Die Arbeitsnachweise der Gewerkschaften im Deutschen Reich [Reprint 2018 ed.] 9783111500133, 9783111134086

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Die Arbeitsnachweise der Gewerkschaften im Deutschen Reich [Reprint 2018 ed.]
 9783111500133, 9783111134086

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Zur Statistik der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung im Deutschen Reiche
Literatur
I. Die freien Gewerkschaften
II. Der Arbeitsnachweis und die christlichen Gewerkschaften
III. Der Arbeitsnachweis und die Deutschen Gewerkvereine (H.-D.)
IV. Wesen und Organisation der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise
V. Arbeitslosenunterstützung und Arbeitsnachweise
VI. Arbeitsnachweis und Tarifvertrag
VII. Ergebnisse und Schlüsse
Muster der wichtigsten, bei den Gewerkschafts-Arbeitsnachweisen gebräuchlichen Formulare

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Die Arbeitsnachweise der Gewerkschaften im Deutschen Reich

Dr. Otto Nichalke

Berlin 19U Druck und Verlag von Georg Reimer

Vorwort. eit" Stadtrat Dr. Fles ch schloß kürzlich die Besprechung eines eben erschienenen Buches über die Frage der Arbeitslosen­ versicherung, der Arbeitsvermittlung und der Arbeitsbeschasfung mit folgenden Worten: „Alles in allem: Wer jetzt schriftstellerisch an dies Thema herantritt, muß mit Gindels tagen des Arbeitsnachweises und der Arbeitslosenfürsorge beginnen; zu Gesamtdarstellungen ist nach dem Band 1 der Iastrow scheu „Sozialpolitik und Berwaltungswissenschast" und nach der großen Publikation des Reichsstatistischen Amtes vorläusig kein Bedürfnis." Die gleiche Erlvägung dient auch dem Verbände Deutscher Arbeitsnachweise bei seiner Anregung zu wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung zur Richtschnur. Alle Einzelsragen, die bei der Tätigkeit der öffentlichen Arbeitsnachweise entstehen, sinden in seinen Jahresberichten eine erschöpfende und wohl auch wissenschaftlich nach jeder Richtung wertvolle Darstellung. Aber er ist sich auch der Tatsache bewußt, daß die öffentlichen Arbeits­ nachweise nur eine, wenn auch die wichtigste Art der Arbeitsvermitt­ lung bilden, und es für die gedeihliche Weiterentwicklung der ge­ regelten Arbeitsvermittlung ohne Frage von Wichtigkeit ist, auch den anderen Arbeitsnachweissormen die ihnen zukommende Be­ achtung zu schenken. Als vor wenigen Jahren die Schäden der ge­ werbsmäßigen Stellenvermittlung von den Interessenten immer schwerer empfunden wurden, ließ der Verband durch Ludwig die bekannte Bearbeitung des gewerbsmäßigen Arbeitsnachweises vornehmen, und das neue Stellenvermittlergesetz ist nicht zuletzt gerade dieser Veröffentlichung gutzuschreiben.

s

IV Heute ist der einseitige, unparitätische Arbeitsnachweis m ' den Mittelpunkt der Diskussion über die Arbeitsvermittlung gedrückt. Die Gewerkschasten haben bisher zum größten Teil im ArboeitsNachweis ein gutes Macht- und Kampfmittel gesehen und daherr an eigenen Arbeitsnachweisen festgehalten. Die Arbeitgeber sind in l den letzten Jahren zur gleichen Auffassung gekommen. Diese zwei1 Arbeitsnachweissormen stehen sich als feindliche Mächte gegemüüber und der Kampf um den Arbeitsnachweis gibt in vielen Beruffenn zu schweren Differenzen Anlaß, natürlich zum Schaden des eiggent» lichen und wichtigsten Zweckes: der Arbeitsvermittlung. Wie nman auch dieser Entwicklung gegenüberstehen mag, eine vermehrte Kernntnis des Wesens und des Umfanges der einseitigen Arbeitsnachwoeise wurde notwendig, und deshalb dürfte der Verband Deutscher Arbeits­ nachweise recht getan haben, die Bearbeitung dieser Arbeitsnach­ weise anzuregen. Während Dr. G. Keßler die Arbeitgetbernachweise übemahm, wurde der Verfasser mit der Darstellung der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung betraut. Neben der Feststellung der gesamten Bermittlungstätigkeit der Gewerkschaftsnachweise und einer eingehenden Darstellung ikhres Wesens und ihrer Organisation wurde das Wirken derselben! in jedem einzelnen Verbände im Rahmen der gesamten beruflichen Arbeitsvermittlung möglichst erschöpfend geschildert. Femer wurden die Beziehungen des Arbeitsnachweises zur Arbeitslosenunterstütziung und zum Tarifvertrag behandelt, in einem Abschnitt die bishenige Stellung der Gewerkschaften als Gesamtheit zur Arbeitsnachw>eisfrage historisch dargestellt und endlich auch Wert darauf gelegt, die Bedeutung der heutigen gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung richtig abzuschätzen, die verschiedenartige Stellungnahme der einzelnen Ver­ bände zum Arbeitsnachweis zu fixieren und damit einen Ausblick für die zukünftige Gestaltung zu gewinnen. Die Arbeit wurde in Angriff genommen in der Hoffnung, allen an der Arbeitsnachweisbewegung interessierten Kreisen, insbesondere den Gewerkschaften, Klarheit zu bringen. Ohne den Rückhalt am Verbände Deutscher Arbeitsnachweise hätte der Verfasser die Bearbeitung kaum durchführen können. Das Material wurde durch den Verband erbeten und beschafft,

V denn es ist wohl anzunehmen, daß der Verfasser verschlossene Türen gefunden hätte, während dem durch sein sozialpolitisch und wirt­ schaftlich so segensreiches Wirken bekannten Verbände alle Quellen offenstanden. Der Verband stellte auch alle seine sonstigen Hilfsmittel zur Verfügung. Der Verfasser dankt diese große Bereitwilligkeit und Unterstützung vor allem dem Vorsitzenden des Verbandes, Herm Landesrat vr. R. F r e u n d, der ihm als Vorsitzender des Zentral­ vereins für Arbeitsnachweis in Berlin außerdem ein eingehendes Studium dieser bekannten Institution ermöglichte, das dem Ver­ fasser wertvolle Anregungen für die erstrebenswerte Weiterentwick­ lung der Arbeitsnachweise gab. Diese mustergültige Organisation erfüllt alle Anforderungen in wirtschaftlicher, sozialpolitischer und technischer Beziehung und wird auch in den wichtigsten Punkten den Wünschen gerecht, die von den Gewerkschaften vemünftigerweise an eine öffentliche Institution gestellt werden können. Weitgehendste Unterstützung und Hilfe verdankt die Arbeit femer dem Geschäftsführer des Verbandes, Herm Dr. O. Becker, der auch die Anregung zu ihrer Ausführung gab und in Verbindung mit dem Vorsitzenden des Deutschen Holzarbeiterverbandes, Herm Th. Setpatt, die Umfrage einleitete. Beiden Herren sei für alle Anregungen und Verbessemngen bestens gedankt. Endlich soll besonders der Gewerkschaften selbst gedacht sein, ohne deren Mit­ hilfe ja die Bearbeitung unmöglich gewesen wäre. Die drei Gewerk­ schaftszentralen, die Generalkommission der Gewerkschaften Deutsch­ lands, das Generalsekretariat der christlichen Gewerkschaften zu Köln, der Verband Deutscher Gewerkvereine, und die Vorstände der einzelnen Verbände unterstützten die Arbeit weitgehendst, und dem Verfasser ist es eine angenehme Pflicht, ihnen, sowie all den Gewerkschaftem zu danken, die sich in so großer Zahl der Mühe unterzogen hatten, den Fragebogen auszufüllen. Der Allgemeininhalt der Arbeit diente dem Verfasser als Dissertation. Nicht üblichem Gebrauch folgend, sondern weil es ihm Bedürfnis ist, möchte er auch an dieser Stelle seinem hochverehrten Lehrer, Herm Geh. Hofrat Professor Dr. Julius Pierstorff- Jena, Dank für all seine hilfteiche Förderung und Unterstützung aussprechen.

Inhalt. Seite

Vorwort ................................................................................................................. Einleitung: Zur Statistik der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung im Deutschen Reiche............................................................................................ Vermittlung der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsnachweise S. 1. — Frühere Versuche, die gewerkschaftliche Bermittlungstätigkeit zu bestimmen S. 3. — Statistik des Reichsarbeitsblattes S. 6. — Statistik des „Arbeitsmarkt" S. 8. — Vermittlung der Arbeitsnachweise der Gewerkschaften S. 11. — Umfrage über den Stand der gewerkschastlichen Arbeitsnachweise S. 13. Literaturverzeichnis................................................................................................

III 1

17

I. Die freien Gewerkschaften: A. Die Stellungnahme der freien Gewerkschaften in der Arbeitsnachweisfrage.................................................................................................. 18 Konferenz zu Gotha (1878) S. 20. — I. Gewerkschaftskongreß (Halberstadt, 1892) S. 22. — Sozialer Kongreß Frankfurt a. M. (1893) S. 23. — II. Gewerkschaftskongreß (Berlin, 1896) S. 24. — III. Gewerkschaftskongreß (Frankfurt a. M., 1899) S. 27. — IV. Gewerkschaftskongreß (Stuttgart, 1902) S. 31. — VI. Gewerkschaftskongreß (Hamburg, 1908) S. 32. — Stellenvermittlergesetz im Reichstag S. 34. — VIII. Gewerk­ schaftskongreß (Dresden, 1911) S. 35. ß. Der Arbeitsnachweis in den einzelnen Verbänden: 1. Baugewerbe........................................................................................ 36 Engeres Baugewerbe (Maurer, Bauhilfsarbeiter, Zimmerer) S. 36. — Dachdecker S. 45. — Maler S. 46. — Stukkateure S. 48. — Steinsetzer und Asphalteure S. 49.

— vm — 2. Metallindustrie..................................................................................... Isolierer S. 50. — Kupferschmiede S. 51. — Maschinisten iimb Heizer S. 53. — Metallarbeiter S. 55. —- Schmiede S. 62. — Schiffszimmerer S. 64. 3. Holzindustrie.........................................................................................

CSette 50

64

Bildhauer S. 64. — Böttcher S. 73. — Glaser S. 74. — Holzarbeiter S. 78. 4. Bekleidungsürdustrie ...........................................................................

91

Friseure S. 91. — Blumenarbeiter S. 93. — Hutnmcher S. 93. — Kürschner S. 99. — Schneider S. 101. — Schuh­ macher S. 103. 5. Textilindustrie ..........

.....................................................................

105

6. Handel und Berkehrsgewerbe........................................................... 114 Transportarbeiter S. 114. — Seeleute S. 121. — Hafeniarbeiler S. 121. 7. Fabrikarbeiter.....................................................................................

122

8. Industrie der Steine und Erden..................................................... 123 Glasarbeiter S. 123. — Porzellanarbeiter S. 126. — Stei.narbeiter S. 128. — Töpfer S. 128. 9. Nahrungs- und Genußmittel ........................................................... 134 Bäcker und Konditoren S. 134. — Brauereiarbeiter S. 142. — Fleischer S. 144. — Mühlenarbeiter S. 146. — Tabakarbeiter S. 147. — Zigarrensortierer S. 165. 10. Papier- und Lederindustrie............................................................ 158 Buchbinder S. 158. — Lederarbeiter (und Handschuhmacher) S. 162. — Sattler und Portefeuiller S. 164. — Tapezierer S. 167. 11. Graphische Gewerbe........................................................................... 171 Tarifgemeinschaft Deutscher Buchdrucker S. 171. — BuchdrwckHilfsarbeiter S. 178. — Lithographen und Steindrucker S. 18t0. — Notenstecher S. 181. — Xylographen S. 183. 12. Verschiedene Berufe........................................................................ 184 Bureauangestellte S. 184. — Gärtner S. 185. — Gastrvirtsgehilfen S. 188. — Zivilmusiker S. 200. 13. Verbände ohne oder, mit gering entwickeltem Arbeitsnachweis (Bergarbeiter, Gemeindearbeiter, Handlungsgehilfen, Haus­ angestellte, Lagerhalter, Landarbeiter) ...................................... 200 Arbeitsnachweise derGewerkschaftskartelle................................ 202

IX Sette II. Der Arbeitsnachweis und die christlichen Gewerkschaften........................ 203 Stellungnahme bet christlichen Gewerkschaften in der Arbeitsnachweissrage S. 203. — Der Arbeitsnachweis in den einzelnen Verbänden S. 206. — Arbeitsnachweise der Gewerkschaftskartelle S. 220. — Zusammenfassung S. 221. III. Der Arbeitsnachweis und die Deutschen Gewerkvereine (H.-D.)........ 223 Stellungnahme der Deutschen Gewerkvereine in der Arbeitsnachweisfrage S. 223. — Der Arbeitsnachweis in den einzelnen Gewerkvereinen S. 226. — Arbeitsnachweise der Ortsverbände und Sekretariate S. 232. — Zusammenfassung und neueste Stellungnahme S. 234. IV. Weser und Organisation der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise........ 236 Anarchie aus dem Arbeitsmarkte S. 237. — Besserung durch gewerkschaftlichen Zusammenschluß S. 239. — Unterstützungs­ und Arbeitsvermittlungseinrichtungen im Rahmen gewerkschaft­ licher Arbeit S. 240. — Funktionen der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise S. 241. — Die Rolle der Vertrauensmänner S. 243. — Zahl der Nachweise S. 245. — Errichtungsjahr und Alter S. 246. — Leitung und Beaufsichtigung S. 249. — Geschäftsstunden S. 252. — Buchführung S. 253. — Be­ nutzungsbedingungen S. 255. — Reihenfolge oder Brauchbar­ keit als Prinzip der Bermittlungstätigkeit S. 257. — Interlokale Vermittlung S. 259. — Zusammenarbeiten mit anderen Arbeitsnachweisen S. 261. — Ersolge der einzelnen Formen der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise S. 262. — Kosten S. 263. V. Arbeitslosenunterstützung und Arbeitsnachweis........................................ 265 Theoretischer Zusammenhang S. 266. — Der gewerkschaftliche Arbeitsnachweis als Kontrollstelle S. 268. — Alls Auszahlungs­ stelle S- 269. — Der öffentliche und paritätische Arbeitsnach­ weis als Kontrollstelle S. 270. — Alls Auszahlungsstelle S. 272. VI. Arbeitsnachweis und Tarifvertrag.............................................................. 273 Ursachen der tariflichen Regelung S. 274. — Anerkennung einseitiger Nachweise: der Gewerkschaften S. 275. — Der Arbeitgeber S. 276. — Der Kampf um die tarifliche Aner­ kennung der Arbeitgebernachweise im Baugewerbe S. 276. — Vorspiel in München S 277. — Obligatorium für das ganze Reich S. 277. — Abweichende Stellung Berlin S. 278. — Tarifliche Regelung paritätischer Arbeitsnachweise S. 279. — Tarifvertrag oder Sondervertrag S. 280. — Umfang der tarif­ lichen Regelung der Arbeitsnachweise: ältere Angaben S. 283. — Neueste Statistik des Kais. Statistischen Amtes S. 284. Michaile, Arbeitsnachweis. b

X (Seite

VH. Ergebnis und Schlüsse ............................................................ ................... 287 Wirkungsbereich der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise S. 28?9. — Verbreitung in einzelnen Berufen S. 290. — Bederrtumg der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung S. 291. — Bedeutumg im Verhältnis zu den anderen Arten des Arbeitsnachweises 3. 292. — Gewerkschaftliche Arbeitsnachweise meist in Groß­ städten S. 293. — Gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung meist Aushilssstellen S. 294. — Stellung der einzelnen Verbände zur weiteren Entwicklung des Arbeitsnachweises S. 294. — Zur gesetzlichen Regelung des Arbeitsnachweises S. 296. — Forderungen der Gewerkschaften an die öffentlichen Arbeits­ nachweise S. 297. — Rücksichtnahme aus die Arbeitsbedingungen S. 298. — Streikklausel S. 299. — Reue Kämpfe S. 301.

Zur Statistik der gerverkschaftlichen Arbeits­ vermittlung im Deutschen Reiche. Im Deutschen Reich stehen sich zurzeit drei Arbeitsnachweis­ formen, wenn auch nicht im offenen Kampfe, so doch als Rivalen um die künftige Gestaltung einer geregelten Arbeitsvermittlung gegenüber: der gewerkschaftliche Arbeitsnachweis, der der Arbeit­ geber und zwischen beiden der öffentliche und paritätische, dem wohl auch der gemeinsame Facharbeitsnachweis zugezählt werden darf. Jedem von ihnen winkt für den Fall des Sieges ein hoher Preis, der all die Anstrengungen, ihn zu erringen, verstehen läßt. Es ist wie ein langes Rennen, das sich hier vor uns abspielt, und heute noch nicht rech: ersichtlich, wer die Siegeschancen auf seiner Seite hat. Me Schlußfolgerungen auf das wahrscheinliche Ergebnis sind immer noch trotz der unverkennbaren Stärkung der öffentlichen Arbeits­ nachweisbewegung wenig mehr als Hypothesen und meist aus der persönlichen Stellung des Beurteilers zu erklären. Ein geeigneter Maßstab, wie er nur durch einwandfreies statistisches Material ge­ geben wäre, fehlt uns auch heute noch. Wir haben keinen Grad­ messer, an dem wir die bisherige Entwicklung der drei Nachweisarten ablesen könnten, ja, wir sind nicht einmal über den jetzigen Stand gut orientiert, der durch die genaue Angabe der Vermittlungserfolge der Nachweise gekennzeichnet werden könnte. Einzig die Zahl der Vermittlungen, die durch die öffentlichen und paritätischen Nach­ weise bewirkt wurde, dürfte für das Jahr 1910 mit rund 1200 000 als feststehend angenommen werden. Davon kann man 120 000 Vermittlungen auf die paritätischen Facharbeitsnachweise und 1 087 439 auf die öffentlichen Vermittlungsstellen rechnen. Weit Mlchalke, Arbeitsnachweis.

1

weniger bekannt ist die Bermittlungsziffer der Arbeitgebernach weise. Das kürzlich erschienenene statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich 1911 enthält Seite 434/35 eine Übersicht über 87 Arbeitgeber­ nachweise, die 1910 mehr als 500 Stellen besetzten. Insgesamt wurden 1910 753 992 Stellen vermittelt, und zwar verteilen sich die­ selben folgendermaßen ans die einzelnen Industrien: 22 Arbeitsnachweise der Metallindustrie............................ 234 713 4 „ „ Textilindustrie............................... 27 216 36 „ „ Baugewerbe.................................... 115 635 8 „ ,, Verkehrsgewerbe.......................... 301613 3 „ „ sonstigen Gewerbe......................... 4 607 14 „ „ gemischten Verbände..................... 70 308 753992.

Da in dieser Zusammenstellung aus unbekannten Gründen der Nachweis des Zechenverbandes fehlt, so erhöht sich die Summe auf 915 268 Vermittlungen. 10 000 bis 20 000 Stellen vermittelten die Arbeitgebemachweise in Chemnitz, Leipzig, Nürnberg, (Metall­ industrie), Forst (Textilindustrie), Berlin, Essen, Hamburg, Hannover (Baugewerbe), Harburg (Gemischter Verband); 20 000 bis 30000 Stellen werden vermittelt in Hamburg (Verein Hamburger Reeder), Hamburg (Hamburg-Amerika-Linie), Mannheim (Industrie-Verband); 30 000 bis 50000 Stellen wurden vermittelt in Hamburg (Eisen­ industrie). Mehr als 50 000 Vermittlungen erreichten der Verband Berliner Metallindustrieller (68 488), der Zechenverband (161 276) und der Hafenbetriebsverein in Hamburg (236 835). Die Zahlen für die Arbeitgebemachweise sind hoch, werden aber Kenner der­ selben keineswegs verblüffen können. Es handelt sich bei ihnen nicht immer um vollwertige Vermittlungen. Etwa ein Drittel entfällt auf Arbeitsnachweise, die nur Kontroll-, nicht auch Vermittlungs­ stellen sind; vielleicht ein weiteres Drittel kommt von Nachweisen, die nur ganz kurzfristige Aushilfsstellen vermitteln; besonders gilt dies von denen des Verkehrsgewerbes. Und daß den ganzen Zahlen der Arbeitgebernachweise gegenüber „statistische Zurückhaltung" am Platze ist, wird wohl aus der Kritik klar werden, die Dr. G. Keßler in seinem neuen Werk über die Arbeitgebemachweise an der Statistik übt.

Am wenigsten wissen wir aber von der Tätigkeit der gewerk­ schaftlicher Nachweise, und bei der großen Zersplitterung, sowie der hohen Zchl dieser Vermittlungsstellen dürfte dies nicht sehr zu verwundern sein. Für die Beurteilung der ganzen Sachlage wäre es aber würschenswert, zu einer einigermaßen richtigen Schätzung der gewerkschlftlichen Vermittlungstätigkeit zu gelangen und ihre bis­ herige Eltwicklung kennen zu lernen; denn nur so können wir einen Schluß arf ihre Konkurrenzfähigkeit mit den beiden anderen Nachweisarter ziehen. Es sei daher im folgenden zusammengefaßt, was an Mateial über die Entwicklung und den heutigen Stand der gewerkschlftlichen Arbeitsvermittlung bekannt geworden ist. Es kann woll gleich vorweg gesagt werden, daß dies nicht allzuviel ist, obzwar ei an Bemühungen, die auf eine zahlenmäßige Feststellung der geweckschaftlichen Vermittlungstätigkeit abzielten, wahrlich nicht gefehlt hlt. Die erste diesbezügliche Enquete ist die 1892 von der Zentralstckle für Arbeiterwohlsahrtseinrichtungen veranstaltete, deren Ergebnis das bekannte Werk von Reitzenstein-Freund „Der Arbeits­ nachweis' ist!). Die Generalkommission der Gewerkschaften Deutsch­ lands unt:rstützte das Unternehmen durch Angabe der nötigen Adressen, sowie dmch empfehlende Hinweise in Gewerkschaftsblättern. Durch diese Umfrage war zunächst eine statistische Feststellung der Zahl der vorhandenen Arbeitsnachweise und deren Geschäfts­ tätigkeit teabsichtigt. Dieses Ziel wurde aber auch nicht annähernd erreicht, bebet in Bezug auf den öffentlichen, noch für den Nachweis der Interessenten. Wie Reitzenstein in seinem Werke mitteilt, scheiterte dieser erse Versuch an „dem damaligen Mangel an Orientierung über die in Betracht kommenden Stellen und der Schwierigkeit, ohne Vermittlung örtlicher, insbesondere amtlicher Zwischenstellen sich in der Besitz der nötigen Informationen zu setzen". Eine zahlen­ mäßige Feststellung der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung konnte also seine Arbeit nicht liefern, sondern nur Angaben für einzelne Berufe mb Plätze. Was sie aber vor allem wertvoll macht, ist eine eingehende Beschreibung der berufsgenossenschaftlichen (also auch 2) F. von Reitzenstein „Der Arbeitsnachweis", herausgegeben von Dr. jur. Richard Freund. Heymann, Berlin 1897.

4 gewerkschaftlichen) Arbeitsnachweise, denen auch der größte Abschmitt des Buches gewidmet ist. Damit war eine Grundlage gegeben, auf der weitergebaut werden konnte. Die Forschungen Reitzensteins nahmen mehrere Jahre in An­ spruch und wurden leider durch seinen Tod abgebrochen. Die Ordniung und Herausgabe des Materials besorgte Dr. R. Freund, sodaß bet „Arbeitsnachweis" 1897 erscheinen konnte. Inzwischen hatten a.uch die Regierungen der größten Bundesstaaten der Arbeitsnachweisfrage ihr Interesse zugewandt und Enqueten über die Art und den Umfang der Arbeitsvermittlung angeordnet. Die erste Erhebung wurde 1894 in Sachsen vorgenommen, 1895 folgte Preußen umd, auf Anregung des Reichsamtes des Innern im selben Jahre noch Bayern und Baden. Die Resultate dieser Enqueten m Bezug auf den gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis waren indes gering. Für Sachsen brachte es die Art der Umfrage mit sich, daß ihr Bearbeiter V. Böhmert nur in beschreibender Weise, ähnlich wie Reitzenstein, über einige gewerkschaftliche Nachweise berichten konnte1). In den drei anderen Staaten war eine geordnete Erhebung nach gleichen Grundsätzen eingeleitet und konnte zum Teil auch die Ver­ mittlung der Gewerkschaften mit einbezogen werden. Aber gerade für diese wies das Material große Lücken auf. In dem preußischen Bericht von Georg Evert sind 297 Arbeiter­ vereine (Fach- oder Gewerkvereine) vertreten, und von 230 lagen Angaben über den Umfang der Vermittlung vor. Sie betrug int Jahre 1894 = 26 760 oder 4,55 % der Gesamtvermittlungsziffer, die für alle Kategorien von Arbeitsnachweisen, einschließlich der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung, mit 587 721 ermittelt werden konnte 2). Da nach der damaligen Erhebung 65 % aller Vermitt­ lungen auf die gewerbsmäßigen Vermittler entfielen, und unter den nicht gewerbsmäßigen Nachweisen die der Innungen mit 8 % 2) Zur Statistik der Arbeitslosigkeit, der Arbeitsvermittlung und der Arbeits­ losenunterstützung. Zeitsch. d. Kgl. Sächs. Statistischen Bureaus XL. III. IV. 1694. 2) Georg Evert „Die Arbeitsvermittlung in Preußen 1894". Zeitschrift des Kgl. Preußischen Statistischen Amts 1896.

an erster Stelle standen, so ist das Ergebnis für die Arbeitervereine immerhin bemerkenswert. Biel dürftiger war das Material für Baden1). Dort fanden sich im Jahre 1894 = 7, 1895 — 10 Nachweise, deren Träger Arbeiter­ oder Gewerkvereine waren. Dazu kamen noch drei Arbeitsnachweise der vereinigten Gewerkschaften (wahrscheinlich Gewerkschaftskartelle) zu Karlsruhe, Pforzheim und Heidelberg. Das ist alles, was die Erhebungen gebracht haben. Eine annähernde Aufklärung über den Stand der Arbeitsver­ mittlung durch die Gewerkschaften fehlte also nach wie vor. Diese Lücke wenigstens nach einer Richtung hin auszufüllen, erreichte Prof. Jastrow mit Hilfe seiner Zentralstelle für Arbeitsmarktstatistik. Durch seine umfangreichen Verbindungen mit den JnteressentenVerbänden aller Berufe, sowie den Arbeitsnachweisverwaltungen erlangte er Material genug, um ein charakteristisches Bild von der in den einzelnen Berufen vorherrschenden Art der Arbeitsvermittlung zu geben und dadurch die Bedeutung der Gewerkschaftsnachweise zu bewerten2). Sein Material stammte aus den Jahren 1897/99, war aber zuverlässig genug, um auch heute noch als Grundlage zur Beurteilung der jetzigen Verhältnisse dienen zu können. Aber noch immer fehlte die staüstische Feststellung der Größe der gewerkschaft­ lichen Arbeitsvermittlung. Der nächste Versuch wurde von einer Stelle in Angriff genommen, die für diesen Zweck besonders geeignet erschien: von der Generalkommission der Gewerkschaften Deutsch­ lands. Im Herbst 1902 wandte sich diese mit einem Fragebogen an die ihr beigetretenen Verbände. Das eingegangene Material war aber so gering, daß auf seine Bearbeitung verzichtet wurde. Es ist nur ein Hauptresultat bekannt geworden, welches die Generalkommis­ sion dem Kaiserlichen Statistischen Amte für die Denkschrift über *) Die gewerbsmäßigen und nicht gewerbsmäßigen Einrichtungen für Arbeitsnachweis im Großherzogtum Baden i. d. I. 1894 u. 1895 und die weitere Entwicklung der letzteren 1896 u. 1897. Statistische Mitteilungen ü. d. Großherzog­ tum Baden, Bd. XIV, Nr. 2, Jahrg. 1897. Für Bayern: Die Arbeitsvermittlung in Bayem, Zeitschrift des Kg. Bayerischen Statistischen Bureaus 1896, Heft 2 u. 3. *) Jastrow, Sozialpolitik und Verwaltungswissenschaft I., sowie in den ersten Jahrgängen seines „Arbeitsmarkt".

6 die Arbeitslosenversicherung (1906) zur Verfügung gestellt hat >). Danach bestanden im Jahre 1901: 815 gewerkschaftliche Arbeits­ nachweise, die 118 300 Vermittlungen erzielten. Für das Jahr 1902 wurde zum gleichen Zweck eine Liste derjenigen Nachweise aufgestellt, die in diesem Jahr mehr als 200 Stellen besetzen konnten. Es sind dies 71 Nachweise (nicht 77, wie in der Denkschrift und im „Reichs­ arbeitsblatt" berichtet, da 6 paritätische Facharbeitsnachweise mit einbezogen wurden) mit 83 234 vermittelten Stellen. Im Jahre 1903 begann die Berichterstattung der Arbeitsnach­ weise an das Kaiserlich Statistische Amt. Obzwar diese in erster Linie geschaffen wurde, um Kenntnis über die Lage des Arbeitsmarktes zu erlangen, hätte es ja nahe gelegen, die eingehenden Meldungen auch zur Beurteilung der Vermittlungstätigkeit der Arbeitsnachweise zu verwenden. Dies unterblieb aber bis heute wahrscheinlich deshalb, weil nur ein Teil der bestehenden Vermittlungsstellen eine regel­ mäßige Verbindung mit dem Amte unterhielt. Das „Reichsarbeits­ blatt" beschränkte sich auf die Veröffentlichung der Arbeitsmarkt­ statistik, berührte aber die Arbeitsnachweisstatistik nicht. Nur ver­ einzelt, meist durch andere Umstände veranlaßt, wurden auch einige Gesamtzisfern über die Bermittlungstätigkeit der an die Bericht­ erstattung des Blattes angeschlossenen Anstalten gegeben. Es ist sehr zu bedauern, daß dies nicht von Anbeginn und regelmäßig geschah. Man hätte jetzt wenigstens einen Anhaltspunkt zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Kategorien; die Unzuver­ lässigkeit der Zahlen hätte man natürlich immer bedenken müssen. Das österreichische arbeitsstatistische Amt, dessen monatliche Bericht­ erstattung wahrscheinlich noch weniger gut ausgebaut ist als die im Deutschen Reich, veröffentlicht schon seit 1901 eine Arbeitsnachweis­ statistik in der Form von Jahresergebnissen. Zweifellos gehört diese Arbeit zu den Aufgaben des Kaiser!. Statistischen Amtes, und je brennender die Arbeitsnachweisfrage wird, um so nötiger ist die Aufklärung über die bisherigen Leistungen der einzelnen Nachweis*) Die bestehenden Einrichtungen zur Berficherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit im Ausland und im Deutschen Reich. Bearbeitet im Kaiser!. Stat. Amt, Abt. für Arbeiterstatistik. Berlin 1906. 2. Teil. Der Stand der gemein­ nützigen Arbeitsvermittlung öffentlicher und privater Verbände im Deutschen Reich.

7 arten int allgemeinen und nach ihren Anteilen in den einzelnen Berufs­ gruppen. Das Amt wird sich auf die Tauer der Lösung dieser Aufgabe kaum entziehen sönnen1). Jetzt aber muß man sich mit dem Wenigen begnügen, was über die Tätigkeit der Arbeitnehmernachwcise von der amtlichen Statistik geboten wurde, falls man sich nicht der Mühe unterziehen will, aus den Monatsberichten im „Reichsarbeitsblatt" die gewünschten Zahlen zu berechnen. Dies ist aber auch nur bis zum Jahre 1908 möglich, da später die detallierte Bekanntgabe der Berichte unterblieb. Was nun durch die amtliche Statistik bekamtt geworden ist, besteht erstens aus Vergleichsziffern über die Vermittlungstätigkeit von 56 Gewerkschaftsnachweisen, über die bereits von der General­ kommission int Jahre 1902 berichtet wurde, und die auch an die Berichterstattung des Reichsarbeitsblattes angeschlossen sind. Nach der Tezembernummer 1909 des Blattes hatten dieselben 1901

1904

1908

76 841

106 530

169 320

Vermittlungen erzielt. *) Seit 1910 scheint nun ein Umschwung eintreten zu wollen. Das Reichs­ arbeitsblatt bringt nunmehr in jedem Hefte eine kleine Tabelle über die Ver­ mittlungstätigkeit im Vormonat, für jede Nachweisart besonders, und will, wie verlautet, jetzt auch ihren Anteil in den einzelnen Berussgruppen ermitteln. Für 1910 berechnet, stellt sich die Vermittlungstätigkeit der an das Reichsfolgend: Kommunale und kommunal unterstützte Arbeitsnach-

f m. 749 306 1 w. 354 788

Andere allgemeine oder gemeinnützige Arbeits­ nachweise ................................................... Paritätische Facharbeitsnachweise Arbeitgebernachweise................... Jnmmgsnachweise...... ............. Arbeitnehmernachweisc ...............

m. 72 745 w. 44 070 m. 101 834 w. 11868 ' nt. 336 316 w. 22 378 nt. 129 442 w. 5 646 m. 250 957 w. 9 966

zusammen 1 094 094 116 815 113 702 358 694 135 088 260 923

8 Ferner enthalt dasselbe Heft des Reichsarbeitsblattes die Gcsamtvermittlungsziffer von 188 im Jahre 1908 berichtenden Arbeit­ nehmernachweisen in der Höhe von 256 443. Diese Zahlen sind einigermaßen geeignet, die gewerkschaftliche Arbeitsvermittlungs­ tätigkeit zu beleuchten und zu werten; nur dürfen sie nicht ohne Kritik hingenommen werden'). Eine 1909 von der Redaktion des „Arbeitsmarkt" veranstaltete Enquete über den Stand des gewerkschaftlichen Arbeitsnachweises ermöglicht nun, einige Aufschlüsse über die Bedeutung desselben zu geben. Soweit Material über die Bermittlungstätigkeit zu erlangen war, wurde versucht, dasselbe an den Monatsberichten des Reichsarbeitsblattes nachzuprüfen und zu ergänzen. Dabei ergaben sich einige kleine Differenzen, die zu einer Korrektur der Zahlen der amtlichen Statistik führen dürften. Das „Reichsarbeitsblatt" vergleicht die Vermittlungsergebnisse bon 56 Nachweisen und kann dies wohl nur deshalb, weil es einige paritätische Facharbeitsnachweise mit ein­ bezieht. Dies ist aber kaum angängig, da einseitige und paritätische Nachweise nicht zusammengehören. Nach unserer Kenntnis lassen sich überhaupt nur 44 Nachweise von 1902—1908 miteinander ver­ gleichen, denn von den 60 Nachweisstellen, die in der Denkschrift für 1904 noch zusammengestellt wurden, waren schon damals 5 pari­ tätisch, weitere 4 wurden es noch, 6 andere berichteten 1908 gar nicht mehr, und noch eine weitere (Töpfer, Berlin) muß aus Gründen, die noch angeführt werden sollen, ganz ausgeschieden werden. Die Vermittlungstätigkeit der noch verbleibenden 44 Nachweise war dann: 1902

1904

1907

1908

63081

82 627

111507

107 281

Die Zahl für 1907 wurde aus dem „Reichsarbeitsblatt" berechnet, da dieses Jahr als das des Höhepunktes vor der Krise jedenfalls ein *) Diese Kritik wurde bereits in einem Artikel des Verfassers „Die Ber­ mittlungstätigkeit der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise", Arbeitsmarkt, XIII. Jahrg. Nr. 8, geübt und soll hier des Zusammenhanges wegen wiedergegeben werden. Es muß aber betont werden, daß die Fehler nicht dem Kais. ©tat. Amte angerechnet werden dürfen, sondern, wie eine Verständigung mit diesem ergab, auf eine mißverständliche Berichterstattung der Arbeitsnachweise zurückzuführen sind.

9 besseres Bild von bett Vermittlungserfolgen gibt als das Jahr 1908. Die für 1908 gegebene Zahl ist auch nicht ganz genau, da für einige Nachweise die Vermittlungsziffer fehlte und durch die für 1907 ge­ fundene ergänzt werden mußte. Eine bessere Vergleichung ermög­ lichen 70 Nachweise mit genauen Zahlen, die für 1904 und 1907 dem „Reichsarbeitsblatt", für 1908 der „Arbeitsmarkt"-Enquete ent­ nommen sind: sie vermittelten: 1904

1907

1908

83 676

120 486

115 120

Wenn auch solche vergleichbare Zahlen die Entwicklung gut ver­ anschaulichen, eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Gewerk­ schaftsnachweise kann nur auf Grund der Gesamtvermittlungsziffer möglich sein. Berechnet man dieselben aus dem „Reichsarbeitsblatt" für 1904 und 1907 und nimmt die im Dezemberhest 1909 gegebene Zahl für 1908, so ergibt sich, daß 1904: 176 Nachweise 162048 Stellen 1907: 163 „ 221186 „ 1908: 188 „ 256 443 „ besetzen konnten. Diese Zahlen sind aber auch nicht ganz einwandfrei. Bei Über­ prüfung der Statistik des Reichsarbeitsblattes ergab sich, daß einzelne Nachweise die Bedeutung der Rubrik „besetzte Stellen" anders auf­ faßten, als es allgemein gebräuchlich ist, nämlich nur die durch den Nachweis besetzten Stellen einzutragen. In zwei wichtigen Fällen bei den Berliner Nachweisstellen des Metallarbeiterverbandes und des Zentralverbandes der Töpfer wurden als besetzte Stellen alle beim Nachweis bekannt gewordenen Einstellungen von Mitgliedern, ob dieselben nun durch einen anderen Nachweis oder durch Umschau erfolgten, gemeldet. So kam es, daß die Metallarbeiter (Berlin) 1904:15 994, 1907: 27 878 besetzte Stellen berichteten, ihr Nachweis aber 1904 nur 7065 und 1907: 6418 Vermittlungen bewirkte. Noch auffallender ist es bei den Töpfern, die 1908 noch 6333 Stellen­ besetzungen meldeten, aber nur 199 davon selbst vermittelten. Nach diesen Abzügett stellt sich die Gesamtvermittlungsziffer der an die

10 Berichterstattung des „Reichsarbeitsblattes" angeschlossenen Nachweis­ stellen der Arbeitnehmer: 1904

1907

146 618

194 271

Ob bei den Berichten der anderen Nachweise dieselben Fehlerquellen vorliegen, entzieht sich unserer Kenntnis, wie auch eine Überprüfung der Zahlen für 1908 durch den Fortfall der detaillierten Veröffent­ lichung im „Reichsarbeitsblatt" unmöglich wurde. Die beiden Fehler, die wir eben für die früheren Jahre namhaft machten, bestanden auch noch 1908; außerdem wurde der paritätische Nachweis der Buch- und Steindruckhilfsarbeiter in Berlin mit 18 650 B-ermitt­ lungen zu den Arbeitnehmernachweisen gerechnet, sodaß von der Jahreszifser für 1908 (256 443) etwa 40—50 000 Vermittlungen abzuziehen sein werden. Sieht man sich die Vermittlungsziffern näher an, so findet man, daß ungefähr die Hälfte auf Cafe- und Gasthausangestellte entfallen, und zwar: 1904 : 75 538

1907: 100 742

Das sind meist kurzfristige Aushilfestellen. Von Bedeutung ist aber, daß sich darunter die Vermittlungen vieler Kellnervereine, besonders Berliner, befinden, deren Zweck eben nur Stellenvermittlung ist, und die mit Ausnahme des Verbandes Deutscher Gastwirtsgehilsen den Gewerkschaften nicht zugerechnet werden dürfen. Unterscheidet man nun, soweit sich dies bei der ziemlich ungenauen Bezeichnung der Nachweise im „Reichsarbeitsblatt" durchführen läßt, zwischen den Vermittlungsergebnissen der gewerkschaftlichen Nachweise (ge­ meint sind nur die der Generalkommission angeschlossenen Verbände) und allen anderen Arbeitnehmernachweisen, so kommen auf erstere: 1904: 105 411

1907: 145 642

davon allein aus den Verband deutscher Gastwirts. gehilfe» ..................................................................... 44 628 aus alle anderen Arbeitnehmernachweije...................... 41 207

64 728 48 629

Damit ist aber nur die Vermittlungstätigkeit der an das „Reichs­ arbeitsblatt" berichtenden Gewerkschaftsnachweise festgestellt. Das

11

sind rund 180—190, während man die Zahl der Arbeitnehmernach­ weise bekanntlich auf 1000, früher sogar auf 3500 schätzte. Es muß aber gesagt werden, daß von diesen 1000 wahrscheinlich nur etwas über 600 als Nachweise auch organisiert sind. Da taucht wieder die Frage auf, wie groß wohl die Vermittlungstätigkeit der 400 sein möchte, die nicht an das Kaiserl. Statistische Amt melden. Diese Frage dürfte sich wobl kaum zuverlässig beantworten lassen. Bei der erwähnten „Arbeitsmarkt"-Enquete berichteten von 776 befragten sreigewerkschaftlichen Organisationen 590, von denen 421 einen eigenen gewerkschaftlichen Nachweis besaßen. Unter ihnen waren aber 48, die keine Bermittlungstätigkeit, und 15, die nur eine solche für 1909 hatten, sodaß für unsere Zwecke 358 freigewerkschaftliche Ar­ beitsnachweise in Frage kommen. Ihre Tätigkeit wies im Jahre 1908 auf: 240 552 Arbeitsuchende, 145 898 offene Stellen, 177 406 besetzte Stellen. Für die beiden andern Gewerkschaftsgruppen stellen sich die entsprechenden Zahlen wie folgt: Von 41 Nachweisen der christlichen Verbände berichteten 31 für das Jahr 1908, bzw. 1909: 12082 Arbeitsuchende, 5 263 offene Stellen, 9 772 besetzte Stellen. (Die Differenz zwischen offenen und besetzten Stellen erklärt sich aus der mangelhaften Berichterstattung.) Die 20 berichtenden Nachweise der Teutschen Gewerkvereine (H.-D.) meldeten: 8122 Arbeitsuchende, 7656 ossene Stellen, 3361 besetzte Stellen. Außerdem waren 86 örtliche Organisationen an paritätischen Facharbeitsnachweisen beteiligt, und von 78 liegen Vermittlungs­ ergebnisse vor, die 1908:

108 645 Arbeitsuchende, 84315 offene Stellen, 76 431 besetzte Stellen betrugen1). Die 177 406 besetzten Stellen unserer Enquete bilden aber nicht die ganze frei gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung. Es fehlen etwa 30 Nachweise, die sonst an die Berichterstattung des Reichsarbeits­ blattes angeschlossen sind und 1907 rund 12 000 Vermittlungen auf­ wiesen. Rechnet man diese Zahl zu dem Ergebnis der „Arbeitsmarkt"Umfrage und rundet sie etwas stark nach oben zu ab, so dürfte man mit 200—210 000 Vermittlungen für die sreigewerkschaftlichen Nach­ weise die annähernd richtige Durchschnittszahl getroffen haben. Die Zahl der durch Nachweise anderer Arbeiterorganisationen bewirkten Vermittlungen anzugeben, ist außerordentlich schwierig. Schätzungs­ weise dürfte sie für die beiden anderen gewerkschaftlichen Richtungen (christliche Gewerkschaften und Gewerkvereine H.-D.) zwischen 20—30 000 liegen, daher die ganze gewerkschaftliche Arbeitsvermitt­ lung im Deutschen Reich mit 250 000 vermittelten Stellen (für das Jahr 1908) die oberste Grenze erreichte. Außerdem wird die Ver­ mittlungstätigkeit der nichtgewerkschaftlichen Kellnervereinigungen mindestens 50—60 000 für das Jahr 1908 betragen, sodaß wir als Endergebnis die Gesamtvermittlungsziffer der reinen Arbeitnehmer­ nachweise auf mnb 300000 schätzen können. Damit haben wir einen Anhaltspunkt zur Bewertung des ge­ werkschaftlichen Arbeitsnachweises gewonnen und können eine Ver­ gleichung mit den beiden anderen wichtigsten Nachweisarten vor­ nehmen. Wir stellen jene Ziffern gegenüber, von denen wir an­ nehmen, daß sie der Wirklichkeit am ehesten entsprechen, und so würden die Vermittlungserfolge 1908 betragen haben: öffentliche und paritätische Nachweise... 1 000 000 Arbeitgebernachweise ............................... 5—600 000 Arbeitnehmernachweise............................... 300 000 ') In vorliegender Arbeit wurde das vorhandene Material über die pari­ tätischen Facharbeitsnachweise nicht voll verwertet, da die Redaktion des „Arbeits­ markt" beabsichtigt, 1911 eine eigene Untersuchung für diese Nachweiskategorie in die Wege zu leiten.

13 Es muß aber betont werden, daß es sich bei den Ergebnissen unserer Enquete nur um Wahrscheinlichkeitsziffern handelt, die der Genauig­ keit enibehren, welche etwa der Statistik der öffentlichen Nachweise zukommt und der der Arbeitgebernachweise zukommen könnte, wenn sie an die offizielle Berichterstattung des Reichsarbeitsblattes an­ geschlossen wären. Es war aber nicht alleiniger Zweck der Umfrage, die Vermitt­ lungstätigkeit des gewerkschaftlichen Nachweises aufzuzeigen, sondern vor allem sollte seine Verbreitung und Bedeutung innerhalb der einzelnen Gewerkschaftsverbände, seine Organisation und seine Stellung innerhalb der gewerkschaftlichen Arbeit festgelegt werden; es sollten besonders die Entwicklungstendenzen, die in bezug auf den Arbeitsnachweis in den einzelnen Verbänden und in den Gewerk­ schaften als Gesamtheit herrschen, gekennzeichnet werden. Vielleicht brächte das einige Klarheit in dieses strittige Gebiet. Deshalb ist es wohl nötig, hier die Durchführung dieser Enquete kurz mitzuteilen. Angeregt und ausgeführt wurde sie von dem Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise und Schriftleiter des „Arbeits­ markt" Herrn Dr. O. Becker unter weitgehendster Unterstützung des Vorsitzenden des Deutschen Holzarbeiterverbandes, Herrn Th. Lei­ part. Der Kürze halber nennen wir sie im folgenden „ArbeitsmarktEnquete". Es war zuerst beabsichtigt, nur die freien Gewerkschaften, und auch diese nur in Auswahl, zu befragen. Um aber eine, unter den heutigen Verhältnissen eben mögliche Vollständigkeit zu erreichen, wurde später die ganze gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung im Deutschen Reich einbezogen. Die Adressen der Nachweise bei den freien Gewerkschaften wurden dem „Arbeitsmarkt" von den Vorständen der einzelnen Verbände bereitwilligst mitgeteilt. An diese Nachweise wurden sodann im Juli 1909 „Fragebogen über den Stand der Ar­ beitsnachweisbewegung bei den Fachverbänden im Jahre 1908" versendet, die folgende 23 Punkte enthielten: 1. Ort: 2'. Name der Gewerkschaft: 3. Seit wann wird ein Arbeitsnachweis unterhalten? a) eigener Arbeitsnachweis der Gewerkschaft? b) paritätischer Arbeitsnachweis?

14 4. 5. 6. 7.

8. 9.

10.

11. 12. 13.

14. 15. 16. 17. 18. 19.

20.

Wie ist der Arbeitsnachweis organisiert? Ist die Verwaltung Haupt- oder nebenamtlich? Geschäftsstunden: Unter welchen Bedingungen (z. B. Gebühren, Verbandszuge­ hörigkeit usw.) ist die Benutzung des Arbeitsnachweises gestattet? a) für Arbeitgeber: b) für Arbeitnehmer: Art der Buchfühmng (Karten- oder Listensystem usw.): Verwaltungskosten 1908: a) für den Arbeitsnachweis der Gewerkschaft: b) für den paritätischen Arbeitsnachweis: Berwaltungstätigkeit 1908: a) eingetragene Arbeitsgesuche: b) eingetragene offene Stellen: c) durch den Nachweis besetzte Stellen: Erstreckt sich die Vermittlungstätigkeit nur auf den Stadtkreis und dessen nähere Umgebung oder darüber hinaus? Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Zuweisung der eingetragenen Arbeiter in die gemeldeten offenen Stellen? Werden Beziehungen zu Arbeitsnachweisen anderer Organi­ sationen, insbesondere zu den öffentlichen, kommunalen Arbeits­ nachweisen unterhalten, und in welcher Form? Ist eine Arbeitslosen-Unterstützung eingeführt? Welcher Zusammenhang besteht zwischen dieser und dem Arbeits­ nachweis? Dauer der Karenzzeit für den Unterstützungsbezug bei eintre­ tender Arbeitslosigkeit am Orte? Höhe der Unterstützung (einschließlich der evtl. Ortszulage): Dauer der Unterstützung: Sonstige Arbeitsnachweise: a) Arbeitsnachweis der Arbeitgeber: b) Städtischer Arbeitsnachweis: Vermittlungstätigkeit derselben int Jahre 1908 (besetzte Stellen innerhalb des Berufsgebiets der Gewerkschaft): a) Arbeitsnachweis der Arbeitgeber: b) Städtischer Arbeitsnachweis:

15 21. Ist ein Tarifvertrag abgeschlossen, in dem der Arbeisnachweis geregelt ist, und in welcher Weise ist eventuell die Regelung ge­ schehen? (Statuten usw. hierüber mitsenden.) 22. Besteht ein Zentralarbeitsnachweis der Gewerkschaft? a) für alle Branchen des Gewerbes? b) nur für einzelne Spezialbranchen und evtl, für welche? 23. Bemerkungen: Natürlich liefen die ausgefüllten Fragebogen langsam ein, und durch die im Herbst 1909 erfolgte Verlegung der Redaktion des Arbeits­ marktes von Frankfurt a. M. nach Berlin trat eine weitere Berzögemng der Bearbeitung ein. Als zu Beginn des Jahres 1910 der Verfasser damit betraut wurde, stieß er noch auf große Lücken in dem vorhandenen Material. Soweit sie freigewerkschaftliche Nachweise betrafen, konnten sie mit Hilfe der Generalkommission der Gewerk­ schaften Deutschlands ausgefüllt werden. Im Laufe der Bearbeitung des freigewerkschaftlichen Materials mußten die Zentralvorstände der meisten Verbände um Unterstützung und Auskunft gebeten werden, soweit nicht die Berbandspublikationen Aufschluß gaben. Bei vielen Verbänden, deren Sitz Berlin ist, konnte der Verfasser persönlich vorsprechen; die auswärtigen wurden brieflich befragt. Fast aus­ nahmslos wurde der Arbeit größtes Entgegenkommen zuteil, dessen hier dankbar gedacht sein soll. Das vorhandene Material wurde überdies ergänzt durch die in den Jahrbüchern der Verbände ent­ haltenen Bemerkungen über die Arbeitsnachweise, sowie durch Notizen aus den Berbandsblättern, von denen die meisten ständig verfolgt wurden. Die Bearbeitung der Arbeitsvermittlung bei den freien Gewerkschaften dürfte also der Vollständigkeit ziemlich nahe kommen. Anders lagen die Verhältnisse für die christlichen Gewerk­ schaften und für die Gewerkvereine (H.-D.). Die Fragebogen für diese Organisationen waren nahezu identisch mit den obigen, nur wurden einzelne überflüssige Fragen ausgeschaltet. Die Versendung derselben an die Nachweise der christlichen Gewerkschaften übernahm in sehr zuvorkommender Weise das „Generalsekretariat der christlichen Gewerkschaften zu Köln"; die Fragebogen für die Gewerkvereine wurden aus Anraten kompetenter Herren an alle Arbeitersekretariate, Rechtsauskunftsstellen und Auskunftsbureaus der deutschen Gewerk-

16 vereine versendet. Im Gegensatz zu den freien Gewerkschaften war das Material für die beiden anderen Richtungen dürftig; teilweise wird dies ja den wirklichen Verhältnissen entsprechen. Konnte daher bei den freien Gewerkschaften eine detallierte Bearbeitung für die ein­ zelnen Verbände Platz greifen, so mußte sie für die chrisüichen Gewerk­ schaften sowie für die Gewerkvereine mehr summarisch gegeben werden. Für die Gliederung der Arbeit war aus mancherlei Zweckmäßigkeits­ gründen die organisatorische Gmndlage der beruflichen vorzuziehen. Jedoch sind die freien Gewerkschaften nach den Jndustriegruppen und nicht alphabetisch geordnet. Ein historischer Rückblick auf die Stellungnahme der Gewerkschaften als Gesamtheit zur Arbeitsnach­ weisfrage, der wohl in dieser Arbeit nicht gut fehlen darf, soll immer zuerst gegeben werden.

Literatur. Als Bearbeitung der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung kommt eigentlich nur das Werk von Reitzenstein-Freund in Betracht, als dessen Weiterführung und Ausbildung in bezug auf den Gewerk­ schaftsnachweis vorliegende Arbeit angesehen werden könnte. Doch enthalten viele andere Bücher wertvolle Angaben; die wichtigsten und grundlegenden sollen hier angeführt werden; aus die Spezial­ literatur wird bei den einzelnen Abschnitten verwiesen. F. von Reitzenstein, Der Arbeitsnachweis, herausgegeben von Dr. jur. R. Freund. Heymann, Berlin 1897. I. Jastiow, Sozialpolitik und Verwaltungswissenschast, Bd. I, Georg Reimer, Berlin 1902. Carl Conrad, Die Organisation des Arbeitsnachweises in Deutsch­ land. Duncker und Humblot, Leipzig 1904. Die bestehenden Einrichtungen zur Versicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit im Auslande und im Deutschen Reich. Be­ arbeitet im Kaiserlichen Statistischen Amte, Abteilung für Ar­ beiterstatistik. Berlin 1906. II. Teil: Der Stand der gemein­ nützigen Arbeitsvermittlung öffentlicher und privater Verbände im Deutschen Reich. Richard Calver, Arbeitsmarkt und Arbeitsnachweis in ihrer Bedeutung für die Arbeiterklasse. 28. Dietz, Stuttgart 1899. Hugo Lindemann, Arbeiterpolitik und Wirtschaftspflege in der Deut­ schen Städteverwaltung. I. Bd.: Arbeiterpolitik, 2. Ausl. W. Dietz, Stuttgart 1909. Die Schriften des Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise 1—9. Heymann, Berlin. Viele Materialien wurden auch den Zeitschriften entnommen, in erster Linie dem Arbeitsmarkt, dem Korrespondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, dem Reichsarbeits­ blatt, der Sozialen Praxis, den Sozialistischen Monatsheften und der Neuen Zeit; desgleichen den Jahrbüchern und Verbandstagsproto­ kollen, sowie den Fachblättern der einzelnen Gewerkschaftsverbände, deren detaillierte Angabe wohl nicht nötig sein dürfte. Mlchalke, Arbeitsnachweis.

2

I. Die freien Gewerkschaften. A. Die Stellungnahme der freien Gewerkschaften in der Arbeitsnachweisfrage. *) Ein englischer Nationalökonom, der vor kurzem zum Studium der Arbeitsnachweisorganisationen in Deutschland weilte, war ver­ wundert über die große Rolle, die der Arbeitsnachweis im wirt­ schaftlichen Kampfe bei uns spielt. In seiner Heimat war dies nie der Fall. England hat keine Arbeitgebernachweise, obwohl die Unter­ nehmer gut und besser organisiert sind als im Deutschen Reich. Es gibt aber auch keine Arbeitnehmernachweise in unserem Sinne, und die gewerkschaftliche Terminologie kennt gar kein Wort, das unserem Arbeitsnachweis entsprechen würde. In dem grundlegenden Werk über die „Theorie und Praxis der englischen Gewerkvereine" von S. u. B. Webb wird man vergebens eine Behandlung der gewerkl) Da dieser Punkt wiederholt von anderer Seite behandelt ist, wird hier auf eingehende Darstellung verzichtet. Des Zusammenhanges wegen mußte er aber doch in vorliegendem Umfange bearbeitet werden. Als Quellen dienten die Protokolle der verschiedenen Gewerkschaftskongresse, sodann die bisherigen Dar­ stellungen, unter denen die von H. Lindemann in seinem Werke „Arbeiterpolitik und Wirtschaftspflege in der deutschen Städteverwaltung" I. Bd., Abschnitt Arbeitsnachweis, S. 73 f. (2. Auflage, Stuttgart 1909) besonders hervorgehoben werden muß. Bon Gewerkschaftern haben sich hauptsächlich Th. Leipart und H. Poetzsch mit der Frage befaßt. Neben älteren Artikeln des ersteren sei besonders auf seinen neuesten: „Die Stellung der freien Gewerkschaften in der Arbeitsnachweisfrage" im Arbeitsmarkt 1910, Nr. 8 verwiesen, während H. Poetzsch des öfteren in verschiedenen Zeitschriften (Neue Zeit, Soz. Monatsh., Korrespondenz­ blatt) das Wort ergriffen hat. Eine kurze, gute Darstellung gibt Joh. Sassenbach: Die Arbeitsvermittlung in Deutschland im 2. Internationalen Bericht, Generalkommission d. G. D. S. 133, Berlin 1906.

19 vereinlichen Arbeitsvermittlung suchen. Das Wort „Arbeitsnachweis" kommt darin gar nicht vor, und nur gelegentlich findet man Be­ merkungen, die auf eine Arbeitsverteilung durch die Organisationen schließen lassen. In Wirklichkeit haben ja die englischen Gewerkschaften einen größeren Einfluß auf den Arbeitsmarkt als die deutschen, wenigstens in einer ganzen Anzahl von Berufen, die über eine fester geschlossene Organisation verfügen. Hier waren sie schon vor den Unternehmern auf dem Plan und zwangen dieselben, bei Bedarf an Arbeitskräften die Dienste der Gewerkvereinssekretäre in Anspruch zu nehmen. Diese Arbeitsvermittlung entbehrte aber meist jeder Regelung; sie ergab sich als selbstverständlich aus der gewerkschaftlichen Tätigkeit, aus dem Streben nach einer gerechten Verteilung der vor­ handenen Arbeit, sie war vor allem die notwendige Ergänzung der Arbeitslosenunterstützung. Mer sie war nie eine Frage des Prinzipes unter den Gewerkvereinsregeln, nie eine Forderung, die große Kämpfe entfacht hätte. Als daher die englische Regierung vor zwei Jahren daran ging, ein System staatlicher Arbeitsnachweise zu schaffen, fand sie die volle Unterstützung der Gewerkschaftsvertreter. Ausgebildete Nachweise waren bei den Gewerkschaften spärlich vorhanden; sie konnten bei der staatlichen Regelung nur gewinnen und brauchten infolge ihrer guten Organisationsverhältnisse nicht zu befürchten, ihren bisher innegehabten Einfluß auf dem Arbeitsmarkt zu verlieren. Wesentlich verschieden von dem englischen Beispiel sehen wir die Entwicklung im Deutschen Reich, wo die Verhältnisse in Ver­ gangenheit und Gegenwart andere sind und die Stellung der Gewerk­ schaften zum Arbeitsnachweis eine abweichende ist. Die Kämpfe um den Arbeitsnachweis haben bei uns schon eine hiswrische Grund­ lage, denn sie lassen sich bis zur Zunftzeit zurück verfolgen. Aus der Geschichte der Zünfte ist bekannt, wie Meister und Gesellenschaften um das Recht auf die Arbeitsvermittlung mit größter Erbitterung stritten. Diese Kämpfe haben eigentlich nie mehr aufgehört oder doch nur kurze Unterbrechungen erfahren; als die modernen Gewerkschaften zu wirken begannen, haben sie nur an eine alte Tradition angeknüpft, wenn sie neben manch anderen Kampfmitteln der alten Gesellen­ verbände auch die Fordemng des Arbeitsnachweises aufgriffen, Dieser historische Zusammenhang erklärt vielleicht auch, weshalb die 2*

20 Rolle des Arbeitsnachweises in Deutschland eine ganz andere geworden ist als in England, wo ja eine so ausgebildete Jnteressentmorganisation, wie die der deutschen Zunftzeit, fehlte. Die Anfänge der modernen Gewerkschaftsbewegung in Deutsch­ land fallen mit denen der modemen Arbeiterbewegung zrsammen. Schon in der Zeit der Lassalleschen Agitation, die ja Gewe:kschaften eigentlich nicht begünstigte, sehen wir vereinzelt berufliche Arbeiter­ verbände auftauchen; doch erst 1868, auf dem Berliner Arbeiter­ kongreß, entscheiden sich die Führer der politischen Bewezung für die Gründung von Gewerkschaften. Schon diese ersten Organisationen hatten die „Regelung der Arbeitsvermittlung durch Begründung eigener Arbeitsnachweisbureaus" vorgesehen. Eine große Wirksam­ keit konnte ihnen in diesen Anfangsstadien natürlich nicht beschieden sein; dafür sorgte schon die damals vorhandene Zersplittemng der politischen Arbeiterbewegung, die natürlich auch auf die bemflichen Vereinigungen zurückwirkte. Erst der Ausgleich zwischen bot beiden politischen Richtungen, der Lassaleaner und Marxisten, hätte auch die gewerkschaftliche Arbeit fördem können. Am 28. und 29. Mai 1875 wurde in Gotha im Anschluß an den Einigungskongreß der sozialistischen Parteien auch eine dcr Berei­ nigung geltende Gewerkschaftskonferenz abgehalten. Sie sctzte u. a. eine Kommission ein, die die Abhaltung eines allgemeinen Gewerk­ schaftskongresses vorbereiten sollte. Dafür war aber die nächste Zeit nicht geeignet. In verschiedenen Orten machte sich bei den Behörden ein Vorahnen des kommenden Sozialistengesetzes bemerkbar, das auch zu den ersten Maßregeln gegen die Gewerkschaften führte. Den Bestrebungen einiger Hamburger Gewerkschafter, vor allem der Redaktionsmitglieder des Gewerkschaftsblattes „Der Pionier", gelang es, eine abermalige Konferenz zu Gotha am 24. uni 25. Fe­ bruar 1878 zustande zu bringen, welcher die von demselben Blatte formulierten „Vorschläge zu einem Statut, betreffend Kartellverträge zwischen den deutschen Gewerkschaften behufs gegenseitiger Unter­ stützung" zur Beratung vorlagen. Diese Vorschläge bezweckten eine Vereinheitlichung der wichtigsten Aufgaben der Gewerkschaften. ($§ sollte die Agitation gemeinsam sein, das UnterstützungsVesen ge­ regelt werden; unter anderem wollte man gemeinsame Arbeits-

21 nachweise errichten. Der diesbezügliche Vorschlag (Pionier Nr. 8, vom 23. II. 1878) lautete: *) IV. Kartellvertrag. Errichtung gemein­ schaftlicher Arbeitsnachweise. „Um für die Mitglieder der sich durch Kartellvertrag vereinigten Gewerk­ schaften einen vorteilhaften Arbeitsnachweis zu errichten, find die an den einzelnen Orten befindlichen Mitglieder verpflichtet, diesen „Nachweis" nach Möglichkeit einzurichten. Die einzelnen Gewerkschaftsverwaltungen müssen sie zu diesem Unternehmen möglichst anspornen und unterstützen. In größeren Orten kann die Einrichtung des Arbeitsnachweises entweder immer für eine oder mehrere Korporationen geschehen. In kleinen Orten genügt ein Nachweis für alle Kor­ porationen. Die Gewerksgenossen verpflichten sich, den persönlichen Zuspruch um Arbeit bei den Fabrikanten, Meistern und Arbeitgebern zu unterlassen unv sich nur an den Arbeitsnachweis zu wenden, überhaupt den Anordnungen des Arbeitsnach­ weises zu folgen. Die Kartellkommission hat die Verpflichtung, von Zeit zu Zeit statistische Erhebungen über Arbeitsangebot und Nachfrage in den einzelnen Orten zu ver­ anstalten und die Resultate dieser Erhebungen in dem dazu bestimmten Organ zu veröffentlichen. Die nötige Einrichtung für die einzelnen Arbeitsnachweise — betreffend die statistischen Erhebungen — wird von den Kartellkommission getroffen."

