Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gem. §134 InsO 9783161549977, 9783161549984, 316154997X

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Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gem. §134 InsO
 9783161549977, 9783161549984, 316154997X

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil A: Entwicklung der Grundlagen für die Auslegung des § 134 InsO
Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des § 134 InsO in Rechtsprechung und Literatur
I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung
1. Bestimmung des Anfechtungsgegners anhand der objektiven Vorteilsverschaffung
2. Die Unentgeltlichkeit als Ergebnis eines objektiven Vermögens-vergleichs
a) Die Bewertungsgrundlagen des objektiven Vermögens-vergleichs
aa) Maßgebliche Perspektive
bb) Taugliche Gegenwerte
cc) Tatsächlich eingetretene Vermögensveränderung
b) Subjektive Merkmale als Korrektiv des rein objektiven Prüfungsmaßstabs
3. Fazit und Kritik
II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers
1. Verständnis der Unentgeltlichkeit nach dem rechtsgeschäftlichen Modell
2. Der Begriff der materiellen Causa
a) Charakter und Funktion der materiellen Causa als Festlegung des materiellen Geschäftszwecks
aa) Die Verwirklichung der materiellen Causa durch Hilfsgeschäfte
bb) Verhältnis der materiellen Causa zum Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB
cc) Fazit zum Charakter und zur Funktion der materiellen Causa
b) Die Unentgeltlichkeit als Oberbegriff für eine Gruppe von materiellen Geschäftszwecken
3. Fazit und Kritik
III. Die vermittelnden Konzepte
1. Forderung eines Freigebigkeitswillen des Schuldners
2. Voraussetzung eines gemeinsamen Unentgeltlichkeitsbewusstseins
3. Anknüpfung an die übereinstimmende Zwecksetzung der Parteien
4. Fazit und Kritik
IV. Zwischenfazit
1. Gegenüberstellung der Grundmodelle und Analyse
2. Ausblick auf die weitere Prüfung
Kapitel 2: Die historischen und teleologischen Grundlagen des § 134 InsO und seine systematischen Bezüge
I. Die historische Entwicklung des § 134 InsO
1. Die Schenkungsanfechtung im römischen Recht
2. Die Entwicklung im deutschen Rechtsraum bis zur Einführung der Reichsjustizgesetze
a) Die Schenkungsanfechtung im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863
b) Die Entwicklung der Schenkungsanfechtung im preußischen Recht
c) Zwischenergebnis
3. Die Konkursordnung vom 1. Februar 1877
a) Die Interpretation des § 25 KO a.F. in der frühen Literatur
b) Das Urteil des Reichsgerichts vom 27. November 1883
4. Die weitere Entwicklung bis zur heutigen InsO
5. Fazit
II. Die teleologischen Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung
1. Die Anfechtung als Instrument zur Sicherung einer funktionie-renden Haftungsordnung
2. Die Rechtfertigungsbedürftigkeit der Anfechtung
3. Die Rechtfertigung der Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen
a) Allgemeine Billigkeitserwägungen als unzureichende Begründung
b) Die geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs als rechtfertigender Grund?
aa) Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs in den verwandten Normen des BGB
(1) Die Verfügung eines Nichtberechtigten gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
(2) Die Nutzungen des unentgeltlichen Besitzers gem. § 988 BGB
(3) Herausgabepflicht des unentgeltlich erwerbenden Dritten gem. § 822 BGB
(4) Die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen, §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB
bb) Vergleich mit der Interessenlage des § 134 InsO
cc) Zwischenergebnis
c) § 134 InsO als Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens
4. Fazit
III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO mit rechtsvergleichendem Blick auf das österreichische Recht
1. Das Verständnis der Unentgeltlichkeit in den verwandten Vorschriften des bürgerlichen Rechts
a) Das schenkungsrechtliche Verständnis der Unentgeltlichkeit
b) Das Verständnis der Unentgeltlichkeit im Bereicherungsrecht
aa) Herausgabepflicht bei Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
bb) Durchgriffshaftung gem. § 822 BGB
c) Die unentgeltliche Besitzerlangung i.S.d. § 988 BGB
d) Die unentgeltliche Verfügung i.S.d. §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB
2. Der Begriff der freigiebigen Zuwendung i.S.d. § 7 ErbStG
3. Rechtsvergleichender Blick auf den Begriff der „unentgeltlichen Verfügung“ im österreichischen Anfechtungsrecht
4. Fazit
Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO
I. Überprüfung der verschiedenen Ansätze zur Auslegung der Unentgeltlichkeit
1. Stellungnahme zum objektiven Ansatz der herrschenden Meinung
2. Stellungnahme zu Fischers rechtsgeschäftlichem Ansatz
3. Zwischenergebnis
II. Die Grundlinien zur Auslegung des § 134 InsO
1. Schenkungen und schenkungsähnliche Zuwendungsvorgänge als Leitbild des objektiven Tatbestands des § 134 InsO
2. Die subjektiven Anforderungen an die Auslegung des § 134 InsO
a) Erfordernis eines subjektiven Elements auf Schuldnerseite
aa) Inhalt und Bedeutung des subjektiven Elements
(1) Maßgeblicher Bezugspunkt des subjektiven Elements auf Schuldnerseite
(2) Inhaltliche Reichweite des subjektiven Elements
bb) Nachweis des subjektiven Elements
b) Die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite
aa) Unergiebigkeit der Analyse der historischen und systematischen Bezüge des § 134 InsO
bb) Entscheidung auf Grundlage teleologischer Erwägungen
(1) Keine positive Kenntnis des Empfängers von der Unentgeltlichkeit
(2) Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite?
(a) Keine Vorgabe durch die Wertungsgrundlagen des § 134 InsO
(b) Abwägungsentscheidung
cc) Fazit zu den subjektiven Anforderungen auf Empfänger-seite
c) Ergebnis
III. Die Wesensmerkmale der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO
Teil B: Der Tatbestand der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO
Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO
I. Die Funktion des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO
II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses für die Ausdeutung des § 134 InsO?
1. Das Verständnis der Leistung im bürgerlich-rechtlichen Sinne
2. Übertragbarkeit des zivilrechtlichen Leistungsverständnisses auf die Leistung i.S.d. § 134 InsO?
3. Ergebnis
III. Die Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung des Schuldners i.S.d. § 134 InsO
1. Der Zuwendungsbegriff als Anknüpfungspunkt für die Entwicklung der Wesensmerkmale der Leistung im anfechtungsrechtlichen Sinn
2. Zuwendung als Ausübung privatautonomer Gestaltungsfreiheit
a) Vorteilsverschaffung im Rahmen des privatrechtlichen Rechtsverkehrs
b) Zuordnung der Entscheidung zum vermögensrechtlichen Bereich
c) Freiwilligkeit der Zuwendung
3. Anforderungen an den Vorteil auf Empfängerseite
a) Die verschiedenen Formen der Bereicherung im allgemeinen Zivilrecht
b) Stellungnahme
c) Schlussfolgerungen für die ausgleichsbedürftige Zuwendung i.S.d. § 134 InsO
aa) Zuwendungsgegenstand in Form eines vermögenswerten Vorteils
bb) Materieller Charakter des Vermögensvorteils auf Empfängerseite
cc) Erfordernis eines endgültigen Vermögensvorteils auf Empfängerseite
d) Ergebnis
4. Die Vermögensbetroffenheit auf Seiten des Schuldners
a) Vermögensbetroffenheit auf Seiten des Zuwendenden als Wesensmerkmal der materiellen Zuwendung?
b) Parallelität zwischen schenkungsrechtlicher Entreicherung und Gläubigerbenachteiligung
c) Ergebnis
5. Subjektive Anforderungen an den Zuwendungsvorgang
a) Subjektive Anforderungen auf Seiten des Schuldners
aa) Zuwendungswille und Zuwendungsbewusstsein
bb) Wille zur materiellen Bereicherung des Empfängers
cc) Nachweis der subjektiven Voraussetzungen auf Schuldner-seite
b) Erkennbarkeit der Zuwendung auf Empfängerseite?
aa) Erkennbarkeit von Zuwendungsbewusstsein und Zuwendungswillen
bb) Erkennbarkeit der bereichernden Wirkung der Zuwendung?
cc) Erkennbarkeit der Person des Zuwendenden?
c) Ergebnis
6. Zusammenfassung
IV. Die anfechtbaren Rechtshandlungen bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs
1. Die eigenständige Anfechtbarkeit der Einzelschritte bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs
a) Forderungsbegründung als Anknüpfungspunkt der Anfechtung?
b) Anfechtung des Gesamtvorgangs als Einheit?
c) Stellungnahme
d) Ergebnis
2. Die anfechtungsrechtliche Beurteilung der Abwicklungsgeschäfte im Rahmen des § 134 InsO
a) Die Verpflichtungsbegründung als anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO
aa) Anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO
bb) Gläubigerbenachteiligung
b) Die Anfechtbarkeit von Erfüllungsleistungen des Schuldners
aa) Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur
bb) Stellungnahme
(1) Argumente gegen die Rechtsprechungslösung
(2) Die Einordnung von Erfüllungsleistungen nach dem hier vertretenen Modell
(3) Kritik an der Gegenansicht der Literatur (sog. Forderungslösung)
cc) Sonderfälle der Erfüllungsleistung
(1) Die Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit im Stadium der materiellen Insolvenz
(2) Die ‚Erfüllung’ einer Naturalobligation oder einer verjährten Forderung
dd) Ergebnis
c) Die Anfechtbarkeit von Leistungen zur Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit
aa) Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur
bb) Stellungnahme
(1) Die Beurteilung von Sicherungsleistungen nach dem hier vertretenen Modell
(2) Weitere Argumente gegen eine selbstständige Entgeltbewertung der Sicherheitsleistung
cc) Ergebnis
3. Notwendige Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene?
a) Meinungsstand zur Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Rahmen des § 134 InsO
b) Stellungnahme
aa) Einbeziehung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Tatbestand des § 134 InsO
bb) Dogmatische Begründung
(1) Ablehnung der Zurechnungslösung
(2) Kein genereller Verzicht auf die Schuldnerbeteiligung im Rahmen des § 134 InsO
(3) Erforderlichkeit einer Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene?
c) Ergebnis
V. Fazit zum Leistungsbegriff des § 134 InsO
1. Bedeutung und grundsätzliches Verständnis des Leistungsbegriffs
2. Überblick über die anfechtbaren Rechtshandlungen
a) Handgeschäfte und Leistungen auf reine Rechtsgrundabreden
b) Causalose Zuwendungen
c) Abwicklungsgeschäfte
Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO
I. Die Grundsätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit
1. Das weite Verständnis der Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 134 InsO
2. Unentgeltlichkeit als Fehlen einer kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung
3. Die subjektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit
a) Die subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite
b) Die subjektiven Voraussetzungen auf Empfängerseite
4. Die Prüfung der Unentgeltlichkeit
5. Der Zeitpunkt der Entgeltbewertung
6. Ergebnis
II. Die Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung des Empfängers
1. Die Grundvoraussetzungen einer ausgleichsgeeigneten Gegenleistung
a) Gegenleistung als selbstständiges Entgegenkommen im Interesse des Schuldners
aa) Tätigwerden
bb) Förderung der Interessen des Schuldners
cc) Echtes Zugeständnis des Empfängers
(1) Kein echtes Zugeständnis bei bloßer Fortführung einer bereits ausgeübten Tätigkeit
(2) Kein echtes Zugeständnis bei bereits bestehender Verpflichtung des Begünstigten
dd) Selbstständigkeit der Gegenleistung
(1) Die Abgrenzung zwischen Gegenleistung und Auflage i.S.d. § 525 BGB
(2) Die Folgen der Anfechtung einer Schenkung unter Auflage
b) Die objektiv-normative Grenze der Entgelttauglichkeit der Gegenleistung
aa) Das Verständnis der Entgelttauglichkeit als Mittel zum Schutz der Gläubiger in Rechtsprechung und Literatur
(1) Einschränkung der Entgelttauglichkeit in Drittbegünstigungsfällen
(2) Einschränkung der Entgelttauglichkeit anhand der Qualität des verschafften Vorteils
(3) Zwischenergebnis
bb) Die Entgelttauglichkeit als Mittel zum Schutz vor missbräuchlichen Parteiabsprachen
(1) Vorrang der verständigen Auslegung der Parteiabsprache
(2) Grenze der Entgelttauglichkeit bei unbewertbaren ideellen Vorteilen
c) Ergebnis
2. Die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung
a) Die verschiedenen Arten der Verknüpfung
b) Wirksame Verknüpfung anstatt Erfolgskontrolle
c) Möglichkeiten zur nachträglichen Herstellung der Verknüpfung
aa) Abgrenzung der nachträglichen Vergütung von der remuneratorischen Schenkung
bb) Nachträgliche Vereinbarung der Entgeltlichkeit
(1) Grundsätzliche Möglichkeit eines Austauschs der Causa
(2) Interessenlage im Anfechtungsrecht
(3) Abgrenzungskriterien zur remuneratorischen Schenkung
cc) Vereinbarung einer offenen Causa
(1) Der Entgeltcharakter von Leistung und Gegenleistung bei der offenen Causa
(2) Die nachträgliche Vergütung von Diensten als Anwendungsfall der offenen Causa
(3) Die Ausgestaltung der Gegenleistung als Naturalobligation
d) Ergebnis zur Verknüpfung
3. Die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung
a) Der Maßstab zur Abgrenzung von teilweise unentgeltlichen und voll entgeltlichen Zuwendungen
aa) Die Untauglichkeit des objektiven Äquivalenzkriteriums
bb) Geltung des Maßstabs der subjektiven Äquivalenz
cc) Erweiterung der Grenzen der subjektiven Äquivalenz
(1) Anfechtung bei Kenntnis des Schuldners vom Missverhältnis
(2) Keine Anwendung des § 134 InsO bei Irrtum des Schuldners über die Wertrelation
dd) Ergebnis
b) Die Behandlung teilweise unentgeltlicher Leistungen auf Rechtsfolgenseite
III. Die Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung
1. Die Rechtslage im Schenkungsrecht
2. Die Bedeutung der Freigebigkeit für die Anfechtung gem. § 134 InsO
a) Wegfall der Freigebigkeit aus persönlich-moralischen Gründen
b) Wegfall der Freigebigkeit aus wirtschaftlichen Gründen
3. Ergebnis
Kapitel 3: Überblick über die Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen der Unentgeltlichkeitsanfechtung
I. Leistung des Schuldners
II. Unentgeltlichkeit
III. Die Rechtsfolgen der Anfechtung gem. § 134 InsO
Teil C: Anwendung auf aktuelle Problemkonstellationen
Kapitel 1: Die Anfechtbarkeit rechtsgrundloser Leistungen des Schuldners gem. § 134 InsO
I. Die Beurteilung irrtümlich rechtsgrundloser Schuldnerleistungen
1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur
2. Stellungnahme
a) Subsumtion der irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung unter das entwickelte Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung
b) Überzeugungskraft des gefundenen Ergebnisses
c) Der Sonderfall der irrtümlich rechtsgrundlosen, aber sittlich gebotenen Leistung gem. § 814 Alt. 2 BGB
3. Ergebnis
II. Der Sonderfall der bewusst rechtsgrundlosen Leistung gem. § 814 Alt. 1 BGB
1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur
2. Stellungnahme
a) Die bewusste Leistung auf eine Nichtschuld als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO
b) Zulassung einer Aufrechnung gegen den Anfechtungsanspruch?
aa) Stellungnahme zur Argumentation des BGH
(1) Keine Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO
(2) Anforderungen an die Herstellung einer Aufrechnungslage gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 134 InsO
bb) Kein Grund zur Gleichstellung des Anfechtungsgegners mit einem üblichen Bereicherungsschuldner
cc) Zwischenergebnis
3. Fazit
Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeitsanfechtung bei der Tilgung und Sicherung fremder Verbindlichkeiten
I. Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten
1. Die Grundsätze der herrschenden Meinung
a) Die maßgebliche Perspektive zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit
b) Bestimmung der Unentgeltlichkeit auf Seiten des Forderungsgläubigers
c) Ergebnis
2. Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung
a) Dogmatische Bedenken
b) Schlechterstellung des Forderungsgläubigers
c) Rein zufallsabhängige Besserstellung der Gläubiger des Dritten nach der neuen Rechtsprechungslinie des BGH
d) Entstehung einer unbefriedigenden Konkurrenzsituation durch die neue Rechtsprechungslinie des BGH
3. Abweichende Lösungsvorschläge in der Literatur
a) Kritik am Maßstab zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit
aa) Die abweichenden Konzepte für die grundlegende Bestimmung der Unentgeltlichkeit
bb) Die Forderungslösung
cc) Zwischenergebnis
b) Kritik am einschränkungslosen Direktdurchgriff
aa) Direktdurchgriff nur bei echten Drittleistungen i.S.d. § 267 BGB
bb) Ausklammerung echter Anweisungsfälle aus dem Direktdurchgriff
c) Teleologische Reduktion der Schenkungsanfechtung
d) Ergebnis
4. Eigene Lösung
a) Die materiellen Zuwendungsbeziehungen bei der Tilgung einer fremden Schuld
aa) Der materiell Begünstigte der Tilgungsleistung des Dritten
(1) Grundsatz: Der Forderungsschuldner als materiell Begünstigter der Drittleistung
(2) Der Sonderfall der Tilgung einer fremden, wertlosen Verbindlichkeit
(a) Die Voraussetzungen für eine vollständige Wertlosigkeit der Forderung
(b) Zwischenergebnis
bb) Die subjektiven Anforderungen an die materielle Zuwendungsbeziehung
(1) Kenntnis des Dritten von der Wertlosigkeit der Forderung
(2) Auswahl des Forderungsgläubigers als materiell Begünstigten der Zuwendung
(3) Zwischenergebnis
cc) Ergebnis
b) Der Zugriff der Gläubiger des Dritten auf den Forderungsgläubiger in der Doppelinsolvenz
aa) Voraussetzungen für den Direktdurchgriff auf den Gläubiger
(1) Anfechtbarkeit bei hypothetischer Eigenleistung des Forderungsschuldners
(2) Anfechtungsrecht der Gläubiger des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner
bb) Rechtliche Einordnung
c) Ergebnis
II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten
1. Die Bestellung der Drittsicherheit als unentgeltliche Leistung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer
a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur
aa) Der Standpunkt der Rechtsprechung
bb) Abweichende Stellungnahmen in der Literatur
b) Eigene Stellungnahme
aa) Materielle Zuwendungsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer
(1) Zuwendungsbeziehungen bei direkter Sicherungsbestellung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungs-nehmer
(a) Charakter als bedingte materielle Zuwendung
(b) Anwendbarkeit des § 134 InsO auf bedingte materielle Zuwendungen
(c) Stellungnahme zu den Gegenansichten in der Literatur
(2) Zuwendungsbeziehungen bei eigener Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Hauptschuldner
bb) Der Entgeltcharakter der Drittsicherungsabrede
(1) Maßstab für die Äquivalenz
(2) Die Entgeltbewertung bei der anfänglichen Drittsicherheit
(3) Die tauglichen Gegenleistungen bei der nachträglichen Drittsicherheit
(4) Zwischenergebnis
c) Ergebnis
2. Die Anfechtungsmöglichkeiten bei Befriedigung des Sicherungsnehmers durch den Sicherungsgeber
3. Ergebnis
Fazit
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Studien zum Privatrecht Band 60

Julia Held

Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gemäß § 134 InsO

Mohr Siebeck

Julia Held, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg; 2011 Erste juristi­ sche Staatsprüfung; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Insolvenzrecht an der Ruprecht­Karls­Universität Heidelberg; 2016 Promotion; 2014–2016 Rechtsreferendariat am Landgericht Mannheim.

e­ISBN PDFF 978­3­16­154998­4 ISBN 978­3­16­154997­7 ISSN 1867­4275 (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab­ rufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­ halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier ge­ druckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 als Dissertation an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommen. Sie wurde im Zeitraum von 2011 bis 2015 am Lehrstuhl für bürgerliches Recht und Insolvenzrecht erstellt und dabei von einem Stipendium der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg unterstützt. Es wurde nach Kräften versucht, relevante Rechtsprechung und Literatur bis zum 31. Oktober 2016 zu berücksichtigen. Danken möchte ich an dieser Stelle meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Piekenbrock. Ohne seine ansteckende Begeisterung für die Rechtswissenschaft wäre diese Arbeit wohl nie entstanden. Die Mitarbeit an seinem Lehrstuhl hat meinen juristischen Horizont erheblich erweitert und die dort gesammelten Erfahrungen werden meinen weiteren Lebensweg positiv prägen. Ich danke ihm für die Freiheit, die er mir bei der Anfertigung dieser Dissertation gelassen hat, sowie für sein stetes Vertrauen in den erfolgreichen Abschluss der Arbeit. Herrn Privatdozenten Dr. Jan-Felix Hoffmann danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus danke ich meiner Lehrstuhlkollegin und lieben Freundin Friederike Dorn für die schöne gemeinsame Zeit in unserem Lehrstuhlbüro, ihre Unterstützung auch in Zeiten, in denen kein Ende in Sicht schien, sowie ihre hilfreichen Anmerkungen beim Korrekturlesen der Arbeit. Ein großes Dankeschön gebührt darüber hinaus meiner Freundin Verena Rieke für das sorgfältige Korrekturlesen und die vielen nützlichen Anmerkungen. Mein besonderer Dank gilt schließlich meinem Mann Alexander Held. Er hat mich in jedem Stadium der Dissertation bedingungslos unterstützt und in schwierigen Zeiten stets an den Erfolg meiner Arbeit geglaubt. Ich bin sehr glücklich, ihn nun fast schon die Hälfte meines Lebens an meiner Seite zu haben. Darüber hinaus möchte ich mich bei meinen Eltern, Monika und Johannes Brüseke, dafür bedanken, dass sie nicht nur meine juristische Ausbildung überhaupt erst möglich gemacht haben, sondern mir im Endstadium der Dissertation einen Rückzugsort zum konzentrierten Arbeiten geboten und die Veröffentlichung der Arbeit großzügig gefördert haben.

Mannheim, den 30.10.2016

Julia Held

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Vorwort ........................................................................................................ V

Einleitung................................................................................................... 1 Teil A: Entwicklung der Grundlagen für die Auslegung des § 134 InsO ................................................................................................15 Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des § 134 InsO in Rechtsprechung und Literatur ..................................................................16 I.

Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung .............................17 1. Bestimmung des Anfechtungsgegners anhand der objektiven Vorteilsverschaffung..........................................................................17 2. Die Unentgeltlichkeit als Ergebnis eines objektiven Vermögensvergleichs ..........................................................................................19 a) Die Bewertungsgrundlagen des objektiven Vermögensvergleichs ......................................................................................19 aa) Maßgebliche Perspektive ........................................................20 bb) Taugliche Gegenwerte ............................................................22 cc) Tatsächlich eingetretene Vermögensveränderung ....................23 b) Subjektive Merkmale als Korrektiv des rein objektiven Prüfungsmaßstabs..........................................................................23 3. Fazit und Kritik .................................................................................25 II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers ................................................28 1. Verständnis der Unentgeltlichkeit nach dem rechtsgeschäftlichen Modell ...............................................................................................29 2. Der Begriff der materiellen Causa .....................................................30 a) Charakter und Funktion der materiellen Causa als Festlegung des materiellen Geschäftszwecks ...................................................31 aa) Die Verwirklichung der materiellen Causa durch Hilfsgeschäfte .........................................................................33 bb) Verhältnis der materiellen Causa zum Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB ..............................................................................36

VIII

Inhaltsverzeichnis

cc) Fazit zum Charakter und zur Funktion der materiellen Causa ......................................................................................42 b) Die Unentgeltlichkeit als Oberbegriff für eine Gruppe von materiellen Geschäftszwecken .......................................................43 3. Fazit und Kritik .................................................................................44 III. Die vermittelnden Konzepte ...................................................................46 1. Forderung eines Freigebigkeitswillen des Schuldners ........................47 2. Voraussetzung eines gemeinsamen Unentgeltlichkeitsbewusstseins ..47 3. Anknüpfung an die übereinstimmende Zwecksetzung der Parteien ....49 4. Fazit und Kritik .................................................................................50 IV. Zwischenfazit .........................................................................................52 1. Gegenüberstellung der Grundmodelle und Analyse ...........................52 2. Ausblick auf die weitere Prüfung .......................................................54 Kapitel 2: Die historischen und teleologischen Grundlagen des § 134 InsO und seine systematischen Bezüge ..................................................................57 I.

Die historische Entwicklung des § 134 InsO ..........................................57 1. Die Schenkungsanfechtung im römischen Recht ................................58 2. Die Entwicklung im deutschen Rechtsraum bis zur Einführung der Reichsjustizgesetze ......................................................................61 a) Die Schenkungsanfechtung im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863 ............................62 b) Die Entwicklung der Schenkungsanfechtung im preußischen Recht .............................................................................................63 c) Zwischenergebnis ..........................................................................66 3. Die Konkursordnung vom 1. Februar 1877 ........................................66 a) Die Interpretation des § 25 KO a.F. in der frühen Literatur ...........70 b) Das Urteil des Reichsgerichts vom 27. November 1883 ................73 4. Die weitere Entwicklung bis zur heutigen InsO .................................75 5. Fazit ..................................................................................................78 II. Die teleologischen Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung ..........80 1. Die Anfechtung als Instrument zur Sicherung einer funktionierenden Haftungsordnung ....................................................................80 2. Die Rechtfertigungsbedürftigkeit der Anfechtung ..............................84 3. Die Rechtfertigung der Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen ....91 a) Allgemeine Billigkeitserwägungen als unzureichende Begründung ...................................................................................93 b) Die geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs als rechtfertigender Grund? ...........................................................94 aa) Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs in den verwandten Normen des BGB .................................................95

Inhaltsverzeichnis

IX

(1) Die Verfügung eines Nichtberechtigten gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ...............................................................95 (2) Die Nutzungen des unentgeltlichen Besitzers gem. § 988 BGB ...............................................................96 (3) Herausgabepflicht des unentgeltlich erwerbenden Dritten gem. § 822 BGB ...................................................96 (4) Die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen, §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB .....................................................97 bb) Vergleich mit der Interessenlage des § 134 InsO ...................100 cc) Zwischenergebnis .................................................................102 c) § 134 InsO als Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens ..............102 4. Fazit ................................................................................................106 III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO mit rechtsvergleichendem Blick auf das österreichische Recht ......................................................106 1. Das Verständnis der Unentgeltlichkeit in den verwandten Vorschriften des bürgerlichen Rechts ..............................................108 a) Das schenkungsrechtliche Verständnis der Unentgeltlichkeit ......108 b) Das Verständnis der Unentgeltlichkeit im Bereicherungsrecht ....110 aa) Herausgabepflicht bei Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ..........................................................110 bb) Durchgriffshaftung gem. § 822 BGB ....................................113 c) Die unentgeltliche Besitzerlangung i.S.d. § 988 BGB..................115 d) Die unentgeltliche Verfügung i.S.d. §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB ............................................................................118 2. Der Begriff der freigiebigen Zuwendung i.S.d. § 7 ErbStG ..............121 3. Rechtsvergleichender Blick auf den Begriff der „unentgeltlichen Verfügung“ im österreichischen Anfechtungsrecht ..........................125 4. Fazit ................................................................................................129 Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO ................131 I.

Überprüfung der verschiedenen Ansätze zur Auslegung der Unentgeltlichkeit ............................................................................131 1. Stellungnahme zum objektiven Ansatz der herrschenden Meinung ..........................................................................................131 2. Stellungnahme zu Fischers rechtsgeschäftlichem Ansatz .................135 3. Zwischenergebnis ............................................................................139 II. Die Grundlinien zur Auslegung des § 134 InsO ...................................140 1. Schenkungen und schenkungsähnliche Zuwendungsvorgänge als Leitbild des objektiven Tatbestands des § 134 InsO .........................140 2. Die subjektiven Anforderungen an die Auslegung des § 134 InsO ...142 a) Erfordernis eines subjektiven Elements auf Schuldnerseite .........142 aa) Inhalt und Bedeutung des subjektiven Elements....................145

X

Inhaltsverzeichnis

(1) Maßgeblicher Bezugspunkt des subjektiven Elements auf Schuldnerseite ..........................................................145 (2) Inhaltliche Reichweite des subjektiven Elements ............146 bb) Nachweis des subjektiven Elements ......................................147 b) Die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite ....................149 aa) Unergiebigkeit der Analyse der historischen und systematischen Bezüge des § 134 InsO .................................150 bb) Entscheidung auf Grundlage teleologischer Erwägungen ......152 (1) Keine positive Kenntnis des Empfängers von der Unentgeltlichkeit ............................................................152 (2) Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite? ..............................................................................153 (a) Keine Vorgabe durch die Wertungsgrundlagen des § 134 InsO .........................................................153 (b) Abwägungsentscheidung ..........................................154 cc) Fazit zu den subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite ......................................................................................156 c) Ergebnis ......................................................................................156 III. Die Wesensmerkmale der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO ..................................................................................157

Teil B: Der Tatbestand der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO....................................................................................161 Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO ..........................................162 I. Die Funktion des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO ......164 II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses für die Ausdeutung des § 134 InsO?.....................................................166 1. Das Verständnis der Leistung im bürgerlich-rechtlichen Sinne ........167 2. Übertragbarkeit des zivilrechtlichen Leistungsverständnisses auf die Leistung i.S.d. § 134 InsO? ..................................................173 3. Ergebnis ..........................................................................................178 III. Die Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung des Schuldners i.S.d. § 134 InsO ......................................178 1. Der Zuwendungsbegriff als Anknüpfungspunkt für die Entwicklung der Wesensmerkmale der Leistung im anfechtungsrechtlichen Sinn ............................................................179 2. Zuwendung als Ausübung privatautonomer Gestaltungsfreiheit.......182 a) Vorteilsverschaffung im Rahmen des privatrechtlichen Rechtsverkehrs ............................................................................183 b) Zuordnung der Entscheidung zum vermögensrechtlichen Bereich ........................................................................................186

Inhaltsverzeichnis

XI

c) Freiwilligkeit der Zuwendung .....................................................187 3. Anforderungen an den Vorteil auf Empfängerseite ..........................189 a) Die verschiedenen Formen der Bereicherung im allgemeinen Zivilrecht .....................................................................................192 b) Stellungnahme .............................................................................195 c) Schlussfolgerungen für die ausgleichsbedürftige Zuwendung i.S.d. § 134 InsO ..........................................................................198 aa) Zuwendungsgegenstand in Form eines vermögenswerten Vorteils .................................................................................199 bb) Materieller Charakter des Vermögensvorteils auf Empfängerseite .....................................................................200 cc) Erfordernis eines endgültigen Vermögensvorteils auf Empfängerseite ...............................................................204 d) Ergebnis ......................................................................................206 4. Die Vermögensbetroffenheit auf Seiten des Schuldners ...................207 a) Vermögensbetroffenheit auf Seiten des Zuwendenden als Wesensmerkmal der materiellen Zuwendung? .............................207 b) Parallelität zwischen schenkungsrechtlicher Entreicherung und Gläubigerbenachteiligung ............................................................210 c) Ergebnis ......................................................................................214 5. Subjektive Anforderungen an den Zuwendungsvorgang ..................214 a) Subjektive Anforderungen auf Seiten des Schuldners ..................216 aa) Zuwendungswille und Zuwendungsbewusstsein ...................217 bb) Wille zur materiellen Bereicherung des Empfängers .............217 cc) Nachweis der subjektiven Voraussetzungen auf Schuldnerseite ......................................................................................218 b) Erkennbarkeit der Zuwendung auf Empfängerseite? ....................220 aa) Erkennbarkeit von Zuwendungsbewusstsein und Zuwendungswillen ................................................................220 bb) Erkennbarkeit der bereichernden Wirkung der Zuwendung? ...................................................................221 cc) Erkennbarkeit der Person des Zuwendenden? .......................222 c) Ergebnis ......................................................................................224 6. Zusammenfassung ...........................................................................224 IV. Die anfechtbaren Rechtshandlungen bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs .........................................225 1. Die eigenständige Anfechtbarkeit der Einzelschritte bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs .....229 a) Forderungsbegründung als Anknüpfungspunkt der Anfechtung? ..........................................................................230 b) Anfechtung des Gesamtvorgangs als Einheit? .............................231 c) Stellungnahme .............................................................................232 d) Ergebnis ......................................................................................233

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Die anfechtungsrechtliche Beurteilung der Abwicklungsgeschäfte im Rahmen des § 134 InsO ..............................................................234 a) Die Verpflichtungsbegründung als anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO ..........................................................................234 aa) Anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO .....................235 bb) Gläubigerbenachteiligung .....................................................237 b) Die Anfechtbarkeit von Erfüllungsleistungen des Schuldners ......239 aa) Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur .....................239 bb) Stellungnahme ......................................................................243 (1) Argumente gegen die Rechtsprechungslösung ................243 (2) Die Einordnung von Erfüllungsleistungen nach dem hier vertretenen Modell ..................................................247 (3) Kritik an der Gegenansicht der Literatur (sog. Forderungslösung) .................................................249 cc) Sonderfälle der Erfüllungsleistung ........................................253 (1) Die Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit im Stadium der materiellen Insolvenz ..................................253 (2) Die ‚Erfüllung’ einer Naturalobligation oder einer verjährten Forderung ......................................................254 dd) Ergebnis ................................................................................256 c) Die Anfechtbarkeit von Leistungen zur Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit...............................................................256 aa) Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur .....................257 bb) Stellungnahme ......................................................................260 (1) Die Beurteilung von Sicherungsleistungen nach dem hier vertretenen Modell ...........................................260 (2) Weitere Argumente gegen eine selbstständige Entgeltbewertung der Sicherheitsleistung ..................................265 cc) Ergebnis ................................................................................269 3. Notwendige Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene?....................269 a) Meinungsstand zur Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Rahmen des § 134 InsO ......................................270 b) Stellungnahme .............................................................................273 aa) Einbeziehung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Tatbestand des § 134 InsO ..........................................273 bb) Dogmatische Begründung .....................................................276 (1) Ablehnung der Zurechnungslösung ................................276 (2) Kein genereller Verzicht auf die Schuldnerbeteiligung im Rahmen des § 134 InsO .............................................277 (3) Erforderlichkeit einer Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene? ........................................................278 c) Ergebnis ......................................................................................280 V. Fazit zum Leistungsbegriff des § 134 InsO ..........................................280

Inhaltsverzeichnis

XIII

1. Bedeutung und grundsätzliches Verständnis des Leistungsbegriffs ............................................................................................280 2. Überblick über die anfechtbaren Rechtshandlungen .........................281 a) Handgeschäfte und Leistungen auf reine Rechtsgrundabreden ....282 b) Causalose Zuwendungen .............................................................282 c) Abwicklungsgeschäfte .................................................................284 Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO ......................................285 I.

Die Grundsätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit ........................286 1. Das weite Verständnis der Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 134 InsO .......................................................................................287 2. Unentgeltlichkeit als Fehlen einer kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung ..................................................................................288 3. Die subjektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit ..................291 a) Die subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite .....................292 b) Die subjektiven Voraussetzungen auf Empfängerseite .................293 4. Die Prüfung der Unentgeltlichkeit ...................................................294 5. Der Zeitpunkt der Entgeltbewertung ................................................297 6. Ergebnis ..........................................................................................298 II. Die Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung des Empfängers ....................................................................................299 1. Die Grundvoraussetzungen einer ausgleichsgeeigneten Gegenleistung ..................................................................................301 a) Gegenleistung als selbstständiges Entgegenkommen im Interesse des Schuldners .........................................................301 aa) Tätigwerden ..........................................................................302 bb) Förderung der Interessen des Schuldners ..............................303 cc) Echtes Zugeständnis des Empfängers ....................................304 (1) Kein echtes Zugeständnis bei bloßer Fortführung einer bereits ausgeübten Tätigkeit ...........................................304 (2) Kein echtes Zugeständnis bei bereits bestehender Verpflichtung des Begünstigten ......................................308 dd) Selbstständigkeit der Gegenleistung ......................................311 (1) Die Abgrenzung zwischen Gegenleistung und Auflage i.S.d. § 525 BGB ............................................................312 (2) Die Folgen der Anfechtung einer Schenkung unter Auflage ..................................................................314 b) Die objektiv-normative Grenze der Entgelttauglichkeit der Gegenleistung ........................................................................315 aa) Das Verständnis der Entgelttauglichkeit als Mittel zum Schutz der Gläubiger in Rechtsprechung und Literatur .........316

XIV

Inhaltsverzeichnis

(1) Einschränkung der Entgelttauglichkeit in Drittbegünstigungsfällen ............................................316 (2) Einschränkung der Entgelttauglichkeit anhand der Qualität des verschafften Vorteils .............................320 (3) Zwischenergebnis ...........................................................322 bb) Die Entgelttauglichkeit als Mittel zum Schutz vor missbräuchlichen Parteiabsprachen .................................323 (1) Vorrang der verständigen Auslegung der Parteiabsprache.........................................................323 (2) Grenze der Entgelttauglichkeit bei unbewertbaren ideellen Vorteilen ...........................................................325 c) Ergebnis ......................................................................................327 2. Die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ..........................328 a) Die verschiedenen Arten der Verknüpfung ..................................329 b) Wirksame Verknüpfung anstatt Erfolgskontrolle .........................331 c) Möglichkeiten zur nachträglichen Herstellung der Verknüpfung .........................................................................333 aa) Abgrenzung der nachträglichen Vergütung von der remuneratorischen Schenkung...............................................335 bb) Nachträgliche Vereinbarung der Entgeltlichkeit ....................336 (1) Grundsätzliche Möglichkeit eines Austauschs der Causa ........................................................................337 (2) Interessenlage im Anfechtungsrecht ...............................338 (3) Abgrenzungskriterien zur remuneratorischen Schenkung ......................................................................340 cc) Vereinbarung einer offenen Causa ........................................340 (1) Der Entgeltcharakter von Leistung und Gegenleistung bei der offenen Causa .....................................................341 (2) Die nachträgliche Vergütung von Diensten als Anwendungsfall der offenen Causa ...........................343 (3) Die Ausgestaltung der Gegenleistung als Naturalobligation .......................................................................349 d) Ergebnis zur Verknüpfung ...........................................................350 3. Die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ............................351 a) Der Maßstab zur Abgrenzung von teilweise unentgeltlichen und voll entgeltlichen Zuwendungen ...........................................351 aa) Die Untauglichkeit des objektiven Äquivalenzkriteriums ......355 bb) Geltung des Maßstabs der subjektiven Äquivalenz ...............358 cc) Erweiterung der Grenzen der subjektiven Äquivalenz ...........361 (1) Anfechtung bei Kenntnis des Schuldners vom Missverhältnis ................................................................362 (2) Keine Anwendung des § 134 InsO bei Irrtum des Schuldners über die Wertrelation ....................................363

Inhaltsverzeichnis

XV

dd) Ergebnis ................................................................................365 b) Die Behandlung teilweise unentgeltlicher Leistungen auf Rechtsfolgenseite ........................................................................365 III. Die Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung ................................369 1. Die Rechtslage im Schenkungsrecht ................................................370 2. Die Bedeutung der Freigebigkeit für die Anfechtung gem. § 134 InsO ..............................................................................373 a) Wegfall der Freigebigkeit aus persönlich-moralischen Gründen ......................................................................................375 b) Wegfall der Freigebigkeit aus wirtschaftlichen Gründen .............381 3. Ergebnis ..........................................................................................383 Kapitel 3: Überblick über die Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen der Unentgeltlichkeitsanfechtung ..........................................384 I. Leistung des Schuldners .......................................................................384 II. Unentgeltlichkeit ..................................................................................386 III. Die Rechtsfolgen der Anfechtung gem. § 134 InsO..............................387

Teil C: Anwendung auf aktuelle Problemkonstellationen ..........391 Kapitel 1: Die Anfechtbarkeit rechtsgrundloser Leistungen des Schuldners gem. § 134 InsO .................................................................392 I.

Die Beurteilung irrtümlich rechtsgrundloser Schuldnerleistungen ........394 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur .............................395 2. Stellungnahme .................................................................................400 a) Subsumtion der irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung unter das entwickelte Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung ...........401 b) Überzeugungskraft des gefundenen Ergebnisses..........................404 c) Der Sonderfall der irrtümlich rechtsgrundlosen, aber sittlich gebotenen Leistung gem. § 814 Alt. 2 BGB ................................408 3. Ergebnis ..........................................................................................410 II. Der Sonderfall der bewusst rechtsgrundlosen Leistung gem. § 814 Alt. 1 BGB ........................................................................411 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur .............................412 2. Stellungnahme .................................................................................417 a) Die bewusste Leistung auf eine Nichtschuld als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO ...........................................................417 b) Zulassung einer Aufrechnung gegen den Anfechtungsanspruch? ....................................................................................420 aa) Stellungnahme zur Argumentation des BGH .........................420 (1) Keine Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO..............................................420

XVI

Inhaltsverzeichnis

(2) Anforderungen an die Herstellung einer Aufrechnungslage gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 134 InsO ......422 bb) Kein Grund zur Gleichstellung des Anfechtungsgegners mit einem üblichen Bereicherungsschuldner .........................424 cc) Zwischenergebnis .................................................................425 3. Fazit ................................................................................................426 Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeitsanfechtung bei der Tilgung und Sicherung fremder Verbindlichkeiten .........................................................427 I.

Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten ...............................................428 1. Die Grundsätze der herrschenden Meinung ......................................432 a) Die maßgebliche Perspektive zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit ........................................................................................432 b) Bestimmung der Unentgeltlichkeit auf Seiten des Forderungsgläubigers ....................................................................................435 c) Ergebnis ......................................................................................439 2. Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung ...................................440 a) Dogmatische Bedenken ...............................................................440 b) Schlechterstellung des Forderungsgläubigers ..............................441 c) Rein zufallsabhängige Besserstellung der Gläubiger des Dritten nach der neuen Rechtsprechungslinie des BGH ...........................443 d) Entstehung einer unbefriedigenden Konkurrenzsituation durch die neue Rechtsprechungslinie des BGH............................445 3. Abweichende Lösungsvorschläge in der Literatur............................447 a) Kritik am Maßstab zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit ..........448 aa) Die abweichenden Konzepte für die grundlegende Bestimmung der Unentgeltlichkeit ........................................448 bb) Die Forderungslösung ...........................................................449 cc) Zwischenergebnis .................................................................454 b) Kritik am einschränkungslosen Direktdurchgriff .........................454 aa) Direktdurchgriff nur bei echten Drittleistungen i.S.d. § 267 BGB ...................................................................455 bb) Ausklammerung echter Anweisungsfälle aus dem Direktdurchgriff ..............................................................................458 c) Teleologische Reduktion der Schenkungsanfechtung ..................461 d) Ergebnis ......................................................................................462 4. Eigene Lösung .................................................................................463 a) Die materiellen Zuwendungsbeziehungen bei der Tilgung einer fremden Schuld ...................................................................463 aa) Der materiell Begünstigte der Tilgungsleistung des Dritten ............................................................................464

Inhaltsverzeichnis

XVII

(1) Grundsatz: Der Forderungsschuldner als materiell Begünstigter der Drittleistung .........................................464 (2) Der Sonderfall der Tilgung einer fremden, wertlosen Verbindlichkeit ...............................................................465 (a) Die Voraussetzungen für eine vollständige Wertlosigkeit der Forderung ............................................466 (b) Zwischenergebnis ....................................................470 bb) Die subjektiven Anforderungen an die materielle Zuwendungsbeziehung ..........................................................471 (1) Kenntnis des Dritten von der Wertlosigkeit der Forderung .................................................................471 (2) Auswahl des Forderungsgläubigers als materiell Begünstigten der Zuwendung ........................................472 (3) Zwischenergebnis ...........................................................476 cc) Ergebnis ................................................................................477 b) Der Zugriff der Gläubiger des Dritten auf den Forderungsgläubiger in der Doppelinsolvenz ................................................478 aa) Voraussetzungen für den Direktdurchgriff auf den Gläubiger..................................................................479 (1) Anfechtbarkeit bei hypothetischer Eigenleistung des Forderungsschuldners ...............................................480 (2) Anfechtungsrecht der Gläubiger des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner ...............................................481 bb) Rechtliche Einordnung ..........................................................483 c) Ergebnis ......................................................................................488 II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten ............................................489 1. Die Bestellung der Drittsicherheit als unentgeltliche Leistung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer ..............................491 a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur .........................492 aa) Der Standpunkt der Rechtsprechung .....................................492 bb) Abweichende Stellungnahmen in der Literatur......................494 b) Eigene Stellungnahme .................................................................496 aa) Materielle Zuwendungsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer ................................................496 (1) Zuwendungsbeziehungen bei direkter Sicherungsbestellung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer ...........................................................................497 (a) Charakter als bedingte materielle Zuwendung ..........497 (b) Anwendbarkeit des § 134 InsO auf bedingte materielle Zuwendungen ..........................................498 (c) Stellungnahme zu den Gegenansichten in der Literatur ...................................................................499

XVIII

Inhaltsverzeichnis

(2) Zuwendungsbeziehungen bei eigener Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Hauptschuldner ...501 bb) Der Entgeltcharakter der Drittsicherungsabrede ....................502 (1) Maßstab für die Äquivalenz ............................................503 (2) Die Entgeltbewertung bei der anfänglichen Drittsicherheit .................................................................503 (3) Die tauglichen Gegenleistungen bei der nachträglichen Drittsicherheit .................................................................505 (4) Zwischenergebnis ...........................................................509 c) Ergebnis ......................................................................................509 2. Die Anfechtungsmöglichkeiten bei Befriedigung des Sicherungsnehmers durch den Sicherungsgeber ................................................511 3. Ergebnis ..........................................................................................515

Fazit ..........................................................................................................517 Literaturverzeichnis ....................................................................................523 Sachregister ................................................................................................543

Einleitung Einleitung

Die Zeiten, in denen die ‚Schenkungsanfechtung‘ ein Schattendasein als Sondervorschrift zur Anfechtung von Schenkungen oder schenkungsähnlichen Verfügungen fristete, sind vorbei.1 In immer mehr Fallkonstellationen entdecken die Insolvenzverwalter den Tatbestand des § 134 InsO für sich,2 ihrer „juristisch-wirtschaftlichen Phantasie“3 scheinen keine Grenzen gesetzt. Grund für diese Euphorie ist eine Vielzahl höchstrichterlicher Urteile der letzten Jahre, die für die Gläubigergesamtheit äußerst positiv ausfielen. Großen Wirbel und eine entsprechende Flut an Urteilen und Literaturbeiträgen löste etwa die Insolvenz der Phoenix Kapitaldienst GmbH4 aus, die jahrelang ein betrügerisches Schneeballsystem betrieb, das durch die Auszahlung von Scheingewinnen am Leben erhalten wurde. Eine Rechtsprechungsänderung des BGH ermöglichte dem Insolvenzverwalter, die bewusst rechtsgrundlos ausbezahlten Scheingewinne über § 134 InsO auch von Anlegern zurückzufordern, die von dem betrügerischen Geschäftsgebaren nichts ahnten.5 Es war nur eine Frage der Zeit, bis Teile der Literatur aus dieser Zurücksetzung des Empfängerschutzes auch Konsequenzen für ähnliche Sachverhaltsgestaltungen zogen: So setzt sich zunehmend die Auffassung durch, jede rechtsgrundlose Leistung sei unentgeltlich i.S.d. § 134 InsO.6 Mit dem Grundgedanken der Schenkung hat eine irrtümlich rechtsgrundlose Leistung freilich kaum mehr etwas gemein. Vorteilhaft entwickelte sich die Rechtsprechung des BGH auch für Gläubiger, deren Schuldner auf Anweisung eines bereits insolventen Forderungsschuldners dessen Verbindlichkeiten durch Zahlung an den Forderungsgläubiger tilgt. In einem Aufsehen erregenden Urteil aus dem Jahr 2005 hatte der 1

Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 439; ders., KTS 2011, S. 219 (237). Vgl. auch Büttner, InsVZ 2010, S. 323; Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2347); Kayser, WM 2007, S. 1 (8); Würdinger/Hofmann, WuB VI A. § 134 InsO, 1.10. 2 Vgl. etwa Ahrens, NZI 2001, S. 456 zur Anfechtung einer Bewährungsauflage. 3 So Ahrens, NZI 2001, S. 456. 4 Im Folgenden wird die Phoenix Kapitaldienst GmbH nur noch als „Phoenix“ bezeichnet. 5 Grundsatzurteil BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140 ff.) in Rn. 6 ff. mit zahlreichen Folgeurteilen, vgl. dazu S. 392 mit Fn. 2. 6 Baumert, NZI 2010, S. 946 (947); ders., ZIP 2010, S. 212; Baumert/Schmitt, NZI 2012, S. 394 (400); Bitter/Heim, ZIP 2010, S. 1569 (1971); Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 6; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 155, 166, 194; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b, 22, 26; R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (320); Römermann, NZG 2009, S. 1261 (1262).

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Einleitung

BGH über die Anfechtungsmöglichkeiten einer Gesellschaft zu entscheiden, die die Verbindlichkeiten ihres konzernverbundenen Schwesterunternehmens zu einem Zeitpunkt aus dem Cashpool des Konzerns getilgt hatte, als das Schwesterunternehmen bereits insolvent war.7 Der BGH ließ über § 134 InsO einen Direktdurchgriff der Gesellschaftsgläubiger auf den Forderungsgläubiger zu, obwohl aufgrund der Anweisungssituation bereicherungsrechtlich keine Leistungsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Forderungsgläubiger bestand. Da auch das Schwesterunternehmen den Forderungsgläubiger im Wege der Deckungsanfechtung in Anspruch nehmen konnte, sah sich dieser nun einer doppelten Anfechtung ausgesetzt. In der Konkurrenz zwischen Deckungsanfechtung des Schwesterunternehmens (als Forderungsschuldnerin) und Schenkungsanfechtung der Gesellschaft (als zahlendem Dritten) gab der BGH der Deckungsanfechtung den Vorzug.8 Solange aber der Insolvenzverwalter des Schwesterunternehmens die Anfechtung nicht geltend macht, können die Gesellschaftsgläubiger gegen den Forderungsgläubiger gem. § 134 InsO vorgehen, obwohl dies aus bereicherungsrechtlicher Sicht nicht möglich wäre. Zur Begründung verwies der BGH im Wesentlichen darauf, der anfechtungsrechtliche Begriff der unentgeltlichen Leistung sei „wegen der Belange des Gläubigerschutzes weit auszulegen“.9 In auffallendem Gegensatz zu der gewachsenen praktischen Bedeutung des § 134 InsO steht die fehlende Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung im insolvenzrechtlichen Schrifttum. Der Großteil der Literatur hat den Leitgedanken der ‚weiten’ Auslegung des § 134 InsO bedenkenlos übernommen.10 Grundlegende Zweifel an der kontinuierlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs werden nur sehr vereinzelt geäußert.11 Eine grundlegende Aufarbeitung der mit der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen verbundenen Fragestellungen hat bislang kaum stattgefunden.12 Der 7 Grundsatzurteil BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279 ff.) mit zahlreichen Folgeurteilen, z.B. BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 ff.; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231 ff.) in Rn. 8 ff. 8 BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (239) in Rn. 34. 9 BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280). 10 Allgemein für ein weites Verständnis des § 134 InsO Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 2; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G27; Thole, Gläubigerschutz, S. 440; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12. Zur jeweils weiten Auslegung der beiden Tatbestandsmerkmale ,Leistung’ und ,Unentgeltlichkeit’ im Einzelnen vgl. S. 3 Fn. 19 und S. 4 Fn. 23. 11 Kritisch C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (245); zu § 32 KO bereits Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 (420). Wagner, KTS 1991, S. 379 (386 f.) äußert sogar verfassungsrechtliche Bedenken, da durch die weite Auslegung des § 32 KO nicht nur die Subsumtionsmöglichkeiten der Anfechtung erweitert werden, sondern zugleich auch die Schutzbedürftigkeit des Eigentums (Art. 14 GG) in dem Maße gemindert wird. 12 So auch Thole, Gläubigerschutz, S. 440; ders., KTS 2011, 219 (237): „Dem Begriff der unentgeltlichen Leistung fehlen nach wie vor verlässliche Konturen“.

Einleitung

3

Großteil der Kommentarliteratur beschränkt sich auf die unreflektierte Wiedergabe der Rechtsprechung.13 In der übrigen Literatur tritt an die Stelle eines dogmatischen Konzepts zumeist die punktuelle Behandlung aktueller Fragestellungen, die den von der herrschenden Meinung eingeschlagenen Weg nicht grundlegend hinterfragt.14 Nur vereinzelt finden sich über den Einzelfall hinausgehende Konzeptionen. So hat Fischer im Rahmen seiner Arbeit zur Unentgeltlichkeit im Zivilrecht auch den Unentgeltlichkeitsbegriff des § 134 InsO in einen größeren dogmatischen Zusammenhang eingeordnet und sich dabei für eine Wiederangliederung an die schenkungsrechtlichen Grundlagen ausgesprochen.15 Die Reaktionen im Schrifttum fielen jedoch ablehnend aus.16 Einen grundlegenden Ansatz verfolgt auch die Arbeit von Thole, der den Blick auf die übergeordneten Zusammenhänge und das hinter den Einzelproblemen stehende Wertungsgefüge der Anfechtungstatbestände lenkt und in diesem Zusammenhang auch zur Anfechtung gem. § 134 InsO Stellung nimmt.17 Eine Monographie, die sich intensiv mit dem dogmatischen Grundgefüge der Unentgeltlichkeitsanfechtung beschäftigt, sucht man aber bislang vergebens. Diese dürftige Quellenlage überrascht vor allem deshalb, weil der Rechtsprechung ein überzeugendes dogmatisches Grundkonzept zur Auslegung des § 134 InsO zu fehlen scheint.18 Zum Leistungsbegriff bemerkt sie in aller Regel nur, dass auch hier eine ‚weite’ Auslegung geboten19 und insbesondere nicht der Begriff der Leistung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 812 Abs. 1 BGB) gemeint sei.20 Was diesen anfechtungsspezifischen Leistungsbegriff nun aber positiv kennzeichnet, beantwortet die Rechtsprechung nicht. Teile der Literatur setzen die Leistung i.S.d. § 134 InsO daher schlichtweg mit dem Begriff der Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO gleich.21 Warum das Gesetz aber in klarer terminologischer Abgrenzung zu den anderen Anfechtungstatbeständen den Leistungsbegriff verwendet, bleibt dabei offen.

