geruchsstundenkonzepts daher stets zu einer Überschätzung der Geruchshäufigkeiten kommt, kann somit ebensowenig behauptet werden, wie dass es zu einer systematischen Unterschätzung kommt. Gegen die vollständige Ablehnung des Geruchsstundenkonzepts sprechen mehrere umfangreiche empirische Untersuchungen, die die Schlüssigkeit des Systems der GIRL bestätigt haben (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 1 GIRL, Die GIRL als System). Die dort gewonnenen Ergebnisse haben gezeigt, dass mit Hilfe der in der GIRL enthaltenen Methoden die tatsächlichen Verhältnisse mit hinreichender Sicherheit beschrieben werden können, wobei darin auch die Definition der sogenannten Geruchsstunde eingeschlossen ist. Bereits 1992 konstatierten Steinheider und Winneke, dass weder eine Echtzeitbewertung (absolutes Maß an Geruchswahrnehmungen) gegenüber der Geruchsstundenbetrachtung (relatives Maß an Geruchswahrnehmungen) noch letztere Methode gegenüber der ersteren eine eindeutige Überlegenheit aufweise.825 Damit steht das Geruchsstundenkonzept aber auch nicht hinter der Echtzeitbewertung zurück. Auch das Hedonik-Projekt von 2003 kam zu dem Ergebnis, dass mit den auf Geruchsstunden basierenden Geruchshäufigkeiten grundsätzlich eine hinreichende Beschreibung des Belästigungsgrades von Anwohnern möglich sei.826 Da sich das Geruchsstundenkonzept in mehreren Untersuchungen bestätigt hat, lassen sich zumindest aus rechtlicher Sicht keine Einwände hiergegen mehr erheben.827 cc) Berücksichtigung von Intensität, Hedonik und Geruchsart Aus rechtlicher Sicht ist darüber hinaus kritisiert worden, dass die GIRL eine Geruchseinwirkung im Regelfall nur nach der zeitlichen Dauer beurteile und daher die Vorgaben des BImSchG nicht erfülle. Das Gesetz verlange die Beurteilung von Immissionen nach Art, Ausmaß und Dauer, womit neben dem Zeitanteil an Geruch auch die Intensität und die Hedonik, eventuell ergänzt durch die Geruchsart, berücksichtigt werden müssten.828 824 Im Rahmen der RaRi, in der noch von Stundenmittelwerten ausgegangen wurde, ist der dort verwendete Ansatz ebenfalls mit der Begründung kritisiert worden, dass schon ein einziger Geruchseindruck pro Stunde aus diesem eine Geruchsstunde machte. Doch selbst in diesem Rahmen wurde es als unwahrscheinlich angesehen, dass eine Beaufschlagung realiter nur in einem einzigen Geruchseindruck bestand. Vielmehr sei zu erwarten gewesen, dass bei bestimmten meteorologischen Verhältnissen die Beaufschlagung die ganze Stunde über anhalten würde, vgl. E. Koch, Immissionsschutz 1997, 7; dazu schon oben D. V. 2. a). 825 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, Anhang, Nr. 4.2. 826 Vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 120. 827 So auch Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 85.

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Ob das BImSchG seinem Wortlaut nach zwingend die Berücksichtigung aller drei Kriterien verlangt, kann hier dahinstehen (§ 3 Abs. 1 BImSchG spricht insoweit von „Art, Ausmaß oder Dauer“). Denn die Kritik an der mangelnden Berücksichtigung von Hedonik, Intensität und Geruchsart ist mittlerweile überholt. Hinsichtlich der Beachtung der Intensität von Geruchsimmissionen hat das HedonikProjekt von 2003 ergeben, dass eine zusätzliche Betrachtung der Intensität keinen bedeutenden Zugewinn bei der Beurteilung des Belästigungsgrades von Geruch gebracht hat.829 Es bedarf daher nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand keiner Berücksichtigung der Intensität eines Geruchs zur Beurteilung seiner Belästigungswirkung. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Hedonik hatten Steinheider und Winneke830 bereits anlässlich ihrer Untersuchungen zu Beginn der Neunziger Jahre vorgeschlagen, diese eventuell durch Zu- oder Abschläge unterschiedlich zu gewichten. Nach ihren Erkenntnissen erschien es durchaus möglich, dass die hedonische Qualität des Geruchsstoffes den Grad der Geruchsbelästigung beeinflusste. Sie konnten auf ihrer Datengrundlage jedoch keine abschließende Empfehlung hinsichtlich der Berücksichtigung der Hedonik geben.831 Mit der Durchführung des Hedonik-Projekts ist diese Lücke jedoch geschlossen worden.832 Das HedonikProjekt kam hinsichtlich der hedonischen Geruchsqualität zu den folgenden Ergebnissen: – „Die hedonische Qualität von Immissionen Geruchsstoff-emittierender Anlagen ist stark wirkungsrelevant und muss künftig bei der Bewertung von Gerüchen, zum Beispiel im Rahmen einer etwaigen Weiterentwicklung der GIRL, berücksichtigt werden. Dies könnte zum Beispiel durch Zu- bzw. Abschläge geschehen. – Das Ausmaß der Zuschläge für als ,angenehm‘ klassifizierte und verifizierte Geruchsquellen ist von der Größenordnung her aus den in dieser Studie ermittelten Dosis-Wirkungskurven abzuleiten. – Der Anspruch, einer Geruchsstoff-emittierenden Anlage eine Einstufung als ,hedonisch angenehm‘ zuzuschreiben, ist zu belegen. Der Beleg ist nach den hier erprobten Modellen durch Begehungen möglich. Ob hierfür tatsächlich stets Rasterbegehungen erforderlich sind, oder alternativ auch Fahnenbegehungen in Verbindung mit Immissionsprognosen in Frage kommen, ist offen.“833 828 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 78; Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 205; Steiling / Sterner, in: FS Gündisch, S. 205, 214; Junker / Schwarz / Schwarz-Schier, Genehmigungen, A 2.0.1.3, S. 2. 829 Vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 120. 830 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 37. 831 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 37. 832 Bezüglich der GIRL 1993 und der GIRL 1998 mag diese Kritik noch angebracht gewesen sein. Wie oben dargestellt worden ist, wurde bei den Untersuchungen, die die Grundlage der ersten Version der GIRL bildeten, nicht ermittelt, ob die Hedonik eines Geruchs Auswirkungen auf seinen Belästigungsgrad hat. Daher lagen keine, auf Felduntersuchungen gestützten Erkenntnisse vor, die Grundlage für eine besondere Regelung zur Hedonik in der GIRL 1993 oder 1998 hätten sein können. Steinheider und Winneke, die Verfasser der MIUUntersuchung, konnten damals lediglich vorschlagen, die Hedonik eventuell durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen.

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Ergebnis des Hedonik-Projekts war zudem, dass eine Berücksichtigung der Hedonik nur im Falle von eindeutig angenehmen Gerüchen erforderlich ist.834 Auf der Grundlage der Ergebnisse des Hedonik-Projekts ist in die GIRL 2004 eine Regelung aufgenommen worden, nach der eindeutig angenehme Anlagengerüche mit dem Faktor 0,5 (und somit in geringerem Ausmaß als neutrale und unangenehme Gerüche) gewichtet werden können (Nr. 5 Abs. 3 GIRL 2004; jetzt Nr. 5 Abs. 3 GIRL 2008). Allerdings muss zuvor nachgewiesen werden, dass es sich bei dem zu betrachtenden Anlagengeruch um eindeutig angenehmen Geruch handelt. Diese Untersuchung ist anhand der Methode der Polaritätenprofile durchzuführen, deren Methodik in der Anlage 1 zu den Auslegungshinweisen der GIRL erläutert wird. Dort wird zudem darauf hingewiesen, dass eindeutig angenehme Anlagengerüche nur bei sehr wenigen Anlagen auftreten (vgl. Anlage 1 zu den Auslegungshinweisen zur GIRL). Für die entsprechende Gewichtung besteht daher nur in wenigen Fällen Bedarf. Soweit auch nach Verabschiedung der GIRL 2004 kritisch angemerkt worden ist, dass eventuelle Messabschläge bei negativen Gerüchen in der GIRL nicht erwogen werden835, geht diese Kritik aufgrund der vorgenannten Ergebnisse des Hedonik-Projekts fehl. Eine Berücksichtigung ist nur bei eindeutig angenehmen Gerüchen notwendig. Gleiches gilt für die Kritik, die Hedonik müsse in der Regelfallprüfung und nicht nur bei der Beurteilung im Einzelfall berücksichtigt werden.836 Da eine Berücksichtigung der Hedonik nur bei eindeutig angenehmen Gerüchen in Frage kommt, diese aber nach den Erfahrungen der Verfasser der GIRL lediglich bei sehr wenigen Anlagen auftreten, ist das Konzept, nach dem die Hedonik nur bei der Beurteilung im Einzelfall nach Nr. 5 GIRL berücksichtigt wird, nicht zu beanstanden. Die GIRL sieht zudem vor, regelmäßig im Anschluss an die Feststellung der Geruchshäufigkeiten zu prüfen, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung nach Nr. 5 für den jeweiligen Einzelfall bestehen (Nr. 3.1 Abs. 4 GIRL). Es ist daher in der Regel zu prüfen, ob eine Berücksichtigung der Hedonik überhaupt in Frage kommt und – soweit dies erforderlich ist – im Anschluss eine entsprechende Beurteilung durchzuführen. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Geruchsqualität hat die GIRL mit Verabschiedung der zweiten ergänzten und aktualisierten Fassung 2008 zudem eine Sonderregelung für die Bewertung von Geruch aus Tierhaltungsanlagen eingeführt, die bereits beschrieben worden ist (Nr. 4.6 Abs. 4 GIRL). Die unterschiedlichen Geruchsqualitäten „Geflügel“, „Schwein“ und „Rind“ werden nun anhand der im Verbundprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ gefundenen Ergebnisse unterschiedlich gewichtet. Ergebnis dieser Untersuchung war aber auch, dass es einer zusätzlichen Berücksichtigung der Hedonik bei den vorgenannten Ge833 834 835 836

Vgl. Sucker / Bischoff / Krämer / Kühner / Winneke, Hedonik-Projekt 2003, S. 120. Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 99. So Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 82, 121. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 82, 121.

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ruchsarten nicht bedarf, da sie alle als hedonisch unangenehm klassifiziert wurden und sich der Parameter Hedonik im Rahmen des untersuchten Anlagenspektrums als nicht wirkungsrelevant erwiesen hat.837 Die GIRL trägt in ihrer Fassung aus dem Jahre 2008 den Kriterien des BImSchG hinsichtlich der Berücksichtigung von Art, Ausmaß und Dauer mindestens insoweit ausreichend Rechnung, als alle nach derzeitigem Stand bekannten wirkungsrelevanten Faktoren (Intensität: nein, Hedonik: nur bei eindeutig angenehmen Gerüchen, Geruchsart: bei unterschiedlichen Tierarten) berücksichtigt werden. dd) Berücksichtigung des Akzeptorbezugs Bedenken gegen das Regelungskonzept der GIRL sind mit Blick auf den vom BImSchG geforderten akzeptorbezogenen Ansatz geäußert worden.838 Das BImSchG verlangt bei der Beurteilung von Immissionen die Berücksichtigung der Gesamtbelastung am Immissionsort, unabhängig davon, von welchen Quellen die Immissionen herbeigeführt werden.839 Dies gilt auch für die Beurteilung von Geruchsimmissionen. Dabei ist zu beachten, dass unter den Anwendungsbereich des BImSchG nur diejenigen Geruchsimmissionen fallen, die von einer der in § 2 BImSchG genannten Quellen herrühren. Dies ist neben Anlagen zum Beispiel auch der Betrieb von Fahrzeugen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG). Unter den Anwendungsbereich des BImSchG fallen hingegen keine Geruchsimmissionen, die von „natürlichen“ Quellen herbeigeführt werden, worunter alle Lebewesen und die Vegetation fallen.840 Anders verhält es sich nur hinsichtlich derjenigen Lebewesen, die im Rahmen eines Anlagenbetriebs gehalten werden, wie zum Beispiel in der Nutztierhaltung. Die GIRL bestimmt insoweit, dass eine Geruchsimmission nach der GIRL zu beurteilen ist, wenn sie gemäß Nr. 4.4.7 nach ihrer Herkunft aus Anlagen erkennbar, das heißt abgrenzbar ist gegenüber Gerüchen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder ähnlichem (Nr. 3.1 GIRL). Im Rahmen der Beurteilung im Einzelfall (Nr. 5 GIRL) sieht die GIRL eine andere Vorgehensweise vor, wenn auf einzelnen Beurteilungsflächen in besonderem Maße Geruchsimmissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich oder anderen nicht nach Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL zu erfassenden Quellen auftreten. In diesem Fall ist zu ermitteln, welche Geruchsimmissionen insgesamt auftreten können und welchen Anteil daran der Betrieb von Anlagen verursacht, die nach Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL zu betrachten sind. Anschließend ist zu beurteilen, ob die Geruchsimmissionen als erheblich anzusehen sind und ob die Anlagen hierzu relevant beitragen. 837 838 839 840

Vgl. Both, in: KTBL (Hrsg.), Emissionen der Tierhaltung, S. 150, 157. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 85 f. Vgl. dazu bereits oben D. III. 1. a) aa) (2). Vgl. oben A. I. 1.

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Aus rechtlicher Sicht wird an dieser abgestuften Systematik kritisiert, sie reiche mit Blick auf die vom BImSchG geforderte summative Betrachtungsweise nicht aus. Streng genommen müssten auch die Geruchsquellen in die Betrachtung mit einbezogen werden, die die GIRL in der Regelfallprüfung von der Berücksichtigung ausschließt. Es sei deshalb fraglich, ob die nur ausnahmsweise Berücksichtigung der anderen Geruchsquellen als Anlagen eine gesetzeskonforme Gesamtbetrachtung sicherstelle.841 Hintergrund für die nur eingeschränkte Berücksichtigung der Geruchsquellen Kraftfahrzeugverkehr und Hausbrand ist die mangelnde Bedeutung der Belästigungswirkung durch Geruchsimmissionen aus diesen Quellen.842 Nach den Erfahrungen der Verfasser der GIRL haben Gerüche aus dem Kfz-Verkehr in der Regel keine belästigungsrelevante Wirkung auf Anwohner, auch nicht an Hauptstraßen.843 Auch Hausbrandgerüche sind danach in der Regel nicht belästigungsrelevant, wobei dies darauf zurückgeführt wird, dass es sich hierbei um besonders kleinräumige Ereignisse handelt. Eine Ausnahme hiervon stellen aber Kamingerüche dar.844 Düngemaßnahmen auf landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 2 BImSchG, da Ackerflächen keine Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG darstellen.845 Bei der Beurteilung im Einzelfall nach Nr. 5 GIRL können diese gleichwohl als Geruchsquelle berücksichtigt werden, wenn auf einzelnen Beurteilungsflächen in besonderem Maße Geruchsimmissionen aus diesen Quellen auftreten. Die Betroffenen erfahren daher nach der GIRL sogar einen höheren Schutz, als ihnen das BImSchG hinsichtlich der Geruchsimmissionen aus landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen einräumt. Für die Regelungssystematik der GIRL hinsichtlich der mangelnden Berücksichtigung bestimmter Geruchsquellen existieren somit sachliche Gründe. Die generelle Forderung nach der Berücksichtigung anderer Geruchsquellen als Anlagen ist daher nicht gerechtfertigt. Mit der Möglichkeit der Berücksichtigung von Geruchsimmissionen aus anderen Quellen als Anlagen im Rahmen der Beurteilung im Einzelfall nach Nr. 5 GIRL wird dem Akzeptorbezug des BImSchG ausreichend Rechnung getragen.

Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 86. Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 114 (Aussprache zum Beitrag von Both); dies bestätigen auch Richter / Kost / Röckle, promet 2003, 39, 40. 843 Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 114 (Aussprache zum Beitrag von Both); im Zusammenhang von Kraftfahrzeugverkehr und Geruchsimmissionen sind soweit ersichtlich in der Vergangenheit nur wenige relevante Urteile ergangen; vgl. beispielsweise VG Karlsruhe, Urt. v. 30. 01. 2002, Az.: 4 K 333 / 01, n.v. 844 Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 114 (Aussprache zum Beitrag von Both). 845 Vgl. dazu oben B. I. 3. a). 841 842

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

ee) Höhe der Immissionswerte Die Angemessenheit der Höhe der Immissionswerte der GIRL ist in der Vergangenheit angezweifelt worden.846 Grundlage für die Festlegung der Immissionswerte der GIRL waren verschiedene Untersuchungen des MIU, die im bereits zitierten Materialienband 1992 veröffentlicht worden sind.847 Schlussfolgerung dieser Untersuchung war unter anderem, dass 10 % Geruchsstundenanteil an den Jahresstunden als Kriterium für die Definition der „erheblichen Geruchsbelästigung“ bestimmt werden könnten. Dieser Wert war nach der Untersuchung mit einem Anteil von 15% stark belästigter Personen und 25 % Unzumutbarkeits-Aussagen verknüpft. Da sich die Erhebungen auf Wohngebiete in der Nachbarschaft von Industriegebieten stützten, konnten die Verfasser keine Aussage über die Auswirkung der Nutzungsart eines Gebietes im baurechtlichen Sinne auf die Ausprägung des Belästigungsgrades hinsichtlich anderer Nutzungsarten treffen. Da zwischen 10% und 20 % Geruchsstundenanteil der Belästigungsgrad nach den Ergebnissen nicht massiv zunahm, erschien ihnen 15% Geruchsstunden-Anteil als Kriterium der Erheblichkeit für Gewerbe- und Industriegebiete akzeptabel. 848 Dieser Empfehlung folgten die Verfasser der GIRL und legten bereits in der ersten Fassung der GIRL von 1993 die Immissionswerte entsprechend fest, deren Höhe seitdem nicht geändert worden ist. Sie sind mittlerweile lediglich um einen Immissionswert für Dorfgebiete, soweit Gerüche aus Tierhaltungen zu beurteilen sind, ergänzt worden. An der Festlegung der Immissionswerte für Wohn- / Mischgebiete und Gewerbe- / Industriegebiete ist kritisiert worden, dass die Ausführungen in der Studie des MIU die Vermutung nahe lege, die Immissionswerte der GIRL seien seinerzeit gerade nicht in Anlehnung an die abstrakten Vorgaben der Baunutzungsverordnung849 (BauNVO), sondern eher willkürlich festgesetzt worden.850 Zweifel an der Angemessenheit der Immissionswerte wurden auch im Hinblick auf die von der Rechtsprechung als noch für zumutbar erachteten Immissionswerte geäußert, die teilweise für Geruchsimmissionen im Dorfgebiet wesentlich höher lagen als die Werte der GIRL.851 Der Immissionswert von 0,10 für Wohn- / Mischgebiete wurde seinerzeit in Anlehnung an den für Lärmimmissionen in der damals geltenden Fassung der TA Lärm festgelegten Wert von 60 dB(A) (Tageswert) für Mischgebiete ermittelt (Nr. 2.321 c) TA Lärm 1968), bei dem ein bestimmter Anteil der Bevölkerung sehr Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 95 f. Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992. 848 Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 36, 37. 849 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung – BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132). 850 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 96. 851 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 97. 846 847

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stark belästigt ist („highly annoyed“). Die Berechnungen, die dazu geführt haben, können hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden. Die Festlegung des Wertes von 0,10 ist aber zumindest aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Festlegung von 0,15 für Gewerbe- / Industriegebiete trifft es zu, dass dieser Wert nicht aufgrund einer gesonderten Überprüfung der Empfindlichkeit in diesen Gebietstypen festgelegt wurde, sondern anhand der Ergebnisse zum Bereich der erheblichen Belästigung bei Geruchsimmissionen „vorgeschlagen“ wurde. Die Verfasser der MIU-Studie hielten diesen Wert für „akzeptabel“, da zwischen 10% und 20% Geruchsstundenanteil der Belästigungsgrad nicht massiv zunimmt. Somit wurde einer höheren Belastungsmöglichkeit in weniger schutzwürdigen Gebieten Rechnung getragen, ohne aber dadurch zu einer unverhältnismäßig hohen Belästigung der davon Betroffenen zu kommen. Der Wert 0,15 ließ sich zum Zeitpunkt der Verabschiedung der ersten Fassung der GIRL nicht anhand von epidemiologischen Untersuchungen begründen. Mittlerweile hat es jedoch verschiedene Überprüfungen des Systems der GIRL in Form von Felduntersuchungen gegeben, die – soweit ersichtlich – nicht zu einem anderen Ergebnis gelangt sind. Darüber hinaus lässt die GIRL mittlerweile auch Immissionswerte von 0,20 im Dorfgebiet bis 0,25 im Außenbereich zu. In der Beurteilung des Einzelfalls nach Nr. 5 GIRL ist es darüber hinaus möglich, unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen von den Immissionswerten abzuweichen. Die Immissionswerte der GIRL erweisen sich somit in der praktischen Anwendung als nicht so starr, wie es dem Anschein nach anhand der Immissionswerte in Tabelle 1 wirken mag. Auch von den Verfassern der MIU-Studie852 und den Verfassern der GIRL ist stets darauf hingewiesen worden, dass die Grenze zwischen der erheblichen und der nicht erheblichen Geruchsbelästigung ein diskussionsbedürftiger Punkt sei. Grund hierfür sei, dass es in den Expositions-Wirkungsbeziehungen keine Sprungstellen gebe. Insgesamt könne der Bereich zwischen 10% und 20 % Geruchsstundenanteil jedoch als kritischer Wert betrachtet werden, der die Grenze zwischen erheblicher und nicht erheblicher Belästigung darstellen könnte.853 Für das Dorfgebiet ist in der GIRL 2008 ein Immissionswert von 0,15 festgelegt worden, soweit Gerüche aus Tierhaltungen zu beurteilen sind. Dieser Wert ist deutlich niedriger angesetzt als Immissionswerte, die in der Vergangenheit von der Rechtsprechung als für das Dorfgebiet angemessen angesehen worden sind. Dabei sind Werte von bis zu 50% Geruchsstundenanteil pro Jahr noch als zumutbar angesehen worden.854 Allerdings hat es in der Vergangenheit auch gegenteilige EntVgl. MUVBW (Hrsg.), Geruchsimmissionsrichtlinie, S. 27, 33. Vgl. MUVBW (Hrsg.), Geruchsimmissionsrichtlinie, S. 27, 33. 854 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 25. 06. 2003, Az.: 7 A 4042 / 00, BauR 2003, 1850 (auch höheres Maß als 10 – 20% Geruchsstunden kann zumutbar sein); OVG Münster, Beschl. v. 19. 12. 2002, Az.: 10 B 435 / 02, BauR 2004, 292 (über 50 % nicht unbedingt unzumutbar); OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 07. 2002, Az.: 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 = RdL 2002, 313 (30,5% Geruchsanteil der Jahresstunden noch zumutbar); OVG Münster, Beschl. v. 14. 03. 2002, Az.: 7 B 315 / 02, n.v. (eine Unzumutbarkeit für landwirtschaftsbezogenes Woh852 853

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

scheidungen gegeben, nach denen auch im Außenbereich mit überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung grundsätzlich ein Immissionswert von 0,15 einzuhalten sei und nur in begründeten Einzelfällen ein Wert von 0,20 noch zumutbar sei.855 Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass der Wert von 0,15 der GIRL 2008 auf epidemiologischen Untersuchungen beruht, die im Rahmen des Verbundprojekts „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ ermittelt worden sind. Demgegenüber liegen den Werten aus der Rechtsprechung, die deutlich über 0,15 angesetzt werden, soweit ersichtlich keine Untersuchungen zugrunde. Sie sind von dem jeweils erkennenden Gericht auf der Basis der allgemeinen Anschauung und der Lebenserfahrung festgelegt worden. Der Immissionswert in der GIRL 2008 gibt das tatsächliche Belästigungspotential von Tierhaltungsgerüchen im Dorfgebiet unter Zugrundelegung der Urteile der betroffenen Nachbarschaft wieder und kommt der Realität somit näher als die „frei gegriffenen“ Werte der Rechtsprechung. Für das Dorfgebiet nach § 5 Abs. 1 BauNVO sieht die GIRL außerdem vor, dass in begründeten Einzelfällen Zwischenwerte zwischen Dorfgebieten und Außenbereich möglich sind, was zu Werten von bis zu 0,20 am Rand des Dorfgebiets führen kann (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2008, zu Nr. 3.1 GIRL, Zuordnung der Immissionswerte). Für den Außenbereich sieht die GIRL insoweit vor, dass bei einem Konflikt zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und Wohnen im Außenbereich unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalles ein Wert von bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche herangezogen werden kann (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2008, zu Nr. 3.1 GIRL, Zuordnung der Immissionswerte). Die Immissionswerte der GIRL sind somit aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. ff) Gebietsdifferenzierung (1) Beurteilung von Geruchsimmissionen im Dorfgebiet Die GIRL 2004 sah lediglich zwei Immissionswerte vor, wobei der Wert von 0,10 für Wohn- / Mischgebiete und der Wert von 0,15 für Gewerbe- / Industriegebiete gelten sollte. Diese Gebietsdifferenzierung ist als unzureichend kritisiert worden.856 Dabei wurde in der Vergangenheit insbesondere bemängelt, dass das Dorfnen wird nicht allein durch den Umstand begründet, dass in mehr als 50 % der Jahresstunden Gerüche (hier: aus der Rinderhaltung) wahrnehmbar sein mögen); OVG Münster, Beschl. v. 03. 11. 2000, Az.: 7 B 1533 / 00, n.v. (bei Gerüchen aus Rinderhaltung über 20% noch zumutbar). 855 Vgl. zum Beispiel OVG Lüneburg, Urt. v. 26. 04. 2007, Az.: 12 LB 62 / 07, DVBl. 2007, 1050 L, im Volltext n.v.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 21. 10. 2004, Az.: 1 LA 287 / 03, NVwZ-RR 2005, 170 (für das Dorfgebiet gilt ein Wert von 15 % an Jahresgeruchsstunden; in begründeten Fällen können in Dorfgebieten 20 % noch zumutbar sein)? 856 Vgl. Lang, NuR 2008, 15 f.; dies., Rechtliche Beurteilung, S. 87 ff.; VGH München, Urt. v. 27. 11. 2006, Az.: 5 BV 06.422, ZUR 2007, 600.

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gebiet als das Gebiet, in dem es besonders häufig zu Auseinandersetzungen aufgrund von Geruchsimmissionen komme, in der GIRL nicht hinreichend berücksichtigt werde. Weder sei eine Zuteilung zur Kategorie Wohn- / Mischgebiete befriedigend, noch eine solche zu Gewerbe- / Industriegebieten.857 Die Kritik an einem mangelnden gesonderten Immissionswert für das Dorfgebiet ist seit der Verabschiedung der GIRL 2008 überholt. Die GIRL 2008 sieht in Tabelle 1 einen Immissionswert für Dorfgebiete vor, soweit Geruchsimmissionen aus Tierhaltungen beurteilt werden (Nr. 3.1 Abs. 3 GIRL).858 Die Schwierigkeit der Zuordnung des Dorfgebiets zu einer der beiden oben genannten Gebietskategorien besteht somit, zumindest soweit Geruchsimmissionen aus der Tierhaltung beurteilt werden, nicht mehr. Die GIRL 2004 sah in der Begründung und den Auslegungshinweisen allerdings eine weitere Regelung vor (Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2004, zu Nr. 3.1 GIRL, Zuordnung der Immissionswerte, 2. Spstr.), an der in der Vergangenheit erhebliche Kritik geäußert worden ist859 und die auch in der GIRL 2008 mit leichten Modifikationen beibehalten worden ist. Hat sich ein Dorf zum Wohngebiet entwickelt, so soll eine Zuordnung zum Wohn- / Mischgebiet (IW = 0,10) erforderlich sein (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 3.1, Zuordnung der Immissionswerte, 3. Spstr.). In den Auslegungshinweisen zur GIRL 2008 wird diese Regelung durch den Zusatz relativiert, dass in diesen Fällen bei entsprechender Begründung die Festlegung von Zwischenwerten möglich sein kann. Die Regelung widerspricht auf den ersten Blick den Vorgaben des § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BauNVO. Danach dienen Dorfgebiete der Unterbringung landund forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebietes dienenden Handwerksbetrieben. In Dorfgebieten ist auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen. Für die Qualifizierung eines Gebietes als Dorfgebiet kommt es auf ein bestimmtes prozentuales Mischungsverhältnis der drei Hauptnutzungsarten oder auf das Nutzungsbild gerade nicht an.860 Selbst wenn sich das Dorfgebiet immer mehr zum ländlichen Siedlungsgebiet entwickelt, ist auf die Belange der Landwirtschaft vorrangig Rücksicht zu nehmen.861 Damit ist der Schutz der Wohnnutzung gegenüber landwirtschaftlichen Immissionen geringer ausgestaltet als in sonstigen Gebieten mit Wohnnutzung. Der Verordnunggeber wollte auf diesem Wege sicherstellen, dass das Dorfgebiet auch dann StandVgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 90 ff. Vgl. hierzu krit. Lang, NuR 2008, 841 ff. 859 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 92 f. 860 Vgl. Bielenberg, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg (Hrsg.), BauGB, Bd. V, BauNVO § 5 Rn. 8; Fickert / Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 1.3. 861 Vgl. Fickert / Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 3.41. 857 858

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

ort für landwirtschaftliche Betriebe sein kann, wenn vermehrt Wohnnutzung entsteht, die keiner Wirtschaftsstelle zugeordnet werden kann und sich das Dorfgebiet immer weiter in Richtung Wohn- / Mischgebiet entwickelt.862 Die GIRL stellt im Falle der Entwicklung eines Dorfes zum Wohngebiet die tatsächliche Nutzung eines Gebiets jedoch vor die bauplanungsrechtliche Zuordnung, mit der Einschränkung, dass in diesen Fällen bei entsprechender Begründung die Festlegung von Zwischenwerten möglich ist. „Zwischenwert“ kann dabei so ausgelegt werden, dass der denkbare mögliche Höchstwert nicht mehr festgelegt werden kann. In der Begründung und den Auslegungshinweisen finden sich jedoch noch weitere Ausführungen zur Beurteilung von Gerüchen im landwirtschaftlichen Bereich. Zu Nr. 1 GIRL wird dort ausgeführt, dass die in Tabelle 1 genannten Immissionswerte im landwirtschaftlichen Bereich in erster Linie für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen gelten. Bei der Anwendung bei nicht genehmigungsbedürftigen landwirtschaftlichen Anlagen ist danach in jedem Fall eine Einzelfallprüfung erforderlich, da zum Beispiel aufgrund der Ortsüblichkeit ggf. höhere Geruchsimmissionen toleriert werden könnten. In diesen Fällen könnten die Immissionswerte als Zielwerte in bestehenden Konfliktfällen herangezogen werden. Zur Ortsüblichkeit landwirtschaftlicher Gerüche führt die GIRL in diesem Punkt zudem Folgendes aus (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 1, Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich, Ortsüblichkeit): „Im Zusammenhang mit der Ortsüblichkeit landwirtschaftlicher Gerüche ist zu beachten, dass die Herausbildung des ländlichen Raumes das Ergebnis historischer Entwicklungen unter verschiedenen naturräumlichen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen ist. Historisch gewachsene Dorfgebiete sind durch die Parallelität der Funktionen Landwirtschaft, Kleingewerbe, Handwerk und Wohnen charakterisiert. Die zum Teil seit Generationen existierenden landwirtschaftlichen Hofstellen prägen den Dorfcharakter. Die Nutztierhaltung im Ortsbereich erfolgt meist in Familienbetrieben im Voll- oder Nebenerwerb in Anlagen, die deutlich unter der Genehmigungsbedürftigkeit nach BImSchG bleiben. Landwirtschaftliche Aktivitäten mit entsprechend häufigen Geruchsemissionen können in dieser unvermeidlichen Gemengelage bei gebotener gegenseitiger Akzeptanz und Rücksichtnahme der unterschiedlichen Nutzungen im Dorf als ortsüblich angesehen werden. Dabei ist auch darauf abzustellen, wie viele Quellen innerhalb des Dorfes zu den Geruchsimmissionen beitragen. Aufgrund der historischen Entwicklung kann die Situation in den neuen Bundesländern besondere Anforderungen an die Berücksichtigung der Ortsüblichkeit stellen. So mussten in der DDR die ehemals prägenden Hofstellen innerhalb vieler Dörfer infolge der Kollektivierung der Landwirtschaft aufgegeben werden. Sie wurden durch große Einheiten ersetzt, die überwiegend in Ortsnähe, planungsrechtlich im Außenbereich, errichtet wurden und dort seit Jahrzehnten betrieben werden. Dies führte dazu, dass im Innenbereich der betroffenen Dörfer nur noch vereinzelt landwirtschaftliche Nutzungen vorzufinden sind, der

862 Vgl. Bielenberg, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg (Hrsg.), BauGB, Bd. V, BauNVO § 5 Rn. 8; Fickert / Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 4.