Nach diesen Beschlüssen der Gothaer Konferenz wurde eine Vorlage ausgearbeitet, welche dem am 10. Juni 1878 beginnenden allgemeinen Gewerkschaftskongresse zu Magdeburg als Beratungs­ grundlage unterbreitet werden sollte. In der I. Abteilung war ein Normalstatut für die einzelnen Gewerkschaften gegeben, das im § 2, 4 die Arbeitsvermittlung durch Nachweisstellen vorsah. Die zweite Abteilung dieser Vorlage behandelte die Kartellverträge der deut­ schen Gewerkschaften und brachte in Kap. 5 den von der Konferenz zu Gotha angenommenen Kartellvertrag über Errichtung gemein­ schaftlicher Arbeitsnachweise im Wortlaut wieder. Doch zu dem geplanten Gewerkschaftskongreß sollte es nicht mehr kommen. Seine Abhaltung in Magdeburg wurde verboten, und auch in Hamburg, wohin er verlegt werden sollte, wurde er in letzter Stunde untersagt. Denn kurz vorher, am 2. Juni 1878, verübte Dr. Nobiling das Attentat auf den Kaiser, und damit war die Ursache zum Vorgehen gegen die *) Entnommen einem Artikel von A. Bringmann, Correspondenzblatt 1904, Seite 81.

22 Arbeiterbewegung gegeben. Auch die jungen Gewerkschafter blieben nicht verschont; bald waren sie alle von der Bildfläche verschwunden, zu langem, unfreiwilligem Schlafe verdammt. Das Sozialistengesetz galt bis zum Jahre 1890. Aber schm Mitte der achtziger Jahre entstand neues Leben in der beruflichen Organi­ sationstätigkeit. Die lokalen Vereinigungen waren nur vorübergehend zerstört, und bald bemühte man sich, ihre zentrale Zusammenfassung herbeizuführen. 1890 wurde eine oberste Zentralstelle in der noch heute bestehenden Generalkommission geschaffen und ihr als Aufgabe die Förderung des Gewerkschaftsgedankens zugewiesen. Das wich­ tigste Problem der damaligen Zeit war, die für die Verhältnisse passendste Organisationsform zu finden. 1891 trat die Generalkommission an die organisierte Arbeiterschaft mit einer Resolution heran, die die Grundzüge der künftigen Gewerkschaftsfonnen zu allgemeiner Beratung bringen sollte1). Grundlage der Organisation sollte der berufliche Zentralverein sein, zu dessen Aufgaben auch die Errichtung von Herbergen und Arbeitsnachweisen gehören sollte. Für die verwandten Berufszentralvereine war eine Zusammen­ fassung in Unionen vorgesehen, die dann in ihrem Bereich auch die den einzelnen Zentralvereinen zugedachten Aufgaben zentral führen sollten; unter anderem auch die Zusammenfassung der örtlichen Arbeitsnachweise. Diese Resolution wurde scharf kritisiert, und auch die geplante Organisierung der Arbeitsnachweise fand wegen der unvermeidlichen Kompetenzkonflikte, die zwischen Zentralvereinen und Unionen entstehen würden, viele Gegner. So kam es, daß der erste Gewerkschaftskongreß zu Halberstadt (1892) den Organisations­ entwurf der Generalkommission insofern umänderte, als er in erster Linie sich für die Jndustrieverbände erklärte und Unionen und even­ tuell Kartellverträge zwischen verwandten Berussvereinen nur als Übergang zum Jndustrieverband für erwünscht hielt. Beiden wies er als Aufgaben unter anderem auch die Zentralisation der Arbeits­ nachweise und Herbergen zu. Die auf dem Gebiete der Arbeits­ nachweisorganisation durch kartellierte Vereine und Unionen er­ zielten Erfolge scheinen aber nicht befriedigend gewesen zu sein, denn >) Korrespondenzblatt 1891, S. 43.

23 als 189$ die Schaffung der örtlichen Gewerkschaftskartelle ins Auge gefaßt vurde, stellte man ihnen als besondere Aufgabe die Regelung des Hebergswesens und des Arbeitsnachweises1). Heute wissen wir nur, daß weder die Gewerkschaftskartelle, noch die kartellierten Verbände imstande waren, gut arbeitende Nachweise zu schaffen und zu erhalten; meist blieb es bei mißglückten Versuchen. Das Schwer­ gewicht des gewerkschaftlichen Arbeitsnachweises lag und liegt heute noch beim einzelnen Verband, bzw. bei seinen Ortsverwaltungen. In Übereinstimmung mit den Halberstädter Beschlüssen war in alle Verbandsstatuten die Pflege der Arbeitsvermittlung aufgenomnen. Man kann die Statuten fast aller der Generalkommission angeschlossenen Verbände durchsehen und wird finden, daß stets die Regelung des Arbeitsnachweis- und Herbergswesens betont wird. Ob mn die Fassung lautet: Einführung von Arbeitsnachweisen, unentgcltliche Arbeitsvermittlung usw., immer wollte man eigene, vom Verband ausgehende und verwaltete Nachweise darunter ver­ standen wissen. An die Möglichkeit einer anderen Regelung, etwa an eine paritätische, dachten damals wohl nur wenige Gewerkschafter. Dies kam recht treffend zum Ausdruck auf dem Sozialen Kongreß, vom freien deutschen Hochsüft zu Frankfurt a. M. am 8. und 9. Ok­ tober 1893 veranstaltet^). Den Hauptpunkt der Verhandlungen bildete das Problem der Arbeitslosigkeit und dabei wurde zum ersten­ male auch die Frage der Arbeitsvermittlung eingehend vor der Öffentlichkeit erörtert. Die Gewerkschaften waren zahlreich vertreten; ihre Anschauungen brachte der Vorsitzende der Generalkommission, Legten, vor. Seine Ausführungen müssen hier skizziert werden, weil sie die erste Kundgebung der Gewerkschaften zur Arbeitsnachweisfrage darstellen. Ihre Grundlage hatten sie in der auch heute noch theo­ retisch aufrecht erhaltenen Überzeugung, daß die Arbeiter als Ver­ käufer der Ware Arbeitskraft allein über deren Verkauf zu verfügen hätten. Die Arbeitsvermittlung müßte daher ausschließlich in ihren Händen liegen. „Der Arbeitsnachweis den Arbeitern" war die Losung, ’) Correspondenzblatt 1893, S. 45. *) Arbeitslosigkeit und Arbeitsvermittlung, Bericht über den sozialen Kongreß in Frankfurt o. M. (1893), Berlin 1894.

24 die damals ausgegeben wurde und bis heute ihre agitatorische Kraft noch nicht ganz verloren hat. Die Durchführung der Arbeitsnachweis­ organisation sollte den französischen Arbeitsbörsen nachgebildet werden. Der Staat bzw. die Stadt hätte die erforderlichen Räum­ lichkeiten zu stellen und die Kosten zu tragen, die Arbeitsvermittlung selbst wäre aber von den Arbeiterorganisationen auszuüben. Keine Beteiligung sei den Unternehmem zuzugestehen, die von der Arbeits­ vermittlung direkt auszuschließen sind. Die damals im Entstehen begriffenen kommunalen Arbeitsnachweise (verwiesen wmde be­ sonders auf die Stuttgarter Vorschläge) wurden als Abschlagszahlung hingestellt, als Übergang zu der eben geforderten gewerkschaft­ lichen Arbeitsbörse, vor ihrer Überschätzung aber ausdrücklich ge­ warnt. Und dieselben Akkorde tönten bei der nächsten Gewerkschafts­ kundgebung in dieser Frage wieder, beim II. Kongreß der Gewerk­ schaften Deutschlands, abgehalten zu Berlin vom 4. bis 8. Mai 18961). Hier brachten die deutschen Gewerkschaften durch ihr höchstes Organ, den Kongreß, ihre Stellung in der Arbeitsnachweisfrage zum Aus­ druck. Diese stand unter dem Titel: „Die Arbeitsvermittlung als gewerkschaftliche und kommunale Einrichtung" auf der Tagesordnung. Referent war A. v. Elm. Er schloß sich im wesentlichen den bereits angedeuteten Ausführungen Legiens auf betn Sozialen Kongreß zu Frankfurt a. M., sowie den Verhandlungen auf dem Jntemationalen Arbeiterkongreß in Zürich 1893 an. „Die Arbeitsnachweise den Gewerkschaften" war auch hier das Losungswort. Mit großer Schärfe wandte sich der Kongreß gegen jeden Versuch, die Arbeiterschaft durch paritätische, kommunale Ar­ beitsnachweise von ihrem Standpunkt abzulenken. Am besten sind diese Tendenzen der vom Kongreß mit großer Mehrheit angenomme­ nen Resolution Elms zu entnehmen; diese lautet: „Grundsätzlich abzulehnen ist jede Erwägung der Möglichkeit einer gemeinsam geführten Arbeitsvermittlung zwischen Arbeiter und Arbeitgeber. Der natur-

*) Protokoll der Verhandlungen des zweiten Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands, Hamburg, Verlag der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. 00

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176 73 66 28 94 n 40 28 270 64 106 56

Die Branchennachweise zählten im III. Quartal 1909: Arbeitsuchende...................................................... 313 gemeldete offene Stellen....................................369 besetzte Stellen...................................................... 135 Bei den berichtenden Gauarbeitsnachweisen waren die entsprechenden Zahlen für das III. und IV. Quartal 1909 Michaile, ArbeUSnachweiS.

8

114 Arbeitsuchende.................................................... 361 gemeldete offene Stellen....................................382 besetzte Stellen.................................................. 84. Das sind für diese Organisation weniger als bescheidene Erfolge. Es wird wohl jahrelange Mühe und, wie es in einem Artikel des „Textilarbeiter" heißt, „dem Verbände ein ganz schönes Stück Geld" kosten, sollte etwas einigermaßen Befriedigendes erreicht werden. Gern würde daher der Verband zur Errichtung paritätischer Fach­ arbeitsnachweise seine Hand bieten, aber hier wie in den anderen Großindustrien scheitert diese Bereitwilligkeit an dem Bestreben der Unternehmerverbände, ihre einseitigen Nachweise zur unum­ schränkten Herrschaft zu bringen. Eher ist die Möglichkeit, zu pari­ tätischen Facharbeitsnachweisen zu kommen, in den mehr handwerks­ mäßig arbeitenden Berufszweigen der Textilindustrie gegeben. In Betracht kommen vor allem die Posamentierer, für welche in Ham­ burg ein paritätischer Nachweis geplant ist. Dort war für diesen Beruf schon eine tarifliche Regelung durch Anerkennung des gewerk­ schaftlichen Nachweises vorhanden; neben der für die Berliner Deko­ rateure ist sie die einzige in der ganzen deutschen Textilindustrie. Aber für die leichter ersetzbaren und weniger gut organisierten Arbeiter der anderen Branchen sind paritätische Fachnachweise noch in ziem­ licher Ferne. Auch die städtischen Nachweise, die heute höchstens in Württemberg und in Hannover benutzt werden, können nach der in Berbandskreisen maßgebenden Ansicht die erwünschte Besserung nicht bringen.

6. Handel und Verkehrsgewerbe. Deutscher Transportarbeiter-Verband (Sitz Berlin). Das Verkehrsgewerbe—mit Ausnahme des Post-, Telegraphenund Eisenbahnbetriebes, dessen Angestellte vorerst als Mitglieder einer freien Gewerkschaft kaum in Frage kommen — umfaßt nach der letzten Berufszählung 242 148 Arbeitnehmer. Rechnen wir noch die Handelshilfsarbeiter (Stauer, Schauerleute, Packer, Sackträger usw.) mit 43 000 dazu, so ist mit etwa 300 000 Berufsangehörigen

115 das Rekrutierungsgebiet des Transportarbeiterverbandes in seiner neuen Gestalt gegeben. Bisher kamen für die im Transportgewerbe Beschäftigten drei freie Gewerkschaften in Frage, von denen 1908 der Deutsche Transportarbeiterverband 88 000, der Verband der Hafenarbeiter 24000 und der Zentralverband der seemännischen Arbeiter 7500, die drei Verbände zusammen also 120 000 Mitglieder vereinigten. Am 1. Juli 1910 treten die Verschmelzungsbeschlüsse in Kraft, und der neue „Deutsche Transportarbeiterverband" wird mit über 130000 Mitgliedern seine weitere Laufbahn beginnen. Da es sich bei der Mehrzahl der Mtglieder um ungelernte oder doch nur angelernte Arbeiter handelt, und für diese die Arbeitsver­ mittlung als leicht und einfach gilt, müssen die Resultate der gewerkschaftlichen Vermittlungstätigkeit, vor allem des Transportarbeiter­ verbandes, besonders interessieren. Es sei gleich vorweg festgestellt, daß die Erfolge keine schlechten sind. Dies mag aber nicht nur daran liegen, daß es sich um Vermittlung ungelernter Arbeiter handelt, sondern auch an der mangelhaften Entwicklung der beruflichen Arbeitgeberverbände und an dem Streben des Verbandes nach Er­ richtung eigener Nachweise. Die Nachweise des Transportarbeiter­ verbandes kommen in ihrer Tendenz, soweit dies unter den heutigen Verhältnissen überhaupt möglich ist, den 1896 erstrebten Gewerk­ schaftsnachweisen ziemlich nahe. Damals hieß es: „Der Arbeits­ nachweis gehört den Arbeitem, weil sie die Verkäufer der Arbeits­ kraft sind und daher, wie alle anderen Warenverkäufer, das Recht haben müssen, den Preis ihrer Arbeit zu bestimmen." Derselbe Gesichtspunkt beherrscht die Nachweise der Transportarbeiter. Ihr Hauptstreben geht dahin, bei jeder Vermittlung bessernd auf die Arbeitsverhältnisse, besonders auf die Anfangslöhne zu wirken. Dies wird ganz systematisch gehandhabt, und der Verband schreibt viele Erfolge in der Lohnverbesserung und Kürzung der Arbeitszeit dieser Funktion seiner Nachweise zu. In Verbindung mit der Arbeitslosen­ unterstützung verhindern sie, da sie für Berbandsmitglieder meist obligatorisch sind, die Arbeitsannahme zu jedem Preis und tragen in ungünstigen Zeiten viel zur Sichemng der bereits errungenen Position bei. Der Verband unterhält in einer Reihe von Städten gut geleitete und gut funktionierende Nachweise. Bon 25 von uns 8*

116 befragten füllten 17 den Fragebogen aus. Für diese stellt sich das Resultat auf: 16 896 Arbeitsuchende, 18 982 gemeldete offene Stellen, 15 992 besetzte Stellen. Da der Verband in seinen Jahrbüchern sehr gut bearbeitete Berichte über die Entwicklung und Tätigkeit seiner Arbeitsnachweise, sowie über die Arbeitsnachweisftage im allgemeinen bringt, sind wir leicht in der Lage, die nötigen Ergänzungen zu unserer Umfrage zu geben1). Am Schlüsse des Jahres 1910 bestanden in 20 Städten 21 Arbeits­ nachweise, bei welchen sich 1910 25 801 arbeitslose Verbandsmit­ glieder meldeten; die Zahl der gemeldeten Stellen betrug 39 764, von denen 33 885 besetzt wurden. Die 21 Nachweise befanden sich in folgenden Städten: Berlin (19 462), Bremen (39), Breslau (543), Chemnitz (156), Dresden (528), Elberfeld-Barmen (50), Frankfurt a. M. (99), Görlitz (8), Halle (111), Hamburg (2 Nachweise 11302), Hannover (28), Jena (1), Köln (43), Königsberg (34), Leipzig (691), Magdeburg (619), Mannheim (41), München (79), Spandau (22), Stettin (9). Ihre Bedeutung ist nicht überall gleich. Auf Berlin entfielen 57,4% der besetzten Stellen, auf Hamburg 33,4%, zusammen 90,8% der Vermittlungen, so daß die übrigen Orte mit einer sehr geringen Ziffer beteiligt sind. Auch ist das starke überwiegen der Aushilfen mit 69,5% bemerkenswert, während die festen Stellungen nur 30,5% der besetzten Stellen ausmachen. Die festen Stellungen gehen immer mehr zurück; tatsächlich wurden von den Arbeitern die besser bezahlten Aushllfen den schlecht entlohnten festen Stellen vorgezogen, denn von den gemeldeten 15 450 festen Stellen konn­ ten nur 10 320, von den 24 314 gemeldeten Aushilfsstellen aber 23565 besetzt werden. Die Beteiligung der verschiedenen Branchen an der Vermittlungstätigkeit der Nachweise im Jahre 1910 zeigt diese Tabelle: ]) Jahrbuch, herausgegeben vom Berbandsvorstand, Berlin, Verlags« anstatt „Courier".

117 Branchen Hausdiener und Packer ........................... Kutscher und Fuhrleute........................... Speditions- u. div. Transportarbeiter— Fensterputzer............................................. Lauf- und Arbeitsburschen....................... Arbeiterinnen...........................................

Gemeldete Stellen Besetzte Stellen % 7 49,8 52,1 6,9 8,0 26,4 28,1 2,8 3,1 12,4 9,3 0,6 0,5

.

Dem Jahrbuch 1910 entnehmen wir noch zwei Zusammen­ stellungen, die sich auf eine lange Reihe von Jahren erstrecken und deshalb besonders interessant sind. Die Frequenz der Verbandsnachweise gestaltete sich seit 1899 folgendermaßen:

Jahr

Arbeitslos meldeten sich

1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910

879 1624 3 799 4 430 5 213 6 655 8 928 9 420 15 226 18 957 22 309 25 801

Gemeldete Stellen 1573 3185 3 721 5 314 7 424 7 747 10 906 12 784 21 748 19 549 27 955 39794

Besetzte Stellen 932 2 042 2 616 3 899 4 874 4 822 6 605 7 910 16 242 16 438 23 869 33885

Prozent der gemeldeten Stellen 59,2 64,1 70,3 73,3 65,7 62,2 60,6 61,9 74,7 84,1 85,5 85,1

Wir sehen hier in den Krisenjahren die höchsten Prozentsätze der vermittelten Stellen, weil das Angebot von Arbeitskräften hoch genug ist, um jeder Nachfrage zu genügen; auch sind die Arbeitnehmer leichter geneigt, Stellen anzunehmen, die ihnen in günstigeren Zeiten kaum zugesagt hätten. Auffallender noch ist das rasche Wachsen der Zahlen seit 1907. W mag dies auf das immer stärker werdende Vordringen der Verbandsnachweise zurückzuführen sein. Vom Han­ delsgewerbe der Großstädte sind sie allgemein anerkannt, und im Transportgewerbe haben sie in den letzten Jahren ziemlich an Boden gewonnen. Bei den Tarifabschlüssen wird immer auf die Anerkennung und Benutzung des Berbandsnachweises Wert gelegt. Merdings

118 sind die Tarife größtenteils nur mit einzelnen Firmen vereinbart. Eine Ausnahme bildet der Genossenschaftstarif, abgeschlossen zwischen dem Zentralverbande deutscher Konsumvereine und dem Deutschen Transportarbeiterverband. In seinem Punkt 9 heißt es: „Bei Neueinstellung von Arbeitskräften wird der Arbeitsnachweis des Deutschen Transportarbeiter-Verbandes bezw. dessen Zentralarbeits­ nachweis benutzt, so weit derselbe in der Lage ist, geeignete Arbeits­ kräfte nachzuweisen." Während also die Nachweise lokal wirken, besteht für die Genossenschaftsarbeiter ein zentralisierter Nach­ weis. Auch die folgende Tabelle, die aufzeigt, in welchem Grade die Arbeitsbedingungen, zum Teil eben durch die Wirksamkeit der Nachweise, verbessert wurden, ist bemerkenswert. Die Zusammenstellung ist auf Gmnd einer sehr genauen Statistik der Arbeitsnachweise gemacht und dem Jcchrbuch entnommen. " ' 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910

Durchschnittswochenlohn Mark 17,30 17,70 18,10 18,15 20,35 20,85 21,71 22,44 23,35 24,30 24,25 24,95

Durchschnittsarbeitszeit in Stunden '

— —

12,5 11,8 11,3 11,0 11,1 10,6 10,1 9,9 9,9 9,8

Die Tabelle zeigt ein stetiges Steigen des Lohnes und einen gleichmäßigen Rückgang der täglichen Arbeitszeit bis zum Jahre 1909, wo durch die Marktverhältnisse eine weitere Berbessemng auf­ gehalten, jedoch auch eine nennenswerte Verschlechterung verhin­ dert wurde. Die Bedeutung der Nachweise der Transportarbeiter, deren gewerkschaftliche Funktion klar aus der letzten Übersicht hervorgeht und gewiß von Wichtigkeit ist, dürfen wir aber als Bermittlungs-

119 stellen trotz alledem nicht zu hoch veranschlagen. Für die Mitglieder mögen sie an einigen Plätzen alle Arbeit nachweisen, aber besonders für die Unorganisierten finb sie nicht ausschlaggebend. Da teilen sich noch die Umschau, das Inserat, für einige Schichten auch die gewerbs­ mäßige Stellenvermittlung in die Arbeitsvermittlung. Sicher ist, daß die städtischen Nachweise für einige Kategorien dieses Berufes die Vermittlung besorgen, wenn es auch an Anhaltspunkten, in welchem Maße dies geschieht, zurzeit noch mangelt. Auch dürfte sich der Transportarbeiterverband gegen die Tätigkeit der städtischen Nachweise ablehnend verhalten. Nur in Frankfurt a. M. und Stutt­ gart wird die Vermittlung vom Städtischen Arbeitsamt besorgt. Neuerdings soll sich auch im Zentralverband der Arbeitgeber für das Handels-, Transport- und Verkehrsgewerbe das Bestreben bemerkbar machen, durch eigene Nachweise die des Transportarbeiterverbandes auszuschalten. Da es in absehbarer Zeit zur Einführung von pari­ tätischen Facharbeitsnachweisen kaum kommen dürfte, legt sich der Verband mit aller Kraft auf den weiteren Ausbau seiner Nachweise, um in den kommenden Kämpfen um den Arbeitsnachweis gerüstet zu sein. Im Zusammenhang mit dem Transportarbeiterverband sollen noch die Seeleute und die Hafenarbeiter behandelt werden, die bisher in selbständigen Verbänden organisiert, sich aber seit 1. Juli 1910 mit den Transportarbeitern zu einem „Deutschen Transport­ arbeiterverband" vereinigt haben. Für die Seeleute kommen heute in der Hauptsache zwei Arbeitsvermittlungsarten in Betracht: die Heuerbureaus der Reeder und die gewerbsmäßige Stellenvermittlung der Heuerbase1). Über die schlimmen Mißstände in der letzteren wurden seit jeher von den Seeleuten laute Klagen erhoben, und sie werden wohl nicht ver­ stummen, solange die „Landhaie" chr Unwesen tteiben können. Seit den neunziger Jahren, besonders aber nach Erlaß des Stellenvermitt­ lergesetzes für Schisfsleute von 1902, ergaben sich ganz interessante *) Über diese Entwicklung s. Ludwig, Der gewerbsmäßige Arbeitsnachweis, S. 85—105; ferner Paul Müller, Die Nebengesetze zur neuen Seemannsordnung, Korrespondenzblatt 1902, S. 465.

120 Umgestaltungen. Es entstanden die einseitigen Heuerbureaus ein­ zelner Reeder, bezw. ihrer Vereinigungen, und diese haben ganz wesentlich zur Eindämmung der Zahl und Bedeutung der Heuerbase beigetragen. Mit dem Tage, an welchem das genannte Gesetz in Kraft trat, zeigte sich eine neue, wohl nicht geahnte und gewünschte Erscheinung, nämlich, daß viele Heuerbasen ihren selbständigen Gewerbebetrieb aufgaben, aber als Angestellte der Reeder ihn weiter­ führten und dadurch der polizeilichen Kontrolle entschlüpften. Heute beherrschen die Heuerbureaus der Reeder weitaus den Arbeitsmarkt. Nach einer Zusammenstellung über die Arbeitgebemachweise im Reichsarbeitsblatt kommen z. B. in Hamburg folgende Heuer­ bureaus in Betracht: besetzte Stellen

1908

Hamburg-Amerika-Linie (Heuerbureau und Stauereibetrieb).............................................................................. 21885 Verein Hamburger Reeder................................................ 20 891 Zentralheuerstelle des Arbeitgeberverbandes für Binnen­ schiffahrt und verw. Gewerbe (Hamburg)............. 9 073

1910 28639 23196 1 054

Die Heuerbureaus des Bremer Reedervereins in Bremen und Bremerhaven haben 1909 5921 Anheuemngen vorgenommen. Diesen Zahlen gegenüber sind die Vermittlungen der Heuerbase bedeutend zurückgeblieben und dürften mit der Zeit ganz ausge­ schaltet werden. Für die Seeleute bedeutet dies aber keinen Ge­ winn, denn sie sind den gewerbsmäßigen Stellenvermittlern insofern gleichzustellen, weil sie von den Seeleuten Heuergebühren von ganz beträchtlicher Höhe erheben. Deshalb verlangen die Arbeiter für die Heuerbureaus eine straffe behördliche Kontrolle unter Mit­ wirkung der Seeleute selbst. Auch wäre die behördliche Kontrolle auf Grund des § 15 des neuen Stellenvermittlergesetzes zu empfehlen. In noch weiterer Ferne sind aber die paritätischen Nachweise, die sowohl die Seeleute als auch die Hafenarbeiter fordern. Dieser Forderung stehen aber die Großreeder vollständig ablehnend gegen­ über, obgleich, wie Ludwig (S. 104) hervorhebt, hervorragende Fachleute durchaus nicht an der Durchführbarkeit der Schaffung allgemeiner paritätischer Arbeitsnachweise für Seeleute zweifeln, — „sofern die Reedereien für den Gedanken gewonnen würden".

121 Der Zentralverband der seemännischen Arbeiter Deutschlands unterhält nur einen Stellennachweis, und zwar in Stettin. Der­ selbe besteht seit 1. September 1905, wird hauptamtlich Bon einem Verbandsbeamten geführt und erhebt zur Deckung der Unkosten eine Einschreibegebühr von 1 Mk. Seine Tätigkeit, die sich über fast sämtliche Häfen der Ostsee erstreckt, ergibt folgende Übersicht: Eingeschrieben Gemustert 1907 1907 1906 1906 1908 1908 Deckpersonal............ 1628 1427 1521 1231 1541 1339 1125 Maschinenpersonal... 1492 1462 1391 1263 1285 Bedienungspersonal.. 444 312 264 191 398 289 2547 Summe .. 3564 3401 3001 3224 2666 Eine gewisse Ähnlichkeit weisen die Verhältnisse der Arbeits­ vermittlung für die Hafenarbeiter auf. Hier entstanden, insbesondere nach dem Hamburger Hafenarbeiterstreik, Arbeitgeber­ nachweise, die heute den Arbeitsmarkt des Hafens nahezu unum­ schränkt beherrschen. Für den Stauereibetrieb und die Vermittlung von Kaiarbeitem führt die Zusammenstellung des „Reichsarbeits­ blattes" folgende Nachweise auf: besetzte Stelle» 1908 1910 Hafenbetriebsverein in Hamburg ........................... 123 785 236 935 Hafenbetriebsverein (Kaibetriebe)............................. 18 492 Verein der Hamburg-Altonaer Ewerführerbaase von 1874 ................................................................. 5082 6 515 Arbeitgeberverband „Lagerei", Bremerhaven............ 3859 2906 Auch hier derselbe Kampf der Hafenarbeiter gegen diese Nachweise, vor allem gegen den des Hafenbetriebsvereins, wie wir ihn bei den Seeleuten gegen die Heuerbureaus der Reeder gesehen haben. Auch hier dieselbe Forderung nach Mitwirkungs- und Aufsichtsrecht seitens der Organisationen mit derselben geringen Aussicht auf baldige Verwirllichung. Eigene Nachweise hat der Verband der Hafen­ arbeiter und verrv. Berufsgenossen Deutschlands bei dieser Sachlage nicht zu gründen vermocht, wenigstens keine von nennens­ werter Bedeutung. Wohl bestehen einige Ansätze dazu, z. B. in Berlin, und der Verband hofft, durch seine Bereinigung mit den Transportarbeitern mit neuen Kräften an die Lösung dieser Aufgabe herantreten zu können.

122 7. Fabrikarbeiter. Verband der Fabrikarbeiter Deutschlands (Sitz Hannover). Dieser Verband bildet das Sammelbecken für alle Arbeiter und Arbeiterinnen, die man gewöhnlich als die ungelernten zu bezeichnen pflegt und die, in den verschiedenartigsten Fabriken allermodernster Charakters beschäftigt, keinen rechten Zusammenhang mit den älteren Berufsorganisationen haben. Hier spielt das Fachmoment keine große Rolle, daher waren auch die Fabrikarbeiter mit die ersten, die sich zur Benutzung der städtischen Arbeitsnachweise entschlossen. Aus diesem Grunde ist die Entwicklung eigener Nachweise sehr zurück­ geblieben, und sie beschränken sich in der Hauptsache auf: Dresden (41), Frankfurt a. M. (185) und Hamburg (158), die 1908: 2858 Arbeit­ suchende, 476 offene Stellen und 384 Stellenbesetzungen meldeten. An das Reichsarbeitsblatt berichtet noch ein Nachweis des Verbandes aus Nürnberg. Eine tarifliche Anerkennung haben sie nur in Ham­ burg in einigen Firmentarifen gefunden. Für die auf Holzplätzen beschäftigten Arbeiter ist daselbst eine gewisse Zentralisierung ge­ troffen, da im Verwaltungsbezirk der Zahlstelle drei Melde- und Ar­ beitsnachweisstellen eingerichtet sind, die telephonische Verbindung mit der Zentralstelle haben. Mehr wäre über die Verbandsnachweise kaum zu berichten; in allen übrigen Orten werden von den Verbands­ mitgliedern die städtischen Nachweise benutzt. Es soll aber noch einiges über die Arbeitsvermittlung bei den Zieglern mitgeteilt werden, die auch in den Agitationsbereich des Verbandes fallen. Sie geschieht int wesentlichen durch die Agenten in Breslau, Posen Berlin, Hamburg usw. Diese besorgen galizische, russische, polnische, böhmische und ostdeutsche Arbeiter. Eine eigenartige Erscheinung bilden die Verhältnisse bei den lippischen Zieglern1). Dort erließ der Landtag bereits 1851 ein Zieglergesetz, in dem der Versuch einer Organisation der Ziegler auf staatlicher Grundlage gemacht wurde. Auch die Arbeitsvermittlung wurde durch staatlich angestellte ZieglerAgenten geregelt. Dieses Gesetz verschwand aber 1869 mit Erlaß der Gewerbeordnung und damit auch all die geschaffenen Einrich’) Arbeitsmarkt 173, „Die Stellenvermittlung im Zieglergewerbe": Arbeits­ markt II 104, Lippische Ziegler; Arbeitsmarkt XIV., Nr. 8.

123 hingen. In Lippe, das etwa 5% der in Deutschland beschäftigten Ziegeleiarbeiter stellt, geht heute die Arbeitsvermittlung folgender­ maßen vor sich1). Von Weihnachten ab versammeln sich die lippischen Ziegler olle Sonntage mittags auf den Marktplätzen der Orte: Detmold, Lage, Lemgo, Blomberg und Schötmar. Sie kommen zu Fuß und per Bahn aus allen Teilen des Ländchens. Ebenso auch die Zwischenunternehmer (Ziegelmeister), die sich hier ihren Bedarf an Arbeitskräften für die kommende Kampagne decken. Die Ver­ mittlung des „Gewerkvereins der Ziegler in Lippe"2), der 1895 gegründet wurde und seit 1899 einen Arbeits- und Stellennachweis für Meister und Ziegler besitzt, ist nach Angabe des Herm Berg sehr minimal. Dasselbe trifft auch für den Verband der Fabrikarbeiter zu, mit Ausnahme einzelner Orte, wo er int Tarifverhältnis mit den Ziegeleibesitzern steht. Der Verband trägt sich aber mit dem Ge­ danken, nach seiner größeren Ausbreitung unter den Zieglern an ein­ zelnen Grenzstationen für die fremden Arbeiter Auskunftsbureaus, verbunden mit Arbeitsvermittlung, zu errichten, um dem Agentenwesen das Handwerk zu legen.

8. Industrie der Steine und Erden. Zentralverband der Glasarbeiter und -arbeiterinnen Deutschlands (Sitz Berlin). Die^rund 75 000 im Berufe beschäftigten Arbeitnehmer sind bei der Arbeitsvermittlung zum überwiegenden Teil auf das Um­ schauen und Inserieren angewiesen. Der einzige berufliche Nachweis von Bedeutung ist der des Verbandes der Flaschenindustriellen mit der Zentrale Hamburg für ganz Deutschland3). Er wurde nach einem ') Die betreffende Auskunft ist dem Agitationsleiter des Verbandes der Fabrikarbeiter unter den Zieglern, Herrn Chr. Berg in Hannover, zu verdanken. Die Geschäftsführung des „Gewerkvereins der Ziegler in Lippe" scheint prinzipiell jede Auskunft zu verweigern. *) Über diese Organisation s. Kulemann, Berufsvereine III. Bd., S. 308. *) Berichte über seine Tätigkeit waren von der Geschäftsführung nicht erhältlich, da sie nur an Mitglieder abgegeben werden.

124 Lohnkampfe vom Jndustriellen-Berband errichtet und mit aller Energie zur Geltung gebracht. Seine scharfe Handhabung gibt der Arbeiterschaft seit vielen Jahren Anlaß zu beständigen Klagen. Nach Mitteilungen des Hauptvorstandes sollen die Maßregelungen durch den Nachweis so weit gehen, daß „eine große Zahl Arbeiter in Deutsch­ land überhaupt keine Arbeit mehr fand und ins Ausland getrieben wurde. Die Organisation mußte auch dadurch lange und hohe Unter* stützungen zahlen". Durch städtische Nachweise wird nach derselben Mitteilung überhaupt kein Glasarbeiter vermittelt; sie werden wohl auch in Zukunft kaum in Betracht kommen, da sich fast alle Glasfabriken an ganz Keinen Orten befinden. Um eine Regelung der Arbeitsvermittlung und zugleich eine Abwehr des Arbeitgebernachweises zu erzielen, faßte die sechste Generalversammlung des Zentralverbandes der Glasarbeiter, Dres­ den 1903, folgende Resolution: „Eins der wertvollsten Mittel zur Hebung unserer Lage ist die gewerk­ schaftliche Arbeitsvermittlung............ Die Einrichtung der Arbeitsnachweise hat jedoch auf paritätischer Grundlage zu erfolgen............ Nur auf dieser Basis lassen sich für beide Teile nennenswerte Erfolge erzielen. Die Verwalter des Arbeits­ nachweises müssen es jedoch als ihre vornehmste Aufgabe betrachten, in erster Linie organisierte Kollegen vom Ort und dann erst von außerhalb zu vermitteln. Wir sind deshalb für die Errichtung eines Arbeitsnachweises auf paritätischer Grundlage, weil der gegenwärtig von den Industriellen in der Flaschenbranche bestehende Arbeitsnachweis kein Arbeitsirachweis, sondern ein Maßregelungs­ bureau ist, das jeder gerechten Vermittlung Hohn spricht".

Es ist nicht zu ersehen, wie weit die Parität bei diesen „gewerk­ schaftlichen" Nachweisen gehen soll. Jedenfalls erfreuen sich die ge­ forderten Nachweise auf paritätischer Grundlage heute noch keiner großen Verbreitung. Ausgehend von dem alten Grundsatz, daß bei der Vergebung der Arbeitskraft nur der Arbeiter selbst zu ver­ fügen hat, legt man im Verband wieder das Schwergewicht auf die Errichtung eigener Nachweise. Auch glaubt man dadurch am besten den Maßregelungen seitens der Industriellen vorbeugen zu können. So entstanden, meist erst in den letzten Jahren, in einer ganzen Reihe von Zahlstellen Arbeitsnachweise; nach dem in jeder Nummer der Fachzeitung veröffentlichten Verzeichnis sind es jetzt 44. Diese wurden bei der Enquete beftagt, doch antworteten nur 18 davon.

125 Darunter hatten zwei: Finkenherd und Senftenberg, keine eigent­ lichen Nachweise. Einer, Deuben bei Dresden, war paritätisch und hatte 142 Arbeitsuchende, 29 offene Stellen und ebensoviel Be­ setzungen zu verzeichnen. Einen paritätischen Fachnachweis hat auch Berlin. Die anderen 15 Nachweise waren solche des Zentralverbandes und hatten 1908 folgende Tätigkeit zu verzeichnen: Arbeitsuchende offene Stellen besetzte „

639, 384, 301;

sie verteilen sich auf folgende Orte: Dresden (32), Frankfurt a. M. (6), Fürth (66), Hamburg (22), Langewiesen (3), Liebau (46), Mün­ chen (19), Ottendorf (1), Porta, Stuttgart (6), Weißwasser (71), Döhlen (3), Groß-Räschen, Ilmenau (35). Nachweise dürften außer­ dem noch an folgenden Orten bestehen: Brühl, Dohma bei Pima, Döbern, Geschwenda i. Th., Hannover-Linden, Leipzig, Lünen, Penzig, Rauschn, Sörnewitz, Wirges (Westerwald), Zerbst u. a. Ihre Bermittlungstätigkeit bewegt sich bei den meisten in sehr be­ scheidenen Grenzen; von den berichtenden Nachweisen erreichte Weih­ wasser mit 71 besetzten Stellen die Höchstzahl. Sie werden von den Bevollmächtigten (Vorsitzenden) geleitet, mitunter noch mit einigen Beisitzern. Die Organisation ist äußerst einfach. Können sie den am Orte gestellten Anfordemngen nicht genügen, so inserieren sie im Verbandsorgan „Der Fachgenosse". Diesbezügliche Inserate sind nach § 25,3 des Statuts unentgeltlich aufzunehmen, sofern die­ selben vom Vertrauensmann gestempelt sind. Aus den Berichten, die allerdings nur über einen Teil der bestehenden Nachweise Aus­ kunft geben, hat man den Eindmck, daß sie unbedeutend sind im Verhältnis zu der großen Zahl der Berufsangehörigen und der Ver­ bandsmitglieder, die 1908 die Höhe von 16 859 erreichte. Es mag dies zum Teil darin begründet sein, daß die Benutzung von seiten der Fabriken alles zu wünschen übrig läßt. Es kamen Fälle vor, wo zur Zeit des Mangels an Arbeitskräften Nachweise direkt auf Wunsch der Unternehmer errichtet wurden; als sich dann die Kon­ junktur änderte und Arbeitskräfte genügend vorhanden waren, wiesen die Fabriken die Angebote des Nachweises zurück und stellten Leute

126 ein, die ihren Wünschen mehr entsprachen. Tarifverträge sind noch selten; nach den Angaben des Hauptvorstandes sind solche für Berlin, Hamburg und Leipzig abgeschlossen, auch ist eine paritätische ArbeitsVermittlung daselbst vereinbart. Praktisch von Bedeutung ist aber nur der paritätische Facharbeitsnachweis in Berlin, der sich in zu­ friedenstellender Weise bewähren soll. An allen anderen Orten, wo ein paritätischer Nachweis vereinbart wurde — hierher gehört noch z. B. Sömewitz — wird er von den Arbeitgebern umgangen. Bei dieser Sachlage ist es erklärlich, wenn der Vorstand des Verbandes eine gesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises für dringend erfor­ derlich hält; schrieb er uns doch, daß „das Vorgehen der Flaschenin­ dustriellen geradezu gefährlich für die Arbeiter wurde und ganz be­ sonders über unorganisierte Arbeiter, wenn sie auf die schwarze Liste gesetzt wurden, Not und Elend in der schärfsten Weise mit sich brachte". Hier sei ein Versuch einer internationalen monatlichen Arbeits­ marktberichterstattung bei den Glasarbeitern vermerkt, deren Ein­ führung 1903 von einer internationalen Konferenz beschlossen wurde. Sie sollte fortlaufend ein zuverlässiges Bild über die Zahl der in den einzelnen Staaten und Organisationsbezirken vorhandenen arbeitslosen Glasarbeiter, sowie der frei gewordenen oder neu zu besetzenden Arbeitsstellen geben. In den einzelnen Staaten sollte die Aufnahme der Berichterstattung in der Hand des internationalen Vertrauensmannes liegen, dem die betreffenden Daten von den lokalen Vertrauensleuten übermittelt werden sollten. Über die Durch­ führung dieses Planes ist nichts bekannt geworden.

Verband der Porzellan- und verwandten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands (Sitz Lharlottenburg). In diesem Verbände waren 1908 etwa 13 000 Berufsangehörige organisiert. Obzwar die Generalversammlung des Verbandes be­ reits 1896 beschlossen hatte, in jeder Zahlstelle einen Arbeitsnach­ weis und beim Vorstand außerdem eine Zentralstelle für Arbeits­ vermittlung zu errichten, bestanden 1908 nur zwei funktionierende lokale Arbeitsnachweise in Berlin und in Frankfurt a. M. Mt größerem

127 Erfolge arbeitete aber nur der Berliner, der bei 343 Arbeitsuchenden von 417 offenen Stellen 344 durch den Nachweis besetzen konnte. In Frankfurt war das Resultat gering; bei 17 Arbeitsuchenden und 13 offenen Stellen konnten 11 Vermittlungen erzielt werden. Zu­ sammen ergaben sich 355 durch die Nachweise besetzte Stellen. Von Interesse sind die ziemlich gleichlautenden Bestimmungen über den Arbeitsnachweis. Derselbe vermittelt für Maler und Malerinnen des Kunstgewerbes (auf Papier, Seide, Leder, Linkmsta, Zelloloid, Elfenbein, Holz, Blech, Glas, Emailschilder, Porzellan, Apotheker­ standgefäße, Terrakotta usw.), also nicht, wie man annehmen könnte, für Arbeiter in der Porzellanindustrie, sondern nur für Maler. Die Vermittlung ist kostenfrei, jedoch wird in Berlin nur an Berbandsmitglieder vermittelt und eine Ausnahme nur zu Agitationszwecken gemacht, indem auch weiblichen Unorganisierten Arbeit nachgewiesen werden kann. Das persönliche Anfragen auf den Werkstätten ist nicht gestattet und können Stellungen, die durch Annonce erlangt werden, nur mit Genehmigung des Arbeitsvermittlers angenommen werden. Zuwiderhandelnden wird, falls sie in solchen Stellungen arbeitslos werden, keine Unterstützung gezahlt, eventuell kann Antrag auf Aus­ schluß aus dem Verbände erfolgen. Auch müssen Mitglieder, die Heimarbeit betreiben wollen, nach dem Frankfurter Statut erst die Zustimmung des Arbeitsnachweises einholen. Ml diese Bestimmungen sind genau einzuhalten, um dem Arbeitsnachweis Einfluß auf die Regelung der Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. Jedes im Nachweis sich meldende Mtglied hat die vorzulegenden arbeitsstatistischen Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Werden durch die Er­ gebnisse dieser Antworten oder durch andere Ermittlungen einzelne Malereien als besonders ungünstig bekannt, so hat der Arbeitsnach­ weisverwalter resp. die Lohnkommission hierzu Stellung zu nehmen. Aber auch in Orten ohne Nachweis wird auf diese Einflußnahme Gewicht gelegt, und die Berbandsmitglieder werden angehalten, sich vor der Arbeitsannahme in solchen Orten bei der Zahlstelle zu erkundigen. Diesem Zwecke dient die Rubrik „Arbeitsmarkt" im Berbandsorgan „Die Ameise", in der eventuell angezeigt wird, daß offene Stellen im betteffenden Orte nicht vorhanden, Arbeits­ angebote deshalb zu vermeiden sind.

128 Die Steinarbeiter, bezw. deren Organisation, derZentralverband der Steinarbeiter Deutschlands (1908: 18 000 Mitglieder), hat nicht eine einzige Zahlstelle mit einer Ein­ richtung, welche den Namen Arbeitsnachweis verdient. An weitaus erster Stelle steht die Umschau. Auch das Inserat und die gewerbs­ mäßige Stellenvermittlung sind üblich. Nach Jastrow kommt es vor, „daß Agenten ausgesandt werden, um in den Steinbrüchen auf dem platten Lande billige Arbeitskräfte für städtische Betriebe zu erhalten". Nur in Berlin ist die Einrichtung getroffen, daß die zu besetzenden Stellen von den Mitgliedern dem angestellten Vertrauensmann mitgeteilt werden, und dieser sendet die Arbeitslosen zu den betreffen­ den Firmen. Zentralverband der T-pfer und Berufsgenossen Deutschlands (Sitz Berlin)'). Der Verband nimmt alle in der Tonwarenindustrie beschäftigten Arbeiter als Mitglieder auf; sein Arbeitsfeld ist daher die Töpferei (Geschirr- und Ofenformer) und die Ofensetzerei. Die verschiedene wirtschaftliche Entwicklung beider Gewerbe läßt manche neuartigen Formen des Zusammenwirkens der Interessenten verstehen. Die Töpfer haben eine Verminderung der Betriebe von 11460 im Jahre 1882 auf 3 928 (1907), sowie der beschäftigten Personen von 36 235 auf 27 730 zu verzeichnen. Der Kleinbetrieb verschwindet allmählich, um größeren und großen Betrieben den Platz zu über­ lassen. Gleichzeitig geht mit der Einführung maschineller Einrichtun­ gen auch die Zahl der Gehilfen immer mehr zurück. — Ein entgegengesetztes Bild zeigt die Entwicklung bei den Ofensetzern, bei denen man 1882 erst 1191 beschäftigte Personen in 1118 Betrieben zählte, 1907 aber 19 618 Personen in 7374 Betrieben. Zum Teil ist diese große Zunahme damit zu erllären, daß sich bei der letzten Zählung eine schärfere Trennung zwischen beiden Berufsarten ergab. Denn während früher Gehilfen für Ofenformen und Ofensetzen beschäftigt wurden, wird dies heute immer seltener. Bei den Ofensetzern über*) Das Material ist betn Verbandsorgane „Der Töpfer" entnommen unb durch Mitteilungen des Berbanbsvorsitzenben A. Drunsel ergänzt.

129 wiegt nun der Allein- und Kleinbetrieb; größere Betriebe mit mehr als 10 beschäftigten Personen gab es 1907 nur 203 mit 4193 Gehilfen. Wir sehen also den Großbetrieb bei den Ofenformern, den Klein­ betrieb bei den Ofensetzern herrschen. Letzteren drohte aber in der Verdrängung des Kachelofens durch die Einführung der Zentral­ heizung große Gefahr. Aus den Resultaten der Gewerbezählung von 1907 könnte man aber folgern, daß der Kachelofen keineswegs so im Rückgänge begriffen ist, wie vielfach angenommen wird, denn die Zahl der in beiden Bemfsarten: Formen und Setzen, beschäftigten Personen ist von 43 244 (1895) auf 47 348 (1907) gestiegen. Wie weit die Verdrängung des Kachelofens durch den Widerstand der Inter­ essenten gehemmt wurde, ist nicht nachweisbar. Jedenfalls haben sie in letzter Zeit manches getan, um ihre bedrohte Existenz zu sichern. Nach Beschluß der am 3. November 1907 in Dresden stattgefundenen Ofensetzerkonferenz wurden in größeren Städten gemeinsame heiztechnische Kommissionen für das Hafnergewerbe bestellt, die zur Hebung des Kachelofens und zur Aufllämng über die „Hygiene der Heizung" beitragen sollen. Von einem Mitglieds der besonders rührigen Münchener Kommission, dem Hauptlehrer Riedl, ging auch der Gedanke der Gegenseitigkeitsverträge aus, der den Schutz beider Znteressentengruppen bezweckt. Schon aus rein sozialpolitischem Interesse müssen wir auf dieselben etwas näher eingehen, umsomehr, als ihre Grundlage im paritätischen Facharbeitsnachweis liegt. Sie werden vereinbart zu dem Zwecke, „das Hafnergewerbe zu fördern, die Schleuderei gemeinsam zu bekämpfen und die bestehenden Lohn- und Preistarife hochzuhalten". Jedenfalls haben die weniger kapitalkräftigen Kleinmeister infolge der großen Konkurrenz durch billige Schund- und Pfuscharbeit viel zum Medergang des Gewerbes beigetragen. Dieser unlauteren Konkurrenz will man nun vorbeugen, indem man sucht, sie durch die Verträge abzuschwächen und gleich­ zeitig die beiderseitigen Organisationen zu stärken. Zu diesem Zwecke schließen die organisierten Unternehmer, die meist die Ver­ treter der größeren Firmen sind, mit den im Zentralverband der Töpfer organisierten Arbeitnehmern den Gegenseitigkeitsvertrag ab. Dieser enthält vor allem die Organisationsklausel (auch ausschließ­ licher Berbandsverkehr genannt), d. h. zentralorganisierte OfenMichaile, Arbeitsnachweis.

9

130 setzer dürfen nur bei Arbeitgebern jenes Verbandes arbeiten, mit dem der Vertrag abgeschlossen ist, und umgekehrt dürfen letztere nur Mtglieder des Zentralverbandes der Töpfer beschäftigen. Durch dieses Zusammenarbeiten soll ein Druck auf die Nichtorganisierten auf beiden Seiten ausgeübt werden. Über die Nichtorganisierten Kleinmeister wird sozusagen die Sperre verhängt, und für die nicht- oder andersorganisierten Geiilfen ist eine erhöhte Veranlassung zum Eintritt in den Zentralverband gegeben. Die Nichtorganisierten beider Teile werden aber dadurch aufeinander angewiesen, und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß es dabei bleibt. Da bei den „Nichtverbändlern" entweder gar keine oder doch niedrigere Tarife als sonst üblich sind, so könnte der Klein­ meister auch in Zukunft mit Hilfe der Unorganisierten zu billigeren Preisen als der organisierte Untemehmer arbeiten, und das wäre keine Besserung für das Gewerbe. Es müßte sich der Dmck, den die Untemehmer auf die Kleinmeister ausüben können, schon in anderer Art fühlbar machen, etwa durch Materialsperre seitens der Lieferanten. Bor diesen Gegenseitigkeitsverträgen wurde daher von Sozialtheoretikern oft gewarnt, und die „Soziale Praxis" wendet sich bei jedem neu abgeschlossenen Vertrag gegen dieselben und be­ hauptet, daß die Interessenten keine Freude an ihnen erleben werden. Ein Urteil über diese Verträge im Hafnergewerbe abzugeben, ist wohl noch nicht möglich, dazu sind sie noch alle zu jung; es sei nur konstatiert, daß sie im Bemfe selbst ziemlich freundlich und erwartungs­ voll aufgenommen werden. Dies ist in einem Gewerbe verständlich, dessen mißliche Lage Abhilfe dringend verlangt und das daher alle Mittel ergreift, welcher Art sie auch seien. Vielleicht sind die Verträge nur ein Versuch, vielleicht bringen sie aber die erwünschte Hilfe; jedenfalls ist ihre Erfolglosigkeit nicht von vornherein klar. Wir haben diesen Gegenseitigkeitsvertrag etwas ausführlicher behandelt, weil damit der paritätische Fachnachweis aufs engste ver­ bunden ist. Zur Verwirllichung der Organisationsllausel dient „ein gemeinsamer Arbeitsnachweis, welcher durch eine gleich starke Kom­ mission beider Verbände verwaltet wird, ©in besonderes Regulativ für die Handhabung des Arbeitsnachweises ist durch die Vorstände beider Verbände ausgearbeitet und festgelegt".

131 Dieser Satz kehrt in allen bis jetzt abgeschlossenen Verträgen wieder, da dieselben bis auf kleine Abweichungen vollständig gleich lauten. Auch das vereinbarte Regulativ zum Arbeitsnachweis ist bei aNen das gleiche. Es hat z. B. bei dem für Baden abgeschlossenen Vertrag folgenden Inhalt: 1. Der Arbeitsnachweis soll für beide Teile Arbeitsangebot und Nachfrage regeln. 2. Der Arbeitsnachweis vollzieht sich auf der Herberge der Gehilfen in einem separaten Raum. Daselbst haben alle Anmeldungen zu geschehen. Bei der Einschreibung ist das Mitgliedsbuch mitzubringen. Die Arbeitsvermittlung wird von den hierzu Beauftragten der Meister und Gesellen vollzogen, und zwar an Wochentagen von 7—8 Uhr abends. Das sogenannte Umschauen nach Arbeit ist verboten. 3. Der Arbeitsnachweis steht den Mitgliedern des Verbandes Badischer Hafnermeister sowie den zentralorganisierten Gehilfen zur Verfügung. Bon den letzteren sind die in den jeweiligen Bezirken wohnenden ortsansässigen in erster Linie zu berücksichtigen. 4. Liegen gleichzeitig mehrere Nachfragen und auch Anmeldungen vor, so sind die Gesuche nicht der Reihe nach in ihrer Gesamtheit zu erledigen, es sind vielmehr die derzeit vorliegenden Arbeitskräfte nach billigem Ermessen auf die vorliegenden Gesuche zu verteilen. Nach erfolgter Zuweisung einer Arbeitsstelle an einen Gehilfen erhält der betreffende Arbeitgeber eine Postkarte des Nachweises. Dieselbe ist am nächsten Tage mit der Unterschrift des Meisters versehen an den Nachweis zurückzusenden. Für die Gehilfen erfolgt die Vermittlung der Reihenfolge der Einschreibung nach, soweit die Fähigkeiten des betreffenden Gehilfen die fachgemäße Ausfühmng der in Frage stehenden Arbeiten gewährleistet. Das Aussuchen eines Gehilfen ist nur unter den fünf anwesenden am längsten vorgemerkten Gehilfen gestattet. 6. Dauert eine Arbeit nicht länger als 8 Tage, so tritt der Eingeschriebene wieder in den Genuß seiner früheren Nummer, jedoch nicht öfter als zweimal. 6. Das Warten beim bisherigen Arbeitgeber ist nur auf 6 Tage gestattet. 7. Wer einmal eingeschrieben ist, kann nur der Reihenfolge nach wieder in Arbeit treten.

Der erste derartige Vertrag wurde am 26. Oktober 1908 zwischen dem Verband Bayerischer Hafnermeister, Ortsgruppe München, und der dortigen Filiale des Zentralverbandes der Töpfer abge­ schlossen. Am 4. März 1909 folgte ein Vertrag in Lübeck, abgeschlossen zwischen dem Verbände der Arbeitgeber des Töpfer- und Ofen­ setzergewerbes der Provinz Schleswig-Holstein, Bezirk Lübeck, und der Filiale des Zentralverbandes der Töpfer in Lübeck. Diese beiden

132 Verträge gelten also nur für die betreffende Stadt und ihre Um­ gebung. Einen Schritt weiter ging man bei dem am 6. Dezember 1909 zu Freiburg i. B. mit dem Landesverbände badischer Hafner­ meister vereinbarten Vertrag, der also für das ganze Land gilt. Ein ähnlicher Vertrag ist nun auch für die Provinz Brandenburg von einer gemeinsamen Bertreterkonferenz angenommen worden. Mt der Annahme dieser Gegenseitigkeitsverträge wurden also auch paritätische Facharbeitsnachweise geschaffen, bezw. einseitige in gemeinsame umgewandelt. We die Organisation in Baden gehandhabt wird, ist nicht bekannt, in Brandenburg sind drei Ver­ mittlungsstellen errichtet: in Wittenberge, Kottbus (1911 wurde die Tätigkeit wieder eingestellt) und Eberswalde. Berlin fällt nicht in das Vertragsgebiet. Vom Nachweis in Lübeck, der erst am 1. April 1909 in Kraft trat, konnten Vermittlungserfolge noch nicht gemeldet werden; in München bewährt er sich gut, doch verlangen hier die Meister neuerdings eine weitgehende Auswahl unter den Arbeits­ losen, die aber von Gehilfenseite nicht zugestanden wird. Im ersten Jahre (vom 1. November 1908 bis 31. Oktober 1909) haben sich vormer­ ken lassen 1024, davon konnte 987 Suchenden Arbeit vermittelt werden, während die restlichen 37 abreisten oder sich abmeldeten. Damit ist die Zahl der paritätischen Nachweise im Töpfergewerbe nicht erschöpft. Es bestehen noch solche in Chemnitz und Dresden; letzterer dürfte der älteste gemeinsame Facharbeitsnachweis Deutschlands sein. Er vermittelte 1908: 590 Stellen, der Chemnitzer 234. Es wären an dieser Stelle noch die gewerkschaftlichen Nachweise zu er­ wähnen, die es an einigen größeren Plätzen gibt, deren Bedeutung aber sehr verschieden ist. Bei unserer Enquete sind nur zwei berück­ sichtigt worden, der in Berlin und in Hamburg, letzterer konnte 1908: 230, 1909 : 397 Stellen besetzen. Der Berliner bestand auch eine kurze Zeit (1902 bis 1904) als paritätischer Nachweis, wurde aber wieder in den einseitigen umgewandelt. Er hatte zu verzeichnen: 1908

1909

7598 Offene Stellen ................................................... 199

7312

Arbeitsuchende.....................................................

199

1075 929

Durch Umschau erhielten Arbeit und holten den Schein .............................................. 6134

6112.

Vermittlungen.....................................................

133 Hier sehen wir deutlich, wie gering die Zahl der durch Nachweis besetzten Stellen im Verhältnis zu jener ist, die durch Umschau erlangt wurden. Dieses überwiegen der Umschau ist im Bemfe noch ganz allgemein. Auch das Inserat spielt noch eine Rolle. Die Bedeutung der Jnnungsnachweise ist mit Ausnahme des Ham­ burger gering. Erwähnt sei noch die Einrichtung des Scheines beim Berliner Nachweis, die aber auch bei anderen bestehen dürfte. Um eine Kon­ trolle über die Lage des Arbeitsmarktes, sowie über die Organisations­ zugehörigkeit der int Berufe Beschäftigten zu haben, müssen die Mit­ glieder, welche durch Umschau Arbeit erlangt haben, trotzdem den Nachweis passieren und sich dies auf einem Schein bestätigen lassen. Treten sie dann auf einem Bau in Arbeit, so müssen sie sich mit dem Scheine beim Bauvertrauensmann der Organisation melden. Trotz der neuartigen und beachtenswerten Bestrebungen zur paritätischen und damit zur geregelten Arbeitsvermittlung zu ge­ langen, herrscht heute im Berufe also noch die Umschau, und es wird noch manches Stück Arbeit kosten, sie möglichst einzuschränken. Der Zentralverband der Töpfer ist ehrlich bestrebt, diese Arbeit zu leisten und marschiert mit an der Spitze jener wenigen Gewerkschaften, die nichts unversucht lassen, um die Arbeitsnachweisfrage zum Ziele zu führen. Er war einer der ersten Verbände, die den Versuch einer Nachweisstatistik in die Hand nahmen, indem er in früheren Jahren eine monatliche Berichterstattung über die Tätigkeit seiner Nachweise veröffentlichte. Mangels genügenden Ausbaus der Nachweis­ organisation hat er diese Berichte aufgegeben, um erst ein Netz von Nachweisen zu haben, die in einer eventueNen zentralen Zusammen­ fassung wieder an diese und auch andere Aufgaben herantreten könnten. Daß diese Organisation aus paritätischen Nachweisen be­ stehen soll, ist nach all dem Ausgeführten beinahe überflüssig zu erwähnen. Es soll nur noch der § 10,12 des Statuts wiedergegeben werden, der über die Nachweise Folgendes sagt: „Wo die Verhältnisse es gestatten, sind paritätische Arbeitsnachweise anzu­ streben, jedoch nicht als Tarifeinrichtungen festzulegen. In solchen Nachweisen sind einheimische sowohl als zureisende Mitglieder bei Arbeitslosigkeit einzu­ schreiben. Tritt jedoch größere Arbeitslosigkeit ein, so kann der Nachweis, falls

134 mindestens ein Drittel der Kollegen als arbeitslos eingeschrieben und für längere Zeit keine Aussicht auf Besserung der Arbeitslosigkeit ist, zeitweise geschlossenwerden."

Nach unserer Kenntnis ist das Statut der Töpfer das einzige, welches auch die paritätischen Nachweise mit behandelt. Daß die­ selben nicht tariflich festgelegt werden sollen, hat seinen Grund in dem Bestreben, bei Streitigkeiten auf einem Gebiete, also bei tarif­ lichen Differenzen oder solchen des Nachweises, nicht beide zugleich zu gefährden.