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Eine Ausnahme bildet Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3 ff. Für das gesamte Insolvenzanfechtungsrecht bemängelnd Thole, Gläubigerschutz, S. 4. 15 Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, Köln (u.a.) 2002. 16 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 155 f., 188 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 443 ff. 17 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 4 f., 439 ff. 18 So auch die Einschätzung von Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 379. 19 Vgl. nur BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (160) in Rn. 18; Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 37; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 5. Weitere Quellen unten S. 162 in Fn. 6. 20 Vgl. nur BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 133/13, NZI 2014, 397 in Rn. 10; OLG Koblenz, Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); Prütting, KTS 2005, S. 253 (255). Weitere Quellen aus der Literatur unten S. 162 in Fn. 5. 21 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 15; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 104; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 14; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G19; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 204. 14

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Kaum klarer umrissen sind die Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit der Leistung heranzieht.22 Auch ihr soll zum Schutz der Gläubiger ein ‚weites’ Verständnis zugrunde gelegt werden.23 Eine allgemein gültige und anerkannte Definition bleiben Rechtsprechung und Literatur jedoch schuldig.24 Stattdessen existiert ein buntes Potpourri an Umschreibungen, aus dem man sich je nach Fallgestaltung und angestrebtem Ergebnis die passende Formel heraussucht. Die Definitionen unterscheiden sich dabei nicht nur terminologisch, sondern legen ganz unterschiedliche Maßstäbe an die Unentgeltlichkeit an: Mal soll entscheidend sein, ob das Schuldnervermögen einen ausgleichenden Vermögenswert verzeichnen kann,25 in anderen Fällen hingegen soll die Unentgeltlichkeit auch durch eine vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbrachte Gegenleistung entfallen.26 Einige Definitionen scheinen zu fordern, dass der Gegenwert bereits tatsächlich übergegangen ist,27 22 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 376: Die Rechtsprechung biete zum Begriff der Unentgeltlichkeit ein uneinheitliches Bild; Ganter, NZI 2015, S. 249: Das Verständnis vom Merkmal der Unentgeltlichkeit sei „mitnichten“ geklärt; Thole, Gläubigerschutz, S. 441: Die genauen Grenzen der Unentgeltlichkeit seien weder ausgelotet noch ließen sie sich überhaupt unter eine griffige Formel bringen. 23 BGH, Urt. v. 05.03.2015 – IX ZR 133/14, NJW 2015, 1672 (1677) in Rn. 49; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 37; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 50; OLG Rostock, Urt. v. 02.04.2007 – 3 U 143/06, BeckRS 2007, 09578; LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782); LArbG Köln, Urt. v. 08.01.2014 – 5 Sa 764/13, ZIP 2014, 1346 (1347); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 18; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 114; Huber, AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 2; Thole, Gläubigerschutz, S. 441; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 12. Vgl. auch BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (244), der eine abschließende Klärung aber offen ließ. 24 Zu den verschiedenen (uneinheitlichen) Definitionsansätzen vgl. auch Heim, Schenkungsanfechtung, S. 110 ff.; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 27 ff.; Siemon, BB 1991, S. 81. Die „Inkonsistenz“ der Rechtsprechung im Hinblick auf den Begriff der Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO kritisiert auch Ganter, NZI 2015, S. 249 (250 ff.). 25 Vgl. etwa die Definitionen auf S. 4 in Fn. 27 und Fn. 28. 26 So die verbreitete Formel, unentgeltlich sei die Schuldnerleistung, wenn „ein Vermögenswert des Schuldners zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass der Empfänger eine ausgleichende Gegenleistung an den Verfügenden oder mit dessen Einverständnis an einen Dritten erbringt.“ Vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 35; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 39; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07, NJW-RR 2009, 1563 in Rn. 16; BGH, Urt. v. 07.06.2001 – IX ZR 195/00, NZI 2001, 539 (540) zu § 10 Abs. 1 GesO; BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; vgl. auch S. 322 mit Fn. 158. 27 So etwa die früher häufig anzutreffende Definition, die Unentgeltlichkeit der Schuldnerzuwendung richte sich danach, ob „ein nach dem objektiven Sachverhalt zu beurteilender

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nach anderen scheint es zu genügen, dass ein entsprechender Ausgleich nach Auffassung der Beteiligten zumindest erfolgen soll.28 Richtet sich der Entgeltcharakter der Leistung danach, ob der Schuldnerleistung „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung des Empfängers gegenübersteht“,29 so scheint die Unentgeltlichkeit notwendig an das Erfordernis eines Rechtsgeschäfts geknüpft zu sein, dessen Inhalt über den Entgeltcharakter der Leistung entscheidet. Ist die Leistung hingegen „nur dann nicht unentgeltlich, wenn eine Gegenleistung vereinbart worden ist“,30 so scheint nur die Entgeltlichkeit an eine Vereinbarung zwischen den Parteien gebunden zu sein, während die Unentgeltlichkeit als Auffangtatbestand auch alle übrigen Fallgestaltungen erfasst, in denen keine rechtsgeschäftliche Verbindung zwischen den Parteien besteht. Rechtsprechung und Literatur scheinen sich mit dieser Begriffsvielfalt abgefunden zu haben und bekennen sich sogar ganz offen dazu, in Zweipersonen-

Gegenwert in sein Vermögen gelangt ist.“ Vgl. BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); RG, Urt. v. 18.03.1910 – VII 279/09, LZ 1910, Sp. 558; RG, Urt. v. 06.06.1902 – VII 111/02, RGZ 51, 412 (415); RG, Urt. v. 17.02.1902 – VII 445/1901, JW 1902, S. 218 Nr. 22; OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556). 28 So die sehr populäre Definition, unentgeltlich sei die Leistung des Schuldners dann, wenn „ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Schuldner ein entsprechender Gegenwert zufließen soll.“ Vgl. BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 09.12.2010 – IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJW-RR 2010, 1637 (1638) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 in Rn. 9; BGH, Urt. v. 13.03.2008 – IX ZR 117/07, NJW-RR 2008, 1006 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.04.2007 – IX ZR 79/05, NZI 2007, 403 (404) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2422); BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (101); BGH, Urt. v. 10.05.1978 – VIII ZR 32/77, DB 1978, 1977, insoweit nicht in BGHZ 71, 296 ff. abgedruckt; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.02.2013 – 6 Sa 451/11, ZInsO 2013, 1263 (1266); OLG Hamburg, Urt. v. 08.01.1987 – 6 U 49/86, 6 I 103/86, KTS 1987, 727 (730); OLG Zweibrücken, Urt. v. 09.03.1965 – 1 U 312/63, OLGZ 165, 304 (308). Vgl. auch BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 40; BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555 (1556) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279); BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99); OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (32). 29 So eine ebenfalls sehr verbreitete Definition, vgl. BGH, Urt. v. 17.10. 2013 – IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 40; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 09.11.2006 – IX ZR 285/03, NJW-RR 2007, 263 (264) in Rn. 15; BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555 (1556) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279); BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 25. 30 Vgl. etwa Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 37.

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verhältnissen andere Maßstäbe an die Unentgeltlichkeit anzulegen als in Mehrpersonenkonstellationen.31 Ein einheitliches dogmatisches Modell lässt sich diesen Auslegungsgrundsätzen nicht entnehmen. Gefestigt haben sich vielmehr kasuistische Grundstrukturen, die in den jeweiligen Fallkonstellationen zur Anwendung gebracht werden. Dieser Zustand ist nicht nur dogmatisch unbefriedigend, sondern läuft auch dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zuwider: Da die Grundlagen der Anfechtung nicht klar umrissen sind, liegt es letztlich allein in der Hand der Rechtsprechung, ob die Anfechtung auf Grundlage der ‚weiten’ Tatbestandsauslegung zugelassen wird oder der Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners aus Wertungsgesichtspunkten Grenzen gesetzt werden. Die jahrelangen Nachwehen der Phoenix-Entscheidung32 und die zahlreichen Urteile zur Unentgeltlichkeitsanfechtung bei der Tilgung einer fremden Schuld 33 bringen die Schwierigkeit zum Ausdruck, abseits höchstrichterlich entschiedener Fallgestaltungen verlässliche Lösungen für anfechtungsrechtliche Sachverhalte zu finden. Und schließlich sind auch die meisten Diskussionen um Einzelprobleme im Rahmen des § 134 InsO nichts anderes als Symptome der bislang unbeantworteten Frage, was vom Tatbestand der unentgeltlichen Leistung auf Grundlage der ‚weiten’ Auslegung noch bleibt: Wenn Teile der Literatur die Durchgriffslösung des BGH bei der Tilgung fremder Schulden in Anweisungsfällen kritisieren,34 so steht dahinter mehr als die Forderung nach einer Korrektur der Rechtsprechung in einem spezifischen Einzelfall. Vielmehr offenbart sich, dass die Bedeutung des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO 31

Vgl. BGH, Beschl. v. 03.04.2014 – IX ZR 236/13, ZInsO 2014, 1057 in Rn. 4; BGH, Urt. v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 (2209) in Rn. 6; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555 (1556) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279); BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99); Büttner, InsVZ 2010, S. 323; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 8; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 21 ff.; Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (197); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 12; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 177. Ganter, NZI 2015, S. 249 (258) plädiert sogar für eine noch trennschärfere Unterscheidung zwischen Zwei- und Drei-Personen-Konstellationen. 32 Das bislang letzte Urteil zur Unentgeltlichkeitsanfechtung im Phoenix-Fall erging am 10.04.2014 − IX ZR 176/13, NZI 2014, 608 ff. und damit mehr als fünf Jahre nach dem ersten Phoenix-Urteil aus dem Jahr 2008. 33 Allein aus den letzten Jahren: BGH, Beschl. v. 03.04.2014 – IX ZR 236/13, NZI 2014, 564; BGH, Urt. v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, WM 2013, 2182; BGH, Urt. v. 18.04.2013 – IX ZR 90/10, NJW-RR 2013, 1203. Weitere Quellen auf S. 436 in Fn. 37. 34 Dazu ausführlich unten S. 447 ff.

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ungeklärt ist und diese Unzulänglichkeit nun in einer bestimmten Sachverhaltskonstellation klar zutage tritt. Die Konturlosigkeit des § 134 InsO ist ein hausgemachtes Problem. An Ansatzpunkten zur Entwicklung eines dogmatischen Konzepts für den Begriff der unentgeltlichen Leistung mangelt es nämlich nicht. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung kann auf eine Fülle von Rechtsquellen blicken: Ihre Wurzeln reichen zurück in das römische Recht. Die Begriffe der ‚Unentgeltlichkeit’ und der ‚Leistung’ wecken umgehend Assoziationen zu Rechtsinstituten des allgemeinen Zivilrechts. Der Grundsatz, dass der unentgeltliche Erwerb in bestimmten Konstellationen den Interessen Dritter weichen muss, wurde nicht im Anfechtungsrecht erfunden, sondern zieht sich durch das gesamte bürgerliche Recht.35 Die insolvenzrechtliche Rechtsprechung und Literatur waren jedoch stets bemüht, sich von den bürgerlich-rechtlichen Wurzeln bewusst abzugrenzen und einen insolvenzrechtlichen Sonderweg zu beschreiten.36 So lässt kaum ein Autor oder Urteil die fehlende Identität zwischen dem Begriff der Schenkung i.S.d. § 516 BGB und der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO unerwähnt.37 An Stelle einer Anknüpfung an die historischen und bürgerlichrechtlichen Grundlagen wurde die ‚weite’ Auslegung zum Leitbild erhoben.38 35

Siehe etwa §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822, 2213 Abs. 2, 2205 S. 3, 2287 BGB. Vgl. auch die Einschätzung von Thole, Gläubigerschutz, S. 442. Zur bewussten Abgrenzung vgl. etwa Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 26: entscheidend sei „eine autonome, vom BGB unabhängige Begriffsbestimmung im Insolvenzrecht.“ 37 BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 37; BGH, Urt. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); RG, Urt. v. 05.07.1904 – VII 68/1904, Gruchot 49 (1905), 1088 (1092); OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 (314); OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1992 – 27 U 235/91, ZIP 1992, 1755 (1757); OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2001 – 9 U 88/00, NZI 2002, 112 (113); OLG Köln, 29.06.1988 – 13 U 17/88, ZIP 1988, 1203; OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (60); LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781; LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 37; Breutigam, in: BerlKomm, InsO, 51. Erg.-Lfg., Nov. 2014, § 134 Rn. 4; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 33; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (279); Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 24; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 4; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G1. Zur fehlenden Deckungsgleichheit zwischen bürgerlich-rechtlichem und insolvenzrechtlichem Unentgeltlichkeitsbegriff auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 11 ff. 38 Vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673 f.; BFH, Urt. v. 14.07.1981 – VII R 49/80, BFHE 133, 501 (507); OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 (314); OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (59 f.). 36

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Als Begründung dient lediglich der pauschale Verweis auf den Gläubigerschutz.39 Mit diesem Vorgehen wird zwar dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Masseanreicherung entsprochen, aber dafür die Tatsache missachtet, dass das materielle Insolvenzrecht kein vom allgemeinen Zivilrecht unabhängiges Rechtsgebiet ist, sondern auf diesem aufbaut und es infolge der Insolvenzeröffnung lediglich bestimmten Modifikationen unterwirft.40 Es muss sich daher dem systematischen Vergleich mit verwandten bürgerlich-rechtlichen Rechtsinstituten stellen und die Rechtfertigung für seinen ‚weiten’ Auslegungsmaßstab auch im wertenden Vergleich mit anderen Normen verteidigen können. Der Gesetzgeber der Konkursordnung aus dem Jahr 1877 hat die enge Verzahnung der Unentgeltlichkeitsanfechtung mit dem allgemeinen Zivilrecht erkannt und für die inhaltliche Ausgestaltung der Unentgeltlichkeit ausdrücklich auf das bürgerliche Recht verwiesen.41 Heute muss sich die herrschende Meinung hingegen die Frage gefallen lassen, warum die Unentgeltlichkeit bei § 134 InsO weiter ausgelegt wird als im Rahmen des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, obwohl es bei der Anfechtung nur um das Befriedigungsinteresse der Gläubiger, bei § 816 Abs. 1 S. 2 BGB hingegen um die Verlängerung des Eigentumsschutzes zugunsten des früheren Berechtigten geht.42 Die weite Auslegung mag dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Anreicherung der Masse Rechnung tragen, läuft dabei jedoch Gefahr, die historischen Normzwecke des § 134 InsO auszuhebeln und die schutzwürdigen Interessen des Anfechtungsgegners ungerechtfertigt zurückzusetzen. 39 BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673 f.; BFH, Urt. v. 14.07.1981 – VII R 49/80, BFHE 133, 501 (507); OLG Rostock, Urt. v. 02.04.2007 – 3 U 143/06, BeckRS 2007, 09578; OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (59 f.); LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210. 40 Vgl. Henckel, in: FS Jahr, S. 1: „Die Sonderregelung für die Insolvenzsituation steht aber nicht frei im Raum (…). Sie muß (…) auf das materielle Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht bezogen sein, dieses für ihre eigenen Zwecke fortschreiben und mit deren Wertungen in Einklang stehen“. Ebenso zutreffend auch Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1621): „Im Ausgangspunkt gilt (…) die Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Insolvenzrecht. Diese erfährt allerdings dort Einschränkungen, wo der das Zivilrecht prägende Grundsatz der Privatautonomie in Konflikt zu den Zielsetzungen der InsO tritt.“ Vgl. auch bereits die Motive KO, S. 13, abgedr. bei Hahn/ Mugdan, Materialien, Bd. 4, Materialien zur Konkursordnung, S. 43: „Das Konkursrecht läßt kaum ein Gebiet des Privatrechts unberührt; es muß den Systemen desselben sich anpassen und darf ihnen nicht heterogene Bestandtheile aufdrängen.“ 41 Motive KO, S. 136, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 142. 42 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443.

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Diese Arbeit möchte einen Beitrag zur der im insolvenzrechtlichen Schrifttum bislang vernachlässigten Diskussion um die Wertungsgrundlagen und das dogmatische Grundgefüge der Unentgeltlichkeitsanfechtung leisten. Sie hat zum Ziel, ein in sich schlüssiges und konsequent anwendbares Modell zur Auslegung des § 134 InsO zu entwickeln, das geeignet ist, den aktuell diskutierten Problemen bei der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen zu begegnen. Methodisches Leitbild der Arbeit soll die Einbettung des insolvenzrechtlichen Begriffs der unentgeltlichen Leistung in die vom sonstigen bürgerlichen Recht vorgegebenen und historisch implizierten Grundlagen sein. Selbstverständlich wird dabei nicht übersehen, dass derselbe Rechtsbegriff in unterschiedlichen systematischen Zusammenhängen verschiedene Bedeutungen haben kann und sich die Auslegung im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Der Blick zurück auf die historischen und bürgerlich-rechtlichen Wurzeln der Unentgeltlichkeit ermöglicht es aber, die Auslegung auf ein sicheres Fundament zu stellen. Davon ausgehend können diese allgemeinen Grundsätze unter sorgfältiger Abwägung der vom Gesetz berücksichtigten Interessen insolvenzrechtlich weiterentwickelt werden. Den Rahmen dafür bildet die vom Gesetzgeber in § 134 InsO getroffene Abwägung der widerstreitenden Interessen. Ergänzt werden soll diese Betrachtung durch einen Blick auf das österreichische Recht. Die Rechtsordnungen unserer europäischen Nachbarn sehen ebenfalls insolvenz- und anfechtungsrechtliche Regelungen zum Schutz der Gläubiger vor unentgeltlichen Zuwendungen ihres Schuldners vor.43 Das österreichische Recht erweist sich dabei als besonders interessant, da es in § 29 öIO44 eine dem § 32 KO und damit auch dem heutigen § 134 InsO sehr 43 In Frankreich ist die Anfechtbarkeit unentgeltlicher „actes“ („actes à titre gratuit”) in der Suspektperiode in Art. L-621-1 Abs. 1 Nr. 1 Code de Commerce geregelt. In Italien erklärt Art. 64 Legge Fallimentare 1942 alle „atti a titolo gratuito“ gegenüber den Gläubigern für wirkungslos. Das schweizerische Recht gewährt den Gläubigern in Art. 286 SchKG 1889 einen mit § 134 InsO vergleichbaren Anfechtungstatbestand. Das belgische Recht sieht in Art. 17 Nr. 1 Loi sur les Faillites/Faillissementswet 1997 eine erleichterte Anfechtbarkeit für unentgeltliche Zuwendungen des Schuldners vor. Auch das spanische Recht erleichtert die Anfechtbarkeit für „actos de disposición a título gratuito“, Art. 74 (2) Ley Concursal 2003. § 64 des dänischen Konkursgesetzes (Konkursloven) unterstellt Schenkungen der letzten sechs Monate der Anfechtbarkeit. In Polen sieht Art. 127 Nr. 1 des Insolvenz- und Sanierungsgesetzes 2003 (Prawo upadłościowe i naprawcze) die Nichtigkeit unentgeltlicher bzw. grob unausgeglichener Transaktionen vor, die der Schuldner im letzten Jahr vor der Antragstellung tätigte. Im englischen und walisischen Recht sind „gifts“ und „transactions“, die keine „consideration“ beinhalten, ein Unterfall der anfechtbaren „transactions at an undervalue“, S. 238 (4) (a) Insolvency Act 1986. 44 Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) vom 20.05.2010 (BGBl. I 2010 Nr. 29) wurde die vorher gesondert bestehende Ausgleichsordnung aufgehoben und ging zusammen mit der Konkursordnung in der Insolvenzordnung auf (vgl. dazu Konecny, ZIK 2010, S. 82 ff.). Der Tatbestand des § 29 öKO wurde unverändert in § 29 öIO übernommen. Die Rechtsprechung und Literatur zu § 29 öKO beanspruchen daher weiterhin Geltung.

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ähnliche Regelung vorsieht und auch in der Struktur seiner Anfechtungstatbestände mit dem deutschen Recht nahezu identisch ist.45 Aufgrund dieser engen Verwandtschaft nimmt das österreichische Recht daher bei streitigen Fragen durchaus auf die Auslegung im deutschen Recht Bezug,46 kommt jedoch nicht immer zu denselben Schlussfolgerungen: So würde der OGH sowohl im Phoenix- als auch im Cash-Pool-Fall die Unentgeltlichkeitsanfechtung keineswegs so unproblematisch durchgreifen lassen wie der BGH.47 Daher bietet es sich an, auch aus deutscher Sicht einen rechtsvergleichenden Blick auf das österreichische Verständnis der Unentgeltlichkeitsanfechtung zu werfen. Ein Rechtsvergleich mit dem romanischen Rechtskreis erscheint zwar angesichts der Wurzeln der Unentgeltlichkeitsanfechtung im römischen Recht und der Verwandtschaft der französischen cause (Artt. 1131 ff. Code Civil) mit dem im Folgenden noch zu entwickelnden Begriff der materiellen Causa ebenfalls sehr lohnenswert.48 In dieser Arbeit könnte ein solcher Rechtsvergleich jedoch nur sehr oberflächlich erfolgen, sodass der Fokus auf das deutsche und das österreichische Recht gerichtet bleibt. Den ersten Teil der Arbeit bildet die Entwicklung der Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung. Die Untersuchung beginnt mit einer Systematisierung verschiedener Grundmodelle zur Auslegung des § 134 InsO. Denn der fehlende Diskurs um die Grundausrichtung der Unentgeltlichkeitsanfechtung ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass es angesichts der Fülle von Rechtsprechung und der dadurch erzeugten Komplexität der Materie an einer konkreten Vorstellung darüber fehlt, was vom Begriff der unentgeltlichen Leistung auf Grundlage der ‚weiten’ Ausdeutung der herrschenden Meinung überhaupt noch übrig bleibt. Um die Grundlage für eine fundierte Auseinandersetzung mit dem herrschenden Auslegungsmodell zu schaffen, sind daher die vielen verschiedenen Ansichten und Aussagen in Rechtsprechung und Literatur zu systematisieren und zu Modellen zusammenzufassen. Die Auseinandersetzung mit den Argumenten, die in der Literatur für und gegen die jeweiligen Konzeptionen vorgebracht werden, wird zeigen, dass sich das Wesen der Unentgeltlichkeitsanfechtung allein auf Grundlage allgemein gehaltener Erwägungen nicht erschließt. Daher erfolgt im Anschluss eine ausführliche Erarbeitung der 45

§ 28 öIO entspricht § 133 InsO, § 29 öIO findet seine Entsprechung in § 134 InsO und die §§ 30, 31 öIO sind mit den §§ 130–132 InsO vergleichbar. 46 Vgl. exemplarisch etwa B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/16 [zur Auszahlung von Scheingewinnen]. 47 Vgl. zur Anfechtbarkeit der Auszahlung von Scheingewinnen OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 ff.; OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 ff. sowie zur Frage nach dem anfechtungsrechtlichen Durchgriff auf den befriedigten Gläubiger bei der Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 ff. 48 Vgl. etwa Westermann, Die Causa im französischen und deutschen Zivilrecht, 1967.

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historischen und teleologischen Grundlagen des § 134 InsO, die durch einen Blick auf das Verständnis der Unentgeltlichkeit in verwandten Normen des deutschen Rechts und einen rechtsgleichenden Exkurs in das österreichische Anfechtungsrecht ergänzt wird. Das Ergebnis dieses Grundlagenteils erlaubt nicht nur eine fundierte Stellungnahme zu den verschiedenen Grundmodellen, sondern auch die Entwicklung eigener Leitlinien, die den Rahmen für die weitere Untersuchung bilden. Im zweiten Teil der Arbeit steht die Konturierung der beiden Tatbestandsmerkmale ‚Leistung’ und ‚Unentgeltlichkeit’ im Vordergrund. Zunächst wird dabei der Fokus auf den Leistungsbegriff gelegt. Nachdem seine Funktion im Tatbestand des § 134 InsO sowie das Verhältnis zum Leistungsbegriff des bürgerlichen Rechts geklärt sind, werden seine tatbestandlichen Konturen herausgearbeitet. Dabei können typische Problemkonstellationen wie etwa die Anfechtbarkeit der Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung oder die Erfüllung und Sicherung eigener Verbindlichkeiten bereits einer Lösung zugeführt werden. Anschließend gilt es zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen die Leistung als unentgeltlich zu qualifizieren ist. Dabei ist zunächst der grundlegende Charakter des anfechtungsrechtlichen Unentgeltlichkeitsverständnisses abzustecken, bevor die Anforderungen an die entgelttaugliche Gegenleistung herausgearbeitet werden. Den Abschluss der Untersuchung bildet die Frage, welche Bedeutung der altruistischen Freigebigkeit für die Bestimmung der Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO zukommt. Im letzten Teil der Arbeit wird das eigene Konzept auf seine Praxistauglichkeit überprüft. Den Prüfstein bilden die bereits angesprochenen, aktuellen Problemkonstellationen der rechtsgrundlosen Leistung (Phoenix-Fall) sowie der Tilgung und Sicherung fremder Schuld (Cash-Pool-Fall). Das in dieser Arbeit entwickelte Modell der unentgeltlichen Leistung muss beweisen, dass es auch in diesen schwierigen Grenzfällen zu Ergebnissen gelangt, die insbesondere im Vergleich zu den im ersten Teil entwickelten Grundmodellen zu überzeugen vermögen. Der weite Anwendungsbereich des § 134 InsO reicht in fast alle Rechtsgebiete des Zivilrechts hinein. Die Fülle möglicher Fallgestaltungen zwingt dazu, sich auf die zentralen Rechtsfragen zu beschränken. Nicht umfassend eingegangen wird daher auf Einzelphänomene im Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung, die bereits eine umfassende Erörterung in der Literatur erfahren haben: Dazu gehören die Anfechtung im Zusammenhang mit der

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Lebensversicherung zugunsten eines Dritten,49 aber auch die spezifischen Sonderprobleme rund um die Insolvenz der Phoenix-GmbH.50 Ebenfalls nur angerissen werden Probleme aus dem Gebiet des Erb- und Gesellschaftsrechts: Da hier besondere Wertungen Platz greifen, würde eine umfassende Auseinandersetzung den Rahmen dieser Dissertation sprengen.51 Die im Folgenden zu entwickelnden Grundsätze beziehen sich gleichermaßen auf die Anfechtung außerhalb (§ 4 AnfG) und innerhalb der Insolvenz (§ 134 InsO). Ein stimmiges Konzept für beide Anfechtungstatbestände zu finden erscheint angesichts ihrer identischen teleologischen Grundlage geboten und ist erklärtes Ziel der Untersuchung.52 Die Auswirkungen einer extensiven Auslegung des § 134 InsO müssen daher immer auch vor dem Hintergrund des § 4 AnfG betrachtet werden: Führt die Auslegung zu einem innerhalb der Insolvenz noch angemessenen, aber außerhalb der Insolvenz nicht tragbaren Ergebnis, spricht dies entscheidend dagegen, dass eine solche Auslegung mit der Teleologie des § 134 InsO vereinbar ist. Zur Vereinfachung wird im Folgenden 49 Dazu Armbrüster/Pilz, KTS 2004, S. 481 ff.; Elfring, NJW 2004, S. 483 ff.; Hasse, Lebensversicherung, passim; Kayser, in: FS Kreft, S. 341 ff.; Lind/Stegmann, ZInsO 2004, S. 413 ff.; Müller-Feldhammer, NZI 2001, S. 343 ff.; Scherer, Lebensversicherungsvertrag, passim; Thiel, ZIP 2002, S. 1232 ff.; Wussow, NJW 1964, S. 1259 ff. Auch Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 25 ff.; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 85 ff.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 46 ff.; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 16 ff.; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 11 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 218 ff. Aus der Rechtsprechung BGH, Urt. v. 22.10.2015 – IX ZR 248/14, WM 2015, 2251 ff.; BGH, Urt. v. 27.09.2012 – IX ZR 15/12, NJW 2013, 232 ff.; BGH, Urt. v. 26.01.2012 – IX ZR 99/11, NJW-RR 2012, 809 ff.; BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 ff. 50 Dazu insbesondere Heim, Schenkungsanfechtung bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem, Baden-Baden 2011; von Wilmowsky, Schneeballsysteme in der Kapitalanlage, Köln 2010. 51 Fischer widmet der (Un-)Entgeltlichkeit im gesellschafts- und erbrechtlichen Kontext jeweils eigene Kapitel, vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, § 5 (S. 215 ff.), § 8 (S. 321 ff.). 52 Die identische Auslegung der beiden Tatbestände ist allgemein anerkannt, vgl. Ahrens, NZI 2001, S. 456 (457); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 3; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 433; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., Vorbemerkungen vor §§ 129 – 147, Rn. 43; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 2; Thole, Gläubigerschutz, S. 320. Auch die Begr. zu § 4 AnfG, Art. 1 RegE-EGInsO, BT-Drs. 12/3803, S. 56 verweist vollständig auf die Begründung zum späteren § 134 InsO. Es gibt lediglich kleine Unterschiede: So berechnen sich die Fristen im AnfG vom Zeitpunkt der Anfechtung an, während die InsO auf die Verfahrenseröffnung abstellt. Auf Rechtsfolgenseite dient die Rückgewähr gem. § 143 InsO der Befriedigung aller Gläubiger, sodass der Anfechtungsgegner von ihr quotal profitiert, falls er Insolvenzgläubiger ist. Geltend gemacht wird der insolvenzanfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch vom Insolvenzverwalter, außerhalb der Insolvenz setzen die Gläubiger die Anfechtung selbst durch. Der Anspruch gegen den Anfechtungsgegner auf Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 11 AnfG) dient allein dem anfechtenden Gläubiger, der Anfechtungsgegner steht dahinter vollständig zurück.

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jedoch grundsätzlich von der Insolvenzanfechtung, dem Insolvenzschuldner und § 134 InsO gesprochen; gemeint ist damit immer auch die Gläubigeranfechtung außerhalb der Insolvenz gem. § 4 AnfG. Obwohl der Tatbestand des § 134 InsO nicht von einer Schenkung spricht und man sich einig ist, dass seine Reichweite über die Schenkung hinausgeht,53 hat sich die plakative Bezeichnung des § 134 InsO als ‚Schenkungsanfechtung’ bis heute hartnäckig gehalten.54 In dieser Arbeit soll auf diesen juristisch ungenauen Begriff55 verzichtet werden. Um nicht stets den sperrigen Ausdruck der ‚Anfechtung unentgeltlicher Leistungen’ verwenden zu müssen,56 wird die Anfechtung gem. § 134 InsO im Folgenden als ‚Unentgeltlichkeitsanfechtung’ bezeichnet.

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Begr. zu § 149 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 160 f. Vgl. auch die Nachweise auf S. 7 in Fn. 37. 54 Vgl. den Titel der Dissertation von Heim („Schenkungsanfechtung bei Auszahlungen im verdeckten Schneeballsystem“) sowie aus der Aufsatzliteratur etwa Wiester/Kranz, Grenzen der Schenkungsanfechtung von Drittzahlungen, NZI 2012, 541 ff.; Wilk, Die Schenkungsanfechtung gem. § 134 InsO bei Tilgung oder Besicherung fremder Verbindlichkeiten, NZI 2008, 407 ff. Auch der BGH bedient sich nach wie vor der alten Terminologie, vgl. nur BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 in Rn. 10. 55 So auch Jakob, Schutz der Stiftung, S. 306; Thole, Gläubigerschutz, S. 439 f.: „inhaltlich nicht präzise“. 56 So Würdinger/Hofmann, WuB VI A. § 134 InsO, 1.10.

Teil A T e il A :

Entwicklung der Grundlagen für die Auslegung des § 134 InsO

Ziel dieser Arbeit ist es, ein tragfähiges Modell für die Auslegung des § 134 InsO zu entwickeln, das den Tatbestand klar konturiert und damit die Grundlage zur Lösung aktueller und zukünftiger Einzelprobleme bietet. Dieses Ziel erfordert, sich zunächst von der die Rechtsprechung und Literatur beherrschenden Diskussion einzelner Problemfälle zu lösen und zu untersuchen, welches Grundverständnis vom Wesen der unentgeltlichen Leistung sich hinter § 134 InsO verbirgt. Bevor mit der Auslegung der beiden zentralen Tatbestandsmerkmale – der Leistung des Schuldners und der Unentgeltlichkeit – begonnen wird, ist daher in einem ersten Schritt ein Grundkonzept zu entwickeln, das die wesentliche Weichenstellung für die Auslegung des § 134 InsO und alle daraus abzuleitenden Entscheidungen im Einzelfall setzt. Den Ausgangspunkt dafür bildet die Vorstellung und Diskussion der Vorschläge, die in Rechtsprechung und Literatur zum grundsätzlichen Verständnis des § 134 InsO – ausdrücklich oder implizit – zu finden sind (Kapitel 1). Um zu diesen Vorschlägen fundiert Stellung nehmen zu können, ist eine Untersuchung der historischen und teleologischen Grundlagen sowie der systematischen Bezüge des § 134 InsO notwendig (Kapitel 2). Anschließend können eigene Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO formuliert werden, die den weiteren Gang der Untersuchung prägen (Kapitel 3).

Kapitel 1 K a p ite l 1 :

Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des § 134 InsO in Rechtsprechung und Literatur Teil A: Grundmodelle

Die fehlende Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung in Rechtsprechung und Literatur ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass eine anschauliche Gegenüberstellung verschiedener Grundkonzepte zur Auslegung des § 134 InsO bislang fehlt.1 Die herrschende Meinung hat die Unentgeltlichkeitsanfechtung mit Hilfe des Grundsatzes der ‚weiten’ Ausdeutung allmählich immer weiter fortentwickelt, ohne die Ergebnisse zu einem klar umrissenen Gesamtkonzept zusammenzufassen. Damit fehlt es jedoch an der Grundlage für einen wertenden Vergleich mit alternativen Gegenkonzeptionen. Den Einstieg in die Entwicklung eines Grundkonzepts zur Auslegung des § 134 InsO bildet daher der Versuch, die vielen verschiedenen Ansichten und Aussagen zum Verständnis des § 134 InsO zu systematisieren und auf diese Weise einen verständlichen Überblick über den Stand der Literatur und der Rechtsprechung zu geben. Die von der herrschenden Meinung praktizierte, ‚weite’ Auslegung der Unentgeltlichkeitsanfechtung bildet das ‚objektive’ Modell (I.), dem das von Fischer vorgeschlagene, rechtsgeschäftliche Modell als Alternativkonzept gegenübergestellt wird (II.). Zwischen diesen beiden Gegenpolen sind vermittelnde Ansichten zu verorten, die sich dem Diktat der ‚weiten’ Auslegung des § 134 InsO nicht vollständig unterwerfen, sich aber gleichzeitig nicht in den engen Grenzen von Fischers Modell bewegen (III.).2 Die Gegenüberstellung der verschiedenen Grundkonzepte ermöglicht es, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Ansichten zu erörtern und gegeneinander abzuwägen (IV.). Zur Veranschaulichung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Ansätze werden der Phoenix- und der Cash-PoolFall beispielhaft herangezogen.

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Eine Gegenüberstellung finden sich nun erstmals bei Ganter, NZI 2015, S. 249 (250 ff.). Zur Unterscheidung zwischen einem objektiven, einem subjektiven und einem vermittelnden Ansatz siehe auch Ganter, NZI 2015, S. 249 (252 ff.). 2

I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung

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I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung

Rechtsprechung und herrschende Literatur verfolgen mit der ‚weiten’ Auslegung des § 134 InsO einen primär an objektiven Gesichtspunkten orientierten Ansatz.3 Ob eine unentgeltliche Leistung vorliegt, soll grundsätzlich ohne Rücksicht auf die subjektiven Vorstellungen der Parteien allein anhand der objektiven Rechtslage ermittelt werden. Entscheidend ist nicht, was die Parteien mit der Schuldnerleistung angestrebt oder gewollt haben, sondern welche Rechtsfolgen tatsächlich eingetreten sind. Dieses Grundverständnis determiniert sowohl die Bestimmung der Anfechtungsbeziehungen als auch die Unentgeltlichkeit. 1. Bestimmung des Anfechtungsgegners anhand der objektiven Vorteilsverschaffung Den Anfechtungsgegner bestimmt die objektive Sichtweise in erster Linie anhand der objektiven Wertverschiebung. Als Anspruchsgegner kommt jeder in Betracht, der durch die Rechtshandlung des Schuldners einen Vorteil erhalten hat.4 Welche Qualität dieser Vorteil aufweisen muss, ist nicht endgültig geklärt.5 Einig ist man sich jedenfalls, dass eine echte Bereicherung des Empfängers nicht erforderlich ist.6 Hat der Begünstigte diesen Vorteil unmittelbar vom Schuldner erworben, soll es keine Rolle mehr spielen, ob er nach den subjektiven Zwecksetzungen der Parteien auch tatsächlich begünstigt werden sollte

3 Zur Entwicklung der Rechtsprechung vom zunächst subjektiv geprägten Ansatz zur heute vornehmlich vertretenen, objektiven Doktrin vgl. Ganter, NZI 2015, S. 249 (250 ff.). 4 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 25; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 106. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen, vgl. Huber, in: Gottwald, InsRHdb., 5. Aufl., § 51 Rn. 57. 5 Einen vermögenswerten Vorteil fordern Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 25; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 7 („Vermögenswert erlangt“). Ausdrücklich gegen die Anforderung eines Vermögenswertes hingegen Heim, Schenkungsanfechtung, S. 107. 6 RG, Urt. v. 19.02.1918 – VII 407/17, RGZ 92, 227 (228); RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, 86 (87); OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (60); LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); Bork, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 134 Rn. 37; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 106 ff.; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 18; Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 24; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 52 Rn. 11; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12; Lange, Konkursanfechtung, S. 128; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Anm. 2 (zur KO); Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 4; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G27; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 212; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14.

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

oder nicht. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist nicht auf die bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehungen beschränkt.7 Allerdings soll die Anfechtung auch gegenüber jemandem durchgreifen, der zwar nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners einen Vorteil erhalten hat, aber vom Schuldner unter Einsatz einer Mittelsperson begünstigt wurde.8 Obwohl in diesem Fall keine unmittelbare Wertverschiebung zwischen dem Schuldner und dem mittelbar Begünstigten stattgefunden hat, können die Gläubiger den mittelbar Begünstigten im Wege der Anfechtung in Anspruch nehmen, sofern die subjektive Zwecksetzung des Schuldners auf diese Begünstigung gerichtet war und der Begünstigte den Schuldner als Urheber der Leistung erkennen konnte.9 Die Frage, ob jenseits der objektiven Wertverschiebung eine Anfechtungsbeziehung begründet werden kann, richtet sich somit nach den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs.10 Die subjektiven Zwecksetzungen des Schuldners haben bei der Bestimmung des Anfechtungsgegners nach der objektiven Sichtweise demnach nur Bedeutung, sofern sie die Anfechtungsmöglichkeiten durch die Einbeziehung eines mittelbar begünstigten Dritten erweitern. Der bereicherungsrechtliche Leistungsempfänger kommt ergänzend neben dem Empfänger der unmittelbaren Wertverschiebung als Anfechtungsgegner in Betracht, sofern in seiner Person die Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit vorliegen.

7 Vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 66: „Durchbrechung der Abwicklung im Dreieck“; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25: „Insoweit erfolgt eine Abkehr von bereicherungsrechtlichen Grundsätzen“. 8 Vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2008 – IX ZR 59/07, NZI 2008, 733 (734) in Rn. 21; BGH, Urt. v. 24.09.1962 – VIII ZR 18/62, BGHZ 38, 44 (46); OLG Hamburg, Urt. v. 22.11.1984 – 6 U 114/84, KTS 1985, 556 (557); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 58; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14b; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 28; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 9; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G14; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 8. 9 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (259) in Rn. 17; BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (355); BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (288); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 26; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., Rn. 14b. Zur Erkennbarkeit vgl. BGH, Beschl. v. 09.07.2015 – IX ZR 207/13, ZIP 2015, 1545 in Rn. 2 [zu § 134 InsO]; BGH, Urt. v. 09.10.2008 – IX ZR 59/07, NZI 2008, 733 (734) in Rn. 21; BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287); de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 129 Rn. 18. 10 Vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 (229) in Rn. 19; BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287); OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 (314). Vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (33) sowie Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25: „Dies entspricht den bereicherungsrechtlichen Wertungen der Rückabwicklung im Leistungsverhältnis.“

I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung

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2. Die Unentgeltlichkeit als Ergebnis eines objektiven Vermögensvergleichs Da dem Merkmal der Leistung somit keine besondere Selektionskraft zukommt, entscheidet über den Erfolg der Anfechtung in erster Linie das Merkmal der Unentgeltlichkeit, das ebenfalls nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist.11 Die Unentgeltlichkeit beschreibt aus Sicht der herrschenden Meinung das Ergebnis eines objektiven Vermögensvergleichs vor und nach der schuldnerischen Rechtshandlung.12 Ist der Vermögensvergleich unausgeglichen, weist also das Schuldnervermögen einen negativen Vermögenssaldo und/oder das Empfängervermögen einen positiven Vermögenssaldo auf, so ist die Leistung zumindest teilweise ‚objektiv unentgeltlich’.13 Entgeltlich ist sie hingegen, wenn sich aufgrund der Differenzhypothese ein ausgeglichener Vermögenssaldo ergibt, weil der Vermögensfluss durch einen äquivalenten Gegenwert kompensiert wird. Die Unentgeltlichkeit kennzeichnet somit das wirtschaftliche Ergebnis einer Rechtshandlung des Schuldners: Sind die Folgen für den Schuldner wirtschaftlich nachteilig bzw. erhält der Anfechtungsgegner ohne ausgleichende Kompensation einen wirtschaftlichen Vorteil, ist der Anwendungsbereich des § 134 InsO eröffnet.14 a) Die Bewertungsgrundlagen des objektiven Vermögensvergleichs Die objektive Sichtweise steht nun vor der Aufgabe, die Parameter des objektiven Vermögensvergleichs festzulegen. Sie muss entscheiden, ob die Differenzhypothese auf die Vermögenslage beim Schuldner oder beim Empfänger abstellen soll: Je nach eingenommener Perspektive kann das Ergebnis der Entgeltprüfung unterschiedlich ausfallen. Auch ist zu fragen, welche Anforderungen der Gegenwert erfüllen muss, um in den Vermögensvergleich eingestellt zu werden. Die Meinungen hierzu gehen innerhalb der objektiven Sichtweise auseinander. 11

Vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2015 – IX ZR 133/14, NJW 2015, 1672 (1677) in Rn. 49: „Maßgebend ist in erster Linie der objektive Sachverhalt.“; Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 307 ff.; Gerhardt, EWiR 2002, S. 1055 (1056); Jungmann, EWiR 2010, S. 679 (680); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22; R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (319); Thole, Gläubigerschutz, S. 445. Vgl. auch BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 51: „Ob für die Leistung des Schuldners ein Gegenwert in dessen Vermögen geflossen ist bzw. fließen soll, bestimmt sich in erster Linie nach dem objektiven Sachverhalt“; ebenso BAG, Urt. v. 18.09.2014 – 6 AZR 145/13, ZIP 2014, 2519 in Rn. 20. 12 Vgl. etwa Gundlach/Frenzel, NZI 2006, S. 400. 13 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 127. 14 Vgl. Siemon, BB 1991, S. 81 (84): Vereinbaren die Parteien für eine Kaufsache einen Kaufpreis i.H.v. 1.000 DM, obwohl der tatsächliche objektive Verkehrswert 1.200 DM betrage, so sei die Leistung i.H.v. 200 DM objektiv unentgeltlich. Vgl. auch BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 4: „Weicht die Gegenleistung objektiv im Wert von der Leistung ab, so ist in Höhe der Abweichung eine Unentgeltlichkeit anzunehmen.“

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

aa) Maßgebliche Perspektive Nimmt man bei der Bestimmung der Unentgeltlichkeit ausschließlich die Schuldnerperspektive ein, ist für den Entgeltcharakter der Leistung ausschlaggebend, ob die Minderung des Schuldnervermögens durch einen entsprechenden Vermögenszufluss wieder ausgeglichen wird.15 Unentgeltlich ist die Leistung somit immer dann, wenn die Haftungsmasse kompensationslos geschmälert wurde. Dafür wird vorgebracht, Auslöser der Anfechtung sei die Beeinträchtigung der Haftungsmasse, sodass auch die Voraussetzungen des § 134 InsO am Zustand des Schuldnervermögens zu messen seien.16 Für die Masse mache es keinen Unterschied, ob der Empfänger eine Vermögenseinbuße zu verzeichnen habe, solange diese Einbuße dem Schuldner nicht zugute kommt.17 Hält man hingegen die Empfängerperspektive für maßgeblich, entscheidet über den Entgeltcharakter der Leistung nicht der Zustand des Schuldner-, sondern des Empfängervermögens. Der Erfolg der Anfechtung hängt allein davon ab, ob der Leistungsempfänger ein ausgleichendes Vermögensopfer erlitten hat oder nicht.18 Dafür könnte sprechen, dass die Rechtfertigung der Unentgeltlichkeitsanfechtung in der geringen Schutzwürdigkeit des Empfängers zu suchen ist, und diese nur vorliegt, wenn sein Vermögen durch die Leistung lediglich vermehrt und nicht auch vermindert worden ist.19 Die frühe Rechtsprechung nahm eine kombinierte Prüfung vor: Die Unentgeltlichkeit setzte voraus, dass das Schuldnervermögen keinen äquivalenten Vermögenszuwachs verbuchen konnte und auch der Empfänger keine ausgleichende Vermögenseinbuße erlitten hat.20 Dieser Maßstab fand in gleicher 15

Dafür insbesondere Gundlach/Frenzel/Schmidt, InVo 2004, S. 485 ff.; Gundlach/ Frenzel, EWiR 2004, S. 1187 (1188); dies., NZI 2005, S. 325; dies., NZI 2006, S. 400; Thole, Gläubigerschutz, S. 472 sowie RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, 86 ff. Aus der Rechtsprechung vgl. auch die Nachweise auf S. 4 in Fn. 27 und Fn. 28. Meist nimmt die Rechtsprechung die Schuldnerperspektive aber nur in Zwei-Personen-Konstellationen ein, vgl. zu diesem Perspektivwechsel sogleich. 16 Gundlach/Frenzel, NZI 2005, S. 325; dies., EWiR 2004, S. 1187 (1188); dies., NZI 2006, S. 400. 17 Thole, Gläubigerschutz, S. 473. 18 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 39; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 25; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 52 Rn. 12; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 13, 14; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 70 ff.; Wittig, NZI 2005, S. 606. Dem entspricht die Definition, Unentgeltlichkeit liege nur vor, wenn der Empfänger keine ausgleichende Gegenleistung an den Schuldner oder mit seinem Einverständnis an einen Dritten erbracht habe. 19 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 39; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 52 Rn. 12. 20 BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679 (1680); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (300 ff.). Auch noch OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v.

I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung

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Weise in Zwei- und in Mehrpersonenbeziehungen Anwendung.21 Heute spricht sich die Rechtsprechung – und daran anknüpfend ein Großteil der Literatur22 – hingegen für einen Perspektivwechsel in Zwei- und Mehrpersonenkonstellationen aus.23 Besteht nur zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner eine Leistungsbeziehung, soll ausschlaggebend sein, ob dem Schuldnervermögen ein ausgleichender Vermögenswert zugeflossen ist. Wird hingegen eine dritte Person in den Zuwendungs- oder Gegenleistungsvorgang eingeschaltet, entscheidet allein die Empfängerperspektive über die Anfechtbarkeit.24 Denn nur derjenige, der für die Leistung nichts aufwenden musste, dürfe gem. § 134 InsO zur Rückgewähr verpflichtet werden.25 Der Zustand des Schuldnervermögens spielt nun keine Rolle mehr, sodass es bei fehlendem Vermögensopfer auf 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218 f.); OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2001 – 9 U 88/00, NZI 2002, 112 (113 f.). Offengelassen von RG, Urt. v. 12.10.1896 – VI 74/96, RGZ 38, 6 (9). Heute noch Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885 ff.). 21 Vgl. Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885 ff.), der nach wie vor die Leitlinien der frühen Rechtsprechung befürwortet. 22 Vgl. de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 8; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 9; Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (197); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 12; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 7, 8. 23 BGH, Urt. v. 17.10. 2013 – IX ZR 10/13, NJW 2013, 3720 (3721) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 19.04.2007 – IX ZR 79/05, NZI 2007, 403 (404) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555 (1556) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279); BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2422). 24 So deutlich erstmals BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99), allerdings bezogen auf eine Anfechtung gegenüber dem Forderungsschuldner, der zusammen mit dem Insolvenzschuldner für die Forderung haftete. Daran anschließend, auch im Verhältnis zum Forderungsgläubiger dann BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279 ff.); BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) Rn. 10; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 13, 18; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 in Rn. 6 (zur Sicherung einer fremden Schuld); BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 Rn. 8; OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (32); OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 8; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 9; Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (197); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 12; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a. 25 OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (32).

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

Empfängerseite unerheblich ist, ob dem Schuldner von dritter Seite ein Ausgleich zugeflossen ist.26 bb) Taugliche Gegenwerte Die wirtschaftliche Sichtweise muss weiterhin entscheiden, welche Gegenwerte in den objektiven Vermögensvergleich eingestellt werden können. Fest steht, dass der ausgleichende Gegenwert zumindest so mit der Schuldnerleistung verknüpft sein muss, dass er ohne diese dem Schuldner nicht zugeflossen bzw. dem Empfänger nicht abhandengekommen wäre (condicio-sine-quanon). Teilweise werden allerdings nur von den Parteien vereinbarte Gegenleistungen als taugliche Gegenwerte akzeptiert.27 Die Parteien müssen die Schuldnerleistung und die Gegenleistung des Empfängers in einer entsprechenden Vereinbarung einander gegenübergestellt haben. Gegenwerte, die vom Gesetz automatisch mit der Schuldnerleistung verknüpft werden – wie etwa die Erfüllungswirkung des § 362 BGB oder gesetzliche Ausgleichsansprüche –, können hingegen keine Berücksichtigung finden. Andere halten es für ausreichend, dass die Parteien den Gegenwert zumindest übereinstimmend als Gegenleistung angesehen haben.28 Auch nicht kraft Parteivereinbarung begründete Gegenwerte können damit einen ausgeglichenen Vermögenssaldo begründen, sofern sie von einem entsprechenden Bewusstsein der Parteien begleitet werden. Nach diesen beiden Ansichten ist die Anwendung des § 134 InsO trotz objektiv ausgeglichenem Vermögenssaldo möglich, sofern die Parteien den ausgleichenden Vermögenswert nicht als Gegenleistung angesehen haben.29 Eine dritte Auffassung hingegen verzichtet auf ein solches subjektives Element und stellt die gesetzlich begründeten Gegenwerte schlichtweg neben die rechtsgeschäftlich vereinbarten Gegenleistungen. Auch ein Gegenwert, der nicht den Anforderungen einer Gegenleistung im ‚formalrechtlichen’ Sinne genüge, könne die Unentgeltlichkeit ausschließen, ohne dass es auf ein entsprechendes übereinstimmendes Bewusstsein der Parteien ankäme.30 26 BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (100). 27 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 37; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 116; wohl auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 19, die zumindest eine konkludente Parteiabrede über die Verknüpfung fordern. 28 Vgl. Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 17. Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17 hält es für ausreichend, dass nur eine Partei den Gegenwert als Gegenleistung qualifiziert. 29 Vgl. Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 100; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (280). A.A. Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 17; ebenso Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 40. 30 Vgl. Gundlach/Frenzel/Schmidt, InVo 2004, S. 485 (486): „Im Ergebnis ist eine Gegenleistung schon immer dann anzunehmen, wenn ein eigener wirtschaftlicher Vorteil des Insolvenzschuldners in einem kausalen Zusammenhang mit der Leistung steht.“ Vgl. auch

I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung

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cc) Tatsächlich eingetretene Vermögensveränderung Da in erster Linie die objektive Rechtslage und nicht die subjektive Zwecksetzung der Parteien über den Entgeltcharakter der Leistung entscheidet, muss der Vermögenszuwachs auf Schuldnerseite bzw. die Vermögenseinbuße auf Empfängerseite bereits tatsächlich stattgefunden haben, um im Vermögensvergleich berücksichtigt zu werden.31 Ein zukünftig vorgesehener Ausgleich, mag von ihm auch der endgültige Bestand der Schuldnerleistung rechtlich abhängig sein, lässt die Unentgeltlichkeit der Leistung daher noch nicht entfallen.32 Ein tatsächlich eingetretener Vermögensausgleich sei allerdings gegeben, wenn im Zeitpunkt der Leistung bereits eine Forderung auf die Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners übergegangen ist bzw. das Vermögen des Empfängers mit einer solchen Forderungen belastet sei.33 Die Schuldnerleistung ist in diesem Fall entgeltlich. Bleibe die geschuldete Gegenleistung anschließend aus, stelle dies die Entgeltlichkeit nicht mehr in Frage.34 b) Subjektive Merkmale als Korrektiv des rein objektiven Prüfungsmaßstabs Der Tatbestand des § 134 InsO ist aus Sicht der objektiven Auffassung somit stets erfüllt, wenn der Schuldnerleistung kein objektiv ausgleichender Gegenwert gegenübersteht. Schwierigkeiten ergeben sich nun aber, wenn der vereinbarte Gegenwert zwar objektiv hinter dem Wert der Schuldnerleistung zurückbleibt, die Parteien ihn aber dennoch in nachvollziehbarer Weise als angemessenen Ausgleich ansehen durften. Objektiv vollkommen ausgeglichene Verträge sind im täglichen Wirtschaftsleben die Ausnahme. Der Rechtsverkehr RG, Urt. v. 10.03.1913 – VI 487/12, JW 1913, 608 (609): „der Begriff des Entgelts ist hierbei nicht in dem formalrechtlichen Sinne aufzufassen“; ebenso auch LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192). 31 So ausdrücklich Heim, Schenkungsanfechtung, S. 113 ff., 121 f. Dem entspricht die Definition, dass eine Leistung nur dann entgeltlich ist, wenn keine entsprechende Gegenleistung in das Vermögen des Insolvenzschuldners gelangt ist oder wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Parteien sein sollte. So BGH, Urt. v. 09.12.2010 − IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJW-RR 2010, 1637 (1638) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 in Rn. 9; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (101 f.); BGH, Urt. v. 10.05.1978 – VIII ZR 32/77, DB 1978, 1977, insoweit nicht in BGHZ 71, 296 ff. abgedruckt; BGH, Urt. v. 13.03.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (64 f.); OLG Koblenz, Beschl. v. 13.02.2013 – 3 U 1494/12, ZInsO 2013, 674 (675); LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192). Vgl. auch BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (300). 32 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 122. 33 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 114 f. Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 442. 34 Vgl. nur BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 41; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 115.

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würde massiv beeinträchtigt, wenn die Gläubiger die nachteiligen Wirkungen jedes schlecht verhandelten Vertrags vier Jahre lang aufheben könnten. Letztlich hinge über fast jedem Vertragsverhältnis das Damoklesschwert der Unentgeltlichkeitsanfechtung. Dies erscheint sowohl mit Blick auf § 132 InsO, der unmittelbar nachteilige Rechtsgeschäfte nur im Vorfeld der Insolvenz für anfechtbar erklärt, als auch mit Blick auf die Gläubiger, deren Interessen durch den Zufluss eines grundsätzlich ausgleichstauglichen Gegenwertes nur geringfügig berührt werden, nicht angemessen. Hinzu kommen die praktischen Schwierigkeiten, den objektiven Wert der ausgetauschten Leistungen im Nachhinein präzise zu bestimmen. Der Marktwert einer Leistung hängt immer von den Umständen des Einzelfalls und den konkreten Vertragsparteien ab: Eine Flasche Wasser mag objektiv 10 Cent wert sein, im Großmarkt 20 Cent kosten, auf einem Ausflugsschiff kann aber auch ein Preis von 3 Euro angemessen sein. Da es an allgemeingültigen Maßstäben zur Bestimmung des objektiven Wertes einer Leistung fehlt, könnte das Gericht einen angenäherten Schätzwert nur unter großem Aufwand im Einzelfall ermitteln. Aus diesem Grund ist man sich einig, dass dem rein objektiven Prüfungsmaßstab durch die subjektiven Einschätzungen der Parteien Grenzen zu setzen sind: Steht fest, dass der Leistung objektiv ein tauglicher Gegenwert gegenübersteht, sind in einem zweiten Schritt die Vorstellungen der Parteien bei der Frage heranzuzuziehen, ob dieser Gegenwert den Wert der Schuldnerleistung erreicht.35 Auf diese Art und Weise wird der Marktmechanismus geschützt und der praktischen Schwierigkeit Rechnung getragen, dass der tatsächliche ‚objektive Wert’ im Rahmen von Austauschverhältnissen nie mit Sicherheit festgestellt werden kann.36 Berücksichtigung finden können die Parteivorstellungen allerdings nur innerhalb eines angemessenen Beurteilungsspielraums, des-

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Vgl. BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); BGH, Urt. v. 10.05.1978 – VIII ZR 32/77, DB 1978, 1977, insoweit nicht in BGHZ 71, 296 ff. abgedruckt. Auch BGH, Urt. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281); BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (397); BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (102); BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 51; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 42; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 11; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 11; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 23; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 9; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 13. 36 Siemon, BB 1991, S. 81 (84). Vgl. auch BFH, Urt. v. 14.07.1981 – VII R 49/80, BFHE 133, 501 (507): „Ergibt diese objektive Gegenüberstellung wegen der Schwierigkeit der Bewertung einzelner Faktoren kein eindeutiges Bild darüber, ob eine ausgleichende eigene Zuwendung des Anfechtungsgegners vorliegt, so ist auch die Wertung der Beteiligten in Betracht zu ziehen“.

I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung

25

sen Grenzen ebenfalls objektiv zu bestimmen sind.37 Haben die Parteien innerhalb des Bewertungsspielraums den erbrachten Gegenwert als ausgleichendes Entgelt angesehen, ist die Leistung trotz der objektiven Unausgeglichenheit als voll entgeltlich einzustufen.38 Bewegen sie sich aber außerhalb dieses vernünftigen Bereichs, bleibt die Leistung (teilweise) objektiv unentgeltlich.39 Ist hingegen nach der objektiven Sach- und Rechtslage keinerlei Gegenwert geflossen, der grundsätzlich geeignet wäre, die Schuldnerleistung auszugleichen, so bleibt es bei dem Ergebnis der objektiven Entgeltprüfung.40 Einseitige oder übereinstimmende Irrtümer der Parteien können die Anfechtbarkeit nicht mehr in Frage stellen, da es an jeder Gegenleistung fehlt.41 3. Fazit und Kritik Die Vorteile der objektiven Sichtweise liegen auf der Hand: Sie verschafft dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst umfassenden Masseanreicherung Geltung. Indem sich die Anfechtungsbeziehungen an dem tatsächlichen Vermögensfluss orientieren und durch die subjektiven Zwecksetzungen der Parteien ausschließlich erweitert und nicht beschränkt werden, können sich ihre 37 BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 39; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07, NJW-RR 2009, 1563 (1564) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 09.11.2006 – IX ZR 285/03, NJWRR 2007, 263 (264) in Rn. 15; BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867); BGH, Urt. v. 21.01.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 (183); BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 60; BFH, Urt. v. 14.07.1981 – VII R 49/80, BFHE 133, 501 (507); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 40; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 29; Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 24 f.; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22. 38 BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 02.04.1998 – IX ZR 232/96, NJW-RR 1998, 1057 (1061 f.); BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 40; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 29; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 40; Siemon, BB 1991, S. 81 (83). Vgl. auch BGH, Urt. v. 08.03.2012 − IX ZR 51/11, NJW 2012, 2099 (2102) in Rn. 35; BGH, Urt. v. 09.11.2006 – IX ZR 285/03, NJWRR 2007, 263 (264) in Rn. 16. Kritisch sogar hierzu Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 24 f. (wegen Gläubigerschutz). 39 Vgl. BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 02.04.1998 – IX ZR 232/96, NJW-RR 1998, 1057 (1061 f.). 40 Vgl. Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 307 ff.; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 113; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 57 ff. 41 BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281): „Da es hier schon objektiv an einem Gegenwert fehlt, kommt es auf die subjektiven Vorstellungen nicht an“. Vgl. auch Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 42; Gundlach/Frenzel/ Schmidt, InVo 2004, S. 485 (486); Jungmann, EWiR 2010, S. 679 (680); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22, 40; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 57 ff.