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jeweilige Siedlungsbereich jedoch durch die unmittelbare Nachbarschaft der Tierhaltungsanlagen geprägt wird. Für die im Einwirkungsbereich solcher Tierhaltungsanlagen gelegenen Grundstücksnutzungen kann deshalb die Zuordnung des Immissionswertes für Dorfgebiete gerechtfertigt sein. In begründeten Einzelfällen kann sogar noch über diesen Wert hinausgegangen werden.“

Daraus wird deutlich, dass die GIRL das Problem der „Verdrängung“ landwirtschaftlicher Betriebe aus dem Dorfgebiet mit den sich daraus ergebenden immissionsschutzrechtlichen Folgen erkennt. Für diese Fälle sieht die GIRL folgerichtig eine Beurteilung des Einzelfalls und eine sich daran möglicherweise anschließende Festsetzung höherer Immissionswerte vor; für ein Gebiet, das sich zum Wohn- / Mischgebiet entwickelt hat, soll in Einzelfällen der Immissionswert für Dorfgebiete oder sogar ein höherer Immissionswert festgesetzt werden können. Die starre Formulierung zur Zuordnung des Dorfes zum Immissionswert von Wohn- / Mischgebieten unter der Voraussetzung der Veränderung der tatsächlichen Nutzung ist aus diesem Grund als wenig geglückt anzusehen. Aus der Zusammenschau der GIRL mit den Begründungen und Auslegungshinweisen ergibt sich jedoch, dass es in der praktischen Anwendung der GIRL nicht zwingend zur Verdrängung landwirtschaftlicher Betriebe aus dem Dorfgebiet kommen muss. (2) Sonstige Gebietsdifferenzierung Es bleibt jedoch dabei, dass die GIRL keine weitergehende Differenzierung hinsichtlich der Baugebietsarten trifft als (nunmehr) drei verschiedene Kategorien, wobei zum einen Wohn- / Mischgebiete und zum zweiten Gewerbe- / Industriegebiete zusammengefasst werden und das Dorfgebiet die bereits erörterte dritte Kategorie darstellt. Die GIRL weist somit keine abgestuften Immissionswerte für die einzelnen Baugebietsarten der Baunutzungsverordnung auf, wie sie beispielsweise in Nr. 6.1 TA Lärm vorgesehen sind. In den Auslegungshinweisen zur GIRL wird ausgeführt, dass eine Abstufung der Immissionswerte entsprechend der BauNVO nicht sachgerecht sei. Deren detaillierte Abstufung spiegele nicht die Belästigungswirkung von Geruchsimmissionen wider. Bei einer Geruchsbeurteilung der GIRL sei jeweils die tatsächliche Nutzung zugrunde zu legen (Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 3.1 GIRL, Zuordnung der Immissionswerte). Für spezielle Fälle sieht die GIRL in der Begründung und den Auslegungshinweisen jedoch andere Zuordnungen als die in Tabelle 1 der GIRL aufgeführten vor. Beispielhaft wird dort die Einteilung von Campingplätzen (kein höherer Schutzanspruch als die sie umgebende Bebauung), Ferienhausgebieten (sind im Allgemeinen wie Wohngebiete zu beurteilen) und Kleingartensiedlungen (sind im Allgemeinen wie Gewerbegebiete zu beurteilen) genannt. Im Hinblick auf die Aufteilung der Immissionswerte wird kritisiert, dass die GIRL den gebietsspezifischen Besonderheiten mit ihrem Immissionswertekonzept keinerlei Rechnung trage.863 Die Gebietseinteilung der GIRL setzt Wohn- und Mischgebiete auf der einen und Gewerbe- und Industriegebiete auf der anderen

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Seite einander gleich. Diese „Gleichschaltung“ verschiedener Gebiete mit unterschiedlichen Schutzwürdigkeiten wird insoweit bemängelt, als sie zur Nivellierung gebietsspezifischer Besonderheiten zwinge und zu Ergebnissen führe, die den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten nicht mehr gerecht würden.864 Die von der GIRL vorgenommene Einteilung in nur zwei Gebietstypen, verbunden mit der Anbindung an zwei fixe Grenzwerte, schließe eine Berücksichtigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und insbesondere der vorhandenen Vorbelastungen aus, die nach der Rechtsprechung ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen darstellten.865 Es wird daher gefordert, für jeden der in Tabelle 1 genannten Gebietstypen einen eigenen Immissionswert festzulegen und zudem eine Unterteilung der verschiedenen Wohngebietstypen nach der BauNVO vorzunehmen. Das gegenwärtige Bewertungsraster der GIRL erscheine als zu grob und sogar willkürlich, um ein gebietsadäquates Immissionsniveau zu gewährleisten.866 Die Zumutbarkeit von schädlichen Umwelteinwirkungen – und damit auch von Geruchsimmissionen – richtet sich unter anderem nach der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des betroffenen Gebiets. In Abhängigkeit von der bauplanungsrechtlichen Nutzung können mehr oder weniger Immissionen zumutbar sein.867 Dabei kommt es nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in erster Linie auf die Art der baulichen Nutzung an. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die BauNVO detailliert zwischen den unterschiedlichen Gebietstypen differenziert.868 Gegen die Forderung, für jede der von der BauNVO aufgestellten Nutzungsarten einen eigenen Immissionswert festzulegen, ist (noch zur GIRL 1998) vorgebracht Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 89. Vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 17. 05. 2004, Az.: 5 B 3381 / 03, n.v. 865 Vgl. Moench / Hamann, DVBl. 2004, 201, 206, unter Hinweis auf VGH Mannheim, Beschl. v. 12. 10. 1994, Az.: 5 S 2609 / 94, ZfBR 1995, 112; OVG Lüneburg, Urt. v. 19. 01. 1995, Az.: 1 L 166 / 90, NuR 1996, 42, 43. 866 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 89 f. 867 Vgl. dazu schon oben D. III. 1. a) bb) (3), und darüber hinaus BVerwG, Beschl. v. 27. 01. 1994, Az.: 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6. 868 Während Reine Wohngebiete nach § 3 BauNVO ausschließlich dem Wohnen dienen und nur ausnahmsweise zum Beispiel Läden und nicht störende Handwerksbetriebe zugelassen werden dürfen, dienen Allgemeine Wohngebiete nach § 4 BauNVO nur vorwiegend dem Wohnen. Zulässig sind dort unter anderem auch die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe. Mischgebiete nach § 6 BauNVO dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, wobei zum Beispiel auch Gartenbaubetriebe und Tankstellen zulässig sind. Gewerbegebiete nach § 8 BauNVO unterschieden sich darüber hinaus von den Industriegebieten nach § 9 BauNVO, als in ersteren vorwiegend nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe untergebracht werden und in letzteren ausschließlich Gewerbebetriebe, und zwar vorwiegend solche Betriebe untergebracht werden, die in anderen Baugebieten unzulässig sind, wozu auch Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe gehören. 863 864

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worden, dass die GIRL eine weitergehende Differenzierung als die in Tabelle 1 GIRL vorgenommene und insbesondere die Bildung von Zwischenwerten nicht ausschließe. Die Auslegungshinweise ließen dies sogar ausdrücklich zu. Auch dürfe in begründeten Einzelfällen über den Immissionswert von 0,15 hinausgegangen werden, da nach der MIU-Studie die erhebliche Belästigung bei relativen Geruchsstundenhäufigkeiten zwischen 0,10 und 0,20 beginne. Darüber hinaus sei nach der GIRL den besonderen örtlichen Verhältnissen stets Rechnung zu tragen. Die GIRL enthalte insoweit Spielräume, die jedoch nicht so weit gingen, dass die Eignung des Immissionswertkonzepts für die Beurteilung im Regelfall verloren ginge.869 Es stellt sich somit die Frage, ob diese Argumentation auch aus heutiger Sicht noch trägt oder ob eine Gebietsdifferenzierung nach den Nutzungsarten der BauNVO erforderlich ist. Im Rahmen der MIU-Studie, die zur Festlegung der Grenzwerte der GIRL geführt hat, ist ermittelt worden, dass der Wert von 10% Geruchsstundenanteil an den Jahresstunden als Kriterium für die Definition der „erheblichen Geruchsbelästigung“ bestimmt werden kann.870 Die damaligen Erhebungen stützten sich auf Wohngebiete in der Nachbarschaft von Industriegebieten. Systematische Prüfungen über die Auswirkung der Nutzungsart eines Gebietes im baurechtlichen Sinne auf die Ausprägung des Belästigungsgrades wurden damals nicht durchgeführt. Um dennoch eine Abstufung zu ermöglichen, schlugen Steinheider und Winneke871 vor, als Kriterium der Erheblichkeit für Gewerbe- und Industriegebiete 15% Geruchsstundenanteil an Jahresstunden festzusetzen, da nach den Ergebnissen der Untersuchungen zwischen 10% und 20% Geruchsstundenanteil der Belästigungsgrad nicht massiv zunimmt. Es handelte sich demnach um einen eher konservativen Vorschlag. Die Verfasser der Studie hätten als „Höchstwert“ auch einen Wert von 20% ansetzen können. Leitgedanke der Festsetzung von Immissionswerten in der GIRL war jedoch von Anfang an die Berücksichtigung des Belästigungsgrades von Anwohnern.872 Aus den Ergebnissen der MIU-Studie wurde aber schon deutlich, dass die Spannweite der möglichen Differenzierung von Immissionswerten nach Gebietsarten nicht groß ist. Die Immissionswerte der GIRL 2008 umfassen den Bereich von 0,10 bis 0,15, in Einzelfällen kann am Rande des Dorfgebiets zum Außenbereich ein Wert von 0,20 zumutbar sein (im Außenbereich – der aber für die Gebietsdifferenzierung irrelevant ist – kann im Einzelfall für landwirtschaftliche Gerüche ein Wert von 0,25 noch zumutbar sein). Nach der derzeitigen Differenzierung der GIRL müssten die elf Gebietstypen der §§ 2 bis 11 BauNVO – bei einer Zusammenfassung von Gebietstypen entsprechend Nr. 6.1 TA Lärm immerhin noch sechs Gruppen von Gebietstypen – in den 869 870 871 872

Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1161. Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 37. Vgl. Steinheider / Winneke, Materialienband 1992, S. 37. Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 100.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Bereich zwischen 0,10 und 0,15 (maximal 0,20) Geruchsstundenanteil an Jahresstunden eingeordnet werden. Dass die Sinnhaftigkeit einer solchen Abstufung nach 1 %-Schritten sowohl messtechnisch als insbesondere auch wahrnehmungstechnisch zu bezweifeln ist, legt die sogenannte Irrelevanzklausel der Nr. 3.3 GIRL 2008 nahe, nach der der zusätzliche Beitrag von 0,02 an Geruchsstunden unter bestimmten Voraussetzungen irrelevant sein kann.873 Zudem ist zweifelhaft, ob eine solche Differenzierung auf der Grundlage des Systems der GIRL überhaupt erforderlich ist. Schon in Nr. 1 weist die GIRL darauf hin, dass die Frage, ob Geruchsbelästigungen als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, nicht nur von der jeweiligen Immissionskonzentration, sondern unter anderem auch von der Nutzung des beeinträchtigten Gebiets abhängt. Zusätzlich wird auch im Rahmen der Regelfallprüfung darauf hingewiesen, dass ein Vergleich mit Immissionswerten nicht immer zur Beurteilung der Erheblichkeit der Belästigung ausreicht. Regelmäßiger Bestandteil dieser Beurteilung ist deshalb im Anschluss an die Bestimmung der Geruchshäufigkeit die Prüfung, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung nach Nr. 5 GIRL für den jeweiligen Einzelfall bestehen (Nr. 3.1 Abs. 5 GIRL). Die Überschreitung der von der GIRL vorgegebenen Immissionswerte führt außerdem nicht zwingend zur (bau- oder immissionsschutzrechtlichen) Nichtgenehmigungsfähigkeit einer Anlage, sondern zum Eintritt in die Beurteilung im Einzelfall nach Nr. 5 GIRL. Im Rahmen der Einzelfallprüfung soll unter anderem der Charakter der Umgebung, insbesondere die in Bebauungsplänen festgelegte Nutzung der Grundstücke als Beurteilungskriterium herangezogen werden (Nr. 5 Abs. 5 GIRL). In einem Mischgebiet kann daher nach der Beurteilung im Einzelfall auch ein höherer Immissionswert als 0,10 noch zumutbar sein. Es ist auch zu berücksichtigen, dass sich das Problem der mangelnden Gebietsdifferenzierung hinsichtlich immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen nur sehr eingeschränkt stellen dürfte. Die im Anhang zur 4. BImSchV aufgeführten Anlagen, die der Genehmigungspflicht unterliegen, können aufgrund ihrer Geeignetheit, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen, ganz überwiegend nur in Gewerbe- oder Industriegebieten oder im Außenbereich rechtmäßig errichtet werden. Zu Problemen dürfte es hinsichtlich der kritisierten mangelnden Gebietsdifferenzierung daher überwiegend bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen mit geringeren Produktionsvolumina kommen, die sowohl im Wohngebiet als auch im Mischgebiet oder im Gewerbegebiet angesiedelt werden können. Dabei ist zu beachten, dass die GIRL auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (nur) „sinngemäß“ angewandt wird (Nr. 1 Abs. 5 GIRL). Es ist zunächst zu prüfen, ob alle nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen ausgeschöpft sind (Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 1 GIRL, Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen). Anschließend ist die Frage zu stellen, ob die Vorgaben der GIRL auf den besonderen 873

Dazu sogleich hh).

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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Einzelfall in angemessener Weise angewendet werden können und entsprechend den besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob die zu beurteilenden Immissionen erheblich sind. Es ist bereits ausgeführt worden, dass Kleinemittenten teilweise andere Lösungen benötigen als immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen.874 Dies muss auch bei Anwendung der GIRL berücksichtigt werden. Im Ergebnis ist damit Hansmann875 zuzustimmen. Die GIRL schließt nach ihrem Regelungskonzept weder eine weitergehende Differenzierung der in Tabelle 1 vorgesehenen Werte noch eine Bildung von Zwischenwerten aus. Den besonderen örtlichen Verhältnissen wird im Rahmen der GIRL Rechnung getragen. Auf die Bedeutung der Nutzung des zu beurteilenden Gebiets weist die GIRL an verschiedenen Stellen ausdrücklich hin. Die Regelungen der GIRL „zwingen“ somit keineswegs zur Einhaltung „fixer“ Immissionswerte. Sie eröffnen vielmehr Spielräume für eine adäquate Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls auf der Grundlage der Systematik eines mittlerweile vielfach erprobten Mess- und Beurteilungskonzepts. Dass die GIRL den gebietsspezifischen Besonderheiten mit ihren Immissionswerten keinerlei Rechnung trägt, trifft somit ebenfalls nicht zu. In Bezug auf die Gebietsdifferenzierung ist jedoch noch eine weitere Regelung kritisiert worden.876 Nach Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL sind sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 GIRL zuzuordnen. Hierzu ist kritisch angemerkt worden, dass sich zwar aus dem Auslegungshinweis zu Nr. 3.1 GIRL, 3. Spstr. ergebe, dass die GIRL unter den „Grundsätzen des Planungsrechts“ den Vergleich der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Gebiete verstehe. In diesem Sinne könnten den Gebietstypen der GIRL jedoch nur diejenigen Gebiete nach § 34 Abs. 1 BauGB zugeordnet werden. Bei denjenigen Gebietstypen der BauNVO sei dies gerade nicht möglich, da sie nicht dasselbe oder mindestes ein vergleichbares Schutzniveau aufwiesen.877 Diese Kritik läuft aus ähnlichen Gründen, wie die bereits oben geschilderte Kritik an der Gebietsdifferenzierung, ins Leere. Auch die Zuordnung der sonstigen Gebiete führt nicht zu einer zwingenden Anwendung fixer Immissionswerte. Je nach dem zu beurteilenden Gebiet und seiner Nutzungsart kann aber anhand der Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL in einer Art Vorauswahl entschieden werden, ob das zu beurteilende Gebiet eher von Wohnnutzung oder von gewerblicher Nutzung geprägt ist. Entsprechend kann eine vorläufige Zuordnung entweder in Richtung des Immissionswerts von 0,10 oder in Richtung von 0,15 erfolgen. Eine abschließende Entscheidung über den im Einzelfall zumutbaren Immissionswert ist damit noch nicht getroffen. 874 875 876 877

Vgl. dazu oben A. I. 5. NVwZ 1999, 1158, 1161. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 90. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 90 f.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

gg) Gemengelage Der Begriff der Gemengelage wird in der GIRL an zwei Stellen in der Begründung und den Auslegungshinweisen verwendet. Zum einen wird zur Beurteilung von Gerüchen im landwirtschaftlichen Bereich ausgeführt, dass eine sich aus dem Nebeneinander von landwirtschaftlichen und sonstigen Aktivitäten innerhalb eines Dorfgebiets unvermeidliche Gemengelage zu möglicherweise veränderten Immissionswerten im Hinblick auf die Ortsüblichkeit von Geruchsimmissionen ergeben kann (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 1, Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich, Ortsüblichkeit). Zum anderen wird im Rahmen der Einzelfallbeurteilung eine Methodik beschrieben, wie bei einem Aufeinandertreffen von angenehmen und unangenehmen Geruchsimmissionen (welches dort als Gemengelage bezeichnet wird) zu verfahren ist (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL, zu Nr. 5, Prüfung im Einzelfall, Abs. 2, 6. Spstr.). Unter der Gemengelagenproblematik im Rechtssinne wird jedoch typischerweise das Angrenzen von Gebietsnutzungen unterschiedlicher Art und die sich daraus ergebende Frage nach der Zumutbarkeitsherab- oder -heraufsetzung verstanden. Wie oben878 ausgeführt worden ist, geht die Rechtsprechung beim Aufeinandertreffen verschiedener Nutzungsarten von einer gegenseitigen Rücksichtnahmepflicht aus. Diese kann sowohl dazu führen, dass das nutzungsrechtlich schutzbedürftigere Gebiet eine höhere Beeinträchtigung hinzunehmen verpflichtet ist, als auch dazu, dass das nutzungsrechtlich weniger schutzbedürftige Gebiet auf die gesteigerte Schutzwürdigkeit Rücksicht nehmen muss.879 Das Bundesverwaltungsgericht880 hat hierzu entschieden, dass in Gemengelagen ein Wert zuzumuten sei, der zwischen den Richtwerten liege, welche für die benachbarten Gebiete unterschiedlicher Nutzung und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit bei jeweils isolierter Betrachtung gegeben seien. Damit solle zum Ausdruck gebracht werden, dass als konkretes Ergebnis der gegenseitigen Rücksichtnahme sich weder der eine noch der andere Richtwert durchzusetzen vermag. In welchem Umfang eine Abweichung von den Immissionswerten zulässig ist, ist bislang aber noch nicht geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt insoweit eine Bewertung unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit sowie der Umstände des Einzelfalls. Eine schematische Mittelwertbildung im Sinne einer mathematischen Interpolation lehnt es ab. Diese ursprünglich für den Bereich der Lärmimmissionen entwickelte Rechtsprechung gilt nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts881 auch für Geruchsimmissionen. An der GIRL wurde in der Vergangenheit bemängelt, dass sie die Gemengelagenproblematik nicht behandele. Es werde keine den Anforderungen der Recht878 879 880 881

Vgl. oben A. I. 6. und D. III. 1. a) bb) (3). Vgl. Dürr / König, Baurecht, Rn. 180. Vgl. BVerwG, Beschl. v. 28. 09. 1993, Az.: 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139. Vgl. BVerwG, Beschl. v. 28. 09. 1993, Az.: 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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sprechung gerecht werdende Gemengelagenregelung getroffen.882 Die GIRL regele weder, welche Kriterien im Einzelnen für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Gerüchen in einer Gemengelage von Bedeutung seien noch in welchem Ausmaß von den Immissionswerten der GIRL abgewichen könne.883 Diese Kritik ist nicht nachvollziehbar. Welche Kriterien für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Gerüchen zu berücksichtigen sind, regelt die GIRL in Nr. 1, Nr. 5 und in der Begründung und den Auslegungshinweisen. Dort wird (zu Nr. 3.1 GIRL) zudem ausgeführt, dass bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen in Dorfgebieten in begründeten Einzelfällen Zwischenwerte zwischen Dorfgebieten und Außenbereich möglich seien, was zu Werten von bis zu 0,20 am Rande des Dorfgebiets führen könne. Analog könne beim Übergang vom Außenbereich zur geschlossenen Wohnbebauung verfahren werden. In Abhängigkeit vom Einzelfall könnten Zwischenwerte bis maximal 0,15 zur Beurteilung herangezogen werden884, wobei der Übergangsbereich genau festzulegen sei. Die GIRL sieht somit für zwei Konstellationen von Gemengelagen mögliche Zwischenwertbereiche zur Festlegung eines Immissionswerts im Einzelfall vor. Eine Festlegung von Immissionswerten für alle denkbaren Konstellationen ist jedoch auch nach der Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Rechtsprechung löst die Gemengelagenproblematik gerade anhand einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit und der ansonsten relevanten Umstände. Welche Anforderungen an eine mögliche Gemengelagenregelung in der GIRL darüber hinaus gestellt werden können, ist daher nicht ersichtlich. Die oben zitierte Regelung zur Behandlung von Wohnbebauung in Angrenzung an den Außenbereich in der Begründung zur GIRL 2008 fußt auf einer Entscheidung des OVG Münster vom 26. 04. 2007.885 Im Rahmen der Entscheidung über einen Normenkontrollantrag gegen einen Vorhaben- und Erschließungsplan in Nachbarschaft zu einem landwirtschaftlichen Betrieb führte das OVG Münster aus, dass ein Wohngebiet am Rande zum bauplanungsrechtlichen Außenbereich grundsätzlich eine stärkere Geruchsbelastung hinzunehmen habe, als sie für ein Allgemeines Wohngebiet gelte, das nicht am Rande zum Außenbereich läge. Ein Immissionswert von 0,13 könne danach als eine Art Mittelwert in etwa den Bereich zumutbarer Geruchsbelastung beschreiben. hh) Irrelevanzregelung Kritik wird ferner an der Regelung der Nr. 3.3 GIRL geübt. Danach soll die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der 882 883 884 885

Vgl. Lang, NuR 2008, 15, 19. Vgl. Lang, NuR 2008, 15, 19. Unter Verweis auf OVG Münster, Urt. v. 26. 04. 2007, Az.: 7 D 4 / 07.NE, n.v. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 26. 04. 2007, Az.: 7 D 4 / 07.NE, n.v.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, den Wert 0,02 überschreitet. Bei Einhaltung dieses Wertes sei davon auszugehen, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht. Diese Regelung soll den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht gerecht werden und sich damit als rechtswidrig erweisen.886 Die Regelung begründe das Risiko der Summation. Zum einen lasse sie unberücksichtigt, dass der vergleichsweise geringe Einzelbeitrag mit der vorhandenen Geruchsbelastung zusammenwirke und auf diese Weise zu einer erheblichen Geruchsbelästigung führen könne. Zum anderen bringe die Nr. 3.3 GIRL die Gefahr mit sich, dass es unter Berufung auf die Irrelevanzregel zur Genehmigung immer neuer Anlagen komme und so die Geruchsbelastung der Anwohner schrittweise auf ein unerträgliches Maß gesteigert werden könne, ohne eine rechtliche Handhabe hiergegen zu haben.887 Oben ist ausgeführt worden, dass für § 5 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. BImSchG nur solche Immissionen relevant sind, die durch von der betreffenden Anlage ausgehende Emissionen zumindest mitverursacht werden.888 Eine Mitverursachung entfällt, wenn von der Anlage nahezu keine nennenswerten Emissionen ausgehen und der Anteil an der Immissions(gesamt)belastung sehr gering ist, wenn es sich also um irrelevante Verursachungsbeiträge handelt.889 Die GIRL geht nach der oben beschriebenen Regelung davon aus, dass Immissionsbeiträge von bis zu 2 % der Jahresstunden als nicht mitursächlich im vorgenannten Sinne anzusehen sind und eine Genehmigung auch bei Überschreiten der Immissionswerte unter den oben genannten Voraussetzungen erteilt werden kann.890 Die Frage, ob es nach dem BImSchG irrelevante Immissionsbeiträge geben kann, stellt sich nicht nur im Hinblick auf Geruchsimmissionen. Irrelevanzregelungen finden sich zum Beispiel auch in Nr. 4.2.2 Satz 1 lit. a, 4.3.2 lit. a, 4.4.3 und 4.5.2 lit. a TA Luft wieder. Die Frage nach der Zulässigkeit solcher Irrelevanzregelungen ist umstritten.891 Nach Ansicht von Lübbe-Wolff ist jeder Immissionsbeitrag als kausal anzusehen, da kleine Immissionsbeiträge zwar für sich genommen geringfügig und unschädlich seien, sich mit zahlreichen anderen Beiträgen gleicher Art aber zu Schäden oder Gefahren von erheblichem Ausmaß summieren könnten.892 Da das BImSchG Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 110. Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 110. 888 Vgl. oben D. III. 1. b) aa) (4). 889 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 17; Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 57, 58. 890 Vgl. dazu auch Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 105 f. 891 Vgl. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 17; Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 58; Koch, in: Koch (Hrsg.), UmwR, § 4 Rn. 72; Hansmann, TA Luft, Nr. 4.2 Rn. 19 ff.; Koch, in: FS Feldhaus, S. 215, 223. 886 887

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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auch den Schutz vor solchen aufsummierten Gefahren sicherstellen müsse, könnten oberhalb der durch einen Immissionsgrenzwert festgelegten Schwelle weitere Belastungen auch nicht deshalb noch zugelassen werden, weil diese für sich genommen geringfügig und unschädlich seien.893 Dagegen ist nach der Auffassung von Hansmann894 die Zulässigkeit von Irrelevanzklauseln im Immissionsschutzrecht nicht in Frage zu stellen. Die Rechtsordnung knüpfe bestimmte Rechtsfolgen an Kausalitätsbeziehungen. Wegen des wertenden Charakters der Rechtsordnung könnte nicht von vornherein jede Bedingung als gleichwertig angesehen werden. Entscheidend könne daher nur sein, welcher Erfolg nach der gesetzlichen Wertung einem Ereignis zurechenbar sei.895 Dabei sei die Wertung mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsgrundsätze der jeweils anzuwendenden Norm zu entnehmen. Besondere Bedeutung habe in diesem Zusammenhang der Gesetzeszweck. Aus dem im Hinblick auf Störfälle geltenden Grundsatz folgert Hansmann, dass nicht jede Risikoerhöhung durch den Betrieb der Anlage unterbunden werden solle, und damit ein Risikorest rechtlich grundsätzlich hinnehmbar sei. Dies müsse auch für den Fall gelten, dass die nicht mmer zu vermeidenden Emissionen einer Anlage, die einen minimalen Beitrag zu einer Immissionsbelastung leisteten, als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen seien.896 Dietlein897 begründet die Zulässigkeit von Irrelevanzklauseln weiterhin damit, dass sie Ausdruck des aus dem Fehlen exakter Werte für die Schädlichkeitsschwelle resultierenden Spielraums des Vorschriftengebers bei der Festlegung derjenigen Grenzen seien, die nicht überschritten werden sollen, die aber nicht als normative Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle im Sinne des § 5 BImSchG dienten. Für die Zulässigkeit von Irrelevanzklauseln spricht auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das in der Vergangenheit die Irrelevanz kleinster Immissionsbeiträge grundsätzlich anerkannt hat.898 Das Bundesverwaltungsgericht hat insofern ausgeführt, dass im Rahmen des Minimierungsgebots (aus Nr. 2.3 Abs. 1 und Nr. 3.1.7. TA Luft 1986) die Schutzpflicht regelmäßig dort ende, wo auf Grund sachverständiger Risikoabschätzung die Irrelevanz einer von der Anlage verursachten Immissionszusatzbelastung durch potenziell gesundheitsgefährdende 892 Vgl. Lübbe-Wolff, in: Dreier / Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität und technische Entwicklung, S. 167, 176. 893 Vgl. Lübbe-Wolff, in: Dreier / Hofmann (Hrsg.), Parlamentarische Souveränität und technische Entwicklung, S. 167, 176. 894 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.2 Rn. 23. 895 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.2 Rn. 23. 896 Vgl. Hansmann, TA Luft, Nr. 4.2 Rn. 23. 897 Vgl. Dietlein, in: Landmann / Rohmer (Hrsg.), UmwR, BImSchG, § 5 Rn. 58, 95. 898 Vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 11. 12. 2003, Az.: 7 C 19 / 02, NVwZ 2004, 610, 611.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Stoffe anzunehmen sei, und eine Immissionszusatzbelastung unter 1 % der anerkannten Wirkungsschwelle als irrelevant angesehen.899 Es stellt sich somit die Frage, ob die Irrelevanzregelung der GIRL den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gerecht wird. Nach dem Wortlaut der Nr. 3.3 GIRL besteht in der Tat die Gefahr, dass sich viele einzelne „irrelevante“ Beiträge von 0,02 Geruchsstundenanteil der Jahresstunden im Ergebnis zu Immissionswerten summieren, die weit über die in Tabelle 1 GIRL genannten Werte hinausgehen. Das Problem der Kumulation ist von den Verfassern der GIRL aber erkannt worden. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.3 GIRL (Anwendung des Irrelevanzkriteriums im Außenbereich) wird auf das Problem der möglichen Kumulation von Immissionsbeiträgen eingegangen. Dort wird ausgeführt, dass um solche Wohngebiete, die vom Außenbereich umgeben wären, eine Vielzahl von dort privilegierten landwirtschaftlichen Anlagen existieren bzw. gebaut oder erweitert werden könnten, deren einzelner Beitrag zur Geruchsimmissionssituation zwar irrelevant sei, die aber insgesamt beträchtliche Kumulationen nach sich ziehen könnten. Darauf sei in der Vergangenheit unterschiedlich reagiert worden, zum Beispiel durch eine „kleine“ Irrelevanzregelung in Niedersachsen, nach der lediglich 0,004 Geruchsstundenanteil irrelevant sei. Die GIRL schlägt in diesem Punkt vor, in den Fällen, in denen eine übermäßige Kumulation befürchtet wird, zusätzlich zu den erforderlichen Berechnungen auch die Gesamtbelastung im Ist-Zustand einzubeziehen und zu prüfen, ob bei der bereits vorhandenen Belastung noch ein zusätzlicher Beitrag von 0,02 toleriert werden könne. Dies würde unter Umständen zwar dazu führen, dass eine erste Anlage mit irrelevantem Beitrag noch genehmigt werden könnte, ein zweite jedoch nicht mehr. Dies sei gleichwohl gerechtfertigt, um schädliche Umwelteinwirkungen gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG zu vermeiden. Dass die Verfasser der GIRL einen entsprechenden Auslegungshinweis lediglich für landwirtschaftliche Anlagen im Außenbereich aufgenommen haben, spricht dafür, dass aus ihrer Erfahrung das Problem der Kumulation auch im Wesentlichen ausschließlich in diesem Bereich auftritt. Anderenfalls hätte es eines entsprechenden Auslegungshinweises auch für andere Anlagenarten in beplanten Gebieten bedurft. Im Übrigen ist den Ansichten von Dietlein und Hansmann zu folgen. Gerade in Bezug auf Geruchsimmissionen resultiert ein Spielraum aus dem Umstand, dass hierfür keine exakten Werte für die Schädlichkeitsschwelle festgelegt werden können. Auch die Werte der GIRL sind, wie schon gezeigt, nicht als „fixe“ Werte zu verstehen. Bestandteil der Systematik der GIRL ist es auch und gerade, im Einzelfall von den dort festgelegten Immissionswerten abzuweichen, wobei sowohl strengere als auch weniger strenge Werte festgelegt werden können. Dem entspricht die Zulässigkeit eines irrelevanten Immissionsbeitrags bei der Zulassung oder Erweiterung einer Anlage. Dass die GIRL den ausreichenden Schutz der Nachbarschaft 899

Vgl. BVerwG, Urt. v. 11. 12. 2003, Az.: 7 C 19 / 02, NVwZ 2004, 610, 611.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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vor erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen verfolgt, zeigt die „konservative“ Festlegung der Immissionswerte für Wohn- / Mischgebiete und Gewerbe- / Industriegebiete. Da die GIRL stets als gesamtes System zu betrachten ist, kann daher im Ergebnis aus der Irrelevanzregelung nicht die Möglichkeit der infiniten Erhöhung der Immissionswerte abgeleitet werden. ii) Stichprobenanzahl und Korrekturfaktor k Die GIRL sieht im Genehmigungsverfahren bei Rasterbegehungen die Anwendung eines Korrekturfaktors k vor, weil die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen wegen der Unsicherheiten der Begehungsmethode900 andernfalls nicht als statistisch gesichert angesehen werden kann. Dabei soll der Korrekturfaktor nur im Genehmigungsverfahren zum Tragen kommen, nicht aber im Überwachungsverfahren. An diesem Ansatz ist kritisiert worden, dass sich aus dem BImSchG ergebe, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nicht nur im Zeitpunkt der Errichtung und Inbetriebnahme der Anlage vorliegen, sondern während des gesamten Betriebszeitraums eingehalten werden müssten. Die Messunsicherheiten, die sowohl im Genehmigungs- als auch im Überwachungsverfahren bestünden, müssten daher auch gleichermaßen ausgeglichen werden.901 Die GIRL versteht unter „Überwachungsverfahren“ jedoch nicht die regelmäßig wiederkehrenden Messungen, die zum Beispiel im Genehmigungsbescheid oder nach § 28 BImSchG angeordnet werden können, sondern diejenige Messung, die durchgeführt werden muss, bevor eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG ergehen kann, vgl. Nr. 4.3 GIRL. Eine der GIRL in diesem Punkt entsprechende Regelung enthält die TA Luft in Nr. 5.3.2.4, die oben dargestellt worden ist. Dort ist ausgeführt worden, dass die Messunsicherheit zugunsten des Betreibers zu berücksichtigen ist, soweit durch nachträgliche Anordnungen, die auf der Ermittlung von Emissionen beruhen, zusätzliche Emissionsminderungsmaßnahmen gefordert werden. Diese Regelung wird damit begründet, dass bei Emissionsmessungen vor nachträglichen Anordnungen aufgrund des wesentlich geringeren Umfangs der Messergebnisse eine erheblich höhere Messunsicherheit auftritt. Diese soll nicht zu Lasten des Anlagenbetreibers gehen. Insofern ist die Regelung der GIRL aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.902

900 Vgl. zur Kritik an der Anzahl der von der GIRL vorgesehenen Stichproben Krause, in: KTBL (Hrsg.), Geruchsemissionen aus der Landwirtschaft, S. 31, 36 f. 901 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 116. 902 Anders Lang, die die Tragfähigkeit der Argumentation der GIRL hinsichtlich der materiellen Beweislasterwägungen nicht für überzeugend hält bzw. hinterfragt, ob es einer Bezugnahme auf die materielle Beweislast überhaupt bedarf.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

jj) Flächenbezug Der in der GIRL vorgesehene Flächenbezug ist wiederholt kritisiert worden.903 Die Bildung von Immissionsgrößen für den Geruch auf Beurteilungsflächen gehe an der eigentlichen Problematik vorbei, weil der Geruch selbst bereits eine Wirkung eines Geruchsstoffes darstelle und Geruchsstoffe, sobald sie feststellbar seien, auch unmittelbare Wirkung auslösten, deren konkretes Belästigungspotential im jeweiligen Einzelfall bestimmt werden müsse.904 Im Rahmen der Expertenanhörung im Oktober 1997 in Stuttgart wurde von nahezu allen befragten Experten der Flächenbezug als ungeeignet kritisiert. Argumentiert wurde zum Beispiel, dass bei dem in der GIRL gewählten Flächenbezug Belastungsspitzen und -senken verwischt würden.905 Der Flächenbezug wird als sachlich falsch beurteilt, da es immer nur Personen seien, die belästigt werden bzw. sich belästigt fühlten. Es müsse daher ein Punktbezug gewählt werden. Man hätte daher bei den messplanerischen Vorgaben der GIRL nicht bei der TA Luft Anleihe nehmen dürfen, sondern hätte dies bei der TA Lärm tun müssen. In letzterer werde wie bei der GIRL ein Wirkungsphänomen immissionsschutzrechtlich gelöst. Die TA Lärm sei somit die richtige Erkenntnisquelle zur Behandlung des schwierigen Phänomens.906 Weiterhin ist die Beurteilungsflächen-Methodik als „Krücke“ bezeichnet worden, die der Anforderung Rechnung trage, dass die Ergebnisse von Ausbreitungsrechnungen und die Ergebnisse von Begehungen miteinander verknüpft werden könnten. Durch den Flächenbezug versuche die GIRL, die sehr schmale Datenbasis von 13 oder 26 Begehungen pro Punkt durch den Kunstgriff „Fläche“ auf die vierfachen Werte zu erhöhen, wobei man dann im statistischen Sinne – mindestens ansatzweise – von „repräsentativer Stichprobe“ sprechen könnte.907 Lediglich ein Experte erkennt den Flächenbezug als geeigneten Ansatz an. Die Ungenauigkeiten der Ausbreitungsrechnung würden dadurch teilweise kompensiert. Ebenso seien die Korrelationen zwischen Belastung und Belästigungsgrad beim Flächenbezug am besten. Nicht zuletzt würde eine „Punktbetrachtung“ implizieren, dass sich die Betroffenen ständig an einem Ort aufhielten, was nicht der Realität entspreche. Die Punktbetrachtung sei daher wegen Ungenauigkeiten bei Prognoserechnungen oder Begehungen weniger geeignet.908 Der Kritik am Flächenbezug ist insoweit zuzustimmen, als ein Flächenbezug grundsätzlich zu einer gewissen Nivellierung führt.909 Der Flächenbezug impliziert 903 904 905 906

Vgl. MUVBW, Geruchsimmissionsrichtlinie, Anhang A, Anlage 2, S. 7 ff. Vgl. Buchholz, AgrarR 2000, 5, 7. Vgl. Mannebeck, in: MUVBW, Geruchsimmissionsrichtlinie, Anhang A, Anlage 2, S. 7. Vgl. Junker / Nobel, in: MUVBW, Geruchsimmissionsrichtlinie, Anhang A, Anlage 3,

S. 6. 907 908

Vgl. Frechen, in: MUVBW, Geruchsimmissionsrichtlinie, Anhang A, Anlage 4, S. 3. Vgl. Richter, in: MUVBW, Geruchsimmissionsrichtlinie, Anhang A, Anlage 7, S. 3.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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eine gleichmäßige Verteilung der Immission innerhalb einer Fläche. Diese Bedingung wird im Nahbereich von Emittenten jedoch fast nie erfüllt.910 Allerdings ist die umfassendere Aussagefähigkeit von Begehungsergebnissen zu berücksichtigen, die auf dem Flächenbezug fußt. Die ausschließliche Anwendung des Punktbezugs kommt nur dann in Frage, wenn innerhalb des Einwirkungsbereichs der Anlage alle potentiell von den Immissionen betroffenen Orte dadurch hinreichend beurteilt werden können. Dies mag der Fall sein, soweit sich beispielsweise nur wenige Nachbarn im Einwirkungsbereich der Anlage befinden. Soll aber der gesamte Einwirkungsbereich der Anlage, auch im Hinblick auf später hinzutretende Bebauung, überprüft werden, so reicht hierfür ein Punktbezug nicht aus. In jedem Fall ist es erforderlich, den Flächenbezug flexibel handhaben zu können. Dies sieht die GIRL auch vor. Nach der GIRL beträgt die Seitenlänge einer Beurteilungsfläche in der Regel 250 m. Eine Verkleinerung dieser Fläche soll aber gewählt werden, wenn außergewöhnlich unregelmäßig verteilte Geruchsimmissionen auf Teilen von Beurteilungsflächen zu erwarten sind, so dass sie im Rahmen von Beurteilungsflächen der Größe 250 m  250 m auch nicht annähernd zutreffend erfasst werden können. Dies ist nach der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 4.4.3 GIRL dann der Fall, wenn es sich bei dem Emittenten um eine niedrige Quellhöhe handelt, wie zum Beispiel Tierhaltungsanlagen, oder in topographisch stark gegliederten Gebieten. In diesem Fall ist eine Abstimmung zwischen der Behörde und dem Gutachter besonders wichtig (vgl. Begründung und Auslegungshinweise, zu Nr. 4.4.3 GIRL, Lage und Größe der Beurteilungsflächen). Da die GIRL auf die VDI-RL 3940 Blatt 1 verweist, können Beurteilungsflächen bis zu einer Größe von 50 m  50 m festgelegt werden, soweit dies erforderlich erscheint. Richter schlägt insoweit vor, im Nahbereich eines Emittenten, den er auf 250 m Entfernung gerechnet ab dem Rand der emittierenden Fläche festlegt, die Beurteilungsflächen nicht größer als 50 m  50 m festzulegen.911 c) Entwicklung der Rechtsprechung zur GIRL Während sich die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der GIRL in den Neunziger Jahren und auch noch für einige Zeit nach dem Jahrtausendwechsel als sehr uneinheitlich darstellt, hat sich die GIRL sowohl in der verwaltungs- als auch zivilgerichtlichen Rechtsprechung in den letzten Jahren ganz überwiegend durchgesetzt. Dennoch gibt es nach wie vor vereinzelt ablehnende Entscheidungen zur GIRL. Um die Entwicklung der zunehmenden Akzeptanz der GIRL in der Rechtsprechung darzustellen, sollen zunächst einige ablehnende Entscheidungen erörtert werden, um sodann verschiedene neuere befürwortende Entscheidungen darzustel909 910 911