9. Nahrungs und Genußmittel. Verband der Bäcker, Rondiroren und verwandten Berufsgenossen Deutschlands (Sitz Hamburg).') Unter den handwerksmäßigen Gewerben haben die Bäcker­ meister wohl am frühesten und stärksten den beruflichen Organisationsgedanken erfaßt. Nach einer kurzen Übergangszeit entstanden zu Beginn der siebziger Jahre von neuem Innungen, die bald zur Zentralisation drängten und seit 1874 im Zentralverband Deutscher Bäckerinnungen „Germania" vereinigt sind. Die früher vorhandene süddeutsche Opposition, welche freie Genossenschaften den Innungen vorzog, wurde nach und nach von dem Germania-Berbande aufge­ sogen; jetzt umfaßt derselbe die größte Zahl der Arbeitgeber und stellt die größte Jnnungsorganisation Deutschlands dar. Bereits im Laufe der achtziger Jahre begann er den konsequenten Ausbau des Sprechmeistersystems, und heute beherrschen die Jnnungsnachweise den Arbeitsmarkt der Bäckerei nahezu voNends. In zweiter Linie, doch nicht überall von gleicher Bedeutung, kommen die ge­ werbsmäßigen Stellenvermittler, die Kommissionäre2). Ihr Haupt­ gebiet ist auch hier Berlin, wo nach dem diesbezüglichen Fragebogen für Bäcker 6, für Konditoren 8 private Stellennachweise in Frage kommen sollen. Für letzteren Bemf bestehen daselbst noch 1 Jnnungs•) Übet alle beruflichen Fragen orientiert sehr gut das reichhaltige Werk des Vorsitzenden des Bäckerverbandes, O. Mlmann: Geschichte der deutschen Bäcker- und Konditor-Bewegung, herausgegeben im Aufträge des Verbandes, Hamburg 1910. *) S. Ludwig, Der gewerbsmäßige Arbeitsnachweis, Seite 9—13.

135 Nachweis und 2 Vereinsnachweise. Nach einer anderen Schätzung (Weckruf, Januar 1910) sollen aber neben 6—8 Jnnungsnachweisen (in und um Berlin) noch etwa 25—30 Privatstellenvermitller vor­ handen sein. Wie überall, richtet sich auch bei den Bäckern der Kampf des Verbandes gegen diese letzteren. Aber die Jnnungsnachweise benutzen auch ihr Übergewicht als Mittel im Kampfe gegen die Ge­ sellenschaft. Me so viele Arbeitgebernachweise sollen auch sie der Maßregelung mißliebiger Gehilfen nicht abgeneigt sein. Femer weisen sie Gesellen ohne Germaniabuch (also solchen, die bei Nicht­ innungsmeistern gelernt haben) keine Arbeit zu. Auch wird den Jnnungsnachweisen keine einwandfreie Gebahrung bei der Arbeits­ vermittlung nachgesagt, und es kam deshalb schon zu großen Pro­ zessen, die aber mit dem Freispruch der Sprechmeister endigten. M dies brachte eine große Erbitterung in den Reihen der Gesellen­ schaft gegen die Jnnungsnachweise hervor. Seit langem fordern sie eine Ändemng in der Arbeitsvermittlung und haben dies auf ihren Tagungen des öftern ausgesprochen. So auch wieder auf der XII. Generalversammlung des Verbandes der Bäcker, abgehalten zu Berlin, Juni 1910, wo es in der Resolution über „Unsere Lohn­ bewegungen und Streiks" folgendermaßen heißt: „Die Arbeits­ vermittlung in ihrer heutigen Form durch die Jnnungsnachweise, welche sich immer mehr als Maßregelungsinstitute der Unternehmerorganisationen entwickelt haben, ist unter allen Umständen zu be­ kämpfen, und bei den Lohnkämpfen ist darnach zu streben, daß pari­ tätische Arbeitsnachweise unter Angliederung an die städtischen Arbeitsnachweise errichtet werden." Vorläufig ist der paritätische Facharbeitsnachweis noch eine Seltenheit. Doch besteht seit 1904 ein solcher in Berlin (nur für Bäcker) in Angliedemng an den Zentralverein für Arbeitsnachweis. Trotz seiner Bekämpfung durch die Berliner Innungen hält er sich in erfreulicher Weise. Seine Frequenz war: 1908 1909 Arbeitsuchende ..................... 5321 5596j Offene Stellen ................... 8286 8777 Besetzte „ 8255 8727 Darunter Aushilfen .......... 5711 6531

136 In München besteht der Nachweis der Bäckerinnung als „paritätischer", unter Mitwirkung der Gehilfen. 1909 war seine Frequenz folgende: Arbeitsuchende................................ 2926 Offene Stellen .............................. 1435 Besetzte Stellen.............................. 1435. Auch in einer großen Anzahl anderer Städte bestehen Jnnungsnachweise, bei denen eine Kontrolle durch den Gesellenausschuß vor­ gesehen ist. Bekannt geworden sind: Aachen, Altenburg, Augsburg, Burgstädt, Cottbus, Frankfurt a. O., Hamburg, Harburg, Heilbronn, Kiel, Königsberg, Lübeck, Zwönitz. Ferner besteht noch ein pari­ tätischer Nachweis für die bergisch-märkischen Brotfabriken zu Elber­ feld-Barmen seit 1. Juli 1908. Er wird aber gar nicht beachtet. In den Lohnbewegungen Frühjahr 1910 spielte der Arbeits­ nachweis wieder eine gewisse Rolle, und von der Gesellenschast wurde in den Tarifvorschlägen überall die Einführung paritätischer Nach­ weise gefordert und für Frankfurt a. M. und Offenbach auch er­ reicht. Das Jahr 1911 brachte wieder einige Erfolge aus diesem Gebiete (z. B. Mannheim, Regensburg), wenngleich die Gründung eines paritätischen Zentralarbeitsnachweises für Groß-Berlin an dem Widerstand der Innungen scheiterte. In einigen anderen Städten sind paritätische Nachweise in Aussicht genommen, jedoch ihre Er­ richtung noch für einige Zeit vertagt. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß die Zahl der paritätischen Nachweise im Berufe in Bälde eine Vermehrung finden wird. Betrachten wir die gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung, so ergibt sich ihre Bedeutung nach dem über die Jnnungsnachweise Gesagten von selbst. Einfluß auf den Arbeitsmarkt haben sie nicht zu erringen vermocht, dazu kamen sie zu spät nach den Jnnungsnachweisen, die damals schon die Herrschaft errungen hatten. Sie sind also in der Hauptsache als Abwehr gegen die Jnnungsnachweise ge­ dacht und dadurch, daß sie manches von den Jnnungsnachweisen gemaßregelte Mitglied in Arbeit brachten, wurden sie für den Ver­ band unentbehrlich. Unsere Umfrage erstreckt sich aus die bedeutenderen Nachweise; es waren dies: Berlin (Konditoren 410), Dresden (5352) Elberfeld

137 (180), Frankfurt a. M., Hamburg (2382), Leipzig (861), Lübeck (9), München (1291); davon antwortete nur Frankfurt nicht. Die Tätigkeit dieser 7 Berbandsnachweise betrug 1908: Arbeitsuchende.................................. 3585 Offene feste Stellen....................... 2404 Besetzte Stellen.................................10485 Darunter Aushilfen ....................... 9701. Die Zahl der festen Stellen unter den Vermittlungen ist also eine minimale. Diese Zahlen geben aber kein vollständiges Bild. Da der Verband selbst eine Nachweisstatistik besitzt und ihre Ergebnisse in seinen Jahrbüchern veröffentlicht, sind wir in der Lage, einige Ergänzungen zu den Zahlen geben zu können.

s

Jahr

»b *5? fcO S

1907 1908 1909 1910

3350 9100 7852 9600

ohne Kost und Logis

Stellen

Jo

Gemeldete feste

Der Verband unterhielt im Jahre 1910: 29 sogenannte Be­ zirksnachweise. Jeder erstreckte sich über den Bereich eines Be­ zirkes, der Zusammenfassung aller Mitglieder oder Zahlstellen eines räumlich abgegrenzten Gebietes, deren mehrere wieder den Gau bilden. Von den 58 Bezirken des Verbandes hatten also nur 29 Nachweise in ihren Bezirksvororten. Außer den acht bereits genannten Städten sind dies noch: Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Breslau, Chemnitz, Danzig, Düsseldorf, Essen, Halle, Hannover, Karlsruhe, Kiel, Köln, Magdeburg, Mannheim, Nürnberg, Stettin, Stuttgart, Mesbaden. Diese Nachweise berichteten über ihre Tätigkeit folgendes:

1302 3605 3507 4726

£ •»5

£

1227 3513 3183 4553

§ 852 3321 3183 4180

gjS

ei es* 3(3 Mt.

24,79 24,49 25,90 —

mit Kost und Logis

£ 4»-2» £*) 5

375 192 207 378

2j: •Bg ff Mk.

9,70 11,06 11,51 —

Aushilfs­ tage Jo t? ca

P ©

20,287 42,596 48,131 61,994

Se

es e| « Mk.

4,42 4,88 4,96 —

Bei dieser Tabelle, die aus den Angaben in den Jahrbüchern des Verbandes zusammengestellt wurde, ist zu beachten, daß nicht

138 von Anfang an die gleiche Zahl von Nachweisen berichtete. Im Laufe des Jahres 1907 wurden erst noch 9 Nachweise errichtet, die also keine Zahlen für das ganze Jahr melden konnten. Auch wird seit 1908 der paritätische Nachweis zu Berlin mitgezählt, der in dieser Zusammenstellung wegen der Durchschnittsberechnungen nicht ausgeschieden werden konnte. Für die 27 Verbandsnachweise ergibt sich nach Abzug der Zahlen des paritätischen Nachweises in Berlin folgende Frequenz für 1909: Arbeitsuchende .............................. 4564 Offene feste Stellen.................... 1261 Besetzte Stellen............................ 1194 Aushilsstage ................................. 33373 Auffallend ist das Überwiegen der Stellen ohne Kost und Logis, denn gegen diese patriarchalischen Überreste richtet sich der Kampf der Verbände bekanntlich besonders scharf. Von nicht geringer Be­ deutung ist die große Zahl der vermittelten Aushilfstage. Für diese dürfte den Verbandsnachweisen an vielen Orten eine wichtigere Rolle zufallen als bei der Vermittlung fester Stellen. Begünstigt wird dies durch den Abschluß von Tarifverträgen, in denen oft die Arbeits­ vermittlung im Sinne der Benutzung der Verbandsnachweise ge­ regelt ist. Doch handelt es sich meist um Verträge mit einzelnen Firmen. Ein Reichstarif ist nur für die in den Genossenschaften beschäftigten Bäcker u. dgl. mit dem Zentralverbande deutscher Konsumvereine abgeschlossen, in welchem es in Punkt 9 heißt: „Neueinzustellende Arbeitskräfte sind durch den Bezirksarbeitsnachweis des Verbandes der Bäcker oder durch den Zentralarbeitsnachweis zu beziehen. Ist ein technischer Leiter der Bäckerei einer Genossenschaft anzustellen, so hat der Zentralarbeitsnachweis des Verbandes der Bäcker mehrere dazu befähigte Personen, die ihre Bewerbung schriftlich einzureichen haben, der Verwaltung der Genossenschaft vorzuschlagen. Die Verwaltung ist berechtigt, auch andere Mitglieder des Verbandes der Bäcker zur Bewerbung um die Stelle eines techni­ schen Leiters heranzuziehen. In der Konsequenz der Anerkennung des Arbeits­ nachweises beschäftigen die Genossenschaften Mitglieder des vertragschließenden Verbandes, wogegen der Verband gehalten ist, den Genossenschaften stets tüchtige Arbeitskräfte in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen. Bei der Besetzung fester Stellen in der Genossenschaft ist stets dem Zentralarbeitsnachweis Mtteilung zu machen."

139 Die Tätigkeit des Zentralarbeitsnachweises, der nur für die Backmeisterstellen in den Genossenschaftsbäckereien besteht, ist keine ausgedehnte; es erhielten durch ihn 1910: 12 Backmeister und 14 Schichtführer oder Bäcker Stellung. Im vorstehenden wurde nur die Arbeitsvermittlung bei den Bäckern behandelt. Anders liegen aber die Verhältnisse für die Konditorei-, Schokoladen- und Zuckerwarenbranche. Arbeitsnach­ weise von irgendwelcher Bedeutung sind für diese Bemfe nicht vor­ handen; die Hauptrolle bei der Vermittlung kommt dem Inserat zu. Über dies Jnseratenunwesen bringt die „Deutsche Bäckerund Konditoren-Zeitung" alljährlich umfangreiches Material, das in mühevoller Arbeit von einem Münchner Berbandsmitglied, A. Seidel, gesammelt worden ist *). Das neueste Material sind Zusammenstellungen aus dem Jnseratenarbeitsmarkt der Trierer „Kon­ ditorenzeitung" und der „Allgemeinen Deutschen Konditorenzeitung" in München, dem Organ des Jnnungsverbandes. Außer diesen beiden Blättern kommen für Arbeitsinserate in Betracht: die „Kon­ ditorei", Berlin, der „Zuckerbäcker", Bernburg, und die „blaue" und „rote" Stuttgarter „Konditorzeitung". Wir entnehmen genannter Arbeit zunächst eine Zusammenstellung über den Jnseratenarbeits­ markt der beiden Blätter für 1910: -25

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„Münchner Konditoren-Zeitung", reine Kondi­ toreien ....................................................... „Trierer Konditoren-Zeitung", reine Konditoreien Fabriksparten..................................................... Zusammen

r-» -g «> Berirfsgenossen Deutschland« (Sitz Berlin). Die Arbeit wird im Bemfe teils durch Jnnungsnachweise, teils durch Umschau vermittelt. Jnnungsnachweise gibt es in allen größeren Städten; an die Berichterstattung des Reichsarbeitsblattes sind allein schon 22 angeschlossen. Bei einigen ist auch eine Mitwirkung der Gesellenausschüsse vorgesehen: Adelsheim, Dresden, Frankfurt a.M., Hall, Homburg, Leipzig, Mannheim. Die Gesellen klagen darüber, daß die Sprechmeister dieser Nachweise nicht nach der Reihenfolge und Brauchbarkeit, jottbem nach Gunst vermitteln und viele von ihnen nur gegen Bezahlung. Beim Jnnungsnachweise in Berlin kostetdie Stelle bis zu 12 Mk. Lohn 50 Pf. bei höherem Lohn IM., bei Vermittlungen außerhalb Berlins (Vororte) auch 1 Mk. Dann gehört das Fleischergewerbe zu den Berufen, in welchen die gewerbsmäßige Stellenvermittlung noch eine Rolle spielt, wenngleich dies nach den

145 Berichten nur in Berlin der Fall zu sein scheint1). Hier gibt es für die Fleischer 10—12 solcher Stellenvermittler, die recht hohe Ge­ bühren gefordert haben sollen; nach Ludwigs Angaben zwischen 1 bis 6 Mk. für die Stelle. Für die auf Schlachthöfen beschäftigten Gesellen kommt in Berlin kein Nachweis in Betracht, da die Arbeits­ kräfte größtenteils durch den Erstgesellen aus den Reihen der ge« wöhnlich dort Beschäftigten eingestellt werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse in den Darmschleimereien. Die eigenartigen Berufsverhältnisse, aber auch der besondere Menschenschlag, den die Fleischergesellen darstellen, macht die gewerk­ schaftliche Arbeit zu einer der schwierigsten unter allen Gewerben. Daher die verhältnismäßig geringen Erfolge des Zentralverbandes, der von 125000 int Berufe tätigen Arbeitnehmern 1908 erst 3000 umfaßte. Dem entspricht auch der Stand der gewerkschaftlichen Nachweise. Der best funktionierende dürfte in Berlin bestehen, wo 1908 283 Arbeitsuchende, 178 offene Stellen und 178 Stellenbesetzungen verzeichnet wurden. In Dresden wurden — im letzten Quartal 1908 — nur 9 Stellen vermittelt. Von den anderen befragten Verwaltungsstellen hatten Bielefeld, Karlsmhe und Mannheim keinen Nachweis, während Hamburg, Hannover und Leipzig nicht antworteten. In einigen Firmenverträgen (z. B. in Berlin) ist die Benutzung des Verbands­ nachweises vereinbart. Ist es so dem Verbände nicht möglich, die eigenen Nachweise zur Bedeutung zu bringen, so richtet er sein Hauptaugenmerk aus die Beseitigung aller privaten Vermittler, sowie der Auswüchse bei den Jnnungsnachweisen.. Aus seinen Verbandstagen nahm er wieder­ holt entsprechende ^Resolutionen an und trat überall für die Schaffung paritätischer Fachnachweise ein; vorläufig ohne Erfolg. Zur Aufllärung über die private Stellenvermittlung und die für dieselbe bestehenden Gesetzesbestimmungen gab er eine kleine Broschüre in Taschenformat heraus, die alle wissenswerten Vorschriften „über den *) siehe Ludwig, Der gewerbsmäßige Arbeitsnachweis, S. 13—17.

Mtchalk«, Arbettsnachwet».

10

146 Geschäftsbetrieb der Stellenvermittler" enthält *). Er tritt auch energisch für gesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises ein, die er aus folgenden Gründen erstrebt: 1. Um dem Stellenschacher der privaten, sowie der Jnnungsnachweise vorzubeugen. 2. Damit die schrankenlose Vetternwirtschaft in den Jnnungsnachweisen ge­ brochen wird und den Gesellen endlich das Mtbestimmungsrecht bei der Arbeitsvermittlung in paritätischen Fachnachweisen eingeräumt wird. Für einen Anschluß an städtische Nachweise tritt er nicht ein; diese sollen auch keine nennenswerte Vermittlungstätigkeit für diesen Beruf entfalten.

Zentralverband der Mühlenarbeiter Deutschlands (Sitz Altenburg). Es kann nicht genau festgestellt werden, welche Art der Arbeits­ vermittlung bei den Mühlenarbeitern vorherrscht. Wahrscheinlich werden die meisten Stellen durch Umschau und private Stellen­ vermittler besetzt. Letztere gibt es für den Beruf z. B. in Breslau (1), München (3). Neuerdings wurden auch Arbeitgebernachweise ge­ schaffen; einer vom Arbeitgeberverband der Sächsischen Mühlen­ industrie in Dresden, der für ganz Sachsen besteht; dann ein Nach­ weis in München seit 1. August 1909, ferner in Mmberg. über deren Tätigkeit steht kein Material zur Verfügung, doch soll sie nach einer Zuschrift der Hauptverwaltung des Zentralverbandes sehr gering sein. Aber auch die Erfolge der gewerkschaftlichen Nachweise sind nicht zufriedenstellend. Wir hatten bei 10 Zahlstellen des Zentral­ verbandes angefragt. Zwei, Frankfurt a. M. und Königsberg, ant­ worteten nicht, bei zwei weiteren, Halle und Leipzig, war der Nach­ weis noch so unentwickelt, daß von einer Ausfüllung des Fragebogens abgesehen wurde; nur sechs: Bremen (40), Breslau (72), Dresden (47), Hamburg (132), München (178) und Mrnberg (126), haben eine bedeutendere Geschäftstätigkeit. Sie berichteten im Jahre 1908 über 859 Arbeitsuchende 679 offene Stellen und 595 besetzte Stellen. l) Berlin 1907, Paul Bergmann, Dragonerstr. 15.

147 Bei den meisten Zahlstellen befindet sich der Nachweis im Herbergs­ lokal und liegt entweder direkt in den Händen des Wirtes, der ihn unter Kontrolle einer Nachweiskommission verwaltet, oder es werden dort die Vakanzen gemeldet und von einem Mitgliede der Kommission, das täglich oder an bestimmten Tagen der Woche anwesend ist, er­ ledigt. Der Nachweis in Mrnberg, der bereits seit 1865 besteht und einer der ältesten Gewerkschaftsnachweise ist, wird vom Kassierer der Zahlstelle schon seit 17 Jahren geführt. — Für den Mittelrheinischen Zweigverband der Mühlenindustrie besteht in Frankfurt a. M. ein paritätischer Fachnachweis, an dem der Verband beteiligt ist. Dies ist bisher der einzige, doch hält der Verband die paritätischen Fachnachweise für die geeignetste Regelung und hat sich auch auf Ver­ bandstagen für dieselben ausgesprochen; er zieht sie einem Anschluß an städtische Nachweise vor, die für Mühlenarbeiter nur selten in Betracht kommen. Eine tarifliche Regelung der Nachweise kommt außer für den paritätischen Nachweis in Frankfurt nur vereinzelt und mit der Bestimmung vor, daß die Arbeitskräfte vom Verbandsnach­ weis bezogen werden sollen.

Deutscher Tabakarbeirer-verband (Sitz Bremen). In der Tabakfabrikation haben sich bekanntlich in den letzten Jahrzehnten große Verschiebungen bemerkbar gemacht. Um die durch die Gesetzgebung auferlegten Verpflichtungen sowie die Wirkungen der Tabakbesteuerung minder zu fühlen, floh die Tabakindustrie aus den Großstädten in ländliche Gegenden mit billigen Arbeitskräften. Sofern daselbst Fabriken errichtet wurden, war man auf die Heran­ ziehung weiblicher Arbeitskräfte bedacht; sonst bevorzugte man die noch billigere und ganz verantwortungslose Heimarbeit. Die Frauen­ arbeit stieg im Berufe ununterbrochen und beträgt heute beinahe das Doppelte der Männerarbeit: 1907 beschäftigte die Tabakfabrika­ tion 102 749 weibliche und nur 60 598 männliche Arbeitnelnner. Dieser Zug auf das Land und die überwiegende Frauenarbeit er­ schwert sowohl die Organisationsarbeit als auch die gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung. Wie Reitzenstein berichtet, lag früher, etwa vor den neunziger Jahren, für einen großen Teü Deutschlands die Arbeitsvermittlung in den Händen der Arbeiterorganisationen. Mit 10*

148 den oben bezeichneten Verschiebungen änderte sich dies, und arf dem Lande wurden Arbeitskräfte teils durch Inserate, teils durck Um­ frage bei den Fabriken eingestellt. Die gewerkschaftlichen Arbeits­ nachweise waren von geringer Bedeutung und beschränkten ich in der Hauptsache beim Tabakarbeiterverband auf einige lokale Nach­ weisstellen, wie im Städtekomplex Hamburg-Altona, Berlir und Köln; die beiden letzteren bestehen bereits seit den achtziger Jchren. Außerdem wurden Arbeiter- und Arbeitsgesuche im Fachblatt „Der Tabakarbeiter" veröffentlicht. Bei diesem planlosen Anbieten er­ gaben sich für die Mitglieder, besonders für solche, die nach Orten ohne Verbandszahlstellen gingen, viele schädigende Einflüsse, zu deren Beseitigung der Verbandsvorstand 1904 die Arbeitsvermittlung durch das Fachblatt aufhob. Die XII. Generalversammlung zu Leipzig, Oktober 1905, stimmte dieser Anordnung zu und beauf­ tragte den Vorstand, weitere Schritte zur Gründung eines ZentralArbeitsnachweises zu unternehmen. Der Berbandsvorstand erließ daher Februar 1906 im Fachblatt folgende $efanntnmä)mtß*): „Den Beschlüssen der Generalversammlung Rechnung tragend, den Arbeits­ nachweis zentralistisch zu organisieren, um den schädigenden Arbeitsangeboten in den Zeitungen entgegenzuwirken, treten wir nunmehr an die Mitglieder heran, sich arbeitsuchend nur an uns zu wenden, faNs am Orte keine annehmkare Arbeit ist. Die Bevollmächtigten werden angewiesen, jede Woche per Karte die Zahl der vorhandenen Arbeitslosen mitzuteilen, ob Roller, Wickelmacher, Sortiere:, Spinner usw. in Frage kommen. Gleichzeitig bemerke man, ob der Arbeitsuchende ledig oder verheiratet ist, ob der Antritt der eventuell nachzuweisenden Arbeit sofort erfolgen kann. Hierbei wollen wir gleich darauf hinweisen, daß den aus der Arbeit ent­ lassenen Mitgliedern, denen durch uns Arbeit nachgewiesen wird, das Fahrgeld 4. bzw. 3. Klasse gewährt werden kann, sofern die Entfernung nicht urter 25 km ist (§ 9, 9 des Statuts). Denjenigen Fabrikanten und Bevollmächtigtm, die Ar­ beiter wünschen, empfehlen wir, bei ihren Arbeitsangeboten die Löhne mzugeben, die gezahlt werden; ferner, was für Fassons — man gebe die Läng: und den Durchmesser der Zigarre am besten in Millimetern an—ferner, ob zrgerichteter Tübak oder Wickel geliefert werden, ob Form- oder Handarbeit in Betrackt kommt." *) Die meisten Angaben sind den Jahresberichten des Verbandes ertnommen. Außerdem hat Heinr. Tiedermann vom Verbandsvorstand dem Verfasser weitere Mitteilungen über die Arbeitsnachweise des Verbandes freundlichst zur Verfügung gestellt.

149 Der Tabakarbeiterverband hatte somit einen Zentral-Arbeitsnachneis geschaffen ohne jeglichen Unterbau in örtlichen Nach­ weisen, von den drei erwähnten abgesehen. Er mußte daher die­ selben Erfahrungen machen wie andere Verbände im gleichen Falle. Die Wirksamkeit dieser zentralen Vermittlungsstelle war nur eine beschränkte; einen Einblick gewähren folgende, aus den Jahres­ berichten des Verbandes zusammengestellte Zahlen:

Offene Stellen ... ... Arbeitsuchende — ... Besetzte Stellen... ...

1905/06

1907

1908

1825 841 836

814 416 386

639 260 221

Hier zeigt sich die eigenartige Erscheinung, daß die Nachftage nach Arbeitskräften niemals auch nur annähernd befriedigt werden konnte, obwohl, besonders bei Beginn der Krise, arbeitslose Tabak­ arbeiter genügend vorhanden waren. Sie entschlossen sich aber nur schwer zum gänzlichen Verlassen ihres Heimats- oder Arbeitsortes. Der Wandertrieb fehlte, und vor allem war es den verheirateten Arbeitern nicht zu verargen, wenn sie ihren Wohnsitz nicht leichthin wechseln wollten, um Arbeit in einem ftemden Teile des Reiches mit ihnen ganz unbekannten Verhältnissen anzunehmen. Die Ber­ mittlungstätigkeit des Zentralarbeitsnachweises erstreckte sich daher meist nur auf Norddeutschland und wurde von Baden und Schlesien fast gar nicht in Anspruch genommen. Diese Mängel wurden schon in den ersten Jahresberichten hervorgehoben, und der Verbands­ vorstand wies darauf hin, daß eine Änderung nötig sei, um zu einem gut funltionierenden Nachweis zu gelangen. Er trat schon 1906 für eine Dezentralisation ein, und die XIII. Generalversammlung zu Bielefeld, Oktober 1907, nahm folgenden Antrag an: „Der ArbeitZmchweis ist in die Gaue zu verlegen". Auch ein weiterer Antrag: „Vom Arbeitsnachweis nur Arbeitskräfte dahin zu weisen, wo der wm Verband festgesetzte Minimallohn gezahlt wird" fand Zustimnung. Die Durchführung der Dezentralisation war nicht leicht, und erst für 19V9, nachdem sich alle Gaukonferenzen mit der Frage beschäftigt hatten, dm die Organisation zustande. Der Verband besteht jetzt

150 aus 13 Gauen und hat dementsprechend ebenso viel zentrale Gauarbeitsnachweise. In einzelnen Gauen mit besonders entwickelten Industrie- und Organisationsverhältnissen, vor allem also im Gebiet von Hamburg-Altona, bestehen neben dem Gaunachweis noch mehrere lokale Vermittlungsstellen. Für alle Berbandsnachweise gilt ein vom Verbandsvorstand erlassenes „Regulativ zur Errichtung von Arbeitsnachweisbureaus" mit folgendem Wortlaut: 1. Die vom Deutschen Tabakarbeiter-Verbande in den einzelnen Gauen, sowie in den einzelnen Zahlstellen errichteten Arbeitsnachweise verfolgen den Zweck, allen arbeitslos werdenden und andere Arbeit suchenden Tabakarbeitern und Tabakarbeiterinnen Arbeit nachzuweisen. Die Arbeitsvermittlung soll kostenlos erfolgen und nur für Betriebe in Anwendung kommen, mit welchen Tarifverträge abgeschlossen sind oder in welchen Arbeitsbedingungen existieren, die den tariflichen Bestimmungen des vom Ver­ bände für den Ort aufgestellten Minimaltarifs entsprechen. 2. Die Leitungen der Arbeitsnachweise sind den Zahlstellenverwaltungen derjenigen Zahlstellen zu übertragen, wo die Arbeitsnachweise ihren Sitz haben. 3. Zur Beaufsichtigung der Arbeitsnachweise ist eine dreigliedrige Auf­ fichtskommission zu bestellen. Die Wahl der Mtglieder dieser Aussichtskommission ist in einer dazu einzuberufenden Mitgliederversammlung vorzunehmen. Etwa zu führende Beschwerden gegen den Leiter des Arbeitsnachweises find dieser Aussichtskommission zu unterbreiten. 4. Alle Arbeitsgesuche, sowie alle Gesuche betreffend Zuweisung von Ar­ beitern sind der Reihenfolge nach in ein dazu angelegtes Journal einzutragen. Firmeninhaber oder Betriebsleiter, welche um Zuweisung von Arbeitern nachsuchen, sind anzuhalten, dem Leiter des Arbeitsnachweises genau anzugeben: a) die Zahl der Arbeiter, die verlangt werden; b) die Art der Beschäftigung, für welche Arbeiter verlangt werden (Zigarrenmacher, Wickelmacher, Zurichter, Sortierer, Kistenbelleber, Kistenmacher, Zigarettenmacher, Rauchtabakarbeiter, Schnupftabak­ arbeiter, Kautabakspinner, Vorleger, Buschermacher, Deckenschneider, Rollenmacher und sonstige Arbeiter); c) ob die Arbeiter, die verlangt werden, verheiratet oder ledig, ob männ­ lichen oder weiblichen Geschlechts sein sollen; d) welche Löhne den einzustellenden Arbeitern gezahlt werden sollen, und welche tägliche Arbeitszeit im Betriebe herrscht; e) ob die verlangten Arbeiter als Heim- oder Fabrikarbeiter beschäftigt werden sollen. We Arbeiter und Arbeiterinnen, die Arbeitsstellen nachgewiesen erhalten haben wollen, find anzuhalten, dem Leiter des Arbeitsnachweises genau anzugeben:

161 a) die Art der gewünschten Beschäftigung (Zigarrenmacher, Wickel­ macher, Zurichter, Sortierer, Kistenbekleber, Kistenmacher, Zigaretten­ macher, Rauchtabakarbeiter, Schnupstabakarbeiter, Kautabakspinner, Borleger, Buschermacher, Deckenmacher, Rollenmacher und sonstige Arbeiter); b) ob der Arbeitsuchende — wenn er Zigarrenmacher ist — auf Lieferung von Wickeln Anspruch macht; c) wann der Arbeitsuchende arbeitslos wird; d) ob der Arbeitsuchende verheiratet oder ledig ist und ob er gewillt ist, Heimarbeit anzunehmen. 6. Die Arbeitsvermittlungen müssen in der Regel der Reihenfolge nach, wie die Arbeitsuchenden und Arbeitergesuche im Journal eingetragen sind, er­ folgen. Ausnahmen von dieser Regel sind nur zulässig, sofern begründete Ein­ wendungen erhoben werden. Arbeitsgesuche von arbeitslosen Arbeitern sind den Arbeitsgesuchen von noch in Arbeit stehenden Arbeitern vorzuziehen. 6. Im Journal eingetragene Arbeitsuchende haben zurzeit nur Anspruch auf den Nachweis einer Arbeitsstelle. Den Arbeitsuchenden, denen Arbeit nachgewiesen wurde, ist zur Pflicht zu machen, die nachgewiesene Arbeitsstelle umgehend anzutreten und die Annahme der Arbeitsstelle dem Leiter des Arbeitsnachweises sofort mitzuteilen. Ohne triftige Gründe darf die Annahme der nachgewiesenen Arbeitsstelle nicht ver­ weigert werden. Zuwiderhandlungen und Mißbrauch des Arbeitsnachweises ist einem Ver­ gehen gegen die Berbandsinteressen gleich zu achten. 7. Firmeninhaber oder Betriebsleiter, welche um Zuweisung von Ar­ beitern nachsuchten, aber die zu besetzenden Arbeitsstellen anderweitig besetzten, sind anzuhalten, dem Leiter des Arbeitsnachweises hiervon Kenntnis zu geben. In gleicher Weise ist von den Arbeitern und Arbeiterinnen zu verlangen, die Arbeit nachgewiesen erhalten haben wollten, wenn sie durch eigenes Bemühen ander­ weitig Arbeitsstellen fanden und diese besetzten. 8. Die Bevollmächtigten der zum Gau gehörenden Zahlstellen, für welche ein Arbeitsnachweis errichtet worden ist, sind zu verpflichten, sofort oder mindestens am Schlüsse einer jeden Woche dem Leiter des Arbeitsnachweises Mitteilung darüber zu machen: 1. ob zu besetzende Arbeitsstellen vorhanden sind und 2. ob sich arbeitslose Arbeiter am Orte befinden. Bei diesen Mitteilungen sind die Bestimmungen im Abs. 4 dieses Regle­ ments zu beachten. 9. Es ist den Leitern der Arbeitsnachweise zur Pflicht zu machen, ein Ver­ zeichnis aller im Gau existierenden Firmen anzulegen.

152 10. Die Leiter der Arbeitsnachweise sind zu verpflichten, allmonatlich einen Bericht über die Tätigkeit des Arbeitsnachweises anzufertigen und dem Vorstande des Deutschen Tabakarbeiter-Verbandes einzusenden.

Die Handhabung der interlokalen Vermittlung geht aus den letzten Punkten des Regulativs hervor. Sie liegt nur in den Händen der Gauarbeitsnachweisleiter, denen die Bevollmächtigten der Zahl­ stellen ihren Bedarf an Arbeitskräften und Arbeitsgelegenheiten mit­ teilen, und die dann innerhalb des Gaues den Ausgleich bemerkstelligen. Die Vermittlung für das ganze Reich, wie sie früher bestand, fällt fort, und der Verbandsvorstand fungiert nur als Zentrale, der die monatlichen Berichte über den Stand des Arbeitsmarktes zu­ gehen. Bei unserer Enquete wurden 15 Arbeitsnachweise befragt, da­ von waren 7 örtliche, die anderen Gauarbeitsnachweise. Bon letzteren hatten die meisten eben erst ihre Tätigkeit aufgenommen, konnten daher über keine oder über nur unbedeutende Bermitt­ lungserfolge berichten. Soweit Angaben darüber vorliegen, war die Tätigkeit bei 12 Nachweisen (einschließlich des zentralen Berbandsnachweises in Bremen) im Jahre 1908 folgende: Arbeitsuchende.............. 3633 Offene Stellen ............. 5371 Besetzte Stellen............ 4472 Der größte Teil dieser Tätigkeit entfiel auf die 7 Nachweise des Hamburger Städtekomplexes sAltona (867), Ottensen (1355), Ham­ burg (197), Eimsbüttel (1127), Barmbeck (48), Schiffbeck (12), Wandsbeck (42)], während auf Berlin (295), Köln (243) und den Zentralnachweis in Bremen (221) höchstens ein Vierteil kam. Zu den Zahlen selbst muß jedoch bemerkt werden, daß sie nicht vollkommen zuverlässig zu sein scheinen, da sich zwischen den uns gemachten An­ gaben und den im Jahresbericht 1908 des Verbandes für die Nach­ weise des Hamburger Gebiets wiedergegebenen einige Schwankungen finden. Im Jahre 1909 war in allen Gauen der Nachweis eingerichtet. Den Umfang der Arbeitsvermittlung in diesem Jahre kann man aus folgender Tabelle ersehen.

153 Offene Stellen

Besetzte

suchende

Arbeit­

1. Hamburg-Allona*..........

2344

2754

2344

2. Bremen* .........................

225

300

3. Braunschweig* .............. 4. Nordhausen.....................

275

131

179 120

30

9

7

5. Bielefeld ......................... 6. Köln.....................................

60

60

43

66 47

7. Gießen..............................

25

44

8. Heidelberg.......................

2

Gau

9. Stuttgart



Stellen

39 15 —

.......................

49

68

3

10. Erfurt»..............................

6

6

5 154

11. Dresden

..........................

265

154

12. Breslau* ..........................

90

122

90

13. Berlin* ............................

295

258

258

3709

3959

3274

Die mit einem * bezeichneten Nachweise übten ihre Tätigkeit schon während des ganzen Jahres aus, die anderen entstanden erst im Laufe desselben und weisen dementsprechend geringere Frequenz auf. An erster Stelle steht auch hier Hamburg-Mtona. An diesen Zahlen sind aber alle lokalen Nachweise des Städtekomplexes be­ teiligt. Es sind dies: Hamburg, Eimsbüttel, Altona, Ottensen, Barmbeck, Schiffbeck und Wandsbeck. Den Gauarbeitsnachweis führt Ottensen. Jedoch ist seine interlokale Tätigkeit gering; 1909 wurden 35 Stellen besetzt. Man ist im Verbände bestrebt, außer diesen 13 Gauarbeitsnachweisen und den 7 lokalen von HamburgMtona auch sonst in anderen Zahlstellen örtliche Nachweise zu er­ richten. So bestehen im 7. Gau neben dem Gießener Nachweis noch solche in Hanau und Pfungstadt (9). Ferner kommen nach dem letzten,'im Fachblatt veröffentlichten Nachweisverzeichnis noch Jauer und Rotenburg a. T. in Bettacht. Bei einer Vergleichung der Gesamtzisfern fällt wohl auf, daß die Tätigkeit aller Arbeitsnachweise im Jahre 1909 jene von uns für 1908 festgestellte nicht erreichte, obwohl 1909 mehr Nachweise funktionierten. Besonders die Hamburger Nachweise scheinen weit hinter den 1908 erreichten Erfolgen zurückgeblieben zu sein. Viel­ leicht ist dies, wie bereits angedeutet, teilweise Schuld einer unge-

154 turnen Berichterstattung. Trotzdem bleibt ein Rückgang, der für Hamburg nur durch die mit der Tabakbesteuerung einsetzenden Berufskrise seine Erklärung finden dürfte, obzwar der Verbandsbor­ stand gerade für diesen Rückschlag viel von den Nachweisen erwartete und die Entfaltung einer größeren Tätigkeit erhoffte. Aus den Gauberichten zu schließen, war aber diese Zeit nicht sehr günstig für die Einführung der Nachweise, da die Zahl der Arbeitslosen eine zu hohe war. Erst von einer besseren Konjunktur erwartet man, daß der Arbeitsnachweis imstande sein wird, die auf ihn gesetzten Hoff­ nungen zu erfüllen. Eine Mitteilung des Berbandsvorstandes faßt das Urteil über die Nachweise dahin zusammen, daß sich dieselben „in der kurzen Zeit ihres Bestehens gut entwickelt haben, insbe­ sondere in den Bezirken, in denen die Tabakindustrie und ihre Arbeiter am fortgeschrittensten sind. Eine gute und noch bessere Entwicklung ist noch zu erwarten. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, daß die von uns geleiteten Nachweise die erste Stelle in der Industrie einnehmen". Dazu muß bemerkt werden, daß doch die Umschau und das Inserat, letzteres von Fabrikanten in ihrer Fachpresse und in den Tagesblättern häufig benutzt, auch heute noch int Berufe weit verbreitet sind, und daß die Verbandsnachweise ihnen noch sehr viel Terrain abgewinnen können., Im Kampfe gegen die Umschau stehen die Verbandsnachweise ziemlich allein, denn auf Arbeitgeber­ seite ist nur der in Hamburg-Altona bestehende bekannt, über dessen Mrksamkeit bestimmte Angaben nicht gemacht werden können; vom Verbandsvorstand wird ihm keine große Bedeutung nachgesagt. Ob städtische Nachweise Tabakarbeiter vermitteln, ist sehr fraglich: auch hier waren Unterlagen nicht erhältlich. Einen Anschluß an städtische Nachweise hält der Verbandsvorstand so lange nicht für­ empfehlenswert, als sie nicht Gewähr leisten, die Arbeiter und Ar­ beiterinnen zu annehmbaren Löhnen und Arbeitsbedingungen zu vermitteln. Das geschieht heute nur durch die eigenen Nachweise, die für die Arbeiterschaft die beste Kontrolle ausüben „unb'geeignet sind, Verschlechterungen int Lohn- und Arbeitsverhältnis zu verhüten und bestehende Arbeitsbedingungen verbessern zu können." Der Verband ist heute noch an keinem paritätischen Facharbeitsnachweis beteiligt, und es dürfte auch keiner bestehen, obwohl dahin zielende

165 Versuche bereits früher unternommen wurden, z. B. nach dem Dresdner Kampf 1905. Sie werden dann für wünschenswert be­ trachtet, „wenn die Verbairdsnachweise den an sie gestellten An­ sprüchen nicht mehr genügen können. Jedoch muß die Gewähr dafür vorhanden sein, daß sie einwandfrei und objektiv geleitet wer­ den." Dies wird aber nicht vor Ausbildung eines geordneteren Tarifwesens möglich sein. Heute bestehen wenige Tarifverträge, meist wird nur der vom Verband aufgestellte Minimaltaris durch die Fabrikanten anerkannt, womit für sie die Verpflichtung zur Berück­ sichtigung des Verbandsnachweises beim Bezug von Arbeitskräften verbunden ist. Die Frage der gesetzlichen Regelung des Arbeitsnachweises hält der Verbandsvorstand für noch nicht genügend geklärt. Verband der Zigarrensorrierer und Ristenbekleber Deutsch­ lands (Sitz Hamburg). Ähnlich wie bei den Tabakarbeitern liegen die allgemeinen Berufsverhältnisse auch bei den Sortierern; höchstens, daß die Frauen­ arbeit in diese Branche noch nicht so stark eingedrungen ist wie in die Tabakfabrikation selbst. Andererseits ist die Zahl der Bemfsangehörigen bei den Sortierern keine hohe; dieser Umstand erleich­ terte größere Organisationserfolge. Dementsprechend hat auch der Sortiererverband frühzeitig und erfolgreich die Arbeitsvermittlung an sich bringen können, und in manchen Plätzen beherrscht er den Arbeitsmarkt. Zum Ausbau des Arbeitsnachweises drängten auch sorgfältig ausgestattete Unterstützungseinrichtungen, die einer strengen Kontrolle nicht entbehren konnten. Schon in den neunziger Jahren finden wir im Statut des damaligen Vereins deutscher Zigarren­ sortierer eine eingehende Regelung des Arbeitsnachweises. Diese Bestimmungen erfuhren im Laufe der Jahre einige, doch nicht ein­ schneidende Änderungen und lauten heute folgendermaßen: ^ \ 1. Der erste Bevollmächtigte soll alle ihm gemeldeten Vakanzen der Reihe nach in ein Buch eintragen, ebenso die Namen der sich bei ihm meldenden arbeits­ losen Mitglieder. Seine Pflicht soll es sein, sobald ihm Vakanzen gemeldet werden, arbeitslose Mitglieder nach der Reihenfolge ihrer Eintragung in der Arbeitslosen« liste sofort davon in Kenntnis zu setzen. _ t ^

156 2. In geeigneten Fällen kann der erste Bevollmächtigte bei der Vergebung von Vakanzen nach eigenem Ermessen handeln; die Gründe hierfür ist er ver­ pflichtet, auf Wunsch des zurückgesetzten Arbeitslosen, den übrigen Bevollmächtigten und den Revisoren mitzuteilen, welchen gemeinsam die Prüfung der Stichhaltig­ keit der angegebenen Gründe obliegt und die von dem Resultat ihrer Untersuchung das beschwerdeführende Mitglied in Kenntnis zu setzen haben. 3. Jedes Mitglied, welches von einer Vakanz in einer Fabrik unterrichtet ist, soll den ersten Bevollmächtigten sofort davon benachrichtigen. Wer Vakanzen, die zu seiner Kenntnis gelangen, nicht anmeldet, hat hierfür eine Entschädigung an die Kasse zu zahlen, deren Höhe von den Bevollmächtigten und Revisoren fest­ zusetzen ist. 4. Das Arbeitsuchen aus Fabriken soll den Mitgliedern des Verbandes nicht gestattet sein, ausgenommen auf solchen Fabriken, mit denen keine Verbindungen bestehen; ohne vorherige Rücksprache mit dem ersten Bevollmächtigten ist auch letzteres nicht zulässig, und darf keinMitglied eine ihm angebotene SteNe annehmen. Für Mitglieder, welche gegen diese Bestimmungen verstoßen, gilt die Strafbe­ stimmung in § 55. 5. Jeder Arbeitslose ist verpflichtet, die notwendigen Meldungen bezüglich der Arbeitsvermittlung in einer vom Bevollmächtigten zu bestimmenden Frist zu machen; wer in der festgesetzten Zeit ohne triftige Gründe die Anzeige nicht ge­ macht hat, verfällt in 1 Mk. Strafe. 6. Arbeitslose Mitglieder haben die vom Geschäftsführer oder von Bevoll­ mächtigten ihrer Zahlstelle ihnen überwiesenen Vakanzen unweigerlich zu besetzen und dürfen in keinem Falle ohne Zustimmung des Bevollmächtigten die Arbeit freiwillig verlassen. Wer gegen diese Bestimmungen verstößt, kann für die Dauer der daraus entstehenden Arbeitslosigkeit des Anrechtes auf Arbeitslosenunter­ stützung verlustig gehen. Wird ein Mitglied jedoch ohne sein Verschulden inner­ halb vier Wochen, nachdem ihm die Arbeit nachgewiesen wurde, wieder arbeits­ los, so soll es den Stand, welchen es zur Zeit des Arbeitsantritts auf der Arbeits­ losenliste hatte, wieder erhalten. Für Mitglieder, die infolge eigenen Verschuldens kürzere Zeit als vier Wochen in einer Fabrik beschäftigt wurden, gelten die angeführten Bestimmungen jedoch nicht, sie sind wieder als letzte in die Liste einzutragen. 7. Von sämtlichen Anmeldungen arbeitsloser Mitglieder ist dem Geschäfts­ führer des Verbandes durch den ersten Bevollmächtigten sofort Mitteilung zu machen. Die Namen und Adressen, als auch das Alter der arbeitslosen Kollegen sind genau anzugeben; ebenso ist darüber Auskunft zu erteilen, ob sie ledig oder ver­ heiratet sind, ob sie besondere Gründe haben, welche es für sie wünschenswert erscheinen lassen, am Orte selbst.oder in der Umgegend wieder in Arbeit zu toten, ob für die allernächste Zeit Aussicht vorhanden ist, daß die am Orte vorhandenen Arbeitslosen daselbst wieder Arbeit erhalten können u. a. m.

157 Sobald an einem Orte BaLmzen eintreten, die nicht durch Arbeitslose am Orte besetzt werden können, hat der erste Bevollmächtigte den Geschäftsführer hiervon in Kenntnis zu setzen. Me durch Arbeitsvermittlung entstandenen Portokosten trägt der Verband. 8. Der Geschäftsführer hat sämtliche Meldungen von Arbeitslosigkeit als auch einlaufende Vakanzen in ein Buch einzutragen; bei Arbeitsvermittlungen hat er die persönlichen Verhältnisse und Wünsche der Arbeitslosen, ebenso die­ jenigen der Fabrikanten, tunlichst zu berücksichtigen. Über Berichte von Kollegen, über besonders ungünstige Preis- und Arbeits­ verhältnisse in einzelnen Fabriken, als auch über Beschwerden von Fabrikanten gegen Mitglieder des Verbandes soll der Geschäftsführer eine unparteiische Unter­ suchung einleiten und dem Vorstand hierüber Bericht erstatten. Der Vorstand hat, sofern ein Vergehen gegen das Statut von Mitgliedern vorliegt, das weitere zu veranlassen; auch kann er beschließen, daß begründete Beschwerden gegen Fabrikanten in das Arbeitsvermittlungsbuch des Geschäftsführers eingetragen werden, um bei künftigen Arbeitergesuchen durch solche Fabrikanten über die Arbeitsverhältnisse in deren Fabriken genau unterrichtet zu sein. 9. Sobald ein Arbeitsloser wieder in Arbeit getreten, ist dem Geschäfts­ führer durch den Bevollmächtigten hiervon sofort Meldung zu machen. Sämt­ liche Korrespondenzen des Geschäftsführers, Arbeitsvermittlung betreffend, sind sofort zu beantworten. Um zu verhindern, daß angemeldete Vakanzen durch längeres Zögern dem Verband verloren gehen, haben die arbeitslosen Kollegen sich sofort zu erklären, ob sie die ihnen nachgewiesene Arbeit annehmen wollen oder nicht, und ist der Geschäftsführer noch an demselben Tage hierüber zu unterrichten, im Weigerungsfälle hat der Bevollmächtigte die Gründe der Weigerung anzu­ führen. 10. Dem Vorstande steht die Befugnis zu, Verstöße der Bevollmächtigten gegen die Bestimmungen über den Arbeitsnachweis, berechtigte Beschwerden von Mitgliedern des Verbandes gegen Fabrikanten, als auch umgekehrt solche von Fabrikanten gegen Mitglieder des Verbandes im Verbandsorgan zur Kenntnis der Mtglieder zu bringen.

Die Arbeitsvermittlung ist also zum Teil lokal durch die ein­ zelnen Zahlstellen und hat eine Zusammenfassung in einem Zentral­ nachweis, der von der Geschäftsführung des Verbandes in Hamburg geleitet wird. Wenn nun auch jede Zahlstelle des Verbandes durch ihren Bevollmächtigten die Arbeitsvermittlung ausübt, so gibt es doch nur wenige, die einen organisierten Nachweis besitzen. Für unsere Umfrage wurden uns vom Geschäftsführer des Verbandes 11 solcher Zahlstellen angegeben, die alle außer Leipzig antworteten. Über die Geschäftstätigkeit berichteten aber nur Bremen (69), Dres­ den (41), Hamburg (169) und Waldheim i. S. (13), die 1908 306

158 Arbeitsuchende, 279 offene und 292 besetzte Stellen zu verzeichnen hatten. Berlin meldete nicht die Zahl der Personen und Stellen, sondem die der Tage, konnte daher nicht mit einbezogen werden. Es wurden daselbst 40 offene Stellen mit 118 Tagen bekannt, wovon 60 Tage für fest und 51 für einmalige Aushilfe vermittelt wurden. Bemerkt wird dazu, daß in Ermangelung größerer Betriebe die meisten Kollegen nur auf sogenannten kleinen Stellen beschäftigt sind, und daß es vorkommt, daß Kollegen in einer Woche bei 6 Fabri­ kanten arbeiten. Arbeitsnachweise bestehen noch in Breslau, Mühl­ hausen i. Th., Osnabrück, die aber mangels einer geordneten Buch­ führung keine Angaben machen konnten. Der Nachweis in Mann­ heim, der 1908 errichtet wurde, mußte infolge der Tabaksteuer­ erhöhung wieder aufgegeben werden. Eine tarifliche Vereinbarung zwecks Benutzung der Arbeitsnachweise scheint nur mit der Groß­ einkaufs-Gesellschaft deutscher Konsumvereine zu bestehen; in Bremen hat eine Kommission den Arbeitsnachweis mit den einzelnen Arbeitgebern vereinbart. Paritätische Facharbeitsnachweise fehlen, wie überhaupt in der Tabakfabrikation, so auch bei den Sortierern.

Jo. Papier und Lederindustrie. Deutscher Buchbinder-Verband (Sitz Berlin). Die Buchbinderei und Kartonnagefabrikation beschäftigte 1907 über 70 000 Arbeitnehmer, davon 30 000 weibliche. Jedoch erstreckt sich der Wirkungskreis des Verbandes noch auf weitere Industrie­ zweige, wie Portefeuille-, Album-, Etui-, Papier- und Bebet« galanteriewaren-Jndustrien, so daß sich die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiter und Arbeiterinnen wesentlich erhöht. Von den 22 000 Mitgliedern des Verbandes im Jahre 1908 waren nahezu 10 000 weibliche. Für die Arbeitsvermittlung bestehen nun Jnnungsund Verbandsnachweise. Erstere u. a. in Augsburg, Breslau, Chemnitz, Dresden, Hamburg, Hannover, Kiel, Leipzig, Magdeburg, München. Über ihre Tätigkeit liegen keine verläßlichen Angaben vor; früher hatte man sie für bedeutender gehalten, als die gewerk­ schaftliche Arbeitsvermittlung. Wo bei unserer Umfrage aus ein-

159 zelnen Städten durch Jnnungsnachweise vermittelte Stellen an­ gegeben werden konnten, gingen sie über die Vermittlungen durch die Verbandsnachweise nicht hinaus und blieben oft weit hinter ihnen zurück. Städtische Nachweise treten nur in beschränktem Maße in Mrksamkeit. In Stuttgart wird die Arbeitsvermittlung voll­ ständig vom Arbeitsamte bettieben, aber auch in anderen Städten wird es benutzt, so in Kassel und Mainz. Die Verbandsnachweise betteffend, wurden uns vom Verbandsvorstand 36 Zahlstellen an­ gegeben, die einen Arbeitsnachweis führen sollen. Es antworteten davon 26, von denen Bonn, Luckenwalde, Kassel, Mainz und Würz­ burg keinen oder keinen organisierten Nachweis besitzen; bei Bedarf wird dort unter der Hand vermittelt. Die anderen 21 hatten 5755 Arbeitsuchende, 2347 offene Stellen, 1882 besetzte Stellen gemeldet, die sich auf folgende Orte verteilen: Augsburg (23), Bant (3), Braunschweig (12), Bremen (5), Breslau (10), Dresden (145), Elberfeld (39), Essen (18), Frankfurt (81), Gelsenkirchen (4), Hamburg (461), Hannover (67), Kiel (3), Köln (50), Königsberg (10), Leipzig (220), Magdeburg (22), Mannheim (10), München (604), Nümberg (100). Außerdem dürften Nachweise in folgenden, nicht­ berichtenden Zahlstellen bestehen: Bielefeld, Chemnitz, Darmstadt, Dortmund, Düsseldorf, Flensburg, Gera, Göppingen, Pforzheim und Stettin. Die Errichtung der Nachweise erfolgt auf Grund des Statuts, wo im Absch. 9, Arbeitsnachweis und Herbergswesen, folgendes bestimmt wird: „Der Verband betrachtet als eine wichtige Aufgabe die Arbeitsvermittlung. Es sind deshalb nach Möglichkeit mit den Verbandszahlstellen Arbeitsnachweise einzurichten. Die Arbeitsvermittelung geschieht für Prinzipale und Personal unentgeltlich. Die Berbandsmitglieder haben die Pflicht, sich bei eintretender Arbeits­ losigkeit oder bei Zureise an einen Ort, an welchem sich eine Zahlstelle des Ver­ bandes befindet, sofort beim Arbeitsnachweis zu melden, und ist das sogenannte Umschauen nur nach vorheriger Erkundigung beim Arbeitsnachweisleiter über Lohn- und Arbeitsverhältnisse des betressenden Ortes gestattet. Sie sind ver­ pflichtet, nicht unter den in den einzelnen Orten bestehenden Mnimaltarifen

160 oder den von der Organisation aufgestellten Lohn- und Arbeitsbedingungen Arbeit anzunehmen. Nichtverbandsmitgliedern ist es gestattet, sich im Arbeitsnachweis zu melden, doch werden Berbandsmitglieder in erster Reihe berücksichtigt."

Ferner enthält das Statut im Anhang weitere allgemeine Be­ stimmungen, betreffend die Arbeitsnachweise, von welchen folgende von Interesse sind: 2. Die arbeitslos gewordenen Mitglieder haben sich unter Vorzeigung ihres Mitgliedsbuches mündlich beim örtlichen Arbeitsnachweis zu melden; schrift­ liche Nachsuchung um Arbeit ist nur bei solchen Mitgliedern zulässig, welche sich an Orten befinden, wo eine Zahlstelle mit Arbeitsnachweis nicht besteht. Den schrift­ lichen Anfragen ist eine Freimarke für Rückantwort beizufügen. . 3. Hat ein Prinzipal den örtlichen Arbeitsnachweis in Anspruch genommen, so ist eine Frist mit ihm zu vereinbaren, innerhalb welcher derselbe sich zur Annahme des ihm zugewiesenen Arbeiters oder der Arbeiterin verpflichtet und für den Fall an die zugewiesene Person Entschädigung zu zahlen hat, wenn er unterdessen sich anderweitige Hilfe verschafft, ohne sofort Meldung zu machen. 4. Ehe ein Mitglied eine Stellung definitiv antritt, hat es sich mit dem Prinzipal mündlich oder schriftlich zu verständigen, wann die Arbeit angetreten werden soll. Hat es eine ihm zugewiesene Stellung dann angetreten, so ist sofort, spätestens am nächsten Tage, dem die Stelle vermittelnden Arbeitsnachweis Mit­ teilung davon zu nrachen, damit der nötige Vermerk im Buche gemacht werden kann, daß die Stelle besetzt ist. 5. Nichtverbandsmitgliedern kann ebenfalls die Vermittlung von Arbeit gewährt werden, doch sind Verbandsmitglieder in erster Linie zu berücksichtigen. 6. Beim Arbeitsnachweis als arbeitslos Gemeldete haben, wenn sie unter der Hand Stellung angenommen haben, sich umgehend wieder bei demselben ab­ zumelden, damit sie nicht als Reflektanten weitergeführt werden. 7. An Prinzipale, die den Bestrebungen unseres Verbandes entgegen­ arbeiten und deren Werkstätten nach Beschluß einer Mitgliederversammlung zu meiden sind, können die Arbeitsnachweise Arbeitskräfte nicht vermitteln. 8. Die örtlichen Arbeitsnachweise regeln ihre Geschäfte durch besondere Geschäftsordnungen unter Bezugnahme auf vorstehende Hauptbestimmungen.

Solche besonderen Geschäftsordnungen haben alle bedeuten­ deren Nachweise. Sie enthalten Bestimmungen über die Leitung des Nachweises, die entweder in der Hand des angestellten Beamten, eines anderen Verbandsfunktionärs, eines gewählten Verwalters oder einer mehrgliedrigen Kommission liegt und der Kontrolle des Zahlstellen-Vorstandes untersteht. Beschwerden sind an den Vor­ stand zu richten; als Berufungsinstanz entscheidet die nächste General­ versammlung. Sonst wird die ganze Tätigkeit bei den einzelnen

161 Zahlstellennachweisen erledigt, während eine Zentralisation noch fehlt. Nur örtliche Versuche sind zu verzeichnen, so sind die Nachweise von Bochum, Essen und Gelsenkirchen nach der Richtung zentralisiert, daß eine Verständigung über vorhandene Vakanzen und Arbeitslose stattfindet. Ferner besteht für einige kleine Branchen ein Zentralarbeitsnachweis in Berlin; es sind dies nach den Angaben der Fragebogen: Etuibranche, Kontobucharbeiter, Liniierer. Ein­ zelne Nachweise sind Gauarbeitsnachweise, doch wurde nicht berichtet, ob ihre Bermittlungstätigkeit nach auswärts von Belang ist. Über­ haupt scheinen die Erfolge der Verbandsnachweise nicht im Ver­ hältnis zu dem Stande der gewerkschaftlichen Entwicklung des Berufes zu stehen. Wirklich gut funktionierende Nachweise besitzen doch nur die Zahlstellen, wo die Leitung in der Hand eines angestellten Berbandsbeamten liegt, so in Dresden, Hamburg, Leipzig, München und Mmberg. Daß die sonstige Arbeitsvermittlung: das Inserat und das Umschauen noch stark in Betracht kommt, geht ja schon aus dem Statut hervor, welche das Umschauen, wenn auch unter Er­ füllung gewisser Bedingungen, gestattet. Am meisten fällt aber die kleine Zahl von Tarifen mit einer Regelung des Nachweises auf. Bei einem Bemfe mit so entwickeltem Tarifwesen wie dem der Buchbinder ist dies doppelt zu verwundern. Von den berichtenden Nachweisen hatte nur Essen in Firmenverträgen, und der BuchbinderTarif für die Städte Köln und Düsseldorf Bestimmungen, zufolge deren die Benutzung des Verbandsnachweises nach Tunlichkeit zu­ gesagt wird. Wo aber kein Tarif mit entsprechenden Bestimmungen vorhanden ist, fehlt jede Unterstützung seitens der Prinzipale, die bei Bedarf von Arbeitskräften lieber inserieren. Daher wurden zum letzten Berbandstag (Juni 1910 zu Erfurt) von einigen großen Zahlstellen Anträge gestellt, die den Vorstand beauftragten, bei den nächsten Tarifberatungen auf die Errichtung von paritätischen Ar­ beitsnachweisen in allen Geltungsorten des Tarifes zu dringen. Es ist höchst wahrscheinlich, daß dann der paritätische Facharbeitsnachweis, wie in den graphischen Gewerben, so auch im verwandten Buch­ bindergewerbe seinen Einzug hält. Heute ist er nur in Hamburg und Berlin vertreten; letzterer hatte 1908 folgende Geschäftstätig­ keit zu verzeichnen: Michaile, Arbeitsnachweis.

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162 2553 Arbeitsuchende, 1434 offene Stellen und 1158 besetzte Stellen. Er ist dem Zentralverein für Arbeitsnachweis angeschlossen und scheint befriedigend zu funktionieren, wenn auch eine obligatorische Benutzung auf beiden Seiten leider noch nicht stattfindet.