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

Anfechtungsmöglichkeiten sogar vervielfältigen. Die Bestimmung der Unentgeltlichkeit anhand objektiver Kriterien lässt jede Schuldnerleistung in den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen, der nach dem objektiven Sachverhalt kein ausgleichender Gegenwert gegenübersteht. Positive subjektive Voraussetzungen für die Unentgeltlichkeit gibt es nicht. Der Anfechtende ist daher von den Beweisschwierigkeiten, die der Nachweis subjektiver Tatbestandsmerkmale mit sich bringen würde, befreit. Die subjektiven Vorstellungen der Parteien dienen nur als Korrektiv in Situationen, in denen die ausschließliche Anwendung des objektiven Unentgeltlichkeitsbegriffs den Marktmechanismus gefährden und seinerseits Beweisschwierigkeiten heraufbeschwören würde. Im Cash-Pool-Fall bietet die objektive Sichtweise den Gläubigern des zahlenden Dritten daher umfassenden Schutz: Da sich die Anfechtungsbeziehung nach der objektiven Wertverschiebung richtet, können sie sich sowohl an den Forderungsschuldner als mittelbar Begünstigten als auch an den Forderungsgläubiger als unmittelbaren Zahlungsempfänger wenden. Da der Rückgriff auf den Forderungsschuldner angesichts seiner Vermögenslosigkeit keinen Erfolg verspricht, der Forderungsgläubiger hingegen aufgrund der Wertlosigkeit seiner Forderung einen einseitigen Vermögensvorteil zu verbuchen hat, können die Gläubiger ihn zur Befriedigung ihrer Forderungen in Anspruch nehmen. Ob der zahlende Dritte oder der Forderungsgläubiger Kenntnis von der Situation hatten und insbesondere die Vermögenslosigkeit des Forderungsschuldners kannten, spielt keine Rolle. Auch im Phoenix-Fall ist die Rückforderung der rechtsgrundlos ausgezahlten Scheingewinne problemlos möglich: Da die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht an positive subjektive Voraussetzungen geknüpft ist, schadet es nicht, dass der Anleger die Leistung für entgeltlich hielt. Die Anfechtung wäre selbst dann erfolgreich, wenn die Phoenix GmbH selbst an den Bestand der Scheingewinne geglaubt hätte. Das Ziel der bestmöglichen Förderung der Masseanreicherung erreicht der objektive Ansatz allerding nur, indem er ein eigenes, anfechtungsspezifisches Unentgeltlichkeitsverständnis entwickelt, das den Interessen der Gläubiger umfassend dient.42 Diesen anfechtungsrechtlichen Sonderweg halten die Befürworter nicht für bedenklich, weil dem allgemeinen Zivilrecht ohnehin kein 42

Vgl. zum Verweis auf den gläubigerschützenden Zweck der Unentgeltlichkeitsanfechtung als Rechtfertigung für eine „weitgehenden Ausdeutung“ des § 134 InsO BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (103); BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673 f.; BFH, Urt. v. 14.07.1981 – VII R 49/80, BFHE 133, 501 (507); OLG Rostock, Urt. v. 02.04.2007 – 3 U 143/06, OLGR Rostock 2007, 702 (703); OLG Celle, Urt. v. 17.10.1989 – 20 U 25/89, NJW 1990, 720 (zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9.

I. Die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung

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einheitliches Unentgeltlichkeitsverständnis zugrunde liege: Werde die Unentgeltlichkeit schon im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB anders verstanden als etwa bei der bereicherungsrechtlichen Durchgriffshaftung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, spreche nichts dagegen, auch im Anfechtungsrecht einen eigenständigen Unentgeltlichkeitsbegriff zu etablieren, der sich am gläubigerschützenden Zweck der Anfechtung orientiert.43 Bestätigt sehen sich die Vertreter der objektiven Ansicht zudem durch einen Blick auf den Wortlaut des § 134 InsO: Während § 516 Abs. 1 BGB ausdrücklich eine Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit fordert, scheint der Tatbestand des § 134 InsO von einem solchen, auf den Parteiwillen abstellenden Merkmal befreit.44 Diese Deutung entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Insolvenzrechtsreform die Durchschlagskraft der Anfechtung erhöhen und auf diese Weise der Massearmut entgegenwirken wollte.45 Dieser Zweck werde nur dann bestmöglich verwirklicht, wenn man den Fokus auf die objektiv feststellbaren Vorgänge legt und nicht dazu übergehe, die tatsächliche Aushöhlung der Masse durch die Berücksichtigung der Erklärungen und subjektiven Vorstellungen der Parteien zu „überspielen“.46 Zweifel an diesem Begründungsansatz weckt allerdings die Tatsache, dass das spezifisch insolvenzrechtliche Unentgeltlichkeitsverständnis ausschließlich darauf gerichtet zu sein scheint, den Interessen der Gläubiger so umfassend wie möglich Geltung zu verschaffen. Jede Norm ist aber das Ergebnis einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, in die nicht nur einseitig die Interessen einer Gruppe eingestellt werden dürfen, sondern in der auch die beschnittenen Interessen Berücksichtigung finden müssen.47 Selbst die eingeschränkte Berücksichtigung der Parteivorstellungen innerhalb des Beurteilungsspielraums ist jedoch kein Zugeständnis an den Empfänger, sondern 43 Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 306; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 190; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 25 f. Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 445 f. 44 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 188; Siemon, BB 1991, S. 81 (82). 45 Vgl. zu diesem Reformanliegen Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, 3. Aufl., Kap. 5 Rn. 306. 46 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 190. Vgl. auch Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 45; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 32; Siemon, BB 1991, S. 81 (83). 47 Vgl. Heck, AcP 112 (1914), S. 1 (17); Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186). Vgl. auch BGH, Urt. v. 18.05.1955 – I ZR 8/54, BGHZ 17, 266 (276): „Jedem Gesetz liegt eine Interessenabwägung zugrunde, die in bestimmter Weise auf das soziale Leben einwirken will“ sowie Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 400; Hubmann, Wertung und Abwägung im Recht, S. 11. Verfehlt daher die Aussage von Huber, EWiR 1997, S. 267 (268), die Unentgeltlichkeit der Zuwendung dürfe „nicht mit der Begründung verneint werden, der Beklagte sei schutzwürdig. Das gehört nicht zum Tatbestand der Schenkungsanfechtung“: Die Interessen des Empfängers sind integraler Bestandteil des § 134 InsO, denn sie sind ebenso gleichwertiger Teil der zugrunde liegenden Interessenabwägung wie die Interessen der Gläubiger.

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

schlichtweg unumgänglich, da ansonsten nicht nur der Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigt wäre, sondern auch § 132 InsO keinen Anwendungsbereich mehr besitzen würde. Dieser Befund rechtfertigt durchaus den Verdacht, dass der anfechtungsspezifische Unentgeltlichkeitsbegriff der objektiven Ansicht lediglich „Ausfluß einseitiger Billigkeitserwägungen“ ist.48 Schwierigkeiten bereitet es zudem, die Unentgeltlichkeitsanfechtung auf dieser Grundlage stimmig in das fein ausdifferenzierte System der übrigen Anfechtungstatbestände einzufügen. Friktionen ergeben sich vor allem im Verhältnis zu § 132 InsO: Da der objektive Ansatz grundsätzlich jeden unausgeglichenen Vertrag als objektiv unentgeltlich qualifiziert, wäre der Tatbestand des § 132 InsO eigentlich überflüssig.49 Eigene Bedeutung erhält er nur, weil auch die objektive Sichtweise den Parteien einen gewissen Beurteilungsspielraum zugesteht, um den Marktmechanismus nicht außer Kraft zu setzen. Damit besteht zwischen § 132 InsO und § 134 InsO aber lediglich ein gradueller Unterschied. Ob dieses systematische Zusammenspiel das Verhältnis zwischen dem vier Jahre zurückgreifenden, allgemeinen Anfechtungstatbestand des § 134 InsO und dem auf die Sondersituation der materiellen Insolvenz zugeschnitten, besonderen Anfechtungsgrund des § 132 InsO richtig erfasst, erscheint zweifelhaft.50 Denn worin die durch die bereits eingetretene materielle Insolvenz begründete, besondere Schärfe des § 132 InsO im Vergleich zu § 134 InsO liegen soll, wird auf Grundlage des objektiven Ansatzes nicht deutlich. Es bestehen daher durchaus begründete Zweifel, ob die objektive Sichtweise den Anwendungsbereich des § 134 InsO nicht zu weit ausdehnt. II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers

Einen Gegenentwurf zu diesem weiten, objektiven Verständnis präsentiert Michael Fischer in seiner Arbeit über die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht.51 Ausgehend vom Unentgeltlichkeitsverständnis im Schuldvertragsrecht des BGB entwickelt er einen im gesamten bürgerlichen Recht geltenden, rechtsgeschäftlichen Unentgeltlichkeitsbegriff, der auch im Rahmen der §§ 134 InsO, 4 AnfG Anwendung finden soll.

48 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443. Kritisch zum pauschalen Verweis auf die „Belange des Gläubigerschutzes“ zur Rechtfertigung der weiten Tatbestandsauslegung auch Thole, Gläubigerschutz, S. 456. 49 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 438. 50 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 438. 51 Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, 2002.

II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers

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1. Verständnis der Unentgeltlichkeit nach dem rechtsgeschäftlichen Modell Für Fischer ist die Unentgeltlichkeit das Charaktermerkmal eines rechtsgeschäftlich begründeten, auf eine materielle Zuwendung gerichteten Kausalgeschäfts, einer materiellen Causa.52 Nur wenn der Zuwendung des Schuldners eine solche materielle Causa zugrunde liegt, soll eine Anfechtung als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO in Betracht kommen.53 Sonstige Zuwendungen, die nicht auf einem wirksamen, rechtsgeschäftlich begründeten Kausalgeschäft beruhen, scheiden hingegen von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung aus.54 Da sich die Unentgeltlichkeit aus dem Inhalt des der Zuwendung zugrunde liegenden Kausalgeschäfts ergibt, hängen ihre subjektiven Voraussetzungen grundsätzlich davon ab, ob das Kausalgeschäft einseitig begründet werden kann oder ob es – wie üblich – durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien zustande kommt. Kann der Geschäftszweck wie im Fall der Auslobung oder der Stiftungserrichtung ausnahmsweise durch einseitiges Rechtsgeschäft festgelegt werden, so ist für die Begründung der Unentgeltlichkeit nur die Willenserklärung des Zuwendenden erforderlich.55 Einer Einigung über die Unentgeltlichkeit bedarf es in diesem Fall nicht. Im Anwendungsbereich des § 134 InsO spricht sich Fischer jedoch einschränkend dafür aus, die Anfechtung einseitig begründeter Kausalgeschäfte aus Gründen des Empfängerschutzes zusätzlich daran zu knüpfen, dass dem Begünstigten der unentgeltliche Geschäftszweck im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts bekannt war.56 Der einseitig erklärte Wille des Schuldners reiche nur aus, wenn der Empfänger ausnahmsweise nicht besonders schutzwürdig sei.57 Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist also neben der auf die Unentgeltlichkeit gerichteten Willenserklärung des Schuldners in der Regel auch die entsprechende Kenntnis des Anfechtungsgegners erforderlich. Kann das Rechtsgeschäft hingegen – wie üblich – nur durch übereinstimmende Willenserklärungen begründet werden, so ist für die Anwendung des § 134 InsO die Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit erforderlich. Ob eine solche vorliegt, ist durch Auslegung zu bestimmen. Maßgeblich ist

52

Zum Begriff der materiellen Causa siehe sogleich. Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443 ff. und passim. Für eine Anbindung an das bürgerlich-rechtliche Verständnis auch Ahrens, NZI 2001, S. 456 (457): „Gerade diese Anknüpfung an eine unentgeltliche causa gliedert die Insolvenzanfechtung in das zivilrechtliche Ordnungssystem von Leistung und ausgleichender Gegenleistung ein. Abgestellt wird auf eine vom Schuldner in privatautonomer Entscheidungsfreiheit ohne Gegenleistung erbrachte Zuwendung.“ 54 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 444 und passim. 55 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 193 ff. 56 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 444. 57 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 448 nennt als Beispiel die Stiftungserrichtung. 53

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

dabei in erster Linie der erklärte Wille: Streben die Parteien einen gleichwertigen Austausch an, ist das Rechtsgeschäft auf einen entgeltlichen Geschäftszweck gerichtet. Bezwecken sie die einseitige Bevorteilung eines Teils, so ist das Kausalgeschäft unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit wird also in erster Linie subjektiv bestimmt. Lediglich wenn die Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Äquivalenzermessens durch die Parteien im Raum steht, muss die Entgeltbewertung aus Fischers Sicht zum Schutze der Gläubiger durch eine objektiv-normative Grenze korrigiert werden.58 Dafür ist allerdings erforderlich, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, die Parteien sich dieses Missverhältnisses im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewusst sind und keine sachlichen Gründe für den Abschluss eines grob unausgeglichenen Vertrags sprechen.59 2. Der Begriff der materiellen Causa Der rechtsgeschäftliche Ansatz schlägt mit der Angliederung des § 134 InsO an den rechtsgeschäftlichen Unentgeltlichkeitsbegriff eine Brücke zum allgemeinen Zivilrecht und integriert auf diese Weise das Anfechtungsrecht in die zivilrechtliche Dogmatik und die ihr zugrunde liegenden Wertungen. Anders als die objektive Ansicht setzt er sich nicht dem Vorwurf einer uferlosen Ausdehnung aus, da er von vornherein nur Zuwendungen erfasst, denen eine rechtsgeschäftliche materielle Causa zugrunde liegt. Um die Tragweite von Fischers Modell nachvollziehen zu können, muss allerdings zunächst einmal der Begriff der materiellen Causa mit Leben gefüllt werden. Mit dem allgemeinen Begriff ‚Causa’ werden im Zivilrecht nämlich ganz unterschiedliche Vorstellungen verbunden.60 Die Definitionen reichen von „erster Absicht, Zweck, Rechtsgrund eines Rechtsgeschäfts“61 bis hin zu „Forderung, wirtschaftliches Grundgeschäft, wirtschaftlicher Enderfolg, zum

58

Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 449. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 449. 60 So Ehmann, in: FS Beuthien, S. 3 (10); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 115; Flume, AT, Bd. 2, 3. Aufl., § 12 I 1, S. 153 Fn. 1; Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 143; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 320; Poelzig, JZ 2012, S. 425 (428): „ambivalenter Begriff“; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 2 a, S. 87; Rothe, Erbvertrag und Synallagma, S. 21; Westermann, Causa, S. 1. Einig ist man sich hingegen über die zentrale Bedeutung der Causa-Lehre im Zivilrecht: Schon Stampe, causa-Problem, S. 3 sah in der Causa-Frage „das Zentralproblem des Zivilrechts“, Bremkamp bezeichnet die Causa über ein Jahrhundert später im Titel seiner Dissertation als „Grundpfeiler des Privatrechts“. Ebenfalls Ehmann, in: FS Beuthien, S. 3 (5): Der Causa-Lehre komme „zentrale Bedeutung“ zu; Kegel, in: FS Mann, S. 57 (61): „Die Causalehre ist im deutschen Recht zentral.“ 61 So beschreibt Stampe, causa-Problem, S. 3 die Vorstellungen der Forschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 59

II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers

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Vertragsinhalt erhobener Geschäftszweck“.62 Teilweise wird der Anwendungsbereich der Causa allein im Bereicherungsrecht gesehen,63 andere gehen von einem rechtsgeschäftlichen und einem bereicherungsrechtlichen Begriff der Causa aus.64 Auch in der Literatur zu § 134 InsO taucht der Verweis auf eine anfechtungsbegründende „unentgeltliche Causa“ immer wieder auf,65 doch auch hier scheint man sich über die Bedeutung des Begriffs nicht vollends im Klaren zu sein.66 Es sind daher in einem ersten Schritt der Charakter und die Funktion der materiellen Causa, die Fischers Modell zugrunde liegt, zu skizzieren. Von Interesse ist dabei neben ihrem allgemeinen Charakter und ihrer Funktion auch ihr Verhältnis zum Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB, da die Begriffe Causa und Rechtsgrund vielfach synonym gebraucht werden.67 Die aus dieser Analyse hervorgehenden Erkenntnisse tragen nicht nur zum Verständnis von Fischers Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung bei, sondern bilden auch eine wichtige Grundlage für die später noch zu erfolgende Bewertung von Erfüllungsund Sicherungsgeschäften, die im Anfechtungsrecht stark umstritten ist.68 Nachdem der Charakter der materiellen Causa geklärt ist, kann ihr Verhältnis zur Unentgeltlichkeit und damit zugleich die Reichweite von Fischers Modell näher konkretisiert werden. a) Charakter und Funktion der materiellen Causa als Festlegung des materiellen Geschäftszwecks Der Begriff der materiellen Causa in dem von Fischer verwendeten Sinne beschreibt den Geschäftszweck eines rechtsgeschäftlich begründeten Kausalverhältnisses.69 Die Privatrechtsordnung eröffnet den Teilnehmern des Rechtsverkehrs die Möglichkeit, durch die Abgabe von Willenserklärungen ihre rechtli-

62 So die Aufzählung des vielfältigen causa-Verständnisses bei Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 2 a, S. 87. 63 Zweigert, JZ 1964, S. 349 (353) hält die causa-Lehre außerhalb des Bereicherungsrechts für überholt. 64 Vgl. etwa Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 2 a, S. 87. 65 Vgl. etwa Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (278); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3. 66 So hält Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138) die Einwendung aus § 814 BGB für „eine unausgesprochene, nicht vereinbarte unentgeltliche Causa“, die „nach § 32 KO die Verfügung zur unentgeltlichen machen und die Schenkungsanfechtung auslösen“ soll. § 814 BGB ist aber gerade keine materielle Causa im Sinne Fischers, dazu sogleich. 67 Vgl. etwa Flume, AT, Bd. 2, 3. Aufl., § 12 I 1, S. 152: „Der Begriff Causa ist hiernach dahin zu bestimmen, dass die Causa der Grund ist, welcher beim Zuwendungsgeschäft die Zuwendung als rechtens rechtfertigt.“ 68 Dazu unten S. 239 ff. 69 Vgl. Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 159: „Diejenigen causae, welche die Schuldverträge (…) inhaltlich konkretisieren (…) kann [man] (…) als materielle causae (Rechtsgrundgeschäfte) bezeichnen.“

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

chen Beziehungen selbstbestimmt zu gestalten und auf diese Weise die Rechtswirklichkeit in ihrem Sinne zu verändern.70 Eine Ausdrucksform dieser Gestaltungsfreiheit ist die Möglichkeit zur rechtsgeschäftlichen Begründung eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinne.71 Die Parteien treten miteinander in eine Sonderverbindung, um auf diese Weise eine bestimmte Änderung ihrer Rechtsverhältnisse herbeizuführen. Die materielle Causa beschreibt nun nichts anderes als das gemeinsame Ziel, das die Parteien mit dem kraft ihrer privatautonomen Gestaltungsmacht begründeten Kausalverhältnis erreichen wollen. Sie enthält die grundlegende Festlegung des mit der rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsbeziehung intendierten (wirtschaftlichen) Gesamterfolgs.72 Kreß sieht daher in der materiellen Causa als Inbegriff des von den Parteien verfolgen Geschäftszwecks die „Seele des Schuldverhältnisses“.73 Ihr Inhalt wird durch die Willenserklärungen der Parteien bestimmt. Im Schuldvertragsrecht des BGB sind verschiedene solcher Geschäftszwecke typisiert: Im Rahmen des § 433 BGB treten die Parteien schuldvertraglich miteinander in Kontakt, um eine Sache gegen Zahlung von Geld zu übergeben und zu übereignen. Im Anwendungsbereich des § 516 BGB hingegen verfolgen sie mit dem Abschluss des Schuldvertrags das Ziel, den Beschenkten aus dem Vermögen des Schenkers einseitig zu bereichern. Das Rechtsgeschäft, mit dem der Geschäftszweck festgelegt wird, kann man Grundgeschäft oder materielles Rechtsgrundgeschäft nennen.74 Es kommt regelmäßig durch eine Einigung zwischen den Parteien zustande,75 sofern die schuldrechtliche Bindung nicht

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Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 103. Der Begriff des Schuldverhältnisses ist im allgemeinen Zivilrecht mit einer doppelten Bedeutung belegt: Das Schuldverhältnis im engeren Sinne bezeichnet eine konkrete Forderungsbeziehung zwischen den Parteien. Mit dem Schuldverhältnis im weiteren Sinne ist hingegen die gesamte Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger gemeint (vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR AT, 20. Aufl., § 1 Rn. 8). 72 Vgl. Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 160; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 341 f.; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 16; Stampe, causa-Problem, S. 24; Westermann, Causa, S. 60. Vgl. auch Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2374): „tragendes, auf die zukünftige Zuwendung bezogenes Moment“. 73 Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, S. 59. Auf den Begriff des Schuldverhältnisses wird im weiteren Verlauf verzichtet, weil er sich jedenfalls nicht ohne weiteres mit dem des rechtsgeschäftlichen Grundgeschäfts deckt. Schuldverhältnisse werden meist als Sonderverbindungen identifiziert, aus denen Verpflichtungen entstehen (vgl. nur Medicus/Lorenz, SchuldR AT, 20. Aufl., § 1 Rn. 1 ff.). Der hier skizzierte Begriff des Grundgeschäfts ist weiter, denn es setzt nicht notwendig die Begründung einer echten Forderung voraus. Zudem können Schuldverhältnisse auch gesetzlich und nicht nur rechtsgeschäftlich entstehen; gesetzliche Schuldverhältnisse beinhalten aber keine materielle Causa. 74 Stampe, causa-Problem, S. 24. 75 Wählen die Parteien einen durch das Gesetz oder den wirtschaftlichen Verkehr vorgeformten Typus des Rechtsgeschäfts, so vereinbaren sie den Geschäftszweck gleich mit. Man 71

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ausnahmsweise einseitig festgelegt werden kann. Mit dem Abschluss des Grundgeschäfts entsteht zwischen den Parteien eine rechtsgeschäftliche Beziehung, die Bindungswirkung entfaltet, ohne dass dies durch Forderungen abgesichert werden müsste (sog. reine Rechtsgrundabrede). Wollen die Parteien nicht mehr an ihre Vereinbarung gebunden sein, müssen sie sie einverständlich aufheben. Das Grundgeschäft erzeugt für jede Partei ein Anrecht darauf, dass der Geschäftszweck auch tatsächlich verwirklicht wird.76 Das Anrecht hat zum Inhalt, dass der eine Vertragsteil vom anderen die zur Verwirklichung des Geschäftszwecks erforderlichen Handlungen (zwanglos) verlangen kann und die in Verwirklichung des Geschäftszwecks empfangenen Gegenstände behalten darf.77 Zwangsweise durchsetzbar ist dieses Anrecht jedoch nicht.78 aa) Die Verwirklichung der materiellen Causa durch Hilfsgeschäfte Zur Verwirklichung des Geschäftszwecks räumen sich die Parteien bestimmte (vermögensrechtliche) Positionen ein, die sie der Umsetzung des von ihnen gesetzten Zwecks widmen.79 Ein typischer Fall ist die Zuwendung einer Forderung. Anders als das Anrecht80 gibt sie dem Gläubiger die Möglichkeit, den muss sich die gemeinsame Zweckvereinbarung nicht als zusätzliche, besondere Vereinbarung vorstellen, sondern sie gehört zu den essentialia negotii aller im Schuldrecht vorgesehenen oder sonstigen Vertragstypen (vgl. Rothe, Erbvertrag und Synallagma, S. 22 in Fn. 60 a.E., S. 23). 76 Begründet wurde der Begriff der Anrechts durch Stampe, Aufwertungsurteil, S. 39 f.; fortgeführt von Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 135; von Lübtow, JR 1950, S. 491 (493); Wieser, JR 1967, S. 321 ff. Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 105, 115, der sowohl vom „Anrecht“ als auch vom „reinen Rechtsgrund“ spricht. 77 Vgl. Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 135, der das Anrecht als „das durch den jeweiligen Schuldvertrag individualisierte Bedürfnis des Gläubigers, sein Interesse an Befriedigung“ und als „von der Rechtsordnung anerkanntes Interesse einer Person, bestimmte Gegenstände empfangen und behalten zu dürfen“ bezeichnet. Zur Funktion des Anrechts als Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB siehe sogleich S. 39 ff. 78 Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 135. 79 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 341; Westermann, Causa, S. 78 f. Vgl. auch Zepos, AcP 155 (1956), S. 486 (489): „Zwischen der Entstehung des Schuldverhältnisses und der zukünftigen Erreichung seines Endzwecks entwickelt sich eine Kette von Mitteln und Zweck.“ 80 Man kann das Anrecht, sofern eine Forderung besteht, auch als den Teil der Forderung verstehen, der das Recht zum zwanglosen Einfordern der Leistung und die Behaltensberechtigung vermittelt und damit auch nach Erlöschen des Forderungsrechts weiter fortbesteht (so die h.M., vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 105: „Jeder Anspruch enthält also auch einen reinen Rechtsgrund“). Es ist also nur eine terminologische Frage, ob man die Befugnisse, die das Anrecht vermittelt, als Teil der Einzelbefugnisse ansieht, die ein Forderungsrecht vermittelt, oder ob man zwischen dem Anrecht und der Forderung trennt und letztere mit dem Recht zur zwangsweisen Durchsetzung der Forderung identifiziert (vgl. Schulze, Naturalobligation, S. 461 ff. und passim, der das Anrecht als Teil der Forderung ansieht). Im Folgenden wird aus Gründen der Klarheit das Anrecht als Recht zum zwanglosen Fordern-

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

Geschäftszweck notfalls auch mit Zwang durchzusetzen. Sie fungiert für den Gläubiger damit als Sicherungsrecht in Bezug auf die Rechtspositionen, die er von dem anderen Teil zu beanspruchen hat.81 Dadurch wird die Forderung selbst zu einer vermögensrechtlichen subjektiven Rechtsposition,82 die aber nach wie vor im Dienste der Verwirklichung des Geschäftszwecks steht. Nichts anderes gilt auch für die Verschaffung der geschuldeten Leistungen selbst, z.B. durch Übergabe und Übereignung der Kaufsache und Zahlung des Kaufpreises: Sie sind der Verwirklichung des materiellen Geschäftszwecks – hier: des Kaufvertragszwecks – gewidmet. Die zur Verwirklichung des Geschäftszwecks vorgenommenen Rechtsgeschäfte nennt man Hilfsgeschäfte. Sie stehen im Dienste des Geschäftszwecks und dienen seiner Vorbereitung, Inhaltsausgestaltung und Durchführung.83 Während das Grundgeschäft den wirtschaftlichen Gesamterfolg der rechtsgeschäftlichen Beziehung festlegt, werden mit den Hilfsgeschäften bloße Hilfszwecke verfolgt. Ihr Inhalt ist auf Rechtsänderungen gerichtet, die lediglich eine Funktion im Gesamtablauf der Verwirklichung des Grundgeschäfts beschreiben.84 Die materielle Causa bleibt somit der beherrschende Hauptzweck und Behaltendürfen verstanden und der Forderungsbegriff im Sinne eines Sicherungsmittels, das die zwangsweise Verwirklichung des Geschäftszwecks ermöglicht. Die Trennung in Forderung und Anrecht verdeutlicht, dass das Anrecht auch ohne Forderung bestehen kann und durch die Erfüllung keinesfalls erlischt, sondern ungehindert weiter fortbesteht. Die Forderung ihrerseits wird zum Inbegriff der Möglichkeit zur zwangsweisen Durchsetzung des Anrechts. 81 Zum Sicherungscharakter der Forderung vgl. auch Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 135, 137. Ebenfalls den sichernden Charakter der Forderung im Verhältnis zum Grundgeschäft betonend Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2374): „Deren Sinn (der Forderung) ist, die Realisierung der Zuwendung abredegemäß zu sicheRn. (…) Der Anspruch entpuppt sich (…) als bloßes Instrument im Dienste der Schenkung“. Zustimmend Bork, Vergleich, S. 23 in Fn. 19 a.E. In dieselbe Richtung auch Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 16: „Das Recht auf das Entgelt, der obligatorische Anspruch des Gebers ist nichts als das, zugegebenen sicherste und vollkommenste, Mittel, um ihm das Entgelt auch wirklich zu verschaffen.“ 82 So auch Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2374), der darin auch den Grund sieht, dass die Forderung – im Vergleich zum bloßen Grundgeschäft – im allgemeinen Bewusstsein eine absolut dominierende Stellung einnimmt. Besonders deutlich wird die vermögensrechtliche Bedeutung der Forderung als Sicherungsrecht in der Insolvenz: Am Insolvenzverfahren nehmen nur durch Forderungen gesicherte Gläubiger überhaupt teil (§ 38 InsO), auch die weitergehenden Sicherungsrechte haben besondere Bedeutung (abgesonderte Befriedigung). Wird die Befriedigung angefochten, lebt die Forderung wieder auf und der Gläubiger kann mit ihr am Verfahren teilnehmen. 83 Bork, Vergleich, S. 30; Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 160 ff.; Stampe, causaProblem, S. 23. 84 Vgl. auch Bork, Vergleich, S. 30 in Fn. 54: „instrumentaler Charakter“; Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 159; Westermann, Causa, S. 79: „Funktion eines Einzelgeschäfts im Rahmen eines wirtschaftlichen Gesamtgeschäfts“. Vgl. auch Boehmer, Erfüllungswille, S. 45; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 341.

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auch der Hilfsgeschäfte. Räumt ein Vertragspartner dem anderen Teil eine Sicherheit für dessen Kaufpreisanspruch ein, so dient dies zwar dem unmittelbaren (Hilfs-)Zweck, die vertragliche Forderung abzusichern. Die Sicherungswirkung ist jedoch kein Selbstzweck, sondern soll die Verwirklichung des angestrebten Geschäftszwecks – die erfolgreiche Abwicklung des Kaufvertrags – fördern. Wird der Kaufpreis später tatsächlich entrichtet, so erfolgt diese Erfüllungsleistung in materieller Hinsicht nicht, ‚um zu erfüllen’ oder von der Verbindlichkeit frei zu werden, sondern um den angestrebten wirtschaftlichen Gesamterfolg des Kaufvertrags zu verwirklichen. Hilfsgeschäfte müssen dem Abschluss des Grundgeschäfts nicht notwendig zeitlich nachfolgen, sondern sie können auch unmittelbar mit dem Abschluss des Grundgeschäfts verbunden werden. Im täglichen Rechtsverkehr ist dies sogar die Regel: Reine Rechtsgrundabreden, die sich in der Festlegung des materiellen Geschäftszwecks erschöpfen, kommen nur selten vor. Meistens entscheiden sich die Parteien für den Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts, das neben der Vereinbarung des materiellen Geschäftszwecks auch die Begründung von Forderungen zum Gegenstand hat. Verpflichtungsgeschäfte haben also eine Doppelnatur als Grund- und Abwicklungsgeschäft.85 Damit steht zugleich fest, dass der Inhalt eines Verpflichtungsgeschäfts nicht zutreffend damit umschrieben wäre, dass sich die Parteien auf den Austausch von Forderungen oder die einseitige Zuwendung einer Forderung einigen.86 Das Verpflichtungsgeschäft legt vielmehr den über die Forderungszuwendung hinausreichenden materiellen Geschäftszweck fest und sichert diesen gleichzeitig durch die Zuwendung von Forderungen ab. Ein ähnliches, wenngleich seltenes Phänomen bilden die Handgeschäfte:87 Hier wird der Geschäftszweck unmittelbar durch die Vornahme der entsprechenden Abwicklungshandlungen verwirklicht. Der zwischenzeitlichen Absicherung des Geschäftszwecks durch Forderungen bedarf es daher nicht.88

85 Vgl. auch Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2374), der ebenfalls diese beiden Aspekte beim Versprechensvertrag betont: Einmal die verpflichtungsfreie Abrede der Unentgeltlichkeit bzw. Entgeltlichkeit der Zuwendung; „sie ist das eine, tragende, auf die künftige Zuwendung bezogene Moment (…). Das andere Moment besteht in der Vereinbarung einer Forderung bzw. Verbindlichkeit.“ Grundsätzlich verkannt wird dieser Doppelcharakter von Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 187, die behauptet, Verpflichtungsgeschäfte besäßen keine causa. 86 Vgl. auch Hepting, Ehevereinbarungen, S. 341; Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2374): „Diese Betrachtungsweise ist spezifisch verkürzt und weder dogmatisch angemessen noch historisch richtig“; Westermann, Causa, S. 84. 87 Zum Begriff Bork, Vergleich, S. 41 ff. 88 Bei der Handschenkung von einer Verpflichtungsbegründung für eine juristische Sekunde auszugehen [so S. Beck, Leistung, S. 559 ff.; Schramm, MDR 1962, S. 961 (962); Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 15; Eckstein, AcP 107 (1911), S. 384 (387)] erscheint konstruiert, entspricht nicht dem Sicherungscharakter der Forderung und ist daher

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

bb) Verhältnis der materiellen Causa zum Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB Bislang wurde die Funktion der materiellen Causa vom Blickwinkel des Grundgeschäfts aus betrachtet: Sie beschreibt das Zweckverwirklichungsprogramm, das die Parteien in ihrer rechtsgeschäftlichen Abrede festlegen. Offen geblieben ist bislang, welche Bedeutung die materielle Causa für die zur ihrer Verwirklichung erbrachten Zuwendungen hat. Das Schicksal einer Zuwendung, die der Zuwendende einem bestimmten Leistungszweck gewidmet hat, hängt davon ab, ob sie durch einen wirksamen ‚Rechtsgrund’ gerechtfertigt ist oder nicht. Handelt es sich um eine kausale Zuwendung, die die Existenz eines Rechtsgrundes zur Wirksamkeitsvoraussetzung hat, so erlischt sie ipso iure, wenn der Rechtsgrund nicht besteht oder entfällt.89 Abstrakte Zuwendungen hingegen werden in ihrer Wirksamkeit von dem Fehlen oder dem Untergang ihres Rechtsgrundes nicht berührt. Sie bestehen daher fort, können aber gem. § 812 BGB zurückgefordert werden.90 Der ‚Rechtsgrund’ entscheidet somit stets über den (endgültigen) Bestand einer Zuwendung und rechtfertigt ihr Behaltendürfen. Dies führt zu der Frage, ob der Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB mit der materiellen Causa gleichzusetzen ist, die Zuwendung also dann Bestand hat, wenn sie der Verwirklichung eines wirksam festgelegten, materiellen Geschäftszwecks dient. (1) Was unter dem Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB zu verstehen ist, ist Gegenstand lebhafter Diskussion. Das subjektive Rechtsgrundverständnis sieht die Rechtfertigung für den Bestand einer Zuwendung in dem Erreichen des mit der Leistung verfolgten Zwecks.91 Mit diesem Leistungszweck kann jedoch

nicht überzeugend (so auch Bork, Vergleich, S. 48 mzwN; Krawielicki, Grundlagen, S. 50 f.; i.E. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 18). 89 Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 149. Vgl. auch von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 73 I, S. 103. 90 Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 149. Auch Bork, Vergleich, S.38; Flume, AT, Bd. 2, 3. Aufl., § 12 I 2, S. 157; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 327; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 I 2, S. 77. 91 Bork, Vergleich, S. 23; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 812 Rn. 44; Ehmann, JZ 2003, S. 702 (709); ders., NJW 1969, S. 1833 (1835); ders., NJW 1969, S. 398 (400): „Die Zweckvereinbarung und die Zweckerreichung bilden zusammen den rechtlichen Grund im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB“; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 113: „Bereicherungsrechtlich ist der Rechtsgrund einer Leistung also nicht der Leistungsanspruch des Gläubigers, sondern der vom Leistenden gesetzte und erreichte Leistungszweck“; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 325; Klinke, Causa, S. 60 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 4 b, S. 109 f.; Heinr. Wieling, JuS 1978, S. 801; H.-J. Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 13; Westermann, JuS 1968, S. 17 (18): „Die Erreichung des Zwecks stellt den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung dar“. Zu dem Causa-Verständnis von Westermann, der oftmals unreflektiert ebenfalls in die Gruppe der Vertreter des subjektiven Rechtsgrundverständnisses eingeordnet wird, vgl. unten S. 41 Fn. 111.

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nicht der materielle Geschäftszweck gemeint sein: Dieser wird durch das Erbringen einer Leistung noch nicht notwendig verwirklicht, sondern erst, wenn der wirtschaftliche Gesamterfolg eingetreten ist. Vorleistungen beim gegenseitigen Vertrag wären bis zum Erbringen der Gegenleistung rechtsgrundlos. Auch die Zuwendung einer Forderung im Verpflichtungsvertrag wäre stets rechtsgrundlos, denn der endgültige wirtschaftliche Gesamterfolg wird erst mit dem Erbringen der geschuldeten Leistungen erreicht. Dann aber sind die Forderungen bereits durch Erfüllung erloschen. Der ‚mit der Leistung verfolgte Zweck’ kann also nur der unmittelbar angestrebte Rechtserfolg, der ‚formelle Leistungszweck’ sein, der oben als Hilfszweck identifiziert wurde. Er wird nicht im Vorhinein durch das Grundgeschäft, sondern durch die bei der Leistung erfolgende Leistungszweckbestimmung i.S.d. § 812 BGB festgelegt und ist erreicht, wenn die mit der Zuwendung unmittelbar bezweckten Rechtswirkungen tatsächlich eingetreten sind. Erfolgt eine Zuwendung zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, so ist der Leistungszweck erreicht, wenn die Erfüllungswirkungen des § 362 BGB eintreten, also die getilgte Forderung erlischt (causa solvendi). Rechtsgrund ist nach der subjektiven Auffassung also der verwirklichte formelle Leistungszweck, der im Verhältnis zur materiellen Causa einen bloßen Hilfszweck darstellt. Der übergeordnete Geschäftszweck bildet danach nicht den Rechtsgrund für die Leistung i.S.d. § 812 BGB. (2) Diesem Modell steht der objektive Ansatz gegenüber, der den Rechtsgrund nicht auf Leistungsebene, sondern auf Ebene des Kausalgeschäfts und der von dort aus vermittelten Behaltensberechtigung verortet.92 Eine Leistung soll mit Rechtsgrund erfolgen, wenn der Erwerb vertraglich oder gesetzlich

92 Berg, AcP 161 (1961), S. 505 (508); Boehmer, Erfüllungswille, S. 47; Flume, AT, Bd. 2, 3. Aufl., § 12 I 1, S. 152 f.; Gernhuber, Erfüllung, 2. Aufl., § 5 III 1 c, S. 113: „Der Gläubiger darf die Leistung behalten, weil sie ihm geschuldet und im erfüllenden Akt geleistet wurde, nicht aber, weil der Leistende die Leistung auf die Schuld bezog“; Kupisch, NJW 1985, S. 2370 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 67 III 1 a, S. 137; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 337. Auch Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 812 Rn. 21: Ohne rechtlichen Grund sei die Leistung erbracht, wenn die Zuwendung dem Leistungsempfänger nach der ihr zugrundeliegenden Rechtsbeziehung nicht (endgültig) zusteht. Schwankend, aber grds. zustimmend Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 117 f.: „Überzeugend ist der Teil der Lehre, der die kausale Zweckvereinbarung, die keinen klagbaren Anspruch erzeugt, als Rechtsgrund ansieht.“; dies soll aber nur der „materielle Rechtsgrund“ sein, während das Erreichen des Leistungszweck der formelle Rechtsgrund ist, vgl. dazu näher unten S. 39 Fn. 100. Auch die erste Kommission identifizierte causa und Rechtsgrundgeschäft, aus dem die Verpflichtung zur Vornahme des Rechtsgeschäfts abgeleitet wird, vgl. Motive BGB, S. 3, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, Mot. II, S. 2. Dass diese Ansicht freilich zu eng ist, weil nicht nur Rechtsgründe als Causa zu bezeichnen sind, die eine Verpflichtung erzeugen, darauf weist Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 148 zutreffend hin.

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dem Empfänger zugewiesen ist. Es findet ein Vergleich der zu beanspruchenden Rechtsposition mit der verschafften Rechtsposition statt. Entsprechen sie sich, ist die Leistung gerechtfertigt. Die Vereinbarung einer materiellen Causa ist also eine von mehreren Möglichkeit, eine Behaltensberechtigung zu schaffen, die dem Empfänger später einen Rechtsgrund für den Erwerb bietet. Der Rechtsgrund liegt mit der Begründung der Behaltensberechtigung vor und wartet nur darauf, eine auf sie erfolgende Leistung rechtfertigen zu dürfen. Die Leistungszweckbestimmung i.S.d. § 812 BGB hat lediglich die Funktion, die Leistung dieser Behaltensberechtigung zuzuordnen.93 Findet diese Zuordnung statt und gebührt die zugeordnete Leistung dem Empfänger, ist sie bereicherungsrechtlich gerechtfertigt. (3) Gegen die subjektive Auffassung sprechen gewichtige Bedenken. Zunächst erscheint es wenig überzeugend, die Grundlage für die materielle Rechtfertigung des Erwerbs in der einseitigen Zwecksetzung des Leistenden zu sehen.94 Auch ermöglicht das objektive Rechtsgrundverständnis, den Rechtsgrund sowohl bei der Leistungs- als auch bei der Nichtleistungskondiktion einheitlich in der Behaltensberechtigung zu sehen, die lediglich unterschiedlich begründet wird. Misslich an dem subjektiven Rechtsgrundverständnis ist aber vor allem, dass durch das isolierte Abstellen auf die einzelnen Leistungszwecke und die von ihnen ausgehende Rechtfertigung der Blick für das Gesamtkonzept des Zuwendungsvorgangs verloren geht.95 Die materielle Causa, wie sie oben skizziert wurde, gerät hinter der Aufspaltung in viele einzelne Leistungszwecke aus dem Blick: Die Zuwendung einer Forderung hat ihre Rechtfertigung in der Zuwendung einer Gegenforderung oder dem Ausbleiben einer solchen – damit soll der Zweck des gegenseitigen Verpflichtungsvertrags erledigt sein.96 Die geschuldete Leistung findet ihren Rechtsgrund im Freiwerden von der Verbindlichkeit (causa solvendi). Auf diese Weise entstehen viele ver-

93 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 67 III 1 a, S. 137. Auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 118. 94 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 67 III 1 a, S. 137; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 117. 95 Vgl. das Plädoyer von Boehmer, Erfüllungswille, S. 41 ff. gegen diesen Ansatz, sowie Hepting, Ehevereinbarungen, S. 341: „Wer Verpflichtungs- und Leistungscausa scharf sondert, tendiert dazu, den Sinnzusammenhang des Gesamtgeschäfts zu zerreißen“; Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2374): „Dies [die subjektive Auffassung] steht der Erkenntnis im Weg, dass Zweck der Leistung selbstverständlich (auch) der mit dem Kausalverhältnis gesetzte Zweck (beim Kauf der Austauschzweck) ist“. 96 So etwa Esser, Schuldrecht, 2. Aufl., § 15 Nr. 1, S. 50: „Kausale Schuldrechtsgeschäfte sind solche, die in Gestalt ihres vertragscharakteristischen – und mit gültigem Abschluss stets erfüllten – Geschäftszwecks zugleich den inneren Grund für die Verpflichtungen bzw. die Erlangung des Erwerbsgrunds enthalten.“

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schiedene ‚causae’, die sich isoliert auf Rechtsgeschäftsebene oder Bereicherungsebene befinden und in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen.97 Dabei sind sie eigentlich nur punktuelle Ausschnitte auf dem Weg zum wirtschaftlichen Gesamterfolg, der durch die materielle Causa umschrieben wird. Der materielle Charakter eines Kaufvertrags liegt nicht darin, dass sich die Parteien jeweils eine Forderung zuwenden, um die Gegenforderung zu erhalten, und die Forderungen erfüllen, um von ihrer Schuld befreit zu werden.98 Technisch und im Kleinen mag dies zutreffen, aber insgesamt kann nicht daran gezweifelt werden, dass die Parteien diese Zuwendungen nur deshalb vornehmen, um am Ende den Kaufgegenstand gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben und übereignet zu haben.99 Darin liegt das wirtschaftliche Gesamtkonzept, der materielle Zweck ihres rechtsgeschäftlichen Kontakts, der freilich durch Forderungen und sonstige Sicherungselemente abgestützt und durch den Austausch der Leistungen letztlich zur Verwirklichung gebracht wird. (4) Auch wenn sich die subjektive Theorie in den Kategorien des Bereicherungsrechts nach logisch-gliedernden Gesichtspunkten durchaus durchhalten lässt, erscheint das objektive Rechtsgrundverständnis überzeugender.100 Worin 97 Vgl. dazu beispielweise Rothe, Erbvertrag und Synallagma, S. 29, 30, die zwei „ganz andere“ Ebenen unterscheidet: „Einmal die innere (bei der Vertragscausa) und einmal die äußere (bei der Bereicherungscausa)“ und betont, „dass es von erheblicher Bedeutung ist, zum einen zwischen der causa im Vertragsrecht und der causa im Bereicherungsrecht zu unterscheiden“ oder Bork, Vergleich, S. 29: „Wer als Verkäufer solvendi causa übereignet, tut dies nicht mit dem Leistungs- und Geschäftszweck „Kauf“, sondern mit dem Leistungszweck „Schuldtilgung“. Hier sind Geschäfts- und Leistungszweck (…) strikt zu trennen.“ Siehe dagegen die scharfe Kritik von Boehmer, Erfüllungswille, S. 41 ff., für den diese Anschauung „vom Standpunkt einer logisch übersichtlichen Gliederung“ zwar „geeignet sein mag, eine gewisse formale Gleichheit der psychischen Motive zu fördern“, aber nicht dazu, ein überzeugendes Konzept für die Erklärung der Leistungsvorgänge zu liefern: „Das Gefährliche dieser Betrachtungsart liegt (…) darin, dass sie dazu verführt, diejenigen Motive, die man als die nächsten und juristisch notwendigen erkannt hat, in ihrer ganzen rechtlichen Behandlung einander gleichzustellen.“ Daher sei eine „völlig andere Untersuchungsweise erforderlich“. 98 Hepting, Ehevereinbarungen, S. 341; auch Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 16. 99 Ehmann, in: FS Beuthien, S. 3 (16) meint in Konsequenz seiner Auffassung, wer bei der Erfüllung eines Schenkungsversprechens erkläre, dass er die Sache hiermit schenke, erfülle die bestehende Verbindlichkeit nicht, da die Schenkung mit der Zuwendung des Schenkungsversprechens endgültig abgeschlossen sei. Allerdings räumt er ein, man werde eine solche Erklärung im Zweifel selbstverständlich als falsa demonstratio zu verstehen haben. Hier zeigt sich in plastischer Weise, wie weltfremd diese punktuelle Sichtweise ist, die doch eigentlich an den „freiheitlichen Handlungsbegriff“ anknüpfen soll: Erfüllt jemand ein Schenkungsversprechen, so möchte er damit den Schenkungszweck verwirklichen. Der Schenkungszweck durchdringt alle abwickelnden Zuwendungshandlungen, er erschöpft sich nicht in der Zuwendung des bloßen Schenkungsversprechens. 100 Fischer, der zum einen den umfassenden Charakter der materiellen Causa anerkennt, sich aber dennoch nicht von dem subjektiven Rechtsgrundverständnis verabschieden

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genau der Rechtsgrund auf Grundgeschäftsebene zu sehen ist, wird innerhalb der objektiven Rechtsgrundlehre – zumindest terminologisch – unterschiedlich beantwortet: Der Rechtsgrund soll „im Kausalgeschäft“101 oder „im Schuldverhältnis“,102 in der materiellen Geschäftszweckvereinbarung103 oder im Anspruch104 liegen. Die materielle Geschäftszweckvereinbarung ist bei rechtsgeschäftlichen Zuwendungsvorgängen sicherlich das Fundament, das letztlich sämtliche Leistungen rechtfertigt. Leistungen auf gesetzliche Schuldverhältnisse müssten aber anderen Grundsätzen gehorchen. Der Begriff des Schuldverhältnisses erfasst zwar sowohl gesetzliche als auch vertragliche Schuldverhältnisse, wird aber meist als Sonderverbindung verstanden, aus der mindestens eine Verpflichtung resultiert.105 Bloße Rechtsgrundabreden wären nicht umfasst. Bedenken bestehen auch dagegen, in dem Anspruch den Rechtsgrund zu sehen: Eine handgeschäftliche Leistung hätte einen anderen Rechtsgrund als eine im Wege der gestreckten Verwirklichung erbrachte Leistung.106 Da die

möchte, sieht sich nunmehr gezwungen, das Erreichen des unmittelbaren Leistungszwecks als vorübergehenden, formellen Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB anzuerkennen, während der Geschäftszweck als materieller Rechtsgrund der Zuwendung im Hintergrund schwebe (vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 117 f., 122: „Causa ist der von den Parteien vereinbarte Vertragszweck, Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB der einseitig bestimmte und erreichte Leistungszweck“). Das Erreichen des Hilfszwecks stehe und falle allerdings mit dem Bestehen des materiellen Geschäftszwecks, da „die Nichtigkeit des Hauptzwecks (…) notwendig zu einer Zweckverfehlung des Leistungszwecks“ führe. Dieser umständliche Erklärungsansatz mit verschiedenen Rechtsgründen muss zu der Erkenntnis führen, dass die Zweckerreichung auf der kleinteiligen Ebene des Bereicherungsrechts keine Bedeutung haben sollte. 101 Vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 812 Rn. 6: Bei den Leistungskondiktionen komme als Behaltensgrund insbesondere ein Kausalverhältnis in Betracht. 102 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 67 III 1 a, S. 137: „Das ändert aber nichts daran, dass der Rechtsgrund das Schuldverhältnis, d.h. i.d.R. der aus ihm folgende Anspruch auf Leistung, ist und bleibt.“ 103 Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2374): „(…) die Unentgeltlichkeitsabrede (…) fungiert (…) als Rechtsgrund.“; so auch Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 158: „Die materiellen Zweckvereinbarungen (sind) zum größten Teil zu selbstständigen Verpflichtungsgeschäften herausgebildet worden. Sie sind damit (…) zu selbstständigen Rechtsgrundgeschäften geworden. Sie sind gemeint, wenn § 812 I BGB vom rechtlichen Grund spricht.“ 104 Boehmer, Erfüllungswille, S. 47; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 337; in diese Richtung auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 118: „Aus dem Verpflichtungsgeschäft enthaltene Ansprüche (…) enthalten zugleich den künftigen Rechtsgrund.“ Flume, AT, Bd. 2, 3. Aufl., § 12 I 1, S. 154 hält es für „unbedenklich (…), die Verpflichtung (…) und nicht das die Verpflichtung begründende Rechtsgeschäft oder Gesetz als causa der Zuwendung zu nehmen“, weist aber darauf hin, „daß es letzten Endes doch immer darum geht, ob die Zuwendung im Gesetz oder in einem Rechtsgeschäft ihre Rechtfertigung, d.h. ihre causa, findet“. 105 Vgl. nur Medicus/Lorenz, SchuldR AT, 20. Aufl., § 1 Rn. 1 ff. 106 Bei Handgeschäften entsteht nach hier vertretener Ansicht keine Forderung, vgl. oben S. 35 mit Fn. 88.

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Forderung als Sicherungsmittel charakterisiert wurde, das mit Erfüllung erlischt, würde zudem einer bereits erloschenen Sicherheit die Kraft eines Behaltensgrundes zugesprochen.107 Überzeugender erscheint das Abstellen auf das materielle Kausalgeschäft als dasjenige Grundgeschäft, aus dem die Erwerbsberechtigung entsteht. Konkretisieren kann man den Rechtsgrund durch das ‚Anrecht’, das das Interesse des Gläubigers bündelt und individuell seine Rechtsstellung zusammenfasst. Das Anrecht besteht auch in Fällen, in denen aus dem Grundgeschäft keine Forderung erwächst.108 Es ist kein bloßes Sicherungsmittel und erlischt daher nicht mit Erfüllung, sondern vermittelt dauerhaft den Behaltensgrund für diejenigen Leistungen, auf die es gerichtet ist.109 Und auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen ergeben sich keine Probleme, denn auch diese erzeugen ein Anrecht des berechtigten Gläubigers.110 Der Rechtsgrund der Leistung ist also objektiv in dem – vom Gesetz oder rechtsgeschäftlich vermittelten – Anrecht des Gläubigers zu sehen.111 Bei einem rechtsgeschäftlich begründeten Grundgeschäft erwächst das Anrecht aus

107 So die Bedenken von Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2371): „Etwas Erloschenes, Totes soll also die Kraft eines Behaltensgrundes haben! Das klingt eher nach Metaphysik als nach Jurisprudenz“. 108 Damit ist der Einwand von Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 4 b, S. 108 erledigt, das objektive Rechtsgrundverständnis könne die reinen Rechtsgrundgeschäfte nicht erklären. 109 Vgl. zu diesem Unterschied zwischen Anrecht und Forderung auch Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 136: „Ansprüche (…) können untergehen, aber das Anrecht besteht dann noch.“ Die Vertreter, die im Anspruch den Rechtsgrund sehen, fassen das Anrecht als Teil der Forderung auf (vgl. dazu oben S. 33 Fn. 80), sodass es sich hier wohl nur um eine terminologische Differenzierung handelt. In diesem Fall ist die Forderung nicht nur ein bloßes Sicherungsrecht, sondern verkörpert gleichzeitig den Behaltensgrund. M.E. ist es klarer, zwischen Forderung und Anrecht zu differenzieren: Das Anrecht verkörpert den bloßen Behaltensgrund, der durch die Forderung abgesichert werden kann. 110 Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 135. 111 Westermann, Causa, S. 68 f., 74, 78 ff. (im Anschluss daran auch Hepting, Ehevereinbarungen, S. 340 ff.) sieht den Rechtsgrund („Causa“) einer Leistung in dem jeweiligen Bezug der Zuwendung zum wirtschaftlichen Gesamterfolg. Erweise sich die Zweckbeziehung als fehlerfrei, sei die Leistung gerechtfertigt. Damit ist letztlich nichts anderes gemeint als nach der hier vertretenen Ansicht, nur dass Westermann die Causa in der subjektiv gesetzten Beziehung zum wirtschaftlichen Gesamterfolg sieht, während hier der Rechtsgrund in dem auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg ausgerichteten Grundgeschäft gesehen wird, auf den der Leistende seine Zuwendung mittels der Leistungszweckbestimmung bezieht. Westermann bevorzugt also eine eher subjektive Beschreibung des Phänomens, im Ergebnis ist dieser subjektive Causabegriff aber das Spiegelbild des hier gezeichneten materiellen Causaverständnisses, und umgekehrt: Ob man die Causa (subjektiv) in der Bezugnahme als Handlung oder (objektiv) in dem Bezugspunkt als Ziel sieht, ist nicht mehr als eine terminologische Differenzierung. Westermanns Ansicht hat lediglich den Nachteil, dass sie sich der be-

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

dem materiellen Geschäftszweck. Durch ergänzende Hilfsgrundgeschäfte wie etwa der Verpflichtung zur Bestellung einer Sicherheit oder der Vereinbarung eines Erfüllungssurrogats kann es näher ausgestaltet werden, ohne seine Wurzeln im Geschäftszweck zu verlieren. Wurde der Geschäftszweck nicht wirksam vereinbart oder fällt er später weg, entfällt auch das Anrecht und damit der Rechtsgrund aller zu seiner Verwirklichung vorgenommenen Zuwendungen. Die Hilfsgeschäfte können die durch sie bewirkten Zuwendungen nicht selbstständig rechtfertigen.112 Die Rechtsmacht, einer Zuwendung endgültig Bestand zu verleihen, hat nur die materielle Causa des Grundgeschäfts.113 cc) Fazit zum Charakter und zur Funktion der materiellen Causa Die materielle Causa bezeichnet den per Willenserklärung festgelegten materiellen Zweck eines Rechtsgeschäfts. Als Umschreibung des von den Parteien intendierten wirtschaftlichen Gesamterfolgs bildet sie das Fundament und den Rahmen für alle Rechtsänderungen, die auf ihr aufbauen und sie verwirklichen.

reits aufgeworfenen Frage stellen muss, warum gerade die einseitige Zwecksetzung des Leistenden zum Rechtsgrund erstarken soll und nicht der gemeinsam vereinbarte Geschäftszweck selbst. 112 Anders war dies noch im frühen römischen Recht: Hilfsgeschäfte, wie etwa die Erfüllung, konnten die Zuwendung endgültig rechtfertigen. Bestand die zu erfüllende Verbindlichkeit nicht, stellte dies den Erfolg des Erfüllungsgeschäfts nicht in Frage. Die Erfüllungsgeschäfte erzeugten hier also eine eigene materielle Causa, waren somit keine Hilfsgeschäfte im hier beschriebenen Sinn, vgl. Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2372); Stampe, causaProblem, S. 34. Später aber führte auch das römische Recht die Kondiktionen ein, und nahm den Hilfsgeschäften damit ihren selbstständigen Charakter, vgl. Kupisch, NJW 1985, S. 2370 (2372); Stampe, causa-Problem, S. 35: „So hat sich das römische Recht aus einem System selbstständiger Hilfsgeschäfte mit definitiver Rechtswirkung, in dem das Grundgeschäft über Objekt und Art der Güterschiebung rechtlich noch ohne Bedeutung ist, in ein System rechtlich relevanter Grundgeschäfte gewandelt, in denen die Hilfsgeschäfte nur noch eine unselbstständige sekundäre Rolle spielen“. Das Kondiktionenrecht zeugt also von dem unselbstständigen Charakter der Hilfsgeschäfte. 113 Letztlich kommt auch die subjektive Sichtweise zu diesem Ergebnis: Denn auch wenn man den Rechtsgrund der Zuwendung im Erreichen des Hilfszwecks sieht, ändert dies nichts daran, dass dieser Leistungszweck ohne wirksames Grundgeschäft notwendig verfehlt wird, vgl. Ehmann, NJW 1969, S. 398 (400); Hepting, Ehevereinbarungen, S. 332; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 4 b, S. 108. Rechtfertigt umgekehrt das vom Leistungszweck in Bezug genommene Grundgeschäft den Erwerb, wird auch der Leistungszweck erreicht. Der Geschäftszweck kann aus Sicht der subjektiven Auffassung zwar nicht der Rechtsgrund i.S.d. § 812 BGB sein, ist aber gleichwohl die materielle Grundlage für den Bestand der Zuwendung. Das Grundkonzept des subjektiven Rechtsgrundverständnisses, die Verwirklichung des Geschäftszwecks in viele kleine, selbstständige causae aufzuspalten, spiegelt sich aber in vielen Argumentationen im Rahmen des § 134 InsO wider, sodass die dogmatische Aufarbeitung des Streitstandes für die weitere Untersuchung fruchtbar gemacht werden kann.