So auch Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 113. Vgl. Richter, in: MUVBW, Geruchsimmissionsrichtlinie, Anhang A, Anlage 7, S. 2. Vgl. Richter, in: MUVBW, Geruchsimmissionsrichtlinie, Anhang A, Anlage 7, S. 2.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

len. Anhand der Auswertung der verschiedenen Urteile wird auch darzulegen sein, aus welchem Grunde einige der ablehnenden Entscheidungen heute nicht mehr zu überzeugen vermögen. aa) Die Anwendbarkeit der GIRL ablehnende Entscheidungen In seinem Urteil vom 11. 04. 1997 hatte sich der 1. Senat des OVG Lüneburg912 mit der Frage zu befassen, ob im Rahmen der Beurteilung von Geruchsimmissionen aus einer geplanten Schweinemastanlage die VDI-Richtlinie 3471 sowie ein „Fluktuationsmodell“ zur Berechnung der Ausbreitung von Geruch anzuwenden sei, oder ob eine Einzelfallbeurteilung nach der GIRL in Frage käme. Das OVG lehnte die Anwendbarkeit der GIRL aus zwei Gründen ab. Zum einen hielt es die GIRL für unanwendbar, da diese in Niedersachsen erst mit Erlass vom 14. 03. 1996 eingeführt worden sei und nach ihrem Einführungserlass – probeweise zunächst für zwei Jahre – für die Beurteilung zugrundegelegt werden sollte, ob von genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen erhebliche Geruchsbelästigungen ausgehen. Dagegen sollten laufende Verfahren auf der bisherigen Grundlage der Messverfahren und Bewertungskriterien zu Ende geführt werden. Das OVG lehnte die GIRL jedoch auch inhaltlich mit der Begründung ab, das „probeweise“ Vorgehen nach der GIRL schließe es auch aus, in dieser bereits gesicherte neue wissenschaftliche Erkenntnisse dergestalt zu erblicken, dass diese es gebieten könnten, im zu entscheidenden Verfahren, gleichsam rückwirkend in Korrektur der bisher angewendeten Messverfahren und Beurteilungskriterien, angewendet zu werden.913 Das OVG verwies darüber hinaus darauf, dass sich 23 Sachverständige in einem Gutachten ablehnend zur GIRL geäußert hätten. Das OVG wandte in der Entscheidung schließlich die Grenzwerte des Gemeinsamen Runderlasses von 1986 an und kam im Ergebnis dazu, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruch ausgelöst würden. Gegen die Anwendbarkeit der GIRL sprach sich auch das OVG Bautzen914 mit Beschluss vom 15. 07. 1998 aus. Im Rahmen der Auswirkungen von Geruchsimmissionen durch einen Schweinestall entschied das OVG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dass die Berechnung der Immissionsprognose nach der 912 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 11. 04. 1997, Az.: 1 L 7648 / 95, NuR 1998, 493; diese Argumentation vertrat auch VG Hannover, Beschl. v. 01. 03. 1999, Az.: 8 B 6785 / 98, n.v.; vgl. dazu auch Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160; ablehnend auch VG Greifswald, Beschl. v. 20. 06. 2002, Az.: 1 B 2644 / 01, n.v. 913 Hierbei verkannte das OVG jedoch, dass die „probeweise“ Einführung der GIRL nicht bedeuten sollte, dass diese unverbindlich sei oder dass die Aussagen der GIRL keine hinreichenden Grundlagen hätten. Vielmehr sollte die Anwendung befristet werden, um sicherzustellen, dass die Regelungen anhand möglicher zusätzlicher neuer Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen nach Ablauf der Probezeit fortgeschrieben werden konnten, vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1160. 914 Vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 15. 07. 1998, Az.: 1 S 257 / 98, SächsVBl 1998, 292.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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GIRL keineswegs unbestritten sei. Vielmehr werde sie von fachkundiger Seite teilweise gänzlich abgelehnt, so zum Beispiel seitens der Landwirtschaft bzw. von Mitarbeitern der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig. Das OVG berief sich weiter auf eine Stellungnahme des KTBL von 1996, nach der die GIRL kein taugliches Instrumentarium zur Erfassung und Beurteilung von Geruchsimmissionen sei. Sie sei danach in ihren Kernpunkten wissenschaftlich nicht haltbar. Angesichts dieser Einwendungen vermochte der Senat die GIRL für die Frage der Zumutbarkeit von Geruchsbeeinträchtigungen nicht heranzuziehen.915 Der VGH München916 lehnte es in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit Beschluss vom 28. 08. 2001 ab, zu klären, ob und ggf. in welchem Umfang die GIRL auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar war und stellte die Klärung dieser Frage dem Hauptsacheverfahren anheim. Es führt aus, dass die Anwendung der Richtlinie im Bereich der Landwirtschaft möglicherweise nicht unproblematisch sei und verwies dazu auf einen Beitrag von Hansmann917, der jedoch seinerseits die Anwendbarkeit der GIRL auch im Bereich der Landwirtschaft im Ergebnis bejaht. Der 1. Senat des OVG Lüneburg918 äußerte auch in seinem Urteil vom 25. 07. 2002 noch Zweifel daran, ob mit Hilfe der in der GIRL enthaltenen Methoden für den landwirtschaftlichen Bereich die tatsächlichen Verhältnisse mit hinreichender Sicherheit beschrieben werden könnten. Dabei ging es um die Genehmigung für eine Erweiterung von Stallanlagen für Schweine- und Rinderhaltung. Besonders bemängelte das OVG die nach der GIRL anzuwendende Ausbreitungsrechnung nach der TA Luft mit dem Faktor 10, da dieses Modell für hohe Abluftkamine mit hohen Ablufttemperaturen konzipiert sei, nicht aber für bodennahe und relativ kalte Quellen, wie sie in der Landwirtschaft vorkämen. Kritik äußerte das OVG auch an der Geruchsstunde als Bewertungsgröße, die mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und möglicherweise sogar manipulierbar sei. Kritisch äußerte sich das OVG schließlich dazu, dass die Ausbreitungssimulation nach der GIRL mit einem einfachen Gauß-Modell erfolge, das nicht in der Lage sei, Strömungshindernisse und topographische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Gleichwohl erkannte das Gericht die GIRL als ein Hilfsmittel unter vielen anderen bei der Beurteilung von Gerüchen an. Welche anderen Hilfsmittel noch existierten, legte das Gericht indes nicht dar. Das OVG entschied, dass Geruchshäufigkeiten von 30,5% der Jahresstunden die Schwelle zur gesundheitsschädlichen Geruchsbelästigung nicht über915

Vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 15. 07. 1998, Az.: 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292,

294. Vgl. VGH München, Beschl. v. 28. 08. 2001, Az.: 26 ZS 01.1413, GewArch 2001, 499. Vgl. Hansmann, NVwZ 1999, 1158, 1161, unter Verweis auf die gerade im Umfeld von Tierhaltungsanlagen durchgeführten Anwohnerbefragungen, die eine sehr gute Übereinstimmung mit der Systematik der GIRL ergeben hätten. 918 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 07. 2002, Az.: 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24. 916 917

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

schritten, und ging damit über die in der GIRL vorgesehenen einzuhaltenden Immissionswerte hinaus. Zu diesem Wert kam das Gericht unter Zugrundelegung des Niedersächsischen Einführungserlasses zur GIRL vom 24. 11. 2000919, indem für Dorfgebiete und für den Außenbereich Immissionswerte von bis zu 20% relative Geruchsstundenhäufigkeiten zuzulassen seien. Nach Auffassung des OVG war jedoch auch darin noch keine Grenze zu gesundheitsschädlichen Geruchsbelästigungen zu sehen. Die tatsächliche Belastung relativiere sich durch die der GIRL zugrunde gelegten Faktoren (Wahrnehmungshäufigkeit knüpft an die Geruchsstoffkonzentration von 1 GE / m3 an und 1 GE / m3 markiert die Geruchsschwelle, bei der 50% der geschulten Probanden einen Geruchseindruck hat; Gerüche sind schon dann im Umfang einer Geruchsstunde zu berücksichtigen, wenn jeweils mindestens 6 Minuten die Geruchsschwelle überschritten wird). Im Jahre 2006 entschied der VGH München920, dass die Beurteilung von Geruch auf der Grundlage der GIRL dem Begriff dessen, was erheblich im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG sei, nicht gerecht werde. Zur Begründung verwies der VGH auf den Ansatz der GIRL, nachdem eine Geruchsstunde bereits dann angesetzt werde, wenn während nur einer Minute eine der Geruchsquelle zuzuordnende Geruchswahrnehmung eintrete. Zudem bewerte die GIRL bereits den geringsten Grad der spezifischen Geruchswahrnehmung (1 GE / m3). Zusammen führe dies zu einer unrealistischen Beurteilung von Immissionen aus typisch landwirtschaftlicher Tierhaltung. Darüber hinaus unterschieden die in Nr. 3.1 der GIRL genannten Immissionswerte lediglich nach Wohn- / Mischgebiet einerseits und Gewerbe- / Industriegebiet andererseits und berücksichtigten damit die typische Hedonik und Ortsüblichkeit der Gerüche aus landwirtschaftlicher Tierhaltung im Dorfgebiet (und im nahen Grenzbereich) nicht. Zuletzt lehnte der VGH München921 am 24. 11. 2008 mit gleichlautender Begründung die Anwendbarkeit der GIRL für die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Tierhaltung ab. bb) Die Anwendbarkeit der GIRL bejahende Entscheidungen Den vorgenannten ablehnenden Entscheidungen zur GIRL stehen die folgenden verwaltungsgerichtlichen und zivilgerichtlichen Entscheidungen gegenüber, die sich grundsätzlich für die Anwendbarkeit der GIRL aussprechen. So bejahte das OVG Münster922 mit Urteil vom 25. 09. 2000 die Anwendbarkeit der GIRL und dies trotz der daran geäußerten Kritik. Derselbe Senat des OVG Münster923 entschied auch mit Urteil vom 19. 02. 2002, dass die GIRL zur Beurteilung von Geruchsimmissionen anwendbar sei. 919 920 921 922 923

NdsMBl. S. 224. Vgl. VGH München, Urt. v. 27. 11. 2006, Az.: 5 BV 06.422, ZUR 2007, 600. Vgl. VGH München, Beschl. v. 24. 11. 2008, Az.: 1 ZB 08.1516, n.v. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 25. 09. 2000, Az.: 10a D 8 / 00.NE, NWVBl. 2001, 185. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 19. 02. 2002, Az.: 10a D 133 / 00.NE, n.v.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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Von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der GIRL ging auch der VGH Mannheim924 in seinem Urteil vom 23. 10. 2001 aus. Allerdings äußerte der VGH Bedenken gegenüber einer Anwendung im konkreten Fall, in dem es um die Beurteilung von Geruchsimmissionen ging, die von einem Backhaus in unmittelbarer Umgebung des Schornsteins herbeigeführt wurden. Zweifel an der Anwendbarkeit äußerte der VGH auch hinsichtlich der ursprünglichen Ausrichtung der GIRL für Industrieanlagen. Da der Definition der Geruchsstunde der Dauerbetrieb von Anlagen zugrunde liege, stelle sich die Frage, ob sie auch auf kurzfristig emittierende Kleinanlagen wie ein Backhaus zugeschnitten sei. Darüber hinaus sei fraglich, ob die GIRL Parameter wie Intensität und Charakter (Lästigkeit) der Gerüche hinreichend berücksichtige und damit geeignet sei, die Anforderungen des BImSchG umfassend wertend auszufüllen. Im Ergebnis kam der VGH jedoch dazu, dass sowohl nach der Anwendung der GIRL als auch bei der gebotenen wertenden Betrachtung der Gesamtumstände erhebliche Immissionen von dem Backhaus nicht hervorgerufen wurden. Mit Beschluss vom 19. 05. 2003 entschied das OVG Münster925, dass grundsätzliche Bedenken gegen die Heranziehung der GIRL als Beurteilungshilfe für die Erheblichkeit der hier in Rede stehenden Immissionen aus einer Schweinehaltung nicht bestünden. Auch der 21. Senat des OVG Münster926 bejahte mit Beschluss vom 24. 06. 2004 die generelle Anwendbarkeit der GIRL, selbst wenn die Kritikpunkte an der GIRL es im Einzelfall rechtfertigen mochten, sie nicht heranzuziehen. Die Richter betonten auch, dass, soweit Gerichte bei der Bewertung von Geruchsimmissionen überhaupt auf die GIRL zurückgriffen, einhellig davon ausgegangen werde, dass dieser weder eine abschließende noch eine bindende Wirkung für die Beurteilung von Gerüchen zukomme. Sie werde vielmehr als „Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen“927, „Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der Gesamtwürdigung“928 von Geruchsbelästigungen, als ein „Hilfsmittel für die Ermittlung der Geruchsbelästigungen“929, als ein „Hilfsmittel unter vielen anderen bei der Beurteilung von Gerüchen“930 bzw. als „Beurteilungshilfe für die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen“931 angesehen. Für die Anwendbarkeit der GIRL führte das OVG ins924 925 926

Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 23. 10. 2001, Az.: 10 S 141 / 01, DVBl. 2002, 709. Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 19. 05. 2003, Az.: 22 A 5565 / 00, BauR 2003, 1850. Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 24. 06. 2004, Az.: 21 A 4130 / 01, NVwZ 2004,

1259. 927 Unter Verweis auf OVG Münster, Urt. v. 25. 09. 2000, Az.: 10a D 8 / 00.NE, NWVBl. 2001, 185, dazu schon oben. 928 Unter Verweis auf OLG Karlsruhe, Urt. v. 09. 05. 2001, Az.: 6 U 223 / 00, NJW-RR 2001, 1236. 929 Unter Verweis auf BGH, Urt. v. 21. 06. 2001, Az.: III ZR 313 / 99, NJW 2001, 3054, dazu sogleich noch unten. 930 Unter Verweis auf OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 07. 2002, Az.: 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

besondere an, dass in ihre Entstehung gewichtiger Sachverstand eingeflossen sei, der eine grundsätzliche Eignung als Kriterium zur Beurteilung von Geruchsimmissionen vermuten lasse. Das OVG Lüneburg bejahte die Anwendbarkeit der GIRL mit den Beschlüssen vom 21. 10. 2004932 und vom 04. 03. 2005933 und betonte, dass die GIRL nicht verlange, dass in jedem Einzelfall ein Gutachten nach den darin vorgegebenen Methoden erstellt werden müsse. Dies sei vielmehr entbehrlich, wenn bereits mit anderen Hilfsmitteln – zu denen auch die VDI-RL 3472 gehöre – die Überzeugung gewonnen werden könne, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt werden könne. Mit Urteil vom 28. 10. 2004 entschied das OVG Lüneburg934, dass die GIRL – auch bei kritischer Bewertung – auf jeden Fall Anhaltspunkte zur Beurteilung der Immissionssituation liefere und die Heranziehung der GIRL im konkreten Fall daher nicht beanstandet werden könne. Das VG Minden935 entschied mit Urteil vom 09. 05. 2005, dass (mit der gebotenen Vorsicht) grundsätzlich Rückschlüsse aus technischen Regelwerken wie der GIRL gezogen werden könnten, wenn die Erheblichkeit der Belästigungen durch Geruchsimmissionen im Rahmen der Beurteilung nach § 3 Abs. 1 BImSchG zu ermitteln wäre, da für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsbelästigungen keine konkretisierenden verbindlichen Rechtsvorschriften bestehen würden. Allerdings verbiete sich eine schematische Anwendung von Grenzwerten im Hinblick auf die gebotene Einzelfallbeurteilung anhand der jeweiligen Situation.936 Mit seiner Entscheidung vom 28. 10. 2005 sprach sich das OVG Münster937 im Grundsatz ebenfalls für eine Anwendung der GIRL aus. Das OVG entschied, dass (mit der gebotenen Vorsicht) Rückschlüsse aus der GIRL gezogen werden könnten, da für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsbelästigungen keine untergesetzlichen Rechtsvorschriften bestünden. Das Gericht betonte zugleich, dass die in der 931 Unter Verweis auf OVG Münster, Beschl. v. 19. 05. 2003, Az.: 22 A 5565 / 00, BauR 2003, 1850, dazu schon oben. 932 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 21. 10. 2004, Az.: 1 LA 287 / 03, NVwZ-RR 2005, 170. 933 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 04. 03. 2005, Az.: 7 LA 275 / 04, NVwZ-RR 2005, 401. 934 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 28. 10. 2004, Az.: 1 KN 202 / 03, RdL 2005, 172. 935 Vgl. VG Minden, Urt. v. 09. 05. 2005, Az.: 11 K 2789 / 04, AUR 2005, 371. 936 Das VG Minden verweist zudem auf BVerwG, Beschl. v. 27. 01. 1994, Az.: 4 B 16.94, NVwZ-RR 1995, 6; BVerwG, Beschl. v. 08. 07. 1998, Az.: 4 B 38.98, BRS 60 Nr. 179; OVG Münster, Urt. v. 25. 09. 2000, Az.: 10a D 8 / 00.NE, NWVBl. 2001, 185, 186; OVG Münster, Beschl. v. 19. 05. 2003, Az.: 22 A 5565 / 00, BauR 2003, 1850; OVG Münster, Beschl. v. 24. 06. 2004, Az.: 21 A 4130 / 01, NVwZ 2004, 1259; VG Minden, Urt. v. 17. 12. 1996, Az.: 1 K 2864 / 95, n.v.; VG Minden, Urt. v. 19. 09. 2000, Az.: 1 K 2616 / 98, n.v.; VG Minden, Beschl. v. 21. 01. 1999, Az.: 9 L 1486 / 98, n.v.; VG Minden, Beschl. v. 26. 04. 2002, Az.: 11 L 269 / 02, n.v. 937 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 28. 10. 2005, Az.: 7 D 17 / 04.NE, NuR 2006, 464.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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GIRL genannten Immissionswerte keine Grenz-, sondern lediglich Orientierungswerte seien, von denen im Einzelfall auch abgewichen werden könnte. Im konkreten Fall lehnte das Gericht das auf der Grundlage der GIRL erstellte Gutachten jedoch ab, da die Gutachter nach Auffassung der Richter die Kantenlängen des Rasters zu groß gewählt hatten und der von ihnen errechnete Flächenmittelwert den Anforderungen einer geeigneten Prognose im konkreten Fall nicht genügte. Das OVG Lüneburg938 betonte in seinem Urteil vom 03. 05. 2006, dass, soweit in untergesetzlichen Regelwerken bestimmte Einwirkungshäufigkeiten genannt seien, bei deren Einhaltung die Verträglichkeit miteinander konkurrierender Nutzungen und bei deren Überschreitung die Rücksichtslosigkeit und Unzumutbarkeit der angegriffenen Nutzung anzunehmen ist, diese nur einen mehr oder minder groben Anhaltspunkt für die ins Einzelne zu gehende Prüfung darstellten, ob das in Rede stehende Vorhaben zu unzumutbaren Immissionen führe. Mit Beschluss vom 16. 05. 2006 entschied der 7. Senat des OVG Lüneburg939, dass die GIRL 1998 als Entscheidungshilfe bei der Beurteilung der Frage, ob das in Rede stehende Vorhaben (Biogasanlage) zu unzumutbaren Immissionen führt, ungeachtet dessen herangezogen werden könne, dass sie zwischenzeitlich außer Kraft getreten sei. Der 12. Senat des OVG Lüneburg940 entschied mit Urteil vom 26. 04. 2007 (Genehmigung eines Kompostwerks) ebenfalls, dass das Gericht die GIRL 1998 als Entscheidungshilfe für die Frage, ob Geruchsbelästigungen erheblich sind, heranziehen könne. Das OVG betonte jedoch, dass die Überprüfung der Immissionssituation nicht schematisch erfolgen dürfe. Vielmehr seien die örtlich spezifischen Aspekte in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die von der GIRL vorgegebenen maßgeblichen Häufigkeiten stellten keine starre Grenze dar. Dennoch sollte der Immissionswert von 0,15, der in der GIRL für Industrie / Gewerbegebiete vorgesehen sei, regelmäßig nicht überschritten werden. Am 26. 04. 2007 entschied auch das OVG Münster941, dass die GIRL als Orientierungshilfe im gerichtlichen Verfahren zugrunde gelegt werden könne, da es keine gesetzliche Grundlage gebe, die eine zwingende Aussage dazu treffe, welche Geruchsimmissionsbelastung einem in diesem Zusammenhang einmal angenommenen Reinen oder Allgemeinen Wohngebiet zumutbar sei. Das OVG Lüneburg942 entschied mit Beschluss vom 27. 06. 2007, dass als Entscheidungshilfe für die Beurteilung von Geruchsimmissionen bei der Schweinehaltung grundsätzlich und zunächst auf die VDI-Richtlinie 3471 zurückzugreifen sei. Erst bei Nichteinhaltung der Abstände sowie bei in der Praxis auftretenden ProbVgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 03. 05. 2006, Az.: 1 LB 259 / 04, NdsVBl. 2006, 243. Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 16. 05. 2006, Az.: 7 ME 6 / 06, ZUR 2006, 497. 940 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 26. 04. 2007, Az.: 12 LB 62 / 07, DVBl. 2007, 1050 L. 941 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 26. 04. 2007, Az.: 7 D 4 / 07.NE, n.v. 942 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 27. 06. 2007, Az.: 12 LA 14 / 07, RdL 2007, 240 (Vorinstanz: VG Braunschweig, Urt. v. 13. 10. 2005, Az.: 2 A 424 / 04, n.v.). 938 939

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

lemkonstellationen sei darüber hinaus eine Prüfung nach den weiteren Verfahrensschritten der GIRL vorzunehmen. Das Gericht betonte vor allem, selbst wenn man zugunsten der Auffassung des Klägers unterstelle, dass hinsichtlich der Beurteilung von Geruchsimmissionen noch Erkenntnislücken und Unsicherheiten im Bereich der naturwissenschaftlichen und technischen Fragestellungen und Bewertungen bestünden, dies die Heranziehung der GIRL als Beurteilungsgrundlage nicht ausschließe. Es sei weder Aufgabe der Verwaltungsgerichte, noch liege es im Rahmen ihrer Möglichkeiten, ungelöste wissenschaftlich-technische Fragen einer Lösung zuzuführen. Der 12. Senat des OVG Lüneburg943 sprach sich mit Beschluss vom 03. 08. 2007 ebenfalls für die Anwendbarkeit der GIRL aus. Das Gericht führte aus, sofern das Vorbringen des Klägers dahin verstanden werden soll, dass er die Anwendbarkeit der GIRL unter Berufung auf eine Entscheidung des 1. Senats des beschließenden Gerichts in Zweifel ziehen wolle, sei darauf zu verweisen, dass dieses seinerzeit die probeweise Einführung der GIRL betreffende Urteil durch die seither eingetretene Entwicklung überholt sei. Es entspreche der (inzwischen) ganz herrschenden Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (auch des 1. Senats), dass die Geruchsimmissions-Richtlinie jedenfalls ein geeignetes Hilfsmittel für die Beurteilung von Geruchsimmissionen darstelle. Mit Urteil vom 20. 09. 2007 sprach sich das OVG Münster944 abermals für die Anwendbarkeit der GIRL aus. Es betonte jedoch, dass die GIRL ein rechtlich nicht verbindliches Regelwerk sei. Die GIRL enthalte technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhten und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten hätten. Sie sei aber nicht das allein entscheidende Kriterium bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen. Nicht die Grenzwerte der GIRL allein bestimmten, ob Geruchsimmissionen unzumutbar seien, vielmehr sei bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Das Gericht stellte insbesondere heraus, dass auch die GIRL selbst sich keine dahingehende Bindungswirkung beimesse, dass der Berechnung der relativen Häufigkeit von Geruchsstunden eine zwingende Schlussfolgerung über die Zumutbarkeit der dort auftretenden Geruchsbelastungen zu entnehmen sei. Das OVG Münster945 hat mit Beschluss vom 14. 03. 2008 judiziert, dass in der Rechtsprechung geklärt sei, dass die GIRL und die VDI-Richtlinie 3471 aus dem Jahr 1985 bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden könnten. Diese Regelwerke enthielten technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von 943 944 945

Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03. 08. 2007, Az.: 12 LA 60 / 07, NVwZ-RR 2008, 94. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 20. 09. 2007, Az.: 7 A 1434 / 06, DVBl. 2007, 1515 L. Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 14. 03. 2008, Az.: 8 B 34 / 08, n.v.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

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Sachverständigen beruhten und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten hätten. Das OVG Koblenz946 hat die GIRL mit Urteil vom 18. 06. 2008 als „Hilfsmittel und Entscheidungshilfe“ für die Bewertung von Geruchsimmissionen aus einer Milchviehwirtschaft anerkannt. Das OVG Lüneburg947 hat zuletzt mit Urteil vom 12. 11. 2008 die Anerkennung der GIRL als Entscheidungshilfe bei der Bewertung von Geruchsimmissionen eines Hähnchenmaststalls bestätigt. Auch in der Zivilgerichtsbarkeit ist die Anwendbarkeit der GIRL anerkannt worden.948 So entschied das OLG Karlsruhe949 mit Urteil vom 09. 05. 2001 im Streit um von einer Backstube in direkter Nachbarschaft zu einem Hotel herbeigeführte Geruchsimmissionen, dass in Ermangelung einheitlicher bundesrechtlicher Vorschriften für die Beurteilung von Geruchsimmissionen auf die GIRL vom 12. 01. 1993 abgestellt werden soll, die Baden-Württemberg als Verwaltungsvorschrift seit 25. 11. 1994 umgesetzt habe. Das OLG betonte zugleich, dass wesentliche Immissionen i. S. d. § 906 BGB keinen anderen Beurteilungsmaßstäben unterlägen als die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzbestimmungen. Das Gericht wies darüber hinaus darauf hin, dass die Erheblichkeit und damit die Unzumutbarkeit von Geruchsimmissionen in erster Linie von wertenden Elementen geprägt würden. Auch der BGH hat sich zur Anwendbarkeit der GIRL bereits geäußert und im Urteil vom 21. 06. 2001950 ausgeführt, die GIRL sei zwar keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift i. S. d. §§ 48, 51 BImSchG, da sie nicht nach den dort vorgesehenen besonderen Verfahrensvorschriften von der Bundesregierung erlassen worden sei. Dies schließe es indessen nicht aus, sie als Hilfsmittel für die Ermittlung der Geruchsbelästigungen heranzuziehen, zumal sie inzwischen auch in den meisten anderen Bundesländern umgesetzt sei und angewandt werde. Der BGH setzt sich in seiner Entscheidung auch indirekt mit der ablehnenden Argumentation des OVG Bautzen auseinander, die oben dargestellt worden ist und die das Berufungsgericht951 nach Auffassung des BGH zu Unrecht übernommen hatte. Der BGH führt insoweit aus, dass die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts im Anschluss an das OVG Bautzen, die GIRL sei für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsbeeinträchtigungen nicht heranzuziehen, nicht erkennen lasse, dass das Berufungsgericht die erforderliche Sachkunde für eine etwaige Verwerfung der GIRL besitze; die bloße Bezugnahme auf jene Entscheidung des OVG Bautzen reiche dafür nicht aus. Im Übrigen befasse sich das OVG Bautzen in seiner Entscheidung vorrangig mit der rechtlichen Qualität der GIRL und begründe 946 947 948 949 950 951

Vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 18. 06. 2008, Az.: 18. 06. 2008, NJOZ 2008, 3894. Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 12. 11. 2008, Az.: 12 LB 17 / 07, n.v. Vgl. z. B. OLG Schleswig, Urt. v. 16. 05. 2003, Az.: 4 U 84 / 97, NJW-RR 2004, 1137. Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 09. 05. 2001, Az.: 6 U 223 / 00, NJW-RR 2001, 1236. Vgl. BGH, Urt. v. 21. 06. 2001, Az.: III ZR 313 / 99, NJW 2001, 3054. Vgl. OLG Dresden, Urt. v. 08. 10. 1999, Az.: 6 U 1210 / 97, n.v.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

deren angeblich fehlende Eignung für die Ermittlung von Immissionsgrenzwerten lediglich mit dem nicht näher belegten Hinweis darauf, dass sie „durch gewichtige Kreise sachverständiger Personen“ abgelehnt werde. Diese Begründung übernehme das Berufungsgericht ohne eigene sachkundige Prüfung.952 cc) Bewertung Die Auswertung der Rechtsprechung ergibt, dass die GIRL seit ihrer ersten Veröffentlichung im Jahre 1993 schrittweise an Akzeptanz gewonnen hat. Während insbesondere in den Neunziger Jahren die Anwendbarkeit der GIRL noch überwiegend abgelehnt worden ist, finden sich seit dem Jahrtausendwechsel nur noch vereinzelte Entscheidungen, die die Anwendbarkeit der GIRL generell ablehnen. Einige der von der früheren Rechtsprechung geäußerten Kritikpunkte (z. B. Anwendung eines Gauß’schen Ausbreitungsmodells) sind durch die Überarbeitungen der GIRL mittlerweile überholt. Soweit an den Immissionswerten der GIRL bemängelt, dass die einzelnen Rechnungsschritte der GIRL insgesamt zu einer Überschätzung der Immissionssituation führen würden, verkennt die Rechtsprechung, dass die GIRL die Intensitäten von Geruchsimmissionen gerade nicht berücksichtigt, da sich in der Vergangenheit erwiesen hat, dass sich die Intensität nur marginal auf die Belästigungswirkung auswirkt. Für die GIRL kommt es lediglich auf die Überschreitung der Geruchsschwelle an, unabhängig davon, mit welcher Intensität Geruchsimmissionen auftreten. Soweit von der Rechtsprechung deutlich über die Immissionswerte der GIRL hinausgehende Werte als noch zumutbar erachtet worden sind, entbehren diese einer epidemiologischen Grundlage. Im Rahmen der die GIRL befürwortenden Entscheidungen fällt auf, dass dort stets auf den nicht bindenden Charakter der GIRL hingewiesen und die Werte der GIRL lediglich als „Anhaltspunkte“ charakterisiert werden. Es ist schon oben darauf hingewiesen worden, dass die Rechtsprechung einer rein schematischen Anwendung der Immisionswerte der GIRL entgegengewirkt hat. Dies zeigt sich noch einmal deutlich anhand der vorausgegangen Rechtsprechungsauswertung. Auffällig ist aber, dass sich die befürwortenden Entscheidungen kaum inhaltlich mit der GIRL auseinandersetzen. Zur Anwendbarkeit wird zumeist lediglich ausgeführt, dass in die GIRL gewichtiger Sachverstand eingeflossen sei. Soweit auch von der befürwortenden Rechtsprechung einschränkend angemerkt wird, dass sich die GIRL im Einzelfall möglicherweise nicht zur Beurteilung von Geruchsimmissionen eigne, setzten sich die Gerichte gleichwohl nicht damit auseinander, wann und aus welchen Gründen die Anwendbarkeit vereinzelt abzulehnen ist. Es wird zudem deutlich, dass die GIRL „aus Mangel an Alternativen“ zur Anwendbarkeit kommt. Diese Begründung ist zwar nicht dazu geeignet, die GIRL inhaltlich in Frage zu stellen. Allerdings stärkt sie die Akzeptanz der GIRL auch nicht in bedeutendem Maße. 952

Vgl. BGH, Urt. v. 21. 06. 2001, Az.: III ZR 313 / 99, NJW 2001, 3054, 3056.

V. Geruchsimmissions-Richtlinie

329

Dem BGH ist zwar insoweit zuzustimmen, als der bloße Hinweis auf eine kritische sachverständige Äußerung zur Ablehnung der GIRL nicht ausreicht. Im Umkehrschluss könnte daraus aber auch gefolgert werden, dass der Verweise auf gewichtigen Sachverstand zur Anwendbarkeit der Regelung ebenso wenig genügt, um eine Anwendbarkeit zu begründen. Für eine weitergehende Steigerung der Akzeptanz wäre es daher wünschenswert, bei Anwendung der GIRL zumindest kurz auf die inhaltliche Stimmigkeit des Bewertungssystems einzugehen. Zumindest führt die mittlerweile nahezu einheitliche Linie der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die GIRL für die Betroffenen dazu, dass die Grundlagen gerichtlicher Entscheidungen zur Bewertung von Geruch besser abzuschätzen sind und damit insgesamt zu einem Zuwachs an Rechtssicherheit, was grundsätzlich als positiv zu bewerten ist. d) Zustimmung des Sachverständigenrates für Umweltfragen Die zunehmende Akzeptanz der GIRL spiegelt sich auch in der Zustimmung des Sachverständigenrates für Umweltfragen wider. Dieser hat in seinem Umweltgutachten 2004953 ausgeführt: In der TA Luft 2002 finden sich bedauerlicherweise nur wenige, insgesamt sehr unvollständige Regelungen zum Schutz vor Geruchsbelästigungen. Hauptemittenten sind Anlagen der Chemischen Industrie, der Lebensmittel- und Agrarindustrie und biologische Abfallbehandlungsanlagen. Mit der Geruchsimmissionsrichtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) lag ein praktikabler Entwurf für die Übernahme in die TA Luft bereit. Dieses ist jedoch am Widerstand der Chemischen Industrie und der Landwirtschaft gescheitert. In dieser Situation empfiehlt der Umweltrat den zuständigen Behörden, der Geruchsimmissionsrichtlinie des LAI die wesentlichen Anhaltspunkte für die Genehmigungsverfahren zu entnehmen.

8. Zwischenergebnis Die GIRL stellt das derzeit einzige Instrument zur Beurteilung von Geruchsimmissionen dar, das Immissionswerte vorgibt. Unter Zugrundelegung des Geruchsstundenkonzepts legt die GIRL nach Baugebietsarten gestaffelte Immissionswerte fest, deren Überschreitung den Schluss zulässt, dass die zu beurteilenden Geruchsimmissionen erheblich im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG sind. Auf der Grundlage verschiedener umfangreicher Untersuchungen ist die GIRL seit der ersten Veröffentlichung im Jahre 1993 in einigen entscheidenden Punkten weiterentwickelt worden. Seit Verabschiedung der GIRL 2004 können eindeutig angenehme Anlagengerüche anders gewichtet werden als neutrale und unangenehme Gerüche. Seit Verabschiedung der GIRL 2008 können darüber hinaus Geruchsqualitäten 953 Vgl. Umweltgutachten 2004 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltpolitische Handlungsfähigkeit sichern, BT-Drs. 15 / 3600, S. 304.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

unterschiedlicher Tierarten unterschiedlich gewichtet werden. Damit wird dem Belästigungspotential von Tierhaltungsgerüchen Rechnung getragen. Inwieweit das System der GIRL aus messtechnischer Sicht zu tragfähigen Ergebnissen führt, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Zumindest hat sich die GIRL bei verschiedenen umfangreichen Untersuchungen als stimmig erwiesen. Aus rechtlicher Sicht ist die Systematik der GIRL nicht zu beanstanden. Die Immissionswerte der GIRL in Kombination mit der Gebietsdifferenzierung erweisen sich aus rechtlicher Sicht als geeignet, um einen Anhaltspunkt für die Auslegung des Begriffs der Erheblichkeit aus § 3 Abs. 1 BImSchG darzustellen. Gleichwohl ergibt sich aus rechtlicher Sicht ein Defizit für die GIRL derzeit daraus, dass sie als öffentlich-rechtliches Regelwerk ohne die Legitimation durch das Verfahren nach § 48 BImSchG zurzeit noch nicht bundesweit bindend für Verwaltung und Gerichte ist. Zu Recht wird daher kritisiert, dass auch durch die GIRL noch keine vollständige Vereinheitlichung der Geruchsbewertung in Deutschland erfolgt ist. Allerdings stellt die GIRL jedenfalls einen erheblichen Vorteil im Vergleich zu der Zeit vor ihrer Verabschiedung dar, da sie zu einer Vereinheitlichung der Bewertungsmaßstäbe bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen geführt hat. Zudem sind auf der Grundlage der GIRL weitere Forschungsansätze entstanden und die Thematik der Geruchsimmissionsbewertung insgesamt wesentlich weiter entwickelt worden. Insgesamt hat die GIRL auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Entwicklungen stets zügig reagiert. Dies zeigt sich schon an der dreimaligen Überarbeitung der GIRL seit 1993. Anstöße für eine Weiterentwicklung der GIRL sind dabei jedoch überwiegend erst durch massive Kritik an dem Bewertungs- und Messverfahren erfolgt. Zuletzt hat das Verbundprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“, das auf der Grundlage der GIRL untersuchte, inwieweit sich die hedonische Tönung und die Intensität eines Geruchs aus der Tierhaltung auf den Belästigungsgrad auswirkt, die grundsätzliche Geeignetheit des Systems der GIRL bestätigt und für eine Weiterentwicklung der GIRL im Hinblick auf Geruchsimmissionen aus Tierhaltungen sowie die besondere Situation von Dorfgebieten gesorgt. In das Verbundprojekt wurden die Ergebnisse einer weiteren Untersuchung aus Baden-Württemberg einbezogen, die ebenfalls insgesamt zu dem Ergebnis gekommen ist, dass keine Notwendigkeit besteht, das Beurteilungssystem der GIRL grundsätzlich in Frage zu stellen bzw. grundlegend zu ändern.954 Als allgemein unbefriedigend wird beim Zustandekommen von Verwaltungsvorschriften der Zustand angesehen, dass die Vorbereitung und die Entwicklung von Verwaltungsvorschriften insgesamt nicht ausreichend geregelt sind und daher zu intransparenten Vorgehensweisen führen.955 Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist Vgl. Jungbluth, GIRL-Projekt BW, Abschlussbericht, S. 18. Dies ist eine grundsätzliche Kritik, die an der Entstehung untergesetzlicher Regelwerke geübt wird, vgl. Koch, in: Koch (Hrsg.), UmwR, 2002, § 4 Rn. 122; Hansmann, in: FS Sendler, S. 285, 300, 301. 954 955

VI. Technische Regelwerke privater Stellen

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eine stärker rechtsförmige Ausgestaltung des Verfahrens bei der Normkonkretisierung im Umwelt- und Technikrecht angemahnt worden.956 Diese Kritik lässt sich im Hinblick auf die Entstehung der GIRL nur eingeschränkt vertreten. Die Entwicklung der GIRL ist aufgrund von zahlreichen Vorträgen anlässlich von Tagungen sowie Beiträgen in Fachzeitschriften relativ gut nachvollziehbar für die Öffentlichkeit erfolgt. Gleichwohl werden die von den Gremien des LAI erarbeiteten Stellungnahmen zumeist nicht veröffentlicht. Die letzten Schritte beim Zustandekommen und bei der Weiterentwicklung der GIRL lassen sich somit nicht allumfassend bis ins Einzelne nachvollziehen. Hier gilt es, eine noch stärkere Öffnung zu erwirken, um die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz der GIRL zu erhöhen.

VI. Technische Regelwerke privater Stellen 1. Technische Regelwerke der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI / DIN-Normenausschuss Die Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN – Normenausschuss (KRdL) ist eine gemeinsame Einrichtung des Vereins Deutscher Ingenieure und des Deutschen Instituts für Normung e.V. Die KRdL entstand Mitte der Neunziger Jahre aus einem Zusammenschluss der VDI-Kommission Reinhaltung der Luft und dem DIN-Normenausschuss Luftreinhaltung. Die VDI-Kommission Reinhaltung der Luft bestand zuvor bereits seit den Fünfziger Jahren. Sie wurde auf Initiative des Deutschen Bundestages im Jahre 1957 gegründet, nachdem das Thema der Luftverunreinigung 1956 erstmals Anlass für große parlamentarische Debatten war. Die VDI-Kommission Reinhaltung der Luft erhielt den Auftrag, in freiwilliger Selbstverwaltung der interessierten Kreise ein technisch-wissenschaftliches Regelwerk zur Beschreibung des Standes der Technik in der Luftreinhaltung zu erarbeiten und trat am 02. 05. 1957 zu ihrer ersten Sitzung zusammen.957 Heute setzt sich die KRdL aus vier Fachbereichen zusammen, der Umweltschutztechnik (Fachbereich I), der Umweltmeteorologie (Fachbereich II), der Umweltqualität (Fachbereich III) und der Umweltmesstechnik (Fachbereich IV). Zum Ende des Jahre 2007 verfügte die KRdL über nahezu 500 VDI-Richtlinien und knapp 100 DIN-, DIN-EN und DIN-ISO-Normen. Die Richtlinien sollen aufgrund der Weiterentwicklung von Technik und Wissenschaft spätestens nach fünf Jahren auf ihre Aktualität überprüft und gegebenenfalls fortgeschrieben und novelliert werden (vgl. Nr. 4.8 VDI-RL 1000). Die Öffentlichkeit wird auf der Internetseite der KRdL über den Fortgang der einzelnen Überarbeitungen informiert und kann sich mit Änderungswünschen und Beiträgen daran beteiligen.958 956 957

38 f.