Zentralverband der Lederarbeiter und Arbeiterinnen Deutsch' land« (Sitz Berlin). Seit dem 1. Juli 1909 wurde dem Lederarbeiterverband, der vor­ her nur die in Gerbereien Beschäftigten zu Mitgliedern hatte, der (Leder-) Handschuhmacherverband angeschlossen, so daß wir beide Bemfe zusammen behandeln können. Diese Bereinigung kam nach langen Diskussionen über einen Jndustrieverband, welcher außer­ dem noch die Schuhmacher, Sattler und Portefeuiller hätte umfassen sollen, und nachdem man diesen Plan vorläufig fallen ließ, zustande. Bei den Gerbern waren 1907: 52 613 im Beruf Beschäftigte und 1908 rund 8000 organisiert, also etwa 15%. Dagegen sind die Organisationsverhältnisse sehr gut bei den Leder-Handschuh­ machern, die nur 4000 Berufsangehörige, lauter hochgelernte Arbeiter, zählen, von denen dem Verband 1908: 3228 angehörten. Damit ist ohne weiteres klar, mit wie viel größerem Erfolg die gewerkschaft­ lichen Einrichtungen, auch die der Arbeitsvermittlung, bei den letz­ teren einsetzen konnten. Der gewerkschaftliche Nachweis der Hand­ schuhmacher ist alt; schon für die neunziger Jahre konnte er von Reitzenstein als vollkommen ausgebildet und spezialisiert hingestellt werden. Das mag wohl für die damalige Zeit seine Berechtigung gehabt haben. Heute würde man diese Organisation des Arbeits­ nachweises nicht mehr besonders hervorheben, denn sie unterscheidet sich in nichts von dem Durchschnitt in anderen Verbänden, auch nicht in ihren Erfolgen, die man in Anbetracht der günstigen Organisa­ tionsverhältnisse nur geringe nennen kann. Im wesentlichen kommen für die Handschuhmacher nur drei Plätze in Betracht: Stuttgart, Eßlingen und Johanngeorgenstadt. Dort sind auch Nachweise vorhanden, Gründungen neueren Datums, von denen aber nur

163 jener in Eßlingen für 1908 62 Stellenbesehungen meldete. Der Stuttgarter Nachweis besteht in seiner Reorganisation erst seit 1909 und könnte etwa als neuer Typ bezeichnet werden. Sein Regulativ ist zwischen den Arbeitgebem und Arbeitnehmern vereinbart, trotz­ dem ist er ein gewerkschaftlicher Nachweis und seine Geschäftsführung untersteht der Kontrolle zweier Mitglieder, in höherer Instanz der des Ortsvorstandes bzw. der Ortsvereinsversammlung. Dagegen entscheidet über Einwendungen gegen die Zuweisung eines Arbeiters die Fabrikkommission in Gemeinschaft mit dem Unternehmer und Arbeitsnachweisführer. Jedenfalls eine ganz ungewöhnliche Mischung paritätischer und einseitiger Nachweisgrundlagen, die nur aus den örtlichen Verhältnissen zu erklären sein dürfte. Besonders muß her­ vorgehoben werden, daß alle Nachweise bei den Handschuhmachern streng obligatorisch sind; die Arbeitgeber haben sich verpflichtet, Arbeitskräfte nur durch den Arbeitsnachweis einzustellen. Jede anderweittge Arbeitsvermittlung, besonders die persönliche Nachfrage des Arbeiters, ist unstatthaft. Nachfragen darf nur der Arbeitsver­ mittler selbst. Falls keine Kräfte am Orte vorhanden sind, wird auf Kosten des Arbeitgebers im Fachblatt inseriert. Arbeitslose am Ort sowie Zugereiste müssen sich vor der Arbeitsannahme beim Arbeitsnachweisführer melden, widrigenfalls eine Entziehung der Arbeitslosen- oder Reiseunterstützung auf die Dauer eines Jahres eintritt. Aus Johanngeorgenstadt wird gemeldet, daß vom Ausland Zureisende (aus Böhmen), wenigstens seit einem Jahre dem Fach­ vereine angehören müssen, ehe sie dort in Kondition treten dürfen. All dies läßt sich eben nur dann durchführen, wenn ein Verband wie der der Handschuhmacher 80% der Berufsangehörigen umfaßt. Wesentlich anders liegen die Verhältnisse bei den Gerbern. Trotz oftmaliger Anläufe ist es nicht geglückt, irgendeine Regelung in die Arbeitsvermittlung zu bringen. Zwei Generalversammlungen, die IX. zu Berlin (1896) und die X. zu Halberstadt (1899), beschäftigten sich mit dem Arbeitsnachweis als selbständigen Punkt der Tages­ ordnung. Letztere sprach sich dann für eigene Nachweise aus. Es sollten drei Zentralarbeitsnachweise in Hamburg, Berlin und Stutt­ gart-Eßlingen errichtet werden und untereinander in Verbindung treten. Der Referent selbst hatte sie nicht befürwortet, sondern trat li*

164 bereits für paritätische und kommunale Arbeitsnachweise ein. Er hat schließlich Recht behalten, denn die Duchführung des Beschlusses war unmöglich, da die Gmndlage der örtlichen Nachweisstellen mangelte. Daher gibt es auch heute noch keine geregelte Arbeits­ vermittlung für den Gerbereiberuf. Umschau und hauptsächlich das Inserat überwiegen, letzteres eigentlich auch bei den Handschuh­ machern. Dann gibt es einen gut funktionierenden Arbeitgeber­ nachweis, man möchte beinahe sagen, selbstverständlich, in HamburgAltona. Die größte Bedeutung kommt noch dem paritätischen Fach­ arbeitsnachweis für Lederarbeiter (Gerber) in Berlin zu, der 1903 vom ZenKalverein für Arbeitsnachweis ins Leben gerufen wurde. Er vermittelte 1908: 255 Stellen. Er und der Stuttgarter Nachweis der Handschuhmacher sind auch die einzigen, die durch Tarifvertrag anerkannt und geregelt wurden. Es wird so verständlich, daß man im Verband von eigenen Nachweisen nichts mehr erwartet und der Vorstand voll und ganz für den paritätischen Facharbeitsnachweis eintritt.

verband der Sattler und porrefeuiller (Sitz Berlin). Reitzenstein hatte über den gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis in diesen Bemfen kein Material, sondem berichtete nur über einige erfolgreiche Jnnungsnachweise. Bei Jastrow finden wir über die Arbeitsvermittlung der Sattler und Tapezierer folgende Charak­ terisierung: „Schrankenlose, man möchte fast sagen, anerkannte Herrschaft der Umschau, Zeitungsinserate werden von beiden Seiten erlassen, haben aber keine andere Bedeutung, als daß sie die Um­ schau verstärken. Arbeitsnachweise gibt es zweierlei: Jnnungs- und Gesellennachweise. Beide Arten fungieren so schlecht, daß man es auch in den größten Orten von keinem Arbeitslosen verlangen kann, das Umschauen zu unterlassen." Seit dies geschrieben wurde, sind über zehn Jahre verflossen, und natürlich ist manches besser geworden. Die Organisation der Arbeiter hat auch hier große Fortschritte gemacht, und ihre Arbeits­ vermittlungsstellen heherrschen an manchen Plätzen den Markt vollends. Trotzdem können auch heute noch die Verhältnisse nicht

16b befriedigen. Es ist nicht gelungen, die Umschau entsprechend ein­ zudämmen, und daß das Inserat noch immer die größte Rolle spielt, lehrt z. B. ein Blick in die Zeitungen von Offenbach, dem Hauptsitz des Gewerbes. Me Facharbeitsnachweise dieser Berufsgruppen sind eben nicht so entwickelt, wie es wünschenswert wäre. Es konnte nicht festgestellt werden, wie weit Jnnungsnachweise in Frage kom­ men und welche Bedeutung ihnen zuzumessen ist. In Gewerk­ schaftskreisen hält man nicht viel von ihrer Tätigkeit, und auf Arbeitnehmerseite übt nur der Verband der Sattler und der der Porteseuiller (seit 1. Juni 1909 zu einem Verbände der Sattler und Porte­ feuiller vereinigt) eine Arbeitsvermittlung aus. Von 50 000 Berufs­ angehörigen waren 1908 im Sattlerverband 6839, bei den Portefemllem 3803, zusammen also 10 642 organisiert. Vor der am 1. Juli 1904 erfolgten Einführung der Arbeitslosen­ unterstützung tooltte sich der Verbandsvorstand der Sattler über den Stand der als Kontrollorgan so wichtigen Arbeitsnachweiseinrich­ tungen im Verbände Kenntnis verschaffen. Die veranstaltete Um­ frage ergab: in 13 Orten gewerkschaftliche Nachweise, in 14 Orten Jnnungsnachweise und in 7 Orten Jnnungs- und gewerkschaftliche Nachweise nebeneinander. Das 1910 erschienene Adressen-Verzeichnis des Verbandes vermerkt 25 Verwaltungsstellen mit dem Zeichen AN (Arbeitsnachweis). Darunter befinden sich natürlich viele, die für eine statistische Erfassung ohne Bedeutung sind. Bei unserer Enquete wurden 4 Verwaltungsstellen der Porte­ feuiller gefragt, von denen 3 antworteten. Zwei davon hatten keinen eigenen Nachweis mehr, sondern denselben zugunsten der öffentlichen Nachweise abgetreten (in Stuttgart an den städtischen, in Offenbach an den paritätischen Kreisarbeitsnachweis); in Enckheim war dagegen ein eigener Nachweis erst in Bildung begriffen, über die Vermittlungstätigkeit im ehemaligen Portefeuillerverband liegen also keine Angaben vor. Femer wurden an 19 Ortsverwal­ tungen der Sattler Fragebogen versandt und 11 kamen gut ausgefüllt zurück. Es handelt sich durchweg um gewerkschaftliche Nachweise; der paritätische Fachnachweis fehlt in diesem Berufe noch gänzlich. Davon wurden 4 nach der Einfühmng der Arbeitslosenunterstützung errichtet, während die anderen älteren Datums sind, der älteste besteht

166 in Berlin seit 1892. Die 11 Nachweise waren in folgenden Städten: Berlin (792), Bielefeld, Bremen, Bremerhaven (6), Dresden (35), Essen (9), Hamburg (107), Hannover (42), München (23), Nürnberg (22), Rostock (3). Ihre Organisation ist einfach wie die der meisten gewerkschaftlichen Bermittlungsanstalten. Me werden neben­ amtlich von einem Funktionär der Ortsverwaltung besorgt, meist des Abends zwischen 6—8, bei einigen auch Sonntags mittags. Die Berwaltungskosten gaben 8 Nachweise für das Jahr 1908 mit 2192 Mk. an. Neun Nachweise berichteten über ihre Vermittlungs­ tätigkeit. Gemeldet wurden: 2938 Arbeitsuchende, 1329 offene Stetten, 1039 Vermittlungen. Rund 70% dieser Zahlen entfielen auf den Berliner Nachweis, der auch in diesem Berufe eine Ausnahmestellung einnimmt, da er infolge der guten Organisationsverhältnisse in Berlin (von etwa 3500 Berufsangehörigen sind 3000 Berbandsmitglieder) eine beherrschende Stellung am Arbeitsmarkt besitzt. Gut organisiert ist der Arbeit­ nachweis außerdem im Gau Hamburg, wo 6 zusammenarbeitende Nachweise bestehen, die in den Jahren 1906—1908 von 1443 Arbeit­ suchenden benutzt wurden und von 1444 offenen Stellen 733 besetzen konnten. Diese Erfolge sind nun gewiß nicht glänzend, obwohl sich der Verband die Regelung der Arbeitsvermittlung angelegen sein läßt. Er hat schon wiederholt Versuche zu einer Zentralisierung, sowohl für die einzelnen Gaue, als auch für den ganzen Verband gemacht, bisher allerdings erfolglos. Vielleicht fehlt dazu das tret« bende Moment, denn da die Arbeitgeber keinen großen Wert auf ihre Nachweise legen und dieselben loyal handhaben, so sieht der Ver­ band keine Veranlassung, auf den eigenen Nachweisen zu bestehen. Auch bei Tarifabschlüssen wird auf Benutzungspflicht des Arbeits­ nachweises kein Gewicht gelegt, obgleich dieser Passus in einige Ver­ träge gelangte. In den am 23. März 1908 zu Berlin vereinbarten „Einheitlichen Gesichtspunkten für ganz Deutschland in bezug auf Verträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Leder­ waren- und Reiseartikelindustrie" heißt es im Punkt 9 vom Arbeits-

167 Nachweis: „Die örtlichen Arbeitsnachweise werden beiden Teilen zu tunlichster Benutzung empfohlen." Dem paritätischen Facharbeits­ nachweis steht man sympathisch gegenüber, während man die öffent­ lichen Arbeitsnachweise für ungeeignet hält. Ganz berechtigt ist dies nicht, da in Süddeutschland die städtischen Arbeitsnachweise auch für diese Berufe vermitteln und am meisten zur Eindämmung der un­ geregelten Arbeitsvermittlung beitragen. Verband der Tapezierer und verwandten Berufsgenossen Deutschlands (Sitz Berlin)^. Das Tapezierergewerbe ist ein ausgesprochenes Kleingewerbe mit starker Saisonarbeit. Diese umfaßt die Monate Februar bis Mai, und August bis November. Bei Schluß der Saison setzt immer eine große Arbeitslosigkeit ein. Dieser Saisoncharakter des Berufes erschwert eine geregelte Arbeitsvermittlung außerordentlich. Zu Ende der neunziger Jahre war die Umschau im Berufe so über­ wiegend, daß Jastrow von einer schrankenlosen, ja anerkannten Herrschaft derselben sprach. Seit Jahren bemühen sich Arbeitgeber und Gehilfen, allerdings nicht vereint, sondern jede Organisation für sich, einen bestimmenden Einfluß auf die Arbeitsvermittlung zu erlangen. Beiden ist aber eine generelle Regelung unmöglich. In dem erwähnten Schreiben heißt es wörtlich: .„In den Monaten mit starkem Arbeitsandrang sind die Arbeitgeber genötigt, unsere Arbeitsnachweise zu benutzen; in den Monaten der größeren Arbeits­ losigkeit versuchen die Arbeiter auf den Nachweisen der Unternehmer Arbeit zu finden. Wenn sie daher nach der Bedeutung der Nach­ weise fragen, so können wir wohl konstatieren, daß unseren Nachweisen, eben weil sie ihre Haupttätigkeit in den besseren Monaten entfalten können, die größere Bedeutung zukommt. Unser Handwerk ist aber zugleich sehr vielseitig und kennt keine maschinelle Arbeit. Die An­ forderungen an den Arbeiter sind daher sehr verschiedenartig. So x) Die Angaben über die allgemeinen Bemfsverhältnisse und den Stand der Arbeitsvermittelungen sind dem Vorsitzenden des Verbandes, Franz Spliedt, zu verdanken, der sie dem Bersasser freundlichst zur Der. fügung stellte.

168 kommt es, daß auch der Weg des Umschauens und der Annonce viel benutzt wird, wenn Arbeitgeber Spezialarbeiter wünschen oder Ar­ beiter auf besondere Arbeit reflektieren." Hiemach scheint doch die Umschau nicht wie früher maßgebend zu sein, sondem ist in zweite Linie gerückt. Jnnungsnachweise bestehen in folgenden Städten: Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Kiel, Leipzig, Lübeck, München. Vermittlungsergebnisse liegen nur von einigen vor. Bon den Ver­ bandsnachweisen, die uns vom Vorstand bezeichnet wurden, ant­ worteten alle. Es waren dies 22 gewerkschaftliche und 2 paritätische Facharbeitsnachweise. Der Nachweis in Königsberg wurde erst 1909 gegründet, sodaß keine Angaben über die Vermittlungstätig­ keit gemacht werden konnten. Die übrigen 21 Verbandsnachweise verzeichneten für 1908: Arbeitsuchende.. 6320 Offene Stellen . 3419 Besetzte „ .. 2942 in folgenden Orten: Bielefeld (27), Bremen (20), Darmstadt (10), Dortmund (27), Dresden (346), Frankfurt a. M. (323), Halle (109), Hamburg (781), Karlsruhe (17), Kiel (53), Köln (142), Leipzig (280), Lübeck (95), Magdeburg (11), Mannheim (70), München (472), Nürnberg (80), Oldenburg (12), Posen (20), Stettin, Zwickau i. S. (8).

Bei den paritätischen Facharbeitsnachweisen Berlin (1867), Breslau (119) und Düsseldorf (158) — letzterer war 1908 vorüber­ gehend paritätisch — waren die entsprechenden Zahlen: Arbeitsuchende.. 4666 Offene Stellen . 2607 Besetzte „ .. 2144. Außerdem sollen jetzt Chemnitz, Danzig und München pari­ tätische Fachnachweise haben. Die Einrichtung von Nachweisen ist im Statut des Verbandes vorgesehen, dessen § 16 lautet: 1. In jeder Filiale ist möglichst ein Arbeitsnachweis einzurichten. Die Kontrolle und Leitung untersteht der Ortsverwaltung. Jeder Arbeitslose ist ver­ pflichtet, sich in die Liste der Arbeitsuchenden eintragen zu lassen, sonst werden ihm keine Arbeitslosenmarken geklebt.

169 2. Die Kontrolle der Arbeitslosen hat durch den Arbeitsnachweis zu ge­ schehen. Nähere, den örtlichen Verhältnissen entsprechende Bestimmungen hat der Filialvorstand zu erlassen; dieselben bedürsen der Zustimmung des Hauptvorstandes.

Die Leitung liegt in den Händen des angestellten Beamten oder eines gewählten Nachweisführers, und die Fühmng der Geschäfte hat nach den örtlichen Regulativen zu erfolgen. Dieselben sind ver­ schieden, enthalten aber meist ähnliche Bestimmungen, wie das nach­ folgende, für Mannheim geltende: §1. Das Umschauen am Orte ist verboten. Die Benutzung des stöbt. Arbeitsnachweises ist möglichst zu vermeiden. § 2. Der Arbeitsuchende hat sich jeden Abend von 7—8 Uhr, Sonn- und Feiertags von 11—12 Uhr, zu melden. § 3. Jeder Arbeitsuchende hat sich in das im Nachweis ausliegende Buch ein­ tragen zu lassen. § 4. Die Vergebung der offenen Stellen findet der Reihenfolge nach statt; jedoch kann der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmer zwei Angebote ablehnen. Wird das dritte ebenfalls abgelehnt, so wird der Ablehnende als letzter eingetragen. § 5. Der Arbeitsuchende hat sofort durch Zurückgabe des Scheinedem Vermittler von dem Resultat Mitteilung zu machen. § 6. Aushilfsstellen dauern nur drei Tage, vom vierten Tage ab wird der Eingetragene in der Liste gestrichen und muß sich von neuem eintragen lassen. § 7. Etwaige Beschwerden sind nur an den Vorstand zu richten. Die Ortsverwaltung.

Das Umschauverbot besteht nicht in allen Orten, mitunter ist Umschauen mit Genehmigung des Arbeitsnachweisführers erlaubt. Dasselbe gilt auch für das Aufsuchen der Jnnungsnachweise, über die in einzelnen Fällen, z. B. früher in München, für die Berbandsmitglieder die Sperre verhängt wurde. Die Benutzung städtischer Nachweise ist sonst nicht, wie in Mannheim, verboten, jedoch behalten sich andere Nachweise insofern eine Kontrolle vor, als von ihrer Genehmigung der Antritt einer durch den städtischen Nachweis ver­ mittelten Stelle abhängig gemacht wird. Eine Zentralisation der Arbeitsnachweise'besteht zwar nicht für den ganzen Verband, wohl aber in einzelnen Gauen. So ist der Nordwestgau, der Rheinland und Westfalen umfaßt, in 6 Bezirke geteilt; für jeden besorgt der Nachweis des Bezirksvororts die ganze Arbeitsvermittlung. Diese 6 Bezirksnachweise haben ihre Zenttalstelle im Gaubureau zu Düssel­ dorf. Als Bakanzenliste benutzen sie eine Mitteilungskarte, auf der sowohl die arbeitsuchenden Gehilfen, als auch die zu besetzenden Stellen mit Angabe aller nötigen Bemerkungen zu verzeichnen sind. Auch die übrigen Drucksachen sind für alle gleich.

170 Wenn wir endlich die Entwicklung des paritätischen FacharbeitsNachweises bettachten, so sehen wir eine lange, schon früh einsetzende Reihe von Versuchen mit den schwankendsten Erfolgen. Bereits in den achtziger Jahren bestand in Leipzig ein gemeinsam mit der Innung geführter Nachweis, der aber 1890 ausgelöst wurde. In Dresden wurde 1899 ein solcher gegründet und nach einer für die Gehilfen erfolgreich beendeten Lohnbewegung im Jahre 1904 von den Jnnungsmeistern durch Änderung des Jnnungsstatuts aufge­ hoben. In Düsseldorf galt der paritätische Facharbeitsnachweis für 1908 und wurde zu Ende des Jahres von der Innung gekündigt. Ähnlich in Lübeck, wo der Nachweis nach Maus des Tarifs von der Innung, ttotz Protestes der Gehilfenschaft, aufgehoben wurde. Auch in Stettin bestand der paritätische Nachweis durch einige Jahre bis 1906. Erst kürzlich sind die Arbeitgeber in Hannover von einem vorzüglich wirkenden paritätischen Nachweis zurückgetreten; in München, wo der paritätische Nachweis im August des vorigen Jahres durch Tarifverttag eingeführt wurde und bereits in der kurzen Zeit des Bestehens entschiedene Besserung in die Arbeits­ vermittlung brachte, kündigten die Meister gleichfalls. Me lassen sich solche Schwankungen erklären? Spliedt äußert sich zu diesem Punkte folgendermaßen: „Mr haben schon seit Jahren an einzelnen Orten eine paritätische Vermittlung einzuführen versucht. Leider stößt dieser Versuch, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, auf den Widerspruch der Innungen. Nicht weil der paritätische Nachweis nicht seine Aufgabe lösen könnte, sondern weil in den Kreisen der Jnnungsführer noch immer der Glaube steckt, daß sie sich etwas vergeben, wenn sie die Berechtigung der Arbeiter, mitzu­ wirken, anerkennen." Der Vorstand des Verbandes der Tapezierer hält die paritätischen Nachweise nach wie vor für die wünschens­ werte Form der Nachweise und es ist zu erwarten, daß mit dem Fortschreiten des Tarifwesens die Arbeitgeber auch der Parität auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung geneigter werden. Bis jetzt waren die paritätischen Nachweise meist durch besondere Vereinbarung geregelt; dagegen hatten Tarife in Mannheim, Nürnberg und Posen die Anerkennung, bzw. die Berücksichtigung des Berbandsnachweises vorgesehen. Die städtischen Nachweise werden von den Tapezierem

171 nicht gern in Anspruch genommen. Außer in Stuttgart wurde seit 1909 in Nürnberg die Vermittlung dem Arbeitsamte übertragen und der eigene Nachweis aufgelöst. Auch das Arbeitsamt in München vermittelte vor Errichtung des paritätischen Nachweises, der dem Amte dann angeschlossen wurde, ebensoviel wie der gewerkschaftliche Nachweis. Es ist aber von Interesse, zu hören, weshalb der Ver­ band gegen die städtischen Nachweise Stellung nimmt. Es heißt da in dem Schreiben: „Wir haben namentlich in Süddeutschland in einigen Städten den Nachweis dem bestehenden städtischen ange­ schlossen. Weil aber die Art der Arbeit sehr verschieden ist, den städtischen Beamten aber die Möglichkeit einer Beurteilung der Firmen wie auch der Arbeiter fehlt, ist die Vermittlung ohne jede Bedeutung. Selbst in Straßburg, wo der Arbeitslosenzuschuß mit dem städtischen Arbeitsamte in Verbindung gebracht ist, kommt der Vermittlung keine Bedeutung zu." Daher befürwortet er den Anschluß der paritätischen Facharbeitsnachweise an die städtischen nur bedingungsweise. „Jedenfalls müßte in diesem Falle der Nach­ weis als besonderer Facharbeitsnachweis angegliedert werden. Ein Nachweis, der wirklich seine Ausgaben erfüllen soll, kann bei der Vermittlung der gelernten Handwerker die Leitung durch Fach­ männer nicht entbehren. Die Erfahrungen, die wir bei ernstem Wollen mit den reinen städtischen Nachweisen machten, zeigen uns, daß eine Vermittlung in unserem Gewerbe eine fachmännische sein muß."

JJ. Graphische Gewerbe. Die Arbeitsnachweise der Tarifgeineinschaft Deutscher Buchdrucker *). Diese bekannte Tarifgemeinschaft unterhält ein Netz paritättscher Facharbeitsnachweise, das ganz Deutschland umspannt. Es ist zu beachten, daß die Arbeitsnachweise Organe und Bestandteile der Tarifgemeinschaft darstellen und mit den im Buchdruckgewerbe be*) Nach den Kommentaren zum Deutschen Buchdrucker-Tarif von 1902 und 1908, herausgegeben vom Tarifamt der Deutschen Buchdrucker in Berlin.

172 stehenden beiderseitigen Organisationen nichts zu tun haben. Weil sie mit Gewerkschaften also keinen Zusammenhang haben, sollte ihre Behandlung hier ganz unterbleiben1). Da jedoch bei allen Berufen, bzw. deren Gewerkschaften die Tendenz der Weiterentwicklung der Arbeitsvermittlung zum paritätischen Arbeitsnachweis aufgezeigt wurde, und dieselbe in den Arbeitsnachweisen des Buchdruckgewerbes ihre vorläufige Vollendung erreicht hat, so soll hier in gedrängter Form ein Bild von der Art und Wirksamkeit dieser Nachweise ent­ worfen werden. Die Arbeitsnachweise der deutschen Buchdrucker sind im wesent­ lichen eine Schöpfung des Tarifes von 1901. Zwar wurde ihre Er­ richtung bereits 1896 vom Tarifausschuß beschlossen, doch begegnete die Durchführung dieses Beschlusses einer heftigen Opposition, nicht zuletzt von einem Teile der Gehilfenschaft. Im allgemeinen lag die Arbeitsvermittlung in der Tarifperiode 1896—1901 noch bei den Jnteressentennachweisen der beiderseitigen Organisationen. Es bestanden damals 60 berufliche Nachweise teils vom „Verband der deutschen Buchdmcker" (Gehilfenorganisation), teils vom „Deutschen Buchdruckerverein" (Prinzipalsorganisation) unterhalten, und nur zwei Nachweise waren paritätisch. Hier brachte der Tarif von 1901 eine durchgreifende Ändemng. Er bestimmte in seinem § 52 die Er­ richtung von paritätischen Tarif-Arbeitsnachweisen in allen größeren Dmckorten. Mes verlangte natürlich die Aufhebung der bestehenden Arbeitsnachweise der Bemfsorganisationen, was durch Beschluß des Tarifausschusses vom 27. September 1901 im Einverständnis mit den Vertretem der beiderseitigen Organisationen verein­ bart wurde. Mit dem 31. Dezember 1901 hatten die Interessentennachweise im Buchdmckgewerbe Deutschlands ihre Tätig­ keit eingestellt. An deren Stelle traten damals 32 Tarif­ arbeitsnachweise in den größeren Dmckorten, die alle nach einer dem Tarif angehängten Geschäftsordnung zu arbeiten hatten. Bei der Tarifrevision von 1906 erfuhr dieselbe mancherlei Ändemngen und Ergänzungen, die sich im Anhang des jetzt geltenden Tarifes *) Sie würden den Hauptbestandteil der geplanten Untersuchung über die paritätischen Facharbeitsnachweise zu bilden haben.

173 als „Bestimmungen für die Arbeitsnachweise" finden. Ihres Um­ fanges wegen können sie hier nicht wiedergegeben werden; hier seien nur die Kernpunkte der Tarifnachweise gekennzeichnet. Sie fußen auf § 92 des neuen Tarifes, der folgendermaßen lautet: „An allen größeren Druckorten, insbesondere da, wo ein Schiedsgericht besteht, ist ein nach Angabe des Tarifamtes zu verwaltender und dem betreffenden Kreisamt unterstellter Arbeitsnachweis zu errichten, für dessen Verwaltung bis auf weiteres die Bestimmungen im Anhang maßgebend sind. Die Kosten des Arbeits­ nachweises werden durch das zuständige Kreisamt geregelt; jedoch soll von der Erhebung besonderer Nachweisgebühren tunlichst Abstand genommen werden."

Eine Ergänzung findet diese gmndlegende Bestimmung in dem folgenden Beschluß des Tarifausschusses, der ebenso Tarifrecht ist, wie die Bestimmung des Tarifes selbst. Er lautet: „Die Be­ nutzung anderer Arbeitsnachweise, als die von der Tariforganisation installierten Arbeitsnachweise ist für die Mit­ glieder der Tarifgemeinschaft unzulässig. Die Mitglieder des Tarifausschusses und die Vertreter der beiderseitigen Organisationen haben sich verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß jede Vermittlung von Arbeitskräften von anderer Stelle als tarifwidrig unter­ bleibt." Damit ist die Grundlage gegeben: Es werden paritätische Fach­ arbeitsnachweise als Tarifeinrichtungen geschaffen; die Benutzung anderer Arbeitsnachweise ist unzulässig. Bei einer prinzipiellen Betrachtung dieser Arbeitsnachweise tritt ihre Bedeutung als Arbeitsvermittlungsstellen, die Angebot und Nachfrage ausgleichen sollen, eigentlich zurück hinter die ihnen ein­ geräumte tarifliche Funktion. Bei ihrer Einführung wollte man mit ihnen Tariforgane schaffen, welche die Ausbreitung und Festigung des Tarifes am wirksamsten fördern sollten. Daher machte man die Vermittlungstätigkeit vom Nachweise der Tariftreue abhängig. § 2 der Bestimmungen lautet: „Der Arbeitsnachweis hat nur an tariftreue Buchdruckereien Arbeitskräfte und nur taristreuen Ge­ hilfen Stellung nachzuweisen." Im Kommentar 1908 finden wir auf S. 310 zu dieser Bestimmung noch folgende Erläutemng der tariflichen Funktion der Arbeits­ nachweise: „Im Interesse der tariftreuen Prinzipale liegt es, ihren Bedarf an Arbeitskräften möglichst nur durch diese Nachweise zu

174 decken, indem ihnen nur tariftteue Gehilfen zugewiesen und dadurch die tariflichen Bestimmungen immer mehr verallgemeinert werden." „Den Gehilfen andererseits ist durch die Arbeitsnachweise die Erlangung einer Kondition zu tarifmäßigen Bedingungen garantiert." Weiter auf S. 314 folgender Beschluß des Tarifamts: „............ es ergibt sich für alle tariftreuen Firmen die Aufgabe, bei Einstellung von Gehilfen, die etwa ohne Vermittlung der Arbeitsnachweise er­ folgen sollte, auf dem Nachweis der Tariftteue des sich meldenden Gehüfen zu bestehen; jedenfalls aber ist es vorzuziehen, wenn jeder Bedarf an Arbeitskäften nur durch die Nachweise gedeckt wird. Denn dadurch werden die Beschlüsse des Ausschusses am ehesten ihrer Verwirklichung entgegengeführt, und das liegt doch wohl auch im Interesse aller tariftteuen Firmen; helfen diese nicht an ihrem Teile hieran mit, so wird diese Sorglosigkeit eben wiedemm zu einer all­ gemeinen Verlotterung der tariflichen Zustände führen, bis neue Kämpfe zwischen Prinzipalen und Gehilfen zu denselben Maß­ nahmen drängen werden, die im Interesse des Gewerbes schon jetzt geboten erscheinen." Weiter gehört zur Tariffunktion dieser Arbeitsnachweise die Unterbringung gemaßregelter Gehilfen, von der § 19 sagt, daß außer der Reihe, und zwar in erster Linie diejenigen Gehilfen untergebracht werden müssen, welche durch ihr eintreten für den Tarif arbeitslos wurden. Durch diese Tätigkeit der Tarifarbeitsnachweise sollen sie „zu gleicher Zeit eine Schutz- und Trutzwaffe für die Tarifkämpfer beider Parteien sein". Dagegen darf die Vermittlung nicht von der Zugehörigkeit zu irgendeiner Organisation oder Kasse abhängig gemacht werden. Die Garantie zu dieser unparteiischen Handhabung der Geschäfte soll die gemeinsame Verwaltung der Arbeitsnachweise bieten. Es ist gleichgültig, ob die Vermittlungstätigkeit durch einen Prinzipal oder einen Gehilfen oder durch beide vollzogen wird, da­ gegen muß die Aufficht über den Nachweis einem Prinzipal und einem Gehilfen am Sitz des Arbeitsnachweises gemeinsam zustehen. — Me Arbeitsnachweise arbeiten mit einheitlichen Büchem und Formularen, die vom Tarifamt geliefert werden. Wird ein Gehilfe arbeitslos, so hat er sich beim nächstgelegenen Arbeitsnachweis zu melden und nachzuweisen, daß seine letzte Stel-

176 hing eine tariftreue war. Diese Anmeldung ist innerhalb 14 Tagen zu erneuern, da sonst Streichung erfolgt. Die Vermittlung der Arbeits­ losen geschieht grundsätzlich der Reihe nach; nattirlich sind Aus­ nahmen zulässig, da ja auf die verschiedenen Berufsbranchen, auf Spezialarbeiten, sowie auf die Fähigkeiten der Gehilfen entsprechend Rücksicht genommen werden muß. Andererseits sind die Gehilfen verpflichtet, die ihnen angebotene und ihren Fähigkeiten entsprechende Kondition anzunehmen. Auswärtige Stellen können nur Familien­ ernährer ablehnen. Dringend verlangt wird von den Gehilfen die pünktliche Abmeldung beim Nachweis, wenn sie ohne Vermittlung desselben eine Stellung erlangt haben. Verstöße gegen diese Be­ stimmungen haben den zeitweiligen Ausschluß von der Benutzung des Nachweises zur Folge. Bemerkenswert ist die Regelung des Verhaltens der Nach­ weise bei Differenzen; der § 5 besagt hier folgendes: „Bei tariflichen Differenzen muß auf gemeinsame Anweisung der beiden Kreisvertreter oder des Tarifamts die Vermittlung für die betreffenden Prinzipale oder Gehilfen eingestellt werden, und zwar bis zum ordnungsmäßigen Austrag des Streitfalls." Hier sehen wir die sogenannte Streikklausel paritätisch, für beide Teile gleich wirkend. Es gibt aber Gehilfen, die während solcher Tarifdifferenzen Arbeit in den betreffenden Druckereien nehmen; sie dürfen auf längere Dauer, mindestens ein Jahr lang, im Arbeitsnach­ weis nicht eingetragen werden. Beschwerden gegen die Verwaltung des Arbeitsnachweises sind an die mit der Aufsicht betrauten Personen zu richten, die auch darüber zu entscheiden haben. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so entscheidet in letzter Instanz das Tarifamt, dem auch endgültig alle Streitigkeiten, die aus der Bermittlungs­ tätigkeit resultieren, unterliegen. Dies sind im wesentlichen die Grundbestimmungen für die ört­ lichen Arbeitsnachweise, deren es im Jahre 1910 bereits 53 gab. Sie verteilen sich auf die 13 Kreise, in die das Deutsche Reich für die Zwecke der Tarifgemeinschaft eingeteilt wurde. In jedem Tarifkreis ist der Arbeitsnachweis am Vororte zugleich als Zentralstelle für die ihm zugeteilten Arbeitsnachweise tätig. Ihr müssen die einzelnen Nachweise die Zahl der Arbeitsuchenden und der offenen Stellen

176 rechtzeitig mitteilen, damit sie Angebot und Nachfrage in ihrem Kreis regeln kann. Über diesem Unterbau steht das Tarifamt in Berlin. Mwöchentlich am Sonnabend haben die Verwalter sämt­ licher Tarifarbeitsnachweise mittelst einer sogenannten Kontroll­ karte dem Tarifamt bekannt zu geben: die Zahl der noch einge­ tragenen Konditionslosen (besonders zu vermerken sind die wegen ihres Eintretens für den Tarif gemaßregelten Gehilfen), die Zahl der noch offenen Stellungen, sowie der in letzter Woche besetzten mit der Angabe, ob sie mit oder ohne Vermittlung des Nachweises besetzt worden sind. Das Tarifamt übernimmt auf Grund dieser Meldungen auf dem schnellsten Wege den Ausgleich zwischen Angebot und Nachftage bei den einzelnen Arbeitsnachweisen, sofern der Kreisarbeits­ nachweis dies nicht tun kann. Im allgemeinen schätzt man den Wert jeder Einrichtung an ihren faktischen Erfolgen. Für die Tarifarbeitsnachweise der deutschen Buchdrucker ergibt sich ein solcher Maßstab aus ihrer Vermittlungs­ tätigkeit, über welche die jährlichen Geschäftsberichte des Tarifamtes die nötigen Angaben enthalten. Wir entnehmen ihnen die folgenden. Es wurden durch die Arbeitsnachweise vermittelt: g *5 g Setzer

M M

Drucker

o o

es 1906/07................. 1907/08.................. 1908/09................. 1909/10.................

12 928 12 578 12 748 13 835

3218 2719 3153 3771

24 91 179 173

18 49 55 61

O o

B o d

O 49 244 390 456

5

ä

(9 S' 25 173 258 311

Zusummen 16 262 15 854 16 783 18 607

Seit dem Bestehen der Arbeitsnachweise (1901) wurden insge­ samt 116 346 Gehilfen vermittelt. Auf das letzte Geschäftsjahr kamen 18607 Stellenbesetzungen durch die Nachweise, während im gleichen Zeitraum durch freies Engagement, also durch Umschauen oder Verschreibung 7265 Gehilfen Stellung erhielten. Es fanden daher von allen in SteNung gekommenen Gehilfen mnd 25% ohne Vermittlung der Tarifnachweise Unterkommen. Diese Tatsache ist sehr zu beachten, denn sie scheint auf den schwächsten Punkt der ganzen Organisation zu deuten, auf das Fehlen des Obligatoriums.

177 Die Arbeitsnachweise sind eben nur fakultativ; die Arbeitgeber brauchen sie nicht zu benutzen, falls ihnen auch auf anderem Wege Arbeitskräfte zu Gebote stehen. Sie sind bloß an die Einstellung tariftreuer Gehilfen gebunden; wie sie dieselben bekommen, ist chre Sache. Es muß ja zugegeben werden, daß durch dieses strenge Fest­ halten an der Tariftreue auf beiden Seiten, das Verlangen nach dem Obligatorium weniger dringend erscheint. Wahrscheinlich ist aber doch, daß diese Fordemng von den Gehilfen einmal mehr in den Vordergrund gestellt werden wird, um eine gleichmäßigere, demo­ kratische Verteilung der Arbeitslosentage, sowie eine größere Macht­ stellung des Arbeitsnachweises selbst zu erreichen. Dies geht aus einem an uns gerichteten Schreiben des Vorstandes des Verbandes der deutschen Buchdrucker hervor, in welchem eine diesbezügliche Anfrage wie folgt beantwortet wurde: „Wir wünschen eine Weiter­ entwicklung des Arbeitsnachweises nach der Richtung, daß der zurzeit fakultative in einen obligatorischen umgewandelt wird, wobei eine möglichste Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse erfolgt und eine gewisse Freizügigkeit gewährleistet wird." Einen direkten An­ schluß an städtische Arbeitsnachweise wünscht der Verband mit Rück­ sicht auf die eigenartigen Verhältnisse des Gewerbes nicht, erachtet aber eine gesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises „insofern für erwünscht, als die von beiden Tarifkontrahenten geschaffenen Ar­ beitsnachweise von sämtlichen Unternehmem und Gehilfen im Buch­ druckgewerbe zu benutzen sind". Mit anderen Worten: ein gesetzlich festgelegtes Obligatorium für die Tarifarbeitsnachweise. Die VII. Generalversammlung des Verbandes der Deutschen Buch­ drucker zu Hannover (Mai 1911) stellte in der Resolution zur kom­ menden Tarifrevision auch die Forderung nach einer „zweckmäßi­ geren Ausgestaltung der Arbeitsnachweise in bezug auf größere Wirksamkeit derselben" auf, während auf der Prinzipalsseite das Verlangen bestand, daß die Gehilfen mehr als bisher auch in kleineren Druckorten Arbeit annehmen sollten. Die Beschlüsse der Ende September 1911 stattgefundenen Beratungen zur Tarif­ revision kann man in bezug auf den Arbeitsnachweis etwa fol­ gendermaßen zusammenfassen: Das Verlangen nach dem Obligatorium wurde fallen gelassen, dem Wunsche der Prinzipale wird M i ch a l k e, Arbeitsnachweis.

12

178 versprochen Rechnung zu tragen; es werden Vorkehmngen ge­ troffen, den paritätischen Charakter der Arbeitsnachweise unbedingt zu wahren. Die Position der Tarifgemeinschaft der deutschen Buchdrucker ist vom Gesichtspunkte der Ausbreitung des Tarifs heute glänzend. Bon einer verschwindenden Minorität abgesehen, ist heute nahezu die Gesamtheit der Prinzipale und der Gehilfen Träger der Tarif­ gemeinschaft. Wie weit nun die Tarifarbeitsnachweise zu diesen Erfolgen beigetragen und damit der ihnen gestellten tariflichen Auf­ gabe gerecht wurden, ist wohl schwer zu sagen. Aber wenn sie auch nicht den Hauptanteil beanspruchen dürfen, gewiß haben sie mit­ gewirkt an der Ausbreitung des Tarifgedankens; sie haben auch die geregelte Arbeitsvermittlung im Gewerbe in die rechten Wege ge­ leitet, und sie haben endlich das nicht zu unterschätzende Verdienst, für den paritätischen, beruflichen Arbeitsnachweis bahnbrechend gewirkt zu haben.

Verband der Buch- und Sreiudruckerei-Hilfsardeiter und Arbeiterinnen Deutschlands (Sitz Berlin). Wie der deutsche Buchdmckertarif selbst, so haben auch die auf Grund desselben errichteten Arbeitsnachweise ihre Wirkung vor allem auf die anbetn graphischen Gewerbe ausgübt. Abgesehen von ganz kleinen Bemfen, wie die der Notenstecher und Xylographen, hat der Gedanke der paritätischen Tarifarbeitsnachweise überall Fuß gefaßt. Bei den Hilfsarbeitern des Druckgewerbes behandeln die „allge­ meinen Bestimmungen über Obliegenheiten, Arbeitszeit und Ent­ lohnung des Hilfspersonals in Buchdruckereien", wie sie beim Abschluß des letzten Buchdruckertarifes (1906) auch für die Hilfsarbeiter zwischen dem Deutschen Buchdruckerverein und dem obigen Verband vereinbart wurden, im § 11 auch die Arbeitsnachweise. Es heißt da, daß in allen größeren Druckorten von den beiderseitigen örtlichen Vereinigungen Arbeitsnachweise einzurichten sind, sofern die daselbst bestehenden Tarif-Arbeitsnachweise der Buchdrucker die Vermittlung des Hilfspersonals nicht übernehmen sollten. Letzteres scheint bisher nirgends der Fall zu sein. Für die paritätischen Arbeitsnachweise

179 ist eine Geschäftsordnung maßgebend, die den erwähnten allgemeinen Bestimmungen angehängt ist und im wesentlichen eine Nachbildung der für die Tarifarbeitsnachweise der Buchdrucker geltenden Vor­ schriften darstellt. Außer einigen kleinen Modifikationen enthält sie alle im vorhergehenden Abschnitt gekennzeichneten Hauptpunkte, sodaß eine Wiedergabe unnötig ist. Hervorzuheben wäre, daß auch hier der Nachweis der Tariftreue verlangt wird, indem der Arbeitsnachweis nur an solche Firmen vermitteln darf, die den deutschen Buchdruckertarif anerkannt haben, ebenso nur solches Hilfs­ personal unterbringen kann, das in tariftreuen Buchdruckereien ge­ arbeitet hat. Aus Grund dieser Vereinbamngen arbeiteten 1908 paritätische Arbeitsnachweise in Berlin (18 650), Leipzig (675) und München (683) mit folgendem Ergebnis: Arbeitsuchende............ 5022 Offene Stellen ............ 20612 Besetzte Stellen........... 20008. Da die Zabl der Vermittlungen bedeutend größer ist als die Zahl der Arbeitslosen, so ist zu bemerken, daß sehr viel Aushilfen auf einzelne Tage, Nächte oder auch auf Stunden besetzt werden. Be­ sonders gilt dies für Berlin, wo allein 18650 Vermittlungen ver­ merkt worden sind. Diese drei Nachweise werden hauptamtlich geführt und beherrschen wohl den örtlichen Arbeitsmarkt mehr oder weniger. Den Arbeitnehmern ist hier persönliches Umfragen ver­ boten, und auch die Arbeitgeber haben sich zur Benutzung des Nachweises (in erster Linie) verpflichtet. Arbeitsnachweise bestanden dann noch in Dresden (181 besetzte Stellen), Hamburg (262) und Nürnberg, doch ist die Vermittlung durch dieselben nicht allgemein, sondem es sind auch Inserat und Umfrage gebräuchlich. Neuerdings wurden Tarif-Arbeitsnachweise in größerer Zahl geschaffen, über deren Wirksamkeit aber noch keine Angaben gemacht werden können. In Frage kommen folgende Tariforte: Bremen, Breslau, Cassel, Darmstadt, Frankfurt a. M., Halle, Hannover, Hamburg, Karlsmhe, Königsberg, Mannheim, Magdeburg, Nürnberg, Regensburg, Stutt­ gart, Sttaßburg.

180 Verband der -Lithographen, Sreindrucker u. v. 33. (Berlin) (Deutscher Genefelder Bund). Außer den Buchdruckern und Buchdmckerei-Hilfsarbeitern um­ faßt der Verband nahezu alle übrigen polygraphischen Berufsgruppen. In ihm finden wir vertreten neben den Lithographen und Stein» dmckern noch Chemigraphen, Photographen, Licht- und Kupfer­ drucker, Formstecher, Tapeten- und Wachsbuchdrucker usw. Nur die Notenstecher und Xylographen haben noch eigene Organisationen. Das Tarifwesen aller dieser Branchen ist begreiflicherweise von dem im Buchdmck herrschenden sehr beeinflußt worden. Die Tarife zeigen große Ähnlichkeit mit den Bestimmungen des deutschen Buch­ druckertarifes, und auch die Tarifarbeitsnachweise, die für einzelne Berufe bestehen, verleugnen ihre Abstammung durchaus nicht. So­ viel bekannt geworden ist, unterhalten die Chemigraphen und Kupfer­ drucker, die Lichtdrucker, sowie die Formstecher paritätische Fach­ arbeitsnachweise. Leider standen uns für die größten Bemfe, die Lithographen und Steindrucker, keinerlei Angaben über deren Ge­ werkschafts-Arbeitsnachweise zur Verfügung. Für die Chemigraphen und Kupferdrucker sieht der Tarif Tarifarbeitsnachweise vor durch eine ganz ähnliche Be­ stimmung wie der Buchdmckertarif. Das Gleiche gilt für die L i ch t drucker in ihrem 1906 abgeschlossenen Tarif. Derselbe wurde 1911 erneuert, doch ließ man die früheren Tarifnachweise fallen. Für die Arbeitsnachweise dieser Bemfe gilt eine Geschäftsordnung, welche die wichtigsten Punkte der für die Buchdmcker-Nachweise geltenden Bestimmungen enthält. Die Arbeitsnachweise dürfen aber nur solchen Prinzipalen, die Mitglieder des Bundes der chemigraphischen Anstalten Deutschlands sind, Arbeitskräfte nachweisen, die aber wiedemm Mitglieder des Verbandes der Lithographen sein müssen (ausschließlicher Berbandsverkehr). über die Tätigkeit der Tarifarbeitsnachweise der Chemigraphen und Kupferdmcker gibt eine Statistik des Tarifamts (Graphische Presse 1910, Nr. 46) Aus­ kunft. Im ersten Halbjahr 1910 (Januar-Juli) waren auf den Arbeitsnachweisen im Wochendurchschnitt 111 Arbeitslose einge­ tragen; davon kamen auf: Ätzer 49, Photographen 22, Retucheure 13, Nachschneider 9, Drucker 6, Kopierer 5, Kupferdmcker 5, Mon»

181 teute 2. In allen Sparten konnten im ersten Halbjahr 382 Stellen besetzt werden. Die F o r m st e ch e r haben seit 1. November 1910 den zen­ tralen Gehilfennachweis in einen paritätischen umgewandelt, für welchen u. a. folgende Bestimmungen gelten: Der Nachweis wird vom Verband Deutscher Formstechereibesitzer und dem der Litho­ graphen usw. gemeinsam verwaltet. Die Geschäftsfühmng des Nachweises liegt in den Händen des Gehilfenverbandes, die Kontrolle jedoch bei dem Arbeitgeberverband. Diese Kontrolle hat in der Zeit vom September bis Juli mindestens einmal monatlich stattzu­ finden. Die Vermittlung hat möglichst nur durch den Nachweis zu erfolgen. Arbeitskräfte werden nur solchen Firmen zugewiesen, die die tariflichen Vereinbarungen anerkannt haben, jedoch unabhängig von der Zugehörigkeit zu irgendeiner Organisation. Nichtorganisierte Arbeitgeber zahlen eine Gebühr von 1.50 Mk Über die Wirk­ samkeit dieses Nachweises läßt sich natürlich noch nichts berichten. verband der vlorenstecher (Leipzig). Den Arbeitsnachweis dieses Berufes hat Jastrow „entdeckt" *). Nach seinem Bericht stellt derselbe mit dem der Xylographen die erfolgreichsten gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise dar. Die Er­ klärung liegt bei beiden Bemfen in ihrem geringen Umfange und den guten Orgauisationsverhältnissen der Gehilfenschaft. Seit 1903 besteht zwischen betn Verein der Notenstechereien zu Leipzig und dem Verband der Notenstecher eine Tarifgemeinschaft, der damals von den 12 deutschen Notenstechereien mit 402 Arbeitern 9 mit 385 Ar­ beitern angehörten. Diese Zahlen dürften sich seither etwas erhöht haben, doch ist wohl keine allzugroße Zunahme der Betriebe und der Zahl der Gehilfen wahrscheinlich. Dies zur Erklärung, wie dem Verband seine herrschende Stellung auf betn Arbeitsmarkt ermöglicht wurde, über die Organisation und die Erfolge dieses Arbeitsnach­ weises entwarf Jastrow folgendes Bild: Die Notenstecherei hat ihren Hauptsitz für die ganze Welt in Leipzig. Dort sind die besten *) Sozialpolitik und Verwaltungswissenschaft S. 352 und Arbeitsmarkt, Bd. I, S. 62.

182 Stempelschneider, die alle Notenstechereien mit den nötigen Stanzen versorgen. Leipzig ist auch der Sitz des Gehilsenverbandes. Wird eine Notenstecherei neu errichtet, oder sucht eine bestehende Arbeits­ kräfte, so teilen dies die Leipziger Firmen dem Gehilfenverband mit, dessen Vorsitzender die Arbeiter suchenden Notenstechereien auf den bestehenden Arbeitsnachweis zu verweisen hat. Kein Mitglied des Verbandes darf aber selbst Offerten einreichen, sondern es „tritt eine Kommission von 3 Gehilfen zusammen, welche über Lohn, Arbeitszeit und Reisevergütung beschließt und einen für die Stelle passenden Stecher auswählt, welcher sich dann mit dem Prinzipal in Verbindung setzt. Bei Bertragsbmch seitens des Chefs wird mit sofortiger Arbeitseinstellung und Sperrung des Platzes geantwortet. Der Gehilfe muß eventuell sofort nach Leipzig zurückkehren und wird hier pro Woche mit 21 Mk. unterstützt. Durch diese Tätigkeit sichern sich die Gehilfen int In- und Auslande eine feste und gleich­ mäßige Entlohnung." Der Nachweis versorgt die Notenstechereien fast der ganzen Welt mit Gehilfen. (Es handelt sich in diesem Ge­ werbe hauptsächlich um deutsche Gehilfen.) Im Jahre 1897 wurden im ganzen 10 Stellen vermittelt; nach Hamburg 3, Budapest 2, Sidney 1, Brüssel 1, London 1, Turin 1. Jastrow führt auch als Beispiel der Macht dieses „internationalen Arbeitsnachweises int Liliput-Maßstabe" eine Kollision an, die er mit der ArbeitsmarktPolitik der Vereinigten Staaten erlebt hatte, und aus der er als Sieger hervorgegangen ist. Die amerikanische Gesetzgebung verbot die Einwanderung kontraktlich verpflichteter Arbeiter. Damach wäre bei Vermittlungen nach den Vereinigten Staaten die Fest­ setzung der Arbeitsbedingungen von Leipzig aus unmöglich geworden. „Um die Organisation zu halten, gaben sich die in Amerika ansässigen deutschen Gehilfen gegenseitig das Wort, keinen, neuen Gehilfen mehr anzulernen. Die Folge davon war, daß die überschüssigen Aufträge in Deutschland angefertigt werden mußten, und die Or­ ganisation ungebrochen dasteht." Diese ganze Organisation und ihr Wirken ist jedenfalls eine Besonderheit und hat für den gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis nichts Typisches. Vielleicht schwebte den Gewerkschaftsführern am Berliner Kongreß (1896) ein ähnliches Jdealgebilde vor, als sie den

183 gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis forderten. Vielleicht erhoffte man eine ähnliche Machtentfaltung von dem Wirken desselben für alle Berufe. Dann zeigt aber gerade die Darstellung der Arbeits­ vermittlung bei den Notenstechern, wie weit entfernt die Nachweise der andern Organisationen von der Erfüllung der gewerkschaftlichen Forderung waren. Sie zeigt aber auch, welche Utopie diese Forderung bei den damaligen und heutigen Organisationsverhältnissen darstellte, wo doch zur wirksamen gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung nur jene Berufe imstande waren, welche die Mehrzahl ihrer Arbeiter organisiert hatten; und auch dann hängt noch viel oder alles von der finanziellen Machtstellung des Verbandes ab. Leider kann nicht gesagt werden, ob der Nachweis der Noten­ stecher auch heute noch so funktioniert, wie hier geschildert, und welche Bermittlungstätigkeit er hat, da der Vorsitzende des Verbandes unser wiederholtes Ersuchen um Aufklärung nicht beachtet hat; übrigens fast der einzige Fall bei all unseren Anfragen.

Deutscher Tylographen-verband (Sitz Berlin). Einer von den wenigen Verbänden, deren gewerkschaftliche Nachweise den Arbeitsmarkt ihres Berufes ziemlich uneingeschränkt beherrschen, ist der Xylographenverband. Dies ist auf die kleine Zahl der Berufsangehörigen zurückzuführen, von welchen 1908: 502 oder 75% Mitglieder des Verbandes waren. Das Statut bestimmt im § 9: „1. an Orten, wo Mitgliedsgruppen bestehen, sind lokale Arbeits­ nachweise zu führen, welche von dem Ortsausschuß oder einer von demselben gewählten Person geleitet werden. 2. Zur Verbindung aller lokalen Arbeitsnachweise dient der Zentralarbeitsnachweis, der seinen Sitz im Zentralausschuß hat. Demselben sind alle Vakanzen, auch die Erledigung derselben mitzuteilen. Am Orte nicht zu be­ setzende Stellen werden von der Zentrale aus vermittelt. 3. Die Arbeitsnachweise erfolgen unentgeltlich für alle Verbandsmitglieder. 4. Vorhandene Vakanzen müssen vom Vorsitzenden oder Vertrauens­ mann in den Leseabenden oder Treffpunkten angeschlagen werden, und ist auch deren Erledigung bekannt zu geben." Es bestehen nun im ganzen Reich 14 Verwaltungsstellen des Verbandes, als Arbeitsnachveis kommt aber nur der Zentral-Nachweis in Berlin in Be-

184 tracht. Er vermittelt nur an Mitglieder und nur an solche Arbeit­ geber, die Mitglieder des Bundes xylographischer Anstalten Deutsch­ lands sind. Dazu verpflichtet schon der Punkt 10 des Tarifvertrages für die Xylographen Deutschlands, nach welchem organisierte Ge­ hilfen nur bei organisierten Prinzipalen arbeiten und letztere nur Berbandsmitglieder beschäftigen dürfen (ausschließlicher Berbandsverkehr); auch verpflichtet Punkt 9 des Vertrages die Prinzipale, in erster Linie den Arbeitsnachweis des „Deutschen XylographenBerbandes" zu benutzen. Die Vermittlungstätigkeit erstreckt sich natürlich auf ganz Deutschland, und waren 1908 eingetragene Arbeits­ gesuche 120, offene Stellen 153 und 102 besetzte Stellen zu ver­ zeichnen. Der Nachweis ist für Gehilfen obligatorisch und persön­ liche Umfrage nur dann gestattet, wenn Vakanzen nicht gemeldet sind. Aber auch in diesem Falle darf das arbeitslose Mitglied nur in den Geschäften nachfragen, welche vom Vorsitzenden oder Ver­ trauensmann empfohlen werden. Nichterfüllung zieht den Verlust der Arbeitslosenunterstützung nach sich.

12. Verschiedene Berufe. Verband der Bureauangestellten und Verwaltungsbeamten der Rrankenkassen und Berufsgenossenschafren Deutschlands (Sitz Berlin). Wie schon aus dem Namen des Verbandes erkenntlich, ist er eine Organisation der höher qualifizierten Arbeiter bzw. Ange­ stellten. Da in diese Arbeit die mannigfaltigen kaufmännischen Vereine nicht einbezogen wurden, so hätte auch er ausscheiden sollen. Nun steht aber der Verband durch seinen Anschluß an die General­ kommission der G. D. auf gewerkschaftlichem Boden, und dieses Moment war für die Befragung immer ausschlaggebend. Soweit seine Mitglieder Bureauangestellte sind (es kommen etwa in Betracht: Bureauvorsteher, Registratoren, Expedienten, Kanzlisten, Maschinenschreiber und Stenographen), haben sie, wie alle anderen Kategorien der Privatangestellten, unter Kaurigen Verhältnissen beim Stellensuchen zu leiden. Da bleibt natürlich

185 kein Mittel unversucht, um Arbeit zu finden. Die größte Rolle spielt das Inserat, durch welches rund 50—60% der Stellen besetzt werden dürften. Die Umschau ist in eigenartiger Weise bei den Rechts­ anwaltsangestellten vertreten, welche ihre Gesuche in den Anwalts­ zimmern niederlegen, um bei geeigneten Vakanzen berücksichtigt zu werden. Besonders diese Art des Stellensuchens ist mit großen Mißständen verbunden und gibt zu fortwährenden Klagen Anlaß. Eine geregelte Stellenvermittlung geht einzig von den Ver­ bänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus; z. B. hat der An­ waltsverein in Berlin einen gut entwickelten Nachweis. Der Ver6mtb der Bureauangestellten unterhält Nachweise in Berlin (186), Dresden (108), Hamburg (12) und Leipzig (12). Durch diese konnten im Jahre 1908: bei 671 Arbeitsgesuchen von 638 offenen Stellen 318 besetzt werden. Darunter sind aber ein Teil Vermittlungen von Berwaltungsbeamten der Krankenkassen, die sich durch Reichstarif zur Benützung der Verbandsnachweise verpflichtet haben. Für diese Kategorie von Angestellten wirkt der Verbandsnachweis zentral, während er sich für die anderen Bureauangestellten auf das Gebiet der Ortsgruppen beschränkt. Groß ist also die Tätigkeit der Berbandsnachweise noch nicht; sie kann es schon deshalb nicht sein, weil der Verband erst einen kleinen Teil der in Frage kommenden Angestellten umfaßt. Im Jahre 1908 war der Durchschnitt der Mitgliederzahl 4200. Beim Erstarken der Organisation würden wahrscheinlich auch ihre Nachweise eine größere Tätigkeit entfalten, um so mehr, als paritätisch geleitete Nachweise kaum zu erwarten sind, und ein Anschluß an städtische bei der bekannten skeptischen Abneigung, die in den Kreisen der höher qualifizierten Arbeiter gegen dieselben noch vorherrscht, in ziemlicher Ferne steht.

Allgemeiner Deutscher Gärtnerverein (Sitz Berlin). Die im GärMereibemf beschäftigten Personen scheinen schwer organisierbar zu sein. Die große Zersplitterung in viele Heine Be­ triebe, die vermeintlichen Jnteressenunterschiede der in gewerblichen, privaten und städtischen Gärtnereien Tätigen, all dies erschwert die

186 Arbeit besonders. So kommt es, daß der Mgemeine Deutsche Gärtnerverein von etwa 100 000 Berufsangehörigen im Jahre 1908 erst rund 4800 zu seinen Mitgliedern zählte. Trotzdem wurde im Ausbau der Organisation nach allen Richtungen Tüchtiges geleistet, auch auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung manches Neue ver­ sucht, und dadurch verdient der Verein unsere besondere Aufmerk­ samkeit. Die Vermittlungsverhältnisse im Gärtnereiberuf sind noch sehr ungeregelte. Wenn auch das Umschauen weniger in Betracht kommt, so gebührt eine um so größere Rolle dem Inserat in den vielen fach­ lichen Organen. Dieses läßt sich heute so wenig umgehen, daß sogar die Nachweise des Vereins gezwungen sind, von ihm recht ausgiebigen Gebrauch zu machen. Arbeitgebemachweise bestehen in einigen Städten, in denen stärkere Unternehmervereine vorhanden sind, so z. B. in Frankfurt a. M., Hamburg; doch sollen sie ohne Bedeutung sein. Die Nachweise des Gärtnervereins selbst beschränken sich in der Hauptsache auf jene Plätze, in welchen als Bezirksleiter angestellte Beamte die Geschäfte führen. Dies ist der Fall in 6 Agitations­ bezirken: Hamburg (395), Düsseldorf (482), Frankfurt a. M. (222), München, Leipzig (198), Berlin und außerdem in Barmen (94), Dresden (95), Hannover. Nachweise existieren noch in anderen Orten, praktisch von Bedeutung sind nur die erstgenannten. Diese bilden für ihren Bezirk einen Zentralarbeitsnachweis; sie arbeiten nach einheitlichen Grundsätzen, nach einer gleichen Arbeitsnachweis­ ordnung und mit vom Hauptvorstand gelieferten Drucksachen. Bon besonderem Interesse ist wohl eine Art Bakanzenliste, die in Form einer Mitteilung über die Lage des Arbeitsmarktes gehallen ist. Sie muß auf einem vorgedruckten Kartenformular von jedem Arbeits­ nachweis des Bezirkes am 16. jeden Monats ausgefüllt und dem Leiter des betreffenden Agitationsbezirkes gesandt werden. Die Errichtimg und Unterhaltung des Arbeitsnachweises ist nach § 13 des Vereinsstatuts Sache der Agitationsbezirke in Verbindung mit den örtlichen Verwaltungen. Für die Bereinsmitglieder ist an solchen Orten das Umschauen verboten, und nur der Nachweis zu benutzen. Bon den bestehenden Nachweisen berichteten bei unserer Umfrage 8, davon 7 über die Vermittlungstätigkeit, die 1908: 2797

187 Ardeitsgesuche, 1891 offene ©teilen und 1486 Stellenbesetzungen ausmachte. Seit dem Jahre 1909 hat der Bereinsvorstand einen weiteren Schritt in der Zentralisation genmcht, indem er alle namhafteren Nachweise zu einer regelmäßigen Berichterstattung veranlaßt hat. Er ist dadurch in die Reihe der wenigen Gewerkschaften getreten, die die Pflege der Arbeitsnachweisstatistik sich zur Aufgabe machten. In Nr. 20 (14. Mai 1910) der Allgemeinen Deutschen GärtnerZeitung wurden die Resultate zum erstenmal veröffentlicht. Die neun bereits genannten Nachweise berichten für 1909 über: 4246 Ar­ beitsuchende, 3243 offene Stellen, von denen 2303 durch den Nach­ weis besetzt werden konnten. Auf die verschiedenen Branchen ver­ teilen sich die gemeldeten Stellen: Landschaftsgärtnerei 1190, Handelsgärtnerei: 689, Privatgärtnerei 205, Baumschule 95, Staats­ und .Gemeindebetriebe 58, Blumengeschäfte 177 und sonstige 271. Die Kosten für den Arbeitsnachweis beliefen sich 1909 auf 409,08 Mk.; davon entfielen 167,18 Mk. auf die Ortskassen, 241,90 Mk. auf die Hauptkasse. Auch erscheint nun vom Juni 1910 in der ersten dem Monatsschlusse folgenden Nummer der „Gärtner-Zeitung" folgende Notiz: Die Lage des Arbeitsmarkts. sich aus unseren Arbeitsnachweisen in:



Z. B.: Am 30. Mai meldeten

Berlin....................................... 30 Kollegen arbeitslos Dresden................................... 21 „ „ Hamburg................................... 24 Hannover................................. 2 „ „ Leipzig..................................... 5 München ................................. 8 „ „ Stuttgart................................... — „ Frankfurt................................. 6 Barmen................................... 2 „ „

„Hamburg und Bremen ist wegen Streik und Aussperrung zu meiden. Dresder und München melden Überfüllung des Arbeitsmarktes wegen der Aus­ sperrn»»; im Baugewerbe. Verhältnismäßig günstig liegt es in Hannover, Leipzig und Stuttgart. Dir ersuchen alle größeren Orte, am Monatsschluß uns solche Berichte ein» zusende». Berichtskarten sind von der Hauptverwaltung zu beziehen. Treten im Saufe des Monats wesentliche Änderungen ein, so ist das sofort zu berichten.