II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers

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Jede Einzelleistung, die den angestrebten wirtschaftlichen Gesamterfolg fördert oder verwirklicht, wird in die materielle Causa eingebunden und durch das von ihr vermittelte Anrecht gerechtfertigt. Die Wirkungen der materiellen Causa erschöpfen sich somit nicht auf Ebene des Grundgeschäfts mit der Folge, dass auf Zuwendungsebene nur noch die Leistungszwecke dominieren.114 Vielmehr umspannt die materielle Causa den gesamten Zuwendungsvorgang von der rechtsgeschäftlichen Festlegung des intendierten wirtschaftlichen Gesamterfolgs bis zu seiner Verwirklichung und gliedert jede zu ihrer Verwirklichung erbrachte Einzelleistung in den von ihr verfolgten materiellen Geschäftszweck ein. b) Die Unentgeltlichkeit als Oberbegriff für eine Gruppe von materiellen Geschäftszwecken Die Vertragsfreiheit erlaubt es den Parteien, grundsätzlich jedes denkbare Ziel zum Geschäftszweck ihres rechtsgeschäftlichen Kontakts zu erklären. Der Kreis der materiellen Geschäftszwecke ist daher unbegrenzt. Allerdings kann man die Geschäftszwecke in bestimmte Gruppen einteilen, bei denen ein ähnlicher (wirtschaftlicher) Gesamterfolg auf unterschiedlichem Wege erreicht wird. Historisch überliefert ist die Dreiteilung der rechtlich relevanten Zwecke in causa donandi, causa credendi bzw. acquirendi115 und causa solvendi.116 Diese Dreiteilung wird heute jedoch zu Recht als überholt angesehen.117 Zur Systematisierung der materiellen Geschäftszwecke ist sie schon deshalb ungeeignet, weil die causa solvendi ein typischer Hilfszweck ist und sich damit auf einer anderen Ebene bewegt als die materielle Causa.118 Vielmehr bezeichnen 114 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 116; Hepting, Ehevereinbarungen, S. 338 ff.; Westermann, Causa, S. 78. Anders Ehmann, in: FS Beuthien, S. 3 (16): „Nur der Versprechensvertrag ist vom Austauschzweck beherrscht; die Erfüllungsleistungen werden jedoch zum Zwecke der Erfüllung erbracht, nicht als Gegenleistung.“ 115 Der Terminus der causa credendi entspricht der aus dem römischen Recht überlieferten historischen Terminologie, bezieht sich allerdings nach seiner wörtlichen Übersetzung nur auf Darlehensgeschäfte. Die causa credendi wird daher heute oft durch den Terminus der causa acquirendi ersetzt, da der Austauschzweck hier besser zum Ausdruck kommt (vgl. Hepting, Ehevereinbarungen, S. 336; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 72 II 2, S. 69 f.). 116 Zu den historischen Wurzeln vgl. Westermann, Causa, S. 57. Noch heute daran festhaltend Bork, Vergleich, S. 30 f.; Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, § 5 Nr. 1, S. 35 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 2) b), S. 89 ff.; Rothe, Erbvertrag und Synallagma, S. 40 ff.; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 72 II, S. 67 ff. 117 Boehmer, Erfüllungswille, S. 46; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 114; Flume, AT, Bd. 2, 3. Aufl., § 12 I 1, S. 155; Harder, Leistung an Erfüllungs statt, S. 157; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 2 a, S. 87; Stampe, causa-Problem, S. 39; Westermann, Causa, S. 66. Anders wohl Ehmann, in: FS Beuthien, S. 3 (13 ff.): „drei Zwecke der Güterbewegung“. 118 Vgl. ebenso Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 115.

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

nur der Austausch- und der Unentgeltlichkeitszweck typische Charakterzüge der materiellen Geschäftszwecke. Im Einzelnen ist man sich nicht einig, ob sich jedes kausale Rechtsgeschäft bzw. jedes auf eine Zuwendung ausgerichtete Rechtsgeschäft diesen beiden Zwecken zuordnen lässt119 oder ob es noch weitere Arten materieller Geschäftszwecke gibt, die keiner Entgeltbewertung zugänglich sind.120 Fest steht jedenfalls, dass die Unentgeltlichkeit eine Gruppe von materiellen Geschäftszwecken beschreibt, die von anderen – entgeltneutralen oder entgeltlichen – Geschäftszwecken und den Hilfszwecken abgegrenzt werden kann. Zu dieser Gruppe zählen nicht nur Schenkungen i.S.d. § 516 BGB,121 sondern auch die Leihe (§§ 598 ff. BGB), das zinslose Geld- und Sachdarlehen (§§ 488 ff., 607 BGB), der Auftrag (§§ 662 ff. BGB) oder die unentgeltliche Verwahrung (§ 688 BGB).122 Das gemeinsame Merkmal aller Rechtsgeschäfte, die in diese Gruppe fallen, ist ein auf eine einseitige Begünstigung ausgerichteter wirtschaftlicher Gesamterfolg. 3. Fazit und Kritik Fischers Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung erfasst somit von vornherein nur diejenigen Zuwendungsvorgänge, die auf einem Rechtsgeschäft beruhen, das als wirtschaftlichen Gesamterfolg die einseitige Begünstigung des anderen Teils im Blick hat. Als anfechtbare Leistung kommen nur Leistungen in Betracht, die mit einem solchen rechtsgeschäftlich vereinbarten materiellen Rechtsgrund in Beziehung stehen und dessen Verwirklichung dienen. Der Entgeltcharakter der einzelnen Leistung richtet sich dann nach dem Inhalt der materiellen Causa, deren Verwirklichung sie dient. Ist sie auf einen unentgeltlichen wirtschaftlichen Gesamterfolg gerichtet, schlägt die Unentgeltlichkeit auf das Abwicklungsgeschäft durch.123 Die Hilfsgeschäfte selbst sind hingegen einer eigenständigen Entgeltbewertung nicht zugänglich, da sie nur einen unselbstständigen Hilfszweck, aber keinen eigenständigen materiellen Geschäftszweck festlegen. Sie sind daher aus sich heraus weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern notwendig entgeltneutral.124

119

Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 1 (jedes kausale Rechtsgeschäft verfolge einen Austausch- oder Unentgeltlichkeitszweck). 120 Stampe, causa-Problem, S. 23 unterscheidet innerhalb der Zuwendungsgeschäfte zwischen Zuwendungs-, Austausch- und Gemeinschaftszwecken und geht davon aus, jedes Zuwendungsgeschäft lasse sich einer dieser drei Gruppen zuordnen. 121 Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 21: Die Schenkung ist nur eine Unterart der unentgeltlichen Zuwendung; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 1: Schenkung als ein Unterfall der unentgeltlichen Verträge. 122 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 90 ff. 123 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 382 ff. 124 Ehmann, in: FS Beuthien, S. 3 (28); Klinke, Causa, S. 78.

II. Das rechtsgeschäftliche Modell Fischers

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Fischer gliedert die Unentgeltlichkeitsanfechtung somit in ein geschlossenes, der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre entnommenes Grundgerüst ein und unterfüttert sie auf diese Weise mit einer lang gediehenen dogmatischen Grundlage. Gleichzeitig fallen damit allerdings auch alle Vorteilsverschaffungen aus dem Anwendungsbereich des § 134 InsO heraus, die sich nicht in das dogmatische Gerüst der materiellen Causa einfügen lassen. So ist dem Verwalter im Phoenix-Fall der Zugriff auf die bewusst rechtsgrundlos ausgezahlten Scheingewinne allein deshalb versperrt, weil die Rückforderungssperre des § 814 Alt. 1 BGB keine rechtsgeschäftlich begründete materielle Causa im Sinne von Fischers Modell bildet.125 Fischer bleibt in diesem Fall nur die analoge Anwendung des § 134 InsO.126 Nichts anderes gilt für die Anfechtung bei der Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld im Cash-Pool-Fall: Selbst wenn Forderungsgläubiger und zahlender Dritter übereinstimmend Kenntnis von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung hatten, würde damit noch keine rechtsgeschäftliche materielle Causa zwischen ihnen erzeugt. Daher scheidet eine Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers in diesem Fall generell aus.127 Der beschränkte Anwendungsbereich ist daher der größte Kritikpunkt der rechtsgeschäftlichen Sichtweise.128 Die Notwendigkeit einer analogen Anwendung in Konstellationen wie dem Phoenix-Fall wirft die Frage auf, ob sie die tatbestandlichen Grenzen des § 134 InsO nicht generell zu eng zieht.129 Fischer selbst hält den beschränkten Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung zwar nicht für bedenklich, weil die übrigen Fälle regelmäßig von § 133 Abs. 1 InsO erfasst werden könnten.130 Seit der Insolvenzrechtsreform müsse für die Vorsatzanfechtung schließlich nur noch der bedingte Benachteiligungswille des Schuldners nachgewiesen werden. Stehe fest, dass die Zuwendung von einem Bereicherungswillen des Schuldners getragen sei, so korrespondiere damit regelmäßig auch ein bedingter Benachteiligungswille gegenüber den übrigen Gläubigern.131 Durch die neu eingeführte Vermutungsregel 125

Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 392. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 392, 445 f. 127 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 384. 128 Vgl. die Kritik von Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 13 f.; Thole, Gläubigerschutz, S. 445; Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 306. Vgl. auch Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 40 f.: „Die Schwäche dieser Theorie liegt klar auf der Hand. Sie setzt nämlich notwendig das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen Verpflichtungsgeschäftes, nach dem das in Bezug auf die Entgeltfrage „farblose“ Erfüllungsgeschäft bestimmt werden kann, voraus. Wenn aber nun gar kein Grundgeschäft vorhanden ist (…) und daher der Mangel der Gegenleistung gar nicht auf der Parteivereinbarung, sondern einfach auf der Natur der Sache beruht, wonach soll denn dann die Entgeltfrage der Erfüllungsleistung entschieden werden?“. Vgl. zu den Lücken, die die rechtsgeschäftliche Ansicht aufreißt, die Kritik von Heim, Schenkungsanfechtung, S. 191; Thole, Gläubigerschutz, S. 447 ff. 129 In diese Richtung auch die Kritik von Thole, Gläubigerschutz, S. 447. 130 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 441 f. 131 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 441. Insoweit auch Thole, Gläubigerschutz, S. 448. 126

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO bilde auch der Nachweis der Kenntnis des Empfängers von diesem Benachteiligungswillen kein Problem mehr. Daher sei nicht zu befürchten, dass mit der Beschränkung des § 134 InsO auf Leistungen mit Bezug zu einem materiellen Kausalgeschäft schwerwiegende Nachteile für die Gläubiger verbunden seien.132 Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen.133 Folgt man Fischers Logik, so könnte gleich der gesamte Tatbestand des § 134 InsO durch die Vorsatzanfechtung ersetzt werden. Denn haben die Parteien ihren Bereicherungswillen sogar in einer rechtsgeschäftlichen Abrede über die Unentgeltlichkeit dokumentiert, dürfte der Nachweis des § 133 Abs. 1 InsO noch weniger Probleme bereiten. Auch erscheint es zweifelhaft, ob § 133 Abs. 1 InsO tatsächlich als Auffangtatbestand zu § 134 InsO konzipiert wurde. Auf der anderen Seite ist Fischer zugute zu halten, dass er mit der Anknüpfung an das allgemeine Zivilrecht der engen Verzahnung von Insolvenzrecht und sonstigem bürgerlichen Recht Rechnung trägt. Sein Modell führt dazu, dass die Unentgeltlichkeitsanfechtung auf ein dogmatisch klar konturiertes Fundament gestellt wird, von dem ausgehend insolvenzspezifischen Besonderheiten Rechnung getragen werden kann. Dies vermittelt Rechtssicherheit und verhindert eine Abspaltung des materiellen Insolvenzrechts von seinen allgemeinen zivilrechtlichen Wurzeln. Auch einem Vergleich mit den verwandten, ebenfalls an die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs anknüpfenden Normen des BGB kann die rechtsgeschäftliche Sichtweise dadurch ohne Probleme standhalten.134 Sie kann zudem erklären, warum § 134 InsO eine Leistung des Schuldners fordert: Die Leistung ist durch die Bezugnahme zu einem Kausalgeschäft gekennzeichnet. Mit dem Leistungsbegriff wird diese Beziehung zwischen gläubigerbenachteiligender Vermögensverschiebung und materieller Causa im Tatbestand des § 134 InsO verankert. III. Die vermittelnden Konzepte III. Die vermittelnden Konzepte

Zwischen dem objektiven Modell der herrschenden Meinung, das die Unentgeltlichkeit anhand eines objektiven Vermögensvergleichs bestimmt, und dem Alternativkonzept Fischers lassen sich vermittelnde Konzepte ausmachen. Sie bauen zwar im Grundsatz auf der objektiven Sichtweise auf und verweisen die Unentgeltlichkeitsanfechtung daher nicht in die engen Grenzen von Fischers rechtsgeschäftlichem Modell, aber integrieren in unterschiedlicher Intensität auch positive subjektive Voraussetzungen in den Tatbestand des § 134 InsO und ergänzen dadurch den rein objektiv geprägten Ansatz der herrschenden Meinung.

132

Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 441. I.E. ebenso Thole, Gläubigerschutz, S. 448 f. 134 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443. 133

III. Die vermittelnden Konzepte

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1. Forderung eines Freigebigkeitswillen des Schuldners So stellt Thole der objektiven Auslegung als ergänzendes subjektives Kriterium den Freigebigkeitswillen des Schuldners zur Seite.135 Zumindest der Schuldner muss sich aus Tholes Sicht über die (objektive) Unentgeltlichkeit der Leistung bewusst sein. Gehe er irrtümlich davon aus, seiner Zuwendung stehe ein ausgleichendes Entgelt gegenüber, sei diese Leistung der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen, auch wenn es tatsächlich an einer wirksam verknüpften, ausgleichenden Gegenleistung fehle.136 Maßstab für den Freigebigkeitswillen soll allerdings nicht allein die persönliche, individuelle Einschätzung des Schuldners, sondern die Frage sein, ob vom Standpunkt seiner Gläubiger der vorgesehene Gegenwert ein ausgleichendes Äquivalent für die Leistung bilde oder nicht. Der Freigebigkeitswille geht insoweit in dem Kriterium des ‚wirtschaftlichen Interesses’ des Schuldnervermögens an der Gegenleistung auf.137 Der Schuldner handelt demnach immer dann mit Freigebigkeitswillen, wenn er weiß, dass seine Gläubiger die Leistung nicht gutheißen würden, weil der als Gegenleistung vorgesehene Gegenwert ihren wirtschaftlichen Interessen nicht dient. Vereinbaren Schuldner und Empfänger eine Gegenleistung, an der der Schuldner ein immaterielles Interesse hat, aber die seinem Vermögen nicht zugutekommt, so ist der Freigebigkeitswille des Schuldners gegeben, auch wenn er von seiner persönlichen Warte aus das Geschäft für ausgeglichen hält. Den Einschätzungen des Schuldners sind also durch das Gläubigerinteresse objektiv-normative Grenzen gesetzt: Weiß er, dass die Gegenleistung für seine Gläubiger völlig uninteressant ist und nur ihm persönlich oder einem Dritten zugutekommt, handelt er mit Freigebigkeitswillen.138 2. Voraussetzung eines gemeinsamen Unentgeltlichkeitsbewusstseins Eine noch stärkere subjektive Prägung besitzt das von Henckel begründete Alternativkonzept.139 In objektiver Hinsicht140 macht Henckel die Anfechtung zunächst von einer objektiven Bereicherung des Empfängers abhängig: Werde der vom Empfänger erworbene Vermögensvorteil unmittelbar durch einen entsprechenden Vermögensabfluss wieder aufgezehrt, scheide die Anfechtung

135 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 458 f. Ähnlich C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (248): § 134 InsO wolle intentionale, einseitige Vermögensminderungen rückgängig machen. 136 Thole, Gläubigerschutz, S. 454, 457 ff. 137 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 476 ff.: Die Prüfung des Freigebigkeitswillens sei „in die Bahnen des wirtschaftlichen Interesses“ zu lenken. 138 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 459. 139 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. Ebenso Kamlah, Anfechtung, S. 86 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208. 140 Auch Henckel unterscheidet zwischen objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 134 InsO, vgl. ders., in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 8 ff., 20 ff.

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

mangels Bereicherung des Empfängers von vornherein aus.141 Nur wenn die Schuldnerzuwendung eine originäre Bereicherung des Empfängers bewirkt habe, stelle sich überhaupt die Frage nach einem Entgelt. Die Entgeltlichkeit kann aus Sicht von Henckel nur durch eine kausalvertraglich vereinbarte Gegenleistung begründet werden.142 Für die Bestimmung des Entgeltcharakters der Leistung sei daher stets auf die der Leistung zugrunde liegende kausalvertragliche Vereinbarung zurückzugreifen.143 Als positive subjektive Voraussetzung fordert Henckel das gemeinsame Bewusstsein der Parteien über die objektive Unentgeltlichkeit der Leistung.144 Zu einer echten, rechtsgeschäftlich vereinbarten (Schenkungs-)Causa muss sich dieses gemeinsame Bewusstsein zwar nicht verdichtet haben, es genügt die Willensübereinstimmung in tatsächlicher Hinsicht.145 Durfte aber zumindest eine Partei davon ausgehen, der Schuldnerleistung stehe eine wirksam verknüpfte Gegenleistung des Empfängers gegenüber, scheidet die Unentgeltlichkeitsanfechtung aus.146 Die Anfechtung ist daher nicht möglich, wenn nur der Schuldner die Leistung als unentgeltliche wollte, der Empfänger aber aufgrund der Erklärung des Schuldners glaubte, dass er diese Leistung durch eine eigene Gegenleistung abgelten würde. Allerdings entscheiden die Vorstellungen der Parteien auch nach Henckels Ansatz nicht uneingeschränkt über die Anfechtbarkeit.147 So soll das Vertrauen des Empfängers, entgeltlich erworben zu haben, nur insoweit geschützt sein, als er die vermeintliche, kausalvertraglich vorgesehene Gegenleistung tatsächlich erbracht oder versprochen hat und diese als verknüpfbare Gegenleistung überhaupt in Betracht kam.148 Eine Gegenleistung, zu der der Empfänger aus einem anderen Grund verpflichtet war oder die bereits eine andere Leistung

141

Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 16. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3 ff., 8 ff. Zu den entsprechenden Stimmen innerhalb der rein objektiven Sichtweise vgl. die Nachweise auf S. 22 in Fn. 27. 143 Vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3, 8 ff. Daran anschließend Prütting, KTS 2005, S. 253 (258). 144 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20; Kamlah, Anfechtung, S. 86 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208. 145 von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208: „Erforderlich ist das beiderseitige Bewußtsein der Unentgeltlichkeit, nicht aber notwendig eine Einigung über dieselbe“. 146 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. 147 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 23: „Der Berücksichtigung subjektiver Vorstellungen der Beteiligten sind objektive Grenzen gesetzt“. Vgl. auch Kamlah, Anfechtung, S. 86 f.: „Ausnahmsweise kann auch bei subjektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung eine Anfechtung nach § 32 KO möglich sein (…), wenn eine Schenkung in der Absicht der Parteien lag, das Motiv des Schuldners eine besondere Freigebigkeit war oder wenn die subjektive Bewertung von Leistung und Gegenleistung völlig unvernünftig oder missbräuchlich war.“ 148 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20 a.E. und Rn. 23. 142

III. Die vermittelnden Konzepte

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abgegolten hat, macht die Schuldnerleistung daher auch dann nicht entgeltlich, wenn die Parteien sie subjektiv als Entgelt angesehen haben.149 3. Anknüpfung an die übereinstimmende Zwecksetzung der Parteien In ähnlicher Weise wie Henckel will auch Häsemeyer den subjektiven Vorstellungen der Parteien Berücksichtigung schenken. Er hält es für verfehlt, die Unentgeltlichkeit allein durch einen objektiven Wertvergleich zu ermitteln.150 Nur die von den Parteien getroffenen Absprachen und Vorstellungen ließen eine Aussage darüber zu, welche Werte miteinander in Beziehung gesetzt werden und wer durch die Zuwendung begünstigt werden soll. Den ersten Schritt der Entgeltprüfung bilde daher stets die Ermittlung der subjektiven Zwecksetzungen der Beteiligten unter der doppelten Fragestellung, wer begünstigt werden soll und wofür die Begünstigung gewährt wird.151 Eine Einigung der Parteien sei nicht erforderlich, jedoch müssten die Zwecksetzungen der Parteien zumindest übereinstimmen.152 Ergebe sich aufgrund der gemeinsamen Intention der Beteiligten, dass die Begünstigung ohne Gegenwert gewährt wurde, sei an der Anfechtbarkeit nicht zu zweifeln.153 Ging hingegen zumindest eine Partei berechtigt von einer ausgleichenden Gegenleistung aus, deute dies auf eine entgeltliche Leistung hin, auch wenn es nach der objektiven Sach- und Rechtslage an einer wirksam verknüpften Gegenleistung fehle. Daran ändere sich nichts, wenn der Schuldner innerlich einen anderen (unentgeltlichen) Zuwendungszweck verfolgt, den der Empfänger jedoch nicht erkennen kann.154 Bestand hingegen mangels entsprechender Parteiabsprache für den Empfänger kein Anlass, von der Entgeltlichkeit seines Erwerbs auszugehen, schließe sein Irrtum die Anfechtung nicht aus.155 Allerdings muss es sich bei der vereinbarten Gegenleistung um einen realen Gegenwert handeln.156 Irreale Gegenwerte, die nach dem Maßstab einer objektiv-normativen Bewertung nicht als Gegenleistung taugen – etwa weil sie schon anderweitig abgegolten oder rechtlich nicht anerkannt sind –, können die Unentgeltlichkeit nicht ausschließen.157 Im Ergebnis entspricht Häsemeyers Ansatz damit fast vollständig Henckels Alternativkonzept. Interessant ist, dass er die subjektiven Zwecksetzungen der

149

Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 23. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90; Prütting, KTS 2005, S. 253 (256). 151 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90. Daran anschließend Prütting, KTS 2005, S. 253 (256). 152 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90. Ebenso Haas, ZIP 2006, S. 1373 (1377): „natürliche Übereinstimmung hinsichtlich der Zwecksetzung“. 153 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.91. 154 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90. 155 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90. 156 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.91. 157 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.91 f. 150

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

Parteien sowohl bei der Suche nach der Gegenleistung als auch bei der Bestimmung des Anfechtungsgegners hinzuzieht und klar hervorhebt, dass am Anfang der Prüfung gerade nicht der objektive Vergleich der Vermögenslage, sondern die subjektiv geprägte Bestimmung der Zwecksetzungen der Parteien steht.158 Dieses Ergebnis wird dann im zweiten Schritt einer objektiv-normativen Kontrolle unterzogen – die Prüfungsreihenfolge des objektiven Ansatzes der herrschenden Meinung wird also auf den Kopf gestellt. 4. Fazit und Kritik Die ergänzend-subjektiven Konzepte haben gemeinsam, dass sie das farblose Modell der objektiven Unentgeltlichkeit durch ergänzende subjektive Elemente aufwerten, ohne sich dabei den engen Beschränkungen des rechtsgeschäftlichen Modells zu unterwerfen. Die subjektiven Ansätze von Henckel und Häsemeyer harmonieren dabei mit der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, da sie den Grundsatz des rechtsgeschäftlichen Vertrauensschutzes in das Insolvenzanfechtungsrecht integrieren.159 Dass vertrauensschützende Erwägungen dem Anfechtungsrecht nicht fremd sind, zeigt der Blick auf die übrigen Anfechtungstatbestände: Sie erklären das Vertrauen des Empfängers in den Bestand seines Erwerbs im Grundsatz für schutzwürdig; der Vertrauensschutz entfällt erst, wenn der Empfänger Kenntnis von weiteren Umständen besitzt. In den Fällen der §§ 132, 133 InsO gilt dies auch dann, wenn es an einer die wirtschaftliche Bereicherung des Empfängers voll ausgleichenden Gegenleistung fehlt. Henckel und Häsemeyer führen diesen Gedanken im Rahmen des § 134 InsO fort, indem auch hier nicht schon die einseitige Bereicherung des Empfängers den Vertrauensschutz entfallen lässt, sondern erst seine Kenntnis von der Unentgeltlichkeit.160 Nicht zu leugnen ist allerdings, dass der Anwendungsbereich des § 134 InsO durch die Anforderung dieser subjektiven Voraussetzungen verkleinert wird. Im Phoenix-Fall könnte der Insolvenzverwalter die rechtsgrundlos geleisteten Scheingewinne nur zur Masse ziehen, falls sich auch der Empfänger der Unentgeltlichkeit der Leistung bewusst war.161 Da Phoenix den Anlegern vorspiegelte, es handele sich um echte Gewinne, die auf einem entgeltlichen Rechtsgrund beruhen, wäre eine Rückforderung in aller Regel ausgeschlossen.162 Tilgt der Schuldner eine fremde Schuld, scheitert die Anfechtung aus Sicht von 158

Vgl. auch Kamlah, Anfechtung, S. 86. Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 440: Die Rücksicht auf die Interessen der Gläubiger rechtfertige es „nicht, die im Vertragsrecht allgemein anerkannte und auch der Gläubiger- und Insolvenzanfechtung nicht fremde Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf Seiten des Leistungsempfängers bei §§ 134 InsO, 4 AnfG generell zu negieren.“ 160 Vgl. zu diesem Gedankengang Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 439 f., 444. 161 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. 162 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90 mit Fn. 421. 159

III. Die vermittelnden Konzepte

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Henckel grundsätzlich bereits an der Bereicherung des Empfängers, da dieser eine eigene Forderung verliert.163 War die getilgte Forderung allerdings wertlos, kommt eine Inanspruchnahme des Empfängers durch die Gläubiger des zahlenden Dritten nur dann in Betracht, wenn beide Parteien Kenntnis von der Wertlosigkeit der Forderung hatten.164 Häsemeyer hingegen würde die Anfechtung der Gläubiger des Dritten schon daran scheitern lassen, dass die subjektive Zwecksetzung des zahlenden Dritten auf die Begünstigung des Forderungsschuldners und nicht des Forderungsgläubigers gerichtet ist.165 Dem Interesse der Gläubiger läuft diese Verengung naturgemäß zuwider, da allein die irrige Vorstellung einer oder beider Parteien von einem Vermögensausgleich ihnen noch kein Zugriffsobjekt verschafft.166 Auch steht fest, dass die Beweisschwierigkeiten für den Insolvenzverwalter und die Manipulationsgefahr ansteigen, je mehr Bedeutung man den subjektiven Vorstellungen der Parteien einräumt.167 Sie können schlichtweg behaupten, dass sie einer Fehleinschätzung unterlagen und ihnen das gemeinsame Bewusstsein zur Unentgeltlichkeit fehlte.168 Dies stellt den Verwalter vor nicht unerhebliche Beweisschwierigkeiten, da er nun diese inneren Tatsachen widerlegen muss.169 Das schuldnerbezogene Konzept von Thole legt den Fokus hingegen ganz auf das subjektive Element auf Schuldnerseite, hinter dem die Vorstellungen des Empfängers zurücktreten. Dadurch werden die Beweisanforderungen reduziert, da immerhin der Nachweis des subjektiven Elements auf Empfängerseite entfällt. Die Inanspruchnahme der Anleger im Phoenix-Fall ist daher möglich, denn Phoenix hatte Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung und der Irrtum des Empfängers schadet nicht.170 Im Fall der Tilgung einer fremden Schuld kommt es aus Tholes Sicht – unabhängig von der Werthaltigkeit der getilgten Forderung – darauf an, ob der Schuldner davon ausging, mit der Fremdtilgung eigene wirtschaftliche Interessen zu fördern.171 Tilgt der Schuldner die fremde Schuld in dem Bewusstsein, an der Schuldbefreiung des 163

Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 16. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 25. 165 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90, 21.92. 166 Vgl. Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b, 22; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 19. 167 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 189: Das Abstellen auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten öffne „Tür und Tor für Manipulationen“. Zur Manipulationsgefahr auch Thole, Gläubigerschutz, S. 449. 168 Vgl. Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 5, 14; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 189 sowie BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396 f.): „Andernfalls könnten die Beteiligten allein dadurch, dass sie einer für den Schuldner objektiv wertlosen Leistung in ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen einen (subjektiven) Wert beimessen, den Zweck des Gesetzes vereiteln“. 169 Vgl. Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 45. 170 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 456 f. 171 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 471 ff. 164

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

Forderungsschuldners kein greifbares eigenes wirtschaftliches Interesse zu haben, ist die Unentgeltlichkeitsanfechtung begründet, auch wenn der Anfechtungsgegner ein eigenes Vermögensopfer erbracht hat.172 In der Literatur wird jedoch Unverständnis darüber geäußert, warum Thole zwischen dem Bewusstsein des Schuldners und dem des Empfängers differenziert und dabei die Vorstellungen des Empfängers aus Gläubigerschutzgründen für unbeachtlich hält, während der Wille des Schuldners zur Freigebigkeit unverzichtbar sein soll.173 Das Argument der vorrangigen Interessen der Gläubiger spreche in gleicher Weise gegen eine Berücksichtigung subjektiver Elemente auch auf Empfängerseite.174 Denn für die Gläubiger mache es keinen Unterschied, ob ein objektiv unentgeltlicher Vorgang von dem (verdeckten) Willen des Schuldners zur Freigebigkeit getragen war oder ob auch er sich im Irrtum über die Unentgeltlichkeit befand.175 Auch stelle sich die Frage, in welchem Verhältnis § 133 Abs. 1 und § 134 InsO zueinander stünden: Beide knüpfen entscheidend an ein subjektives Element beim Schuldner an. Während § 133 InsO jedoch die Kenntnis des Empfängers von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht fordert, soll im Rahmen des § 134 InsO ein subjektives Element auf Empfängerseite entbehrlich sein. Diese Abweichung wird für rechtfertigungsbedürftig gehalten.176 IV. Zwischenfazit IV. Zwischenfazit

Die Darstellung der verschiedenen Grundkonzepte hat gezeigt, dass diese nicht nur in den paradigmatischen Beispielsfällen der bewusst rechtsgrundlosen Auszahlung von Scheingewinnen im Phoenix-Fall und der Tilgung einer fremden, wertlosen Forderung im Cash-Pool-Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, sondern dass ihnen ein ganz unterschiedliches Verständnis vom Charakter der Unentgeltlichkeitsanfechtung zugrunde liegt. 1. Gegenüberstellung der Grundmodelle und Analyse Einigkeit besteht lediglich darin, dass § 134 InsO nicht nur Schenkungen i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB erfasst und keine vertragliche Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit erfordert.177 Während Fischer mit der materiellen Causa

172

Thole, Gläubigerschutz, S. 478 f. Unverständnis darüber äußert Heim, Schenkungsanfechtung, S. 189. 174 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 189. 175 So auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 440. 176 In diese Richtung Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 441 f. 177 Aus der Erkenntnis, der Begriff der „unentgeltlichen Leistung“ sei weiter als derjenige der Schenkung, lässt sich daher für eine Entscheidung über das Grundkonzept des § 134 InsO nichts herleiten (vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 434). So allerdings Heim, Schenkungsanfechtung, S. 188, der die Äußerung des Gesetzgebers, § 134 InsO erfasse nicht 173

IV. Zwischenfazit

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aber einen besonderen Anknüpfungspunkt für die Unentgeltlichkeit formuliert, ohne den die Anwendung des § 134 InsO von vornherein ausscheidet, können nach den übrigen Ansätzen grundsätzlich alle für die Gläubiger nachteiligen Rechtshandlungen in den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen. Diese unterschiedlich weiten Anwendungsbereiche spiegeln sich in der Bedeutung des Leistungsbegriffs wider. Der objektive Ansatz stellt keine besonderen Anforderungen an die Schuldnerleistung. Geeignet ist jede Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO, sofern sie vom Schuldner vorgenommen wurde. Die Anfechtungsbeziehungen richten sich grundsätzlich nach der objektiven Wertverschiebung. Zusätzlich kommt auch der Leistungsempfänger im bereicherungsrechtlichen Sinne als Anfechtungsgegner in Betracht. Die subjektiven Zwecksetzungen der Parteien können die Anfechtungsbeziehungen nur vervielfältigen, nicht jedoch beschränken. Für Häsemeyer hingegen steht die Prüfung der subjektiven Zwecksetzung am Anfang jeder Entgeltprüfung. Eine Anfechtung kann somit nur gegenüber demjenigen durchgreifen, der aus Sicht der Parteien materiell begünstigt werden sollte. Noch enger gestalten sich die Anfechtungsbeziehungen nach Fischers rechtsgeschäftlichem Ansatz: Da die Unentgeltlichkeit an eine rechtsgeschäftliche materielle Causa anknüpft, kann die Anfechtung nur entlang einer Kausalbeziehung erfolgen. Taugliche Leistung i.S.d. § 134 InsO ist also nur eine Zuwendung, die auf ein materielles Kausalgeschäft Bezug nimmt. Damit ist die anfechtungsrechtliche Leistung im Regelfall eine Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne. Auch das Verhältnis von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit schätzen die verschiedenen Grundmodelle sehr unterschiedlich ein. Da die Unentgeltlichkeit nach der objektiven Auffassung keine positiven (subjektiven) Voraussetzungen kennt, ist jede nicht entgeltliche Leistung automatisch unentgeltlich.178 Die Unentgeltlichkeit wird zu einem Auffangtatbestand, der alle gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen erfasst, denen keine (vereinbarte) Gegenleistung gegenübersteht. Bei den übrigen Ansätzen verfängt dieser Umkehrschluss nicht. Da sie positive Voraussetzungen an die Unentgeltlichkeit stellen, kann es aus ihrer Sicht auch Leistungen geben, die mangels vereinbarter Gegenleistung nicht entgeltlich sind, aber auch die Anforderungen der Unentgeltlichkeit nicht erfüllen, weil es an einem entsprechenden – einseitigen oder gemeinsamen – Bewusstsein der Parteien fehlt. Ebenso grundverschieden gestaltet sich die methodische Herangehensweise an die Entgeltprüfung. Für die objektive Sichtweise steht am Anfang der Entgeltprüfung der Blick auf den Vermögenssaldo: Ist dieser ausgeglichen, ist die Leistung entgeltlich; ist er unausgeglichen, liegt eine (teilweise) unentgeltliche

nur Schenkungen (vgl. Begr. zu § 149 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 161), als Argument gegen die rechtsgeschäftliche Sichtweise nutzt. 178 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 108 f.

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

Leistung vor. Die Parteivorstellungen dienen lediglich als Korrektiv zur Abgrenzung von gemischten und voll entgeltlichen Geschäften. Im Gegensatz dazu bilden für die rechtsgeschäftliche Sichtweise die Einschätzungen und Erklärungen der Parteien den Ausgangspunkt der Entgeltprüfung. Streben die Parteien einen äquivalenten Leistungsaustausch an, ist grundsätzlich von einer entgeltlichen Leistung auszugehen. Ob ihre Vorstellungen der Realität entsprechen, hat zunächst keine Bedeutung. Diesem subjektiven Maßstab ist erst in einem zweiten Schritt eine objektive Grenze zu ziehen, um dem Gläubigerschutz ausreichend Rechnung zu tragen.179 Für die subjektive und die rechtsgeschäftliche Sichtweise bildet die Überprüfung des objektiven Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung also lediglich ein Korrektiv, während die objektive Sichtweise genau diesen Vergleich zum Ausgangspunkt der Prüfung macht und davon ausgehend die Parteivereinbarung als Einschränkung heranzieht. Irrtümer der Parteien sind für die subjektiv geprägten Ansätze somit stets erheblich,180 während die objektive Sichtweise den Fehleinschätzungen der Parteien von vornherein nur innerhalb des Beurteilungsspielraums Bedeutung beimisst.181 2. Ausblick auf die weitere Prüfung Die Gegenüberstellung macht deutlich, dass das dogmatische Grundverständnis vom Leistungs- und Unentgeltlichkeitsbegriff und ihre Funktion im System des § 134 InsO sehr unterschiedlich interpretiert werden. Welches der Modelle vorzugswürdig ist, lässt sich nach dem bisherigen Stand der Untersuchung allerdings noch nicht bewerten. So hat der Wortlaut einer Norm, auf den sich die objektive Ansicht zur Begründung ihrer These stützt, überhaupt nur dann eigenständige Bedeutung, wenn man ihn vor dem historischen Hintergrund seiner Entstehung interpretiert.182 Nur weil er aus heutiger Sicht rein objektiv erscheint, bedeutet dies noch nicht, dass er im Zeitpunkt seiner Entstehung auch als solcher intendiert war. Um die wahre Bedeutung des Wortlauts zu ergründen, ist es erforderlich, sich in die Zeit der Entstehung der Norm zurückzuversetzen und den Willen

179

Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 449 ff.: Nur wenn die Parteien ihr Äquivalenzermessen rechtsmissbräuchlich ausüben, muss ihrer subjektiven Einschätzung eine objektive Grenze gesetzt werden. 180 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 449 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 28. Vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.93. 181 Für die Unbeachtlichkeit des gemeinsamen Irrtums außerhalb des Beurteilungsspielraums: Jungmann, EWiR 2010, S. 679 (680); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b, 22, 40; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 14; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 19. Offengelassen von BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396). 182 Vgl. Heck, AcP 112 (1914), S. 1 (120 ff., 123).

IV. Zwischenfazit

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des Gesetzgebers vor diesem Hintergrund nachzuvollziehen.183 Dasselbe gilt für das Argument, nur die objektive Sichtweise entspreche dem Willen des Reformgesetzgebers, die Durchschlagskraft der Anfechtungstatbestände zu erhöhen. Für die Auslegung des § 134 InsO lassen sich aus dieser Zielsetzung nur dann Rückschlüsse ziehen, wenn feststeht, welche Ausgangslage der Reformgesetzgeber ändern wollte und in welcher Art und Weise er diese Ziele umgesetzt hat. Selbst wenn der Gesetzgeber die Position der Gläubiger stärken wollte, könnte sich dieses Ziel durch die gesetzliche Änderungen gegebenenfalls bereits verwirklicht haben. Das vor der Reform durchschlagende Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit der Gläubiger hätte sich dann möglicherweise erledigt. Auch die Frage, inwieweit dem Interesse der Gläubiger an der Wiederherstellung der Haftungsmasse durch subjektive Anforderungen auf Schuldnerseite oder vertrauensschützende Elemente zugunsten des Empfängers Grenzen zu setzen sind, ist keine offene Wertungsentscheidung, sondern hängt von der § 134 InsO zugrunde liegenden gesetzgeberischen Interessenabwägung ab. Auslegung bedeutet, diese Interessenabwägung nachzuvollziehen und auf diese Weise das Wertungsgefüge der Norm zu entwickeln, das dann als Grundlage für die Anwendung im Einzelfall dient.184 Dafür ist jedoch eine umfassende Untersuchung der Stellung der Anfechtung im System des bürgerlichrechtlichen Vermögensrechts und der Abgrenzung der Unentgeltlichkeitsanfechtung von den übrigen Anfechtungstatbeständen erforderlich. Dann lässt sich auch ihr Verhältnis zu § 132 und § 133 Abs. 1 InsO verlässlich bewerten. Schließlich darf nicht aus dem Blick geraten, dass das Insolvenzrecht als Teil des bürgerlichen Rechts mit den Wertungen des materiellen Zivilrechts im Einklang stehen muss.185 Überzeugen kann daher nur dasjenige Modell, das auch einem wertenden Vergleich mit denjenigen Normen des allgemeinen Zivilrechts standhält, denen eine ähnliche Interessenlage zugrunde liegt wie § 134 InsO. Zu diesen Vorschriften zählen insbesondere die §§ 816 Abs. 1 S. 2, 183 Vgl. Heck, AcP 112 (1914), S. 1 (120 ff., 128): „Die sprachliche Auslegung drängt, wenn sie nicht resultatlos bleiben soll, ganz unwillkürlich auf die historische hin.“ 184 Vgl. Heck, AcP 112 (1914), S. 1 (64). Auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl., Rn. 722, 730c; siehe bereits Savigny, System, Bd. 1, S. 213: Für die Auslegung müsse man „sich in Gedanken auf den Standpunkt des Gesetzgebers versetzen, und dessen Thätigkeit in sich künstlich wiederholen“; Auslegung sei „die Reconstruction des dem Gesetze inwohnenden Gedankens“. 185 Vgl. Henckel, in: FS Jahr, S. 1: „Die Sonderregelung für die Insolvenzsituation steht aber nicht frei im Raum (…). Sie muß (…) auf das materielle Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht bezogen sein, diese für ihre eigenen Zwecke fortschreiben und mit deren Wertungen in Einklang stehen“. Vgl. auch bereits die Motive KO, S. 13, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 43: „Das Konkursrecht läßt kaum ein Gebiet des Privatrechts unberührt; es muß den Systemen desselben sich anpassen und darf ihnen nicht heterogene Bestandtheile aufdrängen.“

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Kapitel 1: Die verschiedenen Grundmodelle zur Auslegung des §134 InsO

822, 2213 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB. Dem wertenden Vergleich kann man keineswegs mit dem Verweis darauf entgehen, dem allgemeinen Zivilrecht liege kein einheitlicher Unentgeltlichkeitsbegriff zugrunde.186 Denn selbst wenn das Verständnis der Unentgeltlichkeit in diesen Normen nicht einheitlich sein sollte, kann die Auslegung gleichwohl gemeinsamen Strukturmerkmalen folgen, an denen sich auch § 134 InsO messen lassen muss. Es ist daher notwendig, die historischen und teleologischen Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung und ihre systematischen Bezüge zu erforschen, bevor qualifiziert zu den verschiedenen Ansichten Stellung genommen werden kann. Die historischen Grundlagen können insbesondere Aufschluss darüber geben, welche Schlussfolgerungen aus dem Wortlaut gezogen werden können und ob die Berücksichtigung subjektiver Elemente tatsächlich mit dem Willen des Gesetzgebers und den Zielen der Insolvenzrechtsreform in Konflikt gerät. Die teleologischen Grundlagen sollen zeigen, welches Modell der § 134 InsO zugrundeliegenden Interessenabwägung am besten gerecht wird. Und schließlich wird der Blick auf die mit § 134 InsO verwandten Vorschriften Aufschluss darüber geben, ob eine weite Auslegung auch im Verhältnis zur Reichweite dieser Normen gerechtfertigt erscheint oder ob sich trotz der im Detail unterschiedlichen Auslegung der Unentgeltlichkeit allgemeine Grundstrukturen erkennen lassen, die auch die Ausdeutung des § 134 InsO prägen.

186

So aber Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 11 ff.

Kapitel 2

K a p ite l 2 :

Die historischen und teleologischen Grundlagen des § 134 InsO und seine systematischen Bezüge

Teil B: Historische und teleologische Grundlagen sowie systematische Bezüge

Ausgangspunkt jeder Auslegung sind die historischen Normzwecke, die der Gesetzgeber mit der jeweiligen Vorschrift verfolgt.1 Sie geben Aufschluss über die der Norm zugrunde liegende Interessenbewertung und zeigen auf, vor welchem Hintergrund sich der Gesetzgeber zu dem Normerlass entschieden hat. Bei einer Vorschrift, die auf eine so lange Tradition zurückblicken kann wie § 134 InsO, muss die Entwicklung der Auslegungsgrundlagen daher ihren Ausgangspunkt in der Darstellung der Normgeschichte nehmen (I.). Auf dieser Grundlage kann anschließend das teleologische Fundament der Unentgeltlichkeitsanfechtung skizziert werden (II.). Schließlich hat sich gezeigt, dass § 134 InsO mit der Anknüpfung an die Unentgeltlichkeit auf einen Begriff Bezug nimmt, der auch in anderen Normen die Interessen des Erwerbers hinter den Interessen eines schutzwürdigen Dritten zurückstehen lässt. Dies lädt dazu ein, auch den systematischen Kontext des § 134 InsO zu beleuchten und das Verständnis der Unentgeltlichkeit in verwandten Normen des bürgerlichen Rechts zu untersuchen (III.). I. Die historische Entwicklung des § 134 InsO

I. Die historische Entwicklung des § 134 InsO

§ 134 InsO ist Teil der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung.2 Neu war die Idee der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen damals aber keineswegs: Mit § 134 InsO knüpfte der Gesetzgeber nahtlos an die Vorgängernorm des § 32 KO an.3 Die Begründung in den Materialien zu § 134 InsO beschränkt sich daher auf eine kurze Erläuterung der sprachlichen und inhaltlichen Korrekturen im Vergleich zu § 32 KO. Die grundlegende Interessenabwägung, die der Konkursgesetzgeber im Rahmen des § 32 KO getroffen hatte, wurde vom Insolvenzrechtsgesetzgeber übernommen. Der Konkursgesetzgeber stand im Jahr 1877 jedoch vor einer ganz anderen Ausgangslage als heute: Der deutsche Rechtskreis war von den Partikularrechtsordnungen und 1

Vgl. Heck, AcP 112 (1914), S. 1 (94, 108); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl., Rn. 730c; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185. 2 Insolvenzordnung (InsO) vom 5.10.1994, BGBl. I, S. 2866 ff. 3 Vgl. Begr. zu § 149 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 160: „Die Vorschrift behandelt die bisher in § 32 KO und § 10 Abs. 1 Nr. 3 GesO geregelte Schenkungsanfechtung.“

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

dem Gemeinen Recht geprägt, das wiederum auf dem römischen Recht aufbaute. Ein einheitliches bürgerliches Recht existierte noch nicht. Um die historischen Normzwecke unserer heutigen Unentgeltlichkeitsanfechtung zu erschließen, ist es daher notwendig, den Erkenntnishorizont des Gesetzgebers von 1877 nachzuzeichnen. Dafür muss ein Blick auf die Schenkungsanfechtung im römischen Recht (1.) und in den Partikularrechtsordnungen des 19. Jahrhunderts (2.) geworfen werden. Vor diesem Hintergrund kann dann die gesetzgeberische Interessenabwägung aus dem Jahr 1877 mit Leben gefüllt (3.) und die weitere Entwicklung der Norm bis zur heutigen InsO nachvollzogen werden (4.). 1. Die Schenkungsanfechtung im römischen Recht Die Grundidee der Gläubigeranfechtung entwickelte sich bereits im römischen Recht. Die älteren römischen Vollstreckungsrechte waren noch vom Grundsatz der Personalexekution geprägt.4 Der Schuldner haftete mit seinen persönlichen Gütern (Freiheit, Ehre, Leib und Leben) für seine Schulden.5 Bereits die Androhung der Personalexekution gab den Gläubigern ein durchgreifendes Mittel an die Hand, um den Schuldner zur Befriedigung seiner Verbindlichkeiten zu bewegen. Im prätorischen Recht vollzog sich allmählich der Übergang von der Personalexekution zur Sachexekution.6 In einem geordneten Verfahren der Gesamtvollstreckung (sog. missio in bona debitoris) wurde das gesamte Vermögen des Schuldners beschlagnahmt und von den Gläubigern in Besitz genommen, die es nach Ablauf einer Frist als Ganzes öffentlich veräußern konnten.7 Da nun die strenge Haftung der persönlichen Güter des Schuldners als Druckmittel wegfiel, gleichzeitig aber die missio nicht mit einer Verfügungsbeschränkung des Schuldners einherging, ergab sich ein Bedürfnis nach neuen Schutzinstrumenten für die Gläubiger.8 Im Digestentitel D. 42, 8 finden sich daher Regelungen zum Schutz gegen betrügerische Gläubigerbenachteiligungen („in fraudem creditorum“), die später im Anschluss an einen vereinzelten 4

Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 50. Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, 20. Aufl., § 81 Rn. 10. 6 Endemann, Konkursverfahren, § 2, S. 6; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 50. 7 Vgl. Endemann, Konkursverfahren, § 2, S. 6; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 50; Gottwald, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 1 Rn. 1; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 388 ff.; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, 20. Aufl., § 85 Rn. 2 ff.; von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., S. 1 f. Der Grundfall der Sachexekution im römischen Recht war also die Gesamtvollstreckung. Die Einzelvollstreckung entwickelte sich erst später als Vergünstigung für besonders schutzwürdige Schuldner (Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 383 f.) und wurde erst im nachklassischen Recht zum Regelfall (Goltdammer, Materialien zur KO 1855, 2. Ausg., S. 2; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 626; von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., S. 2). 8 Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 46. 5

I. Die historische Entwicklung des § 134 InsO

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Paulustext9 als actio Pauliana bezeichnet wurden10 und als Wiege der heutigen Gläubigeranfechtung gelten.11 Als Grundtatbestand sah D. 42, 8, 1 pr. eine Regelung vor, deren Grundgedanke heute in der Vorsatzanfechtung des § 133 Abs. 1 InsO fortlebt: Hatte der Schuldner in betrügerischer Absicht mit einem anderen ein Geschäft abgeschlossen, so konnte innerhalb eines Jahres gegen den Empfänger, der den Betrug kannte, Klage erhoben werden.12 Die Klage erforderte neben einer Vermögensentäußerung (alienato) und einer darauf kausal zurückzuführenden Schädigung die böswillige Absicht des Schuldners (fraus),13 die anzunehmen war, wenn der Schuldner bei der Vermögensentäußerung wusste, dass er zahlungsunfähig war oder durch die Entäußerung seine Zahlungsunfähigkeit herbeiführte.14 Der Begünstigte musste sich durch seine Teilnahme am Betrug des Schuldners (participatio fraudis) ‚mitschuldig’ gemacht haben.15 In bestimmten Fällen war die participatio fraudis jedoch entbehrlich, D. 42, 8, 6, 10–12. Dazu zählte unter anderem die Schenkung (donatio):16 Man ging davon aus, die Inanspruchnahme benachteilige den gutgläubigen Beschenkten nicht in unbilliger Weise, da ihm lediglich ein Gewinn entzogen, nicht aber ein Schaden

9 D. 22, 1, 38, 4: „In Fabiana quoque actione et Pauliana, per quam quae in fraudem creditorum alienata sunt revocantur, (…).“ 10 Bis heute herrscht Unklarheit darüber, was in den römischen Quellen genau mit der Bezeichnung „actio Pauliana“ gemeint war (siehe Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 16 f.; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 48 ff.; Otto, Anfechtung, S. 1 ff.). Neben der Klausel D. 42, 8, 1 pr., die eine restitutio in integrum versprach, stellte der Prätor in D. 42, 8, 10 pr. ein interdictum fraudatorium auf, das ebenfalls die Möglichkeit zur Anfechtung vorsah. Das Verhältnis der beiden Rechtsmittel ist umstritten (vgl. Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 16 f.; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 47 ff.; Windscheid, Lehrbuch, Bd. 2, 3. Aufl., S. 678 in Fn. 1). Im nachklassischen Justinianischen Recht wurden die beiden Rechtsmittel zu einer einheitlichen Klage zusammengefasst, die fortan „actio Pauliana“ hieß (Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 17; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 59). 11 Erste Ansätze des „paulianischen Gedankens“ finden sich in der Lex Aelia aus dem Jahr 4 n.Chr., die sich gegen die Freilassung von Sklaven in fraudem creditorum wandte. Vgl. Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 15; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 46. 12 „Quae fraudationis causa gesta erunt cum eo, qui fraudem non ignoraverit, de his curatori bonorum vel ei, cui de ea re actionem dare oportebit, intra annum, quo experiundi potestas fuerit, actionem dabo.“ 13 Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 17 ff.; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 56; Otto, Anfechtung, S. 9. 14 Hellmann, Lehrbuch, § 31, S. 298. 15 Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 57. 16 D. 42, 8, 6, 11: „Simili modo dicimus et si cui donatum est, non esse quaerendum, an sciente eo, cui donatum, gestum sit, sed hoc tantum, an fraudetur creditors.”

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

zugefügt werde.17 Seine Haftung war allerdings auf die verbleibende Bereicherung beschränkt.18 Die Schenkungsanfechtung war im römischen Recht somit ein Unterfall der Absichtsanfechtung, bei dem aufgrund der reinen Vorteilhaftigkeit des Erwerbs ausnahmsweise auf die Teilnahme des Empfängers am Betrug des Schuldners verzichtet werden konnte.19 Die übrigen Voraussetzungen, insbesondere die fraus des Schuldners, mussten allerdings auch im Fall der Schenkung gegeben sein.20 Der schuldnerische Betrug war stets der Auslöser der Anfechtung. Die Ausnahme in D. 42, 8, 6, 11 knüpfte an eine donatio an.21 Diese erforderte im römischen Recht eine echte Vermögensmehrung des Empfängers22 und musste von einem freigebigen Willen des Schenkers, dem animus donandi, getragen sein.23 Es schadete zwar nicht, wenn der Schuldner innerlich eigennützige Motive verfolgte.24 Schlug sich diese Absicht aber in der Schenkung selbst nieder, schied eine reine, von einem animus donandi getragene schenkweise Zuwendung aus. Remuneratorische Schenkungen, gemischte Schenkungen und Zuwendungen, für die nur ein sehr geringes Entgelt geleistet wurde, kamen daher als donatio nicht in Betracht.25 Darüber hinaus erforderte die Schenkung einen Konsens der Parteien: Gegen seinen Willen musste sich niemand ein Geschenk aufdrängen lassen (non potest liberalitas nolenti adquiri).26 Für die actio Pauliana bedeutete dies: Die Anfechtung ohne Nachweis der participatio fraudis kam nur in Betracht, wenn der Schuldner den Empfänger mit animus donandi bereicherte und dieser sein Einverständnis zur Entgegennahme der Schenkung erklärt hatte (vgl. D. 42, 8, 6, 11 a.E.: „liberalitatem

17 “Nec videtur iniuria adifici is qui ignoravit, cum lucrum extorqueatur, non damnum infligatur.” 18 D. 42, 8, 6, 11 a.E.: „In hos tamen, qui ignorantes ab eo qui solvendo non sit liberalitatem accepterunt, hactenus actio erit danda, quatenus locupletiores facti sunt, ultra non.“ 19 Vgl. Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., S. 15; Otto, Anfechtung, S. 13; Thole, Gläubigerschutz, S. 288. 20 Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 22; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 58; Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., S. 15; Korn, Anfechtung, 2. Aufl., S. 94; Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 37; Otto, Anfechtung, S. 13. 21 Die genauen Voraussetzungen der donatio im römischen Recht sind umstritten (vgl. nur Pruskowski, Zuwendung, S. 5 ff.). Die Darstellung beschränkt sich daher an dieser Stelle auf die – wohl als gesichert geltenden – wesentlichen Grundzüge. 22 Die Zahlung einer fremden Schuld ohne Kompensation war beispielweise keine Schenkung gegenüber dem Gläubiger, sondern nur gegenüber dem befreiten Forderungsschuldner, vgl. Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 63. 23 Honsell, Römisches Recht, 7. Aufl., § 55 I; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, 20. Aufl., § 47 Rn. 2. 24 Honsell, Römisches Recht, 7. Aufl., § 55 I. 25 Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 63. 26 Honsell, Römisches Recht, 7. Aufl., § 55 I. Vgl. auch Pruskowski, Zuwendung, S. 7.