Vgl. Böhm, Der Normmensch, S. 2 m. w. N. Die KRdL wird institutionell gefördert, vgl. KRdL (Hrsg.), 50 Jahre KRdL, S. 17, 22,

332

D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Die von der KRdL erarbeiteten Richtlinien lassen sich in Emissionsrichtlinien, Maximale-Immissions-Konzentrationswerte (MIK-Werte), Richtlinien zu Analyseund Messverfahren und Verfahren zur Abgasreinigung einteilen.959 Einige der Richtlinien zu Analyse- und Messverfahren sind im Kapitel C. beschrieben worden. Dazu gehören die VDI-RL 3882, Blatt 1 und Blatt 2, die VDI-RL 3883, Blatt 1 und Blatt 2 sowie die VDI-RL 3940. Auch die DIN EN 13725 gehört dazu, die auf europäischer Ebene als EN 13725:2003 entwickelt worden ist und national den Status einer DIN-Norm hat. Darüber hinaus kommt im Rahmen der Geruchsbewertung den Richtlinien zur Emissionsbegrenzung eine wesentliche Bedeutung zu. Einige dieser Richtlinien sind ebenfalls schon erwähnt worden, wie zum Beispiel die VDI-RL 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine und die VDI-RL 3472 Emissionsminderung Tierhaltung – Hühner. Zudem existieren rund 50 Richtlinien zur Emissionsminderung für zahlreiche weitere Industriebereiche. Die Richtlinien zur Emissionsminderung verdeutlichen den Anspruch der VDI-Richtlinien, im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Konkretisierung des Standes der Technik im Rahmen der Vorsorgepflicht herangezogen zu werden.960 Welche Richtlinien die KRdL jeweils entwickelt, entscheidet der Vorsitzende, der die KRdL leitet und Mitglied des VDI sein muss. Zum Zwecke der Richtlinienentwicklung setzt der Vorsitzende Ausschüsse ein. Die Mitglieder der Ausschüsse vertreten ihre persönliche, sachverständige Auffassung, können aber auch die Ansicht eines Unternehmens, eines Verbandes, einer Behörde oder eines Instituts wiedergeben.961 Auch wenn die KRdL mittlerweile ein Gemeinschaftsgremium des VDI und des DIN-Normenausschusses darstellt, sind die meisten der für die Geruchsbewertung relevanten Richtlinien ursprünglich von der VDI-Kommission Reinhaltung der Luft erarbeitet worden. Daher soll am Beispiel des VDI die Zusammensetzung und Bedeutung von privaten technischen Vereinen für die Entwicklung technischer Regelwerke in Deutschland aufgezeigt werden. a) Die Institution des VDI aa) Entstehungsgeschichte und Aufgabenbereich des VDI Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ist eine bereits im 19. Jahrhundert gegründete Vereinigung, die derzeit nach eigenen Angaben mit 135.000 Mitgliedern der größte technisch-wissenschaftliche Verein in Deutschland ist. Der VDI ist 958 Vgl. KRdL Tätigkeitsbericht 2007, S. 6, abrufbar unter http: //www.vdi.de/fileadmin/ vdi_de/redakteur_dateien/krdl_dateien/KRdL-Taetigkeitsbericht_2007.pdf. 959 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 52. 960 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 52. 961 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 59.

VI. Technische Regelwerke privater Stellen

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nach seinem Selbstverständnis Sprecher der Ingenieure und der Techniker sowie Wissenspool und -vermittler. Als „gemeinnützige, von wirtschaftlichen und parteipolitischen Interessen unabhängige Organisation“ will der VDI die berufs- und gesellschaftspolitischen Interessen der Ingenieure und Ingenieurstudenten vertreten. Ziel seiner Arbeit ist nach eigenen Angaben der Transfer von Technikwissen als Dienstleistung für alle im Beruf und Studium stehenden Ingenieure und Naturwissenschaftler, für Unternehmen, den Staat und die Öffentlichkeit.962 Der Hauptschwerpunkt der Tätigkeit des VDI liegt in der Erarbeitung der schon erwähnten VDI-Richtlinien. Dabei handelt es sich um nichtstaatliche Normen963, die vom VDI in rein privater Trägerschaft erarbeitet werden.964 Eine Bedeutung für die (immissionsschutzrechtliche) Verwaltungspraxis kommt VDI-Richtlinien gleichwohl insofern zu, als einige von ihnen den Stand der Technik beschreiben sollen. Die Erarbeitung dieser Richtlinien erfolgt im VDI in den sogenannten Fachgesellschaften, die nach Fachbereichen getrennt sind.965 bb) Zusammensetzung des VDI Die Mitglieder der einzelnen Fachgesellschaften kommen aus verschiedenen Berufsgruppen, wie der Industrie, der Forschung und Lehre oder Behörden. Darüber hinaus gehören Mitglieder des VDI anderen technisch-wissenschaftlichen Vereinen an oder arbeiten freiberuflich.966 Die prozentuale Verteilung der verschiedenen Berufsgruppen ist in der Vergangenheit kritisiert worden.967 In diesem Zusammenhang ist auch die Befürchtung geäußert worden, daraus resultiere möglicherweise eine mangelnde Unabhängigkeit des VDI.968 Fischer stellte 1989 anhand des Tätigkeitsberichts des VDI 1986 dar, dass 50% der Mitglieder der Industrie und damit den Betreibern und Herstellern emittierender Anlagen zuzuordnen seien. Weitere 20% der Mitglieder rekrutierten sich jeweils aus Forschung und Lehre sowie aus Behörden. Die Tätigkeitsbereiche technisch-wissenschaftliche Vereine und Freiberufler seien mit je 5 % vertreten.969 Dabei dürften sowohl die Mitglieder der technisch-wissenschaftlichen Vereine als auch die von den Verbänden und der 962 Vgl. die Angaben zu „VDI im Überblick“ auf der Internetseite des VDI, http: //www.vdi.de/3004.0.html; vgl. zum VDI auch Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 222 f. 963 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 48. 964 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 32 (in Bezug auf die VDI-RL 3471). 965 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 50. 966 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 51. 967 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 48 ff. 968 Kritisch zur Unabhängigkeit des VDI auch Roßnagel / Neuser, UPR 1993, 401, 404; kritisch zur ausreichenden Repräsentanz aller Interessen im DIN auch BVerwG, Urt. v. 22. 05. 1987, Az.: 4 C 33 – 35 / 83, NJW 1987, 2886 ff.; vgl. dazu auch die weiteren Nachweise bei Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 63. 969 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 51.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Industrie unterhaltenen Forschungsinstitute als der Industrie nahe stehend angesehen werden. Fischer kritisiert in diesem Zusammenhang auch, dass die von Immissionen Betroffenen als Interessengruppe im VDI überhaupt nicht repräsentiert seien.970 Als nahe liegende Erklärung für die mangelnde Repräsentanz der Betroffenen macht er dabei zum einen das hohe Maß an sachlicher Kompetenz aus, das für die Erarbeitung der VDI-Richtlinien erforderlich sei.971 Zum anderen führe aber auch die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit dazu, dass der Kreis derer, die Personen in die Ausschüsse entsenden könnten, von vornherein eingeschränkt sei. Das mit der Unentgeltlichkeit der Mitarbeit in den Ausschüssen verbundene, nicht unerhebliche personelle und finanzielle Engagement würde nur von denen aufgebracht werden, die ein massives Interesse an der Einflussnahme auf die Regelerarbeitung in den Ausschüssen hätten.972 Gänzlich anders beurteilte Warnecke973 die Situation anlässlich des 50-jährigen Bestehens der KRdL im Jahre 2007. Er führte aus, dass die Entsendung von Experten aus der Industrie zur Arbeit in der KRdL, aber auch in anderen Fachausschüssen, in den vergangenen Jahren merklich weniger geworden sei und diese teilweise durch Hochschul- / Instituts-Angehörige ersetzt worden seien. Warnecke beurteilt diesen „Schwund“ von Industrievertretern als sehr bedauerlich und nicht ungefährlich. Er könne zu einer Verringerung der Akzeptanz in der deutschen Wirtschaft führen, da aus Sicht der Wirtschaft Hochschulen zwar eine hohe Kompetenz hätten, aber die eigenen industriellen, praxisnahen Interessen schlecht von Externen vertreten werden könnten. Aus den jüngeren Tätigkeitsberichten des VDI geht die Verteilung der Berufsgruppen im Einzelnen nicht mehr hervor. So lässt sich beispielsweise dem Tätigkeitsbericht 2001 des VDI zwar die Mitgliederentwicklung von 1996 bis 2001 entnehmen, nicht jedoch, welchen Berufsgruppen die Mitglieder angehören oder wie sich die Berufsgruppenverteilung in den einzelnen Fachausschüssen gestaltet.974 Nach § 16 Ziff. 7 d. GeschO des VDI und Nr. 3 der VDI-RL 1000 (Ausgabedatum: Oktober 2006) ist zu berücksichtigen, dass „im Rahmen des Möglichen alle berechtigten Interessen angemessen vertreten sind“. Dazu gehören auch die Interessen der Betroffenen. Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Vertreter der Industrie insgesamt nicht mehr in der Stärke von vor zwanzig Jahren in den einzelnen Fachausschüssen vertreten sein dürften. Gleichwohl ergibt sich daraus nicht, dass die mangelnde Beteiligung der Betroffenen seitdem verändert worden ist. Es ist insofern wünschenswert, auch die Betroffenen – etwa durch die Beteiligung von fachlich kompetenten Mitgliedern der anerkannten Naturschutzverbände – in die Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 51. Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 51; vgl. dazu auch Gusy, NVwZ 1995, 105, 106. 972 Vgl. Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 51. 973 Vgl. Warnecke, in: KRdL (Hrsg.), 50 Jahre KRdL, S. 29, 34 f. 974 Vgl. VDI (Hrsg.), Tätigkeitsbericht 2000 / 2001, S. 31. 970 971

VI. Technische Regelwerke privater Stellen

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Richtlinienarbeit einzubeziehen. Bereits mit Urteil vom 22. 05. 1987 merkte das Bundesverwaltungsgericht975 (allerdings in Bezug auf die Normenausschüsse des DIN) an, dass aufgrund der Möglichkeit der Einbringung von Interessenstandpunkten durch Vertreter bestimmter Branchen oder Unternehmen die Ergebnisse der Beratungen der Normenausschüsse nicht unkritisch als „geronnener Sachverstand“ oder als reine Forschungsergebnisse verstanden werden dürften. Dies gilt es auch bei der Anwendung von Richtlinien des VDI zu beachten.

b) Die Arbeit des Technischen Komitees zur Luftreinhaltung im Comité Européen de Normalisation (CEN / TC 264) Auf Antrag der KRdL wurde im Jahre 1990 beim Europäischen Komitee für Normung CEN ein internationales Spiegelgremium eingerichtet, das CEN / TC 264. Die konstituierende Sitzung des CEN / TC 264 fand am 11. 03. 1990 in Bonn statt. Das CEN / TC 264 ist für Fragen der Luftbeschaffenheit zuständig.976 Im CEN / TC 264 existieren derzeit 32 Arbeitsgruppen, darunter auch die WG977 2, Dynamische Olfaktometrie – Messung von Geruchsstoffen, deren Arbeit mit Veröffentlichung der in Kapitel C. beschriebenen EN 13725:2003 abgeschlossen worden ist. Ferner ist zu nennen die WG 27, Messung der Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen, die derzeit an einer europäischen Norm zur Beschreibung der Begehungsmethodik arbeitet. Wie in Kapitel C. gezeigt, gewinnt die Normungsarbeit auf internationaler Ebene zunehmend an Bedeutung. Auf diesem Wege werden Messverfahren und -standards festgesetzt, die in allen europäischen Ländern etabliert werden sollen, um europaweit einheitliche Bewertungsverfahren zu schaffen. c) Rechtsgrundlagen für die Anwendung technischer Regelwerke privater Stellen In § 7 Abs. 5 BImSchG ist ausdrücklich vorgesehen, dass wegen der Anforderungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BImSchG, auch in Verbindung mit § 7 Abs. 4 BImSchG, auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen verwiesen werden kann. Damit sind Festlegungen des VDI sowie des DIN gemeint.978 Verschiedene Rechtsverordnungen nehmen auf VDI-Richtlinien Bezug (z. B. die Verordnung über die Errichtung, Beschaffenheit und den Betrieb von Vgl. BVerwG, Urt. v. 22. 05. 1987, Az.: 4 C 33 – 35 / 83, NJW 1987, 2886, 2888. Vgl. http: //www.vdi.de/vdi/organisation/schnellauswahl/fgkf/krdl/community/coop/01851 /index.php; ausführliche Informationen zur Arbeit des CEN / TC 264 sind im Internet auf den Seiten des CEN veröffentlicht, vgl. http: //www.cen.eu/nr/cen/doc/ExecutivePDF / 6245.pdf, http: //www.cen.eu/nr/cen/doc/PDF/6245.pdf. 977 WG steht dabei für work group. 978 Vgl. Jarass, BImSchG, § 7 Rn. 25, § 48 Rn. 62 f. 975 976

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

Sportanlagen (18. BImSchV) in § 7 sowie in den Nrn. 2.1, 2.3, 3.1 und 3.2 des Anhangs). Darüber hinaus sieht die TA Luft vor, dass die im VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft enthaltenen Richtlinien und Normen bei der Ermittlung des Standes der Technik herangezogen werden sollen, soweit die Nrn. 5.2 und 5.4 TA Luft keine oder keine vollständigen Regelungen zur Begrenzung der Emissionen enthalten (Nr. 5.1.1 TA Luft). Ausdrücklich beziehen einzelne Regelungen der TA Luft besondere VDI-RL ein. Darüber hinaus wird im Anhang 6 zur TA Luft auf die VDI-Richtlinien und Normen zur Emissionsmesstechnik verwiesen. Auch die Geruchsimmissions-Richtlinie sieht die Heranziehung der DIN EN 13725 im Rahmen der olfaktometrischen Ermittlung der Emissionen vor (z. B. Nr. 4.2, Nr. 4.5 GIRL).

d) Rechtliche Einordnung technischer Regelwerke privater Stellen Rein private technische Regelwerke, wie die Richtlinien des VDI, entfalten keine Bindungswirkung für die Verwaltung oder die Gerichte.979 Eine Bindungswirkung kommt nur dann in Betracht, wenn sie durch eine Rechtsverordnung in zulässiger Weise rezipiert werden. In diesem Fall erlangen sie den Rang und die Wirkung von Rechtsverordnungen.980 Auch aus der wirksamen Inkorporierung in eine Verwaltungsvorschrift kann sich eine der Verwaltungsvorschrift entsprechende Bindungswirkung ergeben.981 Dazu reicht aber eine bloße Soll-Vorschrift, wie sie beispielsweise in Nr. 5.1.1 TA Luft enthalten ist, nicht aus.982 Private technische Regelwerke stellen zudem auch keine antizipierten Sachverständigengutachten dar.983 Auch von der Rechtsprechung wird ihnen per se keine rechtliche Verbindlichkeit zugemessen.984 Bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen werden VDI-Richtlinien von der Rechtsprechung aber als „Entscheidungshilfe“ 985 oder als „geeigneter Orientierungsrahmen“986 herangezogen.

979 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 62; vgl. auch Roßnagel / Neuser, UPR 1993, 401, 404; Fischer, Umweltschutz durch technische Regelungen, S. 48; zur VDI-RL 3471 vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 32. 980 Vgl. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 62. 981 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 84 ff.; Peschau, UPR 1998, 248, 250. 982 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 32. 983 Vgl. Roßnagel / Neuser, UPR 1993, 401, 404. 984 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 11. 04. 1997, Az.: 1 L 7648 / 95, NuR 1998, 493; BVerwG, Beschl. v. 08. 07. 1998, Az.: 4 B 38.98, NVwZ 1999, 63; OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 07. 2002, Az.: 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24. 985 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 08. 07. 1998, Az.: 4 B 38.98, NVwZ 1999, 63. 986 Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 12. 10. 1992, Az.: 8 S 1408 / 89, NVwZ 1993, 1217, 1218; VGH München, Urt. v. 01. 07. 2005, Az.: 25 B 99.86, ÖffBauR 2005, 105, jeweils zur VDI-RL 3471.

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e) VDI-Richtlinien für bestimmte Anlagenarten anhand ausgewählter Beispiele aa) Landwirtschaft (1) VDI-Richtlinien 3471 und 3472 Für die Beurteilung von Gerüchen aus Tierhaltungen sind insbesondere die VDIRichtlinien 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine (Ausgabedatum: Juni 1986) und die VDI-Richtlinie 3472 Emissionsminderung Tierhaltung – Hühner (Ausgabedatum: Juni 1986) von Bedeutung.987 Beide Richtlinien beruhen auf der Erkenntnis, dass sich Geruchsbelästigungen durch eine räumliche Trennung von Wohnbebauung und Tierhaltung vermeiden oder vermindern lassen.988 Sie enthalten in Abhängigkeit von der Bestandsgröße und weiteren Einflussfaktoren Abstandsregelungen (Nr. 3.2 VDI-RL 3471; Nr. 3.2 VDI-RL 3472). Die Abstände sind in umfangreichen Untersuchungen empirisch ermittelt worden. Den ermittelten Geruchsschwellenabständen zwischen Tierhaltung und Wohnbebauung wurden seinerzeit noch 100 %-ige Sicherheitszuschläge hinzugerechnet, um zu gewährleisten, dass auch im Falle optimaler Ausbreitungsbedingungen erhebliche Geruchsbelästigungen nicht auftreten können.989 Die Richtlinien bewerten die Hauptfaktoren einer Tierhaltung, welche die Entstehung und Verteilung luftverunreinigender Stoffe beeinflussen. Diese Faktoren werden anhand eines Punktesystems in eine Tabelle eingearbeitet, an der sich ein Mindestabstand ablesen lässt. Bei Überschreitung dieses Mindestabstands ist regelmäßig nicht mit wahrnehmbaren Geruchsimmissionen der Tierhaltung zu rechnen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung störend wirken und als Belästigung zu werten sind.990 Bei einer Unterschreitung der Mindestabstände und im Nahbereich von unter 100 m ist eine Sonderbeurteilung durch Fachbehörden oder Sachverständige erforderlich. Dabei sind die einzelbetrieblichen Standortverhältnisse, besonders atmosphärische Bedingungen und die spezielle Einbindung in die Bebauungs- und Nutzungssituation zu berücksichtigen (Nr. 3.2.3.4 VDI-RL 3471; Nr. 3.2.3.4 VDI-RL 3472). Die Auffassungen über den Anwendungsbereich der Abstandsregelungen gehen zwischen Rechtsprechung und Schrifttum auseinander. Die Rechtsprechung zieht 987 Vgl. dazu Schirz, Handhabung der VDI-Richtlinien 3471 Schweine und 3472 Hühner; zur VDI-RL 3471 vgl. ausführlich Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 32 ff.; dies., AUR 2007, 393 ff. 988 Vgl. zur VDI-RL 3471 OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 07. 2002, Az.: 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24; Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 35. 989 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 43. 990 Vgl. Müller / Krause / Grimm, Geruchsemissionen und -immissionen aus der Rinderhaltung, S. 10 ff.; vgl. zur VDI-RL 3471 VG Oldenburg, Beschl. v. 21. 02. 2003, Az.: 5 B 4148 / 02, n.v.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 25. 09. 2000, Az.: 10a D 8 / 00.NE, RdL 2001, 64 ff.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

die Abstandsregelungen der VDI-Richtlinien sowohl zur Konkretisierung der Schutz- als auch der Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG sowie zur Konkretisierung der Schutzpflicht aus § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG heran.991 Zudem zieht die Rechtsprechung die VDI-RL im Rahmen der Beurteilung der Bauleitplanung heran.992 Kontroverse Auseinandersetzungen hat es insbesondere über die Anwendung der VDI-Richtlinien zur Konkretisierung der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gegeben. Der VGH München993 hat hierzu mit Urteil vom 01. 07. 2005 ausgeführt, dass bei der gerichtlichen Würdigung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen durch Schweine in Ermangelung anderer Regelungen auf die VDI-RL 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine zurückzugreifen sei, die zwar als technisches Regelwerk nicht unmittelbar rechtsverbindlich sei, die aber als Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung grundsätzlich brauchbar sei.994 Ebenfalls zur Anwendbarkeit der VDI-RL 3471 hat das OVG Münster995 mit Urteil vom 28. 10. 2005 ausgeführt, dass aus der VDI-RL 3471 (mit der gebotenen Vorsicht) Rückschlüsse auf die Erheblichkeit der Belästigungen durch Geruchsimmissionen im Rahmen der Beurteilung nach § 22 oder § 5 BImSchG gezogen werden könnten, da für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsbelästigungen keine untergesetzlichen Rechtsvorschriften bestünden. Im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für die Genehmigung von Hähnchenmastställen hat das OVG Lüneburg996 mit Beschluss vom 04. 03. 2005 ausgeführt, dass zur Erfüllung des Schutzgebots des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG als Entscheidungshilfe die VDI-Richtlinie 3472 herangezogen werden könne und anhand der darin enthaltenen Mindestabstände zwischen Anlage und Wohnhäusern im Außenbereich das Vorliegen eines hinreichenden Schutzes nachgewiesen werden könne. 991 Vgl. z. B. BVerwG, Beschl. v. 08. 07. 1998, Az.: 4 B 38.98, NVwZ 1999, 63; zur VDI-RL 3471 VG Oldenburg, Beschl. v. 21. 02. 2003, Az.: 5 B 4148 / 02, n.v.; VGH Mannheim, Urt. v. 12. 10. 1992, Az.: 8 S 1408 / 89, NVwZ 1993, 1217, 1218; BVerwG, Urt. v. 14. 01. 1993, Az.: 4 C 19 / 90, NVwZ 1993, 1184 ff.; OVG Lüneburg, Urt. v. 19. 01. 1995, Az.: 1 L 166 / 90, AgrarR 1995, 283; vgl. dazu auch Roßnagel, NuR 1998, 69, 75. 992 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 28. 10. 2004, Az.: 1 KN 202 / 03, RdL 2005, 172; vgl. dazu auch Roßnagel, NuR 1998, 69, 76. 993 Vgl. VGH München, Urt. v. 01. 07. 2005, Az.: 25 B 99.86, ÖffBauR 2005, 105. 994 Vgl. dazu auch das Urteil des OVG Münster v. 08. 02. 1990, Az.: 21 A 2535 / 88, UPR 1990, 452, 455, das vermutlich die erste Entscheidung war, die der VDI-RL 3471 die Geeignetheit zur Konkretisierung der Schutzpflicht beigemessen hat, vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 38 f.; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 03. 07. 2000, Az.: 1 K 1014 / 00, NVwZ-RR 2001, 218, 220, unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 14. 01. 1993, Az.: 4 C 19.90, NVwZ 1993, 1184; ähnlich auch OVG Lüneburg, Urt. v. 11. 04. 1997, Az.: 1 L 7648 / 95, NuR 1998, 493; BVerwG, Beschl. v. 08. 07. 1998, Az.: 4 B 38.98, NVwZ 1999, 63; OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 07. 2002, Az.: 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24. 995 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 28. 10. 2005, Az.: 7 D 17 / 04.NE, NuR 2006, 464, 466. 996 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 04. 03. 2005, Az.: 7 LA 275 / 04, NVwZ-RR 2005, 401, 402.

VI. Technische Regelwerke privater Stellen

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Da nach Nr. 3.2.3.2 der VDI-RL 3472 gegenüber Wohnhäusern im Außenbereich ein höheres Maß an Geruchsstoffimmissionen zumutbar sei, könnten die notwendigen Mindestabstände nach der VDI-RL 3472 bis auf die Hälfte verringert werden, so dass im zu entscheidenden Fall gleichwohl ausreichender Schutz sichergestellt sei.997 Hiergegen ist in der Literatur angeführt worden, die VDI-RL 3471 konkretisiere ausschließlich die Vorsorgepflicht.998 Die Mindestabstände der VDI-RL 3471 seien so konzipiert, dass sie ausschließlich auf eine Vorsorge vor der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen ausgerichtet seien. Eine Aussage über die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen enthielten sie nicht. Die Nichteinhaltung der in der VDI-RL 3471 statuierten Mindestabstände sei ein Indiz, keinesfalls aber ein Beweis dafür, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen hervorgerufen würden. Weder lasse sich aber aus der Einhaltung ableiten, dass in diesem Fall unter keinen Umständen mit erheblichen Geruchsbelästigungen zu rechnen sei, noch bei Unterschreitung der Mindestabstände, dass dann in jedem Fall erheblichen Geruchsbelästigungen zu erwarten seien. Dies ergebe sich schon aus dem 100 %-igen Sicherheitszuschlag, der seinerzeit den durch empirische Untersuchungen ermittelten Mindestabständen hinzugerechnet worden sei.999 Dieser Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Allein aus der Einhaltung der Mindestabstände der VDI-Richtlinien 3471 und 3472 lässt sich nicht ableiten, dass der Schutz vor erheblichen Geruchsbelästigungen gesichert ist. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass ab bestimmten Bestandsgrößen die Abstände der VDI-Richtlinien 3471 und 3472 nicht mehr ausreichten und es in diesen Fällen einer Sonderbeurteilung bedurfte.1000 Besondere Umstände im Einzelfall können darüber hinaus zum vermehrten Auftreten von Geruchsimmissionen führen, so dass auch in diesen Fällen die Abstände nicht als einziges Indiz zum Nachweis der Erfüllung der Schutzpflicht herangezogen werden können.1001 Soweit sich die Rechtsprechung daher bei der Überprüfung der Einhaltung der Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auf die Mindestabstände aus den genannten VDI-Richtlinien beruft, erweist sich diese Einschätzung als zu ungenau und damit nicht zutreffend. Die GIRL misst den VDI-Richtlinien 3471 und 3472 bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen aus nicht genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlagen einen Vorrang zu. Nach Nr. 1 Abs. 6 GIRL kann die (Bau-)Genehmigungsbehörde in 997 Ähnlich auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 19. 08. 1999, Az.: 1 M 2711 / 99, NVwZ-RR 2000, 91. 998 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 39 f. m. w. N. 999 Vgl. Lang, Rechtliche Beurteilung, S. 43 f. 1000 Vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2008, zu Nr. 1 GIRL, Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich. 1001 Vgl. Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL 2008, zu Nr. 1 GIRL, Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

derartigen Fällen die Entscheidung auf die Einhaltung der Abstände nach den entsprechenden Richtlinien VDI 3471 und VDI 3472 gründen. Allerdings ist zweifelsohne kritisch anzumerken, dass die VDI-RL 3471 und 3472 – soweit ersichtlich – seit ihrer Ausgabe im Jahre 1986 nicht überprüft wurden. Die vom VDI selbst gesteckte Zielvorgabe der regelmäßigen Überprüfung der Richtlinien nach jeweils fünf Jahren ist somit in Bezug auf diese Richtlinien nicht erfüllt worden. (2) VDI-Richtlinien 3473 und 3474 Die VDI-RL 3473 Emissionsminderung Tierhaltung – Rinder wurde als dritte Tierhaltungsrichtlinie erarbeitet und 1994 im Entwurf herausgegeben. Gegen diese Richtlinie gab es eine größere Zahl von Einsprüchen mit der Begründung, dass zu wenige Erkenntnisse zu den Fragen der Emissionen und Immissionen bei der Rinderhaltung vorliegen würden. Insbesondere wurden die Abstände, die sich bei der Anwendung der Abstandsregelung der VDI-RL 3473 ergaben, als zu groß kritisiert. Vielen Anwendern erschienen darüber hinaus die Geruchsäquivalenzfaktoren der Richtlinie, mit denen die geringere Intensität der Gerüche aus Rinderhaltungen im Vergleich zur Mastschweinehaltung immissionsseitig bewertet wurde, als zu ungünstig für die Rinderhaltung.1002 Aus diesem Grunde wurden von verschiedenen Bundesländern Forschungsvorhaben angestrengt, um zu ermitteln, welche Abstände zwischen Rinderhaltungen und Wohnbebauung tatsächlich erforderlich waren. Ein weiteres Forschungsvorhaben wurde zudem unter Einbeziehung der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft e.V. und des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) initiiert, das sich ebenfalls zum Ziel gesetzt hatte, die wissenschaftlich-technischen Grundlagen für eine zuverlässige Bewertung des Emissions- und Immissionsverhaltens von Anlagen der Rinderhaltung zu erarbeiten.1003 Die VDI-RL 3473 wurde jedoch zwischenzeitlich zur Überarbeitung außer Kraft gesetzt, da man sich dazu entschied, eine neue Richtlinie zu entwickeln, in der alle Tierarten zusammengefasst werden sollen (VDIRL 3474).1004 Die VDI-RL 3474 wurde im März 2001 in der Entwurfsfassung veröffentlicht. Zur endgültigen Verabschiedung dieser Richtlinie ist es bisher aber nicht gekommen.1005 Die mittlerweile zurückgezogene Richtlinie VDI-RL 3473 Emissionsminderung Tierhaltung – Rinder ist gleichwohl von der Rechtsprechung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Rinderhaltung herangezogen worden. So hat das 1002 Vgl. Müller / Krause / Grimm, Geruchsemissionen und -immissionen aus der Rinderhaltung, S. 7 f. 1003 Vgl. Müller / Krause / Grimm, Geruchsemissionen und -immissionen aus der Rinderhaltung, S. 7 f. 1004 Vgl. Müller / Krause / Grimm, Geruchsemissionen und -immissionen aus der Rinderhaltung, S. 8. 1005 Vgl. dazu Schwinkowski, in: ThMLNU (Hrsg.), Einfluss der Landwirtschaft auf die Luft, S. 12, 13 f.

VI. Technische Regelwerke privater Stellen

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OVG Greifswald1006 mit Beschluss vom 09. 02. 1999 ausgeführt, dass der Entwurf der Rinderrichtlinie bei der Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall die von einer Milchviehanlage ausgehenden Immissionen die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten würden, herangezogen werden könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien die VDI-Richtlinien, hier der Entwurf der Rinderrichtlinie, bei der Bewertung von Immissionen als Orientierungshilfe anzusehen. Daher spiele es keine entscheidende Rolle, dass der Entwurf der Richtlinie zwischenzeitig zurückgezogen worden sei. Eine andere, besser geeignete Orientierungshilfe sei für den Senat nicht ersichtlich. In Anbetracht der erheblichen Kritik, die aus fachlicher Sicht an der VDIRL 3473 geäußert worden ist und der anschließenden Rücknahme der Richtlinie durch den VDI, ist diese Rechtsprechung als problematisch zu bewerten. In der Sache kann sie aufgrund der bemängelten zu hohen Abstände zu einer unangemessenen Benachteiligung der Rinderhalter führen. Die Rücknahme einer Richtlinie durch den VDI lässt zudem den Schluss zu, dass die Zweifel an der Richtigkeit der darin enthaltenen Vorgaben ein Ausmaß erreicht hat, das die weitere Anwendung der Richtlinie als nicht vertretbar erscheinen lässt. Über diese Vorgabe kann sich ein Gericht nicht schon aus dem Grunde hinwegsetzen, über keine alternative Bewertungsgrundlage zu verfügen. VDI-Richtlinien zur Emissionsminderung dürfen aufgrund des ihnen zugrunde liegenden Auftrags der Konkretisierung des Standes der Technik in der Luftreinhaltung nur solange als Orientierungshilfe dienen, als sie aus fachlicher Sicht Geltung beanspruchen können. Ist dies nicht mehr der Fall, ist ihre weitere Heranziehung abzulehnen. bb) Nahrungsmittelproduktion Im Rahmen der Nahrungsmittelproduktion sind beispielsweise die VDI-RL 2592 Blatt 1 Emissionsminderung – Anlagen zur Gewinnung pflanzlicher Öle und Fette1007 (Ausgabedatum: November 2000) sowie die VDI-RL 2595 Blatt 2 Emissionsminderung – Fischräuchereien1008 (Ausgabedatum des Entwurfs: November 2007) zu nennen. Die VDI-RL 2592 Blatt 1 beschreibt die Produktionsverfahren der Gewinnung pflanzlicher Öle und Fette (Nr. 1). Zur Vermeidung und Verminderung der Emissionen sieht die Richtlinie betriebliche Maßnahmen vor, wie beispielsweise die Verringerung der Abluftvolumenströme durch gezielte Be- und Entlüftung (Nr. 2.1.1.1.2), die gezielte Erfassung von Luftverunreinigungen am Ort der Freisetzung durch Einrichtungen zur Erzeugung von Unterdruck, Kapse1006 Vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 09. 02. 1999, Az.: 3 M 133 / 98, NuR 1999, 584, unter Verweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 26. 05. 1994, Az.: 5 S 2193 / 93, NuR 1995, 408. 1007 Emissionsminderung – Anlagen zur Gewinnung pflanzlicher Öle und Fette, VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 3: Emissionsminderung (Fortsetzung). 1008 Emissionsminderung – Fischräuchereien, VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 3: Emissionsminderung (Fortsetzung).

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

lung von Aggregaten, Schleusen sowie die Zusammenfassung von Anlagenbereichen zur gemeinsamen Sammlung und Ableitung der dort anfallenden Abluft (Nr. 2.1.2). Für Geruchsstoffe sieht die VDI-RL 2592 Blatt 1 in Nr. 2.1.3.2.3 die Biologische Abluftreinigung unter Einsatz eines Biofilters vor. Darüber hinaus verweist die VDI-RL 2592 Blatt 1 in Bezug auf die rechtlichen Anforderungen zur Emissionsbegrenzung geruchsintensiver Stoffe auf Nr. 3.1.9 TA Luft 1986, nach der ein Wirkungsgrad der Geruchsstoffminderung von mehr als 99 % bei Geruchszahlen in der unbehandelten Abluft von mehr als 100.000 (Geruchsstoffkonzentration > 100.000 GE / m3) gefordert wird. Die VDI-RL 2595 Blatt 2 sieht für Fischräuchereien eine Beschränkung der Emissionen organischer Kohlenstoffverbindungen vor (Nr. 5.1). Da es nicht möglich ist, mit angemessenem Aufwand entweder jede emittierte Substanz einzeln zu messen oder mittels olfaktometrischer Messungen Emissionswerte zu ermitteln, wird als Bezugsgröße für die Emissionskonzentration die Summe der organischen Kohlenstoffverbindungen in Höhe von 50 mg / m3 herangezogen. Hierdurch wird nach Angaben der VDI-RL 2595 gewährleistet, dass erfahrungsgemäß keine Geruchsbelästigungen auftreten. Allerdings kann es in Einzelfällen unter Umständen notwendig sein (z. B. in Beschwerdefällen), olfaktometrische Messungen durchzuführen, wofür auf die TA Luft verwiesen wird. cc) Abfallbehandlung Umfangreiche Regelungen zu Geruchsstoffen enthält ferner die VDI-RL 3475 Blatt 1 für Biologische Abfallbehandlungsanlagen – Kompostierung und Vergärung bei einer Anlagenkapazität von mehr als ca. 6.000 Mg / a1009 (Ausgabedatum: Januar 2003). Die größten Geruchsstoffströme sind dabei aus der Anlieferung und der Intensivrotte zu erwarten (Nr. 3.1). Die Richtlinie führt umfangreiche Beispielswerte für die Geruchsstoffströme aus anderen Anlagen auf, anhand derer sich der Betreiber orientieren kann. Zur Emissionsminderung sieht die Richtlinie beispielsweise in Bezug auf die Anlieferung und Aufbereitung eine Einhausung vor, darüber hinaus die Absaugung und Reinigung der Abluft (Nr. 3.1.1.1). Dabei haben sich in der Praxis bisher nur biologische Abluftreinigungsverfahren bewährt, die in Nr. 3.1.1.5 der Richtlinie ausführlich beschrieben werden. Hierzu werden auch Mindestabstände zwischen dem Rand eines Biofilters und dem Beginn des nächsten für die Geruchsbeurteilung relevanten Gebietes (z. B. Wohnbebauung) empfohlen.

1009 Emissionsminderung – Biologische Abfallbehandlungsanlagen – Kompostierung und Vergärung; Anlagenkapazität mehr als ca. 6000 Mg / a, VDI / DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft – Band 3: Emissionsminderung (Fortsetzung).

VI. Technische Regelwerke privater Stellen

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2. Zwischenergebnis Der VDI ist nach eigenen Angaben der größte technisch-wissenschaftliche Verein in Deutschland. Hauptaufgabe des VDI ist die Entwicklung technischer Regelwerke. Dabei kommt den vom Fachausschuss KRdL entwickelten VDIRichtlinien für die Bewertung von Luftverunreinigungen im Allgemeinen und Geruch im Besonderen eine bedeutende Rolle zu. Die KRdL hat den offiziellen Auftrag, für den Bereich der Luftreinhaltung den Stand der Technik in technischen Regelwerken festzulegen. Auch wenn es sich dabei um rein private technische Regelwerke handelt, denen aus rechtlicher Sicht keine Bindungswirkung zukommt, entfalten diese im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, bei der Anlagenüberwachung sowie in der Bauleitplanung eine erhebliche tatsächliche Bedeutung. Dies zeigt sich zum Beispiel anhand der VDI-Richtlinien 3471 und 3472 für die Beurteilung von Geruch aus Tierhaltungsanlagen. Diese legen in Abhängigkeit von bestimmten baulichen und betrieblichen Voraussetzungen für die Schweine- bzw. Hühnerhaltung Mindestabstände zwischen den Tierhaltungsanlagen und der nächsten schützenswerten Nutzung fest. Beiden Richtlinien ist von der Rechtsprechung die Eignung als „Orientierungshilfe“ bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen zugesprochen worden. Die VDI-Richtlinien werden demnach nicht nur zur Konkretisierung des Standes der Technik aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 und § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG, sondern auch zur Konkretisierung der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG herangezogen. Eine derartige Anwendung ist in der Literatur zu Recht auf Kritik gestoßen. Aus den in beiden Richtlinien niedergelegten Mindestabständen lassen sich keine zweifelsfreien Schlüsse über das Auftreten von Geruchsimmissionen und das Ausmaß an möglichen Geruchsbelästigungen ziehen. Die VDI-Richtlinien 3471 und 3472 konkretisieren ausschließlich die Vorsorgepflicht. Für die Schutzpflicht haben die in den Richtlinien enthaltenen Abstände lediglich eine Indizwirkung. Am Zustandekommen von VDI-Richtlinien ist in der Vergangenheit die übermäßige Beteiligung von Vertretern der Industrie und eine daraus möglicherweise resultierende mangelnde Unabhängigkeit und Objektivität bei der Entwicklung entsprechender Richtlinien kritisiert worden. Zwischenzeitlich scheint indes die Zahl der Industrieangehörigen, die sich in die Entwicklung von VDI-Richtlinien einbringen, zurückgegangen zu sein. Zunehmend sind Angehörige der Hochschulen und Vertreter der Forschung mit der Entwicklung von VDI-Richtlinien in den Fachausschüssen befasst. Eine übermäßige Einflussnahme der Industrie ist daher im Vergleich zu den Achtziger und Neunziger Jahren wohl nicht mehr zu befürchten. Es bleibt allerdings dabei, dass die Interessen der Betroffenen – sei es durch anerkannte Naturschutzverbände oder durch die Beteiligung Einzelner an der Entwicklung von Richtlinien – nach wie vor eher unzureichend vertreten werden.