188 Dieser Bericht soll ein Überblick für die arbeitslosen Kollegen fein, damit sie wissen, wo der Arbeitsmarkt am günstigsten liegt."

Das ist in Anbetracht des geringen Mtgliederbestandes eine immerhin recht erhebliche Tätigkeit, und der Verein ist stetig bestrebt, den Ausbau der Stellenvermittlung weiter zu betteiben. Der beste Anreiz dazu sind die Erfolge der Organisation in den Gebieten mit einem gut ausgebauten Nachweis. Auch zur Agitation unter den schwerer zugänglichen Privatgärtnern und jenen der städtischen Gärtnereien wird ein Spezialnachweis für dienlich gehalten, und entsprechende Vorkehrungen werden vorbereitet. Einigermaßen zu verwundern ist es, daß in diesem Berufe kein paritätischer Facharbeitsnachweis besteht. Ein Versuch wurde aller­ dings schon in Hamburg gemacht, wo ein solcher Nachweis für die Dauer eines ehemaligen Tarifverttages vom 1. April 1904 bis 1. April 1905 bestand. Der Verein ist natürlich einer Entwicklung zum paritätischen Nachweis keineswegs abgeneigt, das bewies schon die Zugehörigkeit seines Berliner Nachweises zum Verband Deutscher Arbeitsnachweise, dessen Mitglied er als einziger Gewerkschaftsnach­ weis bis 1. Januar 1910 war. Das Fehlen der paritätischen Nach­ weise müßte auf die geringe Entwicklung des Tarifwesens im allge­ meinen zurückzuführen sein, denn bis jetzt bestehen meist nur Firmentarife, in welchen wohl auch der Arbeitsnachweis des Vereins aner­ kannt ist, aber an einer breiteren Grundlage mangelt es noch; dazu sind wohl die beiderseitigen Verbände nicht stark genug. Ablehnend verhält sich der Verein gegen einen Anschluß an die öffentlichen Nachweise, die er infolge der komplizierten Berufsverhältnisse nicht für befähigt hält, zur Zufriedenheit beider Teile zu vermitteln.

Verband deutscher Gastwirtsgehilfen (Sitz Berlin).') Das Gastwirtsgewerbe ist auch heute noch die Domäne der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung. Das soll nicht immer so ge>) Aus der Literatur sei hervorgehoben: Ludwig, Der gewerbsmäßige Arbeitsnachweis, S. 17—31, und „Die gemeinnützige Arbeitsvermittlung für Gast- und Schankwirtschaftsangestellte und das Hausgesinde", stenographischer Bericht der Konferenz int preußischen Herrenhause (15. Januar 1909). Berlin

189 wesen sein*1). Bis zu den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren die Verhältnisse im Gastwirtsgewerbe ganz andere als heute, viel einfacher und patriarchalischer. Das wenige Personal konnte leicht beschafft werden, es genügte ein Zeitungsinserat, auch war gegenseitige Empfehlung üblich. Mit dem allgemeinen wirtschaft­ lichen Umschwung ergab sich ein solcher auch für diesen Beruf. Das Gastwirtsgewerbe wuchs zu einer großen Industrie mit einem Heere von Angestellten, das heute bereits die Zahl 300000 erreicht hat. Auch die wirtschaftliche Stmktur des Gewerbes wurde eine andere; die früheren einfachen Gasthöfe und Gasthäuser machten einer ganzen Skala der verschiedensten Nuancen, von der kleinen Kneipe bis zum modemen Wtien-Untemehmen, Platz. Dieser Steigemng und Differenziemng konnten die früheren Arten der Arbeitsvermittlung nicht mehr genügen. Es griff die gewerbsmäßige Stellenvermittlung ein. Diese ist ja alt und vor allem für das Hausgesinde schon seit langem üblich. Es war also naheliegend, daß sie sich der verwandten Kategorien des Gastwirtsgewerbes bemächttgte, als die Arbeits­ angebote der Arbeitgeber nicht mehr leicht zu befriedigen waren. Die Tätigkeit der gewerbsmäßigen Vermittler wurde von beiden Seiten willkommen geheißen. Bei den Arbeitgebem war dies selbstverständlich; sie bekamen nun das Personal mühelos und unentgeltlich, aber auch den Angestellten war sie gelegen, denn sie ersparten sich gegen Zahlung mäßiger Gebühren viel Zeit und Mühe, die sie sonst auf das Stellensuchen verwenden mußten. Diese Zufriedenheit konnte, wenigstens auf Seite der Angestellten, nicht lange anhalten. Immer mehr gerieten sie in Abhängigkeit von den Vermittlern, die nach kurzer Zeit schon eine herrschende Stellung auf dem Arbeitsmarkte des Bemfes erlangten. Sie 1909, W. Moeser Buchdruckerei. Protokoll der zweiten Konferenz (Januar 1911) i. d. Schriften d. Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise Nr. 9. Heymann-Berlin. Sehr reiches Material ist in den Berichten und Berbandstagsprotokollen des Derbandes, insbesondere aber im Berbandsorgan „Der Gastwirtsgehilfe" enthalten. Auf die Artikel des früheren Verbandsvorsitzenden Hugo Poetzsch, in verschiede­ nen Zeitschriften (Korrespondenzblatt, Sozialistische Monatshefte, Arbeitsmarkt) sei besonders hingewiesen. *) Siehe das Referat von Brüggemann aus der erwähnten Konferenz im preußischen Herrenhause.

190 konnten mit ihrer gesteigerten Macht auch willkürlich hohe Gebühren von den Angestellten fotbent; hat man es doch erleben müssen, daß oft Hunderte von Mark von einem Angestellten jährlich an die Vermittler gezahlt werden mußten, und daß die Gebühr für eine einzige bessere Stelle bis zu 200, 300, ja 500 Mk. emporschnellte, während Gebühren von 30—50 Mk. ganz gebräuchlich wurden. Bald sahen die Angestellten, daß sie in die Hände von Ausbeutern geraten waren. Von den Arbeitgebem war keine Hilfe zu erwarten. Wenngleich sie die traurigen Verhältnisse kannten, ließen sie die Dinge laufen und konnten oft nicht anders, da sie in einem ähnlichen, wenn auch nicht so drückenden Abhängigkeitsverhältnis zu den Ver­ mittlern standen; brauchten sie Personal, vor allem weibliches, so mußten sie zu den Gewerbsmäßigen gehen. Die Angestellten be­ schritten nun den Weg der Selbsthilfe. Seit den siebziger Jahren entstand eine lange, beinahe endlose Reihe von Vereinen und Vereinchen, meist mit dem ausgesprochenen Zwecke der Stellenvermittlung. Poehsch sagte einmal von diesen Vereinigungen: „Soviel Vereine, soviel Arbeitsnachweisstellen". Von den kleinen Winkelvereinchen ganz abgesehen, sind auch die größeren, über das ganze Reich sich erstreckenden Verbände mit einer Ausnahme auf der Stellenver­ mittlung aufgebaut. Dies gilt vor allem vom Deutschen Kellner­ bund, der Gebühren erhebt, die wenig von denen der Privatstellen­ vermittler abweichen. Bei den anderen größeren Vereinen: Genfer Verband der Gasthofsgehilfen in Deutschland, Reichsverband deut­ scher Kellner-Lokal-Bereine in Hannover lchristl. Gewerk.) und der Internationale Verband der Köche, spielt auch die Stellenvermittlung die Hauptrolle, doch vermitteln ihre Bureaus zum Teil unentgeltlich, zum Teil erheben sie nur von Nichtmitgliedern Gebühren. Die Er­ fahrung lehrte aber, daß diese Vereinsnachweise nicht imstande sind, den Gewerbsmäßigen den Boden abzugewinnen. Erfolge haben sie ja erzielt und einige Verdienste sind ihnen gewiß, aber be­ friedigen konnte die durch sie erzielte Regelung nicht im entferntesten. Diese Vereine wurden zwar als Gegenmittel gegen die gewerbs­ mäßige Vermittlung gegründet, aber ihr Kampf gegen diese war nicht nachdrücklich genug; dazu hatten sie selbst zu viel mit der gewerbs­ mäßigen Vermittlung gemein. Man kann wohl sagen, daß von allen

191 Angestelltenverbänden des Gastwirtsgewerbes der Verband deutscher Gapwirtsgehilfen allein eine Ausnahme machte. Bon seiner Grün­ dung an führte er in Wort und Schrift einen intensiven Kampf gegen die private und gewerbsmäßige Vermittlung. Seiner Tätigkeit ist es nicht zuletzt zu verdanken, wenn die anderen Verbände auf den­ selben Weg gedrängt wurden und die Arbeitsvermittlung im Gast­ wirtsgewerbe einer Regelung auf öffentlicher und paritätischer Grundlage entgegengeht. Der Verband deutscher Gastwirtsgehilfen ist die einzige ausgesprochene Gewerkschaft im Berufe; höchstens der Reichsverband deutscher Kellner-Lokal-Vereine in Hannover, der den christlichen Gewerkschaften angeschlossen ist, weist einige Ansätze zu gewerkschaftlicher Tätigkeit auf. Alle anderen Verbände und Vereine sind keine Gewerkschaften. Der gewerkschaftliche Kampf auf Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, auch mit Hilfe des Streiks, ist ihnen noch nicht geläufig; sie bekämpfen das Trink­ geldunwesen nicht prinzipiell, ja, die Gründung des Genfer Ver­ bandes stand in Beziehung zu der Bewegung gegen die Abschaffung des Trinkgeldes. Ihr Hauptanziehungsmittel ist ihre Stellenver­ mittlung. Auch der Verband deutscher Gastwirtsgehilfen bestand in früheren Jahren auf den eigenen Nachweisen. Sein Vorsitzender, Hugo Poetzsch, vertrat diesen Standpunkt noch auf dem Frankfurter Gewerkschaftskongreß, wo bereits viele Gewerkschaftsführer für den öffentlichen paritättschen Nachweis eintraten. Als man aber im Verband deutscher Gastwirtsgehilfen die Unmöglichkeit der einseitigen Nachweise, besonders für diesen der Organisation so schwer zugäng­ lichen Beruf einsah, brach man mit erfreulicher Konsequenz mit dem alten Prinzip und forderte den öffentlichen Nachweis auf pari­ tätischer Grundlage. Als vor nahezu 10 Jahren diese Forderung zum ersten Male laut wurde, war sie wohl sehr der Zeit vorausgeeilt, denn die heute bestehenden paritätischen Arbeitsnachweise für das Gastwirtsgewerbe sind alle erst in den letzten drei Jahren entstanden. Da aber der Verband vor der Errichtung dieser Nachweise etwas tun mußte, um seine Mitglieder vor den gewerbsmäßigen Vermittlern zu schützen, baute er seine eigenen Nachweise nach Möglichkeit aus. Die meisten seiner größeren Verwaltungsstellen dürften eigene Nachweise unterhalten, soweit nicht ein paritätischer Nachweis am Orte besteht.

192 Für unsere Umfrage wurden uns nur die größeren, funktionierenden Nachweise von der Hauptverwaltung namhaft gemacht; es waren dies 18 Nachweise in 15 Städten, die alle bis auf Bremen und Dres­ den antworteten. Die Tätigkeit der 16 Nachweise int Jahre 1908 war folgende: Im ganzen wurden 76 266 Vermittlungen vollzogen; meist waren es Aushilfsstellen, doch unterschieden nicht aNe Nach­ weise genau nach Aushilfs- und festen Stellen, sodaß für erstere nur die Zahl 58 661 festgestellt werden konnte. Die Zahl der Arbeit­ suchenden und der offenen Stellen wird bei diesen Nachweisen meist nicht gezählt, sodaß auch sie nur unvollständig wiedergegeben werden können: Bei 5 Nachweisen wurden 20 614 Arbeitsuchende, und bei 7 Nachweisen 24 591 offene Stellen angemeldet. Die 16 Nachweise bestanden in folgenden Städten: Berlin I (21349), Berlin II (277), Berlin (Cafeangestellte 6849), Braunschweig (590), Charlotten­ burg (1611), Chemnitz (1948), Halle (1200), Hamburg (20 493), Köln (1117), Leipzig (5143), Dkünchen I (2041), München II (2099), Nürnberg (4020), Stettin (1494), Wandsbek (1052), Hannover (5604). Alle diese Angaben leiden also unter Unvollständigkeit. Wertvoller sind die Zahlen, die die Hauptverwaltung durch die regelmäßige Berichterstattung der namhafteren Nachweise sammeln konnte. Sie beziehen sich auf durchschnittlich 20—25 Nachweise, kommen also der Wirklichkeit etwas näher. Im letzten Berbandstagsbericht finden wir folgende Arbeitsnachweisstatistik für die Jahre 1908 und 1909: Hotel- und Restaurant-Kellner.. Oberkellner u. Geschäftsführer.. Cafskellner.................................... Büfettiers .................................... Köche ............................................ Butterbrotschneider...................... Portiers und Hoteldiener.......... Zapfer und Bierausgeber.......... Hausdiener .................................. Burschen und Silberputzer........ Lehrlinge...................................... Kellnerinnen.................................. Kassiererinnen und Köchinnen .. Sonstiges weibliches Personal .

Für fest. 2397 16 1997 106 113 4 109 252 1288 249

Zur Aushilfe. 142546 14 14 297 743 264 112 220 2395 2766 73

11



276 610 46

2824 544 896

7474

167 694

193 Für die beiden Jahre geschieden, ergeben sich Vermittlungen Für fest Zur Aushilfe 1908 ................................ 1909 ................................

3659 3815

86 425 81269

Der Bericht bemerkt zu diesen Zahlen, daß sie kein abschließendes Bild geben, weil eine ganze Anzahl Verwaltungsstellen keine Statistik einsendet. Andere haben sich einem paritätischen Nachweis ange­ schliffen und ihre Vermittlung eingestellt. Aus letzterem Grunde ist euch gegen 1906/07 kein großer Fortschritt in den Bermittlungsergcbnissen der Berbandsnachweise vorhanden, und bei der weiteren Entwicklung der paritätischen Nachweise wird natürlich ein Rück­ ganz die selbstverständliche Folge sein. Wie groß die Vorteile sind, die die Berbandsnachweise durch ihre unentgeltliche Vermittlung den Angestellten bringen, möge noch folgende Zahl aus dem Verbandsbericht beleuchten. Bei der Ver­ mittlung der 7474 festen und 167 694 Aushilfsstellen im Jahre 1903/09 sparten die Angestellten mindestens 147 936,80 Mk., berechnet nach den ortsüblichen Gebühren der gewerbsmäßigen Stellenvermitler. Seit 1. Januar 1898 bis 1. Januar 1910 dürfte der Verband etim 25 000 feste und 700 000 Aushilfsstellen kostenlos vermittelt und damit den Angestellten über eine halbe Million Mark an Ge­ düsten erhalten haben. Auch diese Zahlen sollen aber mangels ein« regelmäßigen Berichterstattung weit hinter den tatsächlich vollzogmen Bermittelungen zurückbleiben. Die Organisation der Verbawsnachweise unterscheidet sich insofern von den übrigen gewerk­ schaftlichen Nachweisen, als sie in mehreren Städten eine hauptamt­ licht Verwaltung haben, d. h. es werden Beamte nur zur Führung des Nachweises angestellt. Nach unserer Umfrage ist dies der Fall in Aerlin I, Hamburg-Altona, Leipzig, München I und II. Daraus entsetzen für den Verband nicht unbeträchtliche Kosten. In der Gestmtabrechnung des Verbandes für 1908 und 1909 finden sich an Arbeitsnachweis-Unkosten 24111,22 Ml. in Ausgabe gestellt. Die Aufträge betreffen, wie aus der Vermittlungsstatistik zu ersehen war meist Aushilfsarbeiten; sie werden in der Regel aus telephonischem We^e gemeldet, seltener schriftlich oder persönlich, dann nach Tag Sich alle, Arbeitsnachweis.

13

194 und Stunde geordnet in das sogenannte Arbeitsbuch eingetragen. Da es sich bei Aushilfsstellen meist um bald oder sofort zu besetzende Arbeitsgelegenheit handelt, müssen sich die Arbeitslosen tagsüber gewöhnlich in einem in der Nähe des Bureaus liegenden Berkehrs­ lokale oder in einem für sie bereit gestellten Raume aufhalten. In anderen Fällen kommen sie täglich ein bis zweimal nach Arbeit fragen. Eine strenge Kontrolle erübrigt sich bis jetzt, da der Verband keine Arbeitslosenunterstützung zahlt. Ist Arbeit vorhanden, so wird sie, soweit durchführbar, den Arbeitslosen möglichst gleichmäßig zu­ gewiesen; allgemein gibt die Brauchbarkeit für die offene Stelle den Ausschlag. Die Nachweise vermitteln an Mitglieder und Nichtmit­ glieder völlig kostenlos, jedoch werden erstere bevorzugt. Me alle anderen Vermittlungsstellen im Gastwirtsgewerbe müssen auch sie die sogenannte Garantie für die von ihnen vermittelten Angestellten in der Höhe von 30 Mk. leisten. Der Vermittlungstätigkeit der Berbandsnachweise wird dadurch eine Grenze gezogen, daß sie nur zu den aufgestellten Mindestlöhnen vermitteln. Doch sind dieselben in der Regel nicht tariflich ereinbart, da das Tarifwesen des Gewerbes noch ganz unentwickelt ist. Als Bertragskontrahent kommt für den Verband heute in der Hauptsache der Verband der freien Gast- und Schankwirte Deutschlands, eine sozialdemokratische Wirtevereinigung in Bettacht. Mit dessen Ortsgruppen sind in verschiedenen Städten Lohntarife abgeschlossen und die ausschließliche Benutzung der Ver­ bandsnachweise vereinbart. Sonst bestehen nur Einzeltarife und sogenannte „Vereinbarungen", z. B. in Berlin mit etwa 100 Gast­ wirten, welche zirka 600 Kellner beschäftigen; sie haben folgenden Wortlaut: Vereinbarung zwischen Herrn Gastwirt.........................................und dem Verband deutscher Gastwirtsgehilfen (Ortsverwaltung Berlin). Herr.........................................verpflichtet sich, die in seinem Etablissement .........................................zu beschäftigenden Kellner nur vom kostenlosen Arbeits­ nachweis des Verbandes Deutscher Gastwirtsgehilfen zu entnehmen. Der Verband übernimmt die Verpflichtung, die ihm zugehenden Aufträge für Personal jederzeit prompt zu erledigen und leistet für die von ihm vermittelten, mit einem Arbeitsschein versehenen Kellner eine Garantie von 30,— (dreißig) Mk. Etwaige Beschwerden gegen das durch den Verband vermittelte Personal sind an den Vorstand bzw. das Bureau des Verbandes zu richten. Andererseits

195 erklärt sich Herr..................................... bereit, in Fällen, wo Beschwerden oder Wünsche seitens der Angestellten vorliegen, mit den Bertretem des Verbandes zwecks Verständigung in Unterhandlung zu treten.

Dieselben Verhältnisse wie bei den eigentlichen Gastwirtsangestellten finden sich auch bei den Hoteldienem und Cafäangestellten. Diese beiden Kategorien sind teilweise auch im Verband deutscher Gastwirtsgehilfen organisiert; sie hatten aber bis vor kurzem selb­ ständige Vereine und sollen deshalb noch besonders behandelt werden. Über den Verein der Caföangestellten ging uns folgender Bericht zu: „Der Verein der Caföangestellten wurde im November des Jahres 1902 gegründet, um einen kostenlosen Stellennachweis ins Leben zu rufen; wir bezweckten durch diese Vereinigung die Privat-Stellenvermittlung nach Möglichkeit auszuschalten, was uns in übergroßem Maße auch gelungen ist. Mehrere Privatvermittler sind durch unser Wirken existenzlos gemacht worden. Bis zum Jahre 1907 entwickelte sich der Verein bis zu einer Mitgliederzahl von 489, trotzdem nur gegen 1000 Angestellte im Berliner Casöhausgewerbe vorhanden, bis zum heutigen Tage allerdings hat sich diese Zahl um die Hälfte erhöht und unsere Mitgliederzahl ist bis aus 650 gestiegen. Unser Arbeitsnachweis vermittelte im Jahre 1906 2299 feste und 7296 Aus­ hilfs-Stellungen. Im Jahre 1907 3284 feste und 7637 Aushilfs-Stellungen. Diese Zahlen beweisen, was der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung ent­ zogen wurde. Me schon erwähnt, führte die Hochkonjunktur dieser Jahre eine Unmenge junger Leute dem Cafähausgewerbe zu, sodaß mit Eintritt des Jahres 1908 dieser Beruf überfüllt war. Nun kam die flaue Zeit, der Bedarf an Arbeits­ kräften verminderte sich von Woche zu Woche, die Verdienstmöglichkeiten ver­ ringerten sich ebenso, sodaß sich allgemeine Unzufriedenheit bemerkbar machte. Gehälter für Köche, Kassiererinnen, Mamsells, Portiers und sonstiges Hilfs­ personal wurden herabgesetzt. Nunmehr war es mit der bisherigen Haupttaktik — der Stellenvermittlung — vorbei, jetzt wurde die Leitung des Vereins dazu getrieben, bestehende Mißstände in den Betrieben abzuändern und bessere Verdienstmöglichkeiten herbeizuführen. Wir fühlten uns aber in unserer Körperschaft zu schwach und schlossen uns da­ her am 1. Januar 1908 einer größeren, dem Verband deutscher Gastwirtsgehilfen, an. Unsere Mitgliederzahl stieg im 1. Quartal 1909 von 489 auf 604, trotzdem der winzige Unternehmerverein, der sich zum größten Teil aus Inhabern minder­ wertiger Nachteafäs zusammensetzt, durch Boykott und eine geradezu gemein­ gefährliche Hetze gegen die Angestellten vorging. Es entstand nun auch eine gegnerische Vereinigung, deren Prinzip wurde und noch ist, auch unter den miserabelsten Bedingungen Stellen zu vermitteln, allerdings „auch kostenlos"; es wurde sprichwörtlich, daß diese von uns abgeson­ derten Mitglieder es selbst nur eine Stellenvermittlung aus Abzahlung nannten.

196 Unser Arbeitsnachweis wurde durch dieses Vorgehen „der Abgesonderten" einerseits und den Boykott der Unternehmervereinigung andererseits in der Vermittelungstätigkeit ganz enorm geschwächt. Im Interesse der ganzen Gehilsenschast erstreben wir schon seit Jahren einen paritätischen Arbeitsnachweis und lösen wir unseren immer noch sehr gut funktionierenden Arbeitsnachweis mit dem Moment auf, wenn die Begründung eines solchen perfekt geworden. Bei den sich immer mehr zuspitzenden sozialen Verhältnissen zwischen Unternehmer und Angestellten vereinbaren sich Organisation und Arbeitsnachweis nicht mehr."

Die Caföangestellten hüben heute einen Zweigverein des Ver­ bandes und führen auch ihren Nachweis selbständig weiter. Die Organisation ist ziemlich die gleiche wie bei den anderen Verbands­ nachweisen, nur gilt der Nachweis für das Konditorei- und Cafähausgewerbe Deutschlands. Sein Mrkungskreis ist also etwas weiter; er steht auch in Verbindung mit den paritätischen Arbeitsnachweisen in Stuttgart und Wiesbaden; doch scheint diese auswärtige Ver­ mittlung nicht bedeutend zu sein. Ein Tarifvertrag existiert nicht; die Arbeitgeber sollen ihn ebenso wie den paritätischen Nachweis fürchten, „weil durch eine zentrale Arbeitsvermittlung die Mißstände in der Mehrzahl der Betriebe nur zu bald aufgedeckt werden könnten". Der BerbanddeutscherHoteldiener wurde 1903 gegründet und bestand bis 1. Juli 1909, wo er mit dem Verband Deutscher Gastwirtsgehüfen verschmolzen wurde. Für das Jahr 1908 kamen im Verbände 7 Nachweise in Betracht, von welchen Berlin (373), Köln (296) und Leipzig (117) über folgende Tätigkeit berichten konnten: Arbeitsuchende............. 1498 Offene Stellen........... 871 Besetzte Stellen ......... 786. Keine Nachricht gaben die Nachweise Bremen, Dresden, Frankfurt a. M. Für alle Nachweise war folgendes im Statut festgesetzte Stellenvermittlungsreglement in Geltung, das einzelne interessante Bestimmungen enthält. § 1. Der Verband deutscher Hoteldiener (mit seinem Sitze in Berlin) besorgt die Stellenvermittlung durch die einzelnen Ortsverwaltungen. §2. Jede Ortsverwaltung verwaltet das Stellenvermittlungswesen unter der Oberaufsicht der Hauptverwaltung.

197 §3. Falls eine Ortsverwaltung zu schwach ist, selbständig eine Stellenver­ mittlung einzurichten oder zu übernehmen, kann die Zentralleitung mehrere nahe­ liegende Ortsverwaltungen zu einer Kreis- oder Gau-Stellenvermittelung ver­ einigen, und hat in diesem Falle die örtlich am günstigsten liegende Verwaltung die Leitung resp. Verwaltung der Stellenvermittlung zu übernehmen. § 4. Falls in einer Provinz mehrere Kreis- oder Gauverwaltungen für die Stellenvermittelung existieren, sind die Verwaltungen gehalten, so schnell wie möglich freie Stellen unter sich bekannt zu machen, damit eine rechtzeitige und geeignete Besetzung durch Verbandskollegen erfolgen kann. §5. Verbandskollegen, welche ihre Stellung verlassen, sind verpflichtet, bei einer erfolgten Kündigung sofort der nächsten Stellenvermittlungsverwaltung Anzeige zu machen. § 6. Jede Stelle, welche der Verwaltung angemeldet wird, ist in ein dafür einzurichtendes Buch einzutragen. § 7. Verbandsmitglieder, welche in Kündigung stehen, gleichviel ob sie frei­ willig oder gezwungen herbeigeführt ist, oder plötzlich austreten und versäumen, dieses anzumelden, werden im ersten Falle einen Monat bei der Besetzung freiet Stellung nicht berücksichtigt; im zweiten Falle dauert die Ausschließungssrist drei Monate, und im dritten Falle können sie jedes Anrecht auf eine Stellenvermittlung verlieren. § 8. Die Einnahmen der Stellenvermittlung fließen den Orts- resp. Kreis­ verwaltungen zu, und haben diese freies Verfügungsrecht über die eventuellen Überschüsse derselben. Jedoch dürfen diese Einnahmen nur freiwillige sein. § 9. Die Stellenvermittlung in den Ortsverwaltungen liegt in den Händen einer besonderen Kommission von fünf Mitgliedern. In derselben soll der 1. Vor­ sitzende und 1. Schriftführer vertreten sein. Letzterer hat schriftliche Eintragungen und die Korrespondenz zu besorgen. Derselbe hat, wenn zu genannten Arbeiten eine bezahlte Kraft engagiert werden sollte, auch in diesem Falle die Verantwortung zu tragen für die pünktliche und gewissenhafteste Ausführung aller schriftlichen Arbeiten. § 10. Vierteljährlich ist eine Statistik über die Stellenvermittlung durch die Verbandszeitung „Der Hoteldiener" von jeder Ortsverwaltung zu veröffent­ lichen. § 11. Die Einnahmen und Ausgaben durch die Stellenvermittlung sind in einem besonderen Kassabuche zu führen. §12. Kommissionsmitglieder der Stellenvermittlung, welche durch Be­ stechung einem Hoteldiener zur Erlangung einer Stelle behilflich sind, werden sofort aus dem Verbände ausgeschlossen und können niemals wieder aufgenommen werden. § 13. Die Vergebung einer Stelle erfolgt nach der Dauer der Arbeitslosigkeit. Außer der Reihe wird nur Arbeit vergeben, wenn die in Betracht Kommenden nicht in diese Stellung passen.

198 § 14. Hoteldiener, welche dem Verbände noch nicht angehören und sich um eine Stelle bei der Orts« und Kreisverwaltung bemühen, können nur dann berück­ sichtigt werden, wenn keine Berbandsmitglieder frei sind. Es muß deshalb ver­ sucht werden, dieselben baldigst dem Verbände anzuschließen.

Es wären noch die Bestrebungen zu erwähnen, die darauf hinausgehen, für das Gastwirtsgewerbe den paritätischen Fach­ arbeitsnachweis zu errichten. Die Forderung ging von Gehilfenseite, vor allem vom Verband Deutscher Gastwirtsgehilfen aus und wurde von den Vertretem der öffentlichen Nachweise bereitwillig auf­ genommen. Dieselben leiteten in einer Anzahl größerer Städte Verhandlungen zwischen den Jnteressenorganisationen ein. Beson­ ders gefördert wurden diese Bestrebungen durch eine auf Einladung des preußischen Handelsministers abgehaltene Konferenz, in der die gemeinnützige Arbeitsvermittlung für die Gast- und Schankwirtschaftsangestellten beraten wurde. Vertreter der öffentlichen Nach­ weise trugen ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete vor, und die Ge­ hilfen brachten ihre Wünsche zum Ausdmck. Als Ergebnis dieser Beratung konnte gelten, daß der Facharbeitsnachweis im Anschluß an allgemeine paritätische Arbeitsnachweise als die zweckmäßigste Art der Arbeitsvennittlung allseitige Zustimmung fand. Der Um­ fang, in welchem die Errichtung der Facharbeitsnachweise erfolgen sollte, wurde verschieden beurteilt. In den von H. Poetzsch für den Verband deutscher Gastwirtsgehilfen aufgestellten und begründeten allgemeinen Richtlinien wird die Einführung der Nachweise für alle Städte über 20000 Einwohner verlangt. Überwiegend sprachen sich die Konferenzteilnehmer dahin aus, die Errichtung von den je­ weiligen Verhältnissen abhängig zu machen. Eingehende Erörtemng fanden die fachmännische Leitung und die Kostendeckung dieser Nachweise. Es herrschte wohl die Meinung vor, der Vermittlung durch Fachleute den Vorzug zu geben. Dem wurde auch von der Mehr­ zahl der Arbeitsnachweisvertreter zugestimmt; empfehlen dürfte sich die Anstellung von Fachleuten als Vermittler für alle größeren Nachweise, die eine genügende Tätigkeit für diese voraussetzen lassen. Der Anstellung eines Fachmannes entspricht aber auch eine Zuschuß­ pflicht der Interessenten zum Gehalt des Vermittlers. Auf alle Fälle sind die sachlichen Kosten (Beistellung von Räumlichkeiten, Druckfachen und die Telephongebühren) vom allgemeinen Nachweis bzw.

199 von der Stadtverwaltung zu tragen. Diese sollte auch die kleine Mehrleistung für das Gehalt des Vermittlers in all den Fällen über­ nehmen, wo die Errichtung des Nachweises an der Kostenfrage—meist sind es die Gastwirte, die eine finanzielle Belastung ablehnen — scheitern könnte. Um diesen letzteren jeden Einwand zu nehmen, müßte sich der Nachweis auch die Vermitllung des weiblichen Per­ sonals angelegen sein lassen. Einstimmigkeit herrschte über die Ge­ bührenfreiheit der Nachweise. Endlich war man sich darüber einig, daß die Aufhebung der Vereinsnachweise Vorbedingung für die Mrksamkeit des Fachnachweises ist. Der erste derartige Facharbeitsnachweis für das Gastwirtsge­ werbe wurde vor Jahren in Stuttgart als Fachabteilung des dortigen Arbeitsamtes errichtet. Seine Erfolge haben eine ganze Reihe von öffentlichen Nachweisen mit veranlaßt, ähnliche Einrichtungen ins Leben zu rufen. Bis Sommer 1911 ist es der Fall bei den Arbeits­ nachweisen zu: Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn, Creseld, Dort­ mund, Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Flensburg, Frankfurt a. M., Freiburg i. B.. Görlitz, Göttingen, Hagen, Halle a. S-, Han­ nover, Jena, Karlsruhe. Köln, Kolmar i. Els., Magdeburg, Mün­ chen, Nauheim, Nürnberg, Osnabrück, Pforzheim, Plauen i. B., Straßburg i. E., Stuttgart, Wiesbaden. In einer Anzahl von Städten sind noch Verhandlungen im Zuge, in andern sind sie vorläufig als gescheitert zu betrachten, meist durch den Wider­ stand der Arbeitgeber. Auch das Verhalten der Gehilfenvereine ist nicht allerorts gleich; z. B. funktionieren die Fachnachweise in Frank­ furt a. M. und Magdeburg deshalb nicht zur Zufriedenheit, weil die meisten Gehilfenvereine zum Ausgeben ihres Nachweises vorläufig nicht zu bewegen waren. Die Organisation der bestehenden Fach­ nachweise ist keine einheitliche. Zum Teil haben sie mehr Selb­ ständigkeit, besitzen eine eigene Verwaltungskommission und sind dem öffentlichen Nachweise nur angegliedert. Andere wiederum bilden eine Fachabteilung des öffentlichen Nachweises; höchstens haben die Parteien Vertreter in dessen Gesamtausschuß. Die meisten arbeiten aber zur Zufriedenheit beider Teile und können als die zweckmäßigste Regelung der Arbeitsvermittlung für diesen Beruf angesehen werden.

200 Zentralverband der Zivilmusiker Deutschlands (Sitz Berlin). Nach Reitzenstein wurde die Arbeitsvermittlung für die Berufs» musiker meist in Wirtschaften voNzogen; in großen Städten waren sie als Musikerbörsen bekannt. Als vor Jahren der Zentralverband der Zivilmusiker (1908: 1642 Mitglieder) gegründet wurde, machte er sich auch die Pflege des Arbeitsnachweises zur Aufgabe, bis jetzt aber noch mit ungenügenden Erfolgen. Bon allen Ortsverwaltungen des Zentralverbandes — es antworteten von 32 allerdings nur 14 — hatten nur 5 Ansätze zu einem Nachweis. Es waren dies: Bergedorf, Bremerhaven, Deuben b. Dresden, Luckenwalde, Schiffbeck. Ihre Organisation ist primitiv, meist leitet den Nachweis ein Geschäfts­ führer, auch Geschäftsannehmer genannt, eventuell eine mehr­ gliedrige Kommission; ihre Benutzung ist so gering, daß ein Auf­ schreiben scheinbar gar nicht nötig wurde, denn kein Bericht enthält Angaben über die Frequenz des Nachweises. Der Nachweis wird höchstens von der Parteiorganisation und den Gewerkschaften benutzt, wie auch einzelne tarifliche Regelungen nur mit Gewerkschafts­ kartells vorkommen. Doch wird über die Nichteinhaltung dieser Tarife geklagt. Die Geschäfte, die zur Erledigung bei dem Nachweis eingehen, werden von den Geschäftsftihrem so geregelt, daß die Mitglieder der Reihenfolge nach beschäftigt werden. Oft kann jedes Mitglied selbst Geschäfte annehmen, ist aber dann verpflichtet, nur Berbandskollegen einzustellen. Wo nur geschlossene Musik­ chöre bestehen, werden die Anträge an die einzelnen Chorführer gerichtet.

13. Verbände ohne oder mir gering entwickeltem Arbeitsnachweis. Es bleiben nun noch einige Verbände zu erwähnen, die sich in die Jndustriegruppen nicht einreihen ließen, die aber keinen Arbeits­ nachweis oder doch nur in ganz beschränktem Umfange führen. Der Verband der Bergarbeiter Deutschlands (Bochum) besitzt keinen Arbeitsnachweis. Für seine Mitglieder war die erste geordnete Arbeitsvermittlung der Nachweis des Zechen­ verbandes. Im Verband derGemeinde-undStaats-

201 arbeite! (Berlin) wird ein Zentralarbeitsnachweis in Berlin und eine Zweigstelle in Dresden geführt. Über andere lokale Nach­ weise ist nichts bekannt geworden. Nur für das Krankenpflegepersonal wurde neuerdings eine Reihe von Nachweisen gegründet. Der Zen­ tralverband der Handlungsgehilfen und Gehilfinnen D e u t s ch l a n d s (H a m b u r g) ist die einzige Organisation des Berufes, die keine Stellenvermittlung unterhält; er tritt Prinzipien ein für pari­ tätische Facharbeitsnachweise und gesetzliche Regelung derselben, so­ wie Beseitigung der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung (s. a. Arbeitsmarkt 1910 Nr. 5). Der Verband der Hausange­ st elltenDeutschlands bestimmt im § 3d seines Statuts die Errichtung kostenloser Stellennachweise für Mtglieder; nach § 34 kann aber auch ein am Orte vorhandener städtischer Arbeitsnachweis benutzt werden. In den Kreisen der Hausangestellten soll aber noch eine gewisse Abneigung gegen die Benutzung der städtischen Nachweise bestehen, die ihren Grund in der Auffassung hat, von dem kostenlosen Nachweis könne keine gute Stelle geboten werden. Viele Mädchen gehen daher noch immer zum gewerbsmäßigen Stellenvermittler. Dies gilt auch von den Mitgliedern, und so sah sich der Verband genötigt, auch an Orten, wo gut funktionierende öffentliche Nachweise bestehen, wie z. B. inHannover, München, Hamburg, eigene Stellen­ vermittlungen einzurichten, die auch bei dem herrschenden Dienst­ botenmangel gut frequentiert sind. Der Verband der Lager­ halter und Lagerhalterinnen Deutschlands (Leipzig) schrieb auf unsere Anfrage: „Einen geordneten Arbeits­ nachweis, wie er in verschiedenen anbetn Verbänden vorhanden ist, unterhalten wir nicht. Nur von unserer Hauptstelle aus werden an unsere Arbeitgeber, die deutschen Konsumvereine, unsere stellenlosen Mitglieder vermittelt, soweit Nachfrage hierher gerichtet wird. Auch der Verband der Land-, Wald- und Wein­ bergsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutsch­ lands (Berlin) dürfte keine eigene Arbeitsvermittlung be­ treiben. Leider stand uns kein Material zur Verfügung, um die Stellung dieses aufstrebenden Verbandes zur Frage des Arbeits­ nachweises, bes. zur Arbeitsvermittlung der Feldarbeiterzentrale und der durch Landwirtschastskammem, zu zeigen.

202 Der Vollständigkeit halber müssen wir auch noch der Arbeits­ nachweise gedenken, deren Träger die Gewerkschaftskar­ telle sind. Als diese 1893 angeregt wurden, stellte man ihnen als besondere Aufgabe, die Regelung des Herbergswesens und des Arbeits­ nachweises anzubahnen. In einer Richtung sind die Gewerkschafts­ kartelle dieser Aufgabe insofern gerecht geworden, als ihrer Initiative, ihren Anträgen und Petitionen in manchen Orten die Gründung der öffentlichen Nachweise zu danken ist. Mer als Träger des ge­ werkschaftlichen Arbeitsnachweises erwiesen sie sich als vollständig ungeeignet. Nur einmal hörte man, daß ein Kartell auf diesem Gebiete erfolgreich gearbeitet hätte; das waren „die vereinigten Gewerkschaften Leipzigs" in den neunziger Jahren. Die Statistik über die Gewerkschaftskartelle, wie sie jährlich von der General­ kommission im Korrespondenzblatt veröffentlicht wird, zählte 1908 noch 12, 1909 nur mehr 6 Kartelle (Alfeld a. L., Dresden, Luxem­ burg, Wesel, Worms, Zerbst), die angaben, einen Zentralarbeits­ nachweis zu führen. Die 12 Kartelle wurden s. Z. über ihre Tätig­ keit befragt; es antworteten nur drei, Coswig i. A., Metz und Worms, die keinen Nachweis hatten. Worms schrieb: „Die Arbeitsver­ mittlung war so minimal, daß der Arbeitsnachweis nicht mehr auf­ recht erhalten werden konnte." Sehr wahrscheinlich trifft dies auch für die meisten andern Kartelle zu.

II. Der Arbeitsnachweis und die christlichen Gewerkschaften'). Die christlichen Gewerkschaften sind erst zu einem Zeitpunkte aufgetreten, wo die Arbeitsnachweis frage innerhalb der Arbeiter­ organisationen schon einer Klämng entgegenging. Als sie Pfingsten 1899 ihren ersten Kongreß in Mainz abhielten, wo sie sich gewisser­ maßen als christliche Gewerkschaften konstituierten und ein gemein­ sames Programm annahmen, da hatten die beiden anbetn Gewerk­ schaftsrichtungen ihre Stellung zum Arbeitsnachweis bereits prä­ zisiert. Kurz vorher hatte der III. Gewerkschaftskongreß (Mai 1899) zu Frankfurt a. M. getagt, der prinzipiell noch der Ansicht war, daß der Arbeitsnachweis dem Arbeiter gehört, aber unter den gegen­ wärtigen Verhältnissen die Mitarbeit bei den kommunalen Nachweisen, sowie die Gründung paritätischer Facharbeitsnachweise empfehlen mußte. Und schon ein Jahr zuvor, auf dem 13. Verbandstag zu Magdeburg (1898), hatten die deutschen Gewerkvereine paritätische Fachnachweise und als Ergänzung staatliche und kommunale Arbeits­ nachweise gefordert. Die christlichen Gewerkschaften konnten also aus der Erfahrung der anderen Organisationen Nutzen ziehen und haben es auch getan. Bei der Fixiemng ihres Standpunktes in der Arbeitsnachweisfrage wirkte noch der Umstand mit, daß sie, ebenso wie die deutschen Gewerkvereine, eine wesentlich andere taktische Stellung einnehmen als die freien Gewerkschaften. Nach ihrem Programm, den Mainzer Leitsätzen, soll ihre ganze Mrksamkeit *) Benutzt wurde vor allem der Artikel von Th. Brauer,.Christliche Gewerk­ schaften und Arbeitsnachweisfrage, Arbeitsmarkt 1910, Nr. 8, sowie Fachblatter und Protokolle. S. auch: Beiträge zur Frage der Arbeitsvermittlung. Zentralblatt der christl. Gewerksch. 1910, S. 136, 145, 164, 177.

204 „von versöhnlichem Geiste durchweht und getragen sein". Eine schroffe Ablehnung gemeinsamer Arbeitsnachweise und die Fordemng nur gewerkschaftlicher Nachweise, wie sie z. B. der Berliner Kongreß der freien Gewerkschaften (1896) aussprach, war bei den christlichen Gewerkschaften von vornherein ausgeschlossen. Zwar wurde auch auf dem Kongresse in Mainz die Schaffung von Arbeitsnachweis­ instituten mit in das Programm aufgenommen, aber nur in Er­ manglung gesetzlicher Einrichtungen auf diesem Gebiete. Im all­ gemeinen traten aber die christlichen Gewerkschaften seit ihrem Be­ stehen für paritätische, insbesondere für öffentliche Nachweise ein. Schon 1901 hat das Zentralorgan der christlichen Gewerkschaften in seiner Nr. 16 diese Stellung zu den Arbeitsnachweisen in folgenden Sätzen gut charakterisiertJ): „Nach allen bisherigen Erfahrungen scheint es rötlicher, sich nicht eigensinnig auf den Gewerkschaftsnachweis zu versteifen, sondern von vornherein paritätische Arbeitsnachweise zu gründen................ Das Richtigste sind die paritätischen Arbeitsnachweise, die von Unternehmer- und Arbeiterorganisationen verwaltet werden, oder die kommunalen Arbeitsnachweise mit gleicher paritätischer Ver­ waltung." Folgerichtig war auch die Stellungnahme der verschiedenen Ge­ werkschaftskongresse, die sich mit der Frage der Arbeitsvermittlung befaßten. So machte es der III. Kongreß zu Crefeld den christ­ lichen Ortskartellen zur Pflicht, die Errichtung paritättscher Arbeits­ nachweise in ihren Wirkungskreis zu stellen. Selbstverständlich wurde diese Frage auch gelegentlich der Beratung der Arbeitslosenfürsorge berührt. Es geschah dies auf dem V. Kongreß zu Essen (1904), wo bereits eine gesetzliche Regelung der Arbeitsnachweise durch das Reich gefordert wurde. Endlich wurde auf dem VII. Kongreß zu Köln, der sich auch mit der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung beschäfttgte und gesetzliches Einschreiten gegen dieselbe verlangte, ein Anttag angenommen, der die paritätischen kommunalen Arbeitsnachweise als einzig zulässige Jnstttutionen auf dem Gebiete der Arbeitsver­ mittlung erklärt wissen will. ) Wiedergegeben bei Brauer Sp. 334.

205 So sind die christlichen Gewerkschaften von Anfang an für die paritätischen und öffentlichen Arbeitsnachweise eingetreten und haben auf die Ausbildung eigener Nachweise kein Gewicht gelegt. Bon dem Gesichtspunkt läßt es sich auch verstehen, daß es dieser Gewerk­ schaftsgruppe an einem ausgebildeten Arbeitsnachweis fehlt. Wo chrisüiche Organisationen an die Schaffung eigener Nachweise heran­ gingen, geschah es aus taktischen und agitawrischen Erwägungen, zur Entlastung der Unterstützungskassen und Gewinnung neuer Mtglieder. Kampfmittel gegen die Untemehmer war ihnen der Arbeits­ nachweis wohl in den seltensten Fällen. Über den Bestand und Umfang des gewerkschaftlichen Nach­ weises in den christlichen Verbänden orientiert in ausgezeichneter Weise der eingangs erwähnte Artikel Th. Brauers, Chrisüiche Ge­ werkschaften und Arbeitsnachweisfrage, für die Sondernummer des Arbeitsmarkts: „Der Arbeitsnachweis und die Gewerkschaften", Mai 1910 geschrieben. Besser als dies ein dem Gewerkschaftsleben Fernstehender vermag, hat der Verfasser, selbst christlicher Gewerk­ schafter, die momentanen Verhältnisse auf Grund reichhaltigen Materials erschöpfend geschüdert. Es könnte also hier auf diesen Aufsatz verwiesen werden, ohne die betreffende Gewerkschaftsgruppe weiter zu behandeln. Verständlich dürfte es aber sein, daß die Ver­ anstalter dieser Enquete wünschten, auch die chrisüichen Gewerk­ schaften auf Gmnd eigenen Materials in dieser Arbeit vertreten zu sehen. Diesem Wunsche kam das Generalsekretariat der chrisüichen Gewerkschaften in Köln in sehr zuvorkommender Weise entgegen, indem es den Versand von etwa 500 Fragebogen besorgte und auch die Mahnungen und den Einlauf überwachte. Das Ergebnis war ja keineswegs glänzend. Es kam etwa der vierte Teil der Frage­ bogen zurück, und nur 41 brachten brauchbares Material über gewerk­ schaftliche Nachweise. Mehr als der Brauersche Artikel können wir also nicht geben, in einzelnen Punkten höchstens Ergänzungen, die hauptsächlich auf Grund eigener Anfragen bei den VerbandsvorstänLest ermöglicht wurden; an anderen Stellen müssen wir uns direkt auf die Ausfühmngen Brauers stützen. Trotzdem dachten wir, die folgenden Angaben im Interesse der Vollständigkeit der Arbeit bringen zu müssen. Die Verbände werden, soweit Material vorliegt,

206 in alphabetischer Reihenfolge behandelt, wobei die allgemeinen Be­ merkungen über die Lage der Arbeitsvermittlung in den einzelnen Berufen, weil bei den steten Gewerkschaften bereits erörtert, dies­ mal ausfallen.

I. Zentralverband der christlichen Bauarbeiter (Berlin). Der ungünstigen Verhältnisse in der Arbeitsvermittlung der bau­ gewerblichen Berufe wurde bereits ausführlich auf S. 37 gedacht. Dort wurde auch erwähnt, daß von allen hier in Betracht kommen­ den Arbeiterorganisationen es einzig der Zentralverband christlicher Bauarbeiter war, der wenigstens Versuche zur Besserung der Ver­ hältnisse durch Errichtung von Arbeitsnachweisen unternahm. Ist auch die Zahl seiner Nachweise, sowie der durch sie vollzogenen Ver­ mittlungen nicht groß, so wurde doch an vielen Orten diesem Zweige gewerkschaftlicher Tätigkeit volle Aufmerksamkeit geschenkt. Ins­ besondere hatten jene Ortsverwaltungen, wo der Verband Lokal­ sekretariate unterhält, durch die angestellten Beamten einige Erfolge aufzuweisen. Über dieselben berichtete Brauer in seinem Aufsatz auf Gmnd einer vom Zentralverbande veranstalteten Umfrage. Sie umfaßt Nachweise in folgenden Städten: Aachen (100), Berlin (700), Bochum (822), Düsseldorf (100), Essen (1927), Frankfurt a. M-, Gelsenkirchen (400), Gladbeck (300), Hagen( 280), Hannover (1500 bis 2000), Köln (560), Königsberg (100), Krefeld (100), Mülhausen i. E. (100), Münster i. W. (294), Posen (435), Siegen (100). Bei 16 berichtenden Nachweisen ergeben sich also für 1909 etwa 8300 Stellenvermittlungen. Daß es sich nur um beiläufige Angaben handelt, zeigen die meist abgemndeten Bermittlungszahlen der ein­ zelnen Nachweise, die in Klammem beigefügt sind. Bei unserer Enquete antworteten 14 Verbandsnachweise, doch nur 10 über die Vermittlungstätigkeit, die sich etwa auf 5600 besetzte Stellen belief. Bei beiden Umfragen handelt es sich wohl nur tun Annäherungs­ werte; ungenaue Zahleneintragungen in die Fragebogen und mangel­ hafte Buchfühmng bei den Nachweisen machten die Angaben unsicher. So viel lassen sie aber doch erkennen, daß einige Erfolge an manchen Orten erzielt werden konnten. Am besten zeigt sich dies in Hannover, wo ein vertraglich anerkannter, obligatorischer Arbeitgebemachweis

207 besteht, der 1909 etwa 17 000 Vermittlungen aufwies, und wo trotz­ dem durch den Verbandsnachweis 1500—2000 Stellen besetzt wer­ den konnten.

2. Deutscher Gärnier-Verband (Berlin). Er unterhält nur in Berlin einen Nachweis von einiger Be­ deutung, dessen Frequenz sich aber stetig vermindert. Dies erhellt aus folgender Statistik.: Arbeitnehmer 1904 1905 1906 1907 1908 1909

.......................... .......................... .......................... ............................ ............................ ..........................

1641 2026 2100 1111 659 420 7957

Offene Stellen Besetzte Stellen 2032 4191 2977 1442 984 609 12235

1465 1862 1948 886 481 270 6912

Dieser Arbeitsnachweis war 1905—1909 für die Berliner Handels­ gärtnerei tariflich vereinbart und vermittelte nur zu Tariflöhnen. 1909 wurde der Vertrag nicht mehr erneuert: die Arbeitgeber grün­ deten einen eigenen Nachweis, dessen Tätigkeit sich auch in den Ergebnissen des Verbandsnachweises fühlbar macht. Letzterer arbeitet aber seit 1907 als paritätischer Arbeitsnachweis auf Gmnd eines Vertrages des Deutschen Gärtnerverbandes mit dem Verband der gewerbetreibenden Landschaftsgärtner für Berlin und Vororte. Er untersteht einem aus drei Arbeitgebern und drei Arbeitnehmem bestehenden Ausschuß. Solche auf Gmnd vereinbarter Tarifmindest­ löhne vermittelnde gemeinsame Facharbeitsnachweise bilden auch das Ziel, das der Verband erstrebt. Städtische Nachweise lehnt er ab, weil „diese die bemflichen Eigenarten zu wenig berücksichtigen können". Er hält auch von der gesetzlichen Regelung des Arbeits­ nachweises für den Bemf nicht viel; das geht aus einer Zuschrift der Hauptgeschäftsstelle hervor, in der es heißt: „Die Zahl der or­ ganisierten Gehilfen im Gärtnerbemf (beide Richtungen zusammen etwa 6000) erscheint viel zu Heilt, um die wirkliche Durchfühmng etwaiger gesetzlicher Bestimmungen überwachen zu können. Trotz der Ablehnung der Arbeitgeber gegen gemeinsame Arbeitsnachweise

208 erscheint uns doch die Entwicklung zu solchen am Nächstliegenden; damit wäre am besten den beiden größten Übeln in unserem Nach­ weiswesen, dem Umschauen und dem Jnseratenwesen, begegnet." Z. Zentralverband der chriftl. Arbeiter und Arbeiterinnen in den graphischen Gerverben und der Papierbranche (Löln). Er ist ein gemischter Verband, in dem neben den Buchbindern auch die Steindrucker, Lithographen, Chemigraphen u. dgl. ver­ treten sind. Die Arbeitsvermittlung ist teilweise zenttal geregelt, da in Cöln und in München zwei Zentralpunkte, außerdem aber in 45 Orten lokale Nachweise bestehen. Einigermaßen wichtig ist aber nur der Nachweis bei der Verbandszentrale in Cöln, der solgende Tätigkeit aufzuweisen hatte: Arbeitsuchende............ .... Offene Stellen .............. Besetzte Stellen..............

1908

1909

227 160 142

310 197 185

Die angeführten Zahlen der Vermittlung beschränken sich fast ausschließlich auf Cöln; teilweise kommen auch die Nächstliegenden größeren Städte, wie Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen usw. in Bettacht. Eine tarifliche Regelung des Nachweises besteht nur in der Buchbinderbranche für Cöln-Düsseldorf, wo sich die Arbeitgeber verpflichteten, die Arbeitsnachweise der Arbeitnehmerorganisationen tunlichst zu benutzen. Bei den anderen Tarifabschlüssen, besonders denjenigen der kleineren Provinzstädte ist mündlich die Jnanspruchnahme des Zenttal- oder der örtlichen Nachweise versprochen worden, und wird dies in den meisten Fällen auch gehalten. Der Zenttalverband hält an den eigenen Nachweisen so lange fest, als nicht pari­ tätische Nachweise in kommunaler Verwaltung mit sachweiser Ver­ mittlungstätigkeit geschaffen sind. Gemeinsame (selbständige) Fach­ nachweise wünscht er sich nicht, weil — nach einer Zuschrist des Vorstandes — der Verband „als kleinere Organisation trotz pari­ tätischem System sicherlich benachteiligt würde, da die Leiter gegncrischerseits in der Mehrheit sind und das System zu umgehen ver­ stünden." Eine gesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises hält er

209 für wünschenswert, hält aber die Verwirklichung dieses Gedankens noch für unmöglich.

Gurenberg-Bund, Vereinigung Deutscher Buchdrucker (Berlin). Der Bund wurde erst 1908 für tariftreu erklärt. Seine Mit-glichet sind damit der Buchdruckertarifgemeinschaft sowie deren Arbeitsnachweisen beigetreten, und der Bund darf daher keine eigenen Nachweise unterhalten. Sein Arbeitsnachweis, der mit die Ursache war, daß dem Bunde die Tariftreuerklärung so lange vor­ enthalten wurde, war bereits durch einen Beschluß der General­ versammlung von 1904 aufgehoben. Aus einer Zuschrift der Bundesleitung wäre hervorzuheben, daß der Bund für eine gesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises eintritt, in der Hoffnung, daß dadurch „der Nachweis wirklich pari­ tätisch verwaltet und nicht zugunsten einer vorherrschenden Organi­ sation benutzt wird".

5. Gewerkverein der Heimarbeiterinnen Deutschlandberlin). Früher war man allgemein der Ansicht, daß die Heimarbeite­ rinnen eine nicht organisationsfähige Berufsschicht darsteNen. Die schönen Erfolge dieses Gewerkvereins in verhältnismäßig kurzer Zeit haben aber die Öffentlichkeit eines besseren belehrt. Ebenso neu wie die Organisierung der Heimarbeiterinnen selbst sind auch die Versuche einer Organisierung der Arbeitsvermittlung für diese Berufe. Dies war vollständig Neuland, und der Gewe kverein kann hier alle Erfolge als sein Verdienst in Anspruch nehmen. Im allgemeinen herrscht bei den Heimarbeiterinnen die Um­ schau vor; doch inserieren auch die Zwischenmeister. Es ist aber nahe­ liegend, daß diese Art der Arbeitsvermittlung lohndrückend wirkt. Eine Hilfe kann nur durch Arbeitsnachweise erreicht werden, die nicht unter einem Minimallohn vermitteln. Auf dieses Moment muß die Organisation das Hauptgewicht legen. Sie muß entweder eine tarifliche Bindung der Löhne zu erreichen suchen oder, wo dies Michaile, Arbeitsnachweis.

14

210 nicht möglich ist, selbst einen ortsüblichen Tagelohn festsetzen, der auch bei der Vermittlungstätigkeit der Vereinsnachweise maßgebend ist. So muß wenigstens versucht werden, Arbeitgeber sowohl wie Arbeiterinnen an eine Stetigkeit der Löhne zu gewöhnen. Was die Tätigkeit der Nachweise anlangt, so ist vor allem der des Gauverbandes Groß-Berlin zu nennen, dessen Ansänge bis April 1908 reichen und der nun in größerem Umfange gebraucht wird. Die Arbeitsvermitt­ lung vollzieht sich auf zwei Arten: Durch den Nachweis selbst, der 1908: 218, 1909: 909 Arbeiterinnen Arbeit vermittelte, dann durch einen Verein „Frauenhilfe", der sich für die Mitglieder des Gewerk­ vereins um Aufträge bei den Behörden bemüht, und durch den 280 Arbeiterinnen dauemde Arbeit erhielten. In den übrigen Ortsgruppen werden erst seit 1909 Arbeitsnachweise eingerichtet. Bekannt wurde noch die Tätigkeit der Gruppe Hannover, die 1909:53 Stellen besetzte. Doch haben auch andere Gmppen, wie Darmstadt, Düssel­ dorf, Elbing, Halle, Königsberg und Stettin, auf diesem Gebiete einige Erfolge zu verzeichnen1). In Frankfurt a. M. ist die Ortsgmppe dem städtischen Arbeitsnachweis angeschlossen, während im allgemeinen städtische Nachweise nur selten an Heimarbeiterinnen ver­ mitteln. In engem Zusammenhang mit der Arbeitsvermittlung steht im Gewerkverein die Einrichtung von Lehrkursen für Mitglieder, durch die eine bessere technische Ausbildung der Heimarbeiterinnen ermöglicht werden soll. In Berlin wurden dafür 1908/09:2058,88 Mk verausgabt. Abweichend von der Stellung anderer christlicher Ver­ bände hält der Gewerkverein an eigenen Nachweisen fest, weil er auf diesem Wege am ehesten die Organisiemng der Heimarbeite­ rinnen zu erreichen hofft.

6. Zentral verband christlicher Holzarbeiter Deutschlands (Loln). Der Verband unterhält gut funktionierende Nachweise in Berlin (410), Düsseldorf (390), Köln (561) und München (300) mit den in Klammem beigefügten Vermittlungserfolgen. Außerdem bestehen Nachweise in Essen, Magedeburg und Mühldorf a. I., die ater keine Angaben machten. Bisher erfolglos war ein 1909 eingerichteter zen*) S. Brauer, SP. 345.

211 träfet Arbeitsnachweis für das Stellmachergewerbe mit dem Sitz in KöU-Ehrenfeld. Die Fühmng der ersteren Nachweise liegt in den Hürden der Lokalsekretäre. Meist wird in den Berichten mit Befriedigrng konstatiert, daß die Nachweise von den Arbeitgebern gern benutzt werden, die auch die meisten Stellen selbst melden. Es wird z. B. im Bericht der Kölner Zahlstelle hervorgehoben, daß es ohne Arbeits­ nachweis unmöglich gewesen wäre, die Mitgliederzahl während der Krise aus derselben Höhe zu erhalten. Der Nachweis hätte dem Verband eim große Anzahl Mitglieder zugeführt und der Verbandskasse manche Ersparung an Arbeitslosenunterstützung gebracht. Bei der im Berufe herrschenden Tendenz zur Errichtung paritätischer Fach­ nachweise kann man aber an eine weitere Ausbreitung der Berbardsnachweise nicht glauben. Es ist interessant, zu konstatieren, welche Stellung der Zentralverband christlicher Holzarbeiter zu dieser Entwicklung nimmt. Augenscheinlich ist sie, ebenso wie die des Ge­ werkvereins der Holzarbeiter, eine den gemeinsamen Fachnachweisen feiMiche. Bei der Behandlung des Deutschen Holzarbeiterverbandes ) Über die Stellung der andern Organisationen f. Arbeitsmarkt 1910, Nr. 5.