I. Die historische Entwicklung des § 134 InsO

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accepterunt“). Bei remuneratorischen Schenkungen oder gemischten Geschäften schied die erleichterte Anfechtbarkeit aus. 2. Die Entwicklung im deutschen Rechtsraum bis zur Einführung der Reichsjustizgesetze Die actio Pauliana des römischen Rechts wurde zum prägenden Leitbild der Gläubigeranfechtung im deutschen Rechtsraum des 19. Jahrhunderts.27 Zwar hatten sich mit dem Aufkommen der Vermögensexekution auch im deutschen Recht des Mittelalters eigenständige Regelungen zum Schutz der Gläubiger vor schädigenden Rechtshandlungen ihres Schuldners entwickelt.28 So gewährten zahlreiche Stadtrechte den Gläubigern die Möglichkeit, Dritte, die dem Schuldner bei einem gläubigerbenachteiligenden Verhalten (sog. ‚fluchtsal’)29 wissentlich geholfen hatten, in gleicher Weise für die Befriedigung ihrer Forderungen in Anspruch zu nehmen wie den Schuldner selbst.30 Auch der Empfänger zu fluchtsal konnte in bestimmten Fällen für die Forderungen der Gläubiger haftbar gemacht werden, insbesondere wenn der Schuldner ihn schenkweise begünstigt hatte.31 Mit dem Beginn der Rezeption des römischen Rechts gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurden diese anfechtungsrechtlichen Leitsätze des

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Vgl. Motive KO, S. 95, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 110: „Die Grundlage aller geltenden Rechte bildet das römische Recht.“ 28 Das deutsche Recht des Mittelalters war von einer Vielzahl von Rechtskreisen geprägt, die unabhängig voneinander entstanden und auch inhaltlich erhebliche Unterschiede aufwiesen (vgl. nur Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 6. Aufl., Rn. 8). Die Regelungen zum Schutz der Gläubiger waren somit nicht Teil eines einheitlichen Systems, sondern entwickelten sich in ihrem jeweiligen Rechtskreis. Ein einheitliches Anfechtungssystem bestand im deutschen Rechtsraum des Mittelalters daher nicht (Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 76; Meier, Geschichte des deutschen Konkursrechts, S. 44). 29 Die Nichtbefriedigung von Schulden zog im deutschen Recht des Mittelalters die harte Sanktion der relativen Friedlosigkeit nach sich, die praktisch einer Vernichtung von Person und Vermögen des Schuldners gleichkam. Häufig versuchte der Schuldner daher, sich durch Flucht diesen Konsequenzen zu entziehen. Nach und nach bürgerte sich der Begriff ‚fluchtsal’ als technischer Ausdruck für gläubigerbenachteiligendes Verhalten ein, vgl. Cosack, Anfechtungsrecht, S. 11; Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 25 f.; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 62 ff.; Schultze, ZGR (Germ. Abteilung) Bd. 41 (1920), S. 210 ff. 30 Ausführliche Quellenangaben bei Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 30; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 65 f.; Schultze, ZGR (Germ. Abteilung) Bd. 41 (1920), S. 210 (214 ff.). 31 Siehe mit zahlreichen Quellennachweisen Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 37 ff. Der Empfänger zu fluchtsal haftete den Gläubigern nach einigen Stadtrechten nur mit dem Empfangenen, nach anderen mit seinem gesamten Vermögen, vgl. Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 67 f.

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

Mittelalters jedoch nach und nach verdrängt.32 Über das gemeine Recht, das hinsichtlich der Gläubigeranfechtung im Wesentlichen auf dem Justinianischen Recht aufbaute,33 fanden die Bestimmungen der actio Pauliana Eingang in den deutschen Rechtskreis.34 Die Partikularrechte gingen dem gemeinen Recht in ihrem Anwendungsbereich zwar vor, doch auch sie wurden im 18. und 19. Jahrhundert zunehmend romanisiert und wählten die actio Pauliana als Leitbild für die Gläubigeranfechtung. Da die klassische Pauliana aber in einigen Gesichtspunkten als unzureichend empfunden wurde, wurde sie von zahlreichen Partikularrechtsordnungen modifiziert und erweitert.35 Beispielhaft zeigt sich dies an der Ausgestaltung der Schenkungsanfechtung im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen und der Entwicklung der Schenkungsanfechtung im preußischen Recht. a) Die Schenkungsanfechtung im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 1863 Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2. Januar 186336 konzipierte das Anfechtungsrecht im Grundsatz nach dem Vorbild der klassischen actio Pauliana.37 Grundvoraussetzung jeder Anfechtung war eine Veräußerung des Schuldners in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, § 1509 sächsBGB. Der Empfänger musste von dieser Absicht Kenntnis gehabt haben, § 1513 S. 1 sächsBGB. Bei unentgeltlichen Veräußerungen war diese Kenntnis jedoch entbehrlich, § 1513 S. 2 sächsBGB. Die Schenkungsanfechtung blieb somit ein Unterfall der Absichtsanfechtung, bei der angesichts des ausschließlich lukrativen Erwerbs ausnahmsweise die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite herabgesetzt wurden. In Erweiterung zum römischen Recht wurden aber nicht nur Schenkungen, sondern alle „unentgeltlichen Veräußerungen“ von dieser Ausnahmeregelung erfasst.38 Mit der Schenkung auf

32 Vgl. Cosack, Anfechtungsrecht, S. 13; Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 63. 33 Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 79. 34 Vgl. Cosack, Anfechtungsrecht, S. 13; Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 63; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 79; Goltdammer, Materialien zur KO 1855, 2. Ausg., S. 1; Otto, Anfechtung, S. 1. 35 Vgl. Motive KO, S. 95 f., abgedruckt bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 110: „Die Grundlage aller geltenden Rechte bildet das römische Recht; die Entwickelung des Verkehrs hat aber nirgend bei dessen Grundsätzen es belassen, sie hat bald mehr bald weniger dieselben verarbeitet und andere Gesichtspunkte hinzugefügt.“ 36 Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1863, S. 1 ff. 37 Otto, Anfechtung, S. 17; Pöschmann, Das Recht der Forderungen, in: Siebenhaar, Commentar zum BGB Sachsen, Anm. zu § 1509, S. 357. 38 Otto, Anfechtung, § 22 Nr. 2, S. 128.

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gleicher Stufe stehende Zuwendungen sollten unter denselben erleichterten Voraussetzungen anfechtbar sein wie echte Schenkungen auch.39 Dabei verstand das sächsische Recht den Schenkungsbegriff bereits vergleichsweise weit. Als Schenkung galt jedes „Rechtsgeschäft, durch welches Jemand ohne Gegenleistung und aus Freigebigkeit einem anderen einen Vermögensgegenstand zuwendet“, § 1049 sächsBGB. Eine Annahme des Beschenkten war nicht zwingend erforderlich, § 1054 sächsBGB. Auch die Voraussetzungen einer alienato im römisch-rechtlichen Sinne musste die schenkweise Zuwendung nicht erfüllen, sodass auch die Aufgabe eines Rechts, die Befreiung von einer Verbindlichkeit, die unentgeltliche Führung eines Geschäfts und die absichtliche Leistung auf eine Nichtschuld eine Schenkung bilden konnten, § 1050 sächsBGB. Wesensnotwendig war jedoch der liberalis animus, die Absicht des Schuldners zur Freigebigkeit. Die donatio sub modo zählte daher ebenso wenig zu den Schenkungen wie die donatio remuneratoria.40 Vom Nachweis dieser schenkungstypischen Freigebigkeit war der Begriff der unentgeltlichen Veräußerung in § 1513 S. 2 sächsBGB befreit. Das schenkungstypische subjektive Element der reinen Freigebigkeit auf Seiten des Schenkers wurde durch das anfechtungstypische Element der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners ersetzt. Remuneratorische Schenkungen und Schenkungen unter Auflage waren daher unter den erleichterten Voraussetzungen des § 1513 S. 2 sächsBGB anfechtbar, sofern sie zwar nicht von einer reinen Freigebigkeit, aber dafür von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners getragen waren. b) Die Entwicklung der Schenkungsanfechtung im preußischen Recht Einen anderen Weg nahm die Gesetzgebung im preußischen Recht. Die ältere preußische Gesetzgebung orientierte sich noch maßgeblich an der klassischen actio Pauliana.41 So erklärte das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten in I. 11. § 1129 Schenkungen für anfechtbar, die auf einer „bloßen Freigebigkeit“ beruhten und im letzten Jahr vor Eröffnung des Konkurses vorgenommen wurden. Die ‚bloße Freigebigkeit’ erfasste nur reine Schenkungen im Sinne des römisch-rechtlichen Vorbildes: Belohnende oder gemischte Schenkungen, Zweckschenkungen oder Schenkungen unter Auflage waren der Anfechtung entzogen.42 Zudem erforderte die Anfechtung den Nachweis, dass der

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Pöschmann, in: Siebenhaar, Commentar zum BGB Sachsen, Anm. zu § 1513, S. 358. Pöschmann, in: Siebenhaar, Commentar zum BGB Sachsen, Motive zu § 1049 BGB, S. 196. 41 Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. 1, 5. Aufl., S. 772; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 86. 42 Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 64 f. 40

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Schuldner bei Vornahme der Schenkung zahlungsunfähig war. Anfechtungsbefugt waren überdies nur Gläubiger, deren Forderungen bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestanden, I. 11. § 1131 ALR. Den Nachweis einer fraus des Schuldners forderte das ALR hingegen nicht mehr. Vielmehr wurde im Falle einer bloßen Freigebigkeit die betrügerische Absicht des Schuldners vermutet.43 Dieses Anfechtungssystem wurde zunehmend als unzulänglich angesehen.44 Der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit im Schenkungszeitpunkt gelang in den wenigsten Fällen. Auch die Beschränkung der Anfechtungsbefugnis auf Gläubiger, denen der Schuldner bereits im Zeitpunkt der Schenkung etwas schuldig war, hielt man nicht mehr für sachgerecht.45 Die Anknüpfung an eine reine Freigebigkeit lud den Schuldner zudem ein, die Schenkungsanfechtung durch Einkleidung der Veräußerung in eine „andere als die leicht zu vermeidende Form von Schenkungen“ zu umgehen.46 Das Gesetz vom 26. April 1835 versuchte, diese Missstände durch die Einführung von Rechtsvermutungen und Beweiserleichterungen zu beheben, blieb aber letztlich ohne Erfolg.47 Die preußische Konkursordnung vom 8. Mai 185548 und das preußische Anfechtungsgesetz vom 9. Mai 185549 strebten daher eine grundlegende Weiterentwicklung und Ergänzung der klassischen Anfechtungsgründe der actio Pauliana an.50 § 102 Nr. 2 PrKO gestaltete die Schenkungsanfechtung als selbstständigen Anfechtungstatbestand neben der Absichtsanfechtung aus, der es jedem Gläubiger, unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens seiner Forderung und dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, ermöglichte, freigebige Verfügungen des

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So die Interpretation von Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 38. Vgl. Motive zur Preußischen KO von 1855, abgedr. bei Goltdammer, Materialien zur KO 1855, 2. Ausg., S. 31. Auch Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. 1, 5. Aufl., S. 772. 45 Vgl. Motive zur Preußischen KO von 1855 zu § 102 PrKO, abgedr. bei Goltdammer, Materialien zur KO 1855, 2. Ausg., S. 264. 46 Motive zur Preußischen KO von 1855, abgedr. bei Goltdammer, Materialien zur KO 1855, 2. Ausg., S. 31. 47 Gesetz vom 26. April 1835, über Verträge zahlungsunfähiger Schuldner zum Nachtheil der Gläubiger, Gesetzessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, S. 53, abgedr. bei Mannkopff, Gesetzbücher, Bd. 7, S. 29 ff. Zur fehlenden Durchschlagskraft der in vielen Rechtsordnungen praktizierten Einführung von Rechtsvermutungen und Beweiserleichterungen vgl. auch von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 1, S. 149. 48 Konkurs-Ordnung vom 08.05.1855, Gesetzessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, S. 321 (im Folgenden: PrKO). 49 Gesetz vom 09.05.1855, Gesetzessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, S. 429. 50 Vgl. Motive zur Preußischen KO von 1855 zu § 102 PrKO, abgedr. bei Goltdammer, Materialien zur KO 1855, 2. Ausg., S. 264. 44

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Schuldners anzufechten. Der Nachweis einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht war nicht mehr notwendig.51 Im Gegenzug wurde der Anfechtungszeitraum von ursprünglich drei Jahren auf zwei Jahre verkürzt.52 Tatbestandlich knüpfte § 102 Nr. 2 PrKO nicht mehr an den leicht zu umgehenden Schenkungstatbestand, sondern an den allgemeiner gehaltenen Begriff der ‚freigebigen Verfügung’ an.53 Im Gegensatz zu dem an die römischrechtliche alienato anknüpfenden Begriff der Veräußerung war der Verfügungsbegriff im 19. Jahrhundert noch nicht mit einer bestimmten Bedeutung belegt.54 Mit der Anknüpfung an eine ‚Verfügung’ entzog sich der preußische Gesetzgeber somit der Diskussion um die Auslegung des Veräußerungsbegriffs, der im gemeinen Recht nicht einheitlich interpretiert wurde.55 Der Verfügungsbegriff erfasste nun unproblematisch sowohl die Übertragung als auch die Aufgabe eines Rechts.56 Die Verfügung musste freigebig sein, aber nicht mehr auf reiner Freigebigkeit beruhen. Damit konnten der Gemeinschuldner und der Begünstigte die Schenkungsanfechtung nicht mehr durch Vereinbarung eines geringen Entgelts aushebeln.57 In § 102 Nr. 2 PrKO stellte der preußische Gesetzgeber sogar ausdrücklich klar, dass auch Verfügungen, bei denen ein erhebliches Missverhältnis zwischen der Schuldnerleistung und der Gegenleistung bestand, als Freigebigkeiten des Gemeinschuldners in Betracht kamen. Gemischte und belohnende Schenkungen sowie Zweckschenkungen und Schenkungen unter Auflage fielen somit in den Anwendungsbereich des § 102 Nr. 2 PrKO, sofern sie sich als Freigebigkeiten des Schuldners darstellten.58 Wann der Schuldner freigebig handelte, sollte anhand des im allgemeinen Zivilrecht geltenden Begriffs

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Wentzel, Konkursordnung, S. 59. Vgl. Motive zur Preußischen KO von 1855 zu § 102 PrKO, abgedr. bei Goltdammer, Materialien zur KO 1855, 2. Ausg., S. 264. Ebenso Wentzel, Konkursordnung, § 102, S. 220. 53 Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 65. 54 W. Wilhelm, Begriff und Theorie der Verfügung, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation, Bd. 2, S. 213 meint, der Begriff der Verfügung sei zunächst im allgemeinen Sinne von Rechtshandlungen verwendet worden. Vgl. auch Bekker, System, Bd. 2, § 102 S. 174, der den Ausdruck „unentgeltliche Verfügung“ in § 25 KO für mangelhaft hält, weil der Verfügungsbegriff zu unbestimmt sei. 55 Vgl. nur Windscheid, Lehrbuch, Bd. 1, 1. Aufl., § 69 S. 146: „Von Veräußerung wird in verschiedenem Sinne gesprochen.“ Die Veräußerung im engeren Sinne sollte nur die Übertragung eines Rechts auf einen anderen erfassen, das in dessen Person weiter fortbesteht, während die Veräußerung im weiteren Sinne auch die Aufgabe eines Rechts ohne Rechtsnachfolge einschloss (W. Wilhelm, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation, Bd. 2, S. 213 f.). 56 So auch von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/1, § 54 I mit Fn. 1: Der Verfügungsbegriff sei eine Erweiterung des gemeinrechtlichen Begriffs der Veräußerung. 57 Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 65 f. 58 Vgl. Meischeider, Anfechtungsrecht, S. 66. 52

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der Freigebigkeit bestimmt werden.59 Die Idee einer eigenständigen, vom allgemeinen Zivilrecht abgekoppelten konkursrechtlichen Auslegung war dem preußischen Recht somit fremd. c) Zwischenergebnis Der Blick auf das sächsische und preußische Recht zeigt die Bemühungen der Partikulargesetzgebungen, die als zu eng empfundene Regelung des römischen Vorbilds zu modifizieren, um der Anfechtung zu mehr Wirksamkeit zu verhelfen. Das sächsische Recht bewerkstelligte dies durch die Einführung des vergleichsweise objektiv geprägten Begriffs der ‚unentgeltlichen Veräußerung’, verlangte daneben aber weiterhin die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners. Das preußische Recht hingegen wandte sich vom Kriterium der fraus beim Schuldner ab und knüpfte die Schenkungsanfechtung an die Freigebigkeit der Verfügung. Eine reine Freigebigkeit forderte allerdings auch das preußische Recht nicht mehr. Gemeinsam ist beiden Ausgestaltungen, dass sie von dem engen Schenkungsverständnis des römischen Rechts abrückten und den Fokus nunmehr auf die Person des Schuldners legten, der entweder freigebig oder gläubigerbenachteiligend gehandelt haben musste. 3. Die Konkursordnung vom 1. Februar 1877 Das sächsische und das preußische Anfechtungsrecht verdeutlichen beispielhaft die bunte Vielfalt an Konkursgesetzgebungen, die im deutschen Rechtsraum des 19. Jahrhunderts existierte.60 Sie gefährdete den Verkehr zwischen den einzelnen Partikularstaaten und ermöglichte den Schuldnern, sich durch die Verlegung ihres Wohnortes Vorteile gegenüber den Gläubigern zu verschaffen (heute sog. ‚forum shopping’).61 Doch erst die politische Neugestaltung Deutschlands durch die Errichtung des Norddeutschen Bundes und die

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Consbruch, Anfechtung, S. 24. Vgl. Motive KO, S. 94 f., abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 109: „Die zur Zeit in Deutschland geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der vor der Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner unternommenen Rechtshandlungen erscheinen in der buntesten und oft grellsten Verschiedenheit“; Fitting, Concursrecht, 2. Aufl., § 1 S. 1; von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., S. 8. Stieglitz, Konkursordnung, Einleitung S. X bildet drei Gruppen von Konkursrechten in den einzelnen deutschen Staaten: Zum einen gab es Gebiete ohne Konkursordnungen, in denen das gemeine Recht zusammen mit speziellen Einzelgesetzen galt, zum anderen gab es Gebiete mit Konkursordnungen, die sich wiederum in Gebiete mit lediglich kodifiziertem gemeinen Recht und in Gebiete mit einem besonderen selbstständigen System einteilen lassen. 61 Vgl. Motive KO, S. 95, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 109: „eine Veränderung des Gemeinschuldners in seinem Wohnort würde die bedenklichsten Folgen nach sich ziehen“; Endemann, Konkursverfahren, § 2 S. 14, § 3 S. 15; von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., S. 9. 60

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Erweiterung desselben zum Deutschen Reich schufen die Voraussetzungen für die Kodifikation eines einheitlichen deutschen Konkursrechts.62 Im Jahr 1873 wurde dem Reichsgesetzgeber die Zuständigkeit für das gesamte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren übertragen.63 Am 1. Oktober 1879 traten schließlich die Konkursordnung und das Anfechtungsgesetz für das gesamte Deutsche Reich als Teil der Reichsjustizgesetze in Kraft.64 Einflussreiches Vorbild der KO war die preußische Konkursordnung, die sich in der Praxis bewährt hatte.65 Im Bereich des Anfechtungsrechts orientierte sich der Konkursgesetzgeber im Grundsatz an der actio Pauliana, nahm allerdings einige – bereits in den Partikulargesetzgebungen erprobte – Erleichterungen und Erweiterungen der Anfechtbarkeit auf.66 Die Schenkungsanfechtung wurde im Wesentlichen dem preußischen Vorbild des § 102 PrKO nachgebildet.67 Sie wurde ebenfalls als ein von der Absichtsanfechtung unabhängiger Anfechtungstatbestand ausgestaltet, der keine fraus des Schuldners mehr erfordert.68 Denn, so führten die Motive aus, „den Gläubigern verschlägt es wenig, ob der Schuldner aus Großmuth, aus Eitelkeit, um seinen Kredit aufrecht zu erhalten oder um seine Gläubiger zu betrügen, die Schenkung vorgenommen hat“.69 Und auch für den Beschenkten mache es keinen Unterschied, welche persönlichen Absichten der Schuldner mit der Schenkung verfolgte.70 Die Unentgeltlichkeitsanfechtung erfasste gem. § 25 Nr. 1 KO 1877 „die in dem letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner

62 Stieglitz, Konkursordnung, Einleitung § 1, S. IX. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 26.07.1867 sah in Art. 4 Nr. 13 bereits „die gemeinsame Gesetzgebung für das Obligationenrecht, Strafrecht, Handels- und Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren“ vor, vgl. BGBl. des Norddeutschen Bundes 1867, S. 1, 4. 63 Gesetz, betreffend die Abänderung der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reiches, vom 20. Dezember 1873, RGBl. S. 379. 64 Konkursordnung vom 10.02.1877, RGBl. S. 351 ff.; Gesetz, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens vom 21.07.1879, RGBl. S. 277 ff. 65 Vgl. Motive KO, S. 8 f., abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 40; Endemann, Konkursverfahren, § 3 S. 15; Fitting, Concursrecht, 2. Aufl., § 1 S. 1 f.; Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. 1, 5. Aufl., S. 772; Hellmann, Lehrbuch, § 31 S. 302; Mandry, Reichsgesetze, 4. Aufl., § 50 S. 538; Stieglitz, Konkursordnung, Einleitung § 1, S. XIII. 66 Mandry, Reichsgesetze, 4. Aufl., S. 539, 540 in Fn. 7. 67 von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 1. 68 Vgl. Motive KO, S. 133, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 140. Siehe weiterhin Endemann, Konkursverfahren, § 44 S. 264 f.; Fitting, Concursrecht, 2. Aufl., § 16 S. 146 f.; Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. 1, 5. Aufl., S. 773. 69 Motive KO, S. 134, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 141. 70 Vgl. Motive KO, S. 134, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 141. Zustimmend von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 1.

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vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen, sofern nicht dieselben gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke zum Gegenstande hatten.“ Auch der Konkursgesetzgeber bediente sich somit dem noch nicht materiell-rechtlich vorbelasteten, weiten Begriff der ‚Verfügung’, um sich nicht mit dem umstrittenen Veräußerungsbegriff des gemeinen Rechts auseinandersetzen zu müssen. Von der Anfechtung sollten jedenfalls alle Veräußerungen im weiteren Sinne, also „selbstverständlich (…) auch Entsagungen und Verzichte“, erfasst sein.71 Im Gegensatz zum preußischen Recht musste die Verfügung jedoch nicht mehr freigebig, sondern – wie im sächsischen Recht – lediglich unentgeltlich sein. Dass damit keine grundlegende Abkehr vom preußischen Verständnis beabsichtigt war, zeigt sich aber schon darin, dass der Gesetzgeber in den Motiven die Begriffe der freigebigen und der unentgeltlichen Verfügung synonym gebrauchte.72 Der Konkursgesetzgeber wandte sich wohl nur deshalb von den preußischen Begrifflichkeiten ab, weil in dem Element der Freigebigkeit ein Hinweis auf das besondere Motiv des Wohlwollens, der Liberalität i.e.S. gefunden werden könnte, von dem die Anfechtung nicht abhängen sollte.73 Was unter einer unentgeltlichen Verfügung nun genau zu verstehen ist, erklärte der Konkursgesetzgeber nicht. Die Motive deuten aber darauf hin, dass in erster Linie Schenkungen im allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Sinne von § 25 KO erfasst werden sollten. So sprechen die Motive zu § 25 Nr. 1 KO fast durchgehend von ‚Schenkungen’ des Schuldners.74 v. Sarwey, der der vom Reichstag eingesetzten Kommission zur Vorberatung des Entwurfes der Konkursordnung angehörte,75 erklärte in seinem Kommentar, der Gesetzgeber habe den Schenkungsbegriff nur deshalb nicht in den Tatbestand des § 25 KO aufgenommen, weil die Schenkung häufig mit der Übernahme einer vertragsmäßigen Verpflichtung des Schenkers gleichgesetzt werde.76 Mit dem weiten Begriff der unentgeltlichen Verfügung habe der Gesetzgeber klarstellen wollen, dass sich die Anfechtung nicht auf Schenkungsverträge beschränkt. Die Ausdeutung des Schenkungsbegriffs als zentralem Tatbestandsmerkmal des § 25 Nr. 1 KO überließ der Konkursgesetzgeber in den Motiven ausdrücklich dem bürgerlichen Recht der Partikularstaaten. Dieses sollte insbesondere 71

Vgl. Motive KO, S. 136, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 142. So auch Otto, Anfechtung, § 23 Anm. 1, S. 132. Bereits der einleitende Satz zu § 25 KO besagt, die Norm fasse „die freigebigen Verfügungen des Gemeinschuldners zusammen“. Vgl. auch die Motive KO, S. 133, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 140. 73 So von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 3 Nr. 3, S. 151, der der vom Reichstag eingesetzten Kommission zur Vorberatung des Entwurfes der Konkursordnung angehörte. Ebenso Endemann, Konkursverfahren, § 44 Nr. 3, S. 265. 74 Den Begriff der unentgeltlichen Verfügung nutzt der Gesetzgeber in den Motiven nur ein einziges Mal. Ansonsten ist stets von Schenkungen des Schuldners die Rede. 75 Vgl. von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., S. 11. 76 von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 3 Nr. 3, S. 151. 72

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auch über die Einbeziehung vergeltender oder wechselseitiger Schenkungen und anderer streitiger Fälle entscheiden. Auch für die Behandlung gemischter Schenkungen gab der Konkursgesetzgeber bewusst kein Ergebnis vor. Er stellte lediglich klar, dass die Anfechtung jedenfalls dann Platz greifen müsse, wenn nur ein scheinbares Entgelt vereinbart wurde, das nur dazu bestimmt sei, die beabsichtigte Schenkung zu verdecken.77 Aus Respekt vor dem allgemeinen bürgerlichen Recht der Partikularstaaten nahm der Konkursgesetzgeber also die Regelungsdichte im Vergleich zum preußischen Recht sogar zurück, indem er die Entscheidung über die klassischen streitigen Fälle dem Verantwortungsbereich der Partikularstaaten überließ. Damit stellte er die Harmonisierung des Konkursrechts mit dem partikularrechtlich geregelten bürgerlichen Recht über das Bedürfnis der Gläubiger nach einer möglichst weiten Ausdeutung der Schenkungsanfechtung. Der Konkursgesetzgeber blieb damit seinen Grundsätzen zum Verhältnis des Konkursrechts zum allgemeinen Privatrecht treu, nach dem sich das Konkursrecht den Systemen des Privatrechts anpassen müsse und ihnen nicht heterogene Bestandteile aufdrängen dürfe.78 Der Konkursgesetzgeber entschied sich somit bewusst gegen die Entwicklung eines eigenständigen anfechtungsrechtlichen Schenkungs- bzw. Unentgeltlichkeitsbegriffs, obwohl dazu durchaus Anlass bestanden hätte. Denn wie bereits der Blick auf das sächsische Recht gezeigt hat, war der Begriff der Schenkung im 19. Jahrhundert keineswegs einheitlich mit der Bedeutung unseres heutigen § 516 Abs. 1 BGB belegt.79 Ein Teil der gemeinrechtlichen Literatur sah in der Schenkung einen Vertrag unter Lebenden, in welchem der Geber sein Vermögen in der Absicht vermindert, das Vermögen des Empfängers zu vermehren.80 Für die – auch dem sächsischen Recht zugrunde liegende 77

Motive KO, S. 136, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 142: „Was im Uebrigen als eine Schenkung zu behandeln sei, und was nicht, überläßt der Entwurf dem bürgerlichen Recht; dieses ist insbesondere entscheidend für die Behandlung vergeltender oder wechselseitiger Schenkungen, der Schenkungen zu einem Endzweck, zu Ausstattungen u. S. w. Auch in Betreff der s. g. negotia mixta cum donatione greift der Entwurf nicht ein; es genügt, hervorzuheben, daß die Anfechtung Platz greift, sofern und soweit das Entgelt ein scheinbares, d. h. nur dazu bestimmt ist, die beabsichtigte Schenkung zu verdecken.“ 78 Vgl. die Motive KO, S. 13, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 43: „Das Konkursrecht läßt kaum ein Gebiet des Privatrechts unberührt; es muß den Systemen desselben sich anpassen und darf ihnen nicht heterogene Bestandtheile aufdrängen.“ 79 Vgl. zu dem unterschiedlichen Schenkungsverständnis in den neuzeitlichen Partikularrechtsordnungen Pruskowski, Zuwendung, S. 10 ff., 16. Zur Diskussion um das Schenkungsverständnis im Gemeinen Recht vgl. die Motive BGB, S. 288, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 159. Zur Diskussion im Gemeinen Recht auch Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, Vorbem zu §§ 516 ff, Rn. 29 ff.; Pruskowski, Zuwendung, S. 17 ff. 80 Puchta, Cursus, Bd. 2, § 205, S. 351; Vangerow, Lehrbuch der Pandekten, Bd. 1, 7. Aufl., § 121 Anm. III, S. 176 f.; Windscheid, Lehrbuch, Bd. 2, 3. Aufl., § 365, S. 342 ff., 344 in Fn. 5. Ebenso auch viele Partikularrechtsordnungen, vgl. dazu Pruskowski, Zuwendung, S. 11 ff.

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– Gegenansicht musste die Schenkung nicht notwendig vertraglich vereinbart worden sein.81 Nicht die Einigung über die Unentgeltlichkeit, sondern der einseitige Unentgeltlichkeitswille des Schenkers konstituierte die Schenkung. Sie konnte daher auch durch eine einseitige Handlung, beispielsweise eine Dereliktion, bewirkt werden, sofern sie absichtlich zum Vorteil eines anderes vorgenommen wurde.82 Der Anwendungsbereich der Schenkungsanfechtung konnte sich somit unterscheiden, je nachdem, welche Partikularrechtsordnung Anwendung fand. Diese Konsequenz nahm der Konkursgesetzgeber aus Rücksicht vor dem bürgerlichen Recht der Partikularstaaten bewusst in Kauf. a) Die Interpretation des § 25 KO a.F. in der frühen Literatur Das Grundverständnis des Konkursgesetzgebers, den Begriff der unentgeltlichen Verfügung an das partikularrechtlich geregelte Schenkungsverständnis anzuknüpfen, spiegelt sich auch in den frühen Kommentierungen zu § 25 KO wider. Dort war man sich einig, dass die Motive den Begriff der unentgeltlichen Verfügung mit der Schenkung im zivilrechtlichen Sinne gleichsetzen wollten.83 Der Tatbestand des § 25 Nr. 1 KO lasse zwar begrifflich Platz für eine über den Schenkungsbegriff hinausgehende Auslegung, doch sei mit Blick auf die Gesetzesbegründung „nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber mit dem Gebrauche jener Worte das hat sagen wollen, was er in Wahrheit sagt“.84 (aa) Uneinig war man sich indes über die Angemessenheit dieser gesetzgeberischen Entscheidung. Während anfangs die in den Motiven zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Intention, den Anwendungsbereich des § 25 Nr. 1 KO am Schenkungsbegriff des bürgerlichen Rechts auszurichten, noch überwiegend akzeptiert wurde,85 formierten sich bald auch kritische Stimmen, 81 Savigny, System, Bd. 4, § 160, S. 145 ff.; Sintenis, Civilrecht, Bd. 1, Die allgemeinen Lehren und das Sachenrecht, 3. Aufl., § 23, S. 202 ff. 82 Vgl. Kohler, Lehrbuch, § 40 S. 226 in Fn. 2; Savigny, System, Bd. 4, § 155, S. 107 f.; Sintenis, Civilrecht, Bd. 1, 3. Aufl., § 23, S. 205. 83 Cosack, Anfechtungsrecht, S. 135 in Fn. 4; Endemann, Konkursverfahren, § 44, S. 266; Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2 S. 141; Stieglitz, Konkursordnung, § 25 Anm. II, S. 154; von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 3, S. 150. 84 Otto, Anfechtung, § 23 Anm. 1, S. 131. 85 Endemann, Konkursverfahren, § 44, S. 266; Stieglitz, Konkursordnung, § 25 Anm. II, S. 154; von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 3; Kohler, Lehrbuch, § 40 S. 226: „Der Begriff der Schenkung ist der Begriff des Civilrechts“ und in Fn. 2: „Das Gesetz spricht allerdings nicht von Schenkungen, sondern von unentgeltlichen Verfügungen; aber beides deckt sich, sofern man nur bezüglich der Schenkung die unrichtige Vertragstheorie aufgibt“. Auch Mandry, Reichsgesetze, 4. Aufl., S. 550: „Was unentgeltliche Verfügung ist, ist aus dem bisherigen Rechte zu entnehmen“. Stieglitz und v. Sarwey hielten den Begriff der unentgeltlichen Verfügung sogar für enger als den Schenkungsbegriff des gemeinen Rechts, da er Schenkungen durch rein passives Verhalten nicht erfasse, Stieglitz, Konkursordnung, § 25 Anm. II, S. 154; von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 3 Nr. 2, S. 150 f.

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die die Anknüpfung an das bürgerlich-rechtliche Schenkungsverständnis „mit seinen vielfachen Anomalien und Kontroversen“ nicht für praktikabel hielten.86 Auch sei es mit der eindeutigen Wortwahl des Gesetzestextes nicht zu vereinbaren, den Begriff der unentgeltlichen Verfügung mit der Schenkung im engeren Sinne gleichzusetzen.87 Darüber könne auch die anderweitige Erklärung in den Motiven nicht hinweghelfen. Die Schlussfolgerung war jedoch keineswegs, dass § 25 Nr. 1 KO nun rein objektiv auszulegen sei: Überwiegend gingen die Kritiker davon aus, hinter dem Begriff der unentgeltlichen Verfügung verberge sich nichts anderes als die ‚freigebige Verfügung’ im Sinne des preußischen Rechts.88 (bb) Cosack war im Jahr 1884 der erste, der sich ausdrücklich für eine grundlegende Neuorientierung der Auslegung des § 25 Nr. 1 KO aussprach.89 Die Tatsache, dass der Gesetzgeber im Gegensatz zum preußischen Vorbild eine terminologische Änderung vorgenommen habe, belege eindeutig, dass er den engen Begriff der freigebigen Verfügung zugunsten eines weiten Verständnisses habe aufgeben wollen.90 Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung sei in einem insolvenzspezifischen Sinne auszulegen, der sowohl vom preußischen Vorbild als auch vom partikularrechtlichen Schenkungsverständnis unabhängig sei. Die von den Motiven bezweckte Harmonisierung zwischen allgemeinem Zivilrecht und Schenkungsanfechtung gab Cosack somit bewusst zugunsten einer gläubigerfreundlichen Auslegung auf. Damit schuf er die Grundlage für die Entwicklung des eigenständigen, konkursrechtlichen Unentgeltlichkeitsbegriffs im Sinne der heute praktizierten, objektivierten Auslegung. Cosacks Bestreben richtete sich allerdings in erster Linie dagegen, den animus donandi beim Schuldner zur Voraussetzung der Anfechtung zu machen. Dieser animus donandi bedeute nämlich

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Cosack, Anfechtungsrecht, S. 135 in Fn. 4; Otto, Anfechtung, § 23, S. 132 f. Cosack, Anfechtungsrecht, S. 136; Otto, Anfechtung, § 23 Anm. II Nr. 1, S. 132 f.; von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., § 25 Anm. 3, S. 170. 88 Otto, Anfechtung, § 23, Anm. II, S. 131 f.; von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., § 25 Anm. 3, S. 170. Weiterhin Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. 1, 5. Aufl., S. 780 in Fn. 43, die dann aber auch Rechtshandlungen ohne animus donandi, beispielsweise die Bezahlung fremder Schuld, als von der Schenkungsanfechtung erfasst ansehen. Auch Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 1, S. 141 sprechen eingangs von freigebigen Verfügungen des Schuldners. So später auch RG, Urt. v. 30.06.1914 – VII 133/14, Gruchot 59 (1915), S. 521 (522): „Wenn in § 32 KO statt des Ausdrucks „freigebige Verfügungen“ der Ausdruck „unentgeltliche Verfügungen“ gewählt worden ist, so hat damit, wie die Begründung zu § 25 des Entwurfs der KO zeigt, nicht etwas wesentlich anderes ausgedrückt werden (…) sollen.“ 89 Cosack, Anfechtungsrecht, S. 135 ff. Erste Tendenzen bereits bei Otto, Anfechtung, S. 132 f. Im Anschluss an Cosack dann Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2, S. 141 f. 90 Cosack, Anfechtungsrecht, S. 136 f. 87

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„nicht blos die Absicht, den Andern zu bereichern, in dem Sinne, daß Absicht und Bewußtsein (…) denselben Begriff bedeuten. Animus donandi liegt vielmehr nur dann vor, wenn die Absicht der Bereicherung sich als charakteristische, für das Geschäft maßgebende, als die „erste“ Absicht des Schenkers darstellt. (…) Dies wird freilich oft verkannt, (…) und dadurch allerdings der Begriff der Schenkung dem des unentgeltlichen Geschäfts sehr nahe gebracht.“91

Die schenkungstypische, rein freigebige Absicht sollte aus Cosacks Sicht für § 25 KO nicht erforderlich sein. Da er diesen animus donandi aber sowohl zum Wesen des Schenkungstatbestands als auch der freigebigen Verfügung i.S.d. preußischen Rechts zählte, sprach er sich für eine vom animus donandi entkleidete, insolvenzspezifische Auslegung aus. Damit unterschied sich lediglich Cosacks Verständnis vom animus donandi von denjenigen Stimmen, die der Auslegung des § 25 KO den Schenkungsbegriff bzw. das preußische Verständnis von der freigebigen Verfügung zugrunde legten. Denn auch diese Ansichten zählten den Willen des Schuldners zur reinen Freigebigkeit nicht zu den notwendigen Voraussetzungen des § 25 KO. So gingen diejenigen Stimmen, die für eine Gleichsetzung von unentgeltlicher Verfügung und Schenkung eintraten, davon aus, der für die Schenkung erforderliche animus donandi sei regelmäßig vorhanden, wenn sich der Schuldner darüber bewusst sei, unter Verminderung seines Vermögens einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden.92 Dieses Bewusstsein sollte für die Anwendung des § 25 KO unerlässlich sein, das besondere Motiv der Liberalität i.e.S. hingegen durfte fehlen.93 Wer schließlich unter dem Begriff der unentgeltlichen Verfügung die freigebige Verfügung i.S.d. preußischen Rechts verstand, forderte lediglich die Absicht des Schuldners, dem anderen Teil einen Vermögensvorteil zuzuwenden,94 nicht jedoch einen schenkungsspezifischen Freigebigkeitswillen. (cc) Im Ergebnis war man sich also einig, dass ein animus donandi in dem von Cosack beschriebenen Sinne für § 25 Nr. 1 KO nicht erforderlich war – Uneinigkeit bestand lediglich in der Frage, ob der Begriff der Schenkung bzw. der freigebigen Verfügung einen solchen animus donandi beinhaltete oder nicht. Ebenso bestand Einigkeit darüber, dass der Wille des Schuldners zur einseitigen Bereicherung des Empfängers selbstverständlich zu den Wesensmerkmalen der unentgeltlichen Verfügung gehörte. Aus Cosacks Ausführungen geht klar hervor, dass auch nach seinem insolvenzspezifischen Unentgeltlichkeitsverständnis das Bewusstsein des Schuldners, dem anderen Teil unent-

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Cosack, Anfechtungsrecht, S. 136 mit Fn. 5. von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 3 Nr. 3, S. 151. Ebenso Endemann, Konkursverfahren, § 44 Nr. 3, S. 265. 93 von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 3 Nr. 3, S. 151. Ebenso Endemann, Konkursverfahren, § 44 Nr. 3, S. 265. 94 von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., § 25 Anm. 3, S. 170. 92

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geltlich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, zu den wesentlichen Elementen der unentgeltlichen Geschäfte gehört. Befürwortete man eine ‚objektive‘ Auslegung des § 25 Nr. 1 KO, so bedeutete dies somit lediglich, dass die Unentgeltlichkeitsanfechtung von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners95 und ggf. vom animus donandi des Schuldners unabhängig sein sollte.96 Eine rein objektive Auslegung der Unentgeltlichkeitsanfechtung stand zur damaligen Zeit in keiner Weise zur Diskussion. b) Das Urteil des Reichsgerichts vom 27. November 1883 Einen bedeutenden Einschnitt markierte das Urteil des Reichsgerichts vom 27. November 1883.97 Ein Schuldner hatte seinen Schwiegersohn in freigebiger Absicht von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Gläubiger befreit. Seine Gläubiger forderten die Zahlung nun im Wege der Anfechtung von dem Forderungsgläubiger zurück. Das Reichsgericht gab der Anfechtungsklage statt: Zwar lägen im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem befriedigten Forderungsgläubiger die Voraussetzungen einer Schenkung nicht vor, doch schade dies nicht, da für die Anwendung des § 25 Nr. 1 KO ausweislich des Wortlauts „allein das objektive Moment der Vermögensminderung und der Benachteiligung des Gläubigers“ ausschlaggebend sei.98 Über den Willen des Gesetzgebers setzte sich das Reichsgericht dabei ausdrücklich hinweg: „Auch wenn die Motive sonst für die Auslegung von Wert sein können, so bieten sie doch keinen Grund dafür, einem klaren Ausspruche des Gesetzes eine von dem Wortlaut abweichende Bedeutung beizulegen.“99 Mit diesem begriffsjuristischen Ansatz koppelte das Reichsgericht die Auslegung des § 25 Nr. 1 KO von seiner bürgerlich-rechtlichen Grundlage ab. Der ‚objektive‘ Wortlaut wurde über den Willen des Gesetzgebers gestellt, der eindeutig eine am Schenkungsrecht orientierte Auslegung befürwortete. Die Lite-

95 Vgl. Kohler, Lehrbuch, § 40, S. 224 f.: „Für Schenkungen (unentgeltliche Verfügungen, § 25 KO) nämlich hat die Konkursordnung und das Anfechtungsgesetz völlig den objektiven Standpunkt eingenommen. Nicht nur, daß ein Mitwissen des dritten Beschenkten nicht mehr erforderlich ist: auch eine fraudatorische Absicht des Schuldners ist nicht erforderlich.“ 96 Anschaulich kommt dies beispielsweise bei Endemann, Konkursverfahren, § 44 S. 265 zum Ausdruck: „Nicht einmal darnach ist zu fragen, ob der unentgeltlichen Verfügung das Motiv der Liberalität, die Absicht zu schenken, zugrunde liegt. Massgebend ist lediglich die objektive Beschaffenheit der Verfügung“, später dann aber auf S. 266: „Das Bewusstsein des Gemeinschuldners von der sein Vermögen vermindernden Wirkung der Verfügung darf dabei nicht fehlen und wird meist leicht erkennbar sein.“ 97 RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, S. 86 ff. Näher zu dem Fall auch unten S. 191 ff. 98 RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, S. 86 (87). 99 RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, S. 86 (88).

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ratur griff die Entfesselung des § 25 Nr. 1 KO vom Schenkungsbegriff bereitwillig auf100 und nutzte sie dazu, alle möglichen Rechtshandlungen des Schuldners, bei denen eine Anfechtung angemessen erschien, unter den ‚weiten‘ Begriff der unentgeltlichen Verfügung zu fassen. Neben der vom Reichsgericht entschiedenen Zahlung einer fremden Schuld 101 gehörten dazu auch die Erfüllung einer natürlichen Verbindlichkeit102 oder die Pfandbestellung für eine eigene Schuld.103 Heute zählt keiner dieser Fälle mehr zu den unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 InsO.104 Auch ist mittlerweile anerkannt, dass die rein begriffsjuristische Auslegungsmethode nicht zu überzeugen vermag.105 Das Reichsgericht äußerte nur wenige Jahre später selbst Zweifel an der ‚rein objektiven’ Auslegung des § 25 Nr. 1 KO.106 Nach dem Inkrafttreten des BGB stellte es dann ausdrücklich klar, dass „wenn in § 32 KO statt des Ausdrucks „freigebige Verfügungen“ der Ausdruck „unentgeltliche Verfügungen“ gewählt worden ist, (…) damit, wie die Begründung zu § 25 des Entwurfs der KO zeigt, nicht etwas wesentlich anderes ausgedrückt werden, namentlich nicht zu erkennen gegeben werden [sollte], dass die Unentgeltlichkeit der Verfügung nur nach objektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf die Willensmeinung der Beteiligten zu bestimmen sei.“107

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Vgl. dazu im Anschluss an Cosack auch Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2, S. 141 f.: „Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung fällt nicht, wie in den Mot. (…) angenommen wurde, zusammen mit demjenigen der Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts, sondern ist umfassender als dieser.“ Auch bereits Otto, Anfechtung, S. 132 f. 101 Dem Reichsgericht anschließend Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. 1, 5. Aufl., S. 780 in Fn. 43; Hartmann, AnfG, 3. Aufl., § 29, S. 120; Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2, S. 142. Dagegen bereits Kohler, Lehrbuch, § 40 S. 228. 102 Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2, S. 142: „So ist z.B. die Erfüllung einer natürlichen Verbindlichkeit niemals Schenkung, aber möglicherweise unentgeltliche Verfügung.“ 103 Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2, S. 142. 104 Vgl. zur Zahlung einer fremden, werthaltigen Schuld unten S. 435 f., zur Erfüllung einer natürlichen Verbindlichkeit S. 254 f. sowie S. 245 mit Fn. 332, und zur Sicherung einer eigenen Schuld S. 256 ff. 105 Vgl. nur Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl., Rn. 462 ff.: „Sieg und Niedergang der Begriffsjurisprudenz“. 106 Vgl. RG, Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (9): “Es bedarf hiernach keiner Entscheidung, ob dem weitergehenden Urteil RGZ 10, 86 zuzustimmen ist, das für den Begriff der unentgeltlichen Verfügung allein das objektive Moment der Vermögensminderung entscheiden lassen möchte, und es weder auf die Absicht des Schuldners, noch die Kenntnis des Empfängers ankomme.“ 107 RG, Urt. v. 30.06.1914 – VII 133/14, Gruchot 59 (1915), S. 521 (522).

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Gleichwohl markiert das Urteil von 1883 den Wendepunkt auf dem Weg zur Entwicklung eines eigenständigen, anfechtungsrechtlichen Unentgeltlichkeitsbegriffs. Die Abspaltung der Unentgeltlichkeitsanfechtung von ihren schenkungsrechtlichen Wurzeln – unter Missachtung der gesetzgeberischen Intention – war vollzogen. 4. Die weitere Entwicklung bis zur heutigen InsO a) Das Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 brachte ein einheitliches Zivilrecht für alle Staaten des Deutschen Reiches.108 Die Schenkung wurde als einseitig verpflichtender Vertrag ausgestaltet.109 Mit der klarstellenden Einführung des Einigungserfordernisses in den Tatbestand des § 516 Abs. 1 BGB setzte der Gesetzgeber der gemeinrechtlichen Diskussion um die Rechtsnatur der Schenkung ein Ende. Die Bereicherungsabsicht auf Seiten des Zuwendenden zählte nicht mehr zu den Wesensmerkmalen der Schenkung.110 Klare Konturen erhielt auch der Verfügungsbegriff:111 Verfügungen bezeichneten nunmehr Rechtsgeschäfte, durch welche unmittelbar auf ein bestehendes Recht an einem Gegenstand oder auf ein Rechtsverhältnis eingewirkt wird, indem es übertragen, aufgehoben, belastet oder inhaltlich verändert wird.112 Im Zuge der Neuordnung des Zivilrechts durch das BGB wurde auch eine Anpassung der KO notwendig. Mit dem entsprechenden Anpassungsgesetz113 wurden auch einige Nachbesserungen des inzwischen in der Praxis erprobten 108

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.08.1896, RGBl. S. 195 ff. Vgl. die Motive BGB, S. 288, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 159. Anders auch anschließend noch Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (107 ff.). Heute ist die Vertragsnatur der Schenkung unstreitig, vgl. Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. § 516 Rn. 49; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 1 f.; Gehrlein, in: Bamberger/ Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 6; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 7; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 200. 110 So ausdrücklich Protokolle II, S. 1616, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 737. In der ersten Fassung sah der Schenkungstatbestand des § 437 BGB-E noch vor, dass die Schenkung „in der Absicht dieser Bereicherung geschieht und der Andere die Zuwendung als Geschenk annimmt.“ Die Frage, inwieweit die Schenkung einen animus donandi des Schenkers forderte, wollte der Gesetzgeber im Einzelnen der Wissenschaft überlassen, vgl. die Motive BGB, S. 287, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 159. Im weiteren Verlauf der Gesetzgebungsverfahrens nahm der Gesetzgeber dann aber von der Implementierung des animus donandi in den Schenkungstatbestand Abstand und erklärte die Einigung über die Unentgeltlichkeit zum Wesensmerkmal der Schenkung. 111 Vgl. W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 43: „Nach Inkrafttreten des BGB hat sich ein fester Verfügungsbegriff herausgeschält.“ 112 Vgl. Larenz/Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, 10. Aufl., § 29 Rn. 31; Medicus, Allgemeiner Teil, 10. Aufl., Rn. 208. 113 Gesetz, betreffend Änderungen der Konkursordnung vom 17.05.1898, RGBl. S. 230 ff. 109

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Konkursrechts verbunden.114 Im Rahmen der Schenkungsanfechtung sah man jedoch nur in Bezug auf die Anfechtung der Sicherstellung oder Rückgewähr des Heiratsguts im zweiten Teil des § 25 Nr. 2 KO Anpassungsbedarf.115 Der Tatbestand der Nr. 1 wurde wortgleich übernommen und von § 25 KO in § 32 KO überführt. Erläuterungen zur Auslegung des Begriffs der unentgeltlichen Verfügung erfolgten nicht. Einen guten Dienst erwies der Gesetzgeber der Unentgeltlichkeitsanfechtung damit nicht. Denn der Tatbestand des § 32 KO wurde nun nicht mehr durch das bürgerliche Recht der Partikularstaaten, sondern durch das BGB ausgefüllt. Mit dem neuen Verfügungsverständnis und der Vertragsnatur der Schenkung wurde der Anwendungsbereich des § 32 KO dabei im Vergleich zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGB nicht unerheblich beschnitten. Diese Einschränkung wollte das Anfechtungsrecht nicht hinnehmen. Da bereits vor dem Inkrafttreten des BGB die Grundlage für die Abkopplung der Unentgeltlichkeitsanfechtung von ihren schenkungsrechtlichen Wurzeln gelegt war, führte die Rechtsprechung diese Linie nun weiter fort. Sie bekräftigte die These, der Begriff der unentgeltlichen Verfügung sei weiter als derjenige der Schenkung i.S.d. § 516 BGB; insbesondere sei ein Vertragsverhältnis zwischen den Anfechtungsparteien nicht erforderlich.116 Die endgültige Abspaltung der Unentgeltlichkeitsanfechtung von ihren schenkungsrechtlichen Wurzeln war vollzogen. b) Die Konkursordnung in der Fassung von 1900 sollte sich als beständig erweisen. Reformbestrebungen in den 30er- und 50er-Jahren verliefen im Sande.117 In den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Reformbedarf jedoch immer offensichtlicher. Etwa drei Viertel aller Konkursanträge wurden mangels Masse abgewiesen und Vergleichsverfahren waren kaum noch durchführbar.118 Ein maßgeblicher Grund für die Massearmut lag dabei in der mangelnden Durchsetzbarkeit der Anfechtungsrechte: Nur in jedem fünften Konkurs kam es zu einer Anfechtungsklage.119 Es ist daher kein Zufall, dass sich

114

Vgl. Begründung KO-Novelle, S. 21, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 7, S. 230 f. 115 Die Tatbestandsalternative wurde gestrichen, weil sie nun mit den Regelungen des ehelichen Güterrechts in Konflikt trat. Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes, betreffend Änderungen der Konkursordnung, und eines zugehörigen Einführungsgesetzes, RTDrs. 1897/98 Nr. 100, S. 1012 (1018) zu § 25. 116 So etwa RG, Urt. v. 05.07.1904 – VII 68/1904, Gruchot 49 (1905), 1088 (1092). 117 Vgl. dazu Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 4 f. 118 1970 mussten 47 % aller Konkursanträge mangels Masse abgewiesen werden, 1983 waren es bereits 76 %, vgl. dazu Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 3. Zu diesem desolaten Zustand des Konkursrechts auch Gottwald, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 1 Rn. 22. 119 Vgl. Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 399.

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genau in dieser Zeit auch der Grundsatz der ‚weiten Ausdeutung’ des § 32 KO zum Schutz der Gläubiger entwickelte.120 Als entscheidende Hürde für den Erfolg der Anfechtung identifizierte die im Jahr 1978 einberufene Kommission für Insolvenzrecht die Schwierigkeiten beim Nachweis der subjektiven Tatbestandsmerkmale.121 Als Gegenmittel empfahl sie, die subjektiven Voraussetzungen beim Anfechtungsgegner herabzusetzen, Beweiserleichterungen zugunsten des Insolvenzverwalters einzuführen und die Anfechtungsfristen zu verlängern.122 Für die Unentgeltlichkeitsanfechtung schlug der Kommissionsbericht eine Erweiterung der Anfechtungsfrist auf vier Jahre ab Antragsstellung vor.123 Auch regte er an, dem Empfänger die Beweislast für den Zeitpunkt der Vornahme der unentgeltlichen Zuwendung aufzubürden, um betrügerische Rückdatierungen unschädlich zu machen, und die in § 32 KO vorgesehene Ausnahme für gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke zu streichen.124 Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung sollte durch den der unentgeltlichen Zuwendung ersetzt werden, um in Übereinstimmung mit der damals bereits geltenden Rechtsauffassung klarzustellen, dass die Anfechtung nicht nur rechtsgeschäftliche Verfügungen im engen materiell-rechtlichen Sinn erfasst.125 Aus dem Kommissionsbericht ging 1988 ein Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz hervor, der die Vorschläge zur Änderung des § 32 KO im Wesentlichen übernahm.126 Allerdings wurde der Begriff der unentgeltlichen Zuwendung in dem die Unentgeltlichkeitsanfechtung regelnden § 139 120 Erstmals findet sich der Gedanke der „weiten“ Ausdeutung des § 32 KO aus Gründen des Gläubigerschutzes – soweit ersichtlich – in OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (59 f.). Höchstrichterlich erwähnt wird er erstmals in BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673 f. 121 Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 399. 122 Vgl. Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 399. 123 Leitsatz 5.4, Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 76. 124 Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 419. 125 Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 419. 126 Der Vorschlag der Insolvenzrechtskommission zu einem Abs. 2 der Schenkungsanfechtung wurde hingegen ohne Begründung gestrichen, vgl. DiskE InsO, Begründung (B), S. 126 f. Dort hatte die Kommission eine Regelung für den Sonderfall der Vermögensauseinandersetzung vorgesehen: Diese sollte als wirtschaftlich besonders bedeutsamer Unterfall einer „gemischten Schenkung“ gem. Abs. 1 anfechtbar sein, wenn der andere Teil einen unberechtigt hohen Anteil zum Nachteil des Schuldners erhalten hatte. Die Anfechtung sollte dabei ausschließlich den unangemessenen Überschuss erfassen. Ob ein Anteil unberechtigt hoch ist, sollte sich nach materiellem Recht richten. Nicht allein der objektive Maßstab sollte über die Gleichwertigkeit entscheiden, sondern dies sei vor allem vom subjektiven Standpunkt der an der Auseinandersetzung Beteiligten zu beurteilen. Eine unentgeltliche Zuwendung lag danach nur vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem groben Missverhältnis zueinander standen und die Beteiligten den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum missbräuchlich überschritten hatten (Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 419 f.).

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DiskE durch den der unentgeltlichen Leistung ersetzt, ohne dass für diese Änderung eine Begründung erfolgte. Klargestellt werden sollte weiterhin, dass nicht nur rechtsgeschäftliche Verfügungen im engen materiell-rechtlichen Sinne gemeint sind.127 Im weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens wurden der Wortlaut und die Begründung für den späteren § 134 InsO wortgleich übernommen.128 In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer Insolvenzordnung vom 15. April 1992 wurde die Unentgeltlichkeitsanfechtung in § 149 RegE lediglich um einen Abs. 2 ergänzt, der gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke geringen Werts nun doch von der Anfechtung ausnahm.129 Diese Fassung wurde am 19. April 1994 unverändert zum Beschluss vorgelegt130 und ging als § 134 InsO in die Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 ein.131 In dieser Form besteht die gesetzliche Regelung zur Anfechtung unentgeltlicher Leistungen bis heute unverändert fort. 5. Fazit Von der actio Pauliana bis zum heutigen § 134 InsO hat der Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung eine beachtliche Entwicklung vollzogen. In seinen frühen Wurzeln, sei es im (rezipierten) römischen Recht, sei es im mittelalterlichen deutschen Stadtrecht, war die Unentgeltlichkeitsanfechtung ein Unterfall der Absichtsanfechtung und damit an den Vorwurf der absichtlichen Schädigung der Gläubiger durch den Schuldner geknüpft. Das Allgemeine Landrecht der preußischen Staaten verzichtete allerdings auf den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungswillens, da dieser im Falle einer reinen Freigebigkeit vermutet werden konnte. Die preußische Konkursordnung führte diesen Ansatz weiter fort und koppelte die Schenkungsanfechtung vollständig von der Absichtsanfechtung ab. Die Freigebigkeit des Schuldners allein löste die Anfechtung aus. Dieser Ansatz überzeugte auch den Konkursgesetzgeber von 1877: Habe sich der Schuldner für eine ‚Schenkung’ entschieden, spiele die dahinterliegende Motivation weder für die Gläubiger noch für den unentgeltlichen Empfänger eine Rolle. Die Entscheidung des Schuldners zur unentgeltlichen Begünstigung des Empfängers löste die Anfechtung gem. § 25 KO a.F. aus, ohne dass es auf eine gläubigerbenachteiligende oder rein altruistisch motivierte Gesinnung des Schuldners ankam.