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

VII. Zwischenergebnis Die wichtigste gesetzliche Grundlage zur Bewertung von Geruch im öffentlichrechtlichen anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht ist das BImSchG. § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG und § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG regeln die Anforderungen, die an die Errichtung und den Betrieb von genehmigungsbedürftigen sowie nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen gestellt werden. Die dort normierten Betreiberpflichten stellen jeweils auf den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen aus § 3 Abs. 1 BImSchG ab, die es im Sinne des Gesetzeszwecks zu unterbinden oder zu vermeiden gilt oder deren Entstehung vorzubeugen ist. Alle vorgenannten Regelungen sind durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zum Umweltschutz und zur Luftreinhaltung beeinflusst worden. Im Gegensatz dazu haben supranationale Regelungen bisher auf die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht keinen Einfluss genommen. Die zur Luftreinhaltung vorhandenen völkerrechtlichen Verträge und Protokolle haben den Schutz der Umwelt vor Luftverunreinigungen und insbesondere vor weiträumigen grenzübergreifenden Luftverunreinigungen zum Ziel, um der globalen Dimension von Umweltverschmutzungen zu begegnen. Ein regionales Problem, wie die Geruchsimmissionen im Umfeld eines Geruchsstoffemittenten, gehört nicht dazu. Anders verhält sich dies in Bezug auf das Umweltrecht der Gemeinschaft. Auch wenn eine gemeinschaftsrechtliche Regelung ausschließlich zur Bewertung von Geruch (noch) nicht existiert, wird doch dem Umstand Rechnung getragen, dass Geruchsemissionen und -immissionen zu einem umweltrechtlich relevanten Problem werden können. Dies beweist zum einen die europäische Norm EN 13725:2003, mit der eine Harmonisierung der technischen Regelungen zur Geruchsmessung in Gang gesetzt worden ist. Zum anderen beweisen dies die medienübergreifenden Regelungen der UVP-Richtlinie und der IVU-Richtlinie, die auch die Auswirkungen von geruchsintensiven Stoffen auf die Umwelt umfassen. Mit ihrer Umsetzung hat das ursprünglich sektorspezifisch ausgerichtete Anlagengenehmigungs- und -überwachungsrecht des BImSchG eine Veränderung hin zu einem integrierten, medienübergreifenden Ansatz erfahren. Dieser Ansatz hat folglich in das nationale Immissionsschutzrecht Einzug gehalten, ohne dass das bisherige Regelungsgefüge auf eine vollständig neue Systematik hin ausgerichtet worden ist. Dies mag sich in Zukunft mit dem Erlass eines Umweltgesetzbuches jedoch ändern. Schon die bisher ergangenen Vorgaben der Gemeinschaft haben eine Änderung der für die Geruchsbewertung maßgeblichen Regelungen im nationalen Recht bewirkt, die sich auch auf die Frage auswirken, auf welche Weise nach dem materiellen Immissionsschutzrecht Geruch zu bewerten ist. Ausgangspunkt für die Bewertung ist der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen, der einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt. „Schädliche Umwelteinwirkungen“ werden zwar in § 3 Abs. 1 BImSchG legaldefiniert. Allerdings beinhaltet die Definition weitere unbestimmte Rechtsbegriffe, wie Gefahren, erhebli-

VII. Zwischenergebnis

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che Nachteile oder erhebliche Belästigungen, die der Rechtsanwender unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Tatsachen auslegen muss. Dabei ist zumeist auch eine wertende Entscheidung gefordert. Die Rechtsprechung hat die Erheblichkeit einer Einwirkung von jeher von der Zumutbarkeit abhängig gemacht. Dabei wird auf den Horizont des „verständigen Durchschnittsmenschen“ abgestellt, der unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange und gesetzlichen Wertungen feststellt, was ihm billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Zu Recht ist an dem Maßstab des „verständigen Durchschnittsmenschen“ in der Vergangenheit Kritik geübt worden. Denn soweit unter dem „verständigen Durchschnittsmenschen“ ein gesunder Erwachsener zu verstehen sein soll, stellt dieser gerade nicht den typischen Fall dar. In Bezug auf die Empfindlichkeit für Geruch legen verschiedene Untersuchungen die Vermutung nahe, dass diese aufgrund einer besonderen Disposition oder einer Krankheitsvorgeschichte stärker ausgeprägt sein kann. Zwar lassen sich aus den derzeit vorhandenen Ergebnissen noch keine generellen Aussagen ableiten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft zusätzlich zu den besonders schützenswerten Gruppen der Alten, Kranken und Kinder eine besonders für Geruchseinwirkungen empfindliche Gruppe gebildet werden muss. Was dem „verständigen Durchschnittsmenschen“ noch zuzumuten ist, gibt das Gesetz gleichwohl nicht vor. Die Verwendung einer Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen in den oben genannten Normen des BImSchG verdeutlicht, dass der Gesetzgeber gerade nicht selbst im Einzelnen regeln wollte, wann Immissionen zu schädlichen Umwelteinwirkungen werden. Er hat stattdessen eine Reihe von Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften geschaffen, anhand derer die gesetzlichen Vorgaben konkretisiert werden sollen. Grund hierfür ist, dass die meisten Entscheidungen im Immissionsschutzrecht die Beurteilung komplizierter naturwissenschaftlicher und technischer Vorgänge voraussetzen, die der Gesetzgeber nicht ohne die Inanspruchnahme von verwaltungsfremdem Sachverstand beurteilen kann. Darüber hinaus soll mit untergesetzlichen Normen schneller auf neuere Erkenntnisse über das Ausmaß an Störwirkungen einzelner Immissionsarten für die Umwelt und auf den technischen Fortschritt reagiert werden können. Anhaltspunkte für die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen können sich demnach aus untergesetzlichen Regelwerken ergeben. Als dem Gesetz im Rang nachfolgende Regelungsform kommt dabei zunächst die Rechtsverordnung in Betracht. Auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 BImSchG bzw. § 23 Abs. 1 BImSchG können in Form von Rechtsverordnungen Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von genehmigungsbedürftigen bzw. nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen erlassen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Pflichten aus § 5 BImSchG eingehalten werden bzw. beim Betrieb von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen die Allgemeinheit und die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen geschützt wird. Aussagen zu Geruch treffen lediglich zwei auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 BImSchG erlassene Durchführungsverordnungen. Dabei handelt es

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D. Rechtlicher Rahmen der Geruchsbewertung

sich zum einen um die 17. BImSchV, die den Begriff Geruch jedoch nur im Rahmen einer Ausnahmeregelung verwendet. Zum anderen handelt es sich um die Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen (30. BImSchV). Letztere legt in § 6 Nr. 4 einen Emissionsgrenzwert für Geruchsstoffe fest, der beim Betrieb entsprechender Anlagen einzuhalten ist. Mit der 30. BImSchV wird die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG konkretisiert. Eine Aussage über die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen enthält die Rechtsverordnung nicht. Kriterien für die Beurteilung von Geruch können sich darüber hinaus aus der TA Luft ergeben, die dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen und der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen dient, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen. Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen ist jedoch vom Anwendungsbereich der TA Luft ausgenommen. Gleichwohl finden sich in Nr. 5 TA Luft, in der die Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen geregelt sind, zahlreiche Vorschriften zum Umgang mit geruchsintensiven Stoffen, die beim Betrieb einer Anlage freigesetzt werden. Die TA Luft sieht insoweit ein gestaffeltes System aus Mindestabständen, baulichen und betrieblichen Maßnahmen sowie in Einzelfällen auch Emissionsgrenzwerte vor. Auch wenn die Einhaltung dieser Vorgaben ein Indiz dafür sein dürfte, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen nicht hervorgerufen werden, kann allein anhand der TA Luft nicht festgestellt werden, ob Geruchsimmissionen im konkreten Fall schädliche Umwelteinwirkungen darstellen. Das einzige Regelwerk für die Bewertung von Geruch anhand von Immissionswerten stellt die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) dar. Die GIRL geht von der Annahme aus, dass die Belästigungswirkung von Geruch im Wesentlichen von der relativen Dauer der Geruchsschwellenüberschreitung abhängt. Auf dieser Grundlage stellt die GIRL in Abhängigkeit verschiedener Baugebietsarten Immissionswerte als relative Dauer der Überschreitung der Geruchsschwelle auf, die mit der Häufigkeit der real gemessenen oder prognostizierten Geruchsschwellenüberschreitungen verglichen werden. Im Einzelfall können dabei auch die hedonische Tönung eines Geruchs oder die Geruchsqualität Berücksichtigung finden. Die GIRL ist ein vom Länderausschuss für Immissionsschutz (heute: Bund- / LänderArbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz) entwickeltes Regelwerk, dem grundsätzlich keine Bindungswirkung zukommt. Die überwiegende Anzahl der Bundesländer hat die GIRL jedoch im Erlasswege eingeführt, so dass die GIRL für die dortigen Verwaltungsbehörden eine Bindungswirkung entfaltet. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die GIRL mittlerweile als „Orientierungshilfe“ zur Bewertung von Geruchsimmissionen anerkannt, ohne dass ihr eine rechtliche Bindungswirkung zugemessen worden ist. Die GIRL hat sowohl in methodischer als auch in rechtlicher Hinsicht Kritik erfahren. Das System der GIRL hat sich jedoch in verschiedenen empirischen Untersuchungen als geeignet zur Ein-

VII. Zwischenergebnis

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schätzung der Belästigungswirkung durch Geruchsimmissionen erwiesen. Aus hiesiger Sicht ist das Regelungssystem der GIRL nicht zu beanstanden. Der Versuch, die GIRL im Zuge der Novellierung in die TA Luft 2002 zu integrieren, ist aufgrund von Widerständen aus der chemischen Industrie und der Landwirtschaft gescheitert. Aufgrund der andersartigen Wirkweise von Geruchsstoffen und der nur eingeschränkten Vergleichbarkeit von Geruchsstoffen mit anderen Luftschadstoffen ist nach der hier vertretenen Ansicht dem Erlass der GIRL als eigenständige Bundesverwaltungsvorschrift der Vorzug zu geben. Solange jedoch die GIRL keine bundesweite Geltung beansprucht, bleibt es allerdings dabei, dass eine einheitliche Bewertung von Geruch noch nicht gewährleistet ist. Neben den genannten Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften treffen auch technische Regelwerke privater Stellen Aussagen zum Umgang mit Geruchsemissionen. Dabei nehmen die Richtlinien und Normen der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN-Normenausschuss (KRdL) eine gewichtige Rolle ein. Die KRdL hat vom Bundestag den öffentlichen Auftrag erhalten, in selbstbestimmter eigenverantwortlicher Tätigkeit den Stand der Technik in der Luftreinhaltung festzulegen. Inzwischen beschreiben rund 50 VDI-Richtlinien mannigfache Emissionsminderungsmaßnahmen für verschiedene Prozesse. Im Rahmen der Geruchsbewertung kommen insbesondere die VDI-Richtlinien Emissionsminderungsmaßnahmen – Schweine (VDI-RL 3471) und – Hühner (VDI-RL 3472) zum Tragen. Sie legen in Abhängigkeit von der Erfüllung betrieblicher und baulicher Maßnahmen Abstände zwischen den Tierhaltungen und der nächsten schützenswerten Nutzung fest. Den VDI-Richtlinien kommt als rein privaten technischen Regelwerken jedoch keine Bindungswirkung zu. Obwohl die Richtlinien schon ihrem Wortlaut nach ausschließlich Emissionsminderungsmaßnahmen zum Gegenstand haben, werden sie von der Rechtsprechung auch zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen herangezogen. Diese Anwendungsweise erweist sich jedoch insoweit als rechtsfehlerhaft, als allein aus der Einhaltung der dort vorgesehenen Abstände keine zweifelsfreie Aussage darüber getroffen werden kann, ob erhebliche Geruchsimmissionen zu erwarten sind. Die VDI-Richtlinien können deshalb nur als Indiz für die Einhaltung der Schutzpflicht herangezogen werden. Im Übrigen sind sie lediglich zur Konkretisierung der Vorsorgepflicht geeignet.

E. Rechtsschutz I. Allgemeines 1. Erforderlichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsschutzmöglichkeiten Die Rechtsschutzmöglichkeiten von Anlagenbetreibern sowie Betroffenen sind in den Fällen von Interesse, in denen ein Antrag auf Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage gestellt wird, bei deren Betrieb Geruchsimmissionen für die Nachbarschaft zu befürchten sind. Für den Anlagenbetreiber erlangen Rechtsschutzmöglichkeiten dann Relevanz, wenn die von ihm begehrte Genehmigung überhaupt nicht oder nur in Verbindung mit Nebenbestimmungen erteilt wird, gegen die er sich zur Wehr setzen möchte. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Anlagenbetreiber zum Einbau einer Abluftreinigungsanlage verpflichtet wird und zu klären ist, ob eine solche zum Stand der Technik gehört oder über diesen hinausgeht. Für die Nachbarschaft sind Rechtsschutzmöglichkeiten bei Genehmigungserteilung insbesondere hinsichtlich der Anfechtung der erteilten Genehmigung von Interesse, zum Beispiel, wenn sie befürchten, dass nicht ausreichend Maßnahmen zum Schutz vor erheblichen Geruchsimmissionen vorgenommen werden. Darüber hinaus sind die Rechtsschutzmöglichkeiten sowohl des Anlagenbetreibers als auch der Nachbarn in den Fällen der Errichtung und des Betriebs von immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen von Relevanz, die lediglich baurechtlich zu genehmigen sind, aber dennoch dem Pflichtenkatalog aus § 22 Abs. 1 BImSchG unterfallen. Sowohl bei genehmigungsbedürftigen als auch bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen kann die Überwachungsbehörde nachträglich Maßnahmen zum Immissionsschutz (gemäß § 17 bzw. § 24 BImSchG) bis hin zur Betriebsuntersagung (gemäß § 20 bzw. § 25 BImSchG) anordnen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von der Anlage (vermeidbare) schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach der Durchsetzung bzw. nach der Abwehr entsprechender nachträglicher Anordnungen. Zudem sind diejenigen Konstellationen von Bedeutung, in denen an eine bereits bestehende Anlage eine Wohnbebauung „heranrückt“, sei es durch die Genehmigung eines einzelnen Wohnhauses oder durch die Aufstellung eines Bebauungsplans im Einwirkungsbereich der Anlage. Der Anlagenbetreiber sucht sich zumeist gegen eine solche Entwicklung zu wehren, wenn er befürchtet, durch das Heranrücken von schutzbedürftigerer Nutzung an seine Anlage sowohl im Anlagenbetrieb

I. Allgemeines

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als auch hinsichtlich der zukünftigen Erweiterungsmöglichkeiten seiner Anlage Einschränkungen zu erfahren. Das Problem der heranrückenden Wohnbebauung beschäftigt die Gerichte regelmäßig gerade auch im Zusammenhang mit Geruchsimmissionen und wird aus diesem Grund im nachfolgenden Teil B. eingehend, in der vorliegenden Arbeit als einziges aus dem Bereich „Rechtsschutz“ herausgegriffenes Problem ausführlich dargestellt. Die für die Aufstellung eines Bebauungsplans oder die Genehmigung eines Wohnhauses relevanten Rechtsfragen sind zwar im Baurecht angesiedelt. Das Immissionsschutzrecht findet gleichwohl über verschiedene baurechtliche Regelungen sowie über das sogenannte nachbarschaftliche Rücksichtnahmegebot bei der Errichtung eines Bauvorhabens bzw. bei der im Rahmen der Bauleitplanung vorzunehmenden Abwägung öffentlicher und privater Belange Einzug in die vorgenannten Verfahren.

2. Regelmäßig auftretende Rechtsfragen bei der Geltendmachung von Rechtsschutz im Immissionsschutzrecht In den vorgenannten Konstellationen stellen sich kumulativ oder alternativ zumeist bestimmte Rechtsfragen. Im Rahmen von Nachbarschaftsklagen – zum Beispiel bei der Anfechtung einer Genehmigung – ist zu prüfen, ob die Nachbarschaft überhaupt klagebefugt ist, ob sie sich also auf die Verletzung einer Rechtsvorschrift stützen kann, die zugleich dazu bestimmt ist, die Nachbarschaft zu schützen. Hierzu ist ausgeführt worden, dass hinsichtlich der vorliegend interessierenden Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG nur die Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einen entsprechenden Drittschutz begründet, nicht jedoch die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. Die Pflichten aus § 22 BImSchG begründen zumindest insoweit Drittschutz, als sie den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zum Gegenstand haben (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG).1 In diesem Zusammenhang stellt sich zumeist auch das Problem, inwieweit die Nachbarschaft die Einhaltung von den das BImSchG konkretisierenden Regelungen in Form von Verwaltungsvorschriften und sonstigen technischen Regelungen einfordern kann. Die damit verbundene Frage nach der Bindungswirkung der entsprechenden Regelwerke ist in Kapitel D. IV., V. und VI. erörtert worden. In den Konstellationen der heranrückenden Wohnbebauung impliziert die Frage nach der Abwägung öffentlicher und privater Belange in der Bauleitplanung bzw. nach der Reichweite des gegenseitigen Rücksichtnahmegebots bei der Erteilung einer Baugenehmigung die Erörterung auch immissionsschutzrechtlicher Fragen.

1

Vgl. Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 69.

350

E. Rechtsschutz

3. Verwaltungsprozessrecht Eine ausführliche Auseinandersetzung mit verwaltungsprozessrechtlichen Problemen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Es sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Verweigerung der Genehmigung zunächst mit dem Widerspruchs angreifen und bei Erfolglosigkeit des Widerspruchs Verpflichtungklage einlegen muss.2 Will sich der Antragsteller allein gegen eine Nebenbestimmung der Genehmigung wenden, so ist die Anfechtungsklage nur dann zulässig, wenn die Behörde die Genehmigung ohne die gerügte Nebenbestimmung erlassen müsste. Ist eine selbständige Aufhebung nicht möglich, etwa weil die Genehmigungsvoraussetzungen eine andere (mildere) Nebenbestimmung notwendig machen, empfiehlt sich eine Verpflichtungsklage, da die Anfechtungsklage zwar zulässig, aber unbegründet wäre.3 Dritte können gegen die Erteilung der Genehmigung Widerspruch einlegen, wobei dieser nur erfolgreich sein kann, wenn Vorschriften verletzt sind, die zum Schutze des Nachbarn ergangen sind. Nach einem negativen Widerspruchsbescheid oder unter den Voraussetzungen des § 75 VwGO können Dritte Anfechtungsklage erheben. Die Klage von Dritten kann wegen § 42 Abs. 2 VwGO nur erfolgreich sein, soweit sie die Verletzung eigener Rechte geltend machen.4

4. Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren Das Genehmigungsverfahren ist in §§ 10, 19 BImSchG sowie in der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes5 (9. BImSchV) geregelt ist. Auch im Genehmigungsverfahren treffen den Anlagenbetreiber bestimmte Pflichten, zu denen z. B. die Pflicht zur Beibringung aller für die Entscheidung der Genehmigungsbehörde relevanten Unterlagen gehört (§§ 4 ff. 9. BImSchV); darüber hinaus haben sowohl der Antragsteller als auch die von der begehrten Genehmigung ggf. betroffenen Dritten bestimmte Rechte im Genehmigungsverfahren (Bsp.: Bekanntmachung des Vorhabens, Beteiligung der Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren (§§ 8 ff., 14 ff. 9. BImSchV)).6

2 Vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 40, 41; im Zuge des Erlasses einzelner Gesetze zur Modernisierung der Verwaltung in verschiedenen Bundesländern findet nicht mehr in allen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten Widerspruchsverfahren statt. Soweit ersichtlich ist dies für Auseinandersetzungen über Genehmigungen nach dem BImSchG aber nicht der Fall, so dass dort weiterhin vor Klageerhebung Widerspruch eingelegt werden muss. 3 Vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 42. 4 Vgl. Jarass, BImSchG, § 6 Rn. 44 ff. 5 Vom 18. 02. 1977, BGBl. I 1977, 274; neu gefasst durch Bekanntmachung vom 29. 05. 1992, BGBl. I 1001; zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz vom 21. 06. 2005, BGBl. I 1666. 6 Zum Ablauf des Genehmigungsverfahren und zu den Rechten und Pflichten der daran Beteiligten vgl. ausführlich Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 19 ff., 59 ff., 129 ff.

II. Heranru¨ckende Wohnbebauung

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II. Heranrückende Wohnbebauung 1. Genehmigung von Wohnhäusern im Einwirkungsbereich einer geruchsstoffemittierenden Anlage Grundsätzlich kann sich ein Nachbar gegen ein Bauvorhaben nur dann zur Wehr setzen, wenn er geltend machen kann, in einem subjektiv öffentlichen Recht verletzt zu sein. Das setzt voraus, dass die streitentscheidenden Bauvorschriften subjektiv-rechtlichen Charakter haben. Nach der allgemeinen zu § 42 VwGO entwickelten Schutznormtheorie hat eine Rechtsnorm des öffentlichen Rechts subjektiv-rechtlichen Charakter, wenn sie nicht nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht nur faktisch die Interessen des Einzelnen schützt, sondern nach ihrer Zweckbestimmung zumindest auch auf den Schutz gerade dieser Individualinteressen gerichtet ist.7 Die Zulässigkeit von Bauvorhaben richtet sich in der Regel nach den §§ 29 ff. BauGB. Daher richtet sich auch die Frage des Nachbarschutzes in erster Linie nach der bauplanungsrechtlichen Situation des Baugrundstücks.8 Ohne hier im Einzelnen auf die Vorschriften der §§ 29 ff. BauGB einzugehen, kann gesagt werden, dass einer Vorschrift auch dann drittschützende Wirkung zukommen kann, wenn sie eine solche nicht unmittelbar impliziert. Eine drittschützende Wirkung kann in diesen Fällen mittelbar über das Gebot der Rücksichtnahme begründet werden, das insbesondere im Zusammenhang mit schädlichen Umwelteinwirkungen von Bedeutung ist. Gleiches gilt im Ausnahmefall auch für Vorschriften des Bauordnungsrechts. Diese dienen in der Regel zwar nur der öffentlichen (Bau-) Sicherheit und Ordnung und damit den Interessen der Allgemeinheit. Ausnahmsweise können bauordnungsrechtliche Vorschriften jedoch nachbarschützenden Charakter haben, soweit sie Individualinteressen wie Leben, Körper und Gesundheit der Anlieger schützen sollen. Auf diesem Wege kann das Rücksichtnahmegebot auch im Rahmen des Bauordnungsrechts zum Tragen kommen.9 Das Rücksichtnahmegebot, das im Baurecht anerkannt ist, besagt, dass jedes Bauvorhaben auf die vorhandene Nachbarbebauung Rücksicht zu nehmen hat. Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist.10 Dabei ist das Gebot der Rücksichtnahme lediglich als Ausprägung der einfach-gesetzlichen Vorschriften anzusehen. Ein von den §§ 30 ff. BauGB losgelöstes Rücksichtnahmegebot gibt es danach nicht.11 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19. 09. 1986, Az.: 4 C 8 / 84, DVBl. 1987, 476. Vgl. Dürr / König, Baurecht, Rn. 438 f. 9 Vgl. Dürr / König, Baurecht, Rn. 447 f. 10 Vgl. BVerwG, Urt. v. 16. 09. 1993, Az.: 4 C 28 / 91, NJW 1994, 1546, 1547. 11 Vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 09. 1991, Az.: 4 C 5 / 87, DVBl. 1992, 564, 567. 7 8

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E. Rechtsschutz

Der Rechtsprechung zufolge verlangt die Anwendung des Rücksichtnahmegebots daher eine einfach-gesetzliche Norm, deren Tatbestand objektiv voraussetzt, dass der Bauherr gerade auch auf die Interessen des Nachbarn Rücksicht zu nehmen hat. Die Gruppe der in diesem Sinne auszulegenden bauplanungsrechtlichen Normen ist verhältnismäßig klein und überschaubar, im Bauordnungsrecht handelt es sich dabei wie gesagt nur um Ausnahmefälle.12 Im Zusammenhang mit Geruchsimmissionen kommt dem Rücksichtnahmegebot typischerweise dort eine Rolle zu, wo Wohnbebauung in der Nähe einer geruchsbelasteten Tätigkeit angesiedelt werden soll. Der – in der Rechtsprechung – besonders häufig behandelte Fall betrifft die Errichtung eines Wohnhauses im Einwirkungsbereich eines oder mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe. Dabei lässt sich schon anhand einiger ausgewählter Entscheidungen darstellen, in welchen Fällen sich der Landwirt regelmäßig erfolgreich zur Wehr setzen kann und in welchen er typischerweise zur Hinnahme der Wohnbebauung verpflichtet ist. Das Bundesverwaltungsgericht13 hatte 1993 über einen Fall zu entscheiden, in dem sich drei Landwirte gegen eine Teilungsgenehmigung für eine 11.200 m3 große Fläche zum Zwecke der Bebauung verschiedener Grundstücke mit sieben Einfamilienhäusern zur Wehr setzten. Die Fläche war im Flächennutzungsplan als Dorfgebiet dargestellt, ein Bebauungsplan existierte nicht. Die Hofstellen der Landwirte waren rund um die streitgegenständliche Fläche angesiedelt. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage der Landwirte ab. Das Gericht entschied, dass ein Landwirt sich gegen eine heranrückende Wohnbebauung, die sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, nicht mit dem Argument zur Wehr setzen könnte, durch eine Wohnnutzung in der Nachbarschaft werde ihm für die Zukunft die Möglichkeit abgeschnitten, seinen Betrieb zu erweitern oder umzustellen. Eine dafür erforderliche Rechtsgrundlage biete in einem dörflich geprägten Gebiet weder das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene noch im Falle des § 34 Abs. 2 BauGB das in § 15 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot. Die Richter stützen ihre Auffassung unter anderem mit dem Argument, § 34 Abs. 1 BauGB lasse es nicht zu, dass sich die landwirtschaftlichen Betriebe gegen konkurrierende Wohnnutzung abschotteten. Im konkreten Fall wurden auch ausreichend Abstände eingehalten, die sicherstellten, dass die geplante Wohnbebauung keinen negativen Einwirkungen ausgesetzt werde, die nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots den Rahmen des Zumutbaren überstiegen. Über die Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Einwirkungsbereich einer Anlage hatte das OVG Greifswald14 in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu ent12 Es handelt sich hinsichtlich des Plangebiets um die §§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sowie 31 Abs. 2 BauGB. Darüber hinaus handelt es sich um § 34 BauGB („. . ., wenn es sich [ . . . ] in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt . . .“), § 35 Abs. 1 BauGB (Rücksichtnahme auf Privilegierung) und § 35 Abs. 3 BauGB (öffentlicher Belang), sowie um das Rücksichtnahmegebot als Bestandteil nachbarschützenden Bauordnungsrechts; hinsichtlich des Bauordnungsrecht vgl. Dürr / König, Baurecht, Rn. 447 f. 13 Vgl. BVerwG, Urt. v. 14. 01. 1993, Az.: 4 C 19 / 90, NVwZ 1993, 1184.

II. Heranru¨ckende Wohnbebauung

353

scheiden. Der Antragsteller, der im Außenbereich eine Milchviehanlage betrieb, wehrte sich gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses in 26 m Entfernung zu den Stalltoren der beiden vorhandenen Kuhställe. Das OVG Greifswald führte zunächst grundsätzlich aus, in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass im Außenbereich angesiedelte und dort nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierte landwirtschaftliche Betriebe in der Regel berechtigt seien, eine heranrückende, die weitere Ausnutzung ihrer Privilegierung störende Bebauung abzuwehren. Zur Beurteilung des Falls zog das OVG die VDI-RL 3473 als Beurteilungsgrundlage heran, die zu diesem Zeitpunkt schon zurückgezogen worden war, und berief sich zudem auf ein Geruchsgutachten zur Beurteilung des Einzelfalls. Im Ergebnis bejahte das Gericht das Vorliegen von schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB (die erhebliche Immissionen i. S. d. § 3 Abs. 1 und 2, § 22 BImSchG seien) und gab damit dem Milchviehhalter Recht. Das OVG Münster15 hatte im Jahre 2002 darüber zu entscheiden, ob sich ein genehmigtes Wohnbauvorhaben auf einem einer Rinderhaltung unmittelbar benachbarten Grundstück als rücksichtslos erwies. Nach Auffassung des OVG war dabei zu berücksichtigen, dass das Wohnvorhaben, das einem landwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet und entsprechend öffentlich-rechtlich durch Baulast gebunden sei, nur einen geringeren Schutz gegenüber Immissionen durch Gerüche der Tierhaltung beanspruchen könnte als sonstige, nicht landwirtschaftsgebundene Wohnungen. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen von Landwirten untereinander, wie sie dort in Frage stand, entschied das OVG, dass selbst eine Belastung durch Geruch in mehr als 50% der Jahresstunden eine Unzumutbarkeit jedenfalls für landwirtschaftsbezogenes Wohnen nicht ohne weiteres begründen könnte. Dies gelte erst recht, wenn es sich um Gerüche aus der Rinderhaltung handelte, die regelmäßig als weniger belastend empfunden würden. Dies gelte auch unabhängig von dem Umstand, dass der Bauherr keine Tiere mehr hielt, sondern Landwirtschaft nur in Form von Ackerbau betrieb. Im Jahre 2003 hatte das OVG Münster16 über die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Wohnhaus – diesmal in Nachbarschaft zur einer Schweinemastanlage – zu entscheiden. Die Klage des Landwirts gegen die Genehmigung eines Altenteilerwohnhauses mit Pkw-Garage blieb ohne Erfolg. Das OVG entschied, dass das Vorhaben insgesamt nicht gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in Gestalt der Konkretisierung des § 35 Abs. 2 2. Spstr. BauGB verstoße. Dabei legte das OVG Münster seiner Entscheidung zum einen den Umstand zugrunde, dass von der Genehmigung des Vorhabens als Altenteilerwohnhauses mit Pkw-Garage nur eine Nutzung des Vorhabens mit Bindung an landwirtschaftliche Zwecke gedeckt sei. Dementsprechend sei die Zumutbarkeitsgrenze für auf das Vorhaben 14 15 16

Vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 09. 02. 1999, Az.: 3 M 133 / 98, NuR 2000, 584. Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 14. 03. 2002, Az.: 7 B 315 / 02, NVwZ 2002, 1390. Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 19. 05. 2003, Az.: 22 A 5565 / 00, BauR 2003, 1850.

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E. Rechtsschutz

einwirkende Immissionen anders zu beurteilen als bei nicht (landwirtschaftlicher) privilegierter Wohnbebauung. Zum anderen berief sich das OVG auch auf ein Gutachten auf der Grundlage der GIRL, das eine Geruchsbelastung an Jahresstunden von 12% auf dem Grundstück des Bauvorhabens ergeben hatte, welche das Gericht dort als zumutbar wertete. Einen im Dorfbereich angesiedelten Fall hatte das OVG Münster17 am 20. 09. 2007 zu entscheiden. Der Kläger beabsichtigte, auf einem Grundstück, das in südlicher, westlicher und nördlicher Richtung im Abstand von wenigstens 80 m, höchstens 180 m von verschiedenen Schweinehaltungen umgeben war, ein Wohnhaus zu errichten. Das Grundstück, das dem Dorfgebiet zuzurechnen war, war nach Berechnungen auf der Grundlage der GIRL 2004 mit einem Geruchsstundenanteil an 17% der Jahresstunden geruchsbelastet. Der Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids war mit der Begründung abgelehnt worden, das Vorhaben wahre nicht die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Dass dem Kläger die Immissionssituation im ländlichen Bereich bekannt sei und er im Hinblick hierauf keine Ansprüche geltend machen wollte, führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Das OVG entschied demgegenüber, dass das Vorhaben des Klägers die erforderliche Rücksicht auf Nachbarinteressen nehme. Da die GIRL, die das OVG im zu entscheidenden Fall als Anhaltspunkt heranzog, für den landwirtschaftlichen Bereich Immissionsbelastungen bis zu 20 % der Jahresstunden vorsehe, würden die vorhandenen Belastungen nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Klägers führen. In der Folge hätten die Schweinehalter auch keine zusätzlichen Immissionsschutzauflagen zu befürchten. Der Kläger hätte es zudem in der Hand, im Baugenehmigungsverfahren durch die Ausrichtung der besonders geruchsempfindlichen Räumlichkeiten sowie des Außenbereichs seines Wohnhauses in gewissem Umfang architektonische Selbsthilfe zu üben. Die vorgenannten Entscheidungen zeigen, dass der Landwirt sich typischerweise nur dann gegen die heranrückende Bebauung mit einzelnen Wohnbauten zur Wehr setzen kann, wenn er im Außenbereich angesiedelt ist. Liegen seine Hofstelle oder seine Stallanlagen im Dorfgebiet und muss auch die hinzutretende Wohnnutzung aufgrund dieser Nutzungsart ein höheres Maß an Immissionen hinnehmen, so kann sich der Landwert in der Regel gegen die Bebauung nicht erfolgreich zur Wehr setzen.

2. Aufstellung von Bebauungsplänen im Einwirkungsbereich einer Anlage Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Gebot ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt 17

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 20. 09. 2007, Az.: 7 A 1434 / 06, BauR 2008, 71.

II. Heranru¨ckende Wohnbebauung

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wird, was nach Lage der Dinge in sie hätte eingehen müssen. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.18 Liegt ein möglicher Nutzungskonflikt zwischen einem landwirtschaftlichen Betrieb und einer geplanten Wohnbebauung auf der Hand, so gehören zum notwendigen Abwägungsmaterial auch die für die Wohnbebauung zu erwartenden Geruchsimmissionen.19 Das OVG Münster20 entschied im Falle der Festsetzung eines Bebauungsplans, der unter anderem eine mit der Hofstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes bebaute Parzelle einem Allgemeinen Wohngebiet zuordnete, dass der Bebauungsplan den Anforderungen des Abwägungsgebots nicht genügte. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Gemeinde dem Interesse des Antragstellers keine hinreichende Beachtung geschenkt, dass nahe seiner Hofstelle keine mit der landwirtschaftlichen Nutzung unverträgliche Wohnnutzung entsteht. Insbesondere konnte eine Abwägung im konkreten Fall nicht schon aus dem Grund entfallen, weil sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Hofstelle bereits Wohnbebauung befand. Zum einen rückte durch die Festsetzung die zukünftig zu erwartende Wohnbebauung noch näher an die Hofstelle heran als die bereits vorhandene. Zum anderen rückte sie auch aus einer anderen Richtung an die Hofstelle heran, die bisher gegenüber landwirtschaftstypischen Immissionen unempfindlich war. Das der Abwägung zugrundeliegende Geruchsgutachten wertete das OVG als unzureichend, da es die Problematik der Geruchsimmissionen im unmittelbaren Nahbereich des Emittenten nicht hinreichend berücksichtigte. In einem ähnlich gelagerten Fall entschied das OVG Münster, dass die Festsetzung eines Bebauungsplans, der unter anderem reine und allgemeine Wohngebiete festsetzte und teilweise bis in eine Entfernung von unter 100 m an eine Schweinehaltung heranrückte, den Anforderungen des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB nicht genügte, wenn nach der VDI-RL 3471 im konkreten Fall ein Mindestabstand von 148 m einzuhalten war und trotz der Unterschreitung eine Sonderbeurteilung nicht stattgefunden hatte.21 Schon diese beiden Entscheidungen zeigen, dass der Landwirt gegen die Aufstellung von Bebauungsplänen, die Reine oder Allgemeine Wohngebiete festlegen, wesentlich besser geschützt ist als gegen das Heranrücken einzelner Wohnhäuser. Die Gemeinde muss bei der Bauleitplanung die Interessen des Landwirts hinreichend berücksichtigen und insbesondere Zweifeln und Ungeklärtheiten im Hinblick auf zu erwartende Geruchsbelastungen durch die landwirtschaftliche Nutzung für die zukünftige Wohnnutzung nachgehen. 18 19 20 21

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 13. 12. 2007, Az.: 7 D 142 / 06, n.v. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 13. 12. 2007, Az.: 7 D 142 / 06, n.v. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 28. 10. 2007, Az.: 7 D 17 / 04.NE, NuR 2006, 464, 465 f. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 13. 12. 2007, Az.: 7 D 142 / 06, n.v.