231

6. Gewerkverein der deutschen Maschinenbau- und Metall­ arbeiter (Berlin). Er ist mit 37 000 Mitgliedern in 741 Ortsvereinen der größte und ausgebreitetste unter allen Gewerkvereinen. Eine Anzahl von angestellten Bezirksleitern (25) gibt ihm bessere Stützpunkte für die Arbeitsvermittlung, als den anbetn Vereinen. Wenn nun auch bei ihm die organisierte Arbeitsvermittlung viel zu wünschen übrig läßt, so liegt dies an den eigenartigen Bemfsverhältnissen, wie wir sie bereits beim Deutschen Metallarbeiterverband kennen gelernt haben. Nachrichten über bestehende Vereinsnachweise gaben 5 Bezirkslei­ tungen: Altena i. W. (15), Breslau, Dortmund (81), Görlitz (60), Magdeburg (44), wo die Arbeitsvermittlung durch das Gewerk­ vereinsbureau vor sich ging. Daß sie sich nur .in ganz engen Gren­ zen bewegte, zeigen die beigefügten Zahlen. Vier Nachweise (Breslau konnte keine Angaben machen) meldeten 200 Ver­ mittlungen. Keinen Nachweis führten: Augsburg, Elbing, Gleiwitz, Halle, Mannheim. In letzterem Orte besteht zwar ein Nachweis, derselbe kann aber nicht in direkte Mrksamkeit treten, da dem bestehenden Arbeitgebernachweis alle Fabriken und Werk­ stätten bis auf eine verschwindende Anzahl angeschlossen sind und alle Arbeiter nur durch den Nachweis einstellen dürfen. Der Bestand und die Tätigkeit der gewerkvereinlichen Nachweise ist also gering; wo sie bestehen, werden sie in der Hauptsache nur von kleineren und mittleren Arbeitgebem in Anspruch genommen. Für die Zukunft hält der Gewerkverein die paritätischen Facharbeitsnachweise für die wünschenswerteste Regelung.

7. Gewerkverein der deutschen Schneider u. v. B. (Berlin). Da die Arbeitsvermittlung meistens durch Inserat vollzogen wird, hat natürlich auch der Gewerkverein wenig Einfluß auf dieselbe gewinnen können. Vereinzelt sind die Vorstände der Ortsvereine in der Lage, ihren Mitgliedern Arbeit nachzuweisen. Von organi­ sierten Arbeitsnachweisen sind zwei bekannt geworden: Stettin und Thorn. Ersterer besteht seit 1. Juli 1909 und konnte im 2. Halbjahr 16 Stellen vermitteln. Sonst werden paritätische Berufsnachweise ge­ fordert, in kleineren Orten der Anschluß an städtische Nachweise.

232

8. Gewerkverein der deutschen Textilarbeiter (Spremberg L). Dieser Gewerkverein berichtet über einen Arbeitsnachweis bei seinem Hauptbureau in Spremberg, der seit der Gründung der Or­ ganisation (1869) bestehen soll. Angaben über die vermittelten Stellen wurden nicht gemacht.

9. Gewerkverein der deutschen Töpfer, Ziegler u. v. 33. (Bitterfeld). Er hat seit einem Jahr eigene Nachweise eingeführt, mit denen er bis jetzt zufriedenstellende Erfahrungen gemacht haben will. Nähere Angaben liegen nicht vor. Nach einer Mitteilung des General­ sekretärs war der Verein zur Gründung der eigenen Nachweise ge­ zwungen, da er von den bestehenden paritätischen Fachnachweisen in den meisten Fällen durch den Zentralverband der Töpfer (freie Ge­ werkschaft) verdrängt wurde. Er hält für größere Städte paritätische Facharbeitsnachweise für die wünschenswerteste Regelung, empfiehlt aber auch den Anschluß an städtische Nachweise, wenn sie unparteiisch geführt werden. Dies wäre das Material für die berufliche Arbeitsvermittlung in den deutschen Gewerkvereinen, das uns vorlag. Gewiß ist es sehr lückenhaft und überdies fehlen einige, allerdings minder wichtige Gewerkvereine in unserer Aufzählung gänzlich. Aber man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß tatsächlich wenig auf dem Gebiet des Arbeitsnachweises durch die einzelnen Gewerkvereine geschehen ist. Wir haben nun noch die Leistungen der vereinigten Ortsvereine, der Grrsverbände, zu betrachten. Es wurden 30 der wich­ tigsten Ortsverbände bzw. Sekretariate befragt, von denen die Hälfte antwortete. Davon hatten 8 Arbeitsnachweise: Aachen (Sekre­ tariat) (155), Berlin (Zentralarbeitsnachweis) (756), Bremen (49), Dresden (116), Duisburg (Sekretariate) (38), M.-Gladbach (35), Plauen (Ortsverbände) (14), Saarbrücken (Sekretariat) (40); ihre Tätigkeit stellte sich 1908 folgend: Arbeitsuchende................................... 2625 Offene Stellen:................................. 1390 Besetzte Stellen .............................. 1203

233 Die wichtigsten Nachweise sind Berlin, Aachen und Dresden, während auf die übrigen nur ein Bruchteil entfällt. Doch werden alle Nachweise in Verbindung mit Gewerkvereinsbureaus geführt und von angestellten Beamten im Nebenamt besorgt; nur der Zentral­ nachweis zu Berlin wird hauptamtlich verwaltet. Er wird von den Berliner Orstvereinen der Maschinenbau- und Metallarbeiter, Fabrik- und Handarbeiter, Schuhmacher und Lederarbeiter, graphi­ schen Bemfe und Maler, Textilarbeiter und Frauen und Mädchen gemeinsam mit einem Etat von etwa 3000 Mk. unterhalten. Außer­ dem haben die Berliner Ortsvereine der Bildhauer, Holzarbeiter, Kaufleute, Konditoren und Töpfer eigene Nachweise. Gewöhnlich haben diese Nachweise der Ortsverbände, bzw. Sekretariate ein eigenes Reglement. Z. B. bestimmt das Dresdener, daß die ange­ schlossenen Ortsvereine pro Mitglied einen Jahresbeitrag von 1 M. zu den Kosten der Arbeitsvermittlung zu zahlen haben; Fehlbeträge decken dort die Ortsvereine der Maschinenbauer. Die Leitung der Geschäfte untersteht einer gemischten Kommission, bestehend aus Vertretern jedes angeschlossenen Ortsvereins. Der Arbeitsnachweis ist für die Mitglieder der beteiligten Gewerkvereine vollständig frei. Ebenso steht nur diesen Mitgliedem die Fremdenunterstützungs­ Einrichtung (freies Übernachten mit Frühstück) zu. Für Mitglieder anderer Gewerkvereine kann der Nachweisverwalter die Tätigkeit versagen. (In Dresden waren nämlich außer den angeschlossenen Ortsvereinen der Maschinenbauer, Holzarbeiter, graphischen Berufe, Bauhandwerker und Töpfer noch 8 weitere Ortsvereine vorhanden, die zum Arbeitsnachweis nichts beitragen.) Zur Tätigkeit des Ver­ walters gehört auch die Kontrolle der Arbeitslosen. Wahrscheinlich bestehen für die Nachweise anderer Ortsverbände ähnliche Bestim­ mungen. Die 7 weiteren Ortsverbände, welche noch auf unsere An­ frage antworteten, hatten keinen eigenen Nachweis. In Bitterfeld wurde der Nachweis der Herberge „Zur Heimat", in Düsseldorf, Nürn­ berg, Stuttgart wurden die städtischen Nachweise benutzt. Hamburg, Oldenburg und Thorn hatten ebenfalls keinen Nachweis, machten aber auch keine Angaben über die Art der Arbeitsvermittlung. Da­ mit hätten wir unser Material über die deutschen Gewerkvereine erschöpft. Es ist zu lückenhaft, um ein Urteil über die Wirksamkeit

234 der Gewerkvereinsnachweise abgeben zu können. In den Kreisen der deutschen Gewerkvereine selbst wird aber schon lange kein Gewicht mehr aus die Errichtung eigener Nachweise gelegt. Hatte sich doch der Berbandstag zu Magdeburg (1898) bereits für paritätische (also auf fteiwilliger Vereinbarung bemhende) Facharbeitsnachweise aus­ gesprochen, und es wird in Gewerksvereinskreisen anerkannt, daß diese Lösung der gmndsätzlichen Stellung der Vereine am ehesten entspricht. Sie Macht der deutschen Gewerkvereine ist aber unzureichend, diese Lösung herbeizuführen. Sie haben dies ja einsehen müssen; dazu kam in den letzten Jahren das starke Vordringen der Arbeitgeber­ nachweise. Mit dem Vorstoß des Zechenverbandes wurden die deutschen Gewerkvereine ganz in das Lager der Anhänger einer gesetzlichen Regelung der Arbeitsnachweise geführt. Bereits am 9. Dezember 1909 beschäftigte sich der Zentralrat der deutschen Gewerkvereine mit der Frage, nahm in scharfen Worten Stellung gegen die Unternehmernachweise und forderte von Reichstag und Bundesrat ein Gesetz zu schaffen, das die Arbeitsvermittlung auf öffentlicher paritätischer Gmndlage regelt. Zur Unterstützung dieses Verlangens beschloß eine im Febmar 1910 tagende Gewerk­ vereinsversammlung in Berlin, die sich mit dem Arbeitsnachweis beschäftigte, eine Massenpetition in Umlauf zu setzen und im ganzen Reich Unterschriften für die gesetzliche Regelung zu sammeln. Endlich verhandelte der im Mai 1910 zu Berlin abgehaltene 17. Verbandstag der deutschen Gewerkvereine über Arbeitslosenversicherung und Ar­ beitsnachweis und beschloß zuni zweiten Punkt in seiner Resolution folgendes: „Weiter fordert der Verbandstag gesetzliche Regelung des Arbeitsnach­ weises. Die einseitigen Zwangsarbeitsnachweise bedeuten eine Gefahr für die Existenzen zahlreicher Arbeiterfamilien, da sie die vollkommenste Form eines Maßregelungsbureaus darstellen. Ein Arbeitsnachweis darf aber keinen anderen Zweck haben, als die Arbeitslosen in die dem Nachweis gemeldeten offenen Stellen zu bringen. Eine scharfe Kontrolle würde die Unternehmer bald dahin bringen, das Interesse an ihrem auch unlauteren Zwecken dienenden einseitigen Zwangsarbeits­ nachweis zu verleiden. Der Verbandstag hält es für eine Pflicht des Gesetzgebers, die Arbeiter zuschützen, damit ihnen die gesetzlichen Rechte der Freizügigkeit und der Koalition, wie auch die politische Freiheit ungeschmälert erhalten bleiben. Das gewünschte Gesetz soll ferner die Einführung des paritätischen Arbeitsnach-

235 weises förderlich sein. Entweder sind die Gemeinden über 10 000 Einwohner zu verpflichten, Arbeitsnachweise dieser Art zu errichten bzw. kleinere Gemeinden hierfür zusammenzulegen, oder der Verband deutscher Arbeitsnachweise ist in seinen Besttebungen aus Errichtung von paritätischen Arbeitsnachweisen auf freiwilliger Grundlage wirksam zu unterstützen. Gesetzlich vorzuschreiben wäre, daß die paritätischen Arbeitsnachweise von Vertretern der beteiligten Arbeiter und Arbeitgeber in gleicher Zahl unter einem unparteiischen Vorsitzenden zu verwalten sind. Die Beamten des Arbeitsnachweises sind zu verpflichten, absolute Unparteilichkeit walten zu lassen."

IV. Wesen und Organisation der gewerk­ schaftlichen Arbeitsnachweise?) Gab es zur Zeit der genossenschaftlichen Organisation der Ge­ werbe wirklich eine geregelte Arbeitsvermittlung, so änderte sich dies mit dem Eintritt der kapitalistischen Produktion. Die Innungen und Gesellenverbände der früheren Zeit regelten nach ihren Vorschriften ja alles, was das Gewerbe berührte; sie sorgten daher auch für eine geordnete Arbeitsvermittlung, die bei den damaligen Wirtschafts­ verhältnissen wesentlich leichter durchführbar'war als heute. Als aber die Wirtschaftsverhältnisse andere wurden, die Wirksamkeit des Jnnungswesens tatsächlich und später auch gesetzlich aufgehoben wurde, da trat an die Stelle der Bindung die Freiheit, aber auch die Lücke in dem Rechte des Arbeitsvertrages. Käufer und Verkäufer der Arbeitskraft standen sich frei und ungehindert von rechtlichen Fesseln gegenüber, und jedem war nur das eine gewährleistet, seine Interessen nach seinem besten Können zu vertreten. Da war für eine Ordnung des Arbeitsverhältnisses kein Platz, und auch nicht für die der Arbeitsvermittlung. Die Vermittlungstätigkeit der alten Bemfsverbände, vor allem der Innungen, war beendet und nichts trat an ihre Stelle. Dabei waren die Verhältnisse ganz andere und vielge­ staltigere geworden. Neben das Handwerk trat die Industrie, Handel und Verkehrsgewerbe nahmen einen großartigen Aufschwung, Mil­ lionen Hände arbeiteten in allen Zweigen und immer neue Massen *) Die Prinzipien der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung wurden wohl am besten von Lindemann, Arbeiterpolitik und Mrtschastspflege ir. der deutschen Städteverwaltung, S. 107 ff. gekennzeichnet, der daselbst auch gegen die An­ sichten von Jastrow und Calwer polemisiert. Seiner Aufsassung hct sich auch der Verfasser im wesentlichen angeschlossen.

237 wurden vom Lande nach den Plätzen gewerblicher Tätigkeit heran­ gezogen. Es wuchsen die großen Städte, in denen das Arbeitsuchen immer schwieriger und planloser sich gestalten mußte. Es wuchs die Unstetigkeit der Beschäftigung und damit die Zahl derer, die sich immer auf der Suche nach Arbeit befanden. Wohl Hunderttausende kamen jährlich vom Lande in die Städte und suchten sich hier Arbeit, wohl Millionen waren es, die aus irgendeinem Gmnde ihren bisherigen Arbeitsplatz verließen oder verlassen mußten und nun im selben oder in einem anbetn Gewerbe Beschäftigung finden wollten. Verhältnismäßig leicht wurde ihnen dies bei aufsteigender Kon­ junktur, wo die Arbeitgeber die Suchenden waren und alles taten, um Arbeiter heranzuziehen. Bei vermindertem Geschäftsgang aber lastete die ganze Schwere dieser Zustände auf den Arbeitem, die beim Suchen von Beschäftigung dem Zufall preisgegeben waren. Was hatte nun Deutschland dieser Entwicklung entgegenzu­ stellen, welche Einrichtungen für die Arbeitsvermittlung gab es hier beim Einsetzen des wirtschaftlichen Aufschwungs in den sechziger und siebziger Jahren? Man kann wohl sagen: keine oder so gut wie keine. Die Innungen und ihre Arbeitsnachweise waren verschwunden, und als man sie in den achtziger Jahren zu neuem Leben erweckte, traten auch ihre Arbeitsnachweise wieder in Tätigkeit. Aber nur in wenigen Gewerben, vor allem in einigen Branchen der Nahmngs- und Genußmittkl sowie der Bekleidungsgewerbe haben sie es im Laufe der Jahre zu einiger Bedeutung gebracht. Bon den Jnnungsnachweisen im allgemeinen heißt es: sie können nicht leben und nicht sterben. Dann gab es vereinzelt gemeinnützige Arbeitsnachweise, von Wohl­ tätigkeitsvereinen in einigen größeren Städten errichtet. Eine leb­ haftere Bewegung zur Gründung der öffentlichen Nachweise setzte erst spät in den neunziger Jahren ein, während die Nachweise der Arbeitgeber im wesentlichen erst ein Produkt des letzten Jahrzehnts darstellen. So war das Gros der Arbeitermassen aller Berufe, so­ weit sie nicht Ausbeutungsobjekt der gewerbsmäßigen Stellenvermiittler wurden, auf die Umschau und das Inserieren angewiesen. Diese Formen der Arbeitsvermittlung haben im Laufe der Zeit in der Arbeiterschaft so tief Wurzel gefaßt, daß sie trotz eines schon viele Jahre währenden zähen Kampfes der Arbeiterorganisationen,

238 sowie der verschiedenen Arten von Arbeitsnachweisen nocch mit mgebrochener Macht dastehen. Und doch bergen beide eine so» große £üfle von Übelständen, daß man ihre endgültige Beseitigumg dringend wünschen muß. Naturgemäß liegt die Last fast ausschliefßlich aus der Arbeiterschaft und andere Kreise ahnen nicht im entferntesten das Drückende dieser Verhältnisse. Vielleicht ist es angebrachtt, hier einige Arbeiterstimmen zu hören. Im „Kupferschmied" vom 1. Novenber 1908 war z. B. folgendes ausgeführt: „Wer schon einmal arbeitslos gewesen ist und zum Umschauen: nach Arbeit bei den einzelnen Firmen gezwungen war, der weiß es bis zum lüberdruß, wie einem zumute, der an hundert Türen angeklopft hat und immer nvieder, nn zu oft in bitter verhöhnender Form mit seiner Bitte um Arbeit abgenviesen wrrden ist. Einen solchen armen Teufel packt schließlich die Verzweiflung, iimb in fernem seelisch deprimierten Zustande greift er dann zum Strohhalm, z',ur Arb ei: um jeden Preis, für jeden Lohn, er wird schließlich sogar zum Verräiter an seinen eigenen Kollegen, zum Streikbrecher........ Andererseits wirkt das Ulmschauer der Arbeitslosen aus die Unternehmer geradezu anfeuernd zur Lohndrückern und vermehrten Ausbeutung ihrer Angestellten. Es ist dies auch ganz natürlich. Denn tagaus tagein verschiedene Arbeitsuchende vorsprechen, dann wird e% dem Unter­ nehmer klar, daß es nur eines Winkes seinerseits bedarf, um für bwckbeinige Arbeiter sich willigeren und vielleicht auch billigeren Ersatz zu verschasseM. Sein erstes Wort ist dann, wenn sich ein Arbeiter über die Dauer der Arbeitszeit oder das Unzulängliche des Lohnes beschwert, „Wem's nicht paßt, der kannr gehen" oder „Ich bekomme für euch hundert andere" oder „Die Arbeitsuchenden llaufen mir das Haus ein und sind froh, wenn sie für die von mir gebotenen Bedingungen Be­ schäftigung finden". Das können sich die Kollegen dann jeden TaH anhören. Das Umschauen nach Arbeit in den Betrieben ist also für W Arbeiter ein Grundübel im wirtschaftlichen Kampfe, das mit allen verfügbares Mitteln be­ seitigt werden muß."

Hier noch einige Sätze aus einem Artikel von Frip Gerike im „Grundstein" 1910, Nr. 38, in welchem der Verfasser füt die Schaf­ fung von gewerkschaftlichen Arbeitsnachweisen für die Bauarbeiter eintritt, die ja bis jetzt fast ausschließlich auf das Umschauen ange­ wiesen waren: „Die bisherige Form der Arbeitsvermittlung, das Vorsprechen auf der Baustelle, ist unstreitig die schlechteste. Wird ein Kollege arbeitslos, so steht er als einzelner den Verhältnissen gegenüber. Niemand kann ihm helfen, und bei schlechter Konjunktur ist er nur zu leicht geneigt, in seinem Kollegen seinen Kon­ kurrenten zu sehen und ihn auch dementsprechend zu behandeln. Wochen und Monate können vergehen, ohne daß für ihn die Aussicht auf Arbeit größer wird

239 als am ersten Tage seiner Arbeitslosigkeit. An den entferntesten Punkten der ausgedehnten Großstadt ist er des Morgens schon als erster gewesen, um immer wieder die Erfahrungen zu machen, daß er doch noch zu spät gekommen ist. Das zermirbt, das drückt mit Zentnerschwere auf Körper und Geist, das frißt die stärksten Nerven auf, zumal wenn man die Erfahrung machen muß, daß einem andem „das Glück viel holder" war, der sofort wieder Arbeit fand. Das Arbeitsuchen ist das reine Lotteriespiel. Nichts von System, keine Spur von Gerechtizkeit, nur das Glück entscheidet. Welch relativ große Summen muß solch ein Arbeitsloser an Fahrgeld ausgeben, um alltäglich möglichst schnell an einem bestimmten Ort als erster vorzusprechen. Wieviel Zeit und Kraft opfert er diesem Zwecke!"

Treffend hat dies alles Jastrow in folgende Worte gefaßt'): „Wieviel Opfer an Zeit und Mühe die Umschau dem Arbeiter auf­ erlegt, hat noch kein Volkswirt zu ergründen vermocht. Sie ist die­ jenige Form des Arbeitsnachweises, welche die Kosten der Vermitt­ lung ausschließlich auf die Schultern des Arbeiters wälzt. Dazu kommt noch, daß die Scharen der Umschauenden die Stärke des An­ gebots in übertriebener Form zum Ausdmck bringen. Es gibt am Arbeitsmarkte keine Institution, die in dem Maße lohndrückend wirkt, wie die Umschau, ganz abgesehen von einzelnen häßlichen Erschei­ nungen im Konkurrenzkämpfe der Arbeiter untereinander, die nicht selten zu heimlichen Provisionszahlungen an Werkmeister usw. führen. Da die Umschau auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch all­ beherrschend ist, so ist jede regelrechte Form des Arbeitsnachweises an sich schon als ein Fortschritt zu begrüßen." Diese mit der Umschau verbundenen Übelstände traten natürlich vor Jahren noch viel stärker zutage als heute, wo nun doch seit zwei Jahrzehnten die verschiedenen Nachweiskategorien bemüht sind, an Terrain zu gewinnen. Das Verdienst, die ersten Versuche zur Besserung dieser Verhältnisse ge­ macht zu haben, gebührt unstreitig den gewerkschaftlichen Arbeiter­ organisationen und ihrer Arbeitsvermittlung. Schon der gewerkschaftliche Zusammenschluß an und für sich bedeutete eine Besserung2). Er änderte die Stellung, die der Ar­ beiter als Verkäufer auf dem Arbeitsmarkte einnimmt, ganz wesent*) Sozialpolitik und Verwaltungswissenschast S. 137. *) s. L. Brentanos Artikel über die Gewerkschaften im Handwörterbuch der Staatswisstnschaften. 3. Aufl.

240 lich. Der nicht organisierte Arbeiter steht den Marktverhältnissen machtlos gegenüber. Seine Lage ist ganz anders als die der Waren­ verkäufer, da eben das einzige Gut, über welches er verfügt, einen durchaus anderen Charakter besitzt, als alle andern uns bekannten Waren. Er ist Verkäufer seiner Arbeitskraft, einer Ware, die un­ trennbar von seiner Person ist; sie kann nicht wie ein Artikel behandelt werden, der dorthin geschickt wird, wo er den Verhältnissen ent­ sprechend am besten rentiert. Der Arbeiter hat aber auch nichts als seine Arbeitskraft; will er leben, so muß er sie verkaufen, er kann nicht warten, bis die Marktverhältnisse seinem Angebot günstig er­ scheinen. Sinkt die Nachfrage nach Arbeitskräften, so kann er nicht, wie viele Verkäufer anderer Waren, sein Angebot vermindem oder gar zurückziehen. Er wird sogar gezwungen sein, es jetzt zu steigern, d. h. er wird vermehrte Anstrengungen machen, eine Arbeitsgelegen­ heit zu erhalten, und wenn dies nichts nutzt, muß er mit seinen An­ sprüchen hemntergehen und sich mit weniger Lohn bei vielleicht längerer Arbeitszeit zufrieden geben. Er drückt so das Niveau der bemstichen Arbeitsbedingungen. Erst die Gewerkschaften mit ihren Unterstützungseinrichtungen und ihrem Bestreben zur kollektiven Vertragsschließung gaben den Arbeitem den nötigen Rückhalt, der ihre Stellung zu einer ähnlichen macht, wie sie andere Verkäufer am Markte einnehmen. Nun brauchen die organisierten Arbeiter bei verminderter Nachfrage nicht unter schlechten Arbeitsbedingungen Beschäftigung zu nehmen, sie müssen nicht „hausieren gehen mit der Ware Arbeitskraft", denn es schützt sie die Arbeitslosenunterstützung ihres Verbandes. Sie können mit dem Verkauf der Arbeit zurückhalten, sie können ihr Angebot der Nachfrage anpassen und so verhindern, daß die bereits errungenen Vorteile durch das verminderte Kaufgebot verloren gehen. An manchen Orten werden die Verhältnisse schlechter sein und sich Ar­ beitskräfte ansammeln, die vielleicht anderswo begehrt werden. Durch die Reise- und Umzugsunterstützung, sowie eine gut funktionierende Arbeitsvermittlung kann hier die Gewerkschaft ausgleichend wirken. Endlich wurde durch die Tarifverträge ein Mindestniveau der Arbeitsbedingungen erreicht, das Arbeiter und Arbeitgeber ein­ halten sollen, auch wenn die Marktverhältnisse sich ändem.

241 Me diese Teile der gewerkschaftlichen Arbeit haben unleugbar die Arbeitsvermittlung beeinflußt, wenigstens in dem Sinne, daß sie bei der Umschau das Moment des Lohndruckes sicherlich abgeschwächt haben, und das war auch schon ein großer Erfolg. Um aber zu einer wirksamen Bekämpfung der Umschau, sowie zu einer Aufrechterhaltung und Verbessemng der bemflichen Arbeitsbedingungen zu gelangen, brauchte er eines organisierten Vorgehens. Man glaubte dies am besten mit eigenen Arbeitsnachweisen zu erreichen. So schuf man die gewerkschaftlichen Nachweise, die neben denen der Innungen die älteste Form der geregelten Arbeitsvermittlung darstellen, und die mehr, als man gewöhnlich annimmt, Selbstzweck waren; sie dienten zur Beseitigung der ungeregelten Arbeitsvermittlung, also der Umschau, des Inserates, der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung. Mehr als der reinen Arbeitsvermittlung haben sie, von einigen Ausnahmen abgesehen, nie dienen können. Theoretisch hat man ihnen allerdings einen viel weiteren Aufgabenkreis gezogen. Sie sollten ein Mittel sein, die Macht der Gewerkschaften im wirtschaftlichen Kampfe zu erhöhen und zu vervollständigen. Die Beherrschung des Arbeitsmarktes ist es ja, was die Gewerkschaften letzten Endes er­ streben. Könnten sie mit ihren Unterstützungseinrichtungen die über­ flüssige Arbeitskraft aufkaufen und so das Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Belieben korrigieren, so wäre der Arbeitsnachweis in ihren Händen nur der Regulator. Nur durch ihn könnten die Ar­ beitgeber Arbeitskräfte bekommen, natürlich zu Preisen, die von der Gewerkschaft festgesetzt werden. Dieses Arbeitsnachweisideal ist heute von den Gewerkschaften fast durchweg aufgegeben, wenigstens für die Praxis. Um es als Utopie zu kennzeichnen, genügt wohl, von wirtschaftlichen Momenten, sowie der heutigen Machtverteilung gar nicht zu reden, der Hinweis darauf, daß nach der Berufszählung von 1907 ßkst etwa 20% der berufstätigen Arbeiterschaft des Deutschen Reiches organisiert sind. Doch der gewerkschaftliche Arbeitsnachweis als Machtmittel ist so gut wie aufgegeben. Dagegen ist ihm noch eine weitere Funktion eigen, die er wohl zum großen Teile auch erfüllt. Wenn auch die teilte Arbeitsvermittlung, ebenso wie z. B. bei den öffentlichen Nach­ weisen, im Vordergründe steht, so kann es sich natürlich nur um eine Michaile, Arbeitsnachweis.

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242 Vermittlungstätigkeit auf Grund bestimmter, irgendwie anerkannter Arbeitsbedingungen handeln. Dies ergibt sich folgerichtig aus dem ganzen Komplex gewerkschaftlicher Arbeit. Die Gewerkschaften können nicht vermitteln ohne Rücksicht aus die Lohnhöhe usw.; das wäre Untergrabung der eigenen Position. Sie haben kein Interesse daran, unter allen Umständen jede, auch schlecht bezahlte Stelle zu besetzen. Damit würden sie ihren eigenen Grundsätzen ins Gesicht schlagen. Die Bermittlungstätigkeit auf Grundlage festgesetzter Arbeits­ bedingungen unterscheidet wohl die gewerkschaftlichen Arbeitsnach­ weise heute noch von den meisten andern; deshalb hat man dies als ihre besondere Eigenheit hingestellt, obzwar es nur eine Selbst­ verständlichkeit ist. Wir sehen ja dasselbe Bestreben bei allen pari­ tätischen Facharbeitsnachweisen durchdringen, und auch die öffent­ lichen Arbeitsnachweise werden in Zukunft mit einer energischeren Betonung dieser Forderung von feiten der Gewerkschaften rechnen müssen, wenngleich sie sich heute noch im ganzen ablehnend verhalten. Die weiteren, die gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise beherr­ schenden Grundsätze werden bei der nun folgenden Schilderung ihrer Organisation offensichtlich. Das Charakteristische in der Organisation des Arbeitsnachweises durch die Gewerkschaften sah Conrad darin, „daß die Arbeitsvermitt­ lung für jedes einzelne Gewerbe gesondert gehandhabt wird'"). Diese bemfliche Gliederung hatte eine bunte Mannigfaltigkeit im Gefolge, und sie ist ebenso charakteristisch für diese Arbeitsnachweis­ kategorie. Nahezu in jedem Gewerbe wurde eine andere Art der Organisation nötig oder wenigstens versucht, und diese vielen Ab­ weichungen machen eine einheitliche Darstellung unmöglich. Deshalb wurden auch im Rahmen dieser Arbeit die Verbände gesondert behandelt und bei jedem die Grundzüge der Arbeitsvermittlung und ihrer Organisation angedeutet. Hier, bei der zusammenfassenden Darstellung, kann es nur dämm zu tun sein, das Typische der Ge­ werkschaftsnachweise kurz zu skizzieren und die wichtigsten Punkte ihrer Organisation an der Hand des statistischen Materials unserer Enquete vorzuführen. *) Conrad, Die Organisation des Arbeitsnachweise- in Deutschland S. 32.

243 Dem Bearbeiter einer Untersuchung über die gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung drängt sich im Laufe dieser Beschäftigung von selbst eine wichtige Erscheinung auf, die wir auch hier anmerken möchten. Sie ist zweifacher Art. Einmal ist es klar, daß wir niemals, auch durch keine noch so peinlich genaue Enquete, den Wert und die Größe der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung ermessen können. Einen ihrer Zweige, die Vermittlungstätigkeit, die nur durch die Vertrauensmänner gehandhabt wird, kann man nie erschöpfend angeben. Die meisten und wichtigsten deutschen Gewerkschaften haben seit Jahren das Vertrauensmännersystem eingeführt und suchen es gerade in letzter Zeit mehr und mehr auszubauen und zu vervoll­ kommnen. In allen Fabriken, Werken und Werkstätten werden solche Vertrauensmänner ernannt, die Vertreter ihrer organisierten Ar­ beitskollegen, sowie der Organisation selbst sind. In ihrer letzteren Eigenschaft haben sie mancherlei Aufgaben zu erfüllen, wie für die Agitation in der Werkstatt zu sorgen, Beiträge einzukassieren, das Fachblatt zu verteilen, über alle Vorkommnisse in der Werkstatt die Organisation zu unterrichten usw. Und hierher gehört auch ihre Tätigkeit in der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung. Der Deutsche Holzarbeiterverband hat eine kleine Broschüre, der Vertrauens­ mann betitelt, herausgegeben, in welcher auf S. 8 zu lesen ist: „Jede freie Arbeitsstelle ist vom Vertrauensmann sofort dem Arbeitsnach­ weis der Zahlstelle resp. dem Auszahler der Reiseunterstützung zu melden, damit der Platz wieder durch ein Berbandsmitglicd besetzt werden kann. Das gleiche gilt amch für den Fall, daß der Vertrauensmann erfährt, daß der Arbeitgeber eine neue Arbeit übernommen hat, zu deren Herstellung die Einstellung weiterer Arbeiter in Aussicht genommen ist. In den meisten Fällen werden die dann von der Werwaltung hingesandten arbeitslosen Kollegen eingestellt werden. Den Kollegen ist damit ein großer Dienst erwiesen, und dem Verbände bleibt die weitere Auszahlung von Arbeitslosenunterstützung erspart."

Beinahe die ganze gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung ruht auf dieser Gmndlage und ist abhängig von der rechtzeitigen Meldung der offenen Stellen durch die Vertrauensmänner oder andere Gewerkfschaftsmitglieder. In der Regel nehmen die Arbeitgeber selbst die gewerkschaftliche Vermittlungstätigkeit nicht in Anspruch. Sie müssen also getäuscht werden; der Arbeitslose kommt zu ihnen, schembar zufällig, und erhält er die Stelle, so hat er sie nicht der Um» 16*

244 schau, sondern der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung zu verdanken. Auch in Großindustrien mit Arbeitgebemachweisen ist oft eine Um­ gehung derselben durch das Vertrauensmännersystem möglich, indem sich arbeitslose Verbandsmitglieder auf Benachrichtigung durch den Vertrauensmann im Werke melden und auch nach Passiemng des Arbeitgebernachweises eingestellt werden. Die Ver­ mittlung bucht wohl dieser als die eigene, obzwar sie dem Konto der gewerkschaftlichen Tätigkeit zukommt. Den Umfang der nur durch dieses Vertrauensmännersystem ausgeübten gewerkschaftlichen Ar­ beitsvermittlung wird man also nie feststellen, ja auch nur schätzen können. Weil sie meistens nicht beachtet und gewürdigt wird, sei sie hier vermerkt, ohne ihre Bedeutung zu überschätzen. In Er­ scheinung treten kann nur jene Vermittlungstätigkeit der Verbände, die durch die organisierten Arbeitsnachweise vor sich geht. Natürlich wird durch dieselben dies Vertrauensmännersystem nicht ausge­ schaltet, im Gegenteil, es erfährt eine größere Wirksamkeit, wenn eine Stelle vorhanden ist, der die Vertrauensmänner jede Arbeits­ gelegenheit mitteilen können und die auch die Arbeitskräfte zu ihrer Besetzung sofort bei der Hand hat. Aber es kann bei organisierten Arbeitsnachweisen auch fortfallen, wenn die VerhälMisse derartige sind, daß die Arbeitgeber den Nachweis in Anspruch nehmen müssen; dies ist aber nur in wenigen Bemfen der Fall. Die Arbeitsver­ mittlung durch die Vertrauensmänner mußte aber aus unserer Be­ trachtung ausscheiden. Wir haben es hier nur mit der organisierten gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung, also mit den Arbeitsnachweisen zu tun. Es wurde bereits betont, daß diese gewerkschaftlichen Arbeits­ nachweise nichts Einheitliches sind, fonbem sich dem Beobachter als eine bunte Mannigfaltigkeit darstellen. Es gibt örtlich-bemfliche, zentral-bemfliche, örtlich-zentrale Nachweise, die wiederum eine Fülle verschiedenster VerwalMngseinrichMngen besitzen und mit allen Hilfsmitteln, von den primitivsten bis zu den modemsten, arbeiten. Und doch scheint durch diese Mannigfaltigkeit eine Scheidegrenze zu gehen, welche die gesamten Gewerkschaftsnachweise in zwei große Gruppen teilt: in solche, die ehrenamtlich, und solche, die durch an­ gestellte Verbandsbeamte (Haupt- oder nebenamtlich) verwaltet werden. Man könnte von dieser Unterscheidung auch auf die Erfolge

245 schließen. Natürlich gibt es Ausnahmen. Ein Nachweis, den ein Arbeiter in seiner Mittagspause oder nach Feierabend führt, kann ganz gut den Anforderungen entsprechen und günstige Resultate zeitigen, gerade so wie ein von einem besoldeten Beamten geleiteter Nachweis erfolglos bleiben kann. So ist es überall in der Gewerk­ schaftsbewegung und auch sonst im Leben. Die Gewerkschaften als Ganzes wurden auf freigestellte Kräfte angewiesen und verdanken denselben nicht zuletzt die bedeutenden Fortschritte der letzten Jahre; dasselbe zeigt sich auch in den Einzelheiten der gewerkschaftlichenArbeit, wie der Arbeitsvermittlung. Die wirklich erfolgreich arbeitenden Gewerkschaftsnachweise sind heute meistens die, welche von besol­ deten Beamten verwaltet werden. Dies wird bei einzelnen Punkten der nun folgenden Übersicht über die Organisation der Nachweise deutlicher hervortreten, wird aber allen Kennern der Gewerkschafts­ arbeit nur selbstverständlich vorkommen. Im ersten Kapitel dieser Arbeit wurde auf S. 11 versucht, die Zahl der bestehenden organisierten gewerkschaftlichen Arbeitsnach­ weise abzugrenzen. Es wurde darauf verwiesen, daß sie früher (von Möller) auf 3500, später (in der Denkschrift über die Arbeitslosenversichemng 1906) auf 1000 geschätzt wurde. Diese Zahlen haben insofern ihre Berechtigung, da, wenn man die Vermittlung durch die Vertrauensmänner mit in Betracht zieht, nahezu jede Zahl­ oder Verwaltungsstelle, also die örtlichen Organisationen der Ver­ bände als Träger der Arbeitsvermittlung anzusprechen wären; dann würden sich natürlich diese Zahlen noch um einige Tausende erhöhen. Dieser Vorgang ist aber nicht haltbar, denn wir können nur von der Zahl der wirklich organisierten Arbeitsnachweise und deren Tätig­ keit brauchbares Material über den Wert und Umfang der gewerk­ schaftlichen Arbeitsvermittlung erhalten. Wurde nun früher die Zahl der Nachweise weit überschätzt, so griff z. B. Kessler in seinem Referate über die einseitigen Arbeitsnachweise aus der Breslauer Tagung des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise (Oktober 1910) doch zu tief, wenn er nur mit 250 Gewerkschaftsnachweisen rechnete. Wir haben ihre Zahl im Eingangskapitel mit rund 600 angesetzt, womnter sich natürlich viele befinden, die keine bedeutendere Tätig­ keit entfalten können. Bei unserer Enquete wurden gezählt: 421

246 Nachweise der freien Gewerkschaften, 41 der christlichen Verbände und 20 der deutschen Gewerkvereine, zusammen 482. Doch wissen wir, daß diese Zahl nicht erschöpfend ist, da uns z. B. 30 freigewerk­ schaftliche Nachweise fehlen, die sonst an das Reichsarbeitsblatt berichten. Auch bestehen sicher noch mehr Nachweise der christlichen Verbände, sowie der Gewerkvereine, als unsere Umfrage ermittelte. Wir halten demnach an der Zahl 600 für die organisierten Gewerk­ schaftsnachweise fest, auch wenn sie wirklich zu hoch gegriffen wäre. Den folgenden Ausführungen liegen also die Berichte der 482 Nach­ weise zugmnde, doch wurden nicht alle Punkte von allen Nach­ weisen beantwortet; meist fehlen einige Nachweise *). Wir gehen bei der Behandlung der Organisation der Reihe nach, wie die Fragen der Enquete lauteten, und beginnen mit dem Alter der gewerkschaftlichen Nachweise. Hier wird wohl am besten die folgende Tabelle orientieren, auf welcher die in den einzelnen Jahren vorgenommenen Gründungen von gewerkschaftlichen Nach­ weisen verzeichnet sind. Zum Vergleich wurden noch die entsprechen­ den Angaben für paritätische Facharbeitsnachweise (soweit möglich) und für die öffentlichen Arbeitsnachweise (soweit sie Mitglieder des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise sind) beigefügt. Diese Über­ sicht bestätigt wohl, was früher bereits ausgeführt wurde: daß die gewerkschaftlichen viel früher entstanden als die beiden anderen Nachweiskategorien. Zum Teil weisen sie schon ein recht hohes Mter auf. Zu den ältesten Gewerkschaftsnachweisen zählen: Ver­ band der Mühlenarbeiter, Nürnberg (1865), Gewerkverein der Textil­ arbeiter, Hauptbureau Spremberg (1869), Z.-B. der Böttcher, Ham­ burg (1872), Z.-B. der Hutmacher, Breslau (1872), Leipzig (1872), Oberrad (1873); Gewerkverein der Bildhauer, Berlin (1873); Zentralverein der Bildhauer (1875). Der älteste paritätische FacharbeitsNachweis ist der für Töpfer in Dresden (1889), während unter den heute bestehenden öffentlichen Arbeitsnachweisen die auf Vereins­ form gegründeten am ältesten sind; z. B. Berlin (1882), Dresden l) Zum Vergleich wurden immer die entsprechenden Angaben über die 86 von unserer Enquete mit erfaßten paritätischen Facharbeitsnachweise beigefügt, die aber unvollständig sein dürften.

247 Errichtungsjahr der A r b e i ts na w e is e. Gewerk­ PariFreie schaft!. tätische ÖffentChristMe Errich­ liche liche Gewerk­ Arbeits- FachNachGewerk­ Gewerkvereine Nachweis arbeits- Nack- weise zutungsjahr weise sammen zusam­ nachschaft schast weise men — — — — — 2 1910 2 7 1909 3 4 3 23 16 33 1908 7 4 5 13 25 36 54 1907 7 21 4 8 4 33 44 — 9 1906 34 9 7 43 59 6 1905 4 7 23 4 31 44 1904 10 51 2 4 4 39 35 1903 6 6 2 41 26 29 1 — 1902 19 7 19 45 1 18 — — 1901 3 9 16 28 16 — — 1900 10 9 1 20 11 — — 1899 9 13 14 23 1 — — 1 1898 9 15 15 25 — — — 1897 13 10 13 23 — — — 1896 17 8 8 25 — — 1895 1 14 27 14 42 — — — 1894 8 11 8 19 —. — — 1893 5 19 14 14 — — — 1892 7 1 7 8 — — — — 1891 9 9 9 2 — — — 1890 18 18 20 — — — 1889 10 1 10 11 — — — 1888 3 1 3 4 — — — 1887 5 1 5 6 — — — — 1886 4 4 4 — — — 1885 10 1 10 11 — — — — 1884 7 7 7 — — — — 1883 3 3 3 — — — 1882 1 3 3 4 — — — — 1881 1 1 1 — — — — 1880 1 1 1 — — — — 1875 1 1 1 2 — — — 1873 1 1 2 — — — — 1872 3 3 3 — — — — 1869 1 1 1 1865 1 — — — 1 — 1 69 170 396 41 18 455 694

248 (1887). Sie hatten aber schon Vorgänger (Dresden 1841, Leipzig 1843, Stuttgart 1865). In welchen Berufen der Gewerkschaftsnachweis am frühesten Ausbreitung fand, kann mit Bestimmtheit nicht gesagt werden, da sich die Gründungen der Nachweise immer auf einen größeren Zeit­ raum von Jahren verteilen. Ganz allgemein dürften die gewerk­ schaftlichen Nachweise zuerst bei den Bildhauern, Schmieden und Zigarrensortierern ausgebildet worden sein, und zwar bereits in den 1880ziger Jahren. Zu Beginn des folgenden Jahrzehnts (1890) kamen hinzu: die Glaser, Hutmacher und Maler. In den anderen Berufen liegen die Gründungen auf den ganzen Zeitraum bis zur Gegenwart verteilt. Auffallen wird aber in der Tabelle, daß die Errichtung der Gewerkschaftsnachweise sich gerade in den letzten Jahren gegen früher bedeutend erhöht hat, trotzdem die Verbände mehr und mehr von den eigenen Nachweisen abkommen und sich öffentlichen und paritätischen anschließen. Diese Erscheinung dürfte einmal in dem rapiden Anwachsen der Gewerkschaften ihre Erklämng finden; dann aber bestehen eben heute viele der gewerkschaftlichen Nachweise aus den neunziger Jahren, also der Zeit, wo nur eigene Nachweise gefordert wurden, nicht mehr. Sie unterliegen mehr als andere Nachweiskategorien den jeweiligen wirtschaftlichen Verhält­ nissen. Meist zur Zeit günstiger Konjunktur geschaffen, kann sie die nächste Krise wieder wegfegen; sie werden nicht mehr in Anspmch genommen und schlafen ruhig ein, um vielleicht beim Wechsel der Zeiten auf Anregung zugereister Kollegen wieder zum Leben zu er­ wachen. Es läßt sich aus diesem Grunde auch kein Zusammenhang zwischen der Gründung von Arbeitsnachweisen und der Konjunktur aus der Tabelle herauslesen, obgleich eine solche Feststellung von Interesse wäre. Im allgemeinen gilt wohl, daß für. die Gründung von Arbeitgebernachweisen die ungünstige, für die andern Arten aber die günstige Arbeitsmarktlage die beste Zeit zur Einführung ist. Andererseits aber sind Krisenzeiten ein mächtiger Ansporn, sich mit der Gründung von Arbeitsnachweisen zu beschäftigen, um jede offene Arbeitsgelegenheit zur Ausnutzung zu bringen; nur kann die Tätig­ keit der Nachweise in solchen Zeitpunkten keine große sein. Dies scheint auch unsere Tabelle zu zeigen. Die Gründungen vor 1900

249 können aber nicht angezogen werden, da die Zahlen für jene Zeit doch zu unvollständig sein dürften. Wir sehen aber seit Ende der neunziger Jahre die Gründungszifser der gewerkschaftlichen Nachweise in immer aufsteigender Reihe; auch die Krise 1900/01 hinterläßt hier keinen Eindruck. Der Höhepunkt wird 1906 erreicht und fällt also mit jenem der letzten Hochkonjunktur zusammen. Soweit Material vorliegt, sehen wir aber dann beim Eintritt der Krise (1907) keinen rapiden Fall, sondern nur ein schwaches Nachlassen in den folgenden Jahren; für 1909 ließ sich die Zahl der Neugründungen nicht mehr vollständig angeben. Anders liegen die Verhältnisse bei den pari­ tätischen Facharbeitsnachweisen, deren Errichtung von dem Tarif­ abschluß abhängig ist, wie das Jahr 1902 zeigt, wo nahezu alle Grün­ dungen auf das Konto der Buchdruckergemeinschaft fallen. Die Er­ richtung von öffentlichen Nachweisen unterliegt infolge ihrer fast ausschließlichen Beschlußfassung durch die Gemeindevertretungen wesentlich andern Faktoren, z. B. der für sie entfalteten Agitation, wie auch politischen Verhältnissen in der Gemeinde. Die Leitung des Nachweises ist eine der wichtigsten Organisa­ tionsfragen der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise. In früheren Jahren und auch heute wird bei der Mehrzahl der vorhandenen Nach­ weise die Fühmng einem oder mehreren gewählten Mitgliedem der örtlichen Organisation ehrenamtlich übertragen, wie dies ja auch bei anderen Gewerkschaftsämtern der Fall ist. Diese Arbeitsnach­ weisführer, oft die Kassierer oder Unterstützungsauszahler des Ver­ bandes richten sich die Verwaltung des Arbeitsnachweises ihren Ver­ hältnissen entsprechend ein. Da sie sich int Arbeitsverhältnis befinden, haben sie wohl direkten Zusammenhang mit ihrem Berufe, sie sind aber in Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern und verfügen meist nur über wenig freie Zeit. Die Vermittlungstätigkeit wird dann, wenn sie überhaupt an bestimmte Stunden gebunden wird, in der Mittags­ pause oder nach Feierabend recht und schlecht ausgeübt, meist im Verkehrslokal des Verbandes oder in der Wohnung des Vermittlers. Sind mehrere Nachweisführer gewählt, so wechseln sie an verschiedenen Tagen oder nach einem längeren Zeitraum ab. Zur Beaufsichtigung ihrer Tätigkeit wird manchmal eine besondere Kommission gewählt, oder sie liegt dem örtlichen Verbandsvorstand, sowie der Mitglieder-

260 Versammlung ob. Dieses ehrenamtliche System hat etwas Primi­ tives, es mußte aber für die erste Zeit genügen. Wie die Gewerk­ schaften dazu übergingen, in größeren Orten Lokalbeamte anzustellen, da wurde mit allen wichtigeren Zweigen der Gewerkschaftsarbeit auch die Arbeitsvermittlung in die Agenden dieser Beamten einge­ reiht. Anscheinend mit Erfolg. Die Beamten sind am besten mit allen einschlägigen Verhältnissen des Bemfes am Orte verttaut, ihnen stehen mehr Hilfsmittel zur Verfügung als dem ehrenamtlichen Vermittler. Alle die Forderungen, die neuerdings in technischer Be­ ziehung an die Arbeitsvermittlung gestellt werden müssen, sind bei den gewerkschaftlichen Nachweisen allein nur in jenen annähemd erfüNt, die durch Beamte in ihrem Bureau verwaltet werden. Hier sind geordnete Verhältnisse, Übersicht über die Marktlage, Buch­ führung, rasche Erledigung der Aufttäge, Benutzung des Telephons und Reklame für den Nachweis zu finden: alles Dinge, die bei der andem Verwaltungsform natürlich fehlen. In der kleinen Tabelle sind die gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise nach dieser Berwaltungssorm geschieden worden; doch sei bemerkt, daß die Zahl der durch Beamte geleiteten Nachweise wahrscheinlich noch höher ist, da voll­ ständige Angaben nicht gemacht wurden. Verwaltung der Arbeitsnachweise. Pari­ Christ­ Gewerk­ tätische Zu­ liche Ge­ FachGewerk­ vereine werk­ arbeitssammen nachschaften schaften H.-D. weise Freie

Hauptamtlich....................... Gewerkschastsbeamte im Nebenamt ..................... Ehrenamtlich....................... Durch den Wirt des Verkehrslokals ..................... Durch stabt. Arbeitsnachweise

13

1

3

17

8

112 284

20 20

15 2

147 306

11 65

10 — 419





— 41

— 20

10 — 480



9 83

Hauptamtlich verwaltet sind, soweit bekannt, folgende Gewerk­ schaftsnachweise:

251 von den freien Verbänden 13: Bildhauer Berlin, Buchbinder München, Friseure Berlin, Gastwirtsgehilfen Berlin, Hamburg, Leipzig, München I und II; Metallarbeiter Berlin, Hamburg, See­ leute Stettin, Transportarbeiter Berlin und Hamburg I; bei den christlichen Verbänden der für die graphischen Berufe in Köln; von den deutschen Gewerkvereinen 3: Holzarbeiter Berlin, Kaufleute Berlin, Zentralarbeitsnachweis des Ortsverbandes Berlin. Dagegen find von den paritätischen Facharbeitsnachweisen hauptamtlich: Bäcker Berlin, Brauereiarbeiter Frankfurt a. M., Hamburg, Buchdmckhilfsarbeiter Berlin, Leipzig, München, Dach­ decker Berlin, Holzarbeiter Berlin. Doch fehlen wohl noch einige von unserer Enquete nicht erfaßte Nachweise z. B. Buchdrucker Berlin. Ferner sind in diese Kategorie zum Teil noch jene paritätischen Facharbeitsnachweise zu rechnen, deren Geschäfte durch die öffentlichen Arbeitsnachweise mit geführt werden. Dies ist bei den meisten Berliner Facharbeitsnachweisen der Fall, die dem Zentral­ verein für Arbeitsnachweis angeschlossen sind; z. B. die Fachnachweife der Brauereiarbeiter, Buchbinder, Lederarbeiter, Maler, Maschinisten, Tapezierer u. a. m.; Brauer Stuttgart und Buch­ drucker Karlsruhe und neuestens die vielen Fachnachweise für das Gastwirtsgewerbe gehören auch hierher. Die wichtigste Kategorie von Gewerkschaftsnachweisen wird aber durch besoldete Beamte (Lokalbeamte) geführt. Es geschieht dies wohl im Nebenamt, nimmt aber doch einen ziemlich großen Teil der Zeit und Arbeitskraft dieser Beamten in Anspruch. Wie aus der Tabelle ersichtlich, wurde diese Verwaltungsform bei den freien Gewerkschaften 112mal gezählt und sind die einzelnen Verbände mit folgenden Ziffem daran be­ teiligt: Bäcker 5, Bildhauer 2, Böttcher 1, Brauereiarbeiter 2, Buch­ binder 4, Buchdmckhilfsarbeiter 1, Bureauangestellte 2, Fabrikarbeiter 3 Fleischer 1, Friseure 3, Gärtner 6, Gastwirtsgehilfen 3, Glaser 1, Holzarbeiter 19, Hoteldiener 2, Hutmacher 2, Isolierer 2, Kürschner 1, Maler 6, Maschinisten 4, Metallarbeiter 4, Mühlenarbeiter 1, Por­ zellanarbeiter 1, Sattler 1, Schmiede 5, Schneider 2, Schuhmacher 2, Tabakarbeiter 6, Tapezierer 4, Textilarbeiter 1, Transportarbeiter 11, Xylographen 1, Zigarrensortierer 1, Zimmerer 2. Von den 20 von Beamten geführten Nachweisen der christlichen Gewerkschaften

252 entfallen auf: Bauarbeiter 9, Heimarbeiterinnen 1, Holzarbeiter 3, Krankenpfleger 1, Metallarbeiter 3, Arbeitsnachweise der Gewerk­ schaftskartelle 3; von anderen Nachweisen fehlen entsprechende An­ gaben. Bei den deutschen Gewerkvereinen sind es 15: Holz­ arbeiter 2, Maschinenbauer 5, Schneider 1, Textilarbeiter 1, Nach­ weise der Ortsverbände und Sekretariate 6. Endlich berichteten auch noch 11 paritätische Facharbeitsnachweise, in denen Gewerkschaftsbeamte nebenamtlich tätig sind: Buchdmcker Hannover, Köln, München, Straßburg i. E., Buchdmckhilfsarbeiter Hamburg, Dachdecker Nürnberg, Holzarbeiter Bremen, Breslau, Hannover, Kupferschmiede Berlin, Stukkateure Berlin. Zu den ehrenamtlich verwalteten Nachweisen ist nur zu bemerken, daß unter den 55 paritätischen sich 43 Tarifnachweise der Buchdmcker befinden. Unter den vom Wirt des Verkehrslokales geleiteten 10 Nachweisen, deren Zahl in Wirklichkeit höher sein dürfte, sind allein 5 der Mühlen­ arbeiter; gebräuchlich ist diese Form auch bei den Böttchem. Mit der Verwaltungsform der gewerkschaftlichen Nachweise stehen auch zwei weitere Punkte im Zusammenhang: die Geschäfts­ stunden und die Buchfühmng. Gewöhnlich fallen bei den durch Beamte geleiteten Nachweisen deren Geschäftsstunden mit den all-

Geschäftsstunden: Pari­ tätische Christ­ Gewerk­ Zu­ Fachliche Gewerk­ arbeitsGewerk­ vereine sammen nachschaften schaften roeife Freie

Bureaustunden der Beamten. Sonstige Stunden während des Tages...................... Festgesetzte Stunden nach Feierabend.................... Festgesetzte Stunden während des Tages und nach Feierabend..................... Ohne Geschäftsstunden, nach Bedarf auch den ganzen Tag...............................

79

19

83

9

127

2

58 28 375

33

17

115

2

92

32

1

130

11

1

1

60

8

2

— 19

30 427

59

6

253 gemeinen Bureaustunden ganz zusammen oder bilden wenigstens einen Teil derselben. Dieser wichtige Umstand sichert dem Nachweis eine besscre Inanspruchnahme von beiden Seiten; er ist aber auch wichtig bei der Kontrolle der unterstützungsberechtigten arbeitslosen 93er» barOsmitglieder. In der vorstehenden Tabelle dürften die beiden erstm Arten der Stundenfestsetzung hierher zu rechnen fein, während die letzten drei mehr der primitiveren Art des Arbeitsnachweises entsprechen. Zu bemerken wäre zu dieser Tabelle, daß unter „Bureaustunden der Beamten" nur jene Angaben gerechnet wurden, nach welchen die ganze oder doch ein größerer Teil der Bureauzeit als Geschäftsftunben für den Nachweis in Betracht kam. Die anderen wurden in die zweite Rubrik verwiesen, in welche aber auch die Geschäfts­ stunden während der Mittagspause eingereiht wurden. Meist gelten die Festsetzungen für alle Wochentage; solche, die nur für einzelne, bestimmte Tage gelten, wie z. B. bei den Mühlenarbeitem Dresden: Mo, M, So 7—9 abends, Zivilmusiker Bergedorf Do 8—10 vorm., sind Ausnahmen. Biele Nachweise, besonders der handwerklichen Benfe, stehen den Interessenten auch Sonntags, meist in den Borntitbg* oder Mittagstunden zur Verfügung. Über die verschiedenen Buchfühmugsarten bei den gewerk­ schaftlichen Arbeitsnachweisen unterrichtet folgende Tabelle: Art der Buchführung. Pari­ tätische Christ­ Gewerk­ Zu­ liche FachGewerk­ Gewerk­ arbertssammen vereine nachschaften schaften weise 29 321 17 278 14 2 53 9 3 48 50 57 1 48 1 10 4 6 — — 434 83 18 378 38 Freie

Lister.................................. Karten ............................... Gemischtes System ............ Keine Buchführung.............