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DiskE InsO, Begründung (B), S. 126. Ebenso dann auch BT-Drs. 12/2443, S. 160 zu § 149 RegE; BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 133/13, NZI 2014, 397 in Rn. 10; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 5. 128 Siehe RefE InsO, Text S. 83, Begründung S. 154 f. sowie § 149 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 160 f. 129 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 161. 130 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/7302, S. 56. 131 BGBl. I, S. 2866 (2884).

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Liegt der Anknüpfungspunkt der Unentgeltlichkeitsanfechtung somit in der Entscheidung des Schuldners, den anderen Teil unentgeltlich zu begünstigen, so deutet dies bereits darauf hin, dass die gem. § 134 InsO anfechtbare Zuwendung jedenfalls von einem entsprechenden Willen und Bewusstsein auf Schuldnerseite getragen sein muss. Der Blick auf die Normgeschichte hat dies bestätigt. Der Konkursgesetzgeber verwies für die Auslegung des § 25 KO a.F. auf den Schenkungsbegriff des bürgerlichen Rechts der Partikularstaaten. Dort war zwar die Vertragsnatur der Schenkung umstritten, doch der Wille des Schenkers zur schenkweisen Zuwendung gehörte nach allen Ansichten zu den Wesensmerkmalen der Schenkung. Nach dem Inkrafttreten der KO wurde in der Literatur zwar intensiv über ein ‚objektives’ Verständnis des § 25 KO a.F. diskutiert, doch bezog sich die Auseinandersetzung einzig darauf, ob der Erfolg der Anfechtung an den Nachweis eines animus donandi auf Schuldnerseite geknüpft ist oder nicht. Letztlich war man sich darin einig, dass die Zuwendung nicht durch reinen Altruismus des Schuldners motiviert gewesen sein musste. Das Bewusstsein des Schuldners, den anderen Teil unentgeltlich zu begünstigen, zählten hingegen nach alle Ansichten zu den unabdingbaren Wesensmerkmalen der unentgeltlichen Verfügung. Deutlich geworden ist auch die enge Verbindung der Unentgeltlichkeitsanfechtung zum Schenkungstatbestand des allgemeinen Zivilrechts. Das römische Recht knüpfte noch an eine echte donatio an. Die Partikularrechtsordnungen distanzierten sich in erster Linie deshalb vom römisch-rechtlichen Vorbild, weil die donatio nur bei reiner Freigebigkeit des Schuldners vorlag und daher leicht umgangen werden konnte. Der Konkursgesetzgeber nahm zu dieser Frage keine Stellung, sondern überließ die Abgrenzung nahezu vollständig dem bürgerlichen Recht der Partikularstaaten. Die Partikularrechtsordnungen verstanden die Schenkung teilweise als Vertrag, teilweise auch als rein einseitig zu bewirkende Begünstigung, sodass der Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung je nach Partikularstaat variierte. Mit der Einführung des BGB im Jahr 1900 wurde die Rechtslage vereinheitlicht. Der Schenkungsbegriff des § 516 BGB war jedoch vergleichsweise eng. Seine Vertragsnatur schloss Zuwendungsvorgänge vom Anwendungsbereich des § 516 BGB aus, die vorher aus Sicht einiger Partikularrechtsordnungen als Schenkung gegolten hatten. Da sich der Gesetzgeber im Anpassungsgesetz zur KO jeder Stellungnahme zu diesem Problem enthielt, festigte sich die Abspaltung der Unentgeltlichkeitsanfechtung von seinen schenkungsrechtlichen Grundlagen. Die enge Verbindung zwischen dem Begriff der unentgeltlichen Verfügung und der Schenkung geriet mit der Zeit in Vergessenheit. Festgehalten werden kann aber, dass nach dem Willen des Konkursgesetzgebers in erster Linie Schenkungen unter den Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung fallen sollten. Diese Schenkungen mussten allerdings nicht notwendig die Tatbestandsvoraussetzungen des heutigen § 516 BGB erfüllen. Vielmehr bezog der

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

Konkursgesetzgeber durch seine Verweisung auf den partikularrechtlich geregelten Schenkungsbegriff auch Zuwendungen in den Anwendungsbereich des § 25 KO a.F. ein, bei denen keine Einigung über die Unentgeltlichkeit erfolgte, sondern der Empfänger möglicherweise nicht einmal Kenntnis von seinem unentgeltlichen Erwerb hatte. II. Die teleologischen Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung II. Die teleologischen Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung

Wie jede Norm ist auch § 134 InsO Ausdruck einer gesetzgeberischen Interessenabwägung, die zugunsten der anfechtenden Gläubiger ausschlägt. Um die tatbestandlichen Grenzen der Unentgeltlichkeitsanfechtung bestimmen zu können, ist es notwendig, diese Interessenbewertung zurückzuverfolgen. Dazu sind zunächst die Funktion der Anfechtung im System des Haftungs- und Vermögensrechts herauszuarbeiten und die von ihr geschützten und betroffenen Interessen zu konkretisieren. Anschließend kann das Wertungsgefüge des § 134 InsO konturiert werden, das den Rahmen für die Auslegung der Unentgeltlichkeitsanfechtung vorgibt. 1. Die Anfechtung als Instrument zur Sicherung einer funktionierenden Haftungsordnung a) Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist sowohl im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung (§ 4 AnfG) als auch im eröffneten Insolvenzverfahren (§ 134 InsO) vorgesehen. Beide Verfahren dienen der Realisierung der Haftung des Schuldnervermögens.132 Ein Schuldner haftet jedem seiner Gläubiger mit seinem gesamten Vermögen.133 Haftung bedeutet, dass der Gläubiger nicht nur das Recht hat, die geschuldete Leistung vom Schuldner zu fordern (‚Forderungsrecht’), sondern sich aus dem schuldnerischen Vermögen auch – notfalls mit Zwang – zu befriedigen (‚Befriedigungsrecht’).134 Im Interesse des Rechtsfriedens darf der Gläubiger dieses Befriedigungsrecht jedoch regelmäßig135 nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen. Die Rechtsordnung hat daher staatlich gesteuerte Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe die Gläubiger die Haftung ihres Schuldners verwirklichen können. 132

Begr. zu § 1 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 108, re. Sp.; Ganter/Lohmann, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 1 Rn. 20; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 1.12; Henckel, in: FS Jahr, S. 1; Rosenberg/Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 1 Rn. 35, 42; Thole, Gläubigerschutz, S. 51, 59. 133 Vgl. nur Henckel, in: FS Merz, S. 197 (202); Larenz, Lehrbuch Schuldrecht AT, Bd. I, 14. Aufl., S. 22 ff. 134 Vgl. die Motive KO, S. 108, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 119; Koziol, Gläubigeranfechtung, S. 4; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (188). 135 Formen der Selbsthilfe zur Verteidigung eigener Rechte sind in den §§ 229 f., 562 b, 859 BGB vorgesehen. Eine gesetzlich zugelassene Form der Selbstexekution von Forderungen ist die Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB.

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Das typische Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung der Gläubigerforderungen ist die Einzelzwangsvollstreckung. Mit ihrer Hilfe betreiben die Gläubiger individuell den Zugriff auf bestimmte Gegenstände des Schuldnervermögens. Bei der Verwertung dieser Gegenstände gilt der Prioritätsgrundsatz (vgl. §§ 804 Abs. 3, 808 Abs. 1, 829 Abs. 3 ZPO, § 11 Abs. 2 ZVG): Der aufmerksame Gläubiger, der seine Forderung sorgsam überwacht und zuerst vollstreckt, wird gegenüber nachfolgenden Gläubigern bevorzugt.136 Erst wenn seine Forderung voll befriedigt ist, sind die übrigen Gläubiger an der Reihe.137 Reicht das Vermögen des Schuldners nicht mehr zur vollen Befriedigung aller Gläubiger aus, wird die Einzelzwangsvollstreckung von der Gesamtvollstreckung abgelöst. An die Stelle des ungeordneten individuellen Vollstreckungszugriffs tritt das Insolvenzverfahren, in dem ein Insolvenzverwalter die Haftungsverwirklichung koordiniert und ausführt.138 Vor allem aber wird die allgemeine Haftungsordnung durch eine besondere, insolvenzrechtliche Haftungsordnung ersetzt, die nicht mehr vom Grundsatz der Priorität, sondern vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung geprägt ist.139 Das gesamte haftende Vermögen des Schuldners wird zugunsten aller vermögensrechtlichen

136 Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl., Rn. 6.42; Rosenberg/ Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 5 Rn. 84 ff.; Stürner, ZZP 99 (1986), S. 291 (324); Thole, Gläubigerschutz, S. 62. Vgl. auch die Motive ZPO, S. 422, abgedr. bei Hahn/Stegemann, Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, 2. Aufl., S. 449. 137 Knoche/Biersack, NJW 2003, S. 476 (477 f.); Windel, Jura 2002, S. 230. 138 Diese gemeinschaftliche Abwicklung – die nicht automatisch mit der gleichmäßigen Befriedigung gleichzusetzen ist (vgl. nur Henckel, in: Jaeger, InsO, § 1 Rn. 6) – liegt im „wohlverstandenen Interesse“ jedes Gläubigers (Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 2.03). Denn durch die geordnete Verwertung des Gesamtvermögens kann deutlich mehr Erlös erzielt werden als bei der Verwertung einzelner Vermögensgegenstände (Foerste, Insolvenzrecht, 6. Aufl., Rn. 5; Thole, Gläubigerschutz, S. 52 f.). 139 Die insolvenzrechtliche Haftungsordnung wird auf das römische Recht zurückgeführt, das für die missio in bona eine Wirkung zugunsten aller Gläubiger anordnete (vgl. Forster, Konkurs als Verfahren, S. 116 ff.). Der Ausdruck „par condicio omnium creditorum“ ist auf Corpus Iuris, Ulp. Dig. 42.8.6.7 zurückzuführen, der in Zusammenhang mit der actio Pauliana festlegte, dass derjenige, der nach der missio in possessionem seine Forderung befriedigt („qui vero post bona possessa debitum suum recepit“), den anderen Gläubigern gleichgestellt werden muss, da nach der Beschlagnahme alle Gläubiger in die gleiche Lage gesetzt sind („neque enim debuit praeripere ceteris post bona possessa, cum iam par condicio omnium creditorum facta esset“) und ihnen daher nicht mehr einzelne Vermögensteile entzogen werden dürfen. Die Textstelle bezieht sich also nur auf das an einen Gläubiger gerichtete Verbot, zu Lasten der übrigen Gläubiger Befriedigung zu suchen, wurde aber verallgemeinert und steht heute generell für den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz in der Insolvenz. Vgl. Häsemeyer, KTS 1982, S. 507 (512); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 11 Fn. 30.

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Gläubiger mit Beschlag belegt, § 80 InsO.140 Der Erwerb einer individuellen Vorrangstellung ist nun nicht mehr möglich. Bei der Verteilung erhält jeder Gläubiger eine gleichmäßige Quote, vgl. § 38 InsO.141 b) Mit dem Eintritt der Beschlagnahmewirkung der Einzelzwangsvollstreckung (sog. Verstrickung, vgl. §§ 135, 136 BGB) und dem Inkrafttreten des insolvenzrechtlichen Vermögensbeschlags (§§ 80 ff. InsO) endet die freie Verfügungsbefugnis des Schuldners über die vom Beschlag erfassten Vermögensgegenstände. Sie sind nun den beschlagnahmenden Gläubigern zum Zwecke der Haftungsverwirklichung zugewiesen.142 Vor Eintritt der Beschlagnahmewirkung ist der Schuldner hingegen grundsätzlich uneingeschränkt verfügungsbefugt.143 Es ist seiner privatautonomen Entscheidung überlassen, wie er mit seinem Vermögen verfährt – er muss es insbesondere nicht im Interesse seiner Gläubiger verwalten und erhalten. Für die Gläubiger ist damit eine nicht unerhebliche Gefahr verbunden: Dem Schuldner steht es frei, sein Vermögen zu vermindern und damit ihre Befriedigungschancen auszuhöhlen.144 Denn den Gläubigern haftet das Vermögen des Schuldners grundsätzlich nur in seinem aktuellen Bestand.145 Scheidet ein Gegenstand aus dem Schuldnervermögen aus, ist er dem Zugriff der Gläubiger

140 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 2.04: „Beschlagsrecht“ der Gesamtgläubigerschaft; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186) in Fn. 15; Thole, Gläubigerschutz, S.59: „Haftungszuweisung an die Gläubiger“. 141 Gefördert wird dadurch der Rechtsfrieden (so Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. 2, Insolvenzrecht, 12. Aufl., Rn. 1.2; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 2.13). Denn die Fortführung des Prioritätsprinzips trotz unzureichendem Haftungssubstrat würde dazu führen, dass einige wenige Gläubiger vollständig befriedigt würden, während die übrigen Gläubiger notgedrungen leer ausgingen (Ganter/Lohmann, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 1 Rn. 52; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 5). Die Mehrheit der Kleingläubiger hätte hinter schnell handelnden oder rücksichtslosen Großgläubigern, die enge Beziehungen zum Schuldner pflegen, das Nachsehen (Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 51 Rn. 1; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 5). Unter der Haftungsordnung der par conditio creditorum wird das Verlustrisiko hingegen auf alle Gläubiger gleichmäßig verteilt. 142 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 59 (für das Insolvenzverfahren). 143 Motive KO, S. 108, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 119; C. Paulus, ZIP 1997, S. 569 (574); G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (314); Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186, 188); Thole, Gläubigerschutz, S. 60; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 6; Wiringer-Seiler, Anfechtungsrecht, S. 105 f. 144 Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 35 I 1, S. 602. 145 Koziol, Gläubigeranfechtung, S. 5; G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (300); Rosenberg/ Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 34 Rn. 2 ff. Auch der Insolvenzverwalter übernimmt das schuldnerische Vermögen grundsätzlich in dem Zustand, den ihm der Schuldner hinterlässt, vgl. Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 46 Rn. 1; Thole, Gläubigerschutz, S. 60.

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entzogen.146 Im Extremfall kann die Verwirklichung der schuldnerischen Haftung sogar außer Kraft gesetzt werden: Ist nicht genügend verwertbares Vermögen vorhanden, wird das Insolvenzverfahren wegen Masseunzulänglichkeit nicht eröffnet (§ 26 Abs. 1 S. 1 InsO) bzw. eingestellt (§ 207 InsO).147 Das Vollstreckungsrecht muss den Gläubigern daher die Möglichkeit geben, ihr Befriedigungsrecht gegen unangemessene Beeinträchtigungen zu verteidigen.148 Zu diesem Zweck ist außerhalb wie innerhalb der Insolvenz die Möglichkeit vorgesehen, sachlich ungerechtfertigte Schmälerungen der Haftungsmasse, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigen, im Wege der Anfechtung zu korrigieren.149 Wer auf Kosten der Gläubiger in ungerechtfertigter Weise etwas aus dem Vermögen des Schuldners erlangt hat, muss das Erworbene den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen wieder zur Verfügung stellen: Der außerhalb der Insolvenz anfechtende Gläubiger darf in den anfechtbar erlangten Vermögensgegenstand vollstrecken (§ 11 AnfG), der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rückgewähr zur Masse fordern (§ 143 Abs. 1 InsO). Die Anfechtung dient somit dem Zweck, durch Anreicherung der Haftungsmasse die Grundlage für die Haftungsverwirklichung der Gläubiger wieder herzustellen.150 146

G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (300). f. Schulz, AcP 105 (1909), S. 1 (231) prägte den Ausspruch, das Haftungssubstrat sei von „ätherischer Flüchtigkeit“ (dies aufnehmend Koziol, Gläubigeranfechtung, S. 5; Larenz, Lehrbuch Schuldrecht AT, Bd. I, 14. Aufl., S. 24; Thole, Gläubigerschutz, S. 60). 147 Die eminente Bedeutung der Anfechtung für das gesamte Vermögensrecht betonen auch Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 51 Rn. 2; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1430; Paulus/Zenker, JuS 2001, S. 1 (8). 148 Motive KO, S. 14, 94 abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 44, 108 f.; Rosenberg/Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 35 Rn. 1; Warneyer/Bohnenberg, Anfechtungsgesetz, 4. Aufl., S. 8. 149 Vgl. RegE, S. 156, BT-Drs. 12/2443, S. 156; BGH, Urt. v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (409); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 1; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 46 Rn. 3; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1429; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., Vorbem vor §§ 129 bis 147, Rn. 2; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., § 1 Rn. 1. 150 Vgl. die Motive KO, S. 94, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 109. Vermehrt wird in letzter Zeit darauf verwiesen, das Anfechtungsrecht erfülle auch eine präventive, verhaltenssteuernde Funktion (so Bruski, Konkursanfechtung, S. 138; Thole, Gläubigerschutz, S. 66 f., 294 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 18 f.). Müsse ein Gläubiger befürchten, das – gegebenenfalls unter Aufwand – Erlangte wieder herausgeben zu müssen, werde er unter Umständen gleich ganz auf den Zugriff verzichten. Diese Überlegung mag vielleicht für die besondere Insolvenzanfechtung zutreffen, für § 134 InsO passt sie nicht: Die Rechtsordnung möchte Freigebigkeiten des Schuldners nicht generell unterbinden. Der Begünstigte soll nicht abgeschreckt werden, großzügige Zuwendungen des Schuldners anzunehmen. Die unentgeltliche Leistung erhält ihren vorwerfbaren Charakter erst im Zusammenhang mit den späteren finanziellen Problemen des Schuldners. Eine präventive Funktion ist im Rahmen des § 134 InsO daher fehl am Platz. Dies zeigt auch die Tatsache,

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2. Die Rechtfertigungsbedürftigkeit der Anfechtung a) Für den Anfechtungsgegner sind mit der Anfechtung einschneidende Wirkungen verbunden: Ihm wird ein Bestandteil seines Vermögens zum Zwecke der Befriedigung fremder Gläubiger wieder entzogen, obwohl er vollwirksam vom verfügungsberechtigten Schuldner erworben hat.151 War er ebenfalls Gläubiger des Schuldners, hat er von den Möglichkeiten des Prioritätsprinzips ordnungsgemäß Gebrauch gemacht. Das Vertrauen auf den Bestand dieses Erwerbs wird nun enttäuscht. Es erscheint dabei umso schutzwürdiger, als fast jeder Teilnehmer des Rechtsverkehrs Schuldner eines Gläubigers ist. Die Schuldnereigenschaft ist also weder eine Seltenheit noch äußerlich erkennbar. Die Anfechtung greift somit empfindlich in die Rechtssicherheit und das Vertrauen auf die Beständigkeit des Rechtserwerbs ein.152 Auch die Interessen des Schuldners bleiben nicht unberührt: Die Anfechtung ermöglicht es seinen Gläubigern, die von ihm in Ausübung seiner Verfügungsmacht getroffene Entscheidung über die Verwendung seines Vermögens wieder rückgängig zu machen, und beschränkt damit die Privatautonomie.153 Die Anfechtung bewirkt somit einen erheblichen Eingriff in die Strukturen des allgemeinen Vermögensrechts. Demgegenüber wirkt das Interesse des Gläubigers an der Verwirklichung seines Befriedigungsrechts vergleichsweise schwach: Zum einen hat er es versäumt, sich rechtzeitig um die Befriedigung seiner Forderung zu bemühen. Zum anderen entfaltet sein Befriedigungsrecht keine dingliche Wirkung, sondern stützt sich lediglich auf die nur im Verhältnis zum Schuldner wirkende Forderung.154 Gleichwohl soll es ihm nun die dass die Präventionsfunktion der anderen Anfechtungstatbestände teilweise von Strafnormen flankiert wird (§§ 283, 283c, 283d StGB), aber niemand auf die Idee kommen würde, eine Freigebigkeit ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz unter Strafe zu stellen. Und schließlich schließt schon die Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung des unentgeltlich Begünstigten (§ 143 Abs. 2 S. 1 InsO) die Präventionswirkung aus. Im Rahmen des § 134 InsO ist somit (einziges) Ziel der Anfechtung die Wiederherstellung der Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger. 151 C. Paulus/Zenker, JuS 2001, S. 1 (8); C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242: „Was nach den Maßstäben des allgemeinen Verkehrsrechts unbeanstandet und zulässig ist, wird durch das Haftungsrecht wieder rückgängig gemacht.“ 152 Reischl, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rn. 570: empfindlicher Eingriff in die Rechtssicherheit und das Vertrauen auf die Beständigkeit von Verfügungen. Vgl. auch Bruski, Konkursanfechtung, S. 138, 139; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.03; Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., S. 40; Pfefferle, Konkursanfechtung, S. 59; Thole, Gläubigerschutz, S. 301; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 9. 153 Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 297; Koziol, Gläubigeranfechtung, S. 3; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 8. Vgl. auch Bruski, Konkursanfechtung, S. 138; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 46 Rn. 2. 154 G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (300): „Das Zugriffs- oder Befriedigungsrecht des Gläubigers einer Geldforderung an den Gegenständen des Schuldnervermögens ist jedoch – anders als das Pfandrecht – in der Regel nur dem Schuldner gegenüber ausübbar, es ist also

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Rechtsmacht geben, die Rechtsposition eines außerhalb dieser relativen Rechtsbeziehung stehenden Dritten anzugreifen.155 Dem Gläubiger muss es wie ein Glücksfall erscheinen, dass er mit Hilfe der Anfechtung eine nach allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen unangreifbare wirtschaftliche Entscheidung seines Schuldners zu seinen Gunsten korrigieren und dem Anfechtungsgegner, der ihm bei dem Zugriff auf das Schuldnervermögen zuvor gekommen ist, den erworbenen Vorteil wieder entziehen darf. Diese Gegenüberstellung der Interessen zeigt deutlich, dass die Beeinträchtigung des Befriedigungsrechts die Anfechtung allein noch nicht zu rechtfertigen vermag.156 Dass sich die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verschlechtert haben, ist lediglich die Grundvoraussetzung jeder Anfechtung (vgl. § 129 Abs. 1 InsO, § 1 AnfG). Um die eigentlich bestandskräftige Rechtsposition des Begünstigten angreifen zu können, müssen besondere Umstände hinzutreten, die das Befriedigungsinteresse des Gläubigers ausnahmsweise schutzwürdiger erscheinen lassen als die Interessen des Schuldners, des Anfechtungsgegners und des Rechtsverkehrs.157 Dafür genügt nicht schon eine bloße Beeinträchtigung der Haftungsverwirklichung, sondern die anfechtbare Rechtshandlung muss die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage stellen.158 Nur in einem solchen Ausnahmefall erscheint der Eingriff in die vermögensrechtlichen Grundstrukturen angezeigt. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmefälle in einem Katalog von Anfechtungstatbeständen festgelegt. Sie sind das Ergebnis einer umfassenden gesetzgeberischen Abwägung zwischen dem Interesse der Gläubiger an der Wiederherstellung des Haftungssubstrats und den Interessen des Schuldners und des auf den Bestand seines Erwerbs vertrauenden Anfechtungsgegners.159 Die erfassten Sachverhaltskonstellationen beeinflussen die Interessenabwägung so ein relatives Recht.“ Vgl. auch Henckel, in: FS Weber, S. 237 (238): „Das Beschlagrecht oder Konkurspfandrecht gilt seither als tot“; Thole, Gläubigerschutz, S. 285 mwN.: Die Vorstellung von dem Befriedigungsrecht als einer „pfandrechtähnlichen Rechtsfigur“ gelte heute als gescheitert. 155 Vgl. von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 9: „Dadurch kommt dem Forderungsrecht des einzelnen Gläubigers gegen den Schuldner (…) eine gewisse Wirkung gegenüber Dritten (…) zu“. In diese Richtung auch Koziol, Gläubigeranfechtung, S. 5: „Dieses Befriedigungsrecht [entfaltet] nicht nur gegenüber dem Schuldner, sondern auch gegenüber Dritten Wirkungen (…) [U]nsere Rechtsordnung [anerkennt] ein – zumindest in gewissem Maße – absoluten Schutz genießendes Befriedigungsrecht (…).“ 156 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 437; Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., S. 13; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 8; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 9. 157 Vgl. Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., S. 13; G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (314): „nur nach Maßgabe besonderer Umstände.“; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186). 158 Vgl. G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (314). 159 Vgl. LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782): „Die Anfechtungsregeln beruhen damit letztlich auf einer Abwägung zwischen dem Interesse dessen,

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gewichtig zugunsten der Gläubiger, dass ihr Befriedigungsinteresse ausnahmsweise das Bestandsinteresse des Empfängers überwiegt und eine Beeinträchtigung des Verkehrsschutzes und der Rechtssicherheit rechtfertigt. Strukturell kann dabei zwischen den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung, die nur im eröffneten Insolvenzverfahren Anwendung finden, und den allgemeinen Anfechtungstatbeständen unterschieden werden, die den Gläubigern auch unabhängig von der Insolvenzeröffnung eine Anfechtung ermöglichen.160 b) Die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung (§§ 130–132 InsO) beziehen sich auf die Phase vor der Insolvenzeröffnung, in der zwar formell noch kein Verfahren eröffnet ist, der Schuldner aber bereits nicht mehr zur Befriedigung all seiner Gläubiger im Stande ist (sog. Stadium der materiellen Insolvenz). Die Haftungsverwirklichung der Gläubiger ist in diesem Zeitraum besonders gefährdet, weil der Schuldner mit Blick auf das drohende Insolvenzverfahren versucht sein wird, noch vorhandene Vermögensgegenstände vor dem Zugriff seiner Gläubiger zu retten oder zu verschleudern, um besonders nachdrückliche Gläubiger befriedigen zu können und die Stellung eines Insolvenzantrags hinauszuzögern.161 Seine Privatautonomie besteht nur noch zum

der eine unentgeltliche Leistung erhält, und dem Interesse des Inhabers einer titulierten Forderung gegen den Schuldner“; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., Vorbem §§ 129 ff., Rn. 9: Anfechtungsregeln als ausgewogener „Kompromiss zwischen den Interessen des Schuldners, seiner (Insolvenz) Gläubiger und den Verkehrsinteressen der auf eine Wirksamkeit von Geschäften mit dem Schuldner vertrauenden Dritten“; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 46 Rn. 15: Das Gesetz löse den Interessenkonflikt zwischen den Insolvenzgläubigern und dem Anfechtungsgegner im Wege eines gerechten Ausgleichs auf; Reischl, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rn. 570: „Anfechtungsmöglichkeit ist bereits Ausdruck einer Interessenabwägung“; Thole, Gläubigerschutz, S. 301: „Die Insolvenzanfechtung ist ein Spielfeld, in dem eine Reihe von Interessen in Ausgleich gebracht werden müssen.“ 160 Die Unterscheidung zwischen besonderer (§§ 130, 131, 132 InsO) und allgemeiner Insolvenzanfechtung (§§ 133, 134, 135 InsO) findet sich beispielsweise im Urt. des BGH v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, NZI 2005, 215 (216) sowie bei Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 3 ff.; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 46 Rn. 5; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186). Eine andere Einteilung verfolgt Thole, Gläubigerschutz, S. 292 ff., der zwischen Tatbeständen der Gläubigerkonkurrenzanfechtung und schuldnerbezogenen Anfechtungsrechten differenziert. Im Ergebnis ordnet Thole aber nur § 132 InsO und § 135 InsO anders zu als die h.M.: § 132 InsO zähle wie §§ 133, 134 InsO zu den schuldnerbezogenen Anfechtungsrechten, auch wenn er außerhalb der Insolvenz kein Äquivalent hat, und § 135 InsO liege dieselbe Wertungsgrundlage zugrunde wie den §§ 130, 131 InsO, obwohl er nach der herrschenden Einteilung den allgemeinen Anfechtungsgründen zuzuordnen ist (vgl. dazu Thole, a.a.O., S. 291, S. 347 ff., 392 ff. [zu § 135 InsO] und S. 421 ff. [zu § 132 InsO]). Hier soll sich die Darstellung vor allem auf den Gegensatz zwischen den Tatbeständen der Deckungsanfechtung und der Absichts- und Unentgeltlichkeitsanfechtung konzentrieren. Welche Stellung § 132 und § 135 InsO sowie § 6 AnfG einnehmen, kann offenbleiben. 161 Vgl. Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 51 Rn. 1; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 1429; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., Vorbem. vor

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Schein, denn angesichts der finanziellen Zwangslage ist er kaum noch zur eigenverantwortlichen Steuerung seiner Vermögensverhältnisse im Stande.162 Für den Begünstigten ist es hingegen ein Glücksfall, überhaupt noch wirksam vom Schuldner erwerben zu können, denn es hätte jederzeit das Insolvenzverfahren eröffnet und damit der Verfügungsbefugnis die Grundlage entzogen werden können. Gleichwohl erklären die §§ 130, 131 InsO keinesfalls alle Schuldnerverfügungen im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz für unwirksam, sondern unterwerfen nur Sicherungen und Befriedigungen der Insolvenzgläubiger der Anfechtung.163 Sie betreffen somit ausschließlich Schmälerungen der Haftungsmasse zugunsten von Personen, die im eröffneten Verfahren an der gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung teilnehmen würden. Die Deckungsanfechtung bezweckt also keinen generellen Schutz der Haftungsmasse, sondern möchte lediglich die besondere insolvenzrechtliche Haftungsordnung absichern, die eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger des Schuldners vorsieht.164 Die Mindestvoraussetzungen dieser Haftungsordnung würden gefährdet, wenn sich die Gläubiger trotz bereits eingetretener Vermögensunzulänglichkeit ungehindert aus dem Schuldnervermögen volle Befriedigung verschaffen könnten und die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausschließlich von dem zufälligen Umstand des Zeitpunkts der Insolvenzeröffnung abhinge.165 Die §§ 130, 131 InsO verlagern daher die Bindungswirkung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes in engen Grenzen auf die Zeit vor der Verfahrenseröffnung vor.166 Dem besicherten oder befriedigten Gläubiger §§ 129 bis 147, Rn. 2; C. Paulus/Zenker, JuS 2001, S. 1 (8); Reischl, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rn. 571. 162 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.05. 163 Die Anfechtung gem. § 132 InsO soll hier angesichts der Zuordnungsprobleme (vgl. soeben Fn. 160) bei der Betrachtung außen vor bleiben. Sie ist jedenfalls kein typischer Fall der besonderen Insolvenzanfechtung. 164 Vgl. Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. 2, 12. Aufl., Rn. 19.21; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 8. Aufl., Rn. 1428; Gerhardt, ZIP 1985, S. 582 (584); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.01; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 52 Rn. 18; Koziol, Gläubigeranfechtung, S. 21; Reischl, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rn. 571: „die insolvenzrechtliche Haftungsordnung wird quasi rückwirkend vorgreiflich geschützt“; Thole, Gläubigerschutz, S. 293. 165 Vgl. BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (242 f.); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 130 Rn. 1; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 52 Rn. 18; Thole, Gläubigerschutz, S. 293. 166 BGH, Urt. v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, NZI 2005, 215 (216); BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 329/97, NZI 1999, 152 (153); BGH, Urt. v. 25.09.1972 – VIII ZR 216/71, BGHZ 59, 230 (232); Canaris, in: FS 100 Jahre KO, S. 73 (78); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 130 Rn. 2; Häsemeyer, KTS 1982, S. 507 (554); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 3; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 47 Rn. 1; Kayser, in:

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wird vorgreiflich eine besondere Pflicht zur Rücksichtnahme auferlegt, die ihn nach Verfahrenseröffnung dazu verpflichtet, die erlangte Sicherung und Befriedigung zugunsten der Gläubigergesamtheit wieder aufzugeben.167 Die Grenzen dieser Pflichtenstellung sind durch die ausdifferenzierten Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 130, 131 InsO festgelegt.168 Die Tatbestände der Deckungsanfechtung sind somit originär in der insolvenzrechtlichen Haftungsordnung verwurzelt und dienen dem Schutz des Grundprinzips der par conditio creditorum. Sie betreffen einen Konflikt zwischen Insolvenzgläubigern, die um die noch vorhandene Haftungsmasse ihres bereits materiell insolventen Schuldners konkurrieren.169 c) Auf die allgemeinen Anfechtungstatbestände (§§ 133–135 InsO, §§ 3–6 AnfG) lassen sich diese Wertungen nicht übertragen. Da sie nicht nur bei Begünstigungen eines Insolvenzgläubigers greifen, kommt als Anfechtungsgegner auch jemand in Betracht, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gar

MüKo, InsO, 3. Aufl., § 130 Rn. 1; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186); Thole, Gläubigerschutz, S. 347; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 11; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 83. 167 BGH, Urt. v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, NZI 2005, 215 (216); Thole, Gläubigerschutz, S. 292. Vgl. auch Häsemeyer, KTS 1982, S. 507 (528, 530, 533). 168 Die Verdrängung des Prioritätsprinzips durch den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung vor Verfahrenseröffnung bildet eine durch die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung und die Rückschlagsperre (§ 88 InsO) eng umrissene Ausnahmeerscheinung. Grundsätzlich bleibt es trotz Eintritt der materiellen Insolvenz dabei, dass bis zur Insolvenzeröffnung der Prioritätsgrundsatz gilt; so auch der BGH im Urt. v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, NZI 2005, 215 (216): „Aus dieser zeitlichen Eingrenzung folgt (…), dass der einzelne Gläubiger außerhalb des von den Normen der besonderen Insolvenzanfechtung geschützten Zeitraums (…) bei der Verfolgung seiner Rechte gegen den Schuldner grundsätzlich keinen (…) Beschränkungen unterliegt. Er braucht (…) die Belange der Gläubigergesamtheit nicht zu beachten. (…) das Prioritätsprinzip [gilt] uneingeschränkt“. Zu weitgehend erscheint daher das Verständnis des Konkursgesetzgebers: Er ging davon aus, dass allen Gläubigern bereits mit dem Eintritt der materiellen Insolvenz ein Anspruch auf Verwendung des gesamten Vermögens zu ihrer gemeinschaftlichen Befriedigung zustehe: „Diesem Anspruch aller Gläubiger steht gegenüber die Pflicht der einzelnen Gläubiger und die Pflicht des Gemeinschuldners, denselben nicht zu verletzen. Er umfaßt das gesamte Vermögen des Schuldners, jede Verfügung desselben begegnet dem Anspruch. Er trägt daher kraft des Gesetzes (…) die rechtliche Wirkung in sich, daß der Schuldner aufhört, über sein Vermögen frei verfügen zu dürfen.“ Vgl. Motive KO, S. 102, abgedr. bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 115; ebenso auch Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186). Dieses Verständnis tritt in Konflikt mit dem eben genannten Grundsatz, dass der Schuldner bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich uneingeschränkt verfügungsbefugt ist und das Prioritätsprinzip Anwendung findet. Die Verfügungsbefugnis des Schuldners schwankt nicht mit dem Zustand seines Vermögens, und nicht jeder Gläubiger erhält einen Anspruch auf gemeinschaftliche Befriedigung, welcher durch den Schuldner und andere Gläubiger verletzt werden könnte, sobald die Voraussetzungen eines Eröffnungsgrundes vorliegen. 169 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 292 ff.: „Gläubigerkonkurrenzanfechtung“.

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nicht Teil der Gläubigergemeinschaft wäre.170 Ihn kann daher keine besondere Pflichtenstellung im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern treffen. Auch reichen die §§ 133 ff. InsO, §§ 3 ff. AnfG bis zu zehn Jahre zurück und beziehen sich damit auf eine Zeit, in der die materielle Insolvenz des Schuldners noch gar nicht im Raum stand. Und schließlich greifen die §§ 3, 4, 6 AnfG auch völlig unabhängig von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein. Wird ein solches nicht eröffnet, gibt es auch keine insolvenzrechtliche Haftungsordnung, die als Grundlage der Anfechtung dienen könnte. Da die §§ 3, 4, 6 AnfG und §§ 133–135 InsO auf identischen Wertungen beruhen,171 kann für die Anfechtung im eröffneten Verfahren nichts anderes gelten.172 Die allgemeinen Anfechtungstatbestände fußen somit in keiner Weise auf dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung,173 sondern wurzeln in der allgemeinen Haftungsordnung und dem dort geltenden Prioritätsprinzip.174 Im eröffneten Verfahren-

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Thole, ZZP 121 (2008), S. 67 (69); ders., Gläubigerschutz, S. 282. Vgl. nur Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (189). Weitere Quellen zur identischen Auslegung von § 4 AnfG und § 134 InsO in S. 12 Fn. 52. 172 Vgl. Thole, ZZP 121 (2008), S. 67 (70); ders., Gläubigerschutz, S. 282. 173 So klar wird dies in vielen Stellungnahmen zum Zweck der allgemeinen Anfechtungstatbestände leider nicht immer, vgl. BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 329/97, NZI 1999, 152 (153): Bei § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO (heute: § 133 InsO) sei das Interesse der einzelnen Begünstigten gegenüber dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger abzuwägen; BGH, Urt. v. 18.05.1995 – IX ZR 189/94, NJW 1995, 2783 (2784): Die allgemeine Insolvenzanfechtung diene im Unterschied zur Gläubigeranfechtung nach dem AnfG dem „weiteren Zweck“, die Gläubigergleichbehandlung durchzusetzen. Kreft, KTS 2004, S. 205 (218) führt zugunsten einer erweiterten Auslegung des § 133 InsO an, es müsse berücksichtigt werden, dass die Anfechtungsvorschriften vor allem der Gläubigergleichbehandlung dienen. Ungenau ist auch die Aussage, die §§ 133, 134 InsO bezweckten „weniger“ oder „nicht in erster Linie“ die Durchsetzung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung, vgl. OLG München, Urt. v. 19.10.2010 – 5 U 5250/09, NZI 2011, 108 (111); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 2; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 1; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 2; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2. Hingegen zutreffend jede Rechtfertigung der allgemeinen Anfechtungsgründe aus dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz ablehnend: BGH, Urt. v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, NZI 2005, 215 (216); BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (243); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13; LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 298; Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 93; Bruski, Konkursanfechtung, S. 113; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2; ders., Anfechtungsrecht, S. 82; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 433; Huber, in: Gottwald, InsRHdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 2; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 175; Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 34; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G2; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 5; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (186); Thole, Gläubigerschutz, S. 282, 298. 174 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.77 [zu § 133 InsO]: „Generalklausel zum Schutz der gesetzlichen Haftungsordnung“; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (188) [zu 171

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fördern sie die par conditio creditorum nur mittelbar dadurch, dass das zurückgewonnene Haftungssubstrat nun gleichmäßig zwischen den Gläubigern aufgeteilt wird.175 Da sich die Anfechtung gem. §§ 133 ff. InsO, §§ 3 ff. AnfG somit innerhalb der allgemeinen Haftungsordnung bewegt, kollidiert sie umso stärker mit den allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen. Der Schuldner war im Zeitpunkt seiner Rechtshandlung uneingeschränkt verfügungsbefugt und durfte privatautonom über sein Vermögen disponieren. Den Gläubigern stand es frei, sich rechtzeitig um Vorzugs- und Sicherungsrechte an Gegenständen des Schuldnervermögens zu bemühen. Ist ihnen ein Dritter zuvorgekommen, müssen sie dies grundsätzlich akzeptieren – schließlich ist noch genug Vermögen zur Befriedigung aller vorhanden. Die von den allgemeinen Anfechtungstatbeständen erfassten Konstellationen müssen daher von solchem Gewicht sein, dass sie gleichwohl die Mindestbedingungen der allgemeinen Haftungsordnung in Frage stellen und einen Zugriff auf den Begünstigten rechtfertigen.176 Bei der Vorsatzanfechtung des § 133 InsO tritt eine solche rechtfertigende Sachlage klar zutage. Die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung werden in Frage gestellt, wenn der Schuldner die Haftungsverwirklichung seiner Gläubiger bewusst und gewollt beeinträchtigt.177 Die Gläubiger müssen zwar mit einer Beeinträchtigung ihrer Befriedigungsaussichten durch ein übliches, sozialadäquates Verhalten ihres Schuldners rechnen, aber sie müssen es nicht hinnehmen, dass er ihre Chancen auf Befriedigung bewusst aushöhlt.178 Der Empfänger hingegen hat den Schutz des allgemeinen Vermögensrechts verwirkt, da er die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung des Schuldners erkannt hat und gleichwohl von ihr auf Kosten der Gläubiger profitiert.179 Anknüpfungspunkt für die Vorsatzanfechtung ist also eine missbilligte Verhaltensweise des Schuldners, ein Fehlverhalten gegenüber seinen

§ 133 InsO]: „Es geht um den Schutz der allgemeinrechtlichen Haftungsordnung.“ 175 Thole, Gläubigerschutz, S. 282; ders., ZZP 121 (2008), S. 67 (69). Vgl. auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 4. 176 Vgl. G.Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (314). 177 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.07, 21.77 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 133 Rn. 2: „Anfechtungsgrund ist (…) das missbilligenswerte vorsätzliche Verhalten des Schuldners, das der Geltung des Prioritätsprinzips Grenzen setzt“; Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 37; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (188): „Es geht um den Schutz der allgemeinrechtlichen Haftungsordnung.“ 178 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.77; Kornitzer, GrünhutsZ 15 (1888), S. 585 (602 f.); Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 37; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (188): „Die Vorschrift schützt (…) die Interessen der Gläubiger, dass der Schuldner ihre Chancen, die ihnen von Rechts wegen zustehende Befriedigung zu erhalten, nicht vorsätzlich beeinträchtigt.“ 179 Vgl. de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 133 Rn. 3; Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 37.

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Gläubigern, das der Empfänger stillschweigend akzeptiert.180 Der Wille des Schuldners, Vermögenswerte bewusst dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, gefährdet die Funktionstüchtigkeit der allgemeinen Haftungsordnung und löst das Bedürfnis zur Wiederherstellung der Haftungsmasse aus.181 3. Die Rechtfertigung der Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen Weitaus komplizierter gestaltet sich die Rückverfolgung der gesetzgeberischen Interessenabwägung bei § 134 InsO. Anders als gezielt gläubigerschädigendes Verhalten werden unentgeltliche Leistungen von der Rechtsordnung nicht von vornherein missbilligt. Die Schenkung ist als typischer Fall der unentgeltlichen Zuwendung in den §§ 516 ff. BGB normiert und wird gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern als Ausdruck altruistischer Großzügigkeit sogar wertgeschätzt. Auch die Annahme eines Geschenks erscheint in keiner Weise verwerflich. Ein sozial inadäquates Verhalten, wie es in § 133 InsO zum Ausdruck kommt, ist nicht erkennbar. In Rechtsprechung und Literatur wird die Anfechtbarkeit unentgeltlicher Leistungen daher häufig als Ausdruck eines ‚Billigkeitsgedankens’ angesehen.182 Der unentgeltliche Erwerber sei gegenüber den entgeltlichen Gläubigern weniger schutzwürdig, da er im Gegensatz zu diesen für seinen Erwerb nichts aufwenden musste.183 Sein Interesse am Bestand der Zuwendung habe 180

Vgl. Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 5 Rn. 2; Thole, Gläubigerschutz, S. 297 ff. 181 Vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, NZI 2005, 215 (216); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 133 Rn. 1a; Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (188): „Zentraler Gesichtspunkt der Interessenabwägung des § 133 I InsO ist (…) der Wille des Schuldners.“ 182 BGH, Urt. v. 13.03.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (69); BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (243); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (301); OLG München, Urt. v. 19.10.2010 – 5 U 5250/09, NZI 2011, 108 (111); OLG Koblenz, Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (542); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13; OLG Nürnberg, Urt. v. 07.03.1996 – 2 U 4130/95, ZIP 1996, 794; OLG Köln, Urt. v. 21.02.1990 – 16 U 105/89, ZIP 1990, 461 (463); LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782); LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 93; Bruski, Konkursanfechtung, S. 113; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2; ders., Anfechtungsrecht, S. 82; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 1; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 433; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 4; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 2; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 1; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 2; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 1; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 5; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 10. Zum österreichischen Recht: Petschek/Reimer/Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht, S. 345. 183 So schon die Motive KO, S. 134, abgedr. bei Hahn/ Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 141; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 in Rn. 6; BGH, Urt. v.

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daher hinter dem Interesse der Gläubiger auf Anreicherung der Haftungsmasse zurückzustehen.184 Sehr häufig wird auch auf die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs verwiesen, die als allgemeiner Grundsatz des Vermögens- und Haftungsrechts in § 134 InsO ebenso wie in den §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822, 988, 2113 Abs. 2, 2205 S. 3, 2287, 2325 BGB zutage trete.185 Der unentgeltliche Erwerber habe angesichts dieser strukturellen Schwäche seines Erwerbs damit rechnen müssen, das Erlangte nicht behalten zu dürfen.186

05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507 ) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555 (1556) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279 f.); BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99 f.); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302); OLG München, Urt. v. 19.10.2010 – 5 U 5250/09, NZI 2011, 108 (111); OLG Köln, Urt. v. 01.06.2004 – 2 U 19/04, WM 2005, 477; OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (32); Ahrens, NZI 2001, S. 456 (457); Berger, ZIP 2010, S. 2078; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 2; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 1; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2. 184 BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (301); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 2; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 2; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 1; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 1. 185 BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99 f.); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423); OLG Koblenz, Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14); Ahrens, NZI 2001, S. 456 (457); Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. 2, 12. Aufl., Rn. 19.1; Bork, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 2; Breutigam, in: BerlKomm, InsO, 51. Erg.-Lfg., Nov. 2014, § 134 Rn. 1; Bruski, Konkursanfechtung, S. 113; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 4; Gerhardt, ZIP 1985, S. 582 (588); ders., ZIP 1991, S. 273 (281); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.08, 21.88; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 5, § 134 Rn. 2; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 2; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 2; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 23. Aufl., § 52 Rn. 8; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 1; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 2; Prütting, KTS 2005, S. 253 (254); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 1; Roth/Knof, KTS 2009, S. 163 (187); Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G2; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 5; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 10. Vgl. auch Begr. RegE zu § 149, BT-Drs. 12/2443, S. 161, die auf die „geringere Bestandskraft unentgeltlichen Erwerbs“ verweist. 186 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 2; ders., Insolvenzrecht, 7. Aufl., Rn. 254; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 2.

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a) Allgemeine Billigkeitserwägungen als unzureichende Begründung Der Verweis auf einen ‚Billigkeitsgedanken’ muss zunächst erklären, aus welchen Gründen die Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers als recht und billig angesehen wird.187 Richtig ist, dass die anfechtungsrechtliche Herausgabepflicht für den unentgeltlichen Erwerber keine unzumutbare Härte bedeutet. Denn anders als ein entgeltlicher Erwerber hat er für seinen Erwerb nichts aufwenden müssen.188 Durch die Anfechtung wird ihm lediglich ein Vorteil genommen, den er ohne ein eigenes Opfer erlangt hat. Auch steht fest, dass mit einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners eine gesteigerte Beeinträchtigung der Haftungsmasse einhergeht. Denn während die entgeltlichen Gläubiger im Regelfall189 mit ihrer Gegenleistung einen Beitrag zum Bestand der Haftungsmasse leisten, wird das Schuldnervermögen durch eine unentgeltliche Zuwendung ausschließlich geschmälert. Hinzu kommt, dass sich unentgeltliche Leistungen außerhalb des üblichen Wirtschaftsverkehrs bewegen. Üblicherweise strebt jede Partei im Wirtschaftsleben ihren eigenen Vorteil an und fordert daher ein ausgleichendes Zugeständnis für ihre Leistung. Leistungen ohne Gegenleistung bilden somit eher seltene Sonderfälle, sodass ihre Anfechtbarkeit den Rechtsverkehr nur bedingt beeinträchtigt. Gleichwohl kann in diesen allgemeinen Billigkeitserwägungen noch nicht der rechtfertigende Grund für die anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers gesehen werden. Denn bei der Gegenüberstellung der Interessen des Gläubigers und des Anfechtungsgegners darf nicht übersehen werden, dass sich die beiden Gegenpositionen nicht auf gleicher Ebene begegnen: Es konkurrieren nicht die Inhaber einer entgeltlichen und einer unentgeltlichen Forderung auf Augenhöhe um die Befriedigung aus dem Schuldnervermögen,190 sondern der Anfechtungsgegner hat die Leistung bereits empfangen und in sein Vermögen eingegliedert. Der anfechtende Gläubiger möchte diesen Vorgang rückgängig machen und sich an die Stelle des unentgeltlichen 187 Kritisch zum Billigkeitsgedanken auch Ahrens, NZI 2001, S. 456 (457); Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (281); Prütting, KTS 2005, S. 253 (254). 188 Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 304: „Es ist eine unmittelbar plausible und historisch gewachsene Einsicht, dass derjenige, der nichts aufgewendet hat, eher zur Rückgewähr verpflichtet ist als jemand, der in eine austauschgerechte Leistungsbeziehung zum Schuldner eintritt.“ Thole sieht darin allerdings nur einen ergänzenden Gesichtspunkt des schuldnerbezogenen Anfechtungsrechts (dazu sogleich). 189 Hat der Gläubiger die Gegenleistung weisungsgemäß an einen Dritten erbracht, leistet er zwar entgeltlich (dazu im Einzelnen unten S. 316 ff.), aber trägt nicht zum Bestand der Haftungsmasse bei. 190 Diese Situation bildet die Nachrangigkeit der unentgeltlichen Forderungen in § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO ab: Hier stehen sich entgeltliche und unentgeltliche Gläubiger auf Augenhöhe mit demselben Anliegen – der Befriedigung aus dem Schuldnervermögen – gegenüber. Muss nun entschieden werden, wem der Vorzug gebührt, sprechen die besseren Argumente für den entgeltlichen Gläubiger.

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Erwerbers setzen. Ein solcher Eingriff kann nicht allein mit der Erwägung gerechtfertigt werden, die Herausgabe sei dem Erwerber zumutbar. Denn dieser hat voll wirksam vom Berechtigten erworben und ist daher schutzwürdig. Der entgeltliche Gläubiger hingegen trägt selbst die Verantwortung dafür, sich im Vorfeld über die Befriedigungsaussichten und die Zuverlässigkeit des Schuldners Gewissheit zu verschaffen und sich bei Zweifeln an dessen Liquidität frühzeitig Sicherheiten einräumen zu lassen. Wer die Situation falsch einschätzt oder es versäumt, sich rechtzeitig um die Befriedigung seiner Forderung zu bemühen, kann dafür grundsätzlich keinen Dritten haftbar machen.191 b) Die geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs als rechtfertigender Grund? Ändern würde sich diese Bewertung allerdings, wenn der unentgeltliche Erwerb im Haftungs- und Vermögensrecht generell als Erwerb zweiter Klasse zu behandeln wäre, der den Schutz der Rechtsordnung nicht in vollem Umfang verdient und daher entgegenstehenden Interessen stets weichen muss.192 Die Inanspruchnahme des Empfängers gem. §§ 134 InsO, 4 AnfG wäre dann nicht mehr allein von Erwägungen der Zumutbarkeit, sondern von der strukturellen Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs getragen. Ob dem bürgerlichen Recht ein solcher Grundsatz innewohnt, kann nur durch einen vergleichenden Blick auf diejenigen Normen des allgemeinen Zivilrechts beantwortet werden, die den Bestand des unentgeltlichen Erwerbs ebenfalls hinter den Interessen Dritter zurücktreten lassen. Dazu gehören die §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822, 988, 2113 Abs. 2 und 2205 S. 3 BGB. Zeigt die ihnen zugrunde liegende Interessenbewertung, dass der unentgeltliche Erwerb stets in Frage gestellt wird, wenn auch ein Dritter ein berechtigtes Interesse an dem Erwerb dieses Vermögensgegenstands hat, könnte die Eigenschaft des unentgeltlichen Erwerbs als Erwerb zweiter Klasse auch die Inanspruchnahme des Begünstigten im Wege der Anfechtung rechtfertigen.

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Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 37. Vgl. in diese Richtung Bruski, Konkursanfechtung, S. 113: „Die Gesamtsystematik des bürgerlichen Rechts lässt erkennen, dass der unentgeltliche Erwerb eine geringere Bestandskraft haben soll als der entgeltliche, und das lässt es gerechtfertigt erscheinen, das Risiko von Verlusten (…) neu zu verteilen“. Zu Recht kritisch zu der Tendenz, den unentgeltlichen Erwerb generell als „Erwerb zweiter Klasse“ zu qualifizieren, C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (245). 192

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aa) Die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs in den verwandten Normen des BGB (1) Die Verfügung eines Nichtberechtigten gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB Hat jemand wirksam über ein fremdes Recht verfügt, so verpflichtet § 816 Abs. 1 S. 2 BGB den Erwerber zur Herausgabe des Erlangten, wenn die Verfügung unentgeltlich erfolgte. Die Norm bildet in erster Linie einen Ausgleich für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs.193 Der Eigentümer muss Verfügungen eines Nichtberechtigten grundsätzlich gegen sich gelten lassen, wenn der Erwerber den Nichtberechtigten gutgläubig für den Rechtsinhaber hielt.194 Die harte Rechtsfolge des Eigentumsverlustes wird aus Gründen des Verkehrsschutzes hingenommen. Ein Zugriff des früheren Eigentümers auf den Erwerber ist nicht möglich, denn dieser wird durch seinen guten Glauben geschützt. Um den Eigentümer nicht vollkommen rechtlos zu stellen, kann er allerdings vom Nichtberechtigten die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verlangen, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Hat der Nichtberechtigte aber durch die Verfügung keine Gegenleistung erhalten, geht der frühere Berechtigte leer aus.195 Um diese Härte zu vermeiden, ermöglicht § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ausnahmsweise eine Inanspruchnahme des gutgläubigen unentgeltlichen Erwerbers. Denn im Vergleich zum früheren Berechtigten erscheint dieser nur wenig schutzwürdig: Er zieht aus der unberechtigten Verfügung einen reinen Vorteil, während der frühere Berechtigte den kompensationslosen Verlust seines Eigentums hinnehmen müsste.196 Wirksam erwerben konnte der Anspruchsgegner zudem nur, weil die Rechtsordnung aus Verkehrsschutzgründen die Möglichkeit zum gutgläubigen Erwerb vorgesehen hat.197 Dieser besondere Schutz des gutgläubigen Erwerbs wird daher bei Unentgeltlichkeit wieder aufgehoben.198 Die Situation des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ist also durch ein besonderes 193 Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (258 ff.); Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 32. 194 Vgl. die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb, §§ 892 ff., 932 ff., 1032, 1138, 1155, 1192, 1207, 1208, 2366, 2368, 2370 BGB, § 366 HGB. 195 BGH, Urt. v. 12.07.1962 – VII ZR 28/61, BGHZ 37, 363 (369); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 272; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 816 Rn. 1, 20. 196 Prot. BGB, Bd. III, S. 82; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 265; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 96 f.; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (259 f.); Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 61. 197 Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs zum Schutzes des Rechtsverkehrs ist eine bewusste Entscheidung der jeweiligen Rechtsordnung (vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 264). So kannte beispielsweise das klassische römische Recht noch keinen Rechtsübergang vom Nichtberechtigten auf den gutgläubigen Erwerber. Es galt der Grundsatz: „Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet“ (Corpus Iuris, Ulp. Dig. 50.17.54). 198 Vgl. die Prot. BGB, Bd. III, S. 350: „Die (…) Beschlüsse gingen von dem Gesichtspunkt aus, daß es im Interesse des Verkehrs nicht erforderlich sei, auch den gutgläubigen

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Schutzbedürfnis des Anspruchsinhabers, der sein Eigentum verloren hat, und eine (doppelt) schwache Rechtsstellung des Anspruchsgegners, der vom Nichtberechtigten und unentgeltlich erworben hat, gekennzeichnet. Unter diesen Vorzeichen rechtfertigt die ‚Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs’ ausnahmsweise einen Direktdurchgriff des früheren Eigentümers auf den gutgläubigen Erwerber.199 (2) Die Nutzungen des unentgeltlichen Besitzers gem. § 988 BGB Auf demselben Rechtsgedanken wie § 816 Abs. 1 S. 2 BGB beruht § 988 BGB.200 Die Norm bringt die Interessen des gutgläubigen, unberechtigten Besitzers und des wahren Eigentümers hinsichtlich der während der unberechtigten Besitzzeit gezogenen Nutzungen in Ausgleich. Der Besitzer hat im Rahmen des § 988 BGB eine doppelt schwache Stellung inne: Als unberechtigtem Besitzer gebührt das Besitzrecht nicht ihm, sondern dem Eigentümer. Die Nutzungen sind Vorteile, die aus dieser unberechtigten Rechtsstellung herrühren. Allein durch seinen guten Glauben ist er davor geschützt, dem Eigentümer die vor Eintritt der Rechtshängigkeit gezogenen Nutzungen herausgeben oder vergüten zu müssen, vgl. §§ 987 ff., 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB.201 Dieser Schutz erscheint nicht mehr angemessen, wenn der unberechtigte Besitzer den Besitz zusätzlich noch unentgeltlich erlangt hat.202 In diesem Fall muss er die verbliebenen Nutzungen gem. § 988 BGB herausgeben, sofern er durch sie noch bereichert ist. (3) Herausgabepflicht des unentgeltlich erwerbenden Dritten gem. § 822 BGB Im Vergleich zu den §§ 816 Abs. 1 S. 2, 988 BGB hat der unentgeltliche Erwerber im Fall des § 822 BGB eine weitaus stärkere Rechtsposition inne: Er hat vom Berechtigten vollwirksam erworben.203 Lediglich beim Vorerwerb des rein lukrativen Erwerb auf Kosten des wahren Berechtigten im vollen Umfang zu schützen.“ Auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 265; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (258 ff.); Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 816 Rn. 19. 199 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 264. Vgl. auch den Verweis auf die „geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs“ bei Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 816 Rn. 1. 200 Baldus, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 988 Rn. 1, 2; Brehm/Berger, Sachenrecht, 3. Aufl., Rn. 8.36; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 298; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, 39. Aufl., § 988 Rn. 1; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 988 Rn. 1; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 1. Vgl. auch die Prot. BGB, Bd. III, S. 350. 201 Brehm/Berger, Sachenrecht, 3. Aufl., Rn. 8.26. 202 Vgl. Ebbing, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 988 Rn. 1; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 988 Rn. 2; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 1. 203 Vgl. Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (340, 343); Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 9.