F. Geruchsbewertung in anderen Ländern I. Geruchsimmissionen als Problem aller Kulturen Geruchsimmissionen stellen in vielen Ländern dieser Erde ein Problem dar. Weltweit kommt es insbesondere in der Umgebung von Abfallbehandlungsanlagen, Industriestandorten und landwirtschaftlichen Aktivitäten zu Geruchsbeeinträchtigungen für die Nachbarschaft, wobei sich die Anzahl an Beschwerden durch Anwohner – zumindest in der Europäischen Union – schon seit Jahren auf einem relativ konstanten, hohen Level bewegt.1 In den industrialisierten Ländern, wie z. B. in den Mitgliedsländern der Europäischen Union und in den USA sowie in Japan, Singapur, Australien, Neuseeland und Hong Kong, haben die jeweiligen Hoheitsträger Instrumente zum systematischen Umgang mit Geruchsbelästigungen entwickelt. In weniger entwickelten Ländern gehen zumeist dringendere Probleme der Verminderung von Geruchsimmissionen vor. Doch auch dort nimmt der Anteil an großen Industrieanlagen zu, der mit den bekannten Konflikten zwischen industrieller und gewerblicher Nutzung auf der einen und Wohnbebauung auf der anderen Seite verbunden ist.2 Wo dem umweltrelevanten Problem von Geruchsemissionen und -immissionen in der umwelt- und verwaltungsrechtlichen Praxis Rechnung getragen wird, variiert die Herangehensweise an die Geruchsproblematik zum Teil deutlich von Land zu Land.3 Innerhalb der Europäischen Union existieren unterschiedliche Instrumente zum Umgang mit und zur Beurteilung von Geruchsimmissionen. In Deutschland wird der Problematik wie aufgezeigt mithilfe der Kombination von Feldbegehungen und Belästigungserfassungen sowie mit Immissionswerten begegnet. Es ist zudem wiederholt der Wunsch geäußert worden, der Normgeber möge sich der Problematik annehmen und aus den bisher nebeneinander bestehenden Regelungen (TA Luft, GIRL in den verschiedenen Versionen der Bundesländer, Regelwerke privater Stellen etc.) eine einheitliche Grundlage zur Bewertung von Geruch formen.4 In den Niederlanden ist eine genau gegenteilige Entwicklung eingetreten. Dort ist Vgl. o.V., in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, Preface. Vgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1, 4. 3 Einen guten Überblick über die unterschiedlichen Herangehensweisen an Geruchsbelästigungen geben Furberg / Preston / Smith, in: RWDI AIR Inc., Final Report, Odour Management in British Columbia: Review and Recommendations, Vancouver 2005, abrufbar unter http: //www.env.gov.bc.ca/air/airquality/pdfs/odour_mgt_final_june13_05.pdf sowie die Internetseite http: //www.odournet.com/legislation.html#3. 4 Vgl. oben D. V. 7. b) aa). 1 2

I. Geruchsimmissionen als Problem aller Kulturen

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eine vormals existierende, landesweit einheitliche Regelung wieder zurückgezogen und die Verantwortlichkeit für die Geruchsbewertung den Provinzen übertragen worden.5 In Belgien sind auf Initiative der Flämischen Regierung hin mit dem „Environmental Policy Plan 2003 – 2007“ zum ersten Mal in der Geschichte des Landes quantifizierbare Ziele für die Behandlung von Geruchsbelästigungen vorgeschlagen worden. Bis 2012 soll erreicht werden, dass der Anteil an belästigten Einwohnern („annoyed citizens“) auf 12% der Gesamtbevölkerung und der Anteil an stark belästigten Einwohnern („severely annoyed citizens“) auf Null reduziert werden soll. Um diese Ziele zu erreichen, sind bereits in den Jahren 2002 Mindeststandards an Anforderungen an den Umgang mit Geruchsbelästigungen von einzelnen Quellen entwickelt worden. In jüngerer Zeit sind Überlegungen zum Umgang mit der Überlagerung von Geruchsbelästigungen aus verschiedenen Quellen angestellt worden.6 Irland behandelt die Problematik branchenspezifisch, wobei infolge der IVURichtlinie als erste Branchen die Nutztierhaltung und die Champignonzucht behandelt worden sind.7 In Großbritannien werden Geruchsbelästigungen insbesondere seit der Privatisierung der Abwasserbehandlung Mitte der Neunziger Jahre als erhebliches Problem wahrgenommen. Während über viele Jahre hinweg versucht wurde, dieser Problematik mithilfe des case law habhaft zu werden, ist im Jahre 2003 von der Britischen Umweltbehörde der Entwurf eines Regelwerks zum Umgang mit Geruchsemissionen und -immissionen im Zusammenhang mit Anlagengenehmigungsverfahren nach der IVU-Richtlinie veröffentlicht worden (IPPC H4 Horizontal Odour Guidance).8 Dieses Regelwerk besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil „Regulation and Permitting“ wird beschrieben, welche Angaben der Anlagenbetreiber bei Antragstellung über die zu erwartenden Geruchsemissionen abzugeben hat. Teil 1 regelt darüber hinaus den Entscheidungsvorgang bei der Genehmigungsbehörde, gibt Hintergrundinformationen zur Geruchswahrnehmung und zu Auswirkungen von Geruch beim Menschen und beschreibt die Instrumente zur Beurteilung und Bewertung von Geruch. Im zweiten Teil „Odour Assessment and Control“ wird die Geruchsmesstechnik beschrieben, werden Wege und Methoden zur Geruchsemissionsverminderung anhand von betrieblichen und organisatorischen Maßnahmen dargestellt und die verschiedenen Möglichkeiten der Abluftreinigung erörtert. van Harreveld9 hat dieses Regelwerk als aussagekräftig bewertet 5 Vgl. Both, in: Oldiges (Hrsg.), Umweltqualität durch Planung, S. 97, 105; dazu sogleich unten F. II. 1. 6 Vgl. van Elst / van Broeck, in: VDI (Hrsg.), S. 53 f. 7 Vgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1, 3. 8 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite http: //www.environment-agency. gov.uk/yourenv/consultations/367609/; nach den dort veröffentlichten Angaben sollte die Regelung im April 2008 in der endgültigen Fassung veröffentlicht werden, im August 2008 war dies gleichwohl noch nicht geschehen. 9 Vgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1, 3.

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F. Geruchsbewertung in anderen La¨ndern

und ihm die hinreichende Eignung zugeschrieben, einen sinnvollen Ausgleich zwischen klaren Beschränkungen auf der einen und der Möglichkeit der Berücksichtigung von besonderen Umständen des Einzelfalls auf der anderen Seite zu schaffen. Außerhalb Europas kann insbesondere Japan auf eine lange Geschichte des systematischen Umgangs mit Geruch zurückblicken. In den USA wird der Problematik insbesondere mit der steten Weiterentwicklung von Abluftreinigungstechniken begegnet.10 In British Columbia, Kanada, ist im Rahmen einer vom Ministerium für Wasser-, Boden- und Luftreinhaltung in Auftrag gegebenen systematischen Untersuchung zum weltweiten Umgang mit Geruchsbelästigungen ermittelt worden, dass insgesamt zehn unterschiedliche Herangehensweisen zum Umgang mit Geruchsproblemen existieren, wobei viele Länder verschiedene der dort gefundenen Methoden kombinieren.11 Beispielsweise gehören dazu die Festlegung von Höchstkonzentrationen bestimmter chemischer Verbindungen in der Luft, die Festlegung von Höchstwerten an wahrnehmbarem Geruch in der Luft, die Einhaltung von Mindestabständen zwischen Emittent und potentiell Belästigten, die systematische Erfassung von Beschwerden über Geruchsbelästigungen sowie die Festlegung von Emissionsgrenzwerten für bestimmte chemische Verbindungen oder Geruchsstoffkonzentrationen. In dem Bericht ist die deutsche Herangehensweise der Bewertung des relativen Anteils an überschwelligen Geruchseinwirkungen als einzigartig bezeichnet worden (die im deutschen System berücksichtigten Kriterien werden dort unter der Abkürzung FIDOL zusammengefasst, die für Frequency (Häufigkeit), Intensity (Intensität), Duration (Dauer), Offensiveness (Hedonik / Lästigkeit) und Location (Art der Nutzung) steht).12

II. Geruchsbewertung in anderen Ländern: Dargestellt anhand von zwei Beispielen 1. Geruchsbewertung in anderen EU-Mitgliedstaaten anhand eines ausgewählten Beispiels: Die Niederlande Bis zum Jahr 1994 wurde Geruch in den Niederlanden anhand landesweit geltender, festgelegter Immissionswerte beurteilt. Grundlage für die Beurteilung von Geruch war der „National Milieubeleidsplan“ (NMP) von 1989, in dem als ZielsetVgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1, 4. Vgl. RWDI AIR Inc., Final Report, Odour Management in British Columbia: Review and Recommendations, abrufbar unter http: //www.env.gov.bc.ca/air/airquality/pdfs/ odour_mgt_final_june13_05.pdf. 12 Vgl. RWDI AIR Inc., Final Report, Odour Management in British Columbia: Review and Recommendations, S. iv. 10 11

II. Geruchsbewertung in anderen La¨ndern

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zung zur Behandlung von Geruchsimmissionen bis zum Jahr 2000 festgelegt war, dass höchstens 12% der Gesamtbevölkerung durch Geruch belästigt sein sollten; bis zum Jahr 2010 sollte der Anteil an erheblich Belästigten in der Bevölkerung auf Null reduziert werden.13 Das nationale Umweltministerium der Niederlande beabsichtigte im Jahre 1994 eine überarbeitete Fassung eines „Odour Policy Memo“ aufzulegen, das landesweite Geltung beanspruchen sollte. Zu diesem Zeitpunkt fühlten sich mehr als 20% der niederländischen Bevölkerung durch Geruchsimmissionen beeinträchtigt. Nach der Erörterung des geplanten Regelwerks im niederländischen Parlament beschloss die damalige Umweltministerin Margaretha de Boer jedoch die Abkehr von dieser Regelung und entschied sich für die Übertragung von mehr Verantwortung an die Provinzen.14 Hauptargument dafür war die Notwendigkeit der Berücksichtigung unterschiedlicher Geruchsarten mit dem daraus resultierenden jeweils unterschiedlichen Belästigungspotential, die in die landesweit geltende Regelung bis dahin keinen Einzug gefunden hatte.15 Für das Anlagengenehmigungsverfahren gab das Umweltministerium den Provinzen gleichwohl in einem Schreiben vom 30. 06. 199516 bestimmte Leitlinien an die Hand. Danach waren in unvorbelasteten Gebieten keine Maßnahmen in Bezug auf die Verminderung von Geruchsemissionen und -immission notwendig. Bestanden Vorbelastungen, so waren Maßnahmen nach dem „ALARA“-Prinzip (As Low As Reasonably Achievable) zu ergreifen. Der Belästigungsgrad der Nachbarschaft konnte dabei auf verschiedenen Wegen ermittelt werden, wobei zum Beispiel telefonische Befragungen oder die systematische Erfassung von Beschwerden in Frage kam.17 Das zulässige Maß an Geruchsimmissionen sollte jeweils von den Provinzen bestimmt werden. Der hinter dieser Herangehensweise stehende Gedanke ist mittlerweile auch in der „Nederlandse Emissie Richtlijn“ (NeR)18 von 1996 enthalten, die seitdem mehrfach novelliert worden ist und ein besonderes Kapitel für den Umgang mit Geruch umfasst (Nr. 3.6 NeR 2000). Die NeR sieht als Handlungsvorgabe ein Diagramm mit einzelnen Prüfschriften vor, an dem sich die Genehmigungs- bzw. 13 Vgl. Nederlandse Emissie Richtlijn, Anhang 4.4, Anschreiben der Umweltministerin zum Thema Geruch vom 30. Juni 1995, abrufbar unter http: //www.infomil.nl unter dem Stichwort Lucht (Luft), NeR. 14 Vgl. Nederlandse Emissie Richtlijn, Anhang 4.4, Anschreiben der Umweltministerin zum Thema Geruch vom 30. Juni 1995. 15 Vgl. Overview of relevant legislation with regard to control of odour releases and odour nuisance, The Netherlands, abrufbar unter http: //www.odournet.com/legislation.html#3. 16 Vgl. Nederlandse Emissie Richtlijn, Anhang 4.4, Anschreiben der Umweltministerin zum Thema Geruch vom 30. Juni 1995. 17 Vgl. Nederlandse Emissie Richtlijn, Anhang 4.4, Anschreiben der Umweltministerin zum Thema Geruch vom 30. Juni 1995. 18 Abrufbar auf der Internetseite des niederländischen Information centre for the environment (InfoMil) unter http: //www.infomil.nl/aspx/get.aspx?xdl=/views/infomil/xdl/page&ItmIdt=164451&SitIdt=111&VarIdt=82.

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Überwachungsbehörden bei der Beurteilung von Geruch orientieren sollen. Ausgangspunkt dabei ist die „Initiative“, die beispielsweise von einem Antrag auf Genehmigung einer Anlage oder dem Erfordernis der Erarbeitung eines allgemeinen Berichts über Umweltauswirkungen ausgehen kann. Anhand einer in diesem Diagramm vorgegebenen Kombination von Fragen und Antworten geht die Genehmigungsbehörde bei ihrer Prüfung vor. Bsp.: „Sind Gerüche ein relevantes Problem?“. → „Ja“. → „Vorbereitende Untersuchungen“. → „Mögliches Belästigungspotential?.“ . . . oder „Sind Gerüche ein relevantes Problem?“. → „Nein“. → „Keine weiteren Handlungsschritte erforderlich“

Dabei wird der Behörde bei jedem Prüfschritt eine Auswahl an Instrumenten und Methoden vorgegeben, anhand derer sie ihre Prüfung durchführen kann. So kann die Behörde zu Beginn ihrer Prüfung bei der Frage, ob Geruch überhaupt ein relevantes Problem darstellen könnte, auf Erkenntnisse aus vorherigen Genehmigungsverfahren ähnlicher Anlagenarten, sowie aus allgemeinen Materialsammlungen zu bereits bekannten Problemen mit Geruch aus entsprechenden Anlagenarten zurückgreifen, die der NeR als Anhänge beigefügt sind. Ist Geruch ein relevantes Problem, so sind die notwendigen Informationen zunächst vom Antragsteller einzuholen, zusätzlich hat die Behörde schon vorab die besonderen Umstände des Einzelfalls abzuschätzen (Entfernung zur nächsten Bebauung; möglicherweise schon bestehende Vorbelastung etc.). Für bestimmte Anlagenarten sind darüber hinaus qualifizierte Maßnahmen anzuwenden, die ebenfalls in der NeR enthalten sind. Im Rahmen der Prüfung können – je nach der Notwendigkeit im Einzelfall – Messungen durchgeführt werden, wobei die verschiedenen Messmethoden in der NeR beschrieben werden. Die Ermittlung der relativen Dauer von Geruchsstunden, die in Deutschland zur Anwendung kommt, wird in den Niederlanden nicht angewandt. Dort wird im Rahmen von Begehungen lediglich überprüft, bis in welche Entfernung von der Quelle Anlagengeruch noch wahrnehmbar ist. Wesentlich intensiver als in Deutschland werden in den Niederlanden die Anwohner in die Geruchsbewertung einbezogen. Dies betrifft zum einen die Einbeziehung in Entscheidungen über einzelne Anlagen. Zum anderen werden in den Niederlanden seit 1980 alle zwei Jahre landesweite Befragungen danach durchgeführt, wie die Bevölkerung die Qualität der Umwelt insgesamt in ihrer Umgebung bewertet. Dazu gehört auch eine Einschätzung über den Belästigungsgrad durch Geruch. Neben der Einbeziehung des Belästigungsgrads durch die angrenzenden Anwohner soll die Behörde bei der Entscheidung darüber, ob die von der Anlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen erheblich sind, zum Beispiel auch den besonderen Charakter der Umgebung berücksichtigen sowie den Grad an möglicher Belästigung der Umgebung durch die Anlage. Auf der Basis dieser und weiterer Prüfschritte kommt die Behörde zu einem Ergebnis („Conclusion“) und legt anhand aller von

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ihr gesammelten Informationen fest, ob die Geruchsimmissionen unzumutbar, zumutbar oder nur unter der Voraussetzung der Vornahme weiterer Maßnahmen (Abluftreinigung etc.) noch zumutbar sind. van Harreveld19 bezeichnet diese neue Vorgehensweise als wesentlich flexibleren Weg, der die früheren strengeren Kriterien zur Bewertung von Geruch abgelöst hat. Er bemerkt gleichwohl dass die Gerichte seit der Übertragung der Geruchsbewertung an die Provinzen eine Zunahme an entsprechenden Verfahren verzeichnen.20 Von Schakel21 wird die Vorgehensweise in den Niederlanden als fortschrittlich („state-of-the-art“) bezeichnet, da von den generellen nationalen Standards abgewichen und den regionalen Entscheidungsträgern mehr Verantwortung zur Entscheidung über die Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen übertragen worden sei. 2. Geruchsbewertung außerhalb der Europäischen Union dargestellt anhand eines ausgewählten Beispiels: Japan Japan kann auf eine lange Geschichte des hoheitlich geregelten Umgangs mit Geruchsimmissionen zurückblicken.22 In den Siebziger Jahren wurden landesweit etwa 20.000 Beschwerden aufgrund von Geruchsimmissionen registriert. Diese Anzahl an Beschwerden sank erheblich bis zum niedrigsten Stand im Jahre 1993, nachdem 1972 das „Offensive Odour Control Law“ in Kraft getreten war.23 Ziel des Gesetzes ist der Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit durch die Verminderung von belästigenden Gerüchen. Das Gesetz sah Konzentrationsgrenzwerte für eine bestimmte Anzahl von erheblich belästigenden chemischen Verbindungen vor. In den Neunziger Jahren nahm die Anzahl an Beschwerden jedoch wieder zu, was unter anderem auf das gesteigerte Umweltbewusstsein und die höhere Empfindlichkeit von Anwohnern für Umwelteinwirkungen zurückgeführt wurde. Besonders viele Beschwerden gab es im Umfeld von Müllverbrennungsanlagen.24 Eine höhere Sensibilität wurde darüber hinaus für Geruchsbelästigungen aus Restaurants und privaten Haushalten festgestellt.25 Aus diesem Grund wurde das Gesetz 1995 novelliert und die Methodik der „odor index regulation“ eingeführt, mit der Emissionswerte und eine besondere olfaktometrische Messmethode zur Ermittlung dieser Werte festgelegt wurden. Neben die Festlegung von Stoffkonzentrationsgrenzen trat ein Belästigungsindex („odour control index“) auf Vgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1, 3. Vgl. van Harreveld, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 1, 2 f. 21 Vgl. Schakel, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 45, 46. 22 Vgl. Fujita, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 71 ff. 23 Vgl. Fujita, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 71. 24 Vgl. Overview of relevant legislation with regard to control of odour releases and odour nuisance, Japan, abrufbar unter http: //www.odournet.com/legislation.html#3. 25 Fujita, in: VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, S. 71. 19 20

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der Grundlage logarithmischer Funktionen, der mit einer Skala von Intensitätsgraden korrespondiert (0 = nicht wahrnehmbar – 1 = schwach wahrnehmbar – 2 = schwach betont wahrnehmbar – 3 = gut wahrnehmbar – 4 = stark – 5 = sehr stark). Der Belästigungsindex kann in etwa mit der Maßeinheit dBOD in der DIN EN 13725 verglichen werden. Geruch ist danach noch zumutbar, wenn er auf der Skala mit Werten zwischen 2,5 und 3,5 beurteilt wird.26 Welche Methode zur Anwendung kommt (Stoffkonzentrationsgrenzen oder „odour control index“) entscheidet jeweils die regionale Regierung. Die regionalen Hoheitsträger entscheiden auch über die Festlegung bestimmter, besonders stark besiedelter Gebiete, in deren Bereich die Vorgaben des Gesetzes auf alle dort ansässigen Emittenten Anwendung finden. Nach der Auswahl einer der zwei vorhandenen Methoden sieht das Gesetz verschiedene Messgrößen vor. Zum einen können Höchstkonzentrationen an der Grenze des Anlagenbereichs oder in Bodenhöhe bzw. 1,5 m über der Wasseroberfläche von stehenden Abwässern gefordert werden. Zum zweiten können Höchstkonzentrationen für die Abluft aus Schornsteinen festgelegt werden. Dabei wird anhand von Ausbreitungsrechnungen von dem zulässigen Höchstmaß an Geruchsintensität in Bodenhöhe auf das zulässige Höchstmaß an Geruchsausstoß zurückgerechnet. Für Abwässer existiert eine Sonderregelung. Die jeweiligen Grenzwerte legen die lokalen Behörden fest. Die Werte werden sowohl anhand von analytischen Messmethoden als auch anhand von olfaktometrischen Messmethoden ermittelt. Es steht den lokalen Behörden frei, zusätzlich zu den Messungen auch Anwohnerbefragungen durchzuführen, wenn sie dies für erforderlich halten.27 Neben diesen nationalen Vorgaben, die von den regionalen Behörden jeweils nach eigener Einschätzung umgesetzt werden, hat die Stadt Tokio seit 1977 eine eigene Regelung eingeführt, mit der Grenzwerte für Geruchsemissionen aus Schornsteinen sowie für die Außenluft an der Grenze von Anlagen festgelegt werden.28 3. Bewertung Aus dem Vorgesagten wird deutlich, dass andere Länder beim Umgang mit Geruchsimmissionen zum Teil deutlich andere Wege einschlagen als Deutschland. Während hierzulande der Wunsch besteht, allgemein verbindliche Immissions26 Vgl. Fujita, in: RWDI AIR Inc., Final Report, Odour Management in British Columbia: Review and Recommendations, S. 272, 274, abrufbar unter http: //www.env.gov.bc.ca/air/ airquality / pdfs/odour_mgt_final_june13_05.pdf. 27 Fujita, in: RWDI AIR Inc., Final Report, Odour Management in British Columbia: Review and Recommendations, S. 272, 273; abrufbar unter http: //www.env.gov.bc.ca/air/airquality/pdfs /odour_mgt_final_june13_05.pdf. 28 Vgl. Overview of relevant legislation with regard to control of odour releases and odour nuisance, Japan, abrufbar unter http: //www.odournet.com/legislation.html#3.

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werte festzulegen, suchen andere Länder flexiblere Wege im Umgang mit der Geruchsproblematik. Dabei legen die Niederlande zum einen Wert auf die intensive Einbeziehung der Bevölkerung und zum anderen auf die Stärkung der Eigenverantwortung der lokalen Autoritäten. Ein möglichst geringer Teil der Bevölkerung soll sich durch Geruchsimmissionen beeinträchtigt fühlen, wobei ein bestimmter prozentualer Wert als Zielrichtung für die Umweltpolitik formuliert wird. Ähnliche Werte finden sich auch in Belgien wieder. Dementsprechend werden in die Beurteilung von Geruchsimmissionen in den Niederlanden Anwohner regelmäßig einbezogen. Ihr Belästigungsgrad scheint ein hohes Gewicht für die Entscheidung der jeweiligen Behörde über die Zumutbarkeit der Beeinträchtigungen einzunehmen. Darüber hinaus wird den lokalen Autoritäten ein hohes Maß an Flexibilität bei ihren Entscheidungen eingeräumt. Die Verantwortung für die letztendlich zu treffende Entscheidung wird ihnen nicht durch nationale Regelwerke abgenommen. Es wird vielmehr ein besonderes Augenmerk auf den Entscheidungsvorgang der einzelnen Behörde und die dabei einzubeziehenden Kriterien gelegt. Dabei kommen den jeweiligen Entscheidern Informationssammlungen über bereits durchgeführte Verfahren zugute. Die Niederlande „bezahlen“ diese flexible Regelung gleichwohl augenscheinlich mit einer Zunahme an Rechtsstreitigkeiten. Dies ist insofern nachvollziehbar, als der Entscheidungsvorgang sich ausschließlich aus einzelnen Wertungen zusammensetzt. Wertungen sind jedoch stets vom subjektiven Einfluss des Entscheiders geprägt. Über die Auswahl der einzelnen, in die Wertung einzubeziehenden Kriterien kann es eine ebenso intensive Auseinandersetzung geben, wie über die Wertung der ausgewählten Kriterien untereinander. Welches System „besser“ zur Geruchsbewertung geeignet ist, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Hilfreich am niederländischen System scheint die breite Informationsbasis zu sein, auf die sich die Behörden bei ihren Entscheidungen stützen können. Eine vergleichbare Sammlung existiert – soweit bekannt – hierzulande (wenn überhaupt) nur in einzelnen Bundesländern. Japan hat sich ebenfalls für einen anderen Weg entschieden, wobei auch dort die Verantwortung der lokalen Behörden als hoch zu bewerten ist. Zwar existieren nationale Regelungen zum Umgang mit Geruchsimmissionen. Auf wen und in welcher Weise diese jedoch im Einzelnen angewandt werden, entscheiden jeweils die regionalen Hoheitsträger. Die Einbeziehung der Anwohner scheint in Japan eine untergeordnete Rolle einzunehmen. Vielmehr hat man über einen langen Zeitraum versucht, anhand der Reduzierung einzelner chemischer Verbindungen in der Abluft von Emittenten dem Problem Herr zu werden. Mittlerweile existiert jedoch auch ein wirkungsbezogener Ansatz, der das Messinstrument der Olfaktometrie einbezieht. Dabei dürften ähnliche Probleme mit der Messunsicherheit der Olfaktometrie auftreten, wie sie in Kapitel C. beschrieben worden sind. In Japan wird zwar der Umgang mit Geruchsproblemen aus großen industriellen Anlagen als erfolgreich bewertet, hinsichtlich der Probleme aus kleineren Anlagen innerhalb des Wohnumfelds scheint der Ansatz bisher noch nicht zu den angestrebten Zielen geführt zu haben.29

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F. Geruchsbewertung in anderen La¨ndern

III. Staatenübergreifender Austausch zur Bewertung von Geruch International besteht Bedarf am Austausch über den Umgang mit Geruchsproblemen in der Umwelt. Das beweisen zahlreiche in der Vergangenheit durchgeführte Tagungen zu diesem Thema unter anderem in Deutschland, in Australien und in den USA.30 Ein besonders interessantes Beispiel zum Ergebnis eines entsprechenden internationalen Austauschs ist die Entwicklung einer Herangehensweise an das Problem in British Columbia, Kanada. Dort ist im Jahre 2005 auf Initiative des Ministeriums für Wasser-, Boden- und Luftreinhaltung die bereits erwähnte Studie zum Umgang mit Geruchsbelästigungen in der Umwelt in neun verschiedenen Ländern bzw. Regionen erstellt worden. Auf der Grundlage der Erkenntnisse über die Bewertung von Geruch in anderen Ländern ist ein Katalog von 12 Empfehlungen zur Herangehensweise an das Thema in British Columbia entwickelt worden. Diese Empfehlungen lauten31: „1. Air quality regulators in BC could develop an odour management program that incorporates a combination of several approaches, both reactive and proactive, that have proven to be successful in other jurisdictions, such as a nuisance law, ambient odour concentration criteria for design purposes, complaint criteria and technology criteria. 2. The Environmental Management Act definitions could be amended to refer to offensive odour as a substance that is controllable. 3. The Ministry of Water, Land and Air Protection could develop an odour complaint logging process that may include an odour hotline as well as a complaint database. 4. As a proactive measure to prevent new odour problems, air quality regulators in BC could adopt ambient odour criteria for design purposes and provide guidelines for odour impact assessments. 5. Air quality regulators in BC could use olfactometers to characterize odour source emission rates but further investigation of its use for ambient measurements and as a regulatory tool is needed. 6. Regulators could require, as a minimum, that state-of-the-art emission control equipment be installed at new facilities to control odours; that similar equipment be installed on existing odour-causing facilities; that best management practices (e.g., maintenance, good 29 Vgl. RWDI AIR Inc., Final Report, Odour Management in British Columbia: Review and Recommendations, S. vii. 30 Vgl. unter anderem VDI (Hrsg.), Environmental Odour Management, International Conference, Cologne, 17 to 19 November 2004; International Water Association Workshop on Odour Assessment and Control, 12 – 13 September 2005, University of New South Wales; International Water Association Workshop on Odour Assessment and Control, 5 – 6 June 2006, University of New South Wales; Water Environment Federation, Odors and Air Emissions 2008, April 6 – 9 2008, Phoenix, Arizona; in Barcelona findet vom 8. bis 10. 10. 2008 ein weiterer internationaler Kongress zum Thema statt (3rd International Water Association Odour and VOCs Conference: Measurement, Regulation and Control Techniques). 31 Vgl. RWDI AIR Inc., Final Report, Odour Management in British Columbia: Review and Recommendations, S. viii, ix.

III. Staatenu¨bergreifender Austausch zur Bewertung von Geruch

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housekeeping) be implemented; and that pollution prevention (reduction of process emissions) be practiced. 7. Regulators could develop an odour character index based on the FIDOL factors for use as an odour reporting and complaint verification tool. 8. Regulators could require the submission of Odour Management Plans with applications for new facilities or for existing facilities that become the subject of odour complaints. 9. Regulators in BC could develop scientifically-based, variable minimum distance separation guidelines for agricultural sources. 10. The Ministry of Water, Land and Air Protection (and the GVRD) could work with other ministries and local government to develop consistent and complementary requirements for locating facilities that have significant odour generation potential. 11. Regulatory agencies could involve the public and stakeholders in the resolution of odour problems directly by facilitating the formation of advisory committees. 12. As part of an odour management program for the province and the GVRD, key measures of success could be developed for future evaluation of the Programm.“

Bemerkenswert an diesem Vorschlag ist zum einen die Empfehlung, das in Deutschland entwickelte System der Bewertung von relativer Dauer an überschwelligen Geruchseinwirkungen zu übernehmen (Empfehlung Nr. 7, „FIDOL“). Erwähnenswert ist darüber hinaus auch der Ansatz der systematischen Erfassung von Beschwerden über Geruchsbelästigungen (Empfehlung Nr. 3) sowie die Etablierung eines Systems zur Überwachung und Auswertung des Erfolgs von Maßnahmen zur Bekämpfung von Geruchsbelästigungen (Empfehlung Nr. 12). Dieses Beispiel zeigt, wie sinnvoll der internationale Austausch zur Bewertung von Geruch sein kann. Bei den in den verschiedenen Ländern jeweils zuständigen Behörden existiert der Wunsch nach steter Verbesserung der Wohnbedingungen der Bevölkerung gerade auch durch die Reduzierung von Geruchsbelästigungen. Regelmäßige internationale Tagungen, auf denen die unterschiedlichen Herangehensweisen vorgestellt werden, sind dazu geeignet, diesem Anliegen zum Erfolg verhelfen.

G. Eigene Lösungsansätze I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards 1. Notwendigkeit der Umsetzung technischer Vorgaben in das Recht Das BImSchG hat den Schutz der Umwelt vor schädlichen Umwelteinwirkungen und die Vorsorge vor der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen zum Ziel, die ganz allgemein gesprochen durch technische Prozesse ausgelöst werden. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich das Gesetz mit technischen Prozessen auseinandersetzen muss oder – wie es im BImSchG erfolgt ist – die Voraussetzung dafür schaffen muss, dass Anforderungen an technische Prozesse in untergesetzlichen Regelungen getroffen werden können. Den Folgen technischer Prozesse können rechtliche Regelungen nur dann Grenzen setzen, wenn sie konkrete Anforderungen an diese Prozesse stellen, wenn sie also selbst technische Regelungen treffen. Soll den von einer Brauerei in der Nachbarschaft herbeigeführten Geruchsimmissionen begegnet werden, so muss das Recht vorgeben, welcher Belästigungsgrad bei der Nachbarschaft im Höchstfall hervorgerufen werden darf, welche Anforderungen an den Brauereibetrieb gestellt werden sollen (und können), um dieses Ziel zu erreichen und wie die Einhaltung des gesetzten Ziels nachgewiesen werden kann. Dies umfasst zum Beispiel die Festlegung von Vorschriften zu betrieblichen Abläufen in der Brauerei, die Vorgabe der vorzunehmenden Emissionsminderungsmaßnahmen und das Messverfahren zur Überprüfung der Einhaltung dieser Vorgaben. Nach der Feststellung der Notwendigkeit der Verrechtlichung technischer Standards stellt sich die Frage, auf welcher Ebene bzw. mit welcher rechtlichen Qualität technische Vorgaben umgesetzt werden, also ob dies auf Gesetzes-, Rechtsverordnungs-, Verwaltungsvorschriften- oder privater Ebene geschehen soll. In diesem Zusammenhang stellen sich drei Problemkreise, die kurz mit den drei Begriffen „Fachkunde“, „Legitimation“ und „Bindungswirkung“ umschrieben werden können.1 Die Fragenkomplexe der notwendigen Fachkunde für sachangemessene Lösungen, das Problem der Legitimation zur Regelung und das Phänomen der Adressaten bzw. der Bindungswirkung der erlassenen Normen stehen einerseits isoliert nebeneinander, weisen aber auch Zusammenhänge auf.2 Auf der einen Seite kann keine angemessene Regelungsleistung erbringen, wer zur Regelsetzung 1 2

Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105 f. Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105.

I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards

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legitimiert ist, von den einschlägigen technischen Fragen aber keine Kenntnis hat.3 Auf der anderen Seite kann der, der zur Regelsetzung gegenüber einem Dritten nicht legitimiert ist, auch nicht beanspruchen, dass der Dritte sich an die gesetzten Regeln hält.4 Wie in den vorausgegangenen Kapiteln gezeigt worden ist, bestehen auch bei der Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht noch streitige und unbeantwortete Fragen in Bezug auf die drei vorgenannten Problemkreise. Hinsichtlich der Fachkunde stellt sich das Problem der „Verständigungsschwierigkeiten“ zwischen technischem und rechtlichem Sachverstand. Erschwerend kommt hinzu, dass auch innerhalb des technischen Sachverstands über die Frage der mess- und berechnungstechnischen Erfassung und Bewertung von Geruch gestritten wird. In Bezug auf die Frage nach der Legitimation der technischen Regelsetzung stellt sich das schon mehrfach angesprochene Problem, wer zur Konkretisierung der Anforderungen des BImSchG in Bezug auf Geruchsemissionen und -immissionen berufen ist. Neben den Richtlinien des VDI hat für die Geruchsbewertung insbesondere die GIRL erhebliche Bedeutung. Sie stellt sich als das Ergebnis einer Zusammenarbeit von verwaltungsinternem (auch juristischem) und verwaltungsexternem Sachverstand dar. Dieses Regelwerk, das sich sowohl in seiner Entstehung als auch in seiner Fortentwicklung deutlich von den rein privaten technischen Regelwerken unterscheidet, hat gleichwohl von juristischer Seite erhebliche Kritik erfahren.5 An die Frage der Legitimation schließt sich der Problemkreis der Bindungswirkung an, der im Rahmen der Geruchsbewertung ebenfalls zu erheblichen Streitigkeiten geführt hat. Die GIRL erlangt in den Bundesländern Bindungswirkung für die Verwaltung, in denen sie als Verwaltungsvorschrift erlassen worden ist. Dabei ist die unterschiedliche Umsetzungspraxis der Länder im Hinblick auf die dadurch geschaffene Rechtsunsicherheit kritisiert worden. Zudem ist auch die unkritische und extensive Anwendung der GIRL durch die Landesverwaltungen bemängelt worden. Für die Gerichte entfalten zwar weder die GIRL noch die VDI-Richtlinien Bindungswirkung. Dennoch kommt ihnen in der Rechtsprechung eine erhebliche faktische Bindungswirkung zu, da es für die Bewertung von Geruchsimmissionen an Alternativen mangelt.

Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105. Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105. 5 Es erscheint, als seien an diese „Mischung“ aus Verwaltungsvorschrift und privatem technischen Regelwerk strengere Anforderungen gestellt worden, als separat an die eine oder die andere Regelungsform. 3 4

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G. Eigene Lo¨sungsansa¨tze

2. Problemkreis Fachkunde: „Verständigungsschwierigkeiten“ zwischen technischem und rechtlichem Sachverstand a) Allgemeines Ein Problem der Verrechtlichung technischer Standards ist die Notwendigkeit der Fachkunde zur Schaffung sachangemessener Lösung. Der rechtliche Sachverstand ist auf technische Fachkunde angewiesen, um im Rahmen der Lösung rechtlicher Fragen, die technischen Sachverstand erfordern, zu sachangemessenen Antworten zu kommen. Da die höchste Sachkunde bezüglich technischer Fragen beim technischen Sachverstand liegt, hat sich die technische Normung in der Vergangenheit zunächst undiskutiert und unproblematisch aus der Arbeit der Berufsorganisationen bzw. der Fachverbände von Ingenieuren entwickelt.6 Auf diesem Wege ist es zur Schaffung zweier Sektoren gekommen, einem „technischen“ und einem „rechtlichen“ Sektor.7 Diese „Dichotomisierung“8 hat jedoch verschiedene Konsequenzen nach sich gezogen, von denen eines das wechselseitige Unverständnis darstellt.9 Die Unfähigkeit zum Gespräch zwischen Juristen und Technikern ist schon Mitte des letzten Jahrhunderts beklagt worden. Demgegenüber wurde in den Achtziger Jahren immerhin eine gewachsene Bereitschaft zum Gedankenaustausch und zur Verständigung konstatiert.10 Dabei bestand über lange Zeit Unverständnis nicht nur in Bezug auf die rein sachlichen Fragen. Dass ein Jurist nicht alle technischen Probleme lösen oder zumindest den Lösungsweg nachvollziehen kann, die für einen Ingenieur „täglich Brot“ sind und umgekehrt ein Ingenieur das juristische Handwerkszeug nicht bis ins Einzelne kennt, versteht sich von selbst.11 Verständigungsschwierigkeiten ergaben sich aber auch in Bezug auf die unterschiedlichen Denkmethoden der beiden Disziplinen, wobei früher das ausschließlich problemorientierte und auf das technisch Machbare Denken der Techniker der vorwiegend systematisch-axiomatischen Denkweise der Jurisprudenz gegenüberstand.12 Immerhin ist in diesem Punkt eine Annäherung der Denkmethoden beider Disziplinen festgestellt worden, ohne dass dadurch die Gefahr von Missverständnissen behoben worden wäre.13 Der Umstand, dass technische Regelwerke nicht nur technische Aussagen, sondern auch nicht technische Bewertungen enthalten, hat erst zu einem Zeitpunkt Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105. Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105. 8 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105. 9 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105. 10 Vgl. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. V, unter Hinweis auf Werner, Jurist und Techniker, Bundesbaublatt 1954, 366 ff. 11 Vgl. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. V. 12 Vgl. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. V. 13 Vgl. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. V 6 7

I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards

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Beachtung gefunden, als die Aufteilung des technischen und rechtlichen Sachverstandes und damit die „soziale Gewaltenteilung“ zwischen „Staat“ und „Technik“ schon weit fortgeschritten war.14 Die zunächst gewählte Ausblendung technischer Fragen und die – relativ kritiklose – Überantwortung dieser Fragen an den technischen Sektor erwies sich später insoweit als problematisch, als dem technischen Sachverstand zwar die Fähigkeit zur Beantwortung technischer Fragen, nicht aber die Sachkunde für solche nicht technischen Fragen zugesprochen wurde.15 Hinterfragt wurde nun auch, woher die Techniker ihre Maßstäbe erhielten und die Frage nach der Herkunft der Techniker aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen gestellt.16 Auch wenn sich mittlerweile die Vorstellung durchgesetzt hat, dass es sich hier um eine Arbeitsteilung zwischen Staat und Wirtschaft handelt, so bleibt es dabei, dass die höchste Sachkunde bezüglich technischer Fragen und ihren Lösungsmöglichkeiten dort liegt, wo Anlagen und Verfahren entwickelt werden, und damit nicht im staatlichen Sektor.17

b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung Auch die Geruchsbewertung ist grundsätzlich durch die Trennung zwischen technischem und rechtlichem Sachverstand gekennzeichnet, wobei einzelne technische Regelungen auch nicht technische Bewertungen enthalten. Bei den VDIRichtlinien zur Geruchsmessung dürfte der technische Charakter überwiegen. Anders stellt sich dies in Bezug auf die VDI-Richtlinien zur Emissionsminderung bei besonderen Anlagenarten dar. Letztere sind von einer Vielzahl nicht technischer Bewertungen geprägt, die bei der rechtlichen Bewertung eine erhebliche Bedeutung erlangen. So werden zum Beispiel die Mindestabstände in den VDI-RL 3471 und 3472 (Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine bzw. – Hühner) von den Gerichten als Kriterium zur Überprüfung der Erfüllung der Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG herangezogen. Damit kommt einer rein privaten technischen Regelung gleichsam die Bedeutung eines Rechtssatzes zu. Auf welche Weise die Mindestabstände im Einzelnen zustande gekommen sind und ob die Verfahren, die zur Festlegung der Mindestabstände geführt haben, auch aus heutiger Sicht noch Geltung beanspruchen können, wird dabei von der Rechtsprechung nicht hinterfragt. In diesem Punkt wäre aber die Tragfähigkeit der technischen Regelungen wie den VDI-Richtlinien zu überprüfen. Der VDI hat es sich zum Ziel gesetzt, seine Richtlinien spätestens alle fünf Jahre auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Wird dieses selbst gesteckte Ziel nicht erfüllt, muss daraus erst Recht beim Rechtsanwender eine kritische Haltung und Vorsicht bei der Anwendung entsprechender Regelwerke erwachsen. 14 15 16 17

Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106. Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106. Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106. Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106.