Am verbreitetsten ist also das älteste, das Listensystem, welches ja auch den einfachen Verhältnissen und der geringen Vermittlungs» tätigfeit dieser Nachweise am besten entsprechen dürfte. Doch sind auch das Kartensystem und das sogenannte gemischte (eine Der-

254 einigung der beiden ersten) hinreichend, ja eigentlich zu stark ver­ treten, so daß die Vermutung naheliegt, die Aussteller der Fragebogen hätten in manchen Fällen die sehr verbreiteten Karten für die Arbeits­ losenunterstützung sowie für die Bestellung und Zuweisung von Arbeitskräften mit dem Kartensystem der Arbeitsvermittlung ver­ wechselt. Die verwendeten Listen sind wieder verschiedenartig, bald lose Blätter, bald zu Büchern geheftet, mit Aufdruck und Rubriken versehen. Meistens gibt es eine für die Arbeitsnachfrage und eine für das Arbeitsangebot. In Verbänden mit entwickelterer Arbeitsvermittlung werden sie, wie auch alle anderen gebräuchlichen Drucksorten einheitlich vom Verbandsvorstand beigestellt, in andern werden wieder nur gewöhnliche Bücher oder Hefte verwendet. Außer diesen wichtigsten Hilfsmitteln der Buchfühmng haben aber die größeren Arbeitsnachweise noch eine reiche Fülle verschieden­ artiger Drucksachen, die für den Nachweis in Betracht kommen. Hierher gehören vor allen Reklameplakate, gedruckte Schreiben und Karten, die an die Arbeitgeber versandt werden, um sie auf den Nach­ weis aufmerksam zu machen und seine Benutzung zu empfehlen. Oft wird den Arbeitgebern auch eine Anzahl von Bestellkarten über­ mittelt. Im Nachweis selbst kommen zur Verwendung: Anmelde­ karten oder Zettel der Arbeitslosen, Karten, durch welche sie von geeigneten offenen Stellen verständigt werden, dann Legitimations­ oder Zuweisungskarten bei Vermittlungen, die nach erfolgter Ein­ stellung vom Arbeitgeber oder vom Arbeiter mit einem entsprechenden Vermerk dem Nachweis rückzusenden sind. Manche Zahlstellen ver­ teilen an ihre Mitglieder Orientierungskarten, in welchen das wich­ tigste über die örtlichen Berbandseinrichtungen, auch über den Arbeits­ nachweis gesagt ist. Wieder andere kleben einen kleinen Zettel mit den Bestimmungen über den Nachweis in die Mitgliedsbücher. In Verbänden mit zentralisiertem Arbeitsnachweis, wie z. B. die der BUdhauer, Hutmacher, auch Gärtner und früher Textilarbeiter, sind wiedemm Formulare für die interlokale Vermittlung, sowie für die monatliche oder vierteljährliche Berichterstattung an die Zentralstelle üblich. Eine Besonderheit bildet z. B. auch eine Berechtigungs­ karte zum Umschauen, die vom Dachdeckerarbeitsnachweis in Dort­ mund ausgestellt wird, sowie der sogenannte „Schein" bei dem

255 Zentralverband der Töpfer zum gleichen Zweck. Nicht zum ArbeitS» Nachweis gehörig, aber von demselben oft geführt, sind die ver­ schiedenartigen Kontrollkarten und Scheine für die Arbeitslosen­ unterstützung, sowie die Formulare für statistische Erhebungen über Arbeitslosigkeit, Lohnhöhe und Arbeitszeit. Eine Übersicht über diese bunte Fülle von Materialien bietet vielleicht eine Zusammen­ stellung der wichtigsten Typen im Anhang. Die Frage der Benutzungsbedingungen der Gewerkschafts­ nachweise kann im allgemeinen so beantwortet werden: die Ver­ mittlung geschieht, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, für beide Teile kostenlos. Für die Arbeitgeber sind vorwiegend über­ haupt keine Bedingungen, für eine Minderheit von Nachweisen ist die Vermittlung an die Tariftreue gebunden; für die Arbeitnehmer hingegen herrscht die „Berbandszugehörigkeit oder der Vorzug der Mitglieder" bei den Benutzungsbedingungen vor. Einen Einblick in diese Verhältnisse gewährt wohl die folgende Übersicht: Benutzungsbedingungen der Arbeitsnachweise. «eine Be­ dingung für

Nachweise der



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verband-, zugehörigtett für ’S'S 6Ö

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Tariftreue der

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Gebühren für 5t 1=

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Freien Gewerkschaften 359 133 — 171 62 32 4 4 1 — — 6 3 Christ!. Gewerkschaften 26 6 23 2 1 2 Gewerkvereine ......... 2 17 8 — 6 — — — Zusammen: 402 70 35 6 1 7 147 — 200 Paritätische Fachar­ 50 15 2 beitsnachweise — 3 49 13 13 16 4 Nahezu alle Gewerkschaftsnachweise stellen also den Arbeit­ gebern keinerlei Bedingungen außer der selbstverständlichen Voraussetzung, daß Arbeitskräfte nur zu ortsüblichen oder tariflich fest­ gesetzten Bedingungen vermittelt werden. Unter diesen 402 Nach­ weisen befinden sich 6, die noch folgende Forderungen stellen: An­ erkennung der Gewerkschaft 2, Anerkennung des Arbeitsnachweises 1, Einstellung nur organisierter Arbeiter 2; die Brauereiarbeiter in Bremen vermitteln nur an ringfreie Betriebe. Bei den Bedingungen für Arbeitnehmer überwiegen die Verbandszugehörigkeit und der

256 Vorzug der Mitglieder, welche sich bei 270 Nachweisen finden. Unter den 35 Nachweisen, die von den Arbeitgebern Nachweis der Tariftreue verlangen, sind 5 eingerechnet, welche Zahlung eines Mindest­ lohnes verlangen. Diese Zahl erscheint gering, und deshalb sei noch­ mals darauf verwiesen, daß es für die Gewerkschaftsnachweise natür­ lich selbswerständlich ist, unter den üblichen oder festgesetzten Be­ dingungen nicht zu vermitteln. Wahrscheinlich hat nur ein Teil der Nachweise dies im Fragebogen zum Ausdruck gebracht, vor allem jene, die eine tarifliche Regelung des Arbeitsnachweises haben. End­ lich ist aus der Tabelle die geringe Verbreitung der Gebührenerhebung bei den gewerkschaftlichen Nachweisen zu ersehen. Von den freien Verbänden hat die höchste Gebühr der Nachweis der SeeleuteStettin mit 1 Mk., die der Arbeiter zu zahlen hat. Ferner erheben Gebühren: Tapezierer Posen und Stettin 20 Pfg. Einschreibge­ bühr, die vom Arbeitgeber rückerstattet werden müssen; Zivilmusiker Bremerhafen nehmen von Auftraggebern 60 Pfg. für die Vermitt­ lung, die Heimarbeiterinnen verlangen von ihnen Zahlung der Porto­ auslagen. Bei den Gärtnemachweisen ist die Erhebung eines De­ pots (50 Pfg.) von den Arbeitem gebräuchlich, das bei Nichtmeldung über die Stellenannahme verfällt. Bei den christlichen Gewerk­ schaften nimmt der Nachweis des Kartells in Bonn beiden Teilen je 30 Pfg. ab, während die Gewerkvereinsnachweise der Ortsver­ bände Aachen und Dresden 25 Pfg. von Nichtmitgliedern verlangen. Gebräuchlicher ist die Gebührenerhebung bei den paritätischen Facharbeitsnachweisen, die sich wegen der Kostendeckung oft nicht um­ gehen läßt. Hauptsächlich wird sie den Arbeitgebern auferlegt, deren Organisation entweder einen Pauschalbetrag zusteuert (z. B. Tape­ zierer Berlin 400 Mk., Stukkateure Berlin 100 Mk.), oder es erfolgt die Erhebung bei jeder einzelnen Vermittlung; dann werden ge­ wöhnlich die organisierten Arbeitgeber bevorzugt. Es zahlen z. B. die unorganisierten Arbeitgeber bei den Nachweisen der Töpfer zu Chemnitz 1 Mk., Dresden 50 Pfg. und Lübeck 2 Mk. pro Gehilfen, während die organisierten bloß 25 Pfg. zu entrichten haben. Bei anbetn Berufen werden Gebühren nur von den unorgani'ierten Arbeit­ gebern erhoben, z. B. Böttcher Dresden und Stettin je 1 Mk., Leder­ arbeiter Berlin 50 Pfg.; die paritätischen Nachweise bar Holzindustrie

257 erheben von denselben die Selbstkosten pro Vermittlung: Bremen 75 Pfg., Breslau 20 Pfg., Hannover 70 Pfg. Bei den Glasern Leipzig und Malern Dresden zahlen wiederum nur auswärtige Arbeitgeber 50 Pfg. Seltener zahlen die Arbeiter. Bei den Fach­ nachweisen, die dem Zentralverein für Arbeitsnachweis in Berlin angeschlossen sind, wird die daselbst gebräuchliche Einschreibgebühr von 20 Pfg. auch erhoben, für die organisierten Arbeiter aber meist von ihrer Organisation getragen. Von andem Nachweisen erheben von den Arbeitem Gebühren: Töpfer Dresden 1 Mk. von Nicht­ organisierten, Maler Dresden 30 Pfg. von Auswärtigen, Stukkateure Berlin 25 Pfg. von Nichtorganisierten. Im Prinzip wird man bei dieser Nachweisart nichts gegen die Gebührenerhebung einwenden können, da ja die Kosten gedeckt werden müssen. Jedenfalls können von Nichtorganisierten Arbeitgebem und -nehmem ohne weiteres Beiträge verlangt werden, während für die Orgomisierten die Tragung der Kosten von der Organisation übernommen werden sollte. Eine Fordemng, die von den Gewerkschaften gestellt und von ihren Gegnern eifrige Bekämpfung erfährt, ist die Vermittlung nach der Reihenfolge der Anmeldung. Die Gewerkschaften treibt dazu ihr demokratisches Prinzip; sie wollen die Willkür des Arbeitsnach­ weises beseitigen und eine gleiche, gerechte Verteilung der Arbeits­ losigkeit auf alle von derselben betroffenen erreichen; doch dürften auch rein finanzielle Gesichtspunkte nicht ganz außer Betracht kommen, da durch diese numerische Folge verhindert wird, daß ein Teil der Arbeitslosen zu lange Zeit den Kassen der Organisation zur Last fällt. Von der andern Seite wird dagegen geltend gemacht, daß durch diese mechanische Vermittlung auf die Qualifikation der Arbeiter keine Rücksicht genommen wird und die Wünsche der Arbeitgeber nicht nur keine Befriedigung erfahren, sondem ihnen auch notorisch untaugliche Arbeitskräfte zugewiesen werden. Deshalb legen ja die Arbeitgebernachweise das Hauptgewicht auf die Tauglichkeit, ebenso die öffentlichen Nachweise, bei denen erst in zweiter Linie die Reihenfolge berücksichtigt wird. Der Borwurf, der hier den ge­ werkschaftlichen Nachweisen gemacht wird, ist abzulehnen, denn keine Bermittlungsanstalt, also auch die gewerkschaftliche nicht, kann ohne Rücksicht aus die Brauchbarkeit des Arbeitslosen vermitteln. Michaile, OtbettSno*n>ei«.

17

258 Auch die Gewerkschaften sehen ein, daß man wirklich unbrauchbaren Arbeitskräften nicht Arbeit zuweisen kann, nur weil sie an der Reihe sind. Gerade bei den Gewerkschaftsnachweisen, die doch haupt­ sächlich an ihre Mitglieder vermitteln, ist dieser Einwand unange­ bracht, weil in der Regel untüchtige Arbeiter auch nicht organisiert sind. Im übrigen aber ist eine Rücksichtnahme aus die Branchen und Spezialitäten auch bei diesen Arbeitsnachweisen durchaus die Regel, und nur anderen Wünschen der Arbeitgeber, z. B. Auswahl unter den Arbeitslosen, Alter, Zivilstand u. dgl. kann nicht entsprochen werden, obgleich auch dies vorkommt. Die nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht, nach welchen Gmndsätzen bei den gewerkschaft­ lichen Nachweisen die Zuweisung der Arbeitslosen in die gemeldeten offenen ©teilen erfolgt:

Zuweisungsversahren. Pari­ tätische Freie Christ­ liche Gewerk­ Zu­ FachGewerk­ Gewerk­ schaften schaften vereine sammen arbeitsnach der nachweise 67 Reihenfolge...................... 175 195 20 — 35 52 Brauchbarkeit ................... 11 6 12 Reihenfolge u. Brauchbarkeit. 116 131 12 3 79 326 378 38 14 Zuweisung erfolgt



Also die Hälfte aller Nachweise, die diesbeziügliche Angaben machten, vermitteln entweder nach der Brauchbarkeit allein oder lassen unter sonst gleichen Umständen die Reihenfolge entscheiden. Und die andere Hälfte, wo nur die Reihenfolge bei der Zuweisung als gebräuchlich berichtet wird, umfassen teilweise Berufe ohne große Verschiedenheiten, wie hauptsächlich Glaser, Dachdecker, Glas­ arbeiter, dann Isolierer und Zigarrensortierer, femer solche, wo viel Aushilfestellen zu besetzen sind, wie Bäcker und Friseure. Daß trotz des mechanischen Vermittlungsprinzips doch die Brauchbarkeit für die offene Stelle berüchichtigt wird, beweist wohl die hohe Zahl (67) der paritätischen Facharbeitsnachweise, die nach der Reihenfolge vermitteln. Darunter befinden sich auch die Tarifarbeitsnachweise der Buchdrucker, welche in erster Linie nach der Reihe zuweisen, aber natürlich unter Berücksichtigung der Branche und Spezialität. So

259 wird es auch bei den anbetn paritätischen Facharbeitsnachweisen gehalten, und wohl auch noch bei den meisten jener gewerkschaftlichen, die angaben, nur nach der Reihenfolge zu vermitteln. Außer den drei in der Tabelle verzeichneten Hauptgrundsätzen der Zuweisung können natürlich noch eine Reihe sonstiger Gründe maßgebend sein. Vor allem ist bei Nachweisen, die auch Nichtorganisierten aus Agita­ tionszwecken Stellen nachweisen, der Vorzug der eigenen Mitglieder die Regel. Ferner wird oft Rücksicht genommen auf besondere Wünsche der Arbeitgeber, wie der Arbeiter, die auch zuweilen unter den offenen Stellen wählen dürfen. Die Arbeitgeber werden auch insofern berücksichtigt, als zuerst die Nachftage ant Ort vor der aus­ wärtigen befriedigt wird, wie andererseits ansässige oder ver­ heiratete Arbeiter den zugereisten und ledigen, Arbeitslose den noch in Arbeit befindlichen vorgezogen werden. Ausschlaggebend ist mit­ unter auch die Bedürftigkeit und das Alter des Arbeitslosen. Eine Besonderheit ist bei den seemännischen Arbeitem zu verzeichnen, die nach der Dauer der Fahrzeit vermitteln. Wie bei den öffentlichen Nachweisen bildet auch bei denen der Gewerkschaften die interlokale Vermittlung noch eine offene Frage. Trotzdem ihre Notwendigkeit vollauf gewürdigt wird und Versuche zu ihrer Regelung von mehreren Verbänden bereits wiederholt unternommen worden sind, stößt sie heute noch auf zu große Schwierig­ keiten, um befriedigende Resultate zu erzielen. Die Frage, wie weit sich die Vermittlungstätigkeit des Nachweises erstreckt, wurde wie folgt beantwortet: Es vermittelten nur für die Stadt und nächste Umgebung 200 gewerkschaftliche und 21 paritätische Facharbeitsnachweise; darüber hinaus erstreckte sich die Tätigkeit 179 gewerkschaftlicher und 59 pari­ tätischer Facharbeitsnachweise. Dies hängt vor allem davon ab, ob der Verband die Arbeitsvermittlung beruflich zentralisiert hat für das ganze Reich oder für einzelne größere Bezirke. Berufliche Zentralarbeitsnachweise für das ganze Berbandsgebiet bestehen heute folgende: 1. Zentralverein der Bildhauer Deutschlands übt die interlokale Vermittlung durch seine Zentralstelle in Berlin für das ganze Reich; von Bedeutung hauptsächlich nur für Holzbildhauer.

260 2. Gewerkverein der Bildhauer, Berlin; ohne Bedeutung. 3. Zentralverband der christlichen Arbeiter und Arbeiterinnen in den graphischen Berufen, Köln; geringe Bedeutung. 4. Zentralverein für alle in der Hut- und Filzwarenindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen vermittelt durch seine Zen­ trale in Altenburg S.-A. für das ganze Reich; von Bedeutung für die Seiden-, Klapp-, Haar- und Damenfilzhut-, sowie die Filzwaren­ branchen, sonst nicht. 5. Verband der Isolierer, Steinholzleger und verw. Berussgenossen Deutschlands. Zentralarbeitsnachweis in Berlin. 6. Verein der deutschen Kaufleute (H.-D.) Berlin. 7. Zentralverband christlicher Keram- und Steinarbeiter, Köln; geringe Bedeutung. 8. Verband christlicher Tabak- und Zigarrenarbeiter, Düssel­ dorf; ohne Bedeutung. 9. Deutscher Textilarbeiterverband, Berlin (Organisation und Bedeutung dieses Zentralarbeitsnachweises s. S. 107 f.). 10. Gewerkverein deutscher Textilarbeiter, Hauptbureau Spremberg; ohne Bedeutung. 11. Deutscher Lylographenverband, Zentralarbeitsnachweis Berlin; von Bedeutung. Ähnlich beim Verband der Notenstecher, doch konnte über ihn kein Material erlangt werden. 12. Verband der Zigarrensortierer und Kistenbekleber Deutsch­ lands, Zentralarbeitsnachweis Hamburg; von einiger Bedeutung. Die Zentralisierung der Tarifnachweise in verschiedenen gra­ phischen Bemfen ist, weil paritätisch, hier nicht eingereiht, doch sei auf sie verwiesen. Femer gibt es in einzelnen Verbänden Zentral­ arbeitsnachweise für das ganze Reich, die aber nur für Spezial­ branchen tätig sind. Hierher fallen: Deutscher Buchbinderverband, Arbeitsnachweis Berlin ist Zen­ tralarbeitsnachweis für: Kontobucharbeiter, Liniierer, Etuisbranche, Kartonarbeiter. Zentralverband der Glaser unterhält seit 1911 in Hamburg einen Zentralarbeitsnachweis für das Kunst- und Bauglasergewerbe. Deutscher Holzarbeiterverband, Verbandsnachweis in Berlin ist Zentrale für Korkarbeiter und Parkettleger, doch ohne Bedeutung.

261 Deutscher Metallarbeiterverband, Arbeitsnachweis Berlin ist Zentralnachweis für: Graveure, Ziseleure, Feilenhauer, Bandagisten. Deutscher Textilarbeiterverband hat mehrere Branchennach­ weise (s. S. 110 f.). Für die Damenschneiderei soll der Verbandsnachweis der Schnei­ der Berlin tätig sein. Bei der interlokalen Vermittlung wäre noch des Bestrebens Erwähnung zu tun, den Arbeitsnachweis nicht für das ganze Reich, sondern für größere Verwaltungsbezirke der Verbände zu zentralisieren. So ist der Deutsche Tabakarbeiterverband von einer einzigen zentralen Organisation der Arbeitsvermittlung dazu übergegangen, dieselbe in die Gaue zu verlegen. Ähnlich ist die Organisation im Mgemeinen Deutschen Gärtnerverein, der bisher 6 Bezirksnachweise errichtete. Neuerdings dringt dieses Bestreben auch in andern Verbänden durch, wie bei den Maschinisten und Heizem (Bezirk Rheinland), besonders bei den Kupferschmieden, die in allen Agi­ tationsbezirken Arbeitsnachweisstellen errichten wollen. Auch die Glaser (Bezirk Leipzig), Buchbinder (Gau Braunschweig, 3 Städte­ nachweise für Essen, Bochum, Gelsenkirchen), Tapezierer (Gau Rhein­ land-Westfalen) u. a. nt. weisen Ansätze in dieser Richtung auf. Auf die Organisation der zentralen Arbeitsnachweise im besonderen kann hier nicht eingegangen werden, da sie, soweit Material vorhanden war, bei den einzelnen Verbänden bereits besprochen wurde. Bei der Behandlung der interlokalen Vermittlung muß aber auch des Zusammenarbeitens der gewerkschaftlichen Nachweise mit anderen, besonders öffentlichen, gedacht werden. Nach den Ergebnissen unserer Umfrage besteht ein solches aber in so geringem Umfange, daß wirklich zu wünschen wäre, unsere Enquete gäbe hier ein unvoll­ ständiges Bild der tatsächlichen Verhältnisse. Die meisten Bezie­ hungen zu öffentlichen Nachweisen ergaben sich aus der Vermittlungs­ tätigkeit selbst; es berichteten hier 30 gewerkschaftliche Nachweise, die bei Stellenbesetzungen einen gegenseitigen Austausch mit städtischen Nachweisen pflogen. Mit Anbetn Nachweisen verwandter Berufe geschah dies in 21 Fällen, doch meist nur mit gewerkschaftlichen „mit gleicher Tendenz". Wichtig ist noch eine weitere Beziehung zu städti­ schen Nachweisen, die statistische. In größeren Städten (Berlin,

262 Dresden, Frankfurt a. M., Hamburg, Leipzig, Mainz, München u. a.) haben sich entweder die öffentlichen Nachweise oder die statistischen Ämter als Sammelstellen für die Arbeitsmarkt- und Arbeitsnachweis­ statistik herausgebildet, an die dann auch die meisten gewerkschaft­ lichen Nachweise dieser Städte regelmäißg berichten. Auf eine weitere Verbreitung dieser Berichterstattung sollte noch größerer Wert gelegt werden als bisher. Wir haben so die wichtigsten Organisationsfragen der gewerk­ schaftlichen Arbeitsnachweise besprochen; es soll nur noch auf die Erfolge der einzelnen Formen und auf ihre Kosten ein Blick geworfen werden. Um zu zeigen, wie die einzelnen Verwaltungsformen der Nachweise an den erzielten Vermittlungen beteiligt sind, wurde folgende Tabelle aufgestellt: Freie Gewerkschaften Christ!. Gewerkschaft. Vermitt­ lungen im Jahre 1—25 26—50 61—100 101—200 201—500 601—1000 1001—2000 2001—5000 5001—10 000 über 10 000

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II 104 47 49 20 15 2 5

2S? ®6|

£5



5 1 4 1 1



4 10 7 22 30 23 9 3 3





5 2 3

242

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13



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1 4 1 4 4 2

















12

16

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Gewerkoereine Mi .se 8§ S| Äs |S| LZ Ist 5e*° D — — 5 6 — 2 11 4 — — 12 2 — — 16 2 — — — 11 — — 7 3 — — — 9 — — — 2 — — — 4 1 — — —

III

2

13

3

78

Die gegebenen Zahlen mögen von der Wirklichkeit etwas ab­ weichen, da nicht immer feststand, ob ein Nachweis von einem Ge­ werkschaftsbeamten oder ehrenamtlich verwaltet wird. Im großen und ganzen bestäügen sie aber wohl die Ansicht, daß die von Beamten geleiteten Nachweise erfolgreicher arbeiten als die ehrenamtlichen. Sonst soll aus dieser Aufstellung aber nichts herausgelesen werden, da doch die Lage in den einzelnen Berufen zu verschieden ist. Es muß eben Nachweise mit großen und kleinen Vermittlungserfolgen geben, und sie verteilen sich gleichmäßig auf alle Berufe. Unter den Nachweisen mit 1—25 Vermittlungen finden wir alle Berufe ver-

263



treten, hauptsächlich aber die Nachweise der Glaser, Glasarbeiter, Hutmacher und Sattler. Bei den Nachweisen mit über 5000 besetzten Stellen treffen wir aber ausschließlich solche, die meist Aushilfestellen zu vermitteln haben, z. B. Bäcker Dresden (5352), Friseure Berlin (8216), Transportarbeiter Berlin (10 677) und vor aNem die Nach­ weise des Verbandes deutscher Gastwirtsgehilfen: Leipzig (5143), Hannover (5604), Berlin (Cafäangestellte 7849), Hamburg (20 493) und Berlin (Kellner 21 349). Dasselbe gilt auch für die paritätischen Fachnachweise, von denen die höchste Vermittlungsziffer der für die Buchdruckhilfsarbeiter Berlin mit 18650 aufweist, also meistens Aushilfen. Andere paritätische Nachweise mit hohen Ziffem sind: Bäcker (8255), Brauer (5261), Maler (5919) und Holzarbeiter (8568), alle in Berlin. Mit noch größerem Vorbehalt sei von den Bermittlungskosten der gewerkschaftlichen Nachweise gesprochen; es waren wohl ge­ nügend Zahlen zu derartigen Berechnungen vorhanden, die aber nicht alle gleichwertig scheinen. Gerade für die wichtigste Art, für die von Gewerkschastsbeamten nebenamtlich geleiteten Nachweise, wurden oft unvollständige Angaben gemacht, da man in vielen Fällen vermied, einen entsprechenden Teil des Beamtengehaltes, der Mete für das Bureau, der Telephongebühren für den Nachweis in Rechnung zu stellen. Bei der Kostenberechnung pro Vermittlung müßte dies aber geschehen, da es nicht angeht, sie nur auf Gmndlage der Ausgaben für Porto, Drucksachen u. dgl. aufzustellen. Daß nun bei manchen Nachweisen diese unvollständigen Angaben gemacht worden sind, ist bei der folgenden Aufstellung nicht außer acht zu lasten. Sie bezieht sich auf: 16 hauptamtliche Gewerkschaftsnachweise mit 69111,79 Mk. Kosten und 89 316 Vermittlungen; 42 nebenamtlich geführteGewerkschaftsnachweise mit 14121,01 M. Kosten und 36010 Vermittlungen; 132 ehrenamtlich geleitete Gewerkschaftsnachweise mit 8 519,18 M. Kosten und 16478 Vermittlungen; für diese 190 gewerkschaftlichen Nachweise ergeben sich also auf 141804 Vermittlungen 91751,98 Mk. Kosten. Bei den paritätischen Facharbeitsnachweisen waren 53 mit 43 894,12 Mk. Kosten und 48 251 erzielten Vermittlungen.

264

Kosten der Vermittlung pro besetzte Stelle: Parität!sche Fachehren­ haupt­ Gew.-Beamter im amtlich arbertsamtlich Nebenamt nachweise Für alle Nachweise .............. Für freigewerkschaftliche Nach­ weise ............................... Ohne die Nachweise, die haupt­ sächlich Aushilfen vermitteln Für Nachweise allein, die haupt­ sächlich Aushilfen vermitteln

x

X

X

X

0.77

0,39

0,51

0,87

0,73

0,40

1,98

0,54

0,91

0,92

0,48

0,11

0,07

0,82

Zu niedrig sind also wahrscheinlich die Kosten pro Vermittlung bei den von Beamten im Nebenamt verwalteten Nachweisen aus den bereits angeführten Gründen. Bei den hauptamtlich verwalteten Gewerkschaftsnachweisen ist die Differenz zwischen den Kosten der Nach­ weise ohne Aushilfen und jener mit Aushilfen wohl zu groß, weil die Zahlen der letzteren gegen die der ersteren zu sehr überwiegen. Der Durchschnitt sowie die anderen Resultate dürften aber der Wirk­ lichkeit entsprechen. Insbesondere gilt dies für die Kostenermittlung bei den paritätischen Nachweisen, da wir hier einen Vergleichsmaßstab mit anderen Berechnungen haben. So berichteten die beiden bestfunktionierenden paritätischen Nachweise der Holzindustrie, die Nachweise für Bremen und Hannover, daß ihre Selbstkosten pro Ver­ mittlung 75 bzw. 70 Pfg. betragen. Für die andern Nachweis­ kategorien, die öffentlichen und Arbeitgebemachweise, bestehen der­ artige Gesamtberechnungen nicht. Beim Arbeitsnachweis des Zechenverbandes sollen die Jahresausgaben auf rund 300 000 Mk. veranschlagt sein, während er 1910 etwa 150 000 Vermittlungen erzielte. Es käme die Vermittlung daher auf 2 Mk. Einen ähnlichen Durchschnitt kann man auch für die öffentlichen (städtischen) Nachweise (nur Mitglieder des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise) be­ rechnen, wenn man ihren 943 411 Mk. Verwaltungskosten für 1908/09 die 860 001 Vermittlungen im selben Zeittaum gegenüber­ stellt. Die Kosten pro Vermittlung würden hier etwas über 1 Mk. betragen, kommen also unserer Berechnung für die paritätischen Facharbeitsnachweise nahe, stehen aber über dem Durchschnitt für die gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise.

V. Arbeitslosenunterstützung und Ar­ beitsnachweise. Lange bevor Staatsregierungen und Kommunen notgedmngen ihr Interesse der Arbeitslosigkeit zuwendeten und nach Whilfe strebten, waren die Gewerkschaften auf betn Plan, ihren arbeitslosen Mitgliedern werktätig beizustehen. Schon seit der Zunftzeit gibt es eine Art der Arbeitslosenunterstützung, die sogenannte Reiseunterstützung. Die wandernden Gesellen sprachen bei den Meistem oder beim Altgesellen um Arbeit vor; war keine vorhanden, so bekamen sie das „Geschenk", eine Reiseunterstützung, die also schon in früheren Zeiten in enger Berührung mit der Arbeitsvermittlung stand. Diese Reiseunterstützung wird auch von der überwiegenden Mehrzahl der heutigen Gewerkschaften gewährt. Dazu kam mit der Ausbildung der modemen Gewerkschaftsorganisation die Arbeitslosenunterstützung am Orte. Sie wurde wesentlich durch die Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahr­ zehnte mit der konstanten und periodischen Arbeitslosigkeit bedingt. Ausgebildet wurde dieser Unterstützungszweig zuerst von den eng­ lischen Gewerkvereinen, von denen er dann auf die deutschen Ver­ bände überging. Anfangs stieß er hier auf erheblichen Widerstand, ’) Kritisch wurde diese Frage eingehend von Karl Oldenberg: Über Arbeits­ losenversicherung und Arbeitsnachweis, Schmollers Jahrbuch XXXI, S. 277, 747, behandelt. S. auch die amtliche Denlschrist über die Arbeitslosenversicherung; semer Dr. R. Freund, „Materialien zur Frage der Arbeitslosenversicherung" und die Verhandlungen des Arbeitsnachweiskongresses zu Berlin; dann „Arbeitslosen­ unterstützung und Arbeitsnachweis", Bericht an das Schweiz. Jndustriedepartement vom Schweizerischen Arbeitersekretariat (Hermann Greulich), Zürich 1901; O. Most, Arbeitsnachweis und Arbeitslosigkeit 1905—07, Verlag Wilhelm Korn, Breslau. Dietrich Scheig, Die Arbeitslosenversicherung und die zentr. paritä­ tischen Arbeitsnachweise, Druck Georg Passet, Mainz 1902.

266 vor allem in jenen Kreisen, die durch eine Überlastung der Gewerk­ schaften mit „Versicherungsgepäck" für ihre Stoßkraft Befürchtungen hegten. Mer schon der Stuttgarter Gewerkschaftskongreß (1902) sprach sich vollends für die Arbeitslosenversicherung durch die Ge­ werkschaften aus; er verlangte nur einen Reichszuschuß zu derselben, und im letzten Jahrzehnt sind die meisten Organisationen zur Ein­ führung der Arbeitslosenunterstützung geschritten. Heute gibt es nur noch wenige Verbände, die diesen Zweig wegen der besondreren Berufsverhältnisse noch nicht durchführen konnten. Der Fragebogen unserer Enquete bezog sich in den Punkten 14—18 auf die Arbeitslosenunterstützung. Im vorliegenden wurde aber davon Wstand genommen, Material, das sich aus Höhe und Dauer der Unterstützung, sowie Dauer der Karenzzeit bezieht, zu verarbeiten, weil Spezialarbeiten darüber besser und umfassender berichten1). Aufgabe dieser Ausführungen ist es nur, auf den Zu­ sammenhang zu verweisen, welcher zwischen der Arbeitslosenunter­ stützung und dem gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis in Mrllichkeit besteht. Des theoretischen Zusammenhanges wurde bereits Er­ wähnung getan. Er war eines der wichtigsten Argumente, die von Gewerkschaftern für die Schaffung der eigenen Nachweise angeführt wurden2). Um dies zu verstehen, muß man sich über die Bedeutung der gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung innerhalb der Or­ ganisationsarbeit klar werden. Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Arbeitslosenunterstützung der Gewerkschaften und z. B. der durch die Gemeinden. Für die letzteren ist sie Selbstzweck, ein 1) Gustav Brüggerhofs: Das Unterstützungswesen bei den deutschen „freien" Gewerkschaften, Jena 1908, G. Fischer. Heilborn, Die freien Gewerkschaften feit 1890, Fischer, Jena 1907. Aus die neuesten und sehr instruktiven Darstellungen sei besonders verwiesen: Robert Michels und Gisela Michels-Lindner, Das ProMent der Arbeitslosigkeit und ihre Bekämpfung durch die deutschen freien Gewerk­ schaften. Archiv für Sozialwissenschaft, September-Heft 1910, S. 421—498; die Denkschrift der Generalkommifsion der Gewerkschaften Deutschlands zur Internationalen Konferenz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Paris 1910): Vorschläge zur Organisation der Arbeitslosenversicherung, ausgearbeitet von dem Delegierten der Generalkommission; die Arbeitslosenunterstützung in Reich, Staat und Gemeinde. Denkschrift der Generalkommission d. G. D. Berlin 1911. 2) Besonders von H. Poetzsch und H. Lindemann hervorgehoben.

267 Hummer Verwaltungsakt, der den einzelnen Arbeitslosen vor dem Elend schützen soll. Ganz anders bei den Gewerkschaften. Gewiß schützt auch ihre Unterstützung die einzelnen Mitglieder, aber sie dient in erster Linie nur als Mittel zur Erreichung eines höheren Zweckes: Die Nitglieder sollen gehindert werden, in Zeiten ungünstigen Geschiftsganges unter schlechteren als durch Tarif oder von der Gewerkschaft festgesetzten Arbeitsbedingungen Arbeit anzunehmen. Sie feilen bei verminderter Nachfrage nach Arbeitskräften nicht zur Schnutzkonkurrenz greifen müssen, um leben zu können. Hochhaltung der «kämpften Arbeitsbedingungen ist der leitende Gedanke der Arbeislosenunterstützung. Sie ist also eines der wichtigsten Mittel der G:werkschaften zur Bessemng der Lage der Bemfs- und Klassengenosstn, und ihre Ergänzung findet sie im Arbeitsnachweis. Es ist tim den Verfechtern des gewerkschaftlichen Arbeitsnachweises darau- hingewiesen worden, wie notwendig für alle Organisationen mit Arbeitslosenunterstützung der eigene Nachweis ist. Einmal als Kontrollstelle, bei der sich alle melden müssen, die Arbeitslosen­ unterstützung beziehen; dann aber als Vermittlungsstelle, da es für die fimnzielle Lage der Gewerkschaftskassen von größter Wichtigkeit ist, die arbeitslosen Mitglieder möglichst bald in geeignete Stellen zu bringen. Für die Gewerkschaft wäre es nicht gleichgültig, mit wem die freien Stellen besetzt würden, sondern man müsse trachten, die offenen Stellen mit arbeitslosen Mitgliedern zu besetzen. Dieser Egoismus wäre vollkommen am Platze. Vom gewerkschaftlichen Standpunkte müsse daran festgehalten werden, daß der Arbeitsnach­ weis in die Hände der Gewerkschaften gehört. Ta sich heute die Entwicklung des Arbeitsnachweises in anderer Richtmg bewegt, kommt dieser theoretische Zusammenhang zwischen Arbeitslosenunterstützung und gewerkschaftlichem Arbeitsnachweis für uns weiter nicht in Betracht. Mr haben nur zu sehen, welcher Zu­ sammenhang in Wirllichkeit besteht und wie er etwa in Zukunft zu gepalten wäre. Ein Moment, das schon rein äußerlich auf diesen Zusammenhang verweist, ist die Schaffung vieler Nachweise gerade zu der Zeit, in welche die Einführung der Arbeitslosenunterstützung in den einzelnen Verbänden fällt. Gewöhnlich hatten die Verbandsvorstände zuerst

268 untersucht, ob und welche Nachweise als Kontrollstellen für die Ar­ beitslosenunterstützung in Frage kamen, ehe sie den Mitgliedem die Annahme empfahlen. Und mit derselben erging auch immer die Mahnung an die Ortsverwaltungen, den Arbeitsnachweisen ihr Augenmerk zuzuwenden. Es ist ja selbstverständlich, daß die Mitglieder, welche Arbeits­ losenunterstützung beziehen, einer strengen Kontrolle zu unterwerfen sind, um die Organisation vor Benachteiligung zu sichem, um zu ver­ hindern, daß arbeitende Mitglieder zugleich unterstützt werden. Die Statuten und Unterstützungsreglements aller in Betracht kommenden Gewerkschaften sehen deshalb diesbezügliche Bestimmungen vor. Sie enthalten mehr oder weniger detaillierte Vorschriften über die Handhabung der Kontrolle. In den meisten Fällen wird dieselbe in die Hände der Ortsverwaltungen, Filialen oder der örtlichen Vertrauensmänner gelegt, die dann nähere Kontrollbestimmungen erlassen. Gewöhnlich ist die Kontrolle täglich vorzunehmen, seltener je nach zwei oder mehreren Tagen. Als Kontrollzeit wird in der Regel eine Stunde während der gewöhnlichen Arbeitszeit bestimmt. Biele Verbände geben eigene Kontrollkarten an die Arbeitslosen aus, die bei der Kontrolle vorzuzeigen und abzustempeln sind. Andere legen wieder Listen auf, in welche sich die Unterstützung beziehenden Mit­ glieder einzutragen haben. In manchen Verbänden sind beide Systeme gebräuchlich, indem neben der Abstempelung der Kontroll­ karte die Meldung des Mitgliedes durch den Kontrollführer in eine Liste eingezeichnet wird. Oft wird auch die Vorzeigung der Jnvalidenkarte verlangt. Diese ganze Tätigkeit kann nun auch dem Arbeits­ nachweis übertragen werden. Er scheint ja die geeignete Stelle hierfür zu sein, da die Arbeitslosen ohnehin daran interessiert sind, im Ar­ beitsnachweis zu erscheinen, und weil damit eine Vereinfachung der Verwaltungsgeschäfte erreicht wird. Dem Arbeitsnachweis die Arbeitslosenkontrolle zu übertragen ist aber nur dann möglich, wenn ein organisierter Nachweis besteht, der alle für die Kontrolle wich­ tigen Bedingungen erfüllt. Da dies bei den meisten Verbänden nur in beschränktem Maße der Fall ist, so hat man es vorgezogen, die Überwachungstätigkeit nicht den Arbeitsnachweisen, sondem den lokalen Verwaltungsstellen zu übertragen, denen es dann anheim-

269 gestellt ist, bei Vorhandensein eines guten Nachweises diesem die Kontrolle zu überlassen. Nur die Statuten der beiden Verbände mit zentralisiertem Arbeitsnachweis, der Zentralverein der Bild­ hauer und der für alle in der Hut- und Filzwarenindustrie beschäf­ tigten Arbeiter, desgleichen das Statut des Verbandes der Tape­ zierer, bestimmen, daß bei diesen Organisationen die Arbeitsnach­ weise in erster Linie als Kontrollstellen zu gelten haben. Wer auch in allen anderen Verbänden kommt dies überall dort vor, wo ein gut funktionierender Nachweis besteht. Die Überwachungstätigkeit ist heute wohl die wichtigste Seite des Zusammenhanges zwischen Arbeitsnachweis und Arbeitslosen­ unterstützung. Weitere Berührungspunkte sind durch die Ver­ mittlungstätigkeit selbst gegeben. Eine Ergänzung der Arbeitslosen­ unterstützung, wie sie von Gewerkschaften erstrebt wurde, bildet aber der Arbeitsnachweis nicht. Dies liegt an dem geringen Umfang der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung. Es enthalten aber fast alle Unterstützungsreglements Bestimmungen, nach denen dem Mitglied die Unterstützung entzogen werden kann, wenn es sich grundlos weigert, eine seinen Fähigkeiten entsprechende und zu ortsüblichen Bedingungen nachgewiesene Arbeitsstelle anzunehmen. Es ist aber auch bekannt, daß sich diese Vorschrift nicht streng durchführen läßt. Endlich können noch die beiden gewerkschaftlichen Institutionen in­ sofern verbunden werden, als die Auszahlung der Unterstützung durch den Arbeitsnachweis erfolgt. Dies ist aber, soweit bekannt, weniger verbreitet. Das statistische Material unserer Enquete ist in diesem Punkte wohl lückenhaft, sei aber der Übersicht wegen trotzdem hier wieder­ gegeben. — Es berichteten bloße Kontrolle der Arbeitslosen durch den Nachweis: 114 freigewerkschaftliche, 1 christlicher, 7 Gewerk­ vereins- und 26 paritätische Facharbeitsnachweise. Kontrolle sowie Entzug der Unterstützung bei Nichtannahme zugewiesener Arbeit war gebräuchlich bei: 63 freigewerkschaftlichen, 2 christlichen und 10 paritätischen Facharbeitsnachweisen. Die Auszahlung der Unter­ stützung durch die Arbeitsnachweise — neben der Kontrolle — ist seltener; es wurde dies von 12 freigewerkschaftlichen und einem paritätischen Facharbeitsnachweise gemeldet. Außerdem gibt es

270 vereinzelt noch andere Zusammenhänge zwischen Arbeitsnachweis und Arbeitslosenunterstützung; z. B. wird bei den Hutmachern, Cöln, die Unterstützung bei Umgehung des Nachweises gekürzt; bei den Sattlern, Hannover, überhaupt entzogen, wenn der Nachweis nicht benutzt wird. Die Bildhauer, Hamburg, und Stettin, entziehen wiebetum die Unterstützung, wenn sich das Mtglied nicht der Konttolle unterwirft. Nun entsteht die Frage, ob und welche Funktionen der öffentliche oder der paritätische Arbeitsnachweis in dieser Richtung übernehmen könnte, wenn seine weitere Ausgestaltung, sowie eine weitere Ein­ schränkung des gewerkschaftlichen Nachweises angenommen wird. (Wahrscheinlich ist allerdings, daß — abgesehen von Ausnahme­ fällen — die Haupttätigkeit, also Konttolle und Unterstützungsaus­ zahlung, vorläufig durch die Gewerkschaften selbst ausgeübt wird.) Es ist wohl sicher, daß unter diesem Gesichtspunkte der paritätische Fachnachweis vor dem allgemeinen öffentlichen Arbeitsnachweis den Vorzug verdient. Letzterer dürfte vor allem in größeren Städten, für die Konttolle der arbeitslosen Verbandsmitglieder weniger in Frage kommen, da den Beamten die große Personenkenntnis, die diese Tätigkeit wohl erfordert, nicht zugemutet werden kann; doch liegen Fälle, wo der städtische Arbeitsnachweis die Konttolltätigkeit int Interesse der Gewerkschaften ausübt, bereits vor. Dies ergab eine vom Verband Deutscher Arbeitsnachweise veranstaltete Rundfrage über die von öffentlichen Arbeitsnachweisen gehandhabte Konttolle arbeitsloser Gewerkschaftsmitglieder. Es ging auch folgendes Schreiben des Städt. Arbeitsamtes in Stuttgart ein, welches hier wiedergegeben sei, weil dort diese Einrichtung am besten ausgebildet ist. Es lautet: „Nach der Einfühmng der Arbeitslosenunterstützung seitens des Deutschen Metallarbeiterverbandes im Jahre 1903, hat sich auf Ersuchen das hiesige Arbeits­ amt im Interesse der Zentralisierung des Arbeitsnachweises und im Einver­ ständnis der Aufsichtskommission bereit erklärt, für die hiesige Ortsverwaltung die Kontrolle ihrer arbeitslosen Mitglieder zu übernehmen, und zwar unter Verzicht auf Entschädigung. In der Folge sind weitere Verbände mit dem gleichen Er­ suchen an uns herangetreten, so daß wir gegenwärtig die Arbeitslosenkontrolle für folgende Verbände besorgen: Deutscher Metallarbeiterverband, Deutscher Holzarbeiterverband, Deutscher Buchbinderverband, Zentralverband der Brauerei-

271 arbeitn, Buchdruckhilfsarbeiter, Fabrikarbeiter, Glaser, Kupferschmiede, Mühlen» arbeitn, Schmiede, Schuhmacher, Tapezierer, Transportarbeiter, Zimmerer. Die Kontrolle wird in der Weise gehandhabt, daß die Arbeitslosen sich zunächst bei ihrer Ortsvnwaltung melden, dort eine Kontrollkarte ausgestellt erhalten, auf weichn vorgeschrieben ist, zu welchen Zeiten sie sich beim Arbeitsamt zur Kontrolle einzufinden haben. Die erfolgte Arbeitsnachfrage wird vom Arbeitsamt ent» wedn durch Stempelausdruck,- auch Unterschrift der Vermittlungsbeamten, be­ scheinigt. Kann Arbeit nachgewiesen werden, so wird die erfolgte Einstellung in gleicher Weise bestätigt. Glaubt der Arbeiter eine ihm angebotene Stelle aus irgendeinem Grunde nicht annehmen zu können, so wird dies ebenfalls auf der Karte vermerkt und die Entscheidung dem Gewerkschaftsbeamten überlassen. Die Erfahrungen, die mit dieser Maßnahme gemacht wurden, sind insofern günstige, als dadurch dem Umschauen entgegengewirkt und das Interesse der organisierten Arbeiterschaft für eine Regelung des Arbeitsnachweises gefördert wurde. Tat­ sächlich ist dann auch bei einer ganzen Reihe von Berufen gelegentlich des Ab­ schlusses von Tarifverträgen eine Regelung des Arbeitsnachweises int Anschluß an das Arbeitsamt erzielt worden."

Vereinzelt wird diese Kontrolle auch in anderen Städten gehand­ habt; soweit bekannt, sind dies folgende: das Städt. Arbeitsamt in Ludwigshafen a. Rh. für den Verband der Tapezierer und den Deutschen Holzarbeiterverband; Arbeitsamt in Ulm für den Ver­ band der Tapezierer. In Städten mit Arbeitslosenunterstützung nach dem Genter System wird die Kontrolle natürlich auch durch dm Städt. Arbeitsnachweis ausgeübt, wie z. B. in Straßburg und Freibürg i. B.; in Mainz dagegen geschieht die Kontrolle durch die Gewerk­ schaften. Im allgemeinen ist aber eine größere Ausbreitung dieser Kontrolle durch die städtischen Nachweise — sofern nicht eine Ar­ beitslosenversicherung eingeführt würde — kaum anzunehmen, weil Hindernisse mancherlei Art dem entgegenstehen. Anders ist es bei den Fachnachweisen, sobald ein Berufsange­ höriger oder ständig im Nachweis arbeitender Beamter die Geschäfte leitet. Ein solcher wird auch leicht entscheiden können, ob eine grundlose Verweigemng angebotener Arbeit vorliegt. Auch könnte beim Fachnachweis leichter als beim öffentlichen daran gedacht werden, demselben auch die Unterstützungsauszahlung zu übertragen, wenn­ gleich auch hier Bedenken nicht von der Hand zu weisen sind. Diese liegen hauptsächlich darin, daß der Arbeitsnachweis, der für einzelne Verbände die Führung solcher Geschäfte übernimmt, leicht in den Verdacht kommen kann, diese Verbandsmitglieder vor Anders- oder

272 Unorganisierten bei der Arbeitsvermittlung zu bevorzugen. Zweifel­ los sind die Verbände, die z. B. die Kosten eines paritätischen Fach­ arbeitsnachweises tragen, berechtigt, sich die Geschäftsführung dieses Nachweises nach ihrem Gutdünken einzurichten. Sobald aber der Nachweis obligatorisch wirken soll, und dies ist immer anzustreben, muß Rücksicht auf alle Benutzer genommen werden. In der Geschichte der Arbeitsnachweise gibt es zwei charak­ teristische Fälle, die die Wichtigkeit dieser Forderung sehr gut kenn­ zeichnen. Der eine betrifft den paritätischen Fachnachweis für die Berliner Holzindustrie; er wurde beim Deutschen Holzarbeiterverband erwähnt. Der andere spielt beim Stuttgarter Arbeitsamt. Das­ selbe zahlte für verschiedene Verbände die Reiseunterstützung an jene arbeitslosen Mitglieder, die vergeblich Arbeit beim Amte suchten. Im Jahre 1909 geschah dies für vier Unternehmerverbände und für neun Gewerkschaften. Da bei der Auszahlung der Unterstützung natürlich die Verbandszugehörigkeit ersichtlich wurde, behaupteten die christlichen Gewerkschaftsführer, daß die Beamten des Arbeits­ amtes den Mitgliedem der freien Gewerkschaften Arbeit nachwiesen, während die Andersorganisierten abgewiesen würden. Diese be­ dauerlichen und, wie die Untersuchung ergab, vollends gmndlosen Beschuldigungen veranlaßten den Gemeinderat, die Einstellung der Unterstützungsauszahlung durch das Amt anzuordnen, welcher Be­ schluß am 1. Oktober 1909 in Kraft trat. Damit sollte jeder Schein der Parteilichkeit vermieden werden. Es bleibt aber doch bedauerlich, daß durch solche Vorkommnisse lebensfähige Ansätze einer Konzen­ tration aller auf die Arbeitslosenfürsorge bezüglichen Maßnahmen zerstört werden. Obiger Fall diene zur Mahnung, auf diesem Gebiete recht vorsichtig zu sein und möglichste Rücksicht auf die Schwächeren zu nehmen; denn gerade sie wittern oft Unrecht, auch wo es nicht vorhanden ist.

VI. Arbeitsnachweis und Tarifvertrag. In der Reichstagssitzung vom 14. Dezember 1909 sprach der Staatssekretär Delbrück in seiner Beantwortung der Interpellation betreffend den Arbeitsnachweis des Zechenverbandes auch seine Meinung über die Entwicklung zum paritätischen Nachweis aus. Im Sitzungsprowkoll liest man folgendes: „Ferner habe ich beim Studium dieser Angelegenheit den Eindmck gewonnen, daß die Regelung des Arbeitsnachweises in ferstet Linie und am zweck­ mäßigsten erfolgen sollte durch Tarifverträge." Man könnte nun meinen, dies wäre für die Reichsregierung ein sehr bequemer Standpunkt, da er sie, wenigstens vorläufig, gesetzlicher Ein­ griffe enthebt. Aber für diese Ansicht sprechen sowohl man­ cherlei Gründe, als auch Erfahrungen, die in letzter Zeit gemacht wurden. Für ganze große Berufsgruppen wurde durch den Tarif­ vertrag der paritätische Fachnachweis erreicht; erinnert sei hier an die graphischen Gewerbe, die durch ihre zentralen Tarifabschlüsse zur Regelung der Arbeitsvermittlung auf gemeinsamer Grundlage kamen; ferner an den Reichstarif der Maler, der den paritätischen Nachweis vorsieht, und der nach Überwindung der ersten Schwierig­ keiten einer aussichtsreichen Zukunft entgegengeht. Auch für das Holzgewerbe kann die Einigung über das Musterregulativ für pari­ tätische Arbeitsnachweise nur eine Frage der nächsten Zeit sein. Ähn­ lich liegen die Verhältnisse vielleicht bei den Stukkateuren. Außer diesen zentralen Regelungen haben wir auch schon eine reiche Fülle von Einzelverträgen, in denen in irgendeiner Weise die Frage des Arbeitsnachweises erledigt wird. Aus allem ist zu schließen, daß die tarifliche Regelung des Ar­ beitsnachweises weitere Fortschritte machen wird. Schon längst ist $H»atte, Arb-USnachw-t».

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274 man davon abgekommen, im Tarifvertrag nur die eigentlichen Arbeitsbedingungen, Arbeitslohn und Arbeitszeit, zu behandeln. Die allgemeinen oder besonderen Bestimmungen der Verträge wer­ den immer reichhaltiger, ein Punkt des gesamten Arbeitsverhält­ nisses nach dem andern findet darin Ausnahme, und so war es nur selbstverständlich, wenn auch das wichtige Gebiet der Arbeitsver­ mittlung nicht länger übergangen wurde. Bildet es doch den Ausgangspuntt für jedes Arbeitsverhältnis, wichtige Interessen der Untemehmer und Arbeiter sind mit ihm verknüpft und schwere Kämpfe hat es bereits ausgelöst. Die Ursachen der Regelung des Arbeitsnachweises im Verttag können nun verschiedener Art sein. In vielen Fällen war es wohl das Bestteben, Mißstände in der Arbeitsvermittlung zu beseittgen. Die Interessenten entschlossen sich hier zur Anerkennung oder Be­ nutzung eines etwa schon vorhandenen einseitigen, meist wohl ge­ werkschaftlichen, Nachweises oder zur Gründung eines gemeinsamen Nachweises. Um eine gute Inanspruchnahme des letzteren zu sichem, wurde im Tarife darauf hingewiesen, doch nicht immer mit vollem Erfolg. In einer weiteren Anzahl von Fällen ist die Anerkennung eines einseitigen Nachweises im Tarif durch die momentane Über­ legenheit des einen Teiles erzwungen worden; der Nachweis ist dann wohl als reines Kampfmittel anzusehen. Zutteffen dürfte dies für viele gewerkschaftlichen Nachweise und für einige der Arbeit­ geber, deren tarifliche Festlegung aber nur in geringer Zahl vorkommt. Endlich kann man die dritte und wichtigste Kategorie unterscheiden, die paritätischen Fachnachweise, die neben einer geordneten Arbeits­ vermittlung auch eine hervorragende Verttagsfunktion zu erfüllen haben; sie sind Mittel zur Durchführung und Aufrechterhaltung des Tarifverttages, indem sie nur zu Tarifbedingungen und nur an tariftteue Arbeitgeber und Arbeiter vermitteln. Die Nachweise in den graphischen Berufen üben mit größtem Erfolge diese Funktion aus; sie ist aber auch den anbetn paritätischen Fachnachweisen zugewiesen und muß diese bei ihrer weiteren Entwicklung zum Rückgrat der ganzen Tarifverttäge machen. Bei der Wichtigkeit des Zusammen­ hanges zwischen Arbeitsnachweis und Tarifverttag seien noch einzelne Hauptfragen behandelt und eine Übersicht über den heuttgen Stand

275 der tariflichen Regelung des Arbeitsnachweises beigefügt. Obzwar diese Arbeit sich in der Hauptsache mit dem gewerkschaftlichen Nachweis beschäftigt, ist in diesem Abschnitt der paritätische Nachweis als das Ent­ wicklungsziel mehr in dm Vordergrund gerückt worden. Einfach erscheint die tarifliche Regelung für den einseitigen Nachweis. Meist sind es die Arbeitgeber, die freiwillig oder ge­ zwungen die Anerkennung des Arbeitnehmemachweises int Tarif aussprechen; oft lautet der Satz recht lakonisch, wie: „Anerkennung des Gehilfenarbeitsnachweises." Etwas weitgehender ist die oft wiederkehrende Bestimmung: „Die Arbeitgeber verpflichten sich, bei zu besetzenden Stellen tunlichst den Arbeitsnachweis des Ver­ bandes zu benutzen." Ein Zwang scheint aber erst durch die folgende Vereinbarung erreicht: „Die Vermittlung der Gehilfen erfolgt nur durch den Arbeitsnachweis der Zahlstelle des Zentralverbandes." Diese Anerkennungs- und Benutzungspflicht des gewerkschaftlichen Arbeitsnachweises findet sich so oder in ähnlicher Form in einer großen Zahl von Tarifverträgen. Daraus schloß z. B. der Staatssekretär in seiner Jnterpellationsbeantwortung auf die Be­ deutung und Macht der gewerkschaftlichen Nachweise, indem er be­ sonders darauf hinwies, daß ein großer Teil derselben durch Tarif­ vertrag obligatorisch wäre. Trotz der angeführten tatsächlichen Ver­ hältnisse dürfte diese Schlußfolgerung nicht ganz zutreffen. Meist stehen nämlich all die Verpflichtungen der Arbeitgeber im Tarif­ vertrag, ohne daß ihre Jnnehaltung von den Verbänden erzwungen werden könnte. Me Arbeitgeber benutzen die gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise oft nur in Zwangslagen; wenn sie notwendig Arbeitskräfte brauchen, kommen sie aber auch ohne tarifliche Ver­ pflichtung. Sonst sind es nur einige wenige, meist kleine und gut organisierte Berufe, derm Arbeitsvermittlung für die Arbeitgeber tatsächlich obligatorisch ist. Die anbetn gewerkschaftlichen Nachweise werden trotz Tarifvertrags mit oder ohne Obligatorium umgangen. Für die Arbeitgeber wird also in der Mehrzahl der Fälle keine Zwangs­ bindung vorliegen. Ganz anders ist die Sache, wenn es sich um einen Arbeitgeber­ nachweis handelt, der von den Arbeitnehmem anerkannt und benutzt wird. In einem solchm Falle wird man wohl immer annehmen 18*

276 dürfen, daß die Arbeitnehmer, als der schwächere Teil, die Arbeit­ gebemachweise anerkennen und benutzen mußten, wenngleich sie sich aus prinzipiellen Gründen dagegen wehren. Im Grunde müßte es gleich sein, ob es sich um einen Nachweis der Arbeitgeber oder der Arbei­ ter handelt, beide sind einseitige Nachweise, und wenn früher die Arbeit­ geber zur Anerkennung der Verbandsnachweise kommen konnten, so muß die gleiche Möglichkeit für die Untemehmemachweise seitens der Arbeiter bestehen. Den Unterschied macht der Umstand, daß die Arbeitgebemachweise in der Regel in Mrklichkeit obligawrisch sind, während die gewerkschaftlichen Nachweise in den meisten Fällen nicht die Macht besitzen, die Arbeitgeber in dieses Abhängigkeitsverhältnis zu bringen. Richtig organisierte Arbeitgebemachweise haben eine tarifliche Anerkennung oder Benutzungspflicht seitens der Arbeiter gar nicht nötig; überdies sind die Vertreter der Metall- und Textil­ industrie, der Domäne des ausgebildeten Arbeitgebemachweises, prinzipielle Gegner der Tarifverträge. Anders ist es aber im Bau­ gewerbe, welches seit Jahren die größten Anstrengungen macht, ein Netz funktionierender Arbeitgebemachweise zu erlangen *). Einige Unterverbände haben diese Aufgabe mit Erfolg durchgeführt und in mehreren Tarifverträgen die Anerkennung derselben durchgesetzt. So lautet z. B. § 6 des Vertrages fürHannover-Linden: „Die von den Arbeitgeberverbänden eingerichteten Arbeitsnachweise sind an­ zuerkennen und ausschließlich seitens der Arbeitgeber und Arbeit­ nehmer zu benutzen. Die Handhabung der Arbeitsnachweise erfolgt auf Gmnd der hierfür festgesetzten Geschäftsordnungen. Die Kosten der Arbeitsnachweise tragen die Arbeitgeberverbände." Bei den meisten Verbänden war aber die Entwicklung nicht zu­ friedenstellend, und der Arbeitgeberbund für das Baugewerbe wollte bei den letzten Bertragsverhandlungen ganze Arbeit machen, indem er von den Gewerkschaften die Anerkennung seiner unparitätischen, obligawrischen Nachweise im Tarifverträge forderte. Die nächste Veranlassung dazu bot der Fall München, wo vom Arbeitgeberver1) Siehe besonders die Denkschrift: Die Stellung Berlins zu dem Tarifkämpf des Deutschen Baugewerbes im Jahre 1910. Herausgegeben von dem Verband der BaugeschSfte von Berlin und den Vororten, Berlin 1910.

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band während der Dauer des letzten Tarifes ein einseitiger Nachweis eingerichtet und seine obligatorische Benutzung von den Arbeitem verlangt toutbe. Die Arbeiterorganisationen verhängten nach erfolglosem Protest über den Nachweis die Sperre, und es entstand ein regelrechter Kampf während der Berttagsperiode. Auf Anrufen der Arbeitgeber entschied das dortige Einigungsamt, der Arbeit­ geberverband sei nicht berechtigt, während der Geltung des Verkages derartig einseitige Maßnahmen zu treffen, insbesondere wäre die obligatorische Benutzung des Nachweises ein Verstoß gegen den TarifverttagI). Diese Entscheidung ist sehr angefochten worden; man sagte, das Einigungsamt sei zur Beilegung von Streitigkeiten aus dem Tarifverttag berufen, und da der Arbeitsnachweis im Berttage nicht erwähnt wäre, hätte sich das Einigungsamt in diesem Falle für nicht zuständig erklären sollen. Die Richtigkeit dieses Einwandes zuge­ geben, bleibt es doch Tatsache, daß der Zwang des Obligatoriums einen indirekten Verstoß gegen den Sinn des Verttages bedeutet. Jedenfalls mahnte diese Erfahrung zur Vorsicht, und der Arbeit­ geberbund beschloß, im Tarife vorbeugende Bestimmungen aufzu nehmen, die eine derartige Aufhebung von Arbeitgebernachweisen ausschließen würden. Seine bekannte Forderung hatte denselben Wortlaut, wie der eben wiedergegebene Berttagspunkt in Hannover, nur bezog sie auch die in Zukunft zu errichtenden Nachweise mit ein. So hatte man geglaubt, die Gewerkschaften zur Schaffung unpari­ tätischer Nachweise bequem ausnützen zu können. Der Plan miß­ lang gänzlich, wie unter „Baugewerbe" ausgeführt. Für uns er­ geben ^ich aus diesem Kampf um den Arbeitsnachweis im Bau­ gewerbe einige wichtige Schlußfolgerungen. Zunächst dürfen wir eine Anerkennung einseitiger Nachweise durch starke gegnerische Organisationen für ausgeschlossen betrachten. Eine Ausnahme bildet nur der Fall, daß der Nachweis kein Kampfmittel ist, sondem nur der Arbeitsvermittlung dient. Femer kann man aber die Frage stellen, ob die Regelung des einseitigen Nachweises im Tarifverttag berech­ tigt und dann, ob sie zweckmäßig ist. Auch hier gibt der Kampf im l) Gehler, Arbeitsnachweis und Tarifvertrag, Arbeitsmarkt, XIII, Nr. 3.