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Veräußerers gab es einen Mangel im schuldrechtlichen Grundgeschäft, der dem ursprünglich Berechtigten einen Bereicherungsanspruch gegen den Zwischenveräußerer verschaffte. Gleichwohl lässt § 822 BGB einen Direktdurchgriff des Bereicherungsgläubigers auf den unentgeltlichen Erwerber zu und gibt dem rein obligatorisch wirkenden Bereicherungsanspruch damit die Kraft, den vollwirksamen Erwerb eines Dritten in Frage zu stellen.204 Die Haftung des unentgeltlichen Erwerbers ist allerdings subsidiär ausgestaltet.205 Primär hat sich der ursprünglich Berechtigte an den Veräußerer zu halten. Nur wenn dessen Inanspruchnahme infolge der unentgeltlichen Weitergabe des rechtsgrundlos Erlangten scheitert, weil sich der Veräußerer nun auf Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berufen kann, kommt der Durchgriff auf den unentgeltlichen Erwerber in Betracht.206 Denn in diesem Fall hat sich sein Erwerb letztlich auf Kosten des ursprünglich Berechtigten vollzogen, der infolge der unentgeltlichen Weitergabe seinen Bereicherungsanspruch eingebüßt hat.207 Ist der Bereicherungsanspruch gegen den Zwischenerwerber hingegen trotz Weitergabe des Erlangten nicht untergegangen, etwa weil sich dieser Aufwendungen für ein Pflicht- oder Anstandsgeschenk erspart hat oder die §§ 818 Abs. 4, 819 BGB oder § 820 BGB einschlägig sind, greift § 822 BGB nicht ein und der Dritte ist vor einer Inanspruchnahme geschützt.208 (4) Die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen, §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB Auf die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs ist auch die Verfügungsbeschränkung des Vorerben in § 2113 Abs. 2 BGB zurückzuführen. Das Erbrecht sieht die Möglichkeit vor, dass ein zunächst berufener Erbe (Vorerbe) für eine gewisse Zeit den wirtschaftlichen Wert des Nachlasses ausgehändigt bekommt und der eigentliche Erbe (Nacherbe) erst später in die Erbschaft eintritt und diese vom Vorerben übernimmt, § 2100 BGB. Der Vorerbe wird mit dem Erbfall Eigentümer des Nachlasses mit allen damit verbundenen Rechten und

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Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (340). Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 264; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (343); Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 11; Schilken, JR 1989, S. 363; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 1; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 822 Rn. 3. 206 Es ist ein Kausalzusammenhang zwischen der unentgeltlichen Zuwendung an den Dritten und dem Wegfall der Bereicherungshaftung nach § 818 Abs. 3 BGB erforderlich, vgl. Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 16. 207 Vgl. Prot. BGB, Bd. VI, S. 211 f.; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 1. 208 Vgl. Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 822 Rn. 3. Kritisch, weil damit der Erwerb von einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner im Ergebnis besser geschützt ist als von einem gutgläubigen Veräußerer, Schilken, JR 1989, S. 363 (366). 205

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Pflichten.209 Er ist auch zu Verfügungen über die Nachlassgegenstände berechtigt, § 2112 BGB. Allerdings erlangt der Nacherbe bereits mit dem Erbfall ein gegenwärtiges, gesichertes Anwartschaftsrecht an dem Nachlass.210 Der Vorerbe ist daher in seinen Verfügungen über die Erbmasse nicht vollkommen frei, sondern mit Rücksicht auf den Nacherben bestimmten Beschränkungen unterworfen, §§ 2113 ff. BGB. Sie sollen sicherstellen, dass dem Nacherben die Substanz des hinterlassenen Vermögens bis zum Nacherbfall erhalten bleibt.211 Wirtschaftlich hat der Vorerbe somit nur die Stellung eines Nießbrauchers.212 Der Nachlass bildet in seiner Hand ein rechtlich getrenntes Sondervermögen.213 Die Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB bezieht sich auf unentgeltliche oder zum Zwecke der Erfüllung eines Schenkungsversprechens erfolgende Verfügungen. Diese Verfügungen sind bei Eintritt der Nacherbfolge im Umfang der Beeinträchtigung des Nacherben absolut unwirksam.214 Der Erwerber erwirbt kein Eigentum; der Nacherbe kann von ihm Herausgabe verlangen, § 985 BGB.215 § 2113 Abs. 3 BGB eröffnet allerdings die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, wenn der Erwerber keine Kenntnis von der Nacherbfolge hatte.216 Dem Nacherben steht dann lediglich ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zu, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen.217 Wer also

209 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 323; Hamdan/Hamdan, in: Juris-PK, BGB, Bd. 5, 7. Aufl., § 2112 Rn. 1; M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2100 Rn. 5, § 2112 Rn. 1; Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2100 Rn. 10. 210 BGH, Urt. v. 09.06.1983 – IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367 (369) mwN; Brox/Walker, Erbrecht, 26. Aufl., Rn. 356; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (114); M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., Vor § 2100 Rn. 4, § 2100 Rn. 9; Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2100 Rn. 12. 211 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 322; Grunsky, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2113 Rn. 23; Hamdan/Hamdan, in: Juris-PK, BGB, Bd. 5, 7. Aufl., § 2112 Rn. 1; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 28 IV 6 a), S. 589 f.; M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2113 Rn. 1; Spellenberg, FamRZ 1974, S. 350; Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2100 Rn. 11. 212 Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2100 Rn. 11. Die Vermögenssubstanz der Vorerbschaft haftet den Gläubigern des Vorerben daher nicht, vgl. § 2115 BGB, § 83 Abs. 2 InsO. 213 Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., Einf v § 2100 Rn. 1, § 2100 Rn. 2, 10. 214 BGH, Urt. v. 14.07.1969 – V ZR 122/66, BGHZ 52, 269 (270); Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 24; Gierl, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., § 2113 Rn. 19; Grunsky, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2113 Rn. 40; Hamdan/Hamdan, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 2113 Rn. 29 ff.; Harder, DNotZ 1994, S. 822 (823); M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2113 Rn. 6; Stürner, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 2113 Rn. 2. 215 M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2113 Rn. 8. 216 M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2113 Rn. 21. 217 M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2113 Rn. 21; Brox/Walker, Erbrecht, 26. Aufl., Rn. 363 a.E.; Hamdan/Hamdan, in: Juris-PK, BGB, Bd. 5, 7. Aufl., § 2113

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wissentlich vom Vorerben unentgeltlich einen Erbschaftsgegenstand erhält, erwirbt aufgrund der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs kein Eigentum und muss das Erlangte an den Nacherben herausgeben. Eine ganz ähnliche Interessenlage liegt der Verfügungsbeschränkung des Testamentsvollstreckers aus § 2205 S. 3 BGB zugrunde.218 Der Testamentsvollstrecker verwaltet den Nachlass, um die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auszuführen, §§ 2203, 2205 BGB. Er hat die Stellung eines Treuhänders, Eigentümer des Nachlasses ist bereits der Erbe.219 Die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers erfolgt in erster Linie im Interesse des Erblassers. Er hat daher eine freie und unabhängige Stellung gegenüber dem Erben, die ihn dazu berechtigt, den Nachlass nach seinem wohlverstandenen Ermessen bis zur Auseinandersetzung selbstständig zu verwalten.220 Über Nachlassgegenstände kann der Testamentsvollstrecker daher nach außen wirksam verfügen, § 2205 S. 2 BGB. Im Innenverhältnis zum Erben221 ist er zwar nur zu Verfügungen im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung befugt, §§ 2216 Abs. 1, 2219 BGB. Aus Verkehrsschutzgründen schlägt diese Beschränkung jedoch im Außenverhältnis nicht durch.222 Dort greift nur die Beschränkung des § 2205 S. 3 BGB, die den Testamentsvollstrecker zu unentgeltlichen Verfügungen nur berechtigt, soweit sie einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen. Wie auch durch § 2113 Abs. 2 BGB soll damit sichergestellt werden, dass das Nachlassvermögen während der Testamentsvollstreckung zumindest wertmäßig erhalten bleibt.223 Die Verfügungsbeschränkung

Rn. 40; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 30; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (166 ff.). 218 BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614). Vgl. auch Bonefeld, in: Damrau/Tanck, PraxisKomm ErbR, 3. Aufl., § 2205 Rn. 17: „ähnelt dem Verfügungsverbot aus § 2113 Abs. 2 BGB“; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 f. Vgl. auch Prot. BGB, Bd. V, S. 280; Kroiß, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., § 2205 Rn. 13: „entspricht der Vorschrift des § 2113 Abs. 2“; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 39: „entspricht dem § 2113 Abs. 2“. 219 Vgl. Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (122): „nur Verwalter fremden Gutes“; Kroiß, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., Vor §§ 2197–2228, Rn. 2. 220 Vgl. Heilmann, in: Juris-PK, BGB, Bd. 5, 7. Aufl., § 2205 Rn. 3; Kroiß, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., Vor §§ 2197–2228, Rn. 2, § 2205 Rn. 2. 221 Ebenso im Verhältnis zum Nacherben oder Vermächtnisnehmer. 222 Hoeren, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 2205 Rn. 9; Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 68 IV 1, S. 388; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 67. Vgl. auch Prot. BGB, Bd. V, S. 527. 223 Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 74; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 322; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 21; Spellenberg, FamRZ 1974, S. 350.

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wirkt dinglich.224 Ein Verstoß macht die Verfügung schwebend unwirksam.225 Verweigert einer der Zustimmungsberechtigten seine Genehmigung, verliert die Verfügung endgültig ihre Wirksamkeit.226 Der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis überwindet die Unwirksamkeit nicht, da eine § 2211 Abs. 2 BGB entsprechende Vorschrift fehlt und sonst nur der gute Glaube an das Eigentum, nicht aber an die Verfügungsbefugnis geschützt wird.227 Ein gutgläubiger Erwerb kommt daher nur in Betracht, wenn der Erwerber davon ausging, der Testamentsvollstrecker verfüge als Eigentümer.228 Wusste er hingegen von der Testamentsvollstreckung, ist sein unentgeltlicher Erwerb zum Schutz des Eigentumsrechts des Erben unwirksam. bb) Vergleich mit der Interessenlage des § 134 InsO Der Überblick über die verwandten Vorschriften des BGB zeigt, dass das allgemeine Zivilrecht den unentgeltlichen Erwerb keineswegs generell für schutzunwürdig erklärt. In den von §§ 816 Abs. 1 S. 2, 988, 2213 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB geregelten Interessenkonflikten ist die Rechtsposition des Anspruchsberechtigten stets in besonderer und augenscheinlicher Weise schutzwürdig: Bei § 816 Abs. 1 BGB geht es um den Schutz des früheren Berechtigten, der sein absolut wirkendes Eigentumsrecht verloren hat und nun einen Ausgleich für diesen Verlust sucht. Sein schutzwürdiges Interesse an einer Restitution steht außer Zweifel, und es kann lediglich gefragt werden, gegenüber wem dieser Ausgleich zu suchen ist. Nicht anders ist die Rechtsposition des (Nach-)Erben zu bewerten, dessen Erbschaft vom Testamentsvollstrecker oder vom Vorerben durch unentgeltliche Verfügungen ausgehöhlt wird: Er ist offensichtlich schutzbedürftig, weil er bereits Eigentümer des Nachlasses ist oder zumindest 224 Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 74; Heilmann, in: Juris-PK, BGB, Bd. 5, 7. Aufl., § 2205 Rn. 17; Hoeren, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 2205 Rn. 10; Kroiß, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., § 2205 Rn. 13; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 21; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 39; Spellenberg, FamRZ 1974, S. 350; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 70. 225 Heilmann, in: Juris-PK, BGB, Bd. 5, 7. Aufl., § 2205 Rn. 17; Kroiß, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., § 2205 Rn. 20; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 26; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 40; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 66. 226 Kroiß, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., § 2205 Rn. 20; Lange, in: Bamberger/ Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 26. 227 Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 81; Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 68 IV 2 d), S. 389; Kroiß, in: NomosKomm, BGB, Bd. 5, 4. Aufl., § 2205 Rn. 22; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 26; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 40; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 79. 228 Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 26.

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eine gesicherte Anwartschaft am Nachlass innehat, die Verfügungsbefugnis über die Erbschaft jedoch dem Testamentsvollstrecker bzw. dem Vorerben zugewiesen ist. Der unentgeltliche Erwerber hat in den genannten Konstellationen hingegen eine doppelt schwache Rechtsposition: Der empfangene Gegenstand ist durch absolut wirkende Rechte eines anderen belastet. Diese Belastung kann durch gutgläubigen Erwerb überwunden werden, aber dieses besondere Entgegenkommen ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Erwerb zusätzlich unentgeltlich war. Von dieser Interessenlage unterscheidet sich der von der Gläubigeranfechtung geregelte Interessenkonflikt erheblich. Es geht nicht um den Substanzschutz eines früheren Berechtigten, der sein Eigentum durch die Verfügung eines Nichtberechtigten verloren hat. Der Schuldner verfügt auch nicht über fremdes, sondern über eigenes Vermögen, und ist den Gläubigern insbesondere nicht zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet.229 Das von der Anfechtung geschützte Befriedigungsrecht der Gläubiger wirkt lediglich relativ230 und entfaltet keine dingliche Wirkung gegenüber Dritten. Die Rechtsposition der Gläubiger bei der Anfechtung bleibt daher erheblich hinter der Rechtsposition der von §§ 816 Abs. 1 S. 2, 988, 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB geschützten Personen zurück.231 Der Anfechtungsgegner erscheint demgegenüber im Anfechtungsrecht durchaus schutzwürdig, denn er hat vollwirksam vom Berechtigten erworben und daher keine doppelt schwache Rechtsposition inne. Die engste Verbindung zur Interessenlage der Unentgeltlichkeitsanfechtung weist der Direktdurchgriff auf den unentgeltlichen Empfänger gem. § 822 BGB auf.232 Auch hier ist der Anspruchsberechtigte lediglich Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs, den er gegen seinen Schuldner nicht mehr realisieren kann. § 822 BGB gewährt ihm die Möglichkeit eines subsidiären Durchgriffs auf den unentgeltlichen Empfänger, obwohl dieser vollwirksam vom Berechtigten erworben hat. Der entscheidende Unterschied zwischen § 822 BGB und § 134 InsO liegt allerdings darin, dass es auch bei § 822 BGB um eine Restitution des Anspruchsberechtigten für die rechtsgrundlose Minderung seines Aktivvermögens geht.233 Er hat eine konkrete Vermögenseinbuße erlitten, und 229

Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443. Vgl. oben S. 84 Fn. 154. 231 Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443: „Die Schutzwürdigkeit der Gläubiger ist im Vergleich zu dem Berechtigten in § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und dem Nacherben bzw. Erben bei §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB weniger stark ausgeprägt.“ 232 Eine „gewisse Verwandtschaft“ der Durchgriffshaftung des § 822 BGB mit §§ 134 InsO, 4 AnfG bescheinigt auch Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 4. Vgl. auch Mayr, Bereicherungsanspruch, S. 329. Kritisch hierzu Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (344) in Fn. 193. 233 Vgl. Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 1; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 1: § 822 BGB habe mit § 816 Abs. 1 S. 2 BGB gemeinsam, dass der Erwerbende den dinglich wirksamen Rechtserwerb bereicherungsrechtlich nicht behalten 230

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der daraus resultierende Restitutionsanspruch ist nicht mehr realisierbar, während ein Dritter gerade diesen Gegenstand unentgeltlich erhalten hat. Der Erwerb des Dritten erfolgt letztlich unmittelbar auf Kosten des Anspruchsinhabers, er hat die unentgeltliche Begünstigung des Empfängers unbewusst aus seinem Vermögen finanziert. Dieser unmittelbare Zusammenhang besteht zwischen dem Befriedigungsrecht der Gläubiger und dem unentgeltlichen Erwerb des Anfechtungsgegners nicht. Die Gläubiger stehen lediglich in einer Befriedigungskonkurrenz zum unentgeltlichen Erwerber, haben seine Begünstigung aber nicht unmittelbar aus ihrem eigenen Vermögen finanziert. Damit ist die Rechtsstellung der anfechtenden Gläubiger sogar im Vergleich zu § 822 BGB schwächer ausgestaltet. cc) Zwischenergebnis Die These, dem Haftungs- und Vermögensrecht wohne ein allgemeiner Grundsatz der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs inne, der es rechtfertigt, die Interessen des unentgeltlichen Erwerbers hinter konkurrierenden Interessen Dritter stets zurücktreten zu lassen, hat sich durch den Blick auf die verwandten Normen des BGB nicht bestätigt. Der unentgeltliche Erwerb ist nicht generell ein Erwerb zweiter Klasse, der jedem berechtigten Interesse eines Dritten weichen muss. Wer vollwirksam vom Berechtigten erworben hat, ist schutzwürdig, unabhängig davon, ob der Erwerb entgeltlich oder unentgeltlich war. Nur wenn dem unentgeltlichen Erwerb gewichtige Drittinteressen gegenüberstehen, insbesondere weil der Erwerb (letztlich) aus dem Vermögen des Dritten erfolgt, müssen die Interessen des Begünstigten ausnahmsweise diesen Drittinteressen weichen. Ein solches gewichtiges Drittinteresse, das einem Vergleich mit der von den §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822, 988, 2213 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB geschützten Rechtsposition des jeweils Anspruchsberechtigten standhalten könnte, stellt das Befriedigungsrecht der anfechtenden Gläubiger für sich gesehen allerdings noch nicht dar. Auch der Verweis auf den allgemeinen Grundsatz der geringen Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs kann die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht endgültig rechtfertigen. c) § 134 InsO als Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens (aa) Was den Begründungsansätzen zur Rechtfertigung des § 134 InsO bislang fehlt, ist eine tragfähige Erklärung, warum die Gläubiger bei einer unentgeltlichen Leistung ihres Schuldners so schutzwürdig erscheinen, dass sie den Begünstigten für ihre Forderungen haftbar machen können. Die Beeinträchtigung darf, weil sein Schutzinteresse wegen der Unentgeltlichkeit des Erwerbs geringer ist und gegenüber dem Restitutionsinteresse des Benachteiligten zurücktritt; Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, S. 649 (650). Ebenso Jülch, JA 2012, S. 326 (327).

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ihres Befriedigungsrechts allein kann diesen Eingriff nicht rechtfertigen, denn im Vorfeld der (materiellen) Insolvenz ist noch genügend Vermögen vorhanden, um alle Gläubiger zu befriedigen. Nur weil ihre Befriedigung infolge der unentgeltlichen Leistung erschwert, verzögert oder verhindert wird, ist eine Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers noch nicht angezeigt. Der anfechtungsrechtliche Eingriff ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die Mindestvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet sind.234 Nur diese besondere Gefährdungslage wertet das Befriedigungsinteresse der Gläubiger in einer Weise auf, die einen Eingriff in die Rechtsposition des vollwirksam erwerbenden Anfechtungsgegners überhaupt denkbar erscheinen lässt. (1) Eine solche Gefährdungslage wird nicht schon dadurch begründet, dass eine Rechtshandlung das Vermögen des Schuldners kompensationslos schmälert und ein Dritter dadurch einen reinen Vorteil erhält. Es gehört zum allgemeinen Risiko des Rechtsverkehrs, dass ein Schuldner ökonomisch unkluge Entscheidungen fällt und Leistungen erbringt, für die kein entsprechender Gegenwert in sein Vermögen zurückfließt. Haftet den Gläubigern ein Schuldner, der sich bemüht, wirtschaftlich nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, so liegen die Grundbedingungen einer funktionsfähigen Haftungsordnung vor, auch wenn sich diese Entscheidungen letztlich als nachteilig erweisen und die Haftungsmasse zulasten der Gläubiger schmälern. Die Mindestvoraussetzungen für eine funktionierende Haftungsordnung werden vielmehr erst dann in Frage gestellt, wenn der Schuldner sich Dritten gegenüber freigebig zeigt und Teile seines Vermögens unter Verzicht auf eine Gegenleistung verteilt.235 Derartige Entscheidungen des Schuldners stehen außerhalb des üblichen Wirtschaftsverkehrs und begründen die Besorgnis, dass

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Siehe oben S. 85. In die richtige Richtung geht daher der Hinweis, § 134 InsO liege der Gedanke zugrunde, dass der Schuldner nicht auf Kosten seiner Gläubiger freigebig sein dürfe, wenn sein Vermögen nicht zu ihrer Befriedigung ausreiche. Vgl. BGH, Urt. v. 13.03.2008 – IX ZR 117/07, NZI 2008, 369 (370) in Rn. 10; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 1; Ganter, NZI 2015, S. 249; ders./Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 4; B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/1 [zum österreichischen Recht]; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 8. Der Gedanke der Freigebigkeit findet sich auch in dem oft genannten Hinweis, § 134 InsO diene dazu, freigebige Zuwendungen des Schuldners rückgängig zu machen, vgl. BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 13: „Denn nur der Empfänger einer freigebigen Zuwendung ist nach § 134 InsO weniger schutzwürdig“; BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423); BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (243); LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 2; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2. 235

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ein Schuldner, der sich in dieser Weise verhält, die Interessen seiner aktuellen und zukünftigen Gläubiger nicht ausreichend berücksichtigt.236 Die subjektive Stoßrichtung der Entscheidung des Schuldners ist es somit, die die Grundlagen einer erfolgreichen Haftungsverwirklichung in Frage stellt, und nicht die objektive Rechtsfolge, die seine Entscheidung tatsächlich nach sich zieht. Nicht die kompensationslose Vermögensminderung begründet die anfechtungstypische Gefährdungslage des § 134 InsO, sondern ein Verhalten des Schuldners, das den Schluss zulässt, dass er das Haftungsverwirklichungsinteresse seiner Gläubiger – vorsätzlich oder ohne bösen Willen – nicht ausreichend respektiert. Nur wenn sich ein solches Fehlverhalten des Schuldners feststellen lässt, besteht Anlass, das Befriedigungsrecht der Gläubiger durch Wiederanreicherung der Haftungsmasse zu schützen. (2) Auslöser der Unentgeltlichkeitsanfechtung ist also ein Fehlverhalten des Schuldners im Verhältnis zu seinen Gläubigern.237 Erst dieses Fehlverhalten wertet das Masseanreicherungsinteresse der Gläubiger zu einer schutzwürdigen Rechtsposition auf und ruft die Anfechtung auf den Plan, weil unter dem Vorzeichen eines sich fehlverhaltenden Schuldners die Mindestvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung nicht mehr gesichert scheinen: Die Gläubiger müssen vor dem Verhalten ihres eigenen Schuldners geschützt werden. Steht diese Gefährdungssituation fest, muss geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen dieser eigentlich nur im relativen Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger wirkende Mangel auch Wirkung gegenüber dem Begünstigten entfalten kann. Hier sind nun die bereits in den Billigkeitserwägungen aufgezeigten Strukturmerkmale der ‚Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs’ von Bedeutung: Die Inanspruchnahme des unentgeltlichen Erwerbers erscheint gerechtfertigt, weil er nichts für den Erwerb aufgewendet hat. Da die Mindestvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet sind, überwiegen die Gläubigerinteressen nun ausnahmsweise die grundsätzlich schutzwürdigen Belange des unentgeltlichen Erwerbers. Die Grundlage für die Inanspruchnahme des Empfängers ist also nicht in erster Linie die geringe Schutzwürdigkeit seines unentgeltlichen Erwerbs, sondern die Gefährdung der Grundbedingungen einer funktionsfähigen Haftungs-

236 Thole, Gläubigerschutz, S. 298: Schuldnerfehlverhalten liegt in einer unvertretbaren Risikoerhöhung zulasten der Gläubiger. Vgl. zu dieser Gefährdungslage bei der Schenkung auch allgemein Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 17: „Die Schenkung ist aus Sicht des Zuwendenden ein unwirtschaftliches Rechtsgeschäft, das wegen des endgültigen Vermögensverlusts zur leichtsinnigen Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen kann.“ 237 Thole, Gläubigerschutz, S. 297 ff.; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 84 f., 90.

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ordnung durch ein Schuldnerfehlverhalten.238 Erst diese Gefährdungslage hebt das Befriedigungsinteresse der Gläubiger auf dieselbe Stufe wie das Bestandsinteresse des Erwerbers. Die Strukturmerkmale der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs führen dann dazu, dass die Interessenabwägung endgültig zugunsten der Gläubiger ausschlägt. Fehlt es hingegen bereits am Schuldnerfehlverhalten, ist das Befriedigungsinteresse der Gläubiger überhaupt nicht in schutzbedürftiger Weise beeinträchtigt, sodass eine Anfechtung – unabhängig davon, ob die Merkmale des unentgeltlichen Erwerbs beim Begünstigten erfüllt sind oder nicht – von vornherein nicht in Betracht kommt. (bb) Dieser Begründungsansatz erklärt, warum § 134 InsO ausdrücklich an eine Leistung des Schuldners anknüpft: Eine kompensationslose Minderung des Schuldnervermögens und ein damit einhergehender Vorteilserwerb auf Empfängerseite kann auch durch eine Eingriffshandlung eines Dritten herbeigeführt werden. Es ist aber gerade das Fehlverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern, das die Funktionsfähigkeit der Haftungsordnung gefährdet. Gestützt wird dieser Erklärungsansatz weiterhin durch die historischen Wurzeln der Unentgeltlichkeitsanfechtung.239 Ursprünglich war sie ein Unterfall der Absichtsanfechtung, die durch einen strengen schuldnerbezogenen Vorwurf gekennzeichnet war: Der Schuldner nahm in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, eine Rechtshandlung vor, durch die ein anderer begünstigt wurde. Darin lag das den Zugriff der Gläubiger rechtfertigende Element. Damit dieses Fehlverhalten gegenüber dem Empfänger Wirkung entfalten konnte, musste seine Schutzwürdigkeit entweder wegen einer Teilnahme an der Benachteiligung oder wegen der Unentgeltlichkeit seines Erwerbs herabgesetzt sein. Der unentgeltliche Erwerb war also keinesfalls konstitutiver Auslöser der Anfechtung, sondern das entscheidende Moment war das Fehlverhalten des Schuldners in Form der bewussten Zurücksetzung seiner Gläubiger.240 Diese historischen Wurzeln nimmt der schuldnerbezogene Begründungsansatz auf. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist ebenso wie die Vorsatzanfechtung ein Tatbestand des ‚schuldnerbezogenen Anfechtungsrechts’, der seine Rechtfertigung aus einem Fehlverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern zieht.241 Der Vorwurf ist bei der Unentgeltlichkeitsanfechtung freilich deutlich schwächer ausgestaltet als bei der Vorsatzanfechtung: Das Fehl-

238 Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 299. Anders [zur Vorsatzanfechtung]: Marotzke, ZZP 105 (1992), S. 451 (453): Die Person des Anfechtungsgegners als in Anspruch genommene Person sei maßgeblich; das Verhalten des Schuldners sei nur im Innenverhältnis zum Anfechtungsgegner relevant. 239 So auch Thole, Gläubigerschutz, S. 299. 240 Otto, Anfechtung, S. 13: Es sei nicht der reine Gewinn des Empfängers allein, der die Anfechtung gerechtfertigt scheinen lasse, sondern vor allem die Grundlage, auf der er beruht. 241 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 297 ff. Sich anschließend von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 84 f., 90.

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verhalten ist nicht mehr in der bewussten Zurücksetzung der Gläubiger zu suchen, sondern liegt bereits vor, wenn der Schuldner – ohne böse Absicht – die Interessen seiner Gläubiger vernachlässigt, indem er Dritten gegenüber großzügig Geschenke macht, aber später seine Schulden nicht mehr bezahlen kann. Im Gegensatz zu den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung adressieren die §§ 133 Abs. 1, 134 InsO damit keinen internen Konflikt zwischen dem Anfechtungsgegner und den Gläubigern, sondern sie betreffen einen Konflikt in der Beziehung von Schuldner und Gläubigern, der aufgrund besonderer Gründe (Kenntnis des Empfängers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bzw. rein vorteilhafter Erwerb des Empfängers) auf einen Dritten ausstrahlt und dessen Inanspruchnahme rechtfertigt.242 4. Fazit Das Recht der Gläubiger zur Anfechtung bedarf einer wohl begründeten Rechtfertigung. Denn die Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners, der nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen vollwirksam vom Berechtigten erworben hat, bedeutet einen tiefen Eingriff in die Strukturen des allgemeinen Vermögensrechts. Der anfechtungsrechtliche Zugriff erscheint daher nur in eng umrissenen Ausnahmefällen angezeigt, in denen das Bedürfnis der Gläubiger nach Wiederanreicherung der Masse ausnahmsweise die sehr schutzwürdigen Belange des Anfechtungsgegners überwiegen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die anfechtbare Rechtshandlung die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet. Im Anwendungsbereich der allgemeinen Anfechtungstatbestände, die auch außerhalb der Insolvenz Geltung beanspruchen, sind an diese Gefährdungslage sehr hohe Anforderungen zu stellen. Sie sind erfüllt, wenn der Schuldner seine Gläubiger vorsätzlich benachteiligt, da ein solches Verhalten deren Haftungsverwirklichungsinteresse bewusst untergräbt. Nichts anderes gilt aber auch, wenn der Schuldner – ohne böse Absicht – einen Dritten begünstigt und dabei entgegen dem marktüblichen Geschäftsgebaren auf eine ausgleichende Gegenleistung verzichtet. Denn auch Rechtshandlungen, mit denen der Schuldner leichtfertig seine wirtschaftliche Existenz gefährdet, können die Mindestvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage stellen. III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO mit rechtsvergleichendem Blick auf das österreichische Recht III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist eine Ausdrucksform der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs: Der unentgeltlich Begünstigte muss das Erworbene 242

Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 297. Anders Bruski, Konkursanfechtung, S. 113, aus dessen Sicht sich die Unentgeltlichkeitsanfechtung gerade nicht auf eine Pflichtwidrigkeit der Rechtshandlung stützt; stattdessen verweist er auf die allgemeine „Billigkeit“.

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

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herausgeben, weil sich in seiner einseitigen Begünstigung ein Fehlverhalten des zuwendenden Schuldners gegenüber seinen Gläubigern verwirklicht. Erst nach Ablauf von vier Jahren kann er endgültig auf den Bestand seines Erwerbs vertrauen. Damit fügt sich die Unentgeltlichkeitsanfechtung in eine Reihe weiterer Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein, die ebenfalls die Bestandskraft des unentgeltlichen Erwerbs zugunsten schutzwürdiger Drittinteressen herabsetzen. Angesichts dieser ähnlichen Wertungsgrundlagen ist es aus systematischer Sicht interessant, wie diese verwandten Normen den Begriff der Unentgeltlichkeit interpretieren (1.). Denn als Teil des bürgerlichen Rechts muss sich das Anfechtungsrecht harmonisch in die allgemeinen zivilrechtlichen Wertungen einfügen lassen. Ergibt der Blick auf die verwandten Normen des BGB, dass eine rein objektive Auslegung der Unentgeltlichkeit die Regel ist, könnte sich ein solch weites Verständnis auch im Rahmen des § 134 InsO rechtfertigen lassen. Stellt sich hingegen heraus, dass die Unentgeltlichkeit überwiegend auch subjektiv geprägt oder sogar an das Vorliegen einer materiellen Causa geknüpft ist, kommt die objektive Sichtweise in Bedrängnis: Da sich gezeigt hat, dass die Normen des allgemeinen Zivilrechts weitaus gewichtigere Interessen des Anspruchsinhabers schützen als § 134 InsO,243 wäre es schwer zu rechtfertigen, warum im Anfechtungsrecht eine ‚weite’ Auslegung aus Gläubigerschutzgründen angezeigt sein sollte, während der Anspruchsgegner in den übrigen Normen des allgemeinen Zivilrechts nur im Rahmen eines engen Unentgeltlichkeitsbegriffs geschützt wird. Daneben soll auch ein Blick auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geworfen werden, der freigebige Zuwendungen unter Lebenden für schenkungssteuerpflichtig erklärt (2.). Der Rückgriff auf das Steuerrecht mag auf den ersten Blick zwar überraschen, weil es sich hierbei um eine eigenständige Teilrechtsordnung handelt, die besonderen Wertungen folgt.244 Er ist allerdings insoweit interessant, als der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG eine sehr ähnliche Entwicklung genommen hat wie die Unentgeltlichkeitsanfechtung.245 Ursprünglich erfasste die Steuerpflicht nur Schenkungen im bürgerlich-rechtlichen Sinne.246 Mit dem Erbschaftsteuergesetz von 1919 wurde der Tatbestand auch auf sonstige schenkungsähnliche Zuwendungen erstreckt, um eine Umgehung der Schenkungssteuerpflicht zu verhindern, die insbesondere durch die Vornahme gemischter Schenkungen drohte:247 Die Besteuerung wirtschaftlich gleicher Sachverhalte 243

Siehe oben S. 100 f. Vgl. BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439). 245 Zur Entwicklung vgl. auch Crezelius, FR 2007, S. 613 (622). 246 § 55 Abs. 1 des Reichserbschaftsteuergesetz vom 3.06.1906, RGBl. S. 654 (672). Vgl. Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 3. 247 Begr. zu § 37 Entwurf eines Erbschaftssteuergesetzes, Nr. 376, in: Drucksacken der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, S. 42: „Sie soll es ermöglichen, auch Fälle von verkappten Schenkungen, wie sie insbesondere durch Vereinbarung eines 244

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sollte nicht von einer unterschiedlichen zivilrechtlichen Struktur abhängen.248 Mit dem ErbStG 1974249 wurde dann der Terminus der freigebigen Zuwendung als Oberbegriff für die Schenkung und schenkungsähnliche Vorgänge eingeführt.250 Hinzu kommt, dass das Schenkungssteuerrecht aufgrund des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Tatsache, dass die Steuereinnahmen den Länderhaushalten und damit der Allgemeinheit zugutekommen, missbräuchlichen Behauptungen der Parteien ebenso vorbeugen muss wie § 134 InsO.251 Aufgrund dieser Parallelen erscheint ein Blick auf die Auslegung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durchaus lohnenswert. Daneben soll über die Grenzen des deutschen Rechts hinaus das Verständnis der Unentgeltlichkeitsanfechtung im österreichischen Recht in den Blick genommen werden (3.). Da sich das System der Anfechtungstatbestände und auch der Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung im deutschen und im österreichischen Recht im Wesentlichen decken,252 ist es von besonderem Interesse, ob auch die Österreicher eine weite, objektive Auslegung favorisieren. 1. Das Verständnis der Unentgeltlichkeit in den verwandten Vorschriften des bürgerlichen Rechts Für den systematischen Überblick über die verwandten Normen des BGB sind neben dem Schenkungstatbestand als Prototyp des unentgeltlichen Rechtsgeschäfts vor allem diejenigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts relevant, die wie § 134 InsO nicht nur auf Schenkungen abstellen (wie etwa §§ 528, 530, 1425, 1641, 1804, 2287, 2325 BGB), sondern auch unentgeltliche Erwerbstatbestände in einem weiteren Sinne erfassen. Hierzu zählen aus dem Bereicherungsrecht die §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB, die an eine unentgeltliche Verfügung bzw. eine unentgeltliche Zuwendung anknüpfen. Im Sachenrecht ist § 988 BGB von Interesse, der auf eine unentgeltliche Besitzerlangung abstellt, und aus dem Bereich des Erbrechts die §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB, die sich auf unentgeltliche Verfügungen beziehen. a) Das schenkungsrechtliche Verständnis der Unentgeltlichkeit Die Schenkung i.S.d. §§ 516 ff. BGB stellt den Prototyp der unentgeltlichen Geschäfte dar. Als Grundvoraussetzung fordert der Schenkungstatbestand eine unangemessen niedrigen Erwerbspreises eines Gegenstandes vorkommen, zu versteueRn. (…) Zur Vermeidung von Zweifeln ist bestimmt, daß der Ausdruck „Schenkung“ auch die sonstigen Zuwendungen umfaßt.“ Vgl. auch Schulze-Osterloh, StuW 1977, S. 122 (123). 248 Vgl. Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 9. 249 Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts v. 17.04.1974, BGBl. I 1974, S. 933 ff. 250 Vgl. Begr. zu § 7 ErbStG, BT-Drs. VI/3418, S. 64. 251 Vgl. auch Schulze-Osterloh, StuW 1977, S. 122 (126). 252 Vgl. S. 10 mit Fn. 45 ff.

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

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Zuwendung, mit der jemand einen anderen aus seinem Vermögen bereichert. Darüber hinaus müssen sich Schenker und Beschenkter über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sein, § 516 Abs. 1 BGB. Die Unentgeltlichkeit ist damit integraler Bestandteil des übereinstimmend festgelegten Vertragszwecks der zweiseitig geschaffenen, materiellen Schenkungscausa. Wurde ein solcher Vertragszweck nicht wirksam festgelegt, fehlt der Unentgeltlichkeit die Grundlage und eine Schenkung i.S.d. §§ 516 ff. BGB kommt nicht in Betracht.253 Eine schenkungsrechtliche Zuwendung ist unentgeltlich, wenn sie nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts mit keiner Gegenleistung des Zuwendungsempfängers an den Schenker oder einen Dritten rechtlich verknüpft ist.254 Der Inhalt des Rechtsgeschäfts ist nach den allgemeinen Grundsätzen zur Auslegung von Willenserklärungen zu bestimmen.255 Entscheidend ist, ob die Parteien einen gleichwertigen Leistungsaustausch oder die einseitige Bereicherung des Empfängers anstrebten. Darüber geben nicht die objektiven Umstände Auskunft, sondern ausschlaggebend ist, was die Parteien subjektiv gewollt haben.256 Daher kann selbst eine immaterielle Gegenleistung die Entgeltlichkeit begründen, solange die Parteien sie als ausgleichendes Entgegenkommen des Empfängers ansahen.257 Dass objektiv kein ausgleichender Vermögenswert in das Vermögen des Zuwendenden floss, spielt keine Rolle. Der Entgeltcharakter der Zuwendung richtet sich im Schenkungsrecht somit vollständig nach der von den Parteien privatautonom gestalteten vertraglichen Abrede: Sie entscheidet über die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung 253

Vgl. Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 7. BGH, Urt. v. 02.10.1991 – XII ZR 132/90, NJW 1992, 238 (239); RG, Urt. v. 30.09.1929 – IV 800/28, RGZ 125, 380 (383); Hinz, Haftung der Stiftung, S. 47. Vgl. auch Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 36 ff.; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 27; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 41; Poelzig, JZ 2012, S. 425 (428). Teilweise findet sich der Zusatz, die Zuwendung sei auch dann nicht unentgeltlich, wenn sie zur Tilgung einer Verbindlichkeit bestimmt sei, vgl. Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1122); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 24; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 198. Dieser Aspekt betrifft jedoch nicht die Unentgeltlichkeit, sondern die Bereicherung: Erlischt durch die Zuwendung eine Forderung, fehlt es an einer eigenständigen Bereicherung des Empfängers, sodass das Erfüllungsgeschäft aus diesem Grund nicht als Schenkung qualifiziert werden kann (dazu näher S. 204 ff.). 255 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 54; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 19; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 7. 256 W. Jaeger, DNotZ 1991, S. 431 (440 f.); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 24; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 198. 257 BGH, Urt. v. 02.10.1991 – XII ZR 132/90, NJW 1992, 238 (239); BGH, Urt. v. 17.01.1990 – XII ZR 1/89, NJW-RR 1990, 386; RG, Urt. v. 12.11.1934 – IV 240/34, WarnR 1935 Nr. 3, S. 7 (9); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 39; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 28; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25. 254

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und über die Ausgeglichenheit der ausgetauschten Werte. Ein Geschäft, bei dem die Leistung des einen die Gegenleistung des anderen nicht vollständig erreicht, kann zwischen Vertragspartnern voll entgeltlich sein, weil sie die Leistungen gleichwertig einschätzten, während andere Vertragspartner hier ein gemischt entgeltlich-unentgeltliches Geschäft vereinbaren würden.258 Dem Schenkungsrecht liegt also ein subjektives, auf der Parteivereinbarung aufbauendes Unentgeltlichkeitsverständnis zugrunde. b) Das Verständnis der Unentgeltlichkeit im Bereicherungsrecht Die §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB setzen den Empfänger einer unentgeltlichen Verfügung bzw. einer unentgeltlichen Zuwendung einer kondiktionsrechtlichen Durchgriffshaftung aus. aa) Herausgabepflicht bei Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB § 816 Abs. 1 S. 2 BGB bezieht sich dabei nur auf Verfügungen im klassischen materiell-rechtlichen Sinne. Realakte, denen nur verfügungsähnliche Wirkung zukommt, wie etwa die Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung, und bloße Verpflichtungsgeschäfte wie Miete oder Leihe, sind von vornherein nicht erfasst.259 Da § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zudem einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten voraussetzt, besteht zwischen dem Verfügenden und dem Erwerber stets eine Leistungsbeziehung im bereicherungsrechtlichen Sinn.260 Daher überrascht es wenig, dass die Auslegung der Unentgeltlichkeit ganz überwiegend dem rechtsgeschäftlichen Unentgeltlichkeitsverständnis folgt.261

258 Vgl. RG, Urt. v. 12.11.1934 – IV 240/34, WarnR 1935 Nr. 3, S. 7 (9); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 39; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 21. 259 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 266 mwN. 260 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 267. Vgl. auch Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 816 Rn. 21. 261 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 268 sowie die folgenden Fußnoten. Vertreten werden allerdings auch zwei Gegenströmungen, die aus Wertungsgesichtspunkten einen selbstständigen bereicherungsrechtlichen Unentgeltlichkeitsbegriff etablieren wollen: So wollen einige die Unentgeltlichkeit danach bestimmen, ob ein Ersatzwert in das Vermögen des Nichtberechtigten gelangt sei (Esser/Weyers, Schuldrecht Bd. II/2, 8. Aufl., § 50 II 3, S. 85; Zill, Unentgeltliche Verfügungen, S. 11). Dahinter steht der Gedanke, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB solle immer dann eingreifen, wenn der Nichtberechtigte nichts erlangt hat und der frühere Eigentümer mit seinem Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB leer ausgeht. Die Gegenansicht möchte die Unentgeltlichkeit maßgeblich davon abhängig machen, ob der Empfänger ein ausgleichendes Vermögensopfer erlitten habe oder nicht, vgl. Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 ff.; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 816 Rn. 27 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 II 1c, S. 334; Rothoeft, AcP 163 (1954), S. 215 (222 ff.); in diese Richtung auch BGH, Urt. v. 29.01.1954 – V ZR 13/53, JZ 1954,

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Der Entgeltcharakter der Verfügung wird unter Rückgriff auf das zugrunde liegende Kausalgeschäft bestimmt.262 Maßgebend ist, ob der gutgläubige Erwerber entsprechend der kausalvertraglichen Vereinbarung eine Gegenleistung erbracht hat oder erbringen sollte.263 Bei dieser Frage ist grundsätzlich auf die schenkungsrechtlichen Auslegungsgrundsätze zurückzugreifen.264 Uneinig ist man sich nur darüber, ob die Unentgeltlichkeit des Grundgeschäfts ausschließlich nach den Maßstäben des § 516 Abs. 1 BGB zu beurteilen ist und somit jede von den Parteien als adäquat angesehene Gegenleistung die Unentgeltlichkeit ausschließt,265 oder ob eine objektivierte Beurteilung der Parteivereinbarung stattzufinden hat. Der Gesetzgeber legte der Auslegung zwar grundsätzlich schenkungsrechtliche Maßstäbe zugrunde, bemerkte aber in den Protokollen, „die subjektive Anschauung der Parteien oder gar nur einer derselben, daß ein Aequivalent für eine Leistung ein genügendes sei, könne unmöglich entscheidend sein.“266 Dem hat sich die überwiegende Ansicht im Schrifttum angeschlossen: Die von den Parteien vorgesehene Gegenleistung muss bei verständiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls als echter Ausgleich aufgefasst werden können.267 Die objektive Schwelle der ‚verständigen Würdigung’ ist dabei als Schutz vor 360; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 816 Rn. 8. Damit betonen sie den Gedanken der mangelnden Schutzwürdigkeit des Empfängers: Der Zugriff des früheren Eigentümers auf ihn sei berechtigt, wenn er einen reinen Vorteil erlangt habe. Habe er hingegen ein eigenes Vermögensopfer zu verzeichnen, sollen seine Interessen die Interessen des früheren Eigentümers überwiegen. 262 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 268; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 816 Rn. 21; Jülch, JA 2012, S. 326 (327 f.); Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 52; Martinek, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 816 Rn. 31; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 816 Rn. 14; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 816 Rn. 21. 263 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 816 Rn. 12; Jülch, JA 2012, S. 326 (328); Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 63. Kritisch Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 816 Rn. 28: „Es ist hier wie anderwärts sicherlich zu eng, nur auf eine “Gegenleistung“ abzustellen; denn eine “Entgeltscausa“ umfaßt noch vieles mehr“; er vertritt allerdings auch das abweichende Unentgeltlichkeitsverständnis, vgl. soeben Fn. 261. 264 Verweise auf § 516 BGB finden sich bei Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 816 Rn. 22: „einvernehmlich aus Freigebigkeit“ erbrachte Leistung; Jülch, JA 2012, S. 326 (328): Allen Konstellationen des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB sei „gemeinsam, dass der Verfügung als schuldrechtliches Kausalgeschäft eine Schenkung zugrunde liegt bzw. eine gemischte Schenkung“; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 63 in Fn. 161; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 816 Rn. 14; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 816 Rn. 21. Für die Anknüpfung an das Schenkungsrecht spricht sich insbesondere Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 291 f. aus. 265 So grds. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 419 [mit Einschränkungen bei rechtsmissbräuchlichen Parteiabsprachen, vgl. S. 449 ff.]. 266 Prot. BGB, Bd. III, S. 84. 267 Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 63; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 816 Rn. 8.

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missbräuchlichen Behauptungen der Parteien zur Schädigung des wahren Berechtigten anzusehen. Davon abgesehen bleibt die subjektive Auffassung der Parteien für die Unentgeltlichkeit des Grundgeschäfts ausschlaggebend.268 Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann daher für sich allein noch nicht den Tatbestand der Unentgeltlichkeit begründen.269 Bildet aber die vom Empfänger erbrachte Gegenleistung bei verständiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls kein ausgleichendes Äquivalent, kann das Bewusstsein der Parteien über die Unentgeltlichkeit zumindest vermutet werden.270 So schließt eine Gegenleistung, die mit Wissen der Parteien keinerlei konkreten, vermögensrechtlich fassbaren Charakter aufweist, die Unentgeltlichkeit nicht aus.271 Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Gegenwert gerade dem Nichtberechtigten zufließt. Entgeltlich ist die Verfügung daher auch dann, wenn die Gegenleistung vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbracht werden soll.272 Da die Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB an den Bestand eines materiellen Kausalgeschäfts geknüpft ist, kommt bei einer rechtsgrundlosen Verfügung von vornherein nur eine analoge Anwendung der Norm in Betracht.273 Der BGH hat eine solche analoge Anwendung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB auf eine Verfügung, die auf einem entgeltlich gewollten, aber unwirksamen Kausalgeschäft beruhte, in einem Sonderfall bejaht.274 Der ganz überwiegende Teil der Literatur lehnt diese Analogie hingegen ab, da keine vergleichbare Interessenlage vorliege.275 Insbesondere fehle das für die Unent268 Vgl. auch Jülch, JA 2012, S. 326 (329): Einigung über Unentgeltlichkeit als „entscheidendes Merkmal in § 816 I 2 BGB.“ 269 Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 66. Einschränkend insoweit wohl Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 816 Rn. 8. 270 Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 66. 271 Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 816 Rn. 8. 272 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 816 Rn. 12; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 816 Rn. 22; Martinek, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 816 Rn. 31; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 63; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 816 Rn. 14. 273 So auch der BGH, Urt. v. 12.07.1962 – VII ZR 28/61, BGHZ 37, 363 (368), der von vornherein nur über eine „entsprechende“ Anwendung auf die Fälle der rechtsgrundlosen Leistung nachdachte. Vgl. auch Boehmer, Grundlagen Bd. 2/II, S. 10. 274 BGH, Urt. v. 12.07.1962 – VII ZR 28/61, BGHZ 37, 363 (368 ff.). Relativierend bereits BGH, Urt. v. 25.04. 1967 – VII ZR 1/65, BGHZ 47, 393 (395 f.). 275 Vgl. Boehmer, Grundlagen Bd. 2/II, S. 11 f.; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 816 Rn. 10; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 816 Rn. 22 a.E; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 816 Rn. 28; Martinek, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 816 Rn. 37; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 II 2c, S. 343 ff.; Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 816 Rn. 11; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 68; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 816 Rn. 15; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 816 Rn. 22; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK

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geltlichkeit notwendige Bewusstsein der Parteien, unentgeltlich zu verfügen.276 Anwendbar sei § 816 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich bei einer auf ein unwirksames unentgeltliches Grundgeschäft gestützten Verfügung, da in diesem Fall die Interessenlage vergleichbar und der Erwerber nicht schutzwürdig sei.277 bb) Durchgriffshaftung gem. § 822 BGB Die subsidiäre Durchgriffshaftung des § 822 BGB wendet sich demgegenüber gegen den Empfänger einer unentgeltlichen Zuwendung. Der Anwendungsbereich der Norm ist somit nicht auf Verfügungen im materiell-rechtlichen Sinne beschränkt, sodass auch unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen wie das zinslosen Darlehen oder die Leihe erfasst werden können.278 Allerdings muss der Rechtserwerb des Dritten auf einer rechtsgeschäftlichen unentgeltlichen Zuwendung beruhen.279 Bei gesetzlichen Erwerbstatbeständen wie Fund oder Ersitzung scheidet § 822 BGB aus.280 Für das Verständnis der Unentgeltlichkeit wird häufig auf § 816 Abs. 1 S. 2 BGB verwiesen.281 Bei der Auslegung zeigt sich im Rahmen des § 822 BGB allerdings eine gewisse Zurückhaltung. So wird im Schrifttum betont, unter dem Begriff der unentgeltlichen Zuwendung seien in erster Linie Schenkungen

BGB, 39. Aufl., § 816 Rn. 21. I.E. auch Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (277 ff.), der dem früheren Eigentümer eine Kondiktion gegen den Erwerber aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB gestattet. 276 Jülch, JA 2012, S. 326 (329); Martinek, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 816 Rn. 37; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 816 Rn. 15. 277 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 816 Rn. 13; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 816 Rn. 22 a.E.; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 816 Rn. 28 a.E.; Jülch, JA 2012, S. 326 (329); Medicus/Lorenz, SchuldR BT, 17. Aufl., Rn. 1195; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 816 Rn. 68. A.A. Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 98, mit Verweis darauf, dass der frühere Eigentümer vom Nichtberechtigten den Kondiktionsanspruch herausverlangen könne. 278 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 822 Rn. 3; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 293; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 822 Rn. 5. 279 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 822 Rn. 3; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 7; Schilken, JR 1989, S. 363 (364); Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 11; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 5; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 822 Rn. 7. 280 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 822 Rn. 3; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 10; Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 822 Rn. 3; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 5; Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, S. 649 (653). 281 Vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 6; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 822 Rn. 1; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 822 Rn. 7. Für vollständige Identität zwischen dem Begriff der Unentgeltlichkeit in § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und § 822 BGB wegen der inneren Verwandtschaft der beiden Normen Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (342 f.).

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zu verstehen.282 Daneben werden noch letztwillige Verfügungen zugunsten von Personen, die nicht Erben geworden sind, genannt.283 Diese Zurückhaltung lässt sich auf den besonderen Ausnahmecharakter des § 822 BGB zurückführen, der einen Direktdurchgriff des Kondiktionsgläubigers auf den Erwerber zulässt, obwohl dieser – im Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB – vollwirksam vom Berechtigten erworben hat.284 Die Unentgeltlichkeit wird im Rahmen des § 822 BGB somit grundsätzlich in demselben Sinne verstanden wie im Schenkungsrecht.285 Die Parteien müssen sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig gewesen sein. Rechtsgrundlose Leistungen können daher den unentgeltlichen Zuwendungen nicht gleichgestellt werden.286 Nicht erforderlich ist allerdings der besondere schenkungsrechtliche Freigebigkeitswille des Zuwendenden. Daher fallen ehebedingte Zuwendungen unter § 822 BGB, auch wenn sie der Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen und keine altruistische Freigebigkeit verwirklichen.287 282 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 822 Rn. 3 verweist für den Begriff der Unentgeltlichkeit auf § 516 BGB; Heimann-Trosien, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 822 Rn. 4: „vor allem Schenkungen“; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 8: „dabei in erster Linie an Schenkungen gedacht“; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 IV 1, S. 361: „vor allem Schenkungen“; Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 822 Rn. 3: „v.a. bei Schenkung“; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 11: „in erster Linie Schenkungen“. 283 Vgl. Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 822 Rn. 3; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 11; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 6; Stadler, in: Jauernig/ Stürner, BGB, 16. Aufl., § 822 Rn. 5; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 822 Rn. 7. I.E. ebenso auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 294 f., der aber eine analoge Anwendung des § 822 BGB auf Vermächtnisse befürwortet. 284 Vgl. auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 IV 1, S. 362: „§ 822 BGB als eine enge, (…) auf die Fälle der Schenkung zugeschnittene Ausnahmevorschrift vom allgemeinen Verbot der Versionsklage.“ Zu den Wertungsunterschieden zwischen § 822 und § 816 Abs. 1 S. 2 BGB siehe oben S. 95 ff. 285 So auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 293, 297. Vgl. auch Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 822 Rn. 7: Erforderlich sei eine rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsabrede zwischen dem „Empfänger“ als Zuwendendem und dem Dritten als Beschenktem. 286 Bockholdt, Haftung gemäß § 822 BGB, S. 165 f.; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 822 Rn. 7; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 9; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 IV 1, S. 361 f.; Schilken, JR 1989, S. 363 (364); Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 822 Rn. 3; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn. 11; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 6; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 822 Rn. 5; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 822 Rn. 7. 287 Vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2000 – X ZR 78/98, NJW-RR 2001, 6 (7); BGH, Urt. v. 23.09.1999 – X ZR 114/96, BGHZ 142, 300 (303 f.); Bockholdt, Haftung gemäß § 822 BGB, S. 206 ff.; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 822 Rn. 3; Schulze, in: Schulze/ Dörner, BGB, 8. Aufl., § 822 Rn. 3; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 6; Stadler,

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c) Die unentgeltliche Besitzerlangung i.S.d. § 988 BGB Ganz anderen Grundvoraussetzungen begegnet die Unentgeltlichkeit im Rahmen von § 988 BGB. Hier bezieht sich die Unentgeltlichkeit nicht auf eine Verfügung oder Zuwendung, sondern auf die rein tatsächliche Besitzerlangung. Diese muss nicht notwendig auf einem – wirksamen oder unwirksamen – Kausalgeschäft beruhen, sondern es kommt auch ein originärer Besitzerwerb durch eine einseitige Eingriffshandlung des unberechtigten Besitzers in Betracht.288 Dies ist beispielsweise der Fall bei der unwirksamen Aneignung einer vermeintlich derelinquierten Sache oder der irrtümlichen Mitnahme einer fremden Sache aufgrund Verwechslung oder Vertauschung.289 Auch die Inbesitznahme aufgrund eines vermeintlichen Erbrechts fällt unter § 988 BGB.290 Von einer rechtsgeschäftlichen materiellen Causa werden diese Formen der Besitzerlangung nicht begleitet. Der Anwendungsbereich des § 988 BGB geht somit über denjenigen der rechtsgeschäftlichen Unentgeltlichkeit hinaus.291 Daher überrascht es nicht, dass § 988 BGB ein ‚weites’ Verständnis der Unentgeltlichkeit zugrunde gelegt wird.292 Unentgeltlich ist der Besitzerwerb im-

in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 822 Rn. 5; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, 39. Aufl., § 822 Rn. 7. A.A. OLG Koblenz, Urt. v. 13.06.1990 – 5 U 75/90, NJWRR 1991, 1218 f.; LG Ravensburg, Urt. v. 03.07.1992 – 1 O 634/92, FamRZ 1993, 72; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 822 Rn 11: Es fehle an der Unentgeltlichkeit. Kritisch auch Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 8. 288 Bassenge, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 988 Rn. 3; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 988 Rn. 8; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 988 Rn. 5. 289 Baldus, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 988 Rn. 5; Bassenge, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 988 Rn. 3; Ebbing, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 988 Rn. 6; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 988 Rn. 8; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 988 Rn. 5; Schapp/Schur, Sachenrecht, 4. Aufl., Rn. 136; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 4. 290 Vgl. Baldus, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 988 Rn. 5; Ebbing, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 988 Rn. 6; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 988 Rn. 8; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 988 Rn. 8; Schapp/Schur, Sachenrecht, 4. Aufl., Rn. 136; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 4; Wieling, Sachenrecht, 5. Aufl., § 12 IV 3, S. 179. In diesem Fall sind allerdings (auch) die §§ 2020, 2021, 2029 BGB einschlägig. 291 Die Gegenansicht möchte § 988 BGB hingegen auf Leistungskonstellationen – und damit auf den Anwendungsbereich des rechtsgeschäftlichen Unentgeltlichkeitsbegriffs – beschränken und hält für die Fälle des „Zufallserwerbs“ eine analoge Anwendung des § 992 BGB für vorzugswürdig, vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 299 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 20 II, S. 691 ff. 292 Vgl. insbesondere RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (357 f.): unentgeltlicher Erwerb „im weiteren Sinne“. A.A. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 300.