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Die GIRL stellt in diesem Zusammenhang, wie schon erwähnt, eine Sonderform dar. An ihrer Entstehung war von Anfang an nicht nur technischer Sachverstand in Gestalt der Technischen Überprüfungs-Vereine Essen und Köln, sondern auch verwaltungsrechtlicher Sachverstand in Gestalt der nordrhein-westfälischen Umweltverwaltung beteiligt. Von letzterer ging sogar der Impuls zur Entwicklung der GIRL aus. Auch die Juristen im Ausschuss Recht im LAI waren an der Überprüfung der GIRL beteiligt. In Bezug auf die GIRL kann somit nicht gesagt werden, dass der technische Sachverstand weitestgehend allein die für die rechtliche Bewertung entscheidenden Maßstäbe gesetzt hat oder dass es hier zu einem erheblichen Vorsprung des privaten technischen Sachverstands vor dem Staat gekommen ist. Zudem hat die GIRL auch auf die in der Vergangenheit von Seiten des juristischen Sachverstands geäußerte Kritik reagiert. Die mangelnde Berücksichtigung der Hedonik und Intensität, die mit Blick auf § 3 Abs. 1 BImSchG beanstandet worden ist, hat mit dem Hedonik-Projekt eine sachliche Begründung gefunden bzw. zu einer Veränderung der GIRL bei der Beurteilung eindeutig angenehmer Anlagengerüche geführt. Die Schwierigkeit der Zuordnung des Dorfgebiets ist durch das Verbundprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ behoben worden. Soweit nach wie vor Kritik am System der GIRL geäußert wird, beruht diese ganz überwiegend auf den berechnungs- und messtechnischen Grundlagen der Regelung, die vorliegend nicht abschließend beurteilt werden können. Dennoch muss auch der juristische Sachverstand in diesem Punkt hinterfragen, ob Zweifel an den technischen Grundlagen die Anwendbarkeit aus rechtlicher Sicht ausschließt. Dazu müssen sie aber in der Lage sein bzw. in die Lage versetzt werden, die technischen Grundlagen zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Dass sich das System der GIRL dem juristischen Sachverstand nicht durchgängig erschließt, zeigt sich an der Begründung verschiedener (schon oben dargestellter) Urteile, die der GIRL die Geeignetheit zur Beurteilung von Geruchsimmissionen abgesprochen haben. So bewertete beispielsweise der VGH München18 in seiner Entscheidung vom 27. 11. 2006 die GIRL als ungeeignet, um Geruchsimmissionen aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu beurteilen. Der VGH begründete seine Entscheidung damit, dass die GIRL die Geruchsstunde bereits dann ansetze, wenn während nur einer Minute eine der Geruchsquelle zuzuordnende Geruchswahrnehmung eintrete. Zudem bewerte die GIRL bereits den geringsten Grad der spezifischen Geruchswahrnehmung. Das führe, kombiniert am Maßstab der Immissionswerte der Nr. 3.1 GIRL, zu einer unrealistischen Beurteilung der Immissionen aus typisch landwirtschaftlicher Tierhaltung. Auf den ersten Blick wirkt diese Begründung schlüssig. Eine Herangehensweise, nach der eine einzige Minute an Geruchswahrnehmung einer gesamten Stunde gleichgesetzt wird, erscheint zu streng und damit realitätsfern. Der VGH legt jedoch nur einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt des Systems der GIRL dar, anhand dessen sich die Schlüssigkeit der Bewertungsmethode überhaupt nicht 18

Vgl. VGH München, Urt. v. 27. 11. 2006, Az.: 5 BV 06.422, ZUR 2007, 600.

I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards

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überprüfen lässt. Entgegen der Ansicht des VGH München wird eine Stunde nicht schon dann als Geruchsstunde angesetzt, wenn während einer Minute eine Geruchswahrnehmung eintritt. Eine Geruchsstunde wird vielmehr dann angesetzt, wenn während eines zehnminütigen Begehungszeitraums bei sechs von 60 Einzelmessungen im 10-Sekunden-Takt Anlagengeruch eindeutig wahrnehmbar ist. Dabei können die einzelnen geruchsbewerteten Messungen zeitlich unmittelbar hintereinander liegen und kann somit theoretisch auch „während“ einer Minute Geruch wahrnehmbar sein. Die sechs mindestens notwendigen Geruchseindrücke können sich aber auch aus je einem Geruchseindruck gleichmäßig oder ungleichmäßig über den gesamten Prüfungszeitraum verteilt ergeben, was einen erheblichen Unterschied darstellt. Denn daraus lässt sich ablesen, dass Geruch immer wieder und nicht nur für eine „abgrenzbare“ Dauer wahrnehmbar ist. Auch bewertet die GIRL entgegen der Einschätzung des VGH München nicht den „geringsten Grad der spezifischen Geruchswahrnehmung“, womit der VGH vermutlich die geringste messbare Intensität von 1 GE / m3 versteht. Die GIRL bewertet nur diejenigen Geruchseindrücke, die eindeutig der zu überprüfenden Anlage zuzuordnen sind bzw. (bei der Ermittlung der Vorbelastung) diejenigen Geruchseindrücke, die den relevanten Quellen zuzuordnen sind. Dass es einer Intensitätsbetrachtung bei der Ermittlung der Belästigungswirkung gerade nicht bedarf, ist schon im Rahmen der Untersuchung des MIU von 1992 und darüber hinaus auch im Hedonik-Projekt 2003 festgestellt worden. Dies hat der VGH bei seiner Begründung aber nicht berücksichtigt. Allerdings ist zu konstatieren, dass sich auch diejenigen Urteile, die die GIRL als geeignetes Hilfsmittel zur Beurteilung von Geruch anerkennen, kaum inhaltlich mit der GIRL auseinandersetzen. Letztere weisen zumeist lediglich darauf hin, dass in die GIRL gewichtiger Sachverstand eingeflossen sei.19 Insgesamt wird deutlich, dass das Verständnis für die (technische) Systematik der Bewertung von Geruch auch bei den Juristen zu fördern ist. Dies kann zum einen anhand von Veröffentlichungen geschehen, soweit sie von den Verfassern der GIRL in einer Weise formuliert werden, die auch für Juristen nachvollziehbar ist, ohne aber das System der GIRL nur oberflächlich zu beschreiben. Das Verständnis für die Grundlagen der GIRL kann darüber hinaus im Rahmen von Informationsoder Fortbildungsveranstaltungen von Technikern für Juristen gefördert werden. Auch der juristische Sachverstand muss sich zumindest ein so differenziertes Bild von den Grundlagen der Geruchsbewertung machen können, um auf dieser Grundlage die Tragfähigkeit seiner eigenen Einschätzungen stets aufs Neue überprüfen zu können. Je mehr Verständnis für die technischen Grundlagen der Geruchsbewertung bei den Rechtsanwendern besteht, umso besser können sie sich auch bei ihren Entscheidungen darauf stützen und die Grundlagen für ihre Entscheidungen verdeutlichen. Die Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen 19 Vgl. z. B. OVG Münster, Beschl. v. 24. 06. 2004, Az.: 21 A 4130 / 01, NVwZ 2004, 1259.

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kann erheblich gesteigert werden, wenn sich aus dem Urteil das Verständnis des erkennenden Gerichts für die messtechnischen Grundlagen ergibt. Zudem kann es durch den Austausch von juristischem und technischem Sachverstand in diesem Bereich auch zur Verdeutlichung der sich im Zusammenhang stellenden rechtlichen Schwierigkeiten seitens der Juristen kommen, was der technischen Seite bei ihrer Arbeit behilflich sein kann und wovon im Ergebnis die Juristen erneut profitieren können. 3. Problemkreis Legitimation a) Allgemeines Die Frage nach der Legitimation technischer Regelsetzung stellt sich in dem Moment, in welchem technische Regelwerke in Kontexten Verwendung finden, die ihrerseits legitimationsbedürftig sind. Dies ist spätestens der Fall, wenn die Rechtsordnung technische Normen rezipiert. Selten enthält das Recht ausdrückliche Verweisungen auf technische Regelwerke. Vielfach regeln Rechtsnormen Sachverhalte aber in der Weise, dass eine technische Bewertung unausweichlich erscheint, so zum Beispiel, wenn eine emittierende Anlage nach dem Stand der Technik betrieben werden muss (§ 3 Abs. 6 BImSchG).20 In diesem Fall sind Bewertungsmaßstäbe notwendig, die den Rechtsanwender erst in die Lage versetzen, die Rechtsnormen anzuwenden. Diese Bewertungsmaßstäbe findet der Rechtsanwender in technischen Regelwerken. Für die Rechtsunterworfenen hat dies zur Folge, dass sich ihre Rechts- und Pflichtenstellung nicht allein nach rechtlichen Maßstäben, sondern in diesem Rahmen zugleich nach den technischen Regeln richten.21 Die Antwort nach der Legitimation entsprechender technischer Regeln ist in der Vergangenheit wie folgt beantwortet worden: Weder ist der Staat berechtigt, die Maßstabsetzung einfach und unkontrolliert Privaten zu überlassen, noch ist er verpflichtet, die technische Normung vollständig selbst durchzuführen und etwa in Form von Rechtsnormen wahrzunehmen.22 Letzteres ergibt sich für den Bereich des Immissionsschutzrechts schon aus den Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften im BImSchG sowie aus der Möglichkeit, in Rechtsverordnungen auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen zu verweisen. Daraus ergibt sich jedoch die Folgefrage, wie die notwendige Legitimation geleistet werden kann, wenn die Regelwerke von Privaten erstellt werden und wie die notwendige Beteiligung des Staates geleistet werden kann, ohne die Mitwirkung des erforderlichen technischen Sach20 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106; vgl. auch Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 99 f. 21 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106. 22 Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106.

I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards

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verstands einzubüßen.23 Dieses Problem lässt sich zum Beispiel anhand einer Prozeduralisierung lösen.

b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung In Bezug auf die von der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI entwickelten Richtlinien stellt sich die Frage nach der Legitimation nur eingeschränkt. Wie oben dargestellt worden ist, ist die KRdL auf Initiative des Deutschen Bundestages hin gegründet worden. Die KRdL erhielt den Auftrag, in freiwilliger Selbstverwaltung der interessierten Kreise ein technisch-wissenschaftliches Regelwerk zur Beschreibung des Standes der Technik in der Luftreinhaltung zu erarbeiten. Die Notwendigkeit eines solchen Regelwerks ergab sich aus der Notwendigkeit, der zunehmenden Luftverschmutzung zu begegnen. Der Staat hat sich in Bezug auf die Luftreinhaltung somit bewusst für die Inanspruchnahme externen Sachverstands entschieden und den Regelwerken zugleich eine herausragende Bedeutung zugesprochen. Sie sollen den Stand der Technik in der Luftreinhaltung beschreiben, den es nach dem BImSchG bei der Errichtung und beim Betrieb von Anlagen einzuhalten gilt. Die Legitimation muss allerdings dann in Frage gestellt werden, wenn die Richtlinien nicht in einem angemessenen zeitlichen Rahmen auf ihre Gültigkeit hin überprüft und ggf. überarbeitet werden. Auch in Bezug auf die GIRL dürfte sich die Legitimationsfrage nicht stellen. Der Impuls für die Entwicklung der GIRL ist von Seiten der nordrhein-westfälischen Umweltverwaltung ausgegangen. Damit sollte eine Lücke geschlossen werden, die weder durch die TA Luft noch durch die Vorgängerregelungen der GIRL (RaRi und Gemeinsamer Runderlass) ausgefüllt worden war. Zur Sicherstellung der ausreichenden Einbeziehung technischen Sachverstands hat die Umweltverwaltung von Beginn an die Technischen Überprüfungs-Vereine sowie das Medizinische Institut für Umwelthygiene der Universität Düsseldorf an der Entwicklung beteiligt. Damit ist eine ausgewogene Aufteilung der einzelnen Beiträge zur Schaffung einer Bewertungsgrundlage für Geruch zwischen (verwaltungs-)juristischem und technischem Sachverstand erreicht worden. Auch die Folgeuntersuchungen zur Überprüfung und Weiterentwicklung der GIRL haben in einer engen Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und technischem Sachverstand stattgefunden. 4. Problemkreis Bindungswirkung von technischen Standards a) Allgemeines Soweit technische Standards in Form von Rechtsverordnungen geregelt werden, kommt ihnen eine umfassende Bindungswirkung zu. In diesem Fall stellt sich das 23

Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106.

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Problem der Bindungswirkung nicht. Die Bindungswirkung von technischen Standards in Form von Verwaltungsvorschriften, die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassen worden sind, ist oben ausführlich beschrieben worden. Ihnen kommt für die Verwaltung eine umfassende, für die Gerichte eine eingeschränkte Bindungswirkung bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen zu. Soweit rein private technische Regelwerke von Rechtsnormen rezipiert werden, kommt ihnen eine Bindungswirkung für die Verwaltung und die Gerichte zu und können auch Dritte die Einhaltung der in entsprechenden Regelwerken festgelegten Maßstäbe oder Verfahren verlangen. Rein technische Regelwerke von privaten Vereinigungen, die nicht von Rechtsnormen rezipiert werden, erlangen jedoch keinerlei rechtliche Relevanz. Da in der Praxis diese technischen Regelwerke aber zumeist die einzigen Maßstäbe sind, die es für etablierte Anlagen oder Verfahren gibt, erlangen sie regelmäßig wegen ihrer faktischen Alternativlosigkeit eine erhebliche Bedeutung.24 Welche Handlungsform ist aber für die Verrechtlichung technischer Standards zu wählen? Mit Blick auf das BImSchG und seine untergesetzlichen Konkretisierungen entsteht der Eindruck, dass alle denkbaren Regelungsformen geeignet sind. Denn die untergesetzliche Rechtssetzung vollzieht sich allein im Immissionsschutzrecht in sämtlichen, der Rechtsordnung bekannten Erscheinungsformen der Normgebung. Das BImSchG ermächtigt zum Erlass von Rechtsverordnungen des Bundes (etwa in § 7 Abs. 1 BImSchG) und der Länder (etwa in § 49 Abs. 1 BImSchG) sowie zum Erlass von Verwaltungsvorschriften (etwa in § 48 Abs. 1 BImSchG), es rezipiert zudem technische Regelwerke (etwa in § 3 Abs. 6 i.V. d. Anhang zu § 3 Abs. 6 BImSchG) oder sieht vor, dass untergesetzliche Regelwerke auf (private) technische Regelwerke verweisen können (etwa in § 7 Abs. 5 BImSchG).25 Angesichts der Vielzahl von Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und sonstigen technischen Regelwerken hat sich in der Vergangenheit scheinbar keine Regelungsform als maßgeblich oder bestgeeignet herausgebildet. Die Wahl der Handlungsform ist aber spätestens seit der Rechtsprechung des EuGH zur Umsetzung von Grenzwerten aus EU-Richtlinien nicht mehr nur ausschließlich von der (Wertungs-)Entscheidung des nationalen Normgebers abhängig. Zumindest in Bezug auf die Festlegung von Immissionswerten ist aus dem Vergleich von § 7 Abs. 1 Satz 1 / § 23 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auf der einen und § 48 Abs. 1 BImSchG auf der anderen Seite abzulesen, dass der Gesetzgeber insofern die Verwaltungsvorschrift als die geeignetere Regelungsform gegenüber der Rechtsverordnung ansieht. Eine gewisse Indizwirkung dafür, welche Handlungsform für die Bewertung eines umweltrelevanten Phänomens zu wählen ist, dessen Beurteilung auch von wertenden Elementen abhängt, hat die TA Lärm. Dabei handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die den Umgang mit und die Bewer24 25

Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 106. Vgl. Gusy, NVwZ 1995, 105, 107.

I. Die Problematik der Verrechtlichung technischer Standards

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tung von der (neben Geruch) einzigen schädlichen Umwelteinwirkung zum Gegenstand hat, deren Belästigungsgrad in besonderem Maße auch von subjektiven Faktoren abhängig ist.

b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung Die technischen Regelwerke privater Stellen, wie die VDI-Richtlinien zur Geruchsmessung, erlangen eine Bindungswirkung über die Verweise in Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften, die auf der Grundlage des BImSchG erlassen worden sind. Gleiches gilt für die VDI-Richtlinien zu einzelnen Anlagenarten, auf die in der TA Luft verwiesen wird, zumindest hinsichtlich der Bindungswirkung für die Verwaltung. Letzteren wird zwar von der Rechtsprechung eine Bindungswirkung nicht attestiert. Gleichwohl kommt ihnen aufgrund der Alternativlosigkeit eine erhebliche faktische Bedeutung zu. Etwas anders liegt das Problem der Bindungswirkung in Bezug auf die GIRL. Zwar entfaltet die GIRL in der Fassung des LAI keinerlei Bindungswirkung. Aufgrund des Erlasses der GIRL als Verwaltungsvorschrift in der überwiegenden Anzahl der Bundesländer kommt ihr aber zumindest für die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden dieser Länder eine Bindungswirkung zu. Die Anwendung der GIRL durch die Landesbehörden ist dabei, wie oben dargestellt, beanstandet worden. Das Problem der mangelnden Bindungswirkung der GIRL könnte durch den Erlass einer Regelung zur Bewertung von Geruchsimmissionen in Form einer bundesweit einheitlichen und allgemein verbindlichen Regelung gelöst werden. Dabei dürfte der Erlass einer Rechtsverordnung allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon allein aufgrund der nach wie vor bestehenden Unsicherheiten nicht in Frage kommen. Zudem lässt sich auch von der Wertung, die der Normgeber mit Erlass der TA Lärm getroffen hat, darauf schließen, dass – wenn überhaupt – der Erlass einer Bundesverwaltungsvorschrift zur Bewertung von Geruchsimmissionen in Betracht kommt. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die Sinneswahrnehmung „Lärm“ weitaus besser messbar ist als Geruch und sich die Beurteilungsgrundlage daher auf tragfähigere Messergebnisse stützen können. Schließlich gibt auch das Gesetz mit der Aufzählung in § 7 Abs. 1 BImSchG bzw. § 23 Abs. 1 BImSchG im Vergleich zu derjenigen in § 48 Abs. 1 BImSchG vor, dass zur Festlegung von Immissionswerten vorzugsweise die Handlungsform der Verwaltungsvorschrift zu wählen ist. Mit der Bindungswirkung, die die GIRL mittlerweile in der überwiegenden Anzahl der Bundesländer für die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden erlangt hat, und mit der wachsenden Akzeptanz der GIRL durch die obergerichtliche und sogar höchstrichterliche Rechtsprechung ist bei der Bundesregierung aber möglicherweise der Eindruck entstanden, einer Regelung auf Bundesebene bedürfe es überhaupt nicht mehr. Die insbesondere von der Umweltverwaltung NordrheinWestfalen angestoßene Entwicklung hat zu einer erheblichen Verbesserung, Ver-

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einfachung und Vereinheitlichung der Geruchsbewertung und damit zu einem bedeutsamen Fortschritt für die Beurteilung von Geruch im Immissionsschutzrecht geführt. Eventuell ist die Bundesregierung aber gerade aufgrund dieser Aktivitäten dazu übergegangen, sich in diesem Punkt auf die Eigeninitiative der Länder zu verlassen und von einer weiteren eigenen Aktivität abzusehen. Im Zuge der Novellierung der TA Luft ist eine Aufnahme von Regelungen zur Geruchsbewertung erfolgreich verhindert worden. Seitdem hat es soweit ersichtlich keinen weiteren Anlauf zum Erlass einer Bundesverwaltungsvorschrift zur Bewertung von Geruch gegeben. Eine solche Aktivität wäre nach der hier vertretenen Ansicht jedoch zu begrüßen. Zum einen würde sie die letzten noch bestehenden Uneinheitlichkeiten bei der Bewertung von Geruch ausgleichen. Zum anderen bestünde im Rahmen des Verfahrens zum Erlass einer „TA Geruch“ die Möglichkeit, einige noch offene Fragen zu beantworten. Diese betreffen aus hiesiger Sicht insbesondere die Messunsicherheit der Olfaktometrie und die Auswirkungen von dauerhaften Geruchseinwirkungen auf die menschliche Gesundheit. In diesem Zusammenhang könnten zudem die Immissionswerte der GIRL überprüft und bestätigt oder – soweit erforderlich – angepasst werden.

II. Die Festlegung von Emissions- und Immissionswerten Ein Teilproblem der zuvor erörterten Fragen stellt die Festlegung von Emissionsund Immissionswerten, mithin von Zahlenwerten im Immissionsschutzrecht dar. Unabhängig davon, ob solche Werte vom rechtlichen oder vom technischen Sachverstand entwickelt werden, stellt sich allgemein die Frage nach der Bedeutung von Werten im Immissionsschutzrecht (und damit auch die Frage nach der Notwendigkeit von Emissions- und Immissionswerten) sowie nach dem Verfahren, in dem sie zustande kommen.

1. Die Bedeutung von Zahlenwerten im Immissionsschutz a) Allgemeines Die Bedeutung der Zahlenwerte im Immissionsschutz ist schon früh betont worden.26 Steinebach stellte 1987 fest, dass das immissionsschutzrechtliche Ermittlungs- und Bewertungsverfahren im Ergebnis auf dem Vergleich von Zahlenwerten beruht. Bei der Prüfung, ob durch eine genehmigungsbedürftige Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden oder hervorgerufen werden können, müsse zunächst die vorhandene Immissionsbelastung festgestellt werden. Verfahren hierzu seien für Luftverunreinigungen in der TA Luft festgelegt. Prinzipiell

26

Vgl. Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 3 ff.

II. Die Festlegung von Emissions- und Immissionswerten

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beruhten diese Verfahren auf der Ermittlung bestimmter Immissionskenngrößen, die als Zahlenwerte ein Maß für die vorhandene Belastung mit Luftverunreinigungen darstellen sollten. Um die Frage beantworten zu können, ob durch die Anlage schädliche Umwelteinwirkungen auftreten werden, würden diese Kennwerte mit Immissionsricht- oder -grenzwerten verglichen. Steinebach kam zu dem Schluss, dass der Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen vor allem durch Immissionswerte konkretisiert werde.27 Im Rahmen der Erörterung des BImSchG ist darauf hingewiesen worden, dass das Vorliegen von Grenz- oder Richtwerten dem Rechtsanwender die Anwendung des BImSchG ganz wesentlich erleichtert. Durch die Festlegung von Zahlenwerten werden äußerst schwierige naturwissenschaftliche Sachverhalte auf handhabbare Mess- und Beurteilungsgrößen reduziert.28 Auch die komplizierte Materie der Geruchsbewertung soll anhand von mess- und nachvollziehbaren Werten, wie Konzentration und Einwirkungsdauer, greifbar gemacht werden. Die Kehrseite dieser Vorgehensweise ist die damit notwendigerweise einhergehende Reduzierung vielschichtiger Komplexe unter Ausklammerung zahlreicher Einflussfaktoren, die für die Qualifizierung von Umwelteinwirkungen als „schädlich“ von Bedeutung sind.29 Im Zusammenhang mit der Bewertung von Lärm hat Kutscheidt30 dargelegt, wie begierig die erste VDI-Richtlinie zur Bewertung von Lärm aufgenommen worden ist, wie sich dann aber im Laufe der Zeit zeigte, dass der Versuch der weitestgehenden Ausklammerung der wertenden Elemente im Ergebnis zu unbefriedigenden Lösungen führte. Kutscheidt rief insoweit die Notwendigkeit der Differenzierung beim Umgang mit dem Phänomen Lärm in Erinnerung.31 Ähnlich ist in der Vergangenheit auch im Zusammenhang mit der Geruchsbewertung auf der Grundlage der GIRL beanstandet worden, die GIRL führe zu Nivellierungen und berücksichtige mit ihren in Zahlenwerten ausgedrückten Zumutbarkeitsgrenzen wertende Elemente nicht in ausreichendem Maße. Denn die Belästigungswirkung werde in ganz erheblichem Maße von der besonderen Empfindlichkeit des Wahrnehmenden beeinflusst, die sich in den Zahlenwerten nicht wiederfände. Dieser Kritik kann insoweit zugestimmt werden, als die subjektive Empfindlichkeit der Wahrnehmenden zu einer nicht auflösbaren Diskrepanz zwischen tatsächlich vorhandenen Immissionen bzw. deren Wirkungen und vorhandenen Immissionsgrenzwerten führt. Umweltstandards – wie der GIRL – kann schon aus diesem Grund keine absolute Aussagekraft darüber zugebilligt werden, wann schädliche Umwelteinwirkungen eintreten.32 Dennoch sprechen zahlreiche Argumente für die Festlegung von Zahlenwerten im Immissionsschutz. Dazu gehören 27 28 29 30 31 32

Vgl. Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 6. Vgl. Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 10. Vgl. Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 10. Vgl. Kutscheidt, NVwZ 1989, 193 ff. Vgl. Kutscheidt, NVwZ 1989, 193, 199. Vgl. Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 12 f.

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insbesondere die sichere Rechtsanwendung und effektive Verwaltungspraxis sowie das Bedürfnis nach Rechtssicherheit auf Seiten der Anlagenbetreiber.33

b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung Alle soeben angesprochenen Gedanken sind an verschiedenen Stellen in der vorliegenden Arbeit bereits angeklungen. Bei der Erörterung des BImSchG ist darauf hingewiesen worden, dass Grenz- oder Richtwerte die Rechtsanwendung grundsätzlich erheblich erleichtern können, dass entsprechende bundesweit einheitliche Werte für Geruchsimmissionen bisher aber nicht festgelegt worden sind. Um diese Lücke zu schließen, ist die GIRL entwickelt worden. Diese betont zu ihrer eigenen Legitimation die Notwendigkeit der Schaffung einheitlicher Mess- und Beurteilungsverfahren, um eine sichere Rechtsanwendung und effektive Verwaltungspraxis zu gewährleisten und insbesondere die Anforderungen an Anlagenbetreiber einheitlich zu gestalten. Die in der GIRL festgelegten Immissionswerte können als Richtwerte zum Vergleich mit den im Einzelfall ermittelten Kennwerten herangezogen werden. Gleichwohl ist an der GIRL kritisiert worden, dass sie nicht alle für die Belästigungswirkung von Geruch relevanten Kriterien ausreichend berücksichtige. Eine rechtliche Bindungswirkung ist der GIRL von der Rechtsprechung auch nicht zuerkannt worden. Sie wird bisher lediglich als „Orientierungshilfe zur Beurteilung von Geruchsimmissionen“ herangezogen. Dabei erscheint die vorgenannte Kritik im Hinblick auf den Wortlaut der GIRL verfehlt. Die GIRL betont die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer Vielzahl von wertenden Elementen bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen und führt beispielhaft einige zu berücksichtigende Kriterien in Nr. 5 auf. Die GIRL sieht zudem z. B. vor, von den Gewichtungsfaktoren für einzelne Tiergeruchsqualitäten regional abzuweichen, wenn wissenschaftliche Untersuchungen eine abweichende Belästigungsreaktion der Betroffenen belegen. Es gilt daher in Zukunft, die Anwendung der GIRL durch die jeweilige Behörde zu hinterfragen. Werden ausschließlich die Werte der GIRL herangezogen und mit der vorhandenen Belastung verglichen, ohne in ausreichendem Maße auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen, führt die GIRL im Ergebnis zu der in vielen Fällen zu Recht kritisierten schematischen Beurteilung von Geruchsimmissionen. Das Vorhandensein von Immissionswerten mag eine solche Vorgehensweise begünstigen. Bei genauerer Betrachtung des Wortlauts wird eine schematische Anwendung der Werte von der GIRL jedoch nicht vorgegeben.

33

Vgl. Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 29 f.

II. Die Festlegung von Emissions- und Immissionswerten

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2. Verfahren der Festlegung von Grenzwerten a) Allgemeines Das Verfahren zur Festlegung von Immissionswerten in Verwaltungsvorschriften ist in der Vergangenheit kritisiert worden. Zum einen ist das Verfahren zum Erlass von Verwaltungsvorschriften nur sehr oberflächlich geregelt. Zum anderen existieren überhaupt keine Vorgaben zur Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften, also zum Beispiel, welche Untersuchungen zur Festlegung von Immissionsgrenzwerten gemacht werden müssen, wer diese Untersuchungen durchführt und nach welchen Maßstäben entsprechende Untersuchungen abzulaufen haben.34 Innerhalb der privaten technischen Vereine, wie zum Beispiel dem VDI, existieren zwar Vorgaben zum Zustandekommen von Richtlinien. Auf diese Vorgaben hat der Staat jedoch keinen Einfluss. Den Weg der Wertfestsetzung kann der Staat aber dort beeinflussen, wo er ihn selbst beschreitet, sei es auch unter Zuhilfenahme verwaltungsfremden Sachverstands. Hansmann hat in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, schon die Vorbereitung der Grenzwertfestsetzung müsse vorgegeben werden. Welche Erkenntnisquellen auszuschöpfen seien, welche Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssten und wie sie zu gewichten und zu bewerten seien, müsse schon vorab festgelegt werden.35 Dieser sinnvolle Vorschlag lässt sich in der Praxis vermutlich schon aus dem Grund nicht vollständig umsetzen, da sich mitunter erst im Laufe von Untersuchungen ergibt, welche Gesichtspunkte noch verstärkt, welche aber auch nicht mehr weiter untersucht werden müssen. Der Ansatz, die Vorbereitung und das Verfahren der Grenzwertfindung nicht allein „zufälligen“ Initiativen oder Ereignissen zu überlassen, erscheint gleichwohl richtig. b) Lösungsansätze im Rahmen der Geruchsbewertung Das Zustandekommen der Immissionswerte der GIRL zeichnet sich nicht durch eine besondere Systematik aus. Vielmehr scheinen notwendige Untersuchungen zur Verifizierung des Systems der GIRL stets erst auf massive Kritik hin angestoßen worden zu sein. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass zwischen der ersten Veröffentlichung der GIRL im Jahre 1993 und der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse zu der Frage, ob im Rahmen der Geruchsbewertung die Hedonik, und wenn ja, wie diese zu berücksichtigen ist, zehn Jahre vergangen sind. Bei Betrachtung der Literatur, die sich zwischen 1993 und 2003 zur GIRL geäußert hat, fällt auf, dass die mangelnde Berücksichtigung der Hedonik und der Intensität eines der Hauptargumente der GIRL-kritischen Stimmen darstellt. Solange hierzu noch keine Forschungsergebnisse vorlagen, konnte der GIRL allein aus diesem 34 35

Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285, 301. Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285, 301.

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Grunde die Geeignetheit zur Beurteilung von Geruchsimmissionen abgesprochen werden. Den Verfassern der GIRL hätten aber bereits die Untersuchungsergebnisse von Steinheider und Winneke aus dem Jahre 1992 Anlass für weitergehende Untersuchungen zur Hedonik sein können. Steinheider und Winneke stellten bereits damals die Vermutung auf, dass sich die Hedonik auf den Grad der Belästigung auswirkt. Im Ergebnis hat das Hedonik-Projekt zwar gezeigt, dass die Hedonik nur bei eindeutig angenehmen Gerüchen zu berücksichtigen ist und diese in der Praxis nur sehr selten vorkommen. Zahlreiche Auseinandersetzungen hätten jedoch bei einer früheren Untersuchung des Problems vermieden werden können. Ähnliches gilt für den (erst) mit der GIRL 2008 eingeführten Immissionswert für Dorfgebiete sowie für die Berücksichtigung des unterschiedlichen Belästigungsgrades von verschiedenen Tiergerüchen. Die Anwendung der GIRL im Dorfgebiet, insbesondere auf Geruchsimmissionen aus der Tierhaltung, stellt – neben der mangelnden Berücksichtigung der Hedonik und Intensität – den zweiten wesentlichen Kritikpunkt an der GIRL in der Literatur und Rechtsprechung der letzten fünfzehn Jahre dar. Es ist erfreulich, dass das Verbundprojekt Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft zu einer entscheidenden Weiterentwicklung der GIRL in diesem Punkt geführt hat. Eine systematische Vorbereitung der Festlegung von Immissionswerten für Gerüche hätte aber möglicherweise schon wesentlich früher zu dieser Entwicklung geführt. Geruchsimmissionen im Umkreis von Tierhaltungen sind zudem kein neues Problem. Die Rechtsprechung hatte sich damit schon weit vor den Anfängen der Entwicklung der GIRL zu befassen, wie die Entscheidung des OVG Münster36 vom 21. 01. 1976 zur quantitativen Messbarkeit der Geruchseinwirkungen einer gewerblichen Hühnerhaltung oder aber das unter dem Titel „Schweinemästerfall“ bekannt gewordene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts37 vom 25. 02. 1977 zeigen. Die wesentlichen Schritte zur Immissionswertfindung sind im Rahmen der GIRL mittlerweile erfolgt. Einer Neuauflage eines systematischen Festsetzungsverfahrens bedarf es somit in diesem Punkt nicht mehr. Es gilt jedoch, den erst in jüngerer Zeit gehäuft gestellten Fragen, wie zum Beispiel der Messunsicherheit der Olfaktometrie, zügig nachzugehen und, soweit weitere Forschungsprojekte zur Lösung dieses Problem erforderlich sind, diese zeitnah anzustoßen. Auf diesem Wege ließe sich zum einen die Richtigkeit des Systems überprüfen und zudem die Akzeptanz weiter steigern.38

36 37 38

301.