278 Baugewerbe, insbesondere durch die abweichende Stellungnchme Berlins, interessante Aufschlüsse. Der Verband der Baugeschäfte Berlins hat seit dem Kampf 1907 einen gut funktionierenden okligatorischen Nachweis, den er nie aufzugeben beabsichtigt. In seiner bereits erwähnten Denkschrift (S. 44) schreibt er: „Unbedingte Gegner des paritätischen Nachweises, würden wir einer solchen For­ derung den entschiedensten Mderstand entgegensetzen und sie ge­ gebenenfalls auch durch eine allgemeine Aussperrung bis zum äußersten bekämpfen. Aber gerade weil wir Anhänger des unpari­ tätischen Nachweises sind, legen wir den größten Wert darauf, daß unser Nachweis eine einseitige, uns allein angehende Einrichtung bleibt. Der Tarifvertrag beruht in allen seinen Teilen auf paritäti­ scher Vereinbarung. Was hat in ihm der Arbeitsnachweis zu suchen, den wir von jeder Einmischung der Arbeitnehmer fernhalten wollen!" Es ist dies ein prinzipieller Standpunkt, der den Arbeits­ nachweis nicht im Tarif aufgenommen wissen will, weil er letzteren in allen seinen Teilen für eine paritätische Vereinbarung hält. Diese Voraussetzung dürste aber nicht zutreffen; sie hindert also auch nicht, den einseitigen Nachweis im Tarif anerkennen und regeln zu lassen. Der Tarifvertrag bringt eben in jeder Hinsicht nur die momentanen Machtverhältnisse zum Ausdruck und ist insofern keine paritätische Vereinbarung. Hat die Arbeitgeberorganisation die Macht, ihre Fordemngen durchzusetzen, so gilt dies natürlich auch für den Arbeits­ nachweis. Es fragt sich nur, ob dies zweckmäßig ist. Auch darauf hat die Berliner Denkschrift eine Antwort gegeben. Seite 46 heißt cs: „Wir müssen die Aufnahme irgend welcher Bestimmungen über den Arbeitsnachweis in den Vertrag nicht nur als gänzlich unnötig abweisen, sondem wir halten sie geradezu für schädlich. Wir sind der Meinung, daß die Regelung des Arbeitsnachweises im Tarif­ verträge der erste Schritt zum paritätischen Nachweise bedeuten würde. Zur Entscheidung von Streitsachen aus den durch Tarifvertrag fest­ gelegten Arbeitsbedingungen bestehen paritätische Schlichtungs­ kommissionen. In dem Augenblick, wo der Arbeitsnachweis im Ver­ trage enthalten ist, besteht theoretisch zweifellos die Möglichkeit, daß die Arbeiterorganisationen Streitigkeiten, die sich aus der geschäft­ lichen Tätigkeit des Nachweises ergeben, vor die Schlichtungskommis-

279 fioi bringen und durch paritätische Verhandlungen zur Entscheidung zu bringen wünschen. Me Arbeitnehmer werden geschickt genug sein, demrtige Streitigkeiten nach ihrem Belieben zu konstruieren, mit Brrliebe werden sie die Schlichtungskommissionen mit solchen Fällen beschäftigen. Bon da ab ist bis zur Kontrolle über die Verwaltung der Arbeitsnachweises nur noch ein Schritt. Das ist der einfachste Wcg, zum paritätischen Nachweis zu gelangen. Alles dies ist dem Arbeitgeberbund durch unsere Vertreter zur Genüge vorgehalten worden." Dieses Argument ist durchaus zutreffend und einleuchtend. Der Arbeitgeberbund für das Baugewerbe ließ sich aber trotzdem von seiner Forderung nicht abbringen und scheint danach nur durch den Widerstand der Gewerkschaften vor einem „Verhängnis" bewahrt worden zu sein. Mlerdings, ob sich in der Praxis die Dinge so ent­ wickelt hätten, wie sie oben prophezeit, ist ziemlich ungewiß. Die Gewerkschaften können aber die Probe aufs Exempel machen, wenn sie in jenen gälten, in denen die Arbeitgebemachweise von ihnen tariflich anerkannt wurden, nach der Berliner Theorie vorgehen. Natürlich ist das Gleiche auch für jene Arbeitgeberorganisationen mög­ lich, die gewerkschaftliche Nachweise anerkannt haben. So liegt eigentlich in jeder tariflichen Regelung eines einseitigen Nachweises ein Keim zur paritätischen Weiterentwicklung. Es ist aber nicht zu erwarten, daß, um zu paritätischen Facharbeitsnachweisen zu gelangen, dieser Weg der Anerkennung einseitiger Nachweise eingeschlagen werden kann. Das wäre doch ein Spielen mit dem Feuer. Wenn die Organisationen gut entwickelt sind und ein ausgebildetes Tarif­ wesen besitzen, ergibt sich von selbst der geeignete Zeitpunkt zur Regelung des Arbeitsnachweises. Halten sich die beiderseitigen Kräfte annähemd die Wage, so kann unter sonst normalen Verhältnissen der Arbeitsnachweis nur auf gemeinsamer Gmndlage seine Erledigung finden. Das lehrte die Tatsache in all den Berufen und gälten, wo dieses Ziel bereits er­ reicht ist. Auch hier ergibt sich wieder dieselbe Fragestellung wie bei den einseitigen Nachweisen: „Ist die tarifliche Regelung des paritätischen Fachnachweises tunlich und zweckmäßig?" Hielten wir eine Tarifbestimmung über einseitige Nachweise für möglich, so gilt dies natürlich auch für den paritätischen Nachweis. Mcht ganz

280 so leicht ist es, über die Zweckmäßigkeit der tariflichen Regelung zu entscheiden. Hier finden wir, besonders in Gewerkschaftskreisen, zwei Ansichten vertreten. Die große Mehrheit spricht sich wohl für die Aufnahme in den Tarifvertrag aus. Daneben gibt es eine kleine Minderheit, die für eine Regelung in Sonderverträgen, und nicht im Tarifvertrag selbst, eintritt. Am schärfsten wird dieser Standpunkt wohl vom Zentralverband der Töpfer verfochten, der diese Be­ stimmung sogar in sein Berbandsstatut aufgenommen hat, wo § 10, 12 lautet: „Wo die Verhältnisse es gestatten, sind paritätische Arbeits­ nachweise anzustreben, jedoch nicht als Tarifeinrichtungen festzulegen." Begründet wird diese Stellung damit, daß bei Arbeitsnachweisen als Tarifeinrichtung durch Differenzen, welche bei der Arbeitsver­ mittlung entstehen, auch die Tarifverträge gefährdet sind. Da letztere für die Arbeiter größeren Wert haben als die Arbeitsnach­ weise, so ist eine Verbindung beider zu vermeiden. Der Zentral­ verband der Töpfer schließt daher mit den Arbeitgeberorganisationen Sonderverträge, sogenannte Gegenseitigkeitsverträge ab, die in der Hauptsache die Errichtung eines paritätischen Fachnachweises verein­ baren. Sonderverträge für den paritätischen Nachweis gibt es ver­ einzelt noch in anderen Bemfen; die überwiegende Mehrheit dieser Nachweise findet aber ihre Vereinbarung im Tarifvertrag, entsprechend der Ansicht der meisten Gewerkschaftsführer. Die Bedenken der Minderheit sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Tarif­ vertrag kann durch Differenzen beim Arbeitsnachweis gefährdet, aber umgekehrt auch der Nachweis durch Tarifstreitigkeiten gestört werden. Besonders in Bemfen mit schlecht entwickeltem oder noch nicht .stabilem Tarifwesen konnte man große Schwankungen und Stömngen beobachten. Die paritätischen Nachweise tauchen auf und verschwinden wieder, je nachdem die Tarife verlängert werden oder tariflose Zeiten eintreten. Es wird kaum zu vermeiden sein, daß sich jede ernste Tarifstreitsache auch in Zukunft im Nachweis fühlbar macht; seltener wird es vorkommen, daß Arbeitsnachweisdifferenzen den ganzen Tarifvertrag zerstören. Sind sie wirklich so schwer­ wiegender Art, daß sie nicht geschlichtet werden können, so liegt ohnehin schon Kampfesstimmung in der Luft, und jeder andere An­ laß würde sie ebenfalls zum Ausbmch bringen. Sonderverträge

281 stören auch die Einheitlichkeit des Vertragswesens und haben vor allem nicht die Autorität, die der Tarifvertrag heute schon erlangt hat. Trotz der etwa vorhandenen Bedenken wird man also den Weg der tariflichen Regelung des Arbeitsnachweises für den zweckmäßigeren und für die Tätigkeit des Nachweises sicheren halten müssen. Dafür scheint auch die Erfahrung zu sprechen, die man bereits in verschie­ denen Berufen gemacht hat. Frühzeitig und gmndlegend geschah die tarifliche Regelung in allen graphischen Bemfen. Bei den Buchdruckern entstanden schon in den neunziger Jahren einige pari­ tätische Arbeitsnachweise. Die richtige Entwicklung setzte aber erst nach ihrer Regelung im Generaltarif von 1901 ein. Die Bestim­ mungen des § 92 des Deutschen Buchdruckertarifs, der aber bei der Tarifrevision im September 1911 eine geringfügige Änderung erfahren hat, lauten: „An allen größeren Druckorten, insbesondere da, wo ein Schieds­ gericht besteht, ist ein nach Angabe des Tarifamtes zu verwaltender und dem betreffenden Kreisamt unterstellter Arbeitsnachweis zu er­ richten, für dessen Verwaltung bis auf weiteres die Bestimmungen im Anhang maßgebend sind. Die Kosten des Arbeitsnachweises werden durch das zuständige Kreisamt geregelt; jedoch soll von der Erhebung besonderer Nachweisgebühren tunlichst Abstand genommen werden." Mt nahezu demselben Wortlaut findet sich diese Bestimmung auch im Reichstarif für Lichtdrucker, Chemigraphen und Kupfer­ drucker. Diese paritätischen Fachnachweise sind für tariftreue Prin­ zipale und Gehilfen wohl nicht obligatorisch, sie werden aber plan­ mäßig nach schon festgestellten Bestimmungen errichtet, lassen daher der örtlichen Initiative keinen Spielraum mehr. Anders z. B. im Reichstarifvertrag für das deutsche Malergewerbe, wo im § 11 be­ stimmt ist: „Zum Zwecke der Durchführung der im Tarifvertrag vereinbarten Bedingungen ist es Aufgabe der Organisationen, in allen Orten, wo die örtlichen Verhältnisse es gestatten, die Errichtung von auf paritätischer Grundlage bemhenden Arbeitsnachweisen an­ zustreben oder ihre Arbeitsnachweise an paritätische Arbeitsnachweise anzugliedern. Die Benutzung soll für die Bertragsteile obligatorisch sein." Hier ist sowohl die Errichtung, wie die Handhabung der

282 Arbeitsnachweise der Vereinbarung der örtlichen Vertragsteile über­ lassen. Auch werden nicht nur selbständige Fachnachweise verlangt, sondem es genügt die Angliederung an bestehende paritätische Nach­ weise. Die Einheitlichkeit der beruflichen Nachweise geht so verloren, dafür ist eine größere Anpassung an örtliche Verhältnisse möglich. Mehr der einheitlichen Regelung würden die Nachweise für die Holz­ industrie und das Stukkateurgewerbe zuneigen, wenn eine Einigung über die bereits vorgesehenen Musterregulative für die Arbeitsnach­ weise zustande käme. Doch lassen sie neben zwingenden Normen auch Platz für lokale Verschiedenheiten. In den übrigen, durch Lokaltarife geregelten paritätischen Fachnachweisen sind die ver­ schiedensten Bestimmungen möglich, die dem Sinne nach alle auf das­ selbe hinausgehen: „Es wird ein paritätischer Facharbeitsnachweis eingerichtet, dessen Bildung und Leitung der durch diesen Vertrag eingesetzten Schlichtungskommission übertragen wird, oder: „Im Anschluß an den vorstehenden Lohntarif und diese Arbeitsbedingungen ist ein paritätischer Arbeitsnachweis eingerichtet und von allen ver­ tragschließenden Parteien nach den genehmigten Statuten aner­ kannt." Aus der ersten Fassung ist zu ersehen, daß noch eine weitere Verbindung des Arbeitsnachweises mit dem Vertrag möglich wird, wenn man der tariflichen Schlichtungskommission auch die Verwaltung und Beaufsichtigung des Facharbeitsnachweises überträgt. Fest­ gestellt sei jedoch, daß häufiger ein besonderes Kurawrium zu diesem Zwecke gebildet wird, wie z. B. bei den Fachabteilungen des Berliner Zentralvereins. Den Vorzug sollte man aber aus Gründen der Ein­ heitlichkeit der Schlichtungskommission geben, deren Mitglieder überdies eine viel bessere Kenntnis der ganzen beruflichen Verhält­ nisse besitzen. Es bliebe nun noch aufzuzeigen, in welchem Umfange die tarifliche Regelung des Arbeitsnachweises stattgefunden hat. Da versagen aber die Quellen. Die bis jetzt erschienenen Tarif­ sammlungen, vor allem das amtliche Tarifwerk (1906) und seine Fort­ setzungen sind teilweise zu alt; trotzdem kann man daraus ersehen, wie nebensächlich damals die Arbeitsnachweisftage behandelt wurde, denn bei der Bearbeitung des Tarifmaterials kommen nur wenige dürftige Hinweise auf die Arbeitsvermittlung vor. Das darauf be­ zügliche Ergebnis unserer Enquete ist natürlich wegen der Unvoll-

283 Müdigkeit unbrauchbar. Trotzdem sei es hier wiedergegeben. Von den 483 berichtenden gewerkschaftlichen Arbeitsnachweisen, unter welchen sich wohl die bedeutendsten dieser Kategorie befinden, waren (bei den freien Gewerkschaften 76, bei den christlichen 3, bei den Ge­ werkvereinen 1) tariflich anerkannt und die Arbeitgeber zu deren Benutzmg verpflichtet (!). Für 23 Nachweise (damnter nur 1 christ­ licher) waren Sonderverträge oder mündliche Abmachungen geltend. Von den 86 berichtenden paritätischen Facharbeitsnachweisen waren dagegen nur 3 ohne Regelung. Bei 8 waren Sonderverträge abge­ schlossen, 75 (damnter allerdings 48 Tarifnachweise der Buchdrucker, für die nur ein Tarifvertrag besteht) hatten tarifliche Vereinbamngen aufzuweisen. Für unsere Zwecke brauchbarer ist eine Übersicht, die der Staatssekretär Delbrück in seiner eingangs erwähnten Rede zur Interpellation über den Zechennachweis gab. Er sagte folgendes: „Ich habe eine große Anzahl von Tarifverträgen durchgesehen und für 316 Fälle feststellen lassen, wie die Frage des Arbeitsnachweises geregelt ist. Daraus ergibt sich, daß unter diesen 316 Fällen 12 waren, in denen es sich um Arbeitgebemachweise handelte, von denen 10 ob­ ligatorisch waren; in 246 Fällen handelte es sich um Arbeitnehmer­ nachweise, von denen 105 obligatorisch waren. In 41 Fällen, von denen 29 obligatorisch waren, handelte es sich um paritätische (Fach-) Arbeitsnachweise, in 10 Fällen, von denen 4 obligatorisch waren, um öffentliche Arbeitsnachweise und in 7 Fällen, von denen 5 obliga­ torisch waren, um Jnnungsnachweise. Daneben habe ich aber auch festgestellt, daß in diesen fraglichen Tarifverträgen 20 Fälle waren, in denen die ausschließliche Beschäftigung organisierter Arbeiter durch den Tarif festgelegt war." Diese Angaben scheinen dem Sinne nach mit den unseren über­ einzustimmen, doch dürften auch sie noch nicht vollständig sein, und es wäre zu wünschen, wenn das Kais. Statistische Amt in seinen folgenden Tarifpublikationen auf die Bearbeitung dieses Punktes mehr Gewicht legen würde, als dies bisher der Fall war. Dieser Wunsch ist inzwischen, wenigstens teilweise, in Erftilhmg gegangen. In der neuesten Publikation des Kais. Sta­ ttstischen Amtes: Die Tarifverträge im Jahre 1910, nebst einem Anhang: Die Tarifgemeinschaften des Jahres 1910 im Handwerk,

284 Im Jahre 1910 tariflich festgesetzte Arbeitsnachweise: Zahl der Tarifgemeinschaften Gewerbegruppen und in denen die Benutzung Berufsarten eines Arbeits­ nachweises vorgeschrieben war IV. Steine und Erden.. darunter: Bearb. d. Steine__ Glasarbeiter............ im Handwerk allein.. V/VL Metallw.,Maschinen darunter: Klempner................ Schlosser................. Metallarbeiter.......... im Handwerk allem.. IX. Textilindustrie........ (Handwerk) X. Papierindustrie........ darunter: im Handwerk.......... XI. Lederindustrie............... darunter: im Handwerk....................... XIL Holzindustrie................... darunter: im Handwerk....................... XIII. Nähr- u. Genußm. darunter: Bäcker................................................ Braugew........................................ im Handwerk allein.. XIV. Bekleidungsgew... darunter: im Handwerk....................... XV. Reinigungsbewerbe darunter: im Handwerk.......................

darunter waren «“4 i . Ä- *6" § L 'S'B r- >b 3 § 1t § 1§ vO KK s s in Tarifgemein chaften

5

4

1 4 4 12

1 3 3 7

2 1 1 7 2



1 1 2 2

c E B Ef ZZ &



1















1 1 1





2





















1

2

2





.—

2

— —

7

5

1

1

4 16

2 9

1

1 5

13 19

7 8

13 113

4 103

39 44 57 12

33 40 51 6

7 23

4 22

4

3



2 2

— — —





5 8 6 6 5 1 6 4









2

2





1 1 1 4



1 3







2



2







1 1





1

285 darunter waren

Zahl der TarifGewerbegruppen und Bemfsarten

gemeinschaften in denen die

L g 'S' £

Benutzung st L e eines Arbeits­ vO nachweises vor- s geschrieben war

XVI. Baugewerbe..........

p 1L£ tp >€T Z § M N

& ä g> £ •Es § »b 5 § e 'S' § § O ti N-r-v,

'S § B l’g|ä

in Tari gemein chaften

27

6

2

12



7 4

darunter: Maler.............................

8





4



im Handwerk allein..

26

6

2

11



7

XVII. Polygraph. Gew..

4

3



1





darunter: im Handwerk...............

1

1









XIX. Handelsgew............. XXL Derkehrsgew............

56

56









7

7









XXII. Gast- u. Schank­ gewerbe .......................... XXIlLMusik,Theater usw.

8

7







1

3

3









XXIV. Sonstiges.............

1

1









Summe

315

249

5

39

2

20

darunter im Handw. allein

138

85

5

33

2

13

Heymann, Berlin 1911, finden sich bereits mancherlei Angaben über tariflich festgesetzte Arbeitsnachweise, die hier noch auszugs­ weise Verwendung finden sollen. Die Frage nach den in den Tarifen festgesetzten Arbeitsnachweisen ist neu in das Zählblatt aufgenommen worden. Von insgesamt 3756 im Jahre 1910 (für 73204 Betriebe mit 735360 Personen) in Kraft getretenen Tarifgemeinschaften haben 315 die Benutzung eines bestimmten Arbeits­ nachweises vorgeschrieben. Davon entfielen 138 auf handwerks­ mäßige Berufe. In der überwiegenden Mehrheit (249) waren es Arbeitnehmernachweise, von denen 85 im Handwerk, die übrigen in der Industrie anerkannt wurden. Nur in 5 Fällen (Handwerk) waren die Arbeitsnachweise der Arbeitgeber vorgeschrieben, dazu kommen noch 2 Jnnungsnachweise, die im Charakter den Arbeit­ gebernachweisen nahe standen. 39 (davon 33 im Handwerk) pari­ tätische Facharbeitsnachweise wurden vereinbart und 22 (davon 13 im Handwerk) kommunale Arbeitsnachweise. Außerdem ist zu

286 beachten, daß bei 260 Tarifgemeinschaften im Malergewerbe (auf Grund des Reichstarifes) und bei 3 Tarifen im Holzgewerbe pari­ tätische Arbeitsnachweise angestrebt werden sollen. Über die Ver­ teilung der tariflich festgesetzten Arbeitsnachweise auf die einzelnen Berufe gibt die vorstehende Tabelle Aufschluß, in der auch die auf das Handwerk entfallenden Regelungen besonders ausgeschieden sind. Man darf sich wohl dieser neuen Bereicherung der Erkennt­ nis durch die amtliche Statistik freuen, wenn sie auch nur die ersten Ansätze bietet und eine weitergehende Erschließung der Zu­ sammenhänge zwischen Tarifvertrag und Arbeitsnachweis noch er­ forderlich machen bürste.

VII. Ergebnisse und Schlüsse. In ähnlicher Weise wie Jastrow durch seine Zentralstelle für Arbeitsmarkt-Berichtex) wollen wir unsere Untersuchung mit einer Zusammenfassung über den Wirkungsbereich des gewerkschaftlichen Arbeitsnachweises schließen. Um hierfür einen annähemd genauen Maßstab zu erhalten, wählen wir als Gmndlage die Berufsgruppen der deutschen Berufszählung von 1907 und fügen jeder derselben die Zahl der berufstätigen Arbeiter bei: Von den 3,7 Millionen in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Arbeitern kommen bisher nur die Gärtner für den gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis in Frage, und auch sie nur mit der Zahl der Organi­ sierten, die 1908 etwas über 6000 betrug. Gar keine gewerkschaft­ liche Arbeitsvermittlung besitzen die Bergarbeiter (912 210), für die Umschau, im Ruhrrevier nur der Nachweis des Zechenverbandes maßgebend sind. Umschau herrscht auch in der Industrie der Steine und Erden (664178); Ansätze zu gewerkschaftlicher Arbeitsvermittlung finden wir bei den Glasarbeitern, Porzellanarbeitern und Töpfern, aber auch nur mit mäßigen Erfolgen. In der Metallverarbeitung (1996 086) und der Industrie der Maschinen (703 388) haben Arbeitsnachweise erfolgreich eindringen können, doch stehen die der Arbeit­ geber weitaus an erster Stelle. Die gewerkschaftlichen haben in den kleinen Bemfszweigen, wie Isolierer (7062), Graveure und Ziseleure (12 232), Feilenhauer (7179), Kupferschmiede (11059), einige, bzw. gute Erfolge errungen, während ihnen von den größeren Zweigen nur die Maschinisten (180000) und Schmiede (200 000) einiger­ maßen zugänglich waren. Die chemische Industrie u. dgl. (180 000) hat, da der Verband der Fabrikarbeiter hauptsächlich die Benutzung ') s. Sozialpolitik und Bcrwaltungswissenschaft, S. 129 u. f.

288 öffentlicher Nachweise empfiehlt, keine Gewerkschastsnachweise. Die Textilindustrie (856 874) hat sie wohl, doch sind sie ohne Bedeutung. Neben Arbeitgebernachweisen steht an erster Stelle noch die Umschau. Auch in der Papier- und Lederindustrie (332 359) waren der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung keine Erfolge beschieden. Ganz gering sind sie für Sattler- und Porteseuiller, von den anbetn Leder­ arbeitern konnten nur die Lederhandschuhmacher einige Erfolge er­ zielen. Auch für Buchbinder und Tapezierer ist das Ergebnis, wenn auch etwas besser, so doch noch sehr unbefriedigend. In der Industrie der Holz- und Schnitzstoffe (574 347) machen die Bildhauer eine Aus­ nahme, indem für Holzbildhauer der Gewerkschaftsnachweis eine stärkere Stellung einnimmt. Böttcher und bie übrigen Holzarbeiter haben wohl genug gewerkschaftliche Arbeitsnachweise, die aber über Teilerfolge nicht hinauskommen. Hier, sowie in der vorigen Berufs­ gruppe spielen Umschau und Inserat noch immer eine große Rolle. Ähnlich auch in den folgenden mehr handwerksmäßigen Berufen, in welchen sich verschiedentlich auch der Jnnungsnachweis erfolgreich betätigen konnte. Dies ist in der Industrie der Nahrungs- und Genußmittel (757 525) bei den Bäckern und Fleischem der Fall, während hier die gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung höchstens für Aushilfsstellen in Betracht kommt. Gering ausgebildet ist sie ferner für Brauerei- und Mühlenarbeiter, etwas besser bei den Tabak­ arbeitern und gut für Zigarrensortierer. Bei den Bekleidungs- und Reinigungsgewerben (831 947) liegt die Arbeitsvermittlung noch sehr im argen. Einzig bei den Hutmachern hat der Gewerkschafts­ nachweis schon früh Eingang gefunden und funktioniert befriedigend, wenn auch von einer Beherrschung des Arbeitsmarktes nicht die Rede sein kann. Bei den Friseuren fällt den Gewerkschaftsnachweisen höchstens die Vermittlung der Aushilfen in größeren Städten zu, auch bei den Kürschnern, Schneidern und Schuhmachern haben sie geringe, zum Teil verschwindende Resultate erzielt. Hier herrscht noch die Umschau. Ihre Domäne ist aber das Baugewerbe (1637 834), wo einzig die Dachdecker (28 960) und die Glaser (15 000) gewerk­ schaftliche Nachweise zur Geltung bringen konnten. Geringer waren die Erfolge bei den Malem und Stukkateuren. Neuerdings legen die Arbeitgeber größtes Gewicht auf die Gründung eigner Nachweise.

289 Die polygraphischen Gewerbe (163 320) scheiden hier aus, weil sie immer mehr die paritätischen Fachnachweise entwickeln. Nachweise der Gewerkschaften bestehen nur mehr bei den Notenstechern (etwa 500) und Xylographen (etwa 700); hier nehmen sie allerdings eine herr­ schende Stellung ein. Bei den Handelsgehilfen (406 385), sowie beim Post-, Tele­ graphen- und Eisenbahnbetrieb (505 222) ist kein Raum für gewerk­ schaftliche Arbeitsvermittlung, die höchstens für das Handelshilfs­ personal (263 079), sowie für das übrige Verkehrsgewerbe (256 299) in Frage käme. Für die Hafenarbeiter und Seeleute liegt der Arbeits­ nachweis in den Händen der Arbeitgeber und der gewerbsmäßigen Vermittler. Die anderen Transportarbeiter haben in den großen Städten eigene Nachweise; größere Tätigkeit entfalten aber nur die in Berlin und Hamburg. Endlich ist noch das Gast- und Schank­ gewerbe zu erwähnen (298853), wo auch die gewerbsmäßige Stellenvermittlung noch dominiert, und der gewerkschaftlichen nur die Vermittlung von Aushilfen zugefallen ist. Überraschenderweise zeigt diese Zusammenstellung keine großen Abweichungen von der, die Jastrow vor mehr als 10 Jahren geben konnte. Die Veränderungen auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung vollziehen sich eben nur sehr langsam. Gewiß ist die Macht der un­ geregelten Arbeitsvermittlung, die Jastrow für seine Zwecke viel deutlicher hervorheben mußte, als es hier geschah, durch den zähen Kampf der verschiedenen Arbeitsnachweisarten sehr zurückgedrängt worden. Diese Tätigkeit, besonders der öffentlichen und der Arbeitgebemachweise sollte aber hier nicht geschätzt werden, da es sich in erster Linie um eine Feststellung des Verbreitungsgebietes der Ge­ werkschaftsnachweise handelte. Wollen wir nun sehen, für wieviel Arbeiter der gewerkschaftliche Nachweis von Bedeutung ist, so müssen wir versuchen, ghnlich wie es auch Jastrow getan, ihn nach allge­ meinerem Wertmaßstabe zu taxieren. Dabei sei von der Annahme ausgegangen, daß der Arbeitsnachweis nur dann für die ganze Zahl der Berufstätigen in Betracht kommt, wenn er tatsächlich den beruflichen Arbeitsmarkt beherrscht. Ist dies nicht der Fall, aber der Arbeitsnachweis doch ganz gut entwickelt, so kann höchstens die Zahl der Organisierten für ihn in Frage kommen. Ist seine Tätigkeit Mich alte, Arbeitsnachweis.

19

290 aber nur gering, so darf eigentlich nicht einmal die Mitgliederzahl mehr zugmnde gelegt werden. Unter diesen Gesichtspunkten ist der gewerkschaftliche Arbeits­ nachweis nur bei den Notenstechern und Xylographen, zusammen etwa 1200 Personen, herrschend. Gut entwickelte Nachweise, die aber nur für Mitglieder in Frage kommen und nicht für Unorganisierte, die überdies meist von der Vermittlung ausgeschlossen sind, bestehen für: Bildhauer (4200), Dachdecker (6000), Feilenhauer (2000), Glaser (4400), Graveure und Ziseleure, Hutmacher (7000), Isolierer (1000), Zigarrensortierer (3000), zusammen höchstens 30 000 Organi­ sierte. während die Zahl der Berufstätigen mindestens 95 000 beträgt. Mittelmäßig waren die Erfolge der gewerkschaftlichen Nachweise in folgenden Berufen, denen auch noch die Zahlen der Organisierten (1908) beigefügt sind. Gärtner (5000), Handschuhmacher (3300), Kupferschmiede (4200), Maler (40 000), Maschinisten (19 000), Tabak­ arbeiter (29 000), Tapezierer (8300); vielleicht auch Holzarbeiter (150000); die Zahl der Organisierten beträgt hier 260 000, doch hat der gewerkschaftliche Nachweis weitaus nicht für alte Bedeutung, geschweige denn für die Zahl der überhaupt im Bemfe tätigen Arbeiter, die 1,16 Millionen ausmacht. Nur geringe Bedeutung hat endlich der Gewerkschaftsnachweis bei den: Böttchem (7700), Brauereiarbeitern (33 000), Buchbindern (22 000), Glasarbeitern (17 000), Mühlenarbeitern (4500), Porzellan­ arbeitern (13 000), Schmieden (15 000), Stukkateuren (7000), Töpfern (11000), Transportarbeitern (88 000). Für die Vermittlung von Aushilfsstellen sind die gewerkschaft­ lichen Nachweise etwa von Bedeutung bei den Bäckem (18000), Buchdmckhilfsarbeitem (13 500), Friseuren (2000), Gastwirtsgehilsen (10000).

Diese Einteilung fußt vor allem auf den Nachweisen der freien Gewerkschaften und wird durch die der anbetn Organisationsgruppen kaum beeinflußt. Bei den Gewerkvereinen ist es einzig die Arbeits­ vermittlung des Vereins der Deutschen Kaufleute, die für die Mitglieder (18000) ausreicht; bei den christlichen Verbänden könnten

291 genannt werden: graphische Berufe (1700), Holzarbeiter (11000), Kellnerlokalvereine und Krankenpfleger. Diese ganze Schematisierung hat etwas Willkürliches und kann natürlich keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit erheben. Sie sollte nur einen Anhaltspunkt geben, um schätzen zu können, für wie­ viele Arbeiter denn der gewerkschaftliche Arbeitsnachweis tatsächlich eine Rolle spielt. Jastrow setzte sie seinerzeit auf etwa y2 Million fest, indem er für die Berufe, in welchen der Gewerkschaftsnachweis erheblich ist, die Zahl der berufstätigen Arbeiter seiner Schätzung zugrunde legte. Bei der Unsicherheit der ganzen Sachlage wollen »vir von der Ausstellung solch einer Gesamtzisfer überhaupt absehen und nur sagen, daß sie u. E. Million bei weitem nicht erreichen dürfte. Zur Kennzeichnung der Bedeutung der gewerkschaftlichen Ar­ beitsnachweise genügt nun vielleicht der Hinweis darauf, daß in Deutschland 1907 über 14,6 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt waren, für die alle die Frage der Arbeitsvermittlung von mehr oder weniger großer Bedeutung war. Bei dieser Zahl spielte also, auch wenn wir die landwirtschaftlichen Arbeiter und das Gesinde mit über 4 Millionen in Abzug bringen müssen, die gewerkschaftliche Arbeits­ vermittlung kaum eine Rolle. Noch deutlicher tritt dies in die Erscheinung, wenn wir bei der Beurteilung der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung von folgender Erwägung ausgehen. Im Jahre 1894 wurde die Gesamtzahl der jährlich gewechselten Stellen gewerblicher Arbeiter und Dienstboten (mit Ausschluß des landwirtschaftlichen Gesindes) auf 5 Millionen abgeschätzt. Wenn diese Zahl annähernd richtig war, so hat sie sich bis heute eher vermehrt denn vermindert. Nun betrachten wir eine Tabelle, die angibt, wieviele Stellen durch die geregelte Arbeits­ vermittlung, also die Arbeitsnachweise, überhaupt besetzt wurden. Die Zahlen sind für 1904 der amtlichen Denkschrift über die Arbeits­ losenversicherung II. Bd. und für 1908 bzw. 1909 dem Reichs­ arbeitsblatt bzw. dem Arbeitsinarkt entnommen. Zu dieser Übersicht wäre zu bemerken, daß unter die öffentlichen Arbeitsnachweise 1908 nur die des Verbandes deutscher Arbeits­ nachweise gerechnet wurden, die Arbeitgebernachweise 1909 nach 19*

y2

292

Nachweisart

'

Zahl der Nach­ weise 1904 | 1908/09

Öffentliche Arbeits­ nachweise .......... Paritätische Fachar­ beitsnachweise Arbeitgebernachweise Jnnungsnachweise.. Arbeitnehmernach­ weise .................. Darunter reine Gewerlschastsnachweise..................

Gesamt­ vermittlung 1904

Durchschnitts Vermittlung pro Nachweis

1908/09

1904

1908/09

400

158

550 000 932 956

1375

5905

60 30 2410

47 114

850 7666 88

1881 4509



51000 88 442 230 000 514112 — 213 000

1000

_

120 000 300 000

120

600

250 000



_ 416

einem Bericht des Vereins deutscher Arbeitgeberverbände. Die Zahlen für die paritätischen Facharbeitsnachweise sind noch nicht vollständig bekannt. Unter Arbeitnehmernachweisen sind alle dieser Kategorie angehörenden gerechnet, während unsere Schätzung für die nur gewerkschaftlichen Nachweise aus der Gesamtziffer ausge­ schieden wurde. Die berechneten Durchschnittsvermittlungen sind bekanntlich nur Annähemngswerte, die mit entsprechender Vorsicht zu gebrauchen sind. Diese Tabelle soll nur zeigen, wie klein der Bruchteil ist, der von der Zahl der überhaupt vermittelten Stellen auf die gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise entfällt. Schätzen wir diese Gesamtvermittlung der Arbeitsnachweise 1908/09 auf etwa 2,2 Millionen besetzte Stellen (gegen 1,2 Millionen im Jahre 1904), so kommen davon auf die Arbeitnehmer-, bzw. auf die reinen Ge­ werkschaftsnachweise 300 000, bzw. 250000 Vermittlungen, also kaum der achte Teil. Noch deutlicher tritt uns diese Tatsache aus folgender Aufstellung für die Jahre 1909 und 1910 entgegen, aus welcher auch gleichzeitig der jetzige Stand der organisierten, nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung in Deutschland zu er­ sehen ist:

Öffentliche Arbeitsnachweise Arbeitgebernachweise.......... Arbeitnehmernachweise —

Vermittlungstätigleit 1909 1910 915 331 1 087 439 504 319 915 268 rd. 300 000 rb. 300 000

293 Bermittlungstätigkeit 1910 1909 133 899 159119 Herbergen zur Heimat.................................... ....... rd. 120 000 Paritätische Facharbeilsnachweise................... . ...rd. 120 000 rd. 200 000 Jnnungsnachweise............................................ ___rb. 200 000 35 712 30 476 Kaufmännische Vereine.......................................... 2 026 1812 Vereine technischer Angestellter...................... ___ Landwirtschaftliche Vermittlung: 80 052 102 907 a) Ausländische Wanderarbeiter............ 7 732 10 235 b) Ständiges Personal........................... 9 093 10 419 Industrielle ausländische Wanderarbeiter___

Unter Zugrundelegung dieser Aufftellung kann man den mit Ausschluß der gelverbsmäßigen Stellenvermittler auf dem deutschen Arbeitsmarkt 1910 stattgefundenen Nachweisverkehr mit großer Wahrscheinlichkeit auf ungefähr drei Millionen Vermittlungen schätzen und nur der zehnte Teil entfällt auf die Arbeitnehmer­ arbeitsnachweise. Auch damit ist wohl der Wert der gewerkschaftlichen Arbeits­ vermittlung gebührend gekennzeichnet. Sie hat int allgemeinen nur in den großen Städten Bedeutung, wo die Organisationen stark entwickelt sind und auch die Vermittlungstätigkeit in den Händen von Beamten ruht. Nach dem Bericht von Reg.-Rat I. Feig an die Jntemationale Arbeitslosenkonferenz, Paris 1910, betrug die Zahl der Stellenbesetzungen durch Arbeitnehmernachweise (also nicht nur gewerkschaftliche) 1908: in „ „ „ „ „ „

Berlin...................................... 158213 Hamburg................................ 53704 München............................... 9374 Dresden................................ 9 049 Leipzig................................... 7 914 Nürnberg............................... 6 655 Frankfurt a. M...................... 4367

In diesen 7 Großstädten zusammen 249 276, also beinahe die Gesamtzahl, die wir für die gewerkschaftliche Arbeitsvermittlung überhaupt annahmen. In dieser Zahl sind allerdings etwa 50—00 000 Vermittlungen von Kellnervereinigungen und anbetn nicht gewerk­ schaftlichen Arbeitnehmernachweisen inbegriffen. Sie zeigt aber

294 trotzdem, daß der Gewerkschaftsnachweis seine Hauptstützpunkte in einigen wenigen Plätzen hat und für die allgemeine Arbeitsver­ mittlung im ganzen Reiche wenig bedeutet. Endlich sei noch an eine Schwäche des gewerkschaftlichen Arbeits­ nachweises erinnert, nämlich, daß er zum großen Teile nur für die Vermittlung von Aushilfsstellen in Betracht kommt. Es wurde bereits im Eingangskapitel darauf verwiesen. Sie sind besonders häufig bei den Bäckern, Friseuren, Transportarbeitem und vor allem bei den Gastwirtsgehilfen. Von den 177 406 Vermittlungen, die uns von ftei gewerkschaftlichen Arbeitsnachweisen bekannt wurden, waren über 100 000 Aushilfen. Wenn wir für 1908 rund 200 000 Vermittlungen der freien gewerkschaftlichen Nachweise annahmen, so entfallen davon 90 000 allein auf den Verband deutscher Gast­ wirtsgehilfen, und bäumtet waren wieder 86 000 Aushilfen. Was dann von der gewerkschaftlichen Arbeitsvermittlung übrig bleibt, verteilt sich so, daß es eigentlich wenig mehr bedeutet. Welche Schlüsse sind nun aus all dem zu ziehen? Wir konnten im Laufe unserer Abhandlung sehen, daß der gewerkschaftliche Nach­ weis infolge der wirtschaftlichen Entwicklung, sowie der der Gewerk­ schaften eine Vermehrung seiner Vermittlungstätigkeit vornehmen konnte; z. B. hat sie der freigewerkschaftliche seit 1901 etwa ver­ doppelt. Er stagniert also in dieser Richtung nicht, wenngleich er nicht entfernt Schritt halten konnte mit den paritätischen und den Arbeitgebernachweisen. Als Arbeitsvermittlungsstelle genügt er aber nicht, und auch die ihm zugedachten gewerkschaftlichen Aufgaben konnte er nicht erfüllen. Nur in einer kleinen Zahl von Berufen mit wenigen Arbeitem konnte er ausschlaggebend werden. Diese und noch einige andere Berufe, in denen neuerdings die Gründung eigener Nachweise als Antwort aus die bestehenden Arbeitgebernach­ weise propagiert wird, halten am gewerkschaftlichen Nachweis fest. Aus diesen oder agitatorischen Gründen halten, soviel bekannt geworden, auch heute noch von den freien Gewerkschaften die Glas­ arbeiter, Glaser, Kupferschmiede, Tabakarbeiter und Transport­ arbeiter die eigenen Nachweise für die beste Lösung; fakultativ treten auch sie für paritätische Facharbeitsnachweise ein. Bei den christlichen Gewerkschaften sind es einzig die der Heimarbeiterinnen und Kranken-

295 Pfleger, die aus eigenartigen beruflichen Gründen den eigenen Ar­ beitsnachweis vorziehen. Me anderen Gewerkschaften haben aber den eigenen Arbeitsnachweis theoretisch aufgegeben und treten heute Prinzipien für den paritätischen ein. Sie sind also auf dem Standpunkt angelangt, den Rexhäuser bereits auf dem Frankfurter Kongreß (1899) vertrat: daß der gewerkschaftliche Arbeitsnachweis eine Utopie ist, solange trotz des gewaltigen Aufschwunges der Gewerkschaften nur (1908) etwa 20% der Arbeiterschaft organisiert sind. Beschleunigt wurde diese Stellungnahme wohl nicht am wenigsten durch die Ent­ wicklung der Arbeitgebernachweise, die überhaupt anregend auf die Regelung der Arbeitsvermittlung zu wirken scheinen. Auffallen wird es vielleicht, daß die Gewerkschaften die Schaffung der pari­ tätischen Facharbeitsnachweise, also der freiwillig von den beidersei­ tigen beruslichen Jnteressenverbänden gegründeten, den öffent­ lichen (städtischen) Nachweisen vorziehen. Aus den Mitteilungen, die wir von einer großen Anzahl von Berbandsvorständen erhielten, geht hervor, daß nur wenige von den freien Gewerkschaften die all­ gemeinen städtischen Nachweise als Vermittlungsstellen wünschen. Gewöhnlich liegen dann eigenartige Verhältnisse vor, die dies bedingen, wie bei dem Verband der Fabrikarbeiter, der hauptsächlich ungelernte Arbeiter umfaßt, und bei den Friseuren, deren Organisation für paritätische Facharbeitsnachweise zu schwach ist. Unter den freien Gewerkschaften, denen öffentliche Nachweise oder paritätische Fach­ nachweise gleichmäßig erwünscht sind, wären zu nennen: Bildhauer, Metallarbeiter, Schuhmacher. Alle anderen freien Gewerkschaften, also die überwiegende Mehrheit, scheint in erster Linie für die pari­ tätischen Facharbeitsnachweise einzutreten, also die Regelung der Ar­ beitsvermittlung freiwilligem Ermessen überlassen zu wollen. Es scheint hier ein Widerspruch in der Stellungnahme vorzuliegen, da sich doch die Gesamtheit der freien Gewerkschaften, der Gewerk­ schaftskongreß, erst 1908 in Hamburg und 1911 in Dresden für eine reichsgesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises aussprach, die doch öffentliche Arbeitsnachweise zur Folge haben müßte. Wie ist aber eine reichsgesetzliche Regelung denkbar, wenn die meisten Berufe die öffentliche Arbeitsvermittlung als nicht für sie in Betracht kommend behandeln?

296 Im Gegensatz zu den freien Verbänden treten die beiden anderen Gewerkschaftsgruppen, besonders die christlichen Gewerk­ schaften, mehr für die Arbeitsvermittlung durch den öffentlichen Nachweis als durch den paritätischen Fachnachweis ein. Den letzteren wünschen sie meistens nur im Anschluß an die städtischen Nachweise. Maßgebend für diese Stellungnahme ist die Befürchtung dieser Minderheitsorganisationen, bei der Arbeitsvermittlung durch selb­ ständige paritätische Facharbeitsnachweise von den Mehrheitsorgani­ sationen, das sind die freien Verbände, benachteiligt und erdrückt zu werden. Diese gegensätzliche Stellungnahme ist vorläufig besonders scharf in der Holzindustrie hervorgetreten, wo sie auch eingehender erörtert wurde, wird aber auch in anderen Berufen nicht ausbleiben. Im allgemeinen kann man bei allen Gewerkschaften beobachten, daß die Frage der Arbeitsvermittlung nicht mehr schablonenmäßig behan­ delt wird, wie in früheren Jahren, sondern ihre Stellungnahme von den beruflichen, bzw. lokalen Verhältnissen abhängig gemacht wird. Die Arbeitsvermittlung ist ihnen heute, wie es H. Lindemann wünschte, eine Frage der Praxis, aber nicht des Prinzips. Daß die Ansichten über die gesetzliche Regelung des Arbeitsnach­ weises in den Gewerkschaften auch auseinandergehen, zeigt, daß manche sie heute noch nicht für möglich erachten. Ausgesprochen haben dies z. B. Dachdecker, Friseure, Glaser, Tabakarbeiter; von den christlichen Verbänden die Gärtner und Maler. Für eine gesetz­ liche Regelung sprechen sich aus: Fleischer, Gastwirtsgehilfen, Glas­ arbeiter, Maler, Metallarbeiter, Mühlenarbeiter, Schmiede; von den Gewerkvereinen und den christlichen Verbänden nahezu alle. Diese bejahende Antwort wurde meist mit dem übermächtigen Vor­ dringen der Arbeitgebernachweise nwtiviert. Über das Ziel der gesetzlichen Regelung gehen allerdings die Ansichten oft weit aus­ einander; sie wurden bei der Behandlung dieser Berufe vermerkt. Ohne der Frage näher treten zu wollen, ob eine gesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises im Deutschen Reiche schon heute durchführbar ist und gut wäre, ob sie bei den heutigen politischen Verhältnissen überhaupt möglich wäre, sei hier kurz auf England verwiesen. Dort ist die gesetzliche Regelung durchgeführt und trat, von den Gewerk­ schaften sympathisch begrüßt, mit Beginn 1910 in Kraft. Im Lause

297 -desselben Jahres klagte aber schon die Gewerkschaftspresse über Streikbrechervermittlung und Lohndruck durch die staatlichen Arbeits­ nachweise. Diese lauten Klagen wurden am 43. Kongreß der briti­ schen Trade-Unions, September 1910, zu Sheffield wiederum von allen Seiten erhoben und verdichteten sich dann in einer mit großer Majorität angenommenen Resolution, in welcher die friihere freund­ liche Haltung der Gewerkschaften zu den staatlichen Nachweisen in das gerade Gegenteil umschlugt). Inwieweit dies berechtigt war, Bleibe dahingestellt; diese Erfahrungen zeigen aber, daß die staatliche Regelung des Arbeitsnachweises für die gewerkschaftliche Arbeit nicht in allen Punkten ein Segen sein muß. Die deutschen Gewerk­ schaften scheinen ja in der Praxis auf dem richtigsten Wege zu sein, mit Hilfe der Kollektivverträge zur paritätischen und somit zur Re­ gelung der Arbeitsvermittlung zu gelangen. Wo ein ausgebautes Vertragswesen besteht, kann wohl die Schaffung der verlangten paritätischen Facharbeitsnachweise (nach dem Muster der TarifNachweise bei den Buchdruckern) nur eine Frage kurzer Zeit sein. In anderen Bemfen, auch in solchen, die schwer organisierbar sind, wo also die Träger der gemeinsamen Fachnachweise fehlen, wird man trotz einiger Abneigung doch mehr und mehr zur Benutzung der öffentlichen Nachweise gelangen. An diesen wird es nicht zuletzt liegen, ob sie das Vertrauen der Arbeiter in noch viel größerem Maße als bisher erlangen oder nicht. Gerade gegen die Entwicklung der paritätischen Facharbeits­ nachweise scheint eine Rivalität bei den öffentlichen zu bestehen, die ganz und gar nicht berechtigt ist. Die paritätischen Facharbeits­ nachweise stehen den öffentlichen am nächsten und unterscheiden sich von ihnen nur durch die berufliche Gmndlage und die Selbstverwaltung. Beide Momente spielen für die Interessenten eine große Rolle. Der Ruf nach fachmännischer Leitung des Nachweises und nach einer Handhabung, wie sie die Bemfsangehörigen wünschen, und nicht, wie es der Staat oder die Kommune will, wird immer stärker und darf auch nicht ungehört bleiben, wollen wir auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung weiter kommen. Wie überall, so *) Resolution s. Arbeitsmarlt XIV. Nr. 3.

298 muß es auch hier heißen: Der Arbeitsnachweis ist für die Interessenten vorhanden und nicht umgekehrt. Wollen nun dieselben eine berufliche Arbeitsvermittlung mit größerer Selbständigkeit, als es ihnen der städtische Nachweis sein kann, so hat dieser nicht etwa darüber eifersüchtig zu werden, sondern dies Bestreben der Interessenten auf jede mögliche Art zu fördern. Als Gegenforderung hat er nur etwa auf die unter diesen Umständen mögliche Zentralisation der Arbeitsnachweise hinzuwirken, wie dies in vorbildlicher Weise in Berlin und München geschieht. Es mag ja vielleicht die straffe Zen­ tralisation der Arbeitsvermittlung, wie beim Arbeitsamt in Stuttgart, letzten Endes ersprießlicher sein, aber überall liegen die Verhältnisse nicht so günstig wie dort. Auch in ihrem eigenen Wirkungskreise müssen die öffentlichen Arbeitsnachweise noch manches tun, um das uneingeschränkte Verttauen der Interessenten zu gewinnen. Auch hier wird die Forderung nach Berücksichtigung mehr fachlicher Vermittlung, nach mehr kauf­ männischem Geiste und weniger bureaukratischer Handhabung und Verwaltung des Nachweises, wie z. B. Reg.-Rat Dominicus in seinem Referate auf der Breslauer Tagung des Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise (1910) treffend hervorhob, nicht länger von der Hand zu weisen sein. Ein besonderes Augen­ merk wird der Person der Arbeitsvermittler zugewandt werden müssen, an deren Fähigkeiten man hohe Anforderungen stellen sollte. Natürlich dürfen dann die Etats der städtischen Arbeitsnachweise nicht so stiefmütterlich behandelt werden, wie dies heute mit wenigen Ausnahmen der Fall ist, um die Verwalter entsprechend entschädigen zu können und noch Mittel genug zu haben, auch für die äußere und innere Ausgestaltung des Nachweises etwas tun zu können. Die Gewerkschaften im besonderen kommen dann noch mit zwei weiteren Forderungen zu den öffentlichen Nachweisen. Die eine lautet: wie stellt sich der öffentliche Nachweis bei seiner Vermittlungstätig­ keit zu den Arbeitsbedingungen, oder anders formuliert: Wollen die öffentlichen Nachweise die beruflichen Tarifverträge bzw. die ortsüblichen Lohnverhältnisse ihrer Vermittlungstätigkeit zugrunde legen!)? Im allgemeinen kümmern sich die öffentlichen Arbeits*) s. Lindemann, Arbeitspolitik u. Wirtschastspslege S. 126.

299 nachveise um die Arbeitsbedingungen nicht. Sie sagen, unsere Tätigkeit ist die Arbeitsvermittlung; für die Einhaltung der festgesetzen oder gewünschten Arbeitsbedingungen zu sorgen, ist Sache der Gewerkschaften. Den öffentlichen Arbeitsnachweisen blieb daher, wie lies ja jetzt auch in England geschieht, der Vorwurf nicht erspart, daß je den Lohndruck befördern. Gerade dieses Moment, es sei hier betört, ist der größte Antrieb für die Gewerkschaften, die Gründung parititischer Facharbeitsnachweise unter Umgehung der öffentlichen zu verlangen. In den paritätischen Facharbeitsnachweisen spielt natülich die Vermittlung nur zu tariflichen Arbeitsbedingungen, an btren Einhaltung doch nicht nur die Arbeiter, fonbem im selben Maß! auch die organisierten oder tariftreuen Arbeitgeber interessiert sind, die größte Rolle. Bei der fortschreitenden Entwicklung der Miethen Vertragsschließung ist es daher wahrscheinlich, daß die Gewukschaften, aber vielleicht auch die organisierten Arbeitgeber, mit nner entsprechenden Forderung an den öffentlichen Nachweis herartreten und ihr nun viel mehr Nachdruck verleihen werden, als es bicher der Fall war. Heute ist diese Frage noch nicht brennend gewordm. Dagegen ist eine andere wieder in den Vordergrund gerückt, von ler man dachte, daß sie endgültig geregelt und erledigt sei: die Strekklausel *). Kurz sei die Lage hier skizziert. Als die öffentlichen Arbeisnachweise entstanden, forderten die organisierten v Arbeit­ nehmer die sogenannte Streikklausel, d. h. der Arbeitsnachweis sollte bei Arbeitskämpfen seine Tätigkeit einstellen. Einige Nach­ weise entsprachen dieser Forderung; die meisten aber vermittelten bei Dfserenzcn weiter, und es hat sich in der Praxis die Verhaltungsweise der Arbeitsnachweise bei Streiks und Aussperrungen folgender­ maßen gestaltet. Von 121 der größeren öffentlichen Arbeitsnachweise bestinmten 1908: die Einstellung der Vermittlung 9 Nachweise = 7,6%, Weitervermittlung ohne Bekanntgabe der Differenzen 16 Nachweise = 13,4%, Weitervermittlung unter Bekanntgabe der Disse:enzen 96 Nachweise — 80%. Bei der Forderung der Streikklausel übersahen die Arbeiter, daß dieselbe auch unangenehme Kon*i Lindemann, S. 129, ferner: Fr. St. Neumann, Streikpolitik u. Organi­ sation der gemeinnützigen paritätischen Arbeitsnachweise in Deutschland. Fischer, Jena;906.

300 sequenzen haben könne, denn natürlich müßte die Streikklausel auch für ausgesperrte Arbeiter in Anwendung kommen. Als in den letzten Jahren nun die Aussperrungstaktik der Arbeitgeber größere Dimen­ sionen annahm, wurde bei den Gewerkschaften nicht mehr so laut die Streikklausel gefordert, sondern sie ergaben sich in den jetzigen Zustand der Weitervermittlung unter Bekanntgabe der Differenzen. Praktisch wurde dies so gehandhabt, daß die dem Arbeitsnachweis gemeldeten Differenzen entweder auf einer Tafel vermerkt wurden oder, was meist geschah, die Arbeiter wurden bei Vermittlungen von Stellen in solchen Betrieben vom Vermittler besonders auf die bestehenden Differenzen hingewiesen. Diese Handhabung fand aber nicht den Beifall der Arbeitgeber. Sie hielten dieses Vorgehen nicht für neutral und verlangten nun die Mitteilung, ob die ihnen zuge­ wiesenen Arbeiter aus Betrieben kämen, in welchen Differenzen be­ ständen. Einer Auseinandersetzung mit diesen Forderungen konnten die öffentlichen Arbeitsnachweise nicht länger aus dem Wege gehen, und sie kam auch auf dem Breslauer Verbandstag des Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise (September 1910) zustande, wo von den Referenten über die einseitigen Arbeitsnachweise Dr. G. Keßler und Reg.-Rat Dominicus diese Frage angeschnitten wurde. Beide Referenten sprachen sich dahin aus, daß es für die öffentlichen Arbeitsnachweise kein Neutralitätsbruch sei, wenn sie diesem Verlangen der Arbeit­ geber nachgäben, und alle Redner, mit Ausnahme der Gewerkschafter, stimmten diesem Standpunkt zu. In der Arbeiter- und Gewerk­ schaftspresse wurde dieser Vorfall erregt besprochen, der VIII. Kon­ greß der Gewerkschaften Deutschlands (Dresden, Juni 1911) und die Berliner Gewerkschaftskommission befaßten sich mit ihm und letztere nahm in einer scharfen Resolution dagegen Stellung. Es ist sehr schwer, gerade in dieser Frage eine befriedigende Lösung zu finden. Eigentlich scheint die Möglichkeit nur bei den paritätischen Facharbeitsnachweisen vorhanden zu sein, wo das Ver­ halten der Nachweise bei Differenzen im engen Zusammenhang mit den tariflichen Schlichtungskommissionen geregelt worden ist. Ver­ wiesen sei hier auf die Buchdmcker und das Regulativ der Holz­ industrie. Solange nicht allgemeine obligatorische Einigungsämter bestehen, wird der Streit fortdauem. Doch sei hier gesagt, daß das

301 jetzige Verhalten der öffentlichen Arbeitsnachweise, die Mitteilung nur an Arbeiter zu machen, doch nur ein einseitiges genannt werden kann. Die Arbeitgeber haben eben dieselben Rechtsansprüche, bei Arbeitskämpfen nicht getäuscht zu werden, wie die Arbeiter. Ver­ bietet es dem Arbeiter sein Ehrgefühl und Klassenbewußtsein, seinem kämpfenden Kollegen nicht in den Rücken zu fallen, so muß er das­ selbe auch den Untemehmem einräumen. Gerade der Teil der Arbeiterschaft, welcher auf dem Boden des Klassenkampfes steht, sollte von öffentlichen Organen nicht eine einseitige Bevorzugung und Besserstellung verlangen, gegenüber seinem Gegner. Und als eine Bevorzugung erschien eben der heutige Zustand. Trotz alledem kann und darf man nicht so weit gehen, wie es die Referenten vor­ schlugen und wie es nun vielleicht von den öffentlichen Nachweisen gehandhabt werden soll. Dem Arbeitgeber mitzuteilen, die ihm zu­ gewiesenen Arbeiter kommen aus bestreikten Betrieben oder sind ausgesperrt, das wäre nichts anderes als die öffentliche schwarze Liste. Für die Arbeiterschaft wäre es da viel günstiger, der Arbeits­ nachweis kümmerte sich überhaupt nicht um Streiks und Aussper­ rungen und überließe den beiderseitigen Organisationen, die Bemfsangehörigen über das Bestehen der Differenzen aufzullären, auf eine Art, die ihnen am besten paßt. Eine beide Teile befriedigende Lösung scheint aber hier, wie auch in manchen anderen Fragen der Arbeitsnachweise fast ausge­ schlossen. Aus diesem Grunde wird es immer wahrscheinlicher, daß die weitverbreitete Meinung, man könne durch paritätische Arbeits­ nachweise eine völlig neutrale Arbeitsvermittlung erzielen, nur ein schöner Traum ist. Man dachte daran, durch diese Arbeitsnachweise die Arbeitsvermittlung ganz den sozialen Kämpfen entziehen zu können. Dies wird man kaum erreichen. Auch bei den hochent­ wickelten Tarifarbeitsnachweisen der Buchdrucker geht es ohne Heine Reibungen nicht ab, die sich sicher verstärken würden, wenn nicht Arbeitgeber und Arbeiter bis an die Zähne bewaffnet einander gegenüberständen. Auch die öffentlichen Nachweise werden kaum einen Mittelweg finden, den sie zur vollständigen Befriedigung beider Teile gehen könnten. Das sieht man ja am besten jetzt wieder bei der erneuten Diskussion über das Verhalten bei Streiks und

302 Aussperrungen. Gehen sie den Arbeitgebem auch nur einen Schritt entgegen, so hat dies die Abkehr der Arbeitersympathien zur Folge und umgekehrt. Den Kampf um den Arbeitsnachweis, bzw. um den Einfluß im Arbeitsnachweis werden also die paritätischen Arbeits­ nachweise auch nicht beenden, wohl aber werden sie imstande sein, die Reibungsflächen so weit zu verringern, daß die Arbeitsvermittlung nicht fortwährende Schädigung erfährt. Bon einer befriedigend funktionierenden Arbeitsvermittlung sind wir heute noch weit ent­ fernt, und es ist unwahrscheinlich, ob eine gesetzliche Errichtung von paritätischen Arbeitsnachweisen — wenn sie nicht mit Benutzungs­ zwang ausgestattet sind — eine große Ändemng bringen würde. Die chaotischen Zustände auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung müssen erst reformiert werden, und dies scheint nur sehr langsam vor sich zu gehen. Bei Arbeitgebem und Arbeitnehmern ist hier eine große Erziehungsarbeit zu leisten; beide Teile müssen nach und nach an die Arbeitsnachweise gewöhnt werden. Nicht unerwähnt darf die große Funktion der Arbeitgebernachweise bleiben, die durch ihr Obligatorium viel zur Einbürgemng der geordneten Arbeits­ vermittlung beigetragen haben. Auf der andem Seite sind es wieder die Gewerkschaften, die unermüdlich die Arbeiter auf Abkehr von der ungeregelten Arbeitsvermittlung und zur Benutzung der Arbeits­ nachweise bringen wollen. Den gemeinsamen Weg int paritätischen Arbeitsnachweis haben beide ja leider noch nicht gefunden; es sieht im Gegenteil heute so aus, als würden sie sich immer weiter von­ einander entfernen. Neue und erbitterte Kämpfe um den Arbeits­ nachweis scheinen bevorzustehen, wodurch aufs neue dokumentiert würde, daß der Arbeitsnachweis von den sozialen Kämpfen nicht zu trennen ist. Es steht aber doch zu hoffen, daß es einst so kommen wird, wie es einer der namhaftesten Gewerkschaftsführer formu­ lierte: Ein Jahrzehnt, vielleicht etwas länger, wird wohl dieser Kampf noch dauem, dann werden auch die Arbeitgeber zur Einsicht kommen, daß der gemeinsam geführte Nachweis im Interesse beider Teile liegt.

303

Muster der wichtigsten, bei den Gewerkschafts-Arbeitsnach­ weisen gebräuchlichen Formulare*). Reklame. Zentral-Verband christlicher Holzarbeiter Deutschlands (Zahlstelle Köln). | Büro: Palmstraße

Ü7

| Telephon Nr. 3210. |

Arbeits -Nachweis.

PP. Hiermit erlauben wir uns. Sie auf unsern Arbeits-Nachweis aufmerksam zu machen, und ersuchen um gefällige Benutzung desselben. Wir vermitteln: Schreiner, Stellmacher, Bürstenmacher, Maschinenhreiner, Modellschreiner, Sattler, Polsterer und Tapezierer, sowie alle in er Holzbranche beschäftigten Arbeiter. Die von uns angewiesenen Gehilfen sind mit einer Arbertsnachweiskarte versehen. Achtungsvoll

E

Der Borstand. Karten-System. Arbeitsnachweis der Maler, Lackierer u. Weißbinder in Frankfurt am Main.

Gesuch um Zuweisung von Arbeit.

KontrollMeldungen:

Vorm. Nachm.

Zu- urd Vorname: geborer am.......... ten........................ 18....... zu eingetreten am............................................................................. Gelernter Beruf:............ , Familienstand: Sucht Arbeit als....................................................................... Wohnmg:.................................................................................... Letzte Arbeitsstelle:................................................................... Frmkfurt a.M., den......... ten............................... 190 Arbeit rachgewiesen am............................................................. an die Firma............................................................................. Bemerkungen:

’)®$ fehlt hier nur ein Muster für da- einfache Buch- ober Listensystem.

i I..........

304 Koutroll-Karte (der Arbeitsuchenden).

Filiale München.

Bormerkschein vom

Arbeitsnachweis des Tapezierer-Verbandes. Name:.............................................................................................................................. Wohnung: ..................................................................................................................... Arbeitslos seit: ............................................................................................................ Ausgestellt am: ...............................................................................................190 Montag

Dienstag

i

Mittwoch

Donners­ tag



Freitag

SamStag

--------------- ---

i

Die Arbeitsvermittlung geschieht nur Wochentags vormittag- von 9 -iS 9 Vs Uhr «mb nachmittags 5 Uhr tm .Restaurant Königsbauer*, Müllerstratze 28. Telephon 21171. Umschauen verboten. — Jede außerhalb deS BerbandSnachweiseS erhallene Stelle muß dem Arbeitsnachweisführer vor Antritt gemeldet werden.

Zettel-System (geheftet). (Zentral-Verband der Glaser.) No...............

No. Arbeitsangebot des Glaser­ meisters aus für einen........................................... (Art der Beschäftigung.) Datum

180 Der Kontrolleur:

Arbeitsnachweis der Glaser. Unterzeichneter weist hierdurch dem Glasergehilfen ......................... Arbeit an bei Herrn Glasermeistrr ............................in.............................. laut Gesuch vom........................... Ausgestellt am

Obengenannte Stelle wurde am Heutigen Lage durch Kollegen, beschickt. Derselbe/ «tngestellt. wnrde (nicht eingestellt: warum? Datum

190 -

Obenaen. / eingestellt, wurde X nicht eingestellt: warum? Unterschrift de- Arbeitgeber-: Der Kontrolle»»:

190... Der Kontrolleur:

Dieser Schein muH binnen 2 Tagen zurückgebracht werden.

305

Bestell-Karte (der Arbeitgeber). AusgangsNummer

^

Arbeits-Nachweis des Deutschen Holzarbeiter-Verbandes (für Bürstenmacher, Drechsler, Korbmacher, Korkschneider, Stellmacher, Tischler u.verw. Berufe).

Zahlstelle In meinem Geschäft ist die Stelle von ...........Gesellen auf „

(Zahl)

...................................... zu besetzen. (Art der Arbeit)

Besondere Bemerkungen:

.................. den..............................190........................................................... (Ort)

(Datum)

(Unterschrift deS Arbeitgebers)

SV* Indem wir die Herren Arbeitgeber um gefällige Benützung unseres Arbeits-Nachweises (derselbe befindet stch.........................................) freundlichst ersuchen, zeichnet hochachtungsvoll Die Kommission.

Zuweisungs-Karte (der Arbeiter).

Arbeitsnachweis der Maler, Lackierer und Weißbinder Allerheiligenstraße 51, III.

Telephon 1281.

Die Zuweisung der Gehilfe« erfolgt nur zu den Lohn- und Arbeitsbedingungen deS vereinbarten Lohntarifs.

Arbeitskarte No............für den..................................................... Gehilfe» .................................................................. derselbe wurde von uns angewiesen, bei der Firma ..................................................................... .................. ............... um Arbeit nachzusuchen. Die Einstellung oder Nichteinstellung bitten wir unten zu bestätigen. Frankfurt a. M., den................................... 190 Inhaber dieser Karte wird — nicht — eingestellt am (Da6 Nichtzutreffende Ist durchzustreichen) (Unterschrift)

Diese Karte ist von dem Arbeitsuchenden sofort persönlich oder durch die Post an umstehende Adresse zurückzubefördern. N t ch a l r e, Arbeitsnachweis.

306 Monatsberichts - Karte. (Allgemeiner Deutscher Gärtnerverein.)

Formular zur Mitteilung über die Lage des Arbeitsmarktes. Ort:................................................. Datum:.........................

............

Arbeitslos waren am l.d.Mts........Kollegen; am 15. d.M------ Kollegen, i. Hiervon zugereist von anderen Orten 3

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gemeldet,........Stellen besetzt. Ist Aussicht vorhanden, daß Zureisende e bald Arbeit erhalten?..........

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Ist vor Zuzug nach dorthin dringend zu warnen?........... Werden in dm n umliegenden Orten Arbeitskräfte gesucht und wo?.....................................

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Sonstige Bemerkungen:

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Unterschrift:.................................................

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Quartalsberichts -Karte. (Zentralverein der Bildhauer.)

Quartal öbericht an die Zentral-Stellenvermittlung für die Zeit vom............................................bis ..........................................190......

4irod. Offene Stellen £ bezw. Div. Anzahl der Sehilsen 5 s ötpßb. Im vor.Quart-unerled. geblieb, und nun besetzt Am Orte eingegangen im laufenden Quartal Sofort örtlich besetzt An^die Zentrale über-" wiesen*)............ Nachträglich örtlich besetzt................... Zurückgezogen bezw. anderweitig besetzt Nicht berücksichtigt wurden...... Verbleiben noch zu er­ ledigen ............... *) d. h. von den Stellen, die örtlich nicht besetzt werden konnten. Oitt und Datum.

1 $ Arbeitslose

Vomvor. Quart.ar--1 beitSloS verblieben JuSgesamt. I ß § S davon zugec?CI ä reift....... 1 c vondZentralel «•» überwiesen . . 5*5 durch d.SrUiche Vermittlung. ^ «* anderweitig.. Durch- bzw. abge­ reist ohne Stellung Gestrichen, weil n. abgemeldet....... verbleiben arbeitSl. WämV'beS

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Mod.

bezw. Div.v. 5 VipSb

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