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 21. 01. 1976, Az.: X A 775 / 73, GewArch 1976, 349 ff. Vgl. BVerwG, Urt. v. 25. 02. 1977, IV C 22 / 75, NJW 1978, 62 ff. Vgl. allgemein zum Verfahren der Grenzwertfindung Hansmann, in: FS Sendler, S. 285,

II. Die Festlegung von Emissions- und Immissionswerten

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3. Alternativen zur Festsetzung von Immissionswerten bei der Geruchsbewertung Die Immissionswerte der GIRL lassen sich nicht mehr wegdenken. Insofern mag es überflüssig erscheinen, nach Alternativen zur Festsetzung von Immissionswerten bei der Geruchsbewertung zu fragen. Da die GIRL aber nicht in jedem Fall der Beurteilung von Geruchsimmissionen zum Tragen kommt, besteht die berechtigte Frage danach, ob und wenn ja, wie Geruchsbewertung auch ohne die Festsetzung von Immissionswerten erfolgen kann.

a) Der Emittent als maßgeblicher Anknüpfungspunkt Alle in dieser Arbeit beschriebenen alternativen Ansätze zur Geruchsbewertung umgehen die Festlegung von Immissionswerten. Zur Verhinderung des Auftretens von schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen werden die Einhaltung von Mindestabständen, betriebliche und bauliche Maßnahmen beim Emittenten oder die Festsetzung von Emissionsgrenzwerten vorgeschlagen. Die Einhaltung von Mindestabständen zwischen Emittent und potentiell Immissionsbetroffenen trägt der Erkenntnis Rechnung, dass sich das Auftreten schädlicher Umwelteinwirkungen durch eine räumliche Trennung von Emittent und Nachbarschaft vermeiden lässt. Dieser sinnvolle Ansatz kann in der Realität jedoch nur dort umgesetzt werden, wo für das Nebeneinander von industrieller / gewerblicher Tätigkeit und Wohnen ausreichend Platz zur Verfügung steht. Dies ist aus rechtlicher Sicht eine Frage der Bauleitplanung und der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben. Wie an verschiedenen Stellen dieser Arbeit aufgezeigt worden ist, kann mithilfe des Bauplanungsrechts schon ein Teil des Konfliktpotentials zwischen Geruchsemittenten und Nachbarschaft behoben werden, z. B. durch die Privilegierung bestimmter Vorhaben im Außenbereich. Soweit in diesem Zusammenhang Mindestabstandsregelungen zum Tragen kommen, ist aber zu berücksichtigen, dass die derzeit vorhandenen Regelungen zum Teil auf veralteten Ermittlungsverfahren und Berechnungsmethoden basieren. In vielen Fällen mögen sie zu einer akzeptablen Lösung der Geruchsimmissionsproblematik beitragen. Es ist in der Vergangenheit aber zum Beispiel trotz Einhaltung der in den VDI-Richtlinien 3471 und 3472 vorgesehenen Mindestabstände zwischen Schweine- bzw. Hühnerhaltungen und Wohnbebauung zu erheblichen Geruchsbelästigungen gekommen. Es gilt daher, die vorhandenen Mindestabstandsregelungen auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Zudem ist z. B. die gesetzliche Privilegierung von Vorhaben im Außenbereich auf die im Gesetz genannten Fälle beschränkt. Diese umfassen bei Weitem nicht alle immissionsschutzrechtlich relevanten Geruchsemittenten. Neben den Mindestabständen wird daher besonderes Augenmerk auf bauliche und betriebliche Maßnahmen beim Geruchsemittenten gelegt. Anhand solcher Maßnahmen lässt sich der Ausstoß von Geruchsstoffen in deutlichem Umfang

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reduzieren. In Frage kommen zum Beispiel die bauliche Gestaltung von Anlagen, etwa durch die Kapselung von Anlagen oder Anlagenteilen, und die sinnvolle Organisation von Betriebsabläufen. So können Emissionen von Geruchsstoffen beispielsweise durch die Optimierung der Lagerung von bei der Anlage ankommenden, geruchsintensiven Stoffen (wie z. B. Bioabfälle bei Kompostierungsanlagen) vermieden oder zumindest vermindert werden. Da der Anlagenbetreiber jedoch nicht über Gebühr mit Emissionsminderungsmaßnahmen belastet werden soll, die für ihn mit erheblichen Kosten verbunden sein können, setzt das BImSchG diesen Maßnahmen eine Grenze anhand der Verhältnismäßigkeit, die bei der Verpflichtung zur Vornahme entsprechender Maßnahmen gewahrt werden muss. Da der Anlagenbetreiber nicht zur vollständigen Reduzierung des Ausstoßes von Geruchsstoffen verpflichtet werden kann, soweit eine solche Verpflichtung unverhältnismäßig wäre, kann es trotz umfangreicher Vorsorgemaßnahmen zum Auftreten von Geruchsimmissionen kommen. Die Festlegung von Geruchsemissionswerten ist ein weiterer Weg der Geruchsbewertung ohne Geruchsimmissionsgrenzwerte. Werden von einer Anlage geruchsintensive Stoffe oder Stoffgruppen emittiert, können durch die Reduktion der Emissionen Geruchsimmissionen vermieden oder vermindert werden. Da Geruchsemissionswerte in der Maßeinheit GE / m3 unabhängig von der einzelnen Stoffart oder dem Stoffgemisch sind und es ausschließlich auf die Geruchsstoffkonzentration in der emittierten Abluft ankommt, ist es somit auch unerheblich, aus wie vielen Einzelkomponenten die Abluft zusammengesetzt ist. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Überprüfung von Geruchsemissionswerten aufgrund der Messunsicherheiten der Olfaktometrie mit erheblichen Problemen verbunden ist. Die Festlegung von Emissionsgrenzwerten „überfordert“ somit ggf. das Messverfahren Olfaktometrie bzw. berücksichtigt die Messunsicherheiten, die mit der Olfaktometrie verbunden sind, derzeit noch nicht in ausreichendem Maße. Hinzu kommt, dass die ausschließliche Betrachtung der Geruchsemissionen am eigentlichen Ziel vorbeigeht, soweit das Gesamtziel der Geruchsemissionsbegrenzung die Vermeidung oder Verminderung von Geruchsimmissionen sein soll. Denn selbst bei einer Überschreitung des festgesetzten Geruchsemissionswerts muss dies am Immissionsort noch nicht zu einer merklichen Zunahme von Geruchsimmissionen führen. Wie in der Arbeit dargestellt worden ist, werden aufgrund des logarithmisch (und nicht linear) geprägten Wahrnehmungszuwachses von Geruch beim Menschen quantitative Veränderungen beim Auftreten von Geruchsimmissionen erst dann wahrgenommen, wenn sie um das zehnfache vermindert oder erhöht werden. Die Überschreitung eines Emissionsgrenzwertes um das Doppelte führt somit nicht zu einer ebenfalls verdoppelten Belästigungswirkung in der Umgebung. Geruchsemissionsgrenzwerte sind somit nur dann sinnvoll, wenn sie mit ihrer Folgewirkung kombiniert aufgestellt werden. Hierzu ist in der Literatur vorgeschlagen worden, zusätzlich zu Geruchsemissionswerten Grenzwerte für Immissionen anhand der Maßeinheit dBOD aufzustellen. Insgesamt sollten Grenzwerte das Messverfahren für Geruch nicht „überfordern“. Es erscheint daher wenig sinnvoll,

II. Die Festlegung von Emissions- und Immissionswerten

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Anlagenbetreiber zur Einhaltung von bestimmten Werten zu verpflichten, deren Überschreitung zu einem gewissen Grad überhaupt keine Auswirkungen auf den Geruchsbelästigungsgrad in der Nachbarschaft hat. Insofern muss der Verordnungs- / Verwaltungsvorschriftengeber, der die Werte festlegt, so eng wie möglich mit dem technischen Sachverstand zusammenarbeiten, der die messtechnischen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Messverfahrens aus eigenen Untersuchungen einschätzen kann. Unabhängig von den „Schwachstellen“ der alternativen Ansätze zur Geruchsbewertung stellt sich die Frage, ob die Festlegung von Immissionswerten nicht schon aufgrund der Regelungssystematik des BImSchG grundsätzlich vorzuziehen ist. Das BImSchG verlangt in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, dass bei der Errichtung und beim Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden können, und in § 22 Abs. 1 Nr. 1, dass bei der Errichtung und beim Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. In beiden Fällen ist es notwendig, die Grenze der Erheblichkeit bzw. der Zumutbarkeit festzulegen, wobei es auf die von den schädlichen Umwelteinwirkungen potentiell Betroffenen ankommt. Die Anknüpfung an den Emissionsort kann dabei immer nur zu einer mittelbaren Festlegung der Erheblichkeitsgrenze führen, da der Akzeptorbezug dabei ebenfalls nur mittelbar beachtet wird.

b) Rechtlich verbindliche Entscheidungen ohne Immissionswerte? Können bei der Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht noch rechtlich verbindliche Entscheidungen ohne Immissionswerte getroffen werden? Diese Frage kann mit einem klaren Ja beantwortet werden. Die Immissionswerte der GIRL kommen keinesfalls in allen Fällen, in denen die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen zu beurteilen ist, zur Anwendung. Dies ergibt sich schon aus der GIRL selbst, die für nicht genehmigungsbedürftige Tierhaltungsanlagen insoweit einen Vorrang der VDI-RL 3471 und 3472 vorsieht. Soweit durch die beim Emittenten ansetzenden Maßnahmen im Ergebnis ausreichend Schutz vor erheblichen Geruchsimmissionen gewährleistet werden kann, sind Immissionswerte nicht erforderlich. In den Fällen, in denen die oben genannten alternativen Ansätze aber gerade nicht zum Erfolg führen (können), weil beispielsweise ein Mindestabstand aufgrund der Bebauungssituation nicht eingehalten oder Geruchsemissionen trotz Erfüllung aller verhältnismäßigen Minderungsmaßnahmen nicht vermieden werden können, bedarf es der Entscheidung darüber, ob eine Anlage gleichwohl errichtet und betrieben werden darf. Gerade in diesen Fällen stellen die Immissionswerte der GIRL einen hilfreichen Anhaltspunkt dar.

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G. Eigene Lo¨sungsansa¨tze

4. Die Einzelfallentscheidung als Regelentscheidung in der Geruchsbewertung Zahlreiche Argumente sprechen für die Festlegung von Immissionswerten. Immissionswerte können dazu dienen, den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen einheitlich und nach vorausberechenbaren Maßstäben anwendbar zu machen.39 Zudem werden Immissionswerte sowohl von den Entscheidern als auch von den Betroffenen vorgezogen. In der Praxis sind Entscheidungen leichter zu treffen, zu begründen und zu verantworten, wenn sie sich aus einem Zahlenvergleich herleiten lassen.40 Für die Betroffenen sind derartige Entscheidungen besser nachvollziehbar und deshalb eher einsehbar.41 In der immissionsschutzrechtlichen Praxis hat sich gezeigt, dass bei der Genehmigung einer Anlage oder beim Erlass einer nachträglichen Anordnung von den Rechtsanwendern weniger gefragt wird, ob das BImSchG mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen beachtet ist, sondern vorrangig, ob die maßgebenden Immissionswerte eingehalten sind.42 Dabei erschien es oft nebensächlich, wer die Werte mit welcher Legitimation auf welcher Grundlage und in welchem Verfahren festgesetzt hat43 und welche Bindungswirkung sie entfalteten. Gerade aus diesem Grund ist die „unkritische und extensive“ Anwendung von Immissionswerten, wie zum Beispiel denen der GIRL, beanstandet worden. Dieser Kritik ist insoweit zuzustimmen, als die Bewertung von Geruch keinesfalls ausschließlich anhand von Immissionswerten erfolgen kann. Die GIRL betont an verschiedenen Stellen die Notwendigkeit der Berücksichtigung der verschiedenen Kriterien zur Beurteilung der Belästigungswirkung von Geruch. In Nr. 5 GIRL werden einige dieser Kriterien ausführlich dargestellt. Auch wenn die Immissionswerte der GIRL einen hilfreichen Anhaltspunkt geben, so bleibt jede Entscheidung über die Erheblichkeit von Geruchsimmissionen eine Einzelfallentscheidung, in die die besonderen Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts einfließen müssen.

Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285. Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285 f. 41 Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285 f. 42 Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285 f.; vgl. auch Steinebach, Lärm- und Luftgrenzwerte, S. 6. 43 Vgl. Hansmann, in: FS Sendler, S. 285, 286. 39 40

H. Ausblick Aus den zahlreichen Fragen, die sich bei der Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht stellen, dürften insbesondere drei der angesprochenen Probleme in der Zukunft eine bedeutsame Rolle einnehmen. Dies ist zum einen die Beachtung der Messunsicherheit der Olfaktometrie, zum zweiten die Untersuchung der Auswirkungen von Geruchsimmissionen auf die menschliche Gesundheit und zum dritten die Entscheidung über die Festlegung eines Systems zur Geruchsbewertung in einer bundesweit verbindlichen Form. Ein erhebliches Problem bei der Bewertung von Geruch stellen die messtechnischen Schwierigkeiten dar, die mit der Feststellung von Geruch verbunden sind. Sie sind aber von elementarer Bedeutung für die Richtigkeit und Tragfähigkeit von Geruchsgutachten, die wiederum die Grundlage der juristischen Bewertung bilden. Die Messunsicherheit der Olfaktometrie setzt dabei am „Herzstück“ der Geruchsbewertung an, denn allen technischen und in der Folge auch juristischen Bewertungen von Geruch liegen olfaktometrische Messungen zugrunde. Daher gilt es, diese Schwierigkeit nicht zu ignorieren, sondern sich ihr zu stellen und anhand weiterer Untersuchungen auf den Grund zu gehen. Dabei ist die Rolle der technischen Sachverständigen nicht hoch genug einzuschätzen, und zwar insbesondere derjenigen Sachverständigen, die in ihrer täglichen Arbeit mit dem Problem beschäftigt sind und die im eigenen Interesse Untersuchungen anstellen, um die Tragfähigkeit ihrer gutachterlichen Aussagen zu verbessern. Dem Austausch von (verwaltungs-) juristischem und technischem Sachverstand hinsichtlich der technischen Fragen der Geruchsbewertung ist zukünftig ein noch höherer Stellenwert einzuräumen, als dies bisher geschehen ist. Weiterer Untersuchungen bedürfen auch die Auswirkungen von Geruchsimmissionen auf die menschliche Gesundheit. Dass Menschen sich durch Geruchsbelästigungen erheblich in ihrem Wohlbefinden und teilweise auch in ihrer Gesundheit beeinträchtigt fühlen, ist in zahlreichen Befragungen festgestellt worden. Inwieweit gefühlte Beeinträchtigungen auf tatsächliche Beeinträchtigungen zurückzuführen sind, ist hingegen noch nicht ausreichend erforscht. Die Erkenntnisse der Auswirkungen von Lärm auf die Gesundheit sollten Anlass genug sein, auch für Geruch weitere Untersuchungen durchzuführen. Bereits in der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des BImSchG ist ausgeführt worden, dass lang anhaltende Belästigungen auch zu Gesundheitsgefahren werden können. Dass die Anwendung des Gesetzes dem Rechnung trägt, ist bisher aber kaum ersichtlich. Erste Ansätze hat es in diese Richtung aus dem Bereich der Umwelthygiene gegeben. Sie gilt es weiter zu fördern.

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H. Ausblick

Zuletzt wird sich weiterhin die Frage stellen, ob ein System zur Bewertung von Geruch in einer bundesweit verbindlichen Vorschrift geregelt wird, und wenn ja, in welcher Form dies erfolgen soll. Stimmen, die in diesem Punkt ein Tätigwerden des Bundesnormgebers gefordert haben, hat es in der Vergangenheit genug gegeben. Aus rechtlicher Sicht spricht insbesondere die Zunahme an Rechtssicherheit und Einheitlichkeit der Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen für eine entsprechende rechtlich verbindliche Regelung. Dabei wäre es ratsam, eine Form zu wählen, die der raschen Fortentwicklung der Erkenntnisse in diesem Bereich Rechnung tragen könnte. Eine Integration der GIRL in die TA Luft erscheint daher nicht als optimale Lösung. Wünschenswert wäre vielmehr eine eigene Regelung zur Geruchsbewertung. Die Entwicklung der Geruchsbewertung wird in dieser Hinsicht vermutlich auch zukünftig durch Vorgaben des Gemeinschaftsrechts beeinflusst werden. Hier gilt es jedoch nicht, auf eine entsprechende Handlungsanweisung zu warten. Vielmehr hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass gerade von deutscher Seite entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung des Themas „Geruchsbewertung“ auf europäischer Ebene gegeben worden sind. Dabei muss gleichwohl die allgemeine Zielrichtung des gemeinschaftsrechtlichen Umweltschutzes beachtet werden, insbesondere das System des integrierten und auf Vorsorge ausgerichteten Umweltschutzes. Insofern sind auch weiterhin technische Fortschritte bei der Emissionsminderung gefragt. Soweit die Bundesregierung auf dem Gebiet der Regelsetzung tätig werden sollte, wäre ein besonderes Augenmerk auf eine hohe Transparenz des gesamten Vorgangs der Festlegung eines Geruchsbewertungssystems zu legen. Insbesondere sollten Verwaltung, technische Sachverständige und Rechtsanwender gleichermaßen nachvollziehen können, in welchen Punkten die Festlegung von Geruchsimmissionswerten Schwierigkeiten bereitet und wie diesen begegnet werden kann. Die Forderung nach einem bundesweit einheitlichen System kann nicht darauf gerichtet sein, eine „perfekte“ Lösung zu finden, da es diese bei der Geruchsbewertung im Immissionsschutzrecht nicht geben kann. Es darf aber die bestmögliche Lösung auf der Grundlage der bisher gewonnenen Erkenntnisse, und damit eine befriedigende Antwort auf die Frage verlangt werden, wie Geruch im Immissionsschutzrecht zu bewerten ist.

I. Zusammenfassung in Thesen 1. An jedem Tag werden wir mit einer Vielzahl von Geruchseindrücken konfrontiert, wobei diese sowohl von „natürlichen“ Quellen, wie der Natur und allen Lebewesen, als auch von „künstlichen“ Quellen herrühren können, die Bestandteil der heutigen modernen Industriegesellschaft sind. Besonders geruchsintensiv sind die Tierhaltung, die Nahrungsmittelproduktion, die chemische Industrie sowie die Abfallbeseitigung und die Abwasserreinigung. Die von diesen Vorgängen freigesetzten Geruchsstoffe können in die Umwelt gelangen und dort vom Menschen als Geruch wahrgenommen werden. 2. Der Vorgang der Geruchswahrnehmung ist erst seit etwa zehn Jahren erforscht. Gelangt eine bestimmte kritische Menge gleichartiger Geruchsstoffe an die Riechzellen in der menschlichen Nase, so rufen deren chemische Eigenschaften eine Kaskade verschiedener Abläufe in der Membran der Riechzellen vor, die im Ergebnis ein elektronisches Potential auslösen, das an das Gehirn weitergeleitet, dort verarbeitet und erkannt wird. Dabei greift das Gehirn auf das während des Lebens entwickelte Geruchsgedächtnis zurück. Geruchsereignisse werden zumeist mit bestimmten Gefühlen und Begebenheiten im Gehirn gespeichert, so dass diese bei einer späteren Wahrnehmung der gleichen Geruchsart wieder in Erinnerung gerufen werden. 3. Wird den Riechzellen ein Überangebot an Geruchsstoffen geboten, so wird ein Reiz nicht mehr ausgelöst (Adaptation). Erst nach einer Erholung von diesem Überangebot kann die Nase den spezifischen Geruch erneut wahrnehmen. Dies führt dazu, dass eine lang anhaltende Überschreitung der Geruchsschwelle vom Menschen als weniger belästigend empfunden wird als viele einzelne Geruchswahrnehmungen, die zwischendurch von geruchsfreien Momenten unterbrochen werden. Wie Geruch wahrgenommen wird, hängt von einer Vielzahl subjektiver Kriterien, wie Prägung und Erziehung, erlerntem Wissen sowie den mit Geruch individuell verbundenen Gefühlen und Erinnerungen zusammen. Daneben wirken sich sowohl die körperliche Verfassung als auch das Verhältnis zum Geruchsemittenten auf die Geruchsempfindung aus. 4. Geruchsimmissionen können das menschliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Die Wahrnehmung eines als unangenehm empfundenen Geruchs löst das natürliche Bedürfnis aus, sich diesem nach Möglichkeit zu entziehen. Auch ein zunächst als angenehm empfundener Geruch kann bei dauerhafter Einwirkung stören. Immer wiederkehrende Geruchseinwirkungen können sogar zu physischen und psychischen Beschwerden führen. Im Umfeld von Geruchsstoffemittenten klagen Anwohner häufiger als in geruchsunbelasteten Gegenden über Beschwerden

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I. Zusammenfassung in Thesen

wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Atemnot und Schlaflosigkeit sowie Missstimmungen. Die Entstehung von Krankheiten durch die bloße Wahrnehmung von Geruch kann bisher gleichwohl nicht nachgewiesen werden. In Anbetracht der Erkenntnisse von Umweltstressoren auf die menschliche Gesundheit aus der Lärmwirkungsforschung ist auch auf die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen durch Geruchsimmissionen in Zukunft ein stärkeres Augenmerk zu legen. 5. Aufgrund der von Geruch hervorgerufenen nachteiligen Auswirkungen kann es dort, wo geruchsintensive Vorgänge und der dauerhafte Aufenthalt von Menschen aufeinander treffen, zu Problemen zwischen Emittent und Betroffenen kommen. Diese Probleme treten typischerweise zwischen geruchsstoffemittierenden Anlagen und der sie umgebenden Nachbarschaft aufgrund deren räumlichen Nähe zueinander auf. In diesem Moment wird Geruch zu einem rechtlich relevanten Phänomen und muss bewertet werden. 6. Allein das Wissen darum, dass von einer Anlage Geruchsstoffe in die Atmosphäre freigesetzt werden, reicht noch nicht aus, um Geruch auch bewerten zu können. Geruchsereignisse, wie die Emission oder Immission von Geruchsstoffen, müssen zunächst erfasst werden, bevor sie beurteilt werden können. Die Bewertung setzt demnach voraus, dass Geruch gemessen wird. Das wichtigste Messinstrument für Geruch im immissionsschutzrechtlichen Kontext stellt die menschliche Nase dar, die zur systematischen Erfassung und Bewertung von Geruch eingesetzt wird (Olfaktometrie). Bei der Beurteilung zukünftiger Geruchsereignisse kommt zudem die Ausbreitungsrechnung zur Anwendung, bei der anhand verschiedener Kriterien, wie dem Umfang der von einer Quelle emittierten Geruchsstoffkonzentrationen und meteorologischen Daten, die Belastung der Umgebung durch Geruchsimmissionen prognostiziert wird. 7. Beiden vorgenannten Mess- bzw. Beurteilungsverfahren wohnen Unsicherheiten inne. Als objektives Messinstrument ist die Nase nur eingeschränkt geeignet, da die Wahrnehmung von Geruch zahlreichen subjektiven Einflüssen unterliegt. Eine prognostizierende Berechnung kann zukünftige Geruchsereignisse immer nur annähernd vorhersagen. Aus diesem Grunde sind vom Europäischen Komitee für Normung sowie von der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN technische Regelwerke erarbeitet worden, die die verschiedenen Mess- und Bewertungsverfahren zur Ermittlung von Geruchsemissionen und -immissionen weitestgehend objektivieren und zur Sicherstellung einer mathematisch korrekten Berechnungstechnik beitragen sollen. Die Ergebnisse sowohl der Olfaktometrie als auch der Ausbreitungsrechnung zeichnen sich trotzdem durch eine hohe Unsicherheit aus. Dennoch müssen auf ihrer Grundlage rechtliche Entscheidungen getroffen werden. 8. Das BImSchG stellt im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Immissionsschutzrechts die wichtigste Rechtsgrundlage zur Bewertung von Geruch dar. Geruchsstoffe sind Luftverunreinigungen i. S. d. § 3 Abs. 4 BImSchG. Sie werden zu schädlichen Umwelteinwirkungen, wenn sie auf den Menschen einwirken und

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dazu geeignet sind, nach Art, Ausmaß oder Dauer Gefahren, erhebliche Belästigungen oder erhebliche Nachteile bei der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 i.V. d. Abs. 2 BImSchG). Ziel des BImSchG ist es unter anderem, die Umwelt vor schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsimmissionen zu schützen und der Entstehung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch die Reduktion von Geruchsemissionen vorzubeugen (§ 1 Abs. 1 BImSchG). Das BImSchG sieht daher bestimmte Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Anlagen mit geruchsintensiven Prozessen vor. 9. Die Schutzpflicht aus den §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 BImSchG zielt darauf ab, den Eintritt schädlicher Umwelteinwirkungen zu verhindern, wobei § 22 BImSchG die Einschränkung vorsieht, dass nicht alle denkbaren, sondern ausschließlich dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Beschränkung schädlicher Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß vorzunehmen sind. Die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dient dazu, der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen, insbesondere durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen, vorzubeugen. 10. Die vom BImSchG vorgesehenen Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Anlagen sind wesentlich vom Gemeinschaftsrecht beeinflusst worden. Der integrative, medienübergreifende Ansatz des Umweltrechts der Gemeinschaft hat den ursprünglich überwiegend sektorspezifischen Charakter des BImSchG abgelöst. Dies hat sich auch auf die für die Geruchsbewertung maßgeblichen §§ 3 Abs. 1 und 6, 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 sowie 22 Abs. 1 BImSchG ausgewirkt. Eine isolierte Betrachtung der Auswirkungen von Geruch auf den Menschen reicht nach der geltenden Rechtslage nicht mehr aus. Nunmehr ist bei der Festlegung der Handlungspflichten nach dem BImSchG dem hohen Schutzniveau für die Umwelt insgesamt Rechnung zu tragen und sind die möglichen Verlagerungen von Umweltauswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen. 11. Das Gemeinschaftsrecht hat zwar auf die Geruchsbewertung nach dem BImSchG Einfluss genommen, eigene Regelungen zur Bewertung von Geruch auf Gemeinschaftsebene liegen jedoch nicht vor und sind auch in nächster Zukunft nicht zu erwarten, denn den gemeinschaftlichen Legislativorganen stellen sich in diesem Punkt dieselben Schwierigkeiten der Objektivierung von Geruch und damit der Schwierigkeit der Verrechtlichung seiner Auswirkungen, wie dem nationalen Gesetz- / Verordnunggeber. Lediglich hinsichtlich der Vorgaben der Geruchsmessung hat es bisher mit der Europäischen Norm 13725:2003 einen ersten Schritt hin zu einer Harmonisierung gegeben. 12. Geruchsimmissionen werden zu schädlichen Umwelteinwirkungen, wenn sie erheblich sind, wie aus § 3 Abs. 1 BImSchG folgt. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen Geruchsimmissionen erheblich sind, gibt das BImSchG jedoch nicht vor. Das Gesetz zeichnet sich vielmehr durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aus, die vom Rechtsanwender unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Tatsachen und unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ausgelegt werden müssen.

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13. Das BImSchG stellt bei der Ermittlung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen auf den „verständigen Durchschnittsmenschen“ ab, der unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange und gesetzlichen Wertungen feststellt, was ihm billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Zu Recht ist an dem Maßstab des „verständigen Durchschnittsmenschen“ in der Vergangenheit Kritik geübt worden. Denn soweit unter dem „verständigen Durchschnittsmenschen“ ein gesunder Erwachsener zu verstehen sein soll, stellt dieser gerade nicht den typischen Fall dar. In Bezug auf die Empfindlichkeit für Geruch legen verschiedene Untersuchungen die Vermutung nahe, dass diese aufgrund einer besonderen Disposition oder einer Krankheitsvorgeschichte stärker ausgeprägt sein kann. Zwar lassen sich aus den derzeit vorhandenen Ergebnissen noch keine generellen Aussagen ableiten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft zusätzlich zu den besonders schützenswerten Gruppen der Alten, Kranken und Kinder eine besonders für Geruchseinwirkungen empfindliche Gruppe gebildet werden muss. 14. Um das BImSchG trotz der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe in der Praxis handhabbar zu machen, hat der Gesetzgeber eine Reihe von Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung der sich aus dem Gesetz ergebenden Anforderungen aufgenommen und zudem vorgesehen, dass untergesetzliche Regelungen auf technische Regelwerke privater Stellen verweisen können. Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsnormen sind bisher lediglich eine Rechtsverordnung sowie eine Verwaltungsvorschrift erlassen worden, die Geruch zum Gegenstand haben, jeweils aber ausschließlich Regelungen zu Geruchsemissionen treffen. Dies ist zum einen die 30. BImSchV, die einen Geruchsemissionsgrenzwert für Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen vorsieht, und zum anderen die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, die Regelungen zur Konkretisierung der Vorsorgepflicht in Bezug auf Geruchsemissionen enthält. 15. Da zur Konkretisierung der Schutzpflicht bisher keine untergesetzlichen Normen auf der Grundlage des BImSchG erlassen worden sind, ist Ende der Achtziger Jahre in einem Arbeitskreis aus Vertretern der nordrhein-westfälischen Umweltverwaltung und den Technischen Überwachungsvereinen Essen und Köln sowie dem Medizinischen Institut für Umwelthygiene an der Universität Düsseldorf die Geruchsimmissions-Richtlinie entwickelt worden. Mit der GIRL soll sichergestellt werden, dass bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen und bei den daraus ggf. folgenden Anforderungen an Anlagen mit Geruchsimmissionen im Interesse der Gleichbehandlung einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren angewandt werden. 16. Die GIRL geht von der Annahme aus, dass die Belästigungswirkung von Geruch im Wesentlichen von der relativen Dauer der Geruchsschwellenüberschreitung abhängt. Auf dieser Grundlage stellt die GIRL in Abhängigkeit verschiedener Baugebietsarten Immissionswerte als relative Dauer der Überschreitung der Geruchsschwelle auf, die mit der Häufigkeit der real gemessenen oder prognostizierten Geruchsschwellenüberschreitungen verglichen werden. Im Einzelfall können

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dabei auch die hedonische Tönung eines Geruchs oder die Geruchsqualität Berücksichtigung finden. 17. Die GIRL ist ein vom Länderausschuss für Immissionsschutz (heute: Bund- / Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz) entwickeltes Regelwerk, dem grundsätzlich keine Bindungswirkung zukommt. Die überwiegende Anzahl der Bundesländer hat die GIRL jedoch im Erlasswege eingeführt, so dass die GIRL für die dortigen Verwaltungsbehörden eine Bindungswirkung entfaltet. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die GIRL mittlerweile als „Orientierungshilfe“ zur Bewertung von Geruchsimmissionen anerkannt, ohne dass ihr eine rechtliche Bindungswirkung zugemessen worden ist. Die GIRL hat sowohl in methodischer als auch in rechtlicher Hinsicht Kritik erfahren. Das System der GIRL hat sich jedoch in verschiedenen empirischen Untersuchungen als geeignet zur Einschätzung der Belästigungswirkung durch Geruchsimmissionen erwiesen. Aus hiesiger Sicht ist das Regelungssystem der GIRL nicht zu beanstanden. Der Versuch, die GIRL im Zuge der Novellierung in die TA Luft 2002 zu integrieren, ist aufgrund von Widerständen aus der Chemischen Industrie und der Landwirtschaft gescheitert. 18. Aufgrund der besonderen Wirkweise von Geruchsstoffen im Vergleich zu anderen Luftschadstoffen erscheint eine Aufnahme der Regelungen der GIRL in die TA Luft nicht sachgerecht. Nach der hier vertretenen Ansicht ist dem Erlass einer eigenen Technischen Anleitung zur Bewertung von Geruch der Vorzug zu geben. Anhand eines solchen Instruments könnte dem Erkenntniszuwachs zur Expositions-Wirkungs-Beziehung von Geruch sowie dem technischen Fortschritt bei der Erfassung von Geruch auch in Zukunft zeitnah Rechnung getragen werden. Im Zuge des Erlasses einer Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage von § 48 BImSchG könnten zudem noch bestehende methodische Unsicherheiten in Bezug auf das Bewertungssystem der GIRL geklärt werden. 19. Neben den genannten Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften treffen auch technische Regelwerke privater Stellen Aussagen zum Umgang mit Geruchsemissionen. Dabei nehmen die Richtlinien und Normen der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN-Normenausschuss (KRdL) eine gewichtige Rolle ein. Die KRdL hat vom Bundestag den öffentlichen Auftrag erhalten, in selbstbestimmter eigenverantwortlicher Tätigkeit den Stand der Technik in der Luftreinhaltung festzulegen. Inzwischen beschreiben rund 50 VDI-Richtlinien mannigfache Emissionsminderungsmaßnahmen für verschiedene Prozesse. 20. Im Rahmen der Geruchsbewertung kommen insbesondere die VDI-Richtlinien Emissionsminderungsmaßnahmen – Schweine (VDI-RL 3471) und Emissionsminderungsmaßnahmen – Hühner (VDI-RL 3472) zum Tragen. Sie legen in Abhängigkeit von der Erfüllung betrieblicher und baulicher Maßnahmen Abstände zwischen den Tierhaltungen und der nächsten schützenswerten Nutzung fest. Den VDI-Richtlinien kommt als rein privaten technischen Regelwerken jedoch keine Bindungswirkung zu. Obwohl die Richtlinien schon ihrem Wortlaut nach aus-

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schließlich Emissionsminderungsmaßnahmen zum Gegenstand haben, werden sie von der Rechtsprechung auch zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen herangezogen. Diese Anwendungsweise erweist sich jedoch insoweit als rechtsfehlerhaft, als allein aus der Einhaltung der dort vorgesehenen Abstände keine zweifelsfreie Aussage darüber getroffen werden kann, ob erhebliche Geruchsimmissionen zu erwarten sind. Die VDI-Richtlinien können deshalb nur als Indiz für die Einhaltung der Schutzpflicht herangezogen werden. Im Übrigen sind sie lediglich zur Konkretisierung der Vorsorgepflicht geeignet. 21. Im Zusammenhang mit den Rechtsschutzmöglichkeiten von Anlagenbetreibern sowie Nachbarn bei der Geruchsbewertung stellt sich insbesondere das Problem, welche Bindungswirkung untergesetzlichen Regelungen zukommt und auf welche der existierenden Regelwerke Dritte sich berufen können. Denn die wichtigsten Anhaltspunkte für die Geruchsbewertung ergeben sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus der 30. BImSchV, aus der TA Luft, aus der GIRL und den VDI-Richtlinien. Soweit Rechtsverordnungen Geruchsemissionsgrenzwerte enthalten, kommt diesen eine uneingeschränkte Bindungswirkung zu. Für die Anforderungen an geruchsintensive Anlagen aus Verwaltungsvorschriften gilt dies nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Rechtsprechung misst den auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassenen, sogenannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften eine eingeschränkte Bindungswirkung auch für die Gerichte zu. Sie müssen von der Rechtsprechung bei der Auslegung des BImSchG berücksichtigt werden, es sei denn, sie sind durch einen Erkenntnisfortschritt überholt. Technischen Regelwerken privater Stellen kommt hingegen keine Bindungswirkung zu. 22. Ein sich im Zusammenhang mit Geruchsimmissionen und Rechtsschutz häufig stellendes Problem ist das der sogenannten „heranrückenden Wohnbebauung“. Soweit eine baurechtlich schützenswertere Nutzung an eine emittierende Nutzung heranrückt, sucht sich der Emittent zumeist dagegen zur Wehr zu setzen, um weder in seinem Betrieb noch hinsichtlich seiner Erweiterungsmöglichkeiten eingeschränkt zu werden. Soweit die heranrückende Nutzung aufgrund der besonderen Festsetzungen im Bebauungsplan gewisse Einschränkungen hinsichtlich des Immissionsschutzes hinnehmen muss, wie zum Beispiel Wohnbebauung im Dorfgebiet, kann sich der Emittent gegen diese zumeist nicht mit Erfolg wehren. Demgegenüber werden an die Bauleitplanung im Einwirkungsbereich von geruchsstoffemittierenden Anlagen hohe Anforderungen gestellt, die auch umfassen, bei der Planung den besonderen Interessen des Emittenten Rechnung zu tragen, von schutzwürdigerer Nutzung nicht in seinem Betrieb eingeschränkt zu werden. 23. Geruchsimmissionen sind ein Problem aller Kulturen. Nahezu alle industrialisierten Länder haben Regelungen zur Bewertung von Geruch entwickelt. Diese unterscheiden sich von Land zu Land zum Teil in erheblicher Weise. Während einige Systeme vorwiegend auf die Vermeidung oder Verminderung von Emissionen ausgerichtet sind, haben andere auch wirkungsseitige Bewertungssysteme entwickelt. Das in Deutschland entwickelte System der GIRL kommt jedoch bisher in

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keinem anderen Land zur Anwendung. International findet ein reger Austausch zum Umgang mit geruchsintensiven Emissionen statt, der sich zum Beispiel in einer Vielzahl von Tagungen zum Themenkreis Geruchsemissionen und -immissionen, Abluftreinigungsmöglichkeiten sowie rechtliche Regelsetzung widerspiegelt. Auf diesem Wege können die einzelnen Staaten vom jeweiligen Wissenszuwachs gegenseitig profitieren.

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Sachverzeichnis Abfallbehandlung 34, 40, 186, 342 Abluftreinigung 45 Abstandsregelung 157, 186 f., 207 f., 248 ff. Abwasserbehandlung 41 Adaptation 55 Akzeptorbezug 300 Allgemeinheit 173 Anlagen – genehmigungsbedürftige 23, 189 – genehmigungsfreie 211 Antizipiertes Sachverständigengutachten 238, 265, 326 Ausbreitung 42 Ausbreitungsrechnung 88, 255 Ausbreitungssimulation 88, 256, 321 Außenbereich 303 ff. AUSTAL 2000 G 257 Baugebiet 246, 282, 307 Bauleitplanung 354 Bauliche und betriebliche Maßnahmen 250, 381 Baunutzungsverordnung 168, 302, 307 Begehung 69 f., 102 ff. Belästigung 158, 164 Beschwerden, gesundheitliche 61 f. Best Available Technology Reference Documents (BREFs) 188, 205, 208 Beste verfügbare Techniken 208 Beurteilungsfläche 288 f. Beurteilungsgebiet 70, 102 f. Beurteilungsspielraum 176, 179 Bundes-Immissionsschutzgesetz 21, 150 ff. Cloppenburger Leitfaden 231 Comité Européen de Normalisation 335 DIN EN 13725 72 ff. Dorfgebiet 248, 273, 279, 304 ff. Duldung 166 Durchschnittsmensch, verständiger 165

EG 122 Einwirkungsbereich 141, 170, 174 f. Einwirkungsort 154 f. Einzelfallentscheidung 384 Einzelfallprüfung 289 ff., 306, 310 Elektrosmog 24 Emission 43, 156 Emissionswert 376 Emittent 20, 381 Erheblichkeit 22, 164 Erkennungsschwelle 54, 285 Ermächtigungsgrundlage 210, 214 Ermessen 181, 190, 214 Ermessensentscheidung 141 Ermessensrichtlinien 237 Europäische Referenzgeruchsmasse (EROM) 77 Eusmophore 31 Fahnenmessung 106 Fernwirkung 185, 200 Flächenbezug 318 Freiraum, unbelasteter 201 f. Freisetzung 33 ff. Futtermittelproduktion 38 Gauß-Modell 256, 321, 328 Gebietsdifferenzierung 304 Gefahr 158 Gemeinsamer Runderlass 263 ff. Gemeinschaftsrecht 120 Gemengelage 312 Geruch 29 ff. – eindeutig angenehmer 272, 290, 299, 370 Geruchsempfindung 46 ff. Geruchsimmissions-Richtlinie 26, 56, 91, 121, 178, 187, 201, 233, 259 ff. Geruchsmessung 67 ff., 285 – analytische 109 – sensorische 69

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Sachverzeichnis

Geruchsreiz 51 Geruchssinn 47 Geruchsstärke 59 Geruchsstoff 29 Geruchsstoffkonzentration 75 Geruchsstunde 288, 295 Gesamtbelastung 102, 141, 155, 170, 260, 272, 284 ff. Gesundheit 60, 158 Gewerbegebiet 248, 268, 307 Gleichbehandlung 259, 266, 277, 281 Großvieheinheit 249 Guide to the expression of uncertainty in measurement (GUM) 87 Hedonik 95, 108 Highly Annoyed People 27, 303 Immission 153 Immissionskontingentierung 201, 284 Immissionswert 288, 302, 376 ff. Industrie – chemische 39 – petrochemische 19, 39, 261 f. Industriegebiet 169, 193, 215, 273, 284 Intensität 59, 92 Inversionswetterlage 44 Irrelevanzkriterium 285, 313 IVU-Richtlinie 133 ff. Kakosmophore 31 Kleinemittent 24 Korrekturfaktor k 288, 317 Länderausschuss für Immissionsschutz 273, 292 Landes-Immissionsschutzgesetze 228 Landwirtschaft 36, 337 Lärm 24 Luftqualitätsrahmenrichtlinie 124 f., 241 Luftverunreinigung 115 Mechanisch-biologische Abfallbehandlung 221 Medizinisches Institut für Umweltforschung (MIU) 266 f. Messunsicherheit 224 Mindestabstand 175, 207, 222, 248 f. Mischgebiet 248, 268, 273, 284, 288, 302

Mittelwert, Mittelwertbildung 169, 216, 312 f. – geometrischer 80, 84, 87 f., 98 Nachbarschaft 174 Nachteil 158, 171 Nahrungsmittelproduktion 38, 341 Nase 22 – elektronische 68 n-Butanol 77 Olfaktometrie 72 ff. Olfaktorisches System 50 f. Ortsüblichkeit 20, 169, 290, 306, 312 Osmogene 31 Polaritätenprofil 96 Probenahme 81 Raffinerie-Richtlinie 261 Rasterbegehung 102, 286 Rechtsbegriff, unbestimmter 176 Rechtsschutz 348 ff. Rechtsverordnung 210, 217, 220 Riechnerv 51 Riechschleimhaut 50 Riechzelle 51 Ringversuch 84 Sachverständigenrat für Umweltfragen 329 Schutzpflicht 195, 254 Schutzwürdigkeit 22, 168, 193, 215, 308 Stand der Technik 202 Stundenmittelwert 262 Summation 314 „TA Geruch“ 294 TA Lärm 268, 294, 302, 307 TA Luft 241 ff. Technische Regelwerke 205, 228, 253, 331, 336 Tierhaltungsanlagen 289 Tierplatzzahl 249 f. Transmission 42, 44 f. Trigeminus 47, 56 Umwelteinwirkungen, schädliche 151 ff., 176, 185 Umweltgesetzbuch 26, 127, 142 f.

Sachverzeichnis Umweltprivatrecht 20 UVP-Richtlinie 128 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 138, 198, 202, 205, 382 Verwaltungsvorschrift 205, 233 ff., 276 VDI 332 ff. VDI-Richtlinie 70 – 2590 38 – 3471 337 – 3472 337 – 3473 340 – 3474 340 – 3788 43 – 3881 72

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– 3882 92 – 3883 98 – 3940 102 Völkerrecht 112 Vorbelastung 69, 85, 102, 168, 265, 285, 308 Vorsorgepflicht 199, 244, 254 Wahrnehmungsschwelle 54 Weber-Fechner-Gesetz 60 Wohnbebauung, heranrückende 351 Wohngebiet 169, 193, 216, 246, 268, 302, 305 f. Zumutbarkeit 71, 164 ff. Zusatzbelastung 261, 281 f., 288