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mer dann, wenn er nicht auf Grundlage eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts erfolgt.293 Nur wenn der Besitztitel, auf den der Besitzer sein angebliches Nutzungsrecht stützt, mit einer kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung verknüpft ist, liegt ein entgeltlicher Besitzerwerb vor.294 Erlangt der Besitzer den Besitz von einem Dritten, so kommt es darauf an, ob ihn das Rechtsgeschäft mit dem Dritten zu einer Gegenleistung verpflichtet.295 In allen anderen Fällen handelt es sich um einen unentgeltlichen Besitzerwerb. Die Unentgeltlichkeit wird also zu einem Auffangtatbestand für jede Besitzerlangung, die nicht kausalvertraglich mit einer Gegenleistung verbunden ist. Besteht kein Kausalgeschäft, wurde der Besitz notwendig unentgeltlich erlangt. Der originäre Besitzerwerb fällt damit stets unter § 988 BGB, da der Besitzer hier mangels Kausalgeschäfts von vornherein keine kausalvertragliche Gegenleistung schulden kann.296 Beim abgeleiteten Besitzerwerb entscheidet hingegen der Entgeltcharakter des zugrundeliegenden – und in der Regel unwirksamen – Kausalgeschäfts über die Anwendung des § 988 BGB. Inwieweit dieses weite Unentgeltlichkeitsverständnis von subjektiven Kriterien flankiert werden muss, ist nicht eindeutig geklärt. Fest steht, dass der Empfänger nicht notwendig positive Kenntnis von der Unentgeltlichkeit seines Besitzerwerbs haben muss. Schließlich ist man sich einig, dass § 988 BGB auch Konstellationen erfasst, in denen sich der Besitzer irrtümlich für den Eigenbesitzer hält: Glaubt er, eine fremde Sache sei seine eigene, und nimmt sie in Besitz, wird er die Unentgeltlichkeit seiner Besitzerlangung nicht positiv kennen, da sich diese Frage für ihn gar nicht stellt. Bezweifeln lässt sich jedoch, ob die Anwendung des § 988 BGB auch dann gerechtfertigt erscheint, wenn der Besitzer einen entgeltlichen Erwerb angenommen hat. Dies wird vor allem bei einer Besitzerlangung aufgrund eines unwirksamen, aber entgeltlich gewollten Kausalgeschäfts relevant. Die Rechtsprechung stellt den rechtsgrundlosen Erwerb seit der Grundsatzentscheidung des Großen Senats aus dem Jahr 1940 dem unentgeltlichen Erwerb im Rahmen des § 988 BGB gleich.297 In der Literatur wird diese Gleichstellung vielfach 293

So Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 988 Rn. 5. Fritzsche, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 988 Rn. 5; Wieling, Sachenrecht, 5. Aufl., § 12 IV 3, S. 179. Vgl. auch Ebbing, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 988 Rn. 6: „Maßgeblich ist die Entgeltspflicht“; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 4: „Unentgeltlich wurde der Besitz erlangt, wenn sich der Besitzer nicht zu einer Gegenleistung hierfür verpflichtet hat.“ 295 Bassenge, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 988 Rn. 3; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 6. 296 Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 4. 297 RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (357 ff.). Seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 25.02.1960 – II ZR 125/58, BGHZ 32, 76 (94); BGH, Urt. v. 12.11.1992 – V ZR 230/91, BGHZ 120, 204 (215). Zustimmend Pikart, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 988 Rn. 4. 294

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kritisiert.298 Einige wollen danach differenzieren, ob die Gegenleistung schon erbracht worden ist oder nicht.299 Nur wenn die vom Besitzer – unwirksam – versprochene Gegenleistung noch ausstehe, liege ein ‚Erwerb ohne Vermögensopfer’ vor und die Situation sei daher mit dem unentgeltlichen Erwerb vergleichbar.300 Andere halten die Gleichstellung des rechtsgrundlosen mit dem unentgeltlichen Erwerb für grundsätzlich verfehlt.301 Der Begriff der ‚Unentgeltlichkeit’ kennzeichne im BGB durchweg Vermögensverschiebungen in freigebiger Absicht, was bei einer rechtsgrundlosen Leistung auf einen entgeltlichen Vertrag nicht der Fall sei.302 Konsequent müsste diese Ansicht dann allerdings auch die Fälle des originären Besitzerwerbs von § 988 BGB ausnehmen, da der Besitz hier ebenfalls nicht in ‚freigebiger Absicht’ verschafft wird.303 Aus der Kritik geht aber hervor, dass § 988 BGB zumindest dann keine Anwendung finden soll, wenn die Parteien von einem entgeltlichen Erwerb ausgingen.304 Keine Probleme bereitet hingegen der Besitzerwerb aufgrund eines unwirksamen unentgeltlichen Kausalgeschäfts: Hier wird die Unentgeltlichkeit des Besitzerwerbs nicht bezweifelt, da die Parteien sich zumindest tatsächlich über die Unentgeltlichkeit einig waren.305

298 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 298 f.; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem zu §§ 987–993, Rn. 48; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 200; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 20 I 2, S. 673 ff.; Schapp/Schur, Sachenrecht, 4. Aufl., Rn. 140; Schildt, JuS 1995, S. 953 (956); Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 6; Wieling, Sachenrecht, 5. Aufl., § 12 IV 3, S. 179. 299 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 200 in Fn. 28; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 6. Auch Baldus, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 988 Rn. 6 ff. Dagegen Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem zu §§ 987– 993 Rn. 48 a.E.: eine solche Lösung wäre unpraktikabel.“ 300 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 200 in Fn. 28; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 6. Unentschieden Baldus, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 988 Rn. 6 ff.: Hat der Besitzer die Gegenleistung noch nicht erbracht, sei eine Anwendung des § 988 BGB auf den rechtsgrundlosen Besitzerwerb unproblematisch möglich; Zweifel ergäben sich allerdings – vor allem mit Blick auf Drei-Personen-Verhältnisse –, wenn der Besitzer die Gegenleistung bereits erbracht habe. 301 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 299; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem zu §§ 987–993 Rn. 48, § 988 Rn. 10. Auch Brehm/Berger, Sachenrecht, 3. Aufl., Rn. 8.33, die sich sogar dafür aussprechen, dem rechtsgrundlosen Besitzer im Ergebnis die Nutzungen zu belassen. 302 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 299; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, Vorbem zu §§ 987–993, Rn. 48. 303 Ebenso auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 299 in Fn. 147. 304 Vgl. Boehmer, Grundlagen Bd. 2/II, S. 11. 305 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 298: Erst-Recht-Schluss; Gurksy, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 988 Rn. 5; Schapp/Schur, Sachenrecht, 4. Aufl., Rn. 136; Stadler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 988 Rn. 5.

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

d) Die unentgeltliche Verfügung i.S.d. §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB Die Verfügungsbeschränkungen für den Vorerben und den Testamentsvollstrecker in § 2113 Abs. 2 und § 2205 S. 3 BGB beziehen sich übereinstimmend auf „unentgeltliche Verfügungen“. Angesichts ihres identischen Normzwecks306 wird der Begriff der Unentgeltlichkeit in beiden Vorschriften nach denselben Grundsätzen ausgelegt.307 Er setzt sich aus objektiven und subjektiven Kriterien zusammen.308 In objektiver Hinsicht erfordern die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen, dass aus dem Nachlass Gegenstände ausgeschieden sind, ohne dass ein wirtschaftlich vollwertiges Entgelt in den Nachlass zurückgeflossen ist.309 Das Vorliegen einer Gegenleistung wird also allein vom Standpunkt des Nachlasses aus beurteilt.310 Eine Gegenleistung des Verfügungsempfängers, die nicht in den Nachlass fließt, sondern einem Dritten zugutekommt, lässt die Unentgeltlichkeit der Verfügung daher nicht entfallen.311

306

Siehe oben S. 99. BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614); Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 74; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 18; Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 68 IV 2 a), S. 388; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (114); Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 31 VI 2 b), S. 702; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 21. 308 BGH, Urt. v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, NJW 1991, 842 f.; BGH, Beschl. v. 24.09.1971 – V ZB 6/71, BGHZ 57, 84 (90); BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614); BGH, Urt. v. 02.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 (278 f.); BGH, Urt. v. 15.02.1952 – V ZR 54/51, BGHZ 5, 173 (182); RG, Urt. v. 17.02.1913 – IV 556/12, RGZ 81, 364 (366); Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 62; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 42. Für einen rein objektiven Unentgeltlichkeitsbegriff im Rahmen des § 2113 Abs. 2 BGB hingegen Harder, DNotZ 1994, S. 822 (828). 309 BGH, Urt. v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, NJW 1991, 842 f.; BGH, Beschl. v. 24.09.1971 – V ZB 6/71, BGHZ 57, 84 (89); BGH, Urt. v. 02.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 (277); Brox/Walker, Erbrecht, 26. Aufl., Rn. 363; Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 75; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 18; Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2113 Rn. 10; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 72. 310 BGH, Urt. v. 25.05.1977 – IV ZR 15/76, BGHZ 69, 47 (51 f.); BGH, Urt. v. 02.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 (277); RG, Urt. v. 06.03.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (388); RG, Urt. v. 01.06.1929 – V 189/128, RGZ 125, 242 (246); Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 77; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 19; Keim, ZEV 2007, S. 470 (472); Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 68 IV 2 b), S. 389; Litzenburger, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2113 Rn. 17; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 23; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 43; Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2113 Rn. 9; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 75. 311 Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 77; Grunsky, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2113 Rn. 33; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 19; Lit307

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

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Begründet wird dies mit dem Schutzzweck der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB, die dem (Nach-)Erben den Umfang des Nachlasses erhalten wollen.312 Der Begriff der Gegenleistung wird allerdings in einem erweiterten Sinne verstanden.313 Nicht nur kausalvertraglich verknüpfte Gegenleistungen schließen die Unentgeltlichkeit aus, sondern es genügt schon jeder angemessene wirtschaftlich greifbare Vorteil, der kausal mit der Leistung verknüpft ist.314 Die subjektiven Anforderungen an die Unentgeltlichkeit konzentrieren sich vollständig auf die Person des verfügenden Vorerben bzw. Testamentsvollstreckers. Eine Einigung der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit ist nach ganz überwiegender Ansicht nicht erforderlich.315 Abgestellt wird vielmehr darauf, ob dem Vorerben oder Testamentsvollstrecker die objektive Unentgeltlichkeit bekannt war.316 Das Reichsgericht erkannte allerdings schon früh, dass es „unter Umständen zur schwersten Benachteiligung des Nacherben und damit zur Vereitelung des Gesetzeszwecks führen [würde], wenn dem rein subjektiven, sei es auch gutgläubigen Ermessen des Vorerben anheimgestellt bliebe, über die Angemessenheit des Wertverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung zu bestimmen.“317

Daher genügt es in subjektiver Hinsicht, wenn der Vorerbe bzw. Testamentsvollstrecker die objektive Unentgeltlichkeit zwar nicht kannte, sie aber bei ordnungsgemäßer Verwaltung unter Berücksichtigung seiner künftigen Pflicht,

zenburger, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2113 Rn. 17; Stürner, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 2113 Rn. 4. A.A. K. Müller, WM 1982, S. 466 (473); Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 43. Ebenfalls zweifelnd Spellenberg, FamRZ 1974, S. 350 (356). 312 BGH, Urt. v. 02.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 (276 f.); RG, Urt. v. 06.03.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (388); RG, Urt. v. 01.06.1929 – V 189/128, RGZ 125, 242 (246); Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 23. 313 Litzenburger, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2113 Rn. 17; Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2113 Rn. 9. 314 Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 75; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 18. 315 BGH, Urt. v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, NJW 1991, 842; BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614); Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 70; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 18; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 72. A.A. K. Müller, WM 1982, S. 466 (470 f.); Spellenberg, FamRZ 1974, S. 350 (354 ff.). Pyszka, Unentgeltliche Verfügungen, S. 111 ff. hält nur echte Schenkungen i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB für erfasst. 316 BGH, Beschl. v. 24.09.1971 – V ZB 6/71, BGHZ 57, 84 (90); BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614); Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 62; Brox/Walker, Erbrecht, 26. Aufl., Rn. 363; Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 75; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 18; Hoeren, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 2205 Rn. 10; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 22. 317 RG, Urt. v. 17.02.1913 – IV 556/12, RGZ 81, 364 (366).

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

die Erbschaft an den (Nach-)Erben herauszugeben, hätte erkennen müssen.318 Mit diesem objektivierten Maßstab, der sich nicht an den persönlichen Fähigkeiten des Verfügenden, sondern an den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung i.S.d. §§ 2120, 2130 BGB orientiert, ist die Rechtsprechung nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Einige halten am Nachweis der positiven Kenntnis des Vorerben bzw. Testamentsvollstreckers von der Unentgeltlichkeit fest.319 Irrelevant ist hingegen nach ganz überwiegender Ansicht, ob der Empfänger die Unentgeltlichkeit seines Erwerbs erkennen konnte.320 Sein guter Glaube wird nur im Rahmen des § 2113 Abs. 3 BGB geschützt. Weiß er hingegen von der Nacherbfolge, ist sein Vertrauen auf die Entgeltlichkeit seines Erwerbs nicht mehr schutzwürdig.321 Nicht unmittelbar nachvollziehbar erscheint vor diesem Hintergrund die von der herrschenden Meinung vorgenommene Beurteilung rechtsgrundloser Verfügungen. Seit der Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1922 werden diese generell als unentgeltlich i.S.d. §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB qualifiziert.322 Ob die Rechtsgrundlosigkeit für den Vorerben bzw. Tes-

318 BGH, Urt. v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, NJW 1991, 842 (843); BGH, Urt. v. 23.11.1983 – IV a ZR 147/81, NJW 1984, 366 (367); BGH, Beschl. v. 24.09.1971 – V ZB 6/71, BGHZ 57, 84 (90); BGH, Urt. v. 15.02.1971 – III ZR 217/67, FamRZ 1971, 643 (645); BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614); BGH, Urt. v. 02.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 (278 f.); BGH, Urt. v. 15.02.1952 – V ZR 54/51, BGHZ 5, 173 (182); RG, Urt. v. 06.03.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (389); RG, Urt. v. 01.06.1929 – V 189/128, RGZ 125, 242 (245); RG, Urt. v. 17.02.1913 – IV 556/12, RGZ 81, 364 (366 f.); Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 62; Brox/Walker, Erbrecht, 26. Aufl., Rn. 363; Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 75; Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 18; Litzenburger, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2113 Rn. 15; Lange, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 22: Das Ungleichgewicht müsse deutlich ersichtlich sein; Reimann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2012, § 2205 Rn. 42. 319 Kipp, JW 1929, S.375; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (123, 127, 137 f.); von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 II mit Fn. 37. 320 BGH, Urt. v. 23.11.1983 – IV a ZR 147/81, NJW 1984, 366 (367); BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614); Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 18; Weidlich, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2113 Rn. 10; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 72. A.A. Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 31 VI 2 b), S. 702: Pflichtverletzung im Verhältnis zum Erben muss für den Gegner erkennbar sein. 321 Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 102; M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2113 Rn. 21. 322 RG, Urt. v. 30.01.1940 – GZS 3/38, RGZ 163, 348 (357); RG, Urt. v. 06.07.1922 – IV 715/21, RGZ 105, 246 (248 f.); Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 77; Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 84; Hoeren, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 2205 Rn. 10; Keim, ZEV 2007, S. 470; Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 68 IV 2 a), S. 389; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 28 IV 6 c), S. 592; Lange, in:

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

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tamentsvollstrecker erkennbar war und die Verfügung somit einer ordnungsgemäßen Verwaltung widerspricht, scheint irrelevant zu sein.323 Als Begründung wird angeführt, der Nachlass erhalte nicht schon dadurch einen angemessenen Ausgleich, dass die Verfügung irrig in dem Glauben an eine Gegenleistung bewirkt werde.324 Die rechtsgrundlose Leistung wird somit als Sonderfall bewertet, der sich außerhalb der allgemeinen Grundsätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit bewegt: Fehlt es vollständig an einer verknüpften Gegenleistung, wird der Nachlass so erheblich beeinträchtigt, dass es auf subjektive Elemente auf Seiten des Verfügenden nicht mehr ankommt.325 Unwidersprochen geblieben ist diese Auffassung des Reichsgerichts nicht. Eingewendet wird, dass der Bereicherungsanspruch in den Nachlass fließe und daher schon objektiv keine Unentgeltlichkeit vorliege.326 Auch wird die mit der Verfügungsbeschränkung einhergehende Durchbrechung des Abstraktionsprinzips bei rechtsgrundlosen Leistung angesichts der Möglichkeit zur Rückabwicklung gem. § 812 BGB nicht für angemessen gehalten.327 Eine vermittelnde Ansicht möchte danach differenzieren, ob der andere Teil die vermeintlich geschuldete Gegenleistung bereits erbracht hat oder nicht.328 Habe der (rechtsgrundlose) Leistungsaustausch tatsächlich stattgefunden, sei ein Vermögenswert in den Nachlass geflossen, sodass die Rückabwicklung ausschließlich anhand bereicherungsrechtlicher Grundsätze zu erfolgen habe. 2. Der Begriff der freigiebigen Zuwendung i.S.d. § 7 ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erklärt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden für schenkungssteuerpflichtig, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Mit den übrigen Besteuerungstatbeständen des § 7 ErbStG bildet er die notwendige Ergänzung zur Erbschaftsbesteuerung, die

Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2205 Rn. 23; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2205 Rn. 76. 323 Vgl. auch die Analyse von Spellenberg, FamRZ 1974, S. 350 (352). 324 RG, Urt. v. 06.07.1922 – IV 715/21, RGZ 105, 246 (249). Vgl. auch RG, Urt. v. 06.03.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (389). 325 Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (164). In diese Richtung auch BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61, NJW 1963, 1613 (1614), das die Rechtsgrundlosigkeit und subjektive Merkmale als alternative Kriterien zur Begründung der Unentgeltlichkeit ansieht. 326 Harder/Wegmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2113 Rn. 19; K. Müller, WM 1982, S. 466 (473). Dagegen Avenarius, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2113 Rn. 77. 327 K. Müller, WM 1982, S. 466 (467 f., 474); Pyszka, Unentgeltliche Verfügungen, S. 94 ff.; Spellenberg, FamRZ 1974, S. 350 (353). 328 Grunsky, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2113 Rn. 36; Litzenburger, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 2113 Rn. 19.

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

sonst leicht durch freigebige Zuwendungen zu Lebzeiten des Erblassers umgangen werden könnte.329 Man ist sich darin einig, dass der Begriff der freigebigen Zuwendung nicht nur Schenkungen i.S.d. § 516 BGB erfasst.330 Die objektiven Merkmale des Zuwendungsvorgangs unterscheiden sich allerdings kaum.331 Ebenso wie die Schenkung ist die freigebige Zuwendung an eine Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden und die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung geknüpft.332 Allerdings muss ihr nicht notwendig eine wirksame Schenkungscausa zugrunde liegen. Daher kann auch eine rechtsgrundlose Leistung unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fallen, sofern auch die übrigen Anforderungen an die freigebige Zuwendung erfüllt sind.333 Die maßgeblichen Unterschiede zwischen Schenkung und freigebiger Zuwendung sind auf subjektiver Ebene zu suchen. Im Gegensatz zur Schenkung erfordert die freigebige Zuwendung keine Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit.334 Ihre subjektiven Merkmale konzentrieren sich vielmehr ganz auf die Person des Zuwendenden.335 Er muss den Empfänger mit dem Willen zur Frei-

329

Vgl. nur Crezelius, FR 2007, S. 613 (616); ders., Schenkungssteuer, S. 26 f. BFH, Urt. v. 21.10.1981 – II R 176/78, BFHE 134, 357 (359); Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 4; Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 11; Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 48. Erg.-Lfg., § 7 Rn. 14 f. 331 Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 48. Erg.-Lfg., § 7 Rn. 14; Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 10. Kritisch hingegen Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 12, der auch im objektiven Tatbestand Unterschiede zwischen Schenkungsrecht und Schenkungssteuerrecht ausmacht. 332 Vgl. R E 7.1 Abs. 1 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011; BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12, ZEV 2014, 267 in Rn. 8; BFH, Urt. v. 16.05.2013 – II R 21/11, BFHE 241, 390 (391) in Rn. 9; BFH, Urt. v. 30.01.2013 – II R 6/12, BFHE 240, 178 (180) in Rn. 11; BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (434); Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 51. 333 Vgl. Gebel, DStZ 1993, S. 451 (456 f.); ders., in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 48. Erg.-Lfg., § 7 Rn. 15; zu denken ist hier in erster Linie an die bewusst rechtsgrundlosen Leistungen i.S.d. § 814 Alt. 1 BGB. Einschränkend hingegen Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 15. 334 R E 7.1 Abs. 1 S. 1 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011; BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (440); BFH, Urt. v. 21.10.1981 – II R 176/78, BFHE 134, 357 (359); Crezelius, Schenkungssteuer, S. 127; Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 48. Erg.-Lfg., § 7 Rn. 18. 335 R E 7.1 Abs. 1 S. 3 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011; BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12, ZEV 2014, 267 in Rn. 8; BFH, Urt. v. 12.07.2005 – II R 8/04, BStBl. 2005 II, 845 (846); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439); BFH, Urt. v. 21.10.1981 – II R 176/78, BFHE 134, 357 (359); BFH, Urt. v. 02.10.1957 – II 127/57 U, BStBl. III 1957, 449 (450); RFH, Urt. v. 21.05.1931 – I D 1/30, RStBl. 1931, 559; Crezelius, FR 2007, S. 613 (622); Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 5; Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 11; Gebel, DStZ 1993, S. 451 (456); ders., in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 48. Erg.-Lfg., § 7 Rn. 18; Schulze-Osterloh, StuW 1977, S. 122 (124). Kritisch Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 11. 330

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

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gebigkeit begünstigt haben.336 Auf den Willen des Empfängers kommt es hingegen nicht an.337 Bei der Bestimmung des Freigebigkeitswillens des Zuwendenden lassen sich dogmatisch drei Elemente unterscheiden.338 Die Mindestvoraussetzung bildet der Bereicherungswille: Die im objektiven Tatbestand erforderliche Bereicherung muss von einer entsprechenden subjektiven Willensrichtung des Zuwendenden begleitet werden.339 Die nächste Stufe bildet der Wille des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit. Auch er ist für die Annahme einer freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unentbehrlich.340 Er liegt immer dann vor, wenn sich der Zuwendende darüber bewusst ist, seine Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung zu erbringen.341 Geht der Zuwendende hingegen irrtümlich davon aus, zu der 336 BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12, ZEV 2014, 267; BFH, Urt. v. 16.05.2013 – II R 21/11, BFHE 241, 390 (391) in Rn. 9; BFH, Urt. v. 30.01.2013 – II R 6/12, BFHE 240, 178 (180) in Rn. 11; BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 (413); BFH, Urt. v. 20.12.2000 – II R 42/99, BStBl. 2001 II, 454 (455); Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 3; Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 11. 337 Gebel, DStZ 1993, S. 451 (456); Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 (336). Kritisch Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 11. 338 Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 300; Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 78 ff. 339 Gebel, DStZ 1993, S. 451 (457); Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 76. Rechtsprechung und Literatur beziehen sich meist direkt auf das speziellere Element, den Willen zur Unentgeltlichkeit, vgl. BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12, ZEV 2014, 267 in Rn. 11; BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439); Crezelius, Schenkungssteuer, S. 127; Schulze-Osterloh, StuW 1977, S. 122 (125): „Als entscheidend kann es daher nur darauf ankommen, ob der Zuwendende die Unentgeltlichkeit seiner Leistung will.“ Der Wille zur Unentgeltlichkeit schließt den Willen, den anderen Teil überhaupt materiell zu begünstigen, bereits in sich ein, vgl. auch Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 342). Missverständlich sind allerdings die Äußerungen des BFH, die einen „Bereicherungswillen“ beim Zuwendenden für entbehrlich erklären, vgl. BFH, Urt. v. 01.07.1992 – II R 70/88, BFHE 168, 380 (386); BFH, Urt. v. 01.07.1992 – II R 12/90, BFHE 168, 390 (393); BFH, Urt. v. 10.09.1986 – II R 81/84, BFHE 148, 69 (71); BFH, Urt. v. 05.03.1980 – II R 148/76, BFHE 130, 179 (181); ebenso auch Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 137. Sie beruhen darauf, dass der BFH nicht sauber zwischen dem Willen zur Bereicherung und der Bereicherungsabsicht i.S. eines animus donandi trennt (so auch Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 81a). Die Bereicherungsabsicht entspricht dem Willen zur schenkweisen Zuwendung, den die herrschende Meinung nicht für erforderlich hält (dazu sogleich). Zutreffend daher die Klarstellung in R E 7.1 Abs. 3 S. 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011, die einen auf die Bereicherung des Bedachten gerichteten Willen im Sinne einer Bereicherungsabsicht für entbehrlich erklärt. 340 Vgl. nur Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 (341). 341 R E 7.1 Abs. 3 S. 1 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011; BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12, ZEV 2014, 267 in Rn. 11; BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 (413); BFH, Urt. v. 15.03.2007 – II R 5/04, BStBl. 2007 II, 472 (479); BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV 2006, 41 (43); BFH, Urt. v. 29.10.1997 – II R 60/94, BFHE

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

Leistung rechtlich verpflichtet zu sein oder diese in einem rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung zu erbringen, scheidet die Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus.342 Der Wille zur Unentgeltlichkeit fehlt ferner, wenn der Zuwendende sich zu der Zuwendung aus den Umständen heraus gedrängt fühlt, z.B. bei einem weit unter dem üblichen Preis liegenden Notverkauf oder bei dem Abschluss eines Arbeitsvertrags zu einem weit unter der üblichen Vergütung liegenden Entgelt, um überhaupt eine Arbeit zu finden.343 Auch eine Zuwendung im Vergleichswege, die ein anhängiges gerichtliches Verfahren erledigen soll, ist regelmäßig nicht von einem Willen zur Unentgeltlichkeit getragen.344 Ein drittes Element der Freigebigkeit könnte der Wille zur schenkweisen Zuwendung sein, dass also der Zuwendende den Empfänger allein um der Bereicherung willen begünstigen möchte.345 Diese schenkungsspezifische Willensrichtung ist für die Freigebigkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jedoch nicht erforderlich.346 Die Zuwendung muss nicht von einer Bereicherungsabsicht des Zuwendenden im Sinne eines animus donandi getragen sein.347 Daher zählen unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten zu den schenkungssteuerpflichtigen Zuwendungsvorgängen,348 auch wenn sie mangels Willen zur altruistischen Freigebigkeit nicht unter den Schenkungsbegriff des § 516 BGB fallen sollten.349 In gleicher Weise sind auch Zuwendungen, die durch eine

183, 253 (258); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439); BFH, Urt. v. 01.07.1992 – II R 70/88, BFHE 168, 380 (386); BFH, Urt. v. 01.07.1992 – II R 12/90, BFHE 168, 390 (393); Klein-Blenkers, ZEV 1994, S. 221 (222). Vgl. auch Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 300; Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 (341). 342 BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 (413); BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV 2006, 41 (43); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439). Vgl. auch BFH, Urt. v. 02.10.1957 – II 127/57 U, BStBl. III 1957, 449 (450); Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 137; Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 33; Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 80. 343 Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 80. 344 BFH, Urt. v. 11.06.1980 – II R 13/78, BStBl. 1980 II, 607 (608); Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 80. 345 Vgl. zum Begriff Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 82. 346 BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (440 f.); Gebel, DStZ 1993, S. 451 (458). A.A. Meincke, in: Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 7 Rn. 82 ff. Kritisch auch Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 11. 347 R E 7.1 Abs. 3 S. 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011; BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV 2006, 41 (43); BFH, Urt. v. 12.07.2005 – II R 8/04, BStBl. 2005 II, 845 (847); BFH, Urt. v. 29.10.1997 – II R 60/94, BFHE 183, 253 (258); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439); Crezelius, Schenkungssteuer, S. 127; Klein-Blenkers, ZEV 1994, S. 221 (222). 348 BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV 2006, 41 (42); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 ff.; Gebel, DStZ 1993, S. 451 (458 f.). 349 Dazu unten S. 370 ff.

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

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sonstige sittliche Pflicht oder durch eine auf den Anstand zu nehmende Rücksicht motiviert sind, vom Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst.350 3. Rechtsvergleichender Blick auf den Begriff der „unentgeltlichen Verfügung“ im österreichischen Anfechtungsrecht Schließlich ist in rechtsvergleichender Hinsicht ein Blick auf das Verständnis der Unentgeltlichkeitsanfechtung im österreichischen Recht zu werfen. § 29 der österreichischen Insolvenzordnung351 erklärt unentgeltliche Verfügungen des Schuldners für anfechtbar, sofern sie in den letzten zwei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden.352 Der Wortlaut entspricht damit im Wesentlichen der Formulierung des früheren deutschen § 32 KO. Ein Vergleich bietet sich auch deshalb ab, weil die Struktur der Anfechtungstatbestände im deutschen und österreichischen Recht nahezu identisch ist.353 Aufgrund dieser engen Verwandtschaft nimmt das österreichische Recht bei streitigen Fragen oft auf das deutsche Recht Bezug und grenzt sich teilweise bewusst von der Rechtsprechung des BGH ab.354 Daher erscheint es angezeigt, die Auffassung des österreichischen Rechts zum Verständnis der Unentgeltlichkeitsanfechtung auch aus deutscher Sicht zu würdigen. Der Verfügungsbegriff des § 29 öIO wird in Österreich wie im deutschen Recht „weit“ verstanden.355 Auch das Verständnis der objektiven Unentgelt350

BFH, Urt. v. 02.10.1957 – II 127/57 U, BStBl. III 1957, 449 (450); RFH, Urt. v. 08.06.1934 – IIIe A 25/32, RStBl. 1934, 923 (924). 351 Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) vom 20.05.2010 (BGBl. I 2010 Nr. 29) wurde die vorher gesondert bestehende Ausgleichsordnung aufgehoben und ging zusammen mit der Konkursordnung in der Insolvenzordnung auf (vgl. dazu Konecny, ZIK 2010, S. 82 ff.). Der Tatbestand des § 29 öKO wurde unverändert in § 29 öIO übernommen. Die Rechtsprechung und Literatur zu § 29 öKO beanspruchen daher weiterhin Geltung. 352 Der vollständige Tatbestand des § 29 öIO lautet: „Anfechtbar sind folgende, in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlungen: 1. unentgeltliche Verfügungen des Schuldners, soweit es sich nicht um die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung, um gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke oder um Verfügungen in angemessener Höhe handelt, die zu gemeinnützigen Zwecken gemacht wurden oder durch die einer sittlichen Pflicht oder Rücksichten des Anstandes entsprochen worden ist; 2. der Erwerb von Sachen des Schuldners zufolge obrigkeitlicher Verfügung, wenn das Entgelt aus den Mitteln des Schuldners geleistet worden ist. Sind diese Sachen von nahen Angehörigen des Schuldners erworben worden, so wird vermutet, daß das Entgelt aus den Mitteln des Schuldners geleistet worden ist.“ 353 § 28 öIO entspricht § 133 InsO, § 29 öIO findet seine Entsprechung in § 134 InsO und die §§ 30, 31 öIO sind mit den §§ 130–132 InsO vergleichbar. 354 Vgl. exemplarisch OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 ff. (Phoenix-Fall). 355 Feil, öIO, 7. Aufl., § 29 Rn. 2; B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/2; Rebernig, in: Konecny/Schuber, Insolvenzgesetze, Stand: 31. Lfg. 2009, § 29 Rn. 12.

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

lichkeit gleicht im Wesentlichen den Grundsätzen des deutschen Anfechtungsrechts.356 Einen grundlegend anderen Weg verfolgt es jedoch bei den subjektiven Anforderungen an die Unentgeltlichkeit. Zwar ist man sich auch in Österreich einig, dass der Tatbestand des § 29 öIO nicht nur Schenkungen i.S.d. § 938 ABGB357 erfasst.358 Daraus schließt das österreichische Recht aber lediglich, dass es auf eine Willenseinigung zwischen den Parteien nicht ankommen kann, nicht jedoch, dass der Anfechtungstatbestand nun von jeglichen subjektiven Elementen befreit wäre.359 Eine rein objektive Auslegung der Unentgeltlichkeit lehnt die Rechtsprechung ausdrücklich ab.360 Vielmehr setzt die Anwendung des § 29 öIO in subjektiver Hinsicht wesensnotwendig voraus, dass die anfechtbare Rechtshandlung nach der Intention des Handelnden eine unentgeltliche Verfügung gewesen sein muss.361 Dieser Wille des Verfügenden ersetzt die schenkungsrechtliche Willenseinigung und ist nun an ihrer Stelle für die Anfechtbarkeit unverzichtbar.362 Nur wenn die Leistung eine Freigebigkeit des Schuldners verwirklichen soll, kommt eine unentgeltliche Verfügung

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Vgl. nur Feil, öIO, 7. Aufl., § 29 Rn. 3; B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/3 ff.; Rebernig, in: Konecny/Schuber, Insolvenzgesetze, Stand: 31. Lfg. 2009, § 29 Rn. 5 ff. 357 Schenkung ist jeder „Vertrag, wodurch eine Sache jemandem unentgeldlich überlassen wird“, § 938 ABGB. 358 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (157); OGH, Urt. v. 03.10.2008 – 3 Ob 175/08v, ÖBA 2009, 397 (399); OGH, Urt. v. 18.10.2001 – 6 Ob 175/01f, ÖBA 2002, 814 (815); OGH, Urt. v. 05.07.2001 – 6 Ob 1/01t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 07.11.1989 – 4 Ob 594/89, ÖBA 1990, 471 (472). 359 Vgl. OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (157); OGH, Urt. v. 05.07.2001 – 6 Ob 1/01t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 07.11.1989 – 4 Ob 594/89, ÖBA 1990, 471 (472); B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/13; Koziol/Bollenberger, in: Buchegger/Bartsch, öKO, Bd. 1, 4. Aufl., § 29 Rn. 5. 360 OGH, Urt. v. 07.11.1989 – 4 Ob 594/89, ÖBA 1990, 471 (472). 361 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (157); OGH, Urt. v. 03.10.2008 – 3 Ob 175/08v, ÖBA 2009, 397 (399); OGH, Urt. v. 07.11.1989 – 4 Ob 594/89, ÖBA 1990, 471 (472); Feil, öIO, 7. Aufl., § 29 Rn. 1; B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/13; Koziol/Bollenberger, in: Buchegger/Bartsch, öKO, Bd. 1, 4. Aufl., § 29 Rn. 4; Petschek/Reimer/Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht, § 44, S. 345; G. Wilhelm, ecolex 1990, S. 23. 362 Vgl. B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/13: „Das Gesetz hat aber nicht nur die Schenkung, sondern jede Art unentgeltlicher Verfügungen für anfechtbar erklärt. Zunächst ist hieraus abzuleiten, dass es auf die Willenseinigung nicht ankommen kann. Auf den Willen des Verfügenden, der auf die Unentgeltlichkeit ausgerichtet ist, kann aber wohl nicht verzichtet werden.“

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

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in Betracht.363 Es muss also zunächst immer geprüft werden, ob der subjektive Wille des Schuldners darauf gerichtet war, seine Leistung unabhängig von einer Gegenleistung zu erbringen.364 Irrt er sich über die Unentgeltlichkeit der Leistung, scheidet die Anfechtung von vornherein aus.365 Darüber hinaus fordert das österreichische Recht zum Schutz des Anfechtungsgegners auch auf Seiten des Empfängers ein subjektives Moment. Handelt es sich um eine zweiseitige Verfügung, insbesondere um einen gemischten Vertrag, kommt eine Anfechtung als (teilweise) unentgeltliche Verfügung nur bei einem übereinstimmenden Schenkungsbewusstsein beider Parteien in Betracht.366 Bei einseitigen Verfügungen, die nicht auf einem Vertrag zwischen den Parteien beruhen, ist hingegen zumindest die Erkennbarkeit der Freigebigkeit auf Empfängerseite erforderlich.367 Die Erkennbarkeit ist vom Standpunkt 363 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (157); OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 19.05.2009 – 3 Ob 2/09d, ÖBA 2009, 832; OGH, Urt. v. 03.10.2008 – 3 Ob 175/08v, ÖBA 2009, 397 (399); OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (474); OGH, Urt. v. 18.10.2001 – 6 Ob 175/01f, ÖBA 2002, 814 (815); OGH, Urt. v. 29.01.2001 – 3 Ob 44/00t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 12.12.1985 – 7 Ob 671/85, SZ Bd. 58 (1985), Nr. 209, S. 1012 (1014); OGH, Urt. v. 21.11.1985 – 7 Ob 652/85, SZ Bd. 58 (1985), Nr. 185, S. 880 (882). Vgl. auch Rebernig, in: Konecny/Schuber, Insolvenzgesetze, Stand: 31. Lfg. 2009, § 29 Rn. 7, allerdings mit einer Einschränkung für die irrtümliche Leistung auf eine Nichtschuld, Rn. 14 a.E.: hier soll mangels objektiven Entgelts der fehlende Wille zur Freigebigkeit nicht entscheidend sein, wohl aber der Empfänger die Unentgeltlichkeit erkennen können. 364 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (157); OGH, Urt. v. 19.05.2009 – 3 Ob 2/09d, ÖBA 2009, 832; OGH, Urt. v. 03.10.2008 – 3 Ob 175/08v, ÖBA 2009, 397 (399); OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (474); OGH, Urt. v. 18.10.2001 – 6 Ob 175/01f, ÖBA 2002, 814 (815); OGH, Urt. v. 05.07.2001 – 6 Ob 1/01t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 29.01.2001 – 3 Ob 44/00t, veröffentlicht im RIS; Feil, öIO, 7. Aufl., § 29 Rn. 3; B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/13; Rebernig, in: Konecny/Schuber, Insolvenzgesetze, Stand: 31. Lfg. 2009, § 29 Rn. 7; Schumacher, ÖBA 2003, S. 288 (292). 365 Koziol/Bollenberger, in: Buchegger/Bartsch, öKO, Bd. 1, 4. Aufl., § 29 Rn. 4; Petschek/Reimer/Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht, § 44, S. 348; G. Wilhelm, ecolex 1990, S. 23. 366 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (157); OGH, Urt. v. 18.10.2001 – 6 Ob 175/01f, ÖBA 2002, 814 (815). Vgl. auch Bollenberger, ÖBA 2002, S. 816 (817); Feil, öIO, 7. Aufl., § 29 Rn. 4; Rebernig, in: Konecny/Schuber, Insolvenzgesetze, Stand: 31. Lfg. 2009, § 29 Rn. 7. 367 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (158); Bollenberger, ÖBA 2002, S. 816 (817); B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/15; Koziol/Bollenberger, in: Buchegger/ Bartsch, öKO, Bd. 1, 4. Aufl., § 29 Rn. 5; Rebernig, in: Konecny/Schuber, Insolvenzgesetze, Stand: 31. Lfg. 2009, § 29 Rn. 9. Noch offengelassen von OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

eines durchschnittlich verständigen Menschen aus zu beurteilen.368 Durfte der Empfänger nach der Erklärung des Schuldners davon ausgehen, dass dessen Verfügung als Vergütung für eine entgeltlich zu erbringende Leistung gedacht war, scheidet die Anfechtung aus.369 Denn auf eine plausible Erklärung des Schuldners darf sich der Empfänger verlassen.370 Enthält die Aussage des Schuldners hingegen irreale Angaben, die jeden durchschnittlich verständigen Adressaten auf den ersten Blick misstrauisch machen, ist trotz der irreführenden Angaben die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit zu unterstellen.371 Durch die Anknüpfung der Unentgeltlichkeitsanfechtung an den Willen des Schuldners zur Freigebigkeit und die Erkennbarkeit der Freigebigkeit auf Empfängerseite verwehrt das österreichische Recht den Gläubigern die Anfechtung gem. § 29 öIO in Fällen, in denen die herrschende Meinung im deutschen Recht die Unentgeltlichkeitsanfechtung gem. § 134 InsO unproblematisch durchgreifen lässt. So können die Gläubiger bewusst rechtsgrundlose Leistungen ihres Schuldners – wie im Phoenix-Fall – nur zurückfordern, wenn die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung für den Anfechtungsgegner erkennbar war.372 Und auch bei der Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld ist der Zugriff auf den fremden Forderungsgläubiger nur möglich, wenn der Schuldner als zahlender Dritter die Wertlosigkeit der getilgten Forderung kannte und dies für den Forderungsgläubiger zumindest erkennbar war.373

225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (476); OGH, Urt. v. 18.10.2001 – 6 Ob 175/01f, ÖBA 2002, 814 (815); OGH, Urt. v. 29.01.2001 – 3 Ob 44/00t, veröffentlicht im RIS. 368 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (532); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (160). 369 OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (476). Vgl. auch OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (158); Bollenberger, ÖBA 2002, S. 816 (817); Koziol/Bollenberger, in: Buchegger/Bartsch, öKO, Bd. 1, 4. Aufl., § 29 Rn. 5. 370 Vgl. OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (476). 371 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (532); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (160 f.). 372 Vgl. OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 ff.; OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 ff. Im Phoenix-Fall bejahte der OGH jedoch gleichwohl die Anfechtbarkeit der Auszahlung der Scheingewinne gem. § 29 öKO a.F., da die hohen Gewinnversprechungen der Phoenix jeden durchschnittlich verständigen Adressaten schon auf den ersten Blick hätten misstrauisch machen müssen; daher sei trotz der irreführenden Angaben der Phoenix von der Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auszugehen gewesen, vgl. die soeben genannten Urteile. 373 Vgl. OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 ff.

III. Die systematischen Bezüge des § 134 InsO

129

4. Fazit Der Überblick über die verwandten Normen des § 134 InsO hat gezeigt, dass ein einheitliches Verständnis von der Unentgeltlichkeit im bürgerlichen Recht nicht existiert.374 In § 988 BGB ist die Unentgeltlichkeit ein weiter Auffangtatbestand, der jeden Besitzerwerb ohne wirksam vereinbarte Gegenleistung erfasst, im Bereicherungsrecht hingegen findet der enge, rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsbegriff Anwendung, der eine kausalvertragliche Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit erfordert. Trotz dieser Vielfältigkeit lassen sich jedoch Strukturmerkmale erkennen, die die Unentgeltlichkeit jedenfalls überwiegend prägen. Die Schenkung bildet in nahezu allen Normen den Prototyp der unentgeltlichen Zuwendung. In den bereicherungsrechtlichen Normen tritt diese Verbindung bis heute deutlich zutage, und auch im Schenkungssteuerrecht ist die enge Verbindung der freigebigen Zuwendung zur bürgerlich-rechtlichen Schenkung nach wie vor präsent. Im Erbrecht hat sich zwar ein ganz eigener, objektiv und subjektiv geprägter Unentgeltlichkeitsbegriff entwickelt, der auf die besonderen Zwecke der erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen zugeschnitten ist. Der Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte zeigt allerdings, dass auch dieses Unentgeltlichkeitsverständnis seine Wurzeln im Schenkungsrecht findet.375 Lediglich die unentgeltliche Besitzerlangung i.S.d. § 988 BGB lässt keinen direkten Bezug zum Schenkungsrecht erkennen. Die Unentgeltlichkeit setzt sich in aller Regel sowohl aus objektiven als auch aus subjektiven Elementen zusammen. Sehr deutlich wird dies im Bereicherungsrecht, im österreichischen Anfechtungsrecht und im Erbschaftssteuerrecht. Nichts anderes gilt aber auch im Erbrecht: Abgesehen vom Sonderfall der Rechtsgrundlosigkeit ist im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB grundsätzlich ein subjektives Element zum Nachweis der Unentgeltlichkeit erforderlich. Eine Ausnahme bildet auch hier § 988 BGB: Hier findet tatsächlich ein rein objektiver Unentgeltlichkeitsbegriff Anwendung, der keine subjektiven Elemente beinhaltet.

374

Vgl. auch RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (359): „nichts zwingt dazu anzunehmen, dass der Ausdruck [Anm.: Unentgeltlichkeit] überall in dem gleichen Sinne angewendet worden ist. Es bedarf vielmehr für jede Vorschrift einer besonderen Prüfung, welche Bedeutung diesem Worte bei ihr zukommt.“ Gegen ein einheitliches Unentgeltlichkeitsverständnis auch Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (zu § 816 und § 2113 BGB); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 11 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 445. Für ein einheitliches zivilrechtliches Unentgeltlichkeitsverständnis hingegen Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 399 ff. 375 Vgl. dazu Pyszka, Unentgeltliche Verfügungen, S. 10 ff., der die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen daher nur auf echte Schenkungen anwenden will, S. 45 ff., 75 ff. Kritisch auch W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 157 ff.; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 420 ff.

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Kapitel 2: Die historischen, telelogischen und systematischen Grundlagen

Die subjektiven Anforderungen an die Unentgeltlichkeit konzentrieren sich in erster Linie auf die Person des Zuwendenden. So fragen die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen allein danach, ob dem Vorerben bzw. Testamentsvollstrecker die Unentgeltlichkeit der Verfügung bekannt war oder nach dem Maßstab einer ordnungsgemäßen Verwaltung hätte bekannt sein müssen. Die Vorstellungen des Verfügungsempfängers treten dahinter vollständig zurück. Derselbe Mechanismus lässt sich im Erbschaftssteuerrecht beobachten, das ebenfalls allein auf subjektive Elemente auf Seiten des Zuwendenden abstellt. Auch das österreichische Anfechtungsrecht knüpft im Rahmen des § 29 öIO primär an den Freigebigkeitswillen des Schuldners an. Die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite treten lediglich ergänzend an die Seite der unabdingbar erforderlichen Kenntnis des Schuldners von der Unentgeltlichkeit seiner Verfügung. Schließlich ist deutlich geworden, dass der Wille des Zuwendenden zur altruistischen Freigebigkeit kein wesentliches Element der Unentgeltlichkeit ist. Selbst das Erbschaftssteuerrecht, das tatbestandlich auf eine „freigebige Zuwendung“ abstellt, sowie der eng am Schenkungsrecht orientierte § 822 BGB fordern für die Unentgeltlichkeit keinen Willen des Zuwendenden zur reinen Freigebigkeit. Der drittschützende Charakter der Normen verbietet es, den vom Zuwendenden verfolgten, weitergehenden Zwecken entscheidende Bedeutung beizumessen.

Kapitel 3 K a p ite l 3 :

Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

Teil C: Eigene Leitlinien

Die Analyse der historischen, teleologischen und systematischen Grundlagen des § 134 InsO ermöglicht nun eine differenzierte Stellungnahme zu den eingangs vorgestellten Grundkonzepten und die Entwicklung eigener Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO. I. Überprüfung der verschiedenen Ansätze zur Auslegung der Unentgeltlichkeit I. Überprüfung der verschiedenen Ansätze

Die von den verschiedenen Ansichten vorgebrachten Argumente für und gegen die rein objektive oder die rechtsgeschäftlich ausgerichtete Auslegung des § 134 InsO können nunmehr einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Sie wird zeigen, dass nur ein vermittelndes Grundkonzept dem Charakter der Unentgeltlichkeitsanfechtung gerecht wird. 1. Stellungnahme zum objektiven Ansatz der herrschenden Meinung Das rein objektive Verständnis der Unentgeltlichkeit findet in den historischen, teleologischen und systematischen Grundlagen des § 134 InsO keine ausreichende Stütze. a) Das Argument, der Wortlaut des § 134 InsO deute auf eine rein objektive Auslegung hin, da er im Gegensatz zu § 516 Abs. 1 BGB keine Einigung über die Unentgeltlichkeit erfordere, überzeugt nicht. Als der Konkursgesetzgeber den Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung in § 25 KO 1877 normierte, existierten das BGB und damit auch der Schenkungstatbestand des § 516 Abs. 1 BGB noch nicht. Von einer bewussten Abgrenzung der beiden Tatbestände kann daher keine Rede sein. Auch fand die Einigung über die Unentgeltlichkeit nur deshalb Eingang in den Wortlaut des § 516 Abs. 1 BGB, weil die Rechtsnatur der Schenkung im gemeinen Recht umstritten war. Der Gesetzgeber wollte mit dem Einigungserfordernis Klarheit über die Vertragsnatur der Schenkung schaffen, aber keinesfalls zum Ausdruck bringen, dass die Unentgeltlichkeit grundsätzlich objektiv zu verstehen und nur im Schenkungsrecht ausnahmsweise auch subjektiv geprägt sei. Der Blick auf die Umstände der Entstehung des § 25 KO 1877 hat vielmehr gezeigt, dass eine rein objektive Interpretation der Unentgeltlichkeit der Vorstellung des Konkursgesetzgebers vollkommen fremd war.

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

b) Zuzugeben ist, dass die zunehmende Objektivierung der Unentgeltlichkeitsanfechtung auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Bereits im Jahr 1883 koppelte das Reichsgericht die Auslegung des § 25 KO a.F. von seinen schenkungsrechtlichen Grundlagen ab und bestimmte die Unentgeltlichkeit anhand eines objektiven Vermögensvergleichs. Die Idee eines anfechtungsspezifischen Verständnisses der Unentgeltlichkeit geht auf den Vorschlag Cosacks aus dem Jahr 1884 zurück. Diese Entwicklungen beruhten allerdings nicht auf einem stringenten dogmatischen Konzept, sondern wurden aus der Not heraus geboren. Das Anfechtungsrecht stand vor der Herausforderung, den für das gesamte deutsche Reich geltenden Tatbestand der Schenkungsanfechtung mit Leben zu füllen, ohne dass in den Partikularrechtsordnungen ein Konsens darüber bestand, was unter einer Schenkung im allgemeinen zivilrechtlichen Sinne zu verstehen war. Dieser Konsens wurde erst mit dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 geschaffen, doch war das dort gewählte Schenkungsverständnis vergleichsweise eng. Da es der Gesetzgeber versäumte, in den Materialien Klarheit über das Verhältnis der Schenkung i.S.d. BGB und der unentgeltlichen Verfügung im anfechtungsrechtlichen Sinne zu schaffen, fand trotz der nunmehr einheitlichen bürgerlich-rechtlichen Grundlage keine Harmonisierung zwischen Schenkungsrecht und Unentgeltlichkeitsanfechtung statt. Allerdings wandte sich die Rechtsprechung in der Folgezeit tendenziell wieder einem eher subjektiv geprägten und schenkungsrechtlich orientierten Verständnis der Unentgeltlichkeit zu.1 Dies änderte sich erst wieder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In den 1970er-Jahren hielt der Grundsatz der ‚weiten’, objektivierten Auslegung des § 32 KO in die Rechtsprechung der Gerichte Einzug.2 Hintergrund dieses Wandels war jedoch kein geändertes dogmatisches Verständnis der Unentgeltlichkeitsanfechtung, sondern ein gesetzlicher Missstand: Die Anfechtung hatte eine so geringe Durchschlagskraft, dass die Gerichte versuchten, mit Hilfe einer möglichst weitgehenden Tatbestandsausdehnung der Massearmut entgegenzusteuern. Der Ausnahmecharakter der Unentgeltlichkeitsanfechtung fiel dabei dem Bedürfnis nach der Aufrechterhaltung einer effektiven Haftungsverwirklichung zum Opfer.3 Mit der Insolvenzrechtsreform hat der Gesetzgeber diese Missstände beseitigt. Auch der Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung erfuhr eine erhebliche Verschärfung: Der Anfechtungszeitraum wurde auf vier Jahre ausgedehnt 1

So die Einschätzung von Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 435. Vgl. auch RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (359). 2 Erstmals findet sich das klare Bekenntnis zu einer „weiten“ Ausdeutung des Begriffs der unentgeltlichen Verfügung – soweit ersichtlich – im Urteil des BGH v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673 f. 3 Kritisch dazu, da die Unentgeltlichkeitsanfechtung als allgemeiner Anfechtungstatbestand nicht der Vorbeugung gegen Massearmut dienen darf, Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 444.

I. Überprüfung der verschiedenen Ansätze

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und dem Empfänger die Beweislast für den Zeitpunkt der Vornahme der unentgeltlichen Leistung auferlegt. Die Effektivität des Anfechtungsrechts wurde wiederhergestellt. Der Rückgriff auf das äußerst fragwürdige Hilfsmittel der ‚weiten’ Tatbestandsausdeutung ist damit nicht mehr angezeigt. Das Anliegen, den Gläubigerschutz zu erhöhen, wurde durch die Reform verwirklicht. Der Gesetzgeber hat durch die Änderungen im Tatbestand des § 134 InsO gezeigt, in welchen Bereichen er den Gläubigerinteressen stärkeres Gewicht verleihen will. Mit diesen umfassenden Erweiterungen hat er den Spielraum zum Schutz der Gläubigerinteressen ausgeschöpft.4 Dies zeigt vor allem der vergleichende Blick auf das österreichische Recht, das den Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung eng versteht und es dennoch bei der Insolvenzrechtsreform im Jahr 2010 als zu weitgehend empfand, die – bloß zweijährige! – Anfechtungsfrist an die Antragsstellung anzuknüpfen.5 Für den Grundsatz der ‚weiten’ Auslegung der Unentgeltlichkeitsanfechtung bleibt damit nach der Insolvenzrechtsreform kein Platz mehr.6 Auf ein überzeugendes, historisch gewachsenes dogmatisches Konzept kann sich die objektive Sichtweise nicht stützen. c) Auch der Blick auf die verwandten Normen des BGB weckt erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der objektiven Sichtweise. Zwar hat die Auslegung der unentgeltlichen Besitzerlangung im Rahmen des § 988 BGB gezeigt, dass das BGB durchaus einen weiten, objektiven Begriff der Unentgeltlichkeit kennt. Allerdings unterscheidet sich der Interessenkonflikt des § 988 BGB erheblich von der Anfechtungssituation, denn der Herausgabepflichtige hat hier eine sehr viel schwächere, da doppelt angreifbare Rechtsposition inne als der vollwirksam erwerbende Anfechtungsgegner im Rahmen des § 134 InsO.7 Das Reichsgericht hat in seinem Grundsatzurteil zum weiten Unentgeltlichkeitsverständnis des § 988 BGB daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „diese Deutung des Begriffs der Unentgeltlichkeit vielleicht für den § 988 BGB und möglicherweise auch für § 816 I 2 BGB zu einem angemessenen Ergebnis führe, für den § 516 BGB aber sicherlich unrichtig ist und auch bei anderen Bestimmungen wie z.B. § 32 Nr. 2 KO schwerlich zutreffen kann.“8

In den übrigen verwandten Normen des § 134 InsO ist die Unentgeltlichkeit hingegen durch objektive und subjektive Merkmale gekennzeichnet. Im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB wurden die subjektiven Anforderungen auf Seiten des Verfügenden durch den Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung zwar weitgehend objektiviert, und bei rechtsgrundlosen Leistungen

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Sogar verfassungsrechtliche Bedenken äußert C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (245). Vgl. B. König, Änderungen im Anfechtungsrecht, in: IRÄG 2010, S. 79 (92). 6 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 444; C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (245). 7 Vgl. oben S. 100. 8 RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (359). 5

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

soll hier sogar ein rein objektiver Maßstab gelten. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es bei den erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen um Verfügungen über fremdes Vermögen geht. Im Vergleich dazu ist die Schutzwürdigkeit der Gläubiger im Rahmen des § 134 InsO weitaus geringer ausgeprägt, weil der Schuldner hier über eigenes Vermögen disponiert, über das er als Eigentümer uneingeschränkt verfügungsbefugt ist.9 Nichts anderes gilt auch im Vergleich zu der bereicherungsrechtlichen Durchgriffshaftung gem. §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB: In diesen Normen geht es um den Substanzschutz des früheren Berechtigten, während bei der Unentgeltlichkeitsanfechtung lediglich der Schutz des Befriedigungsinteresses der Gläubiger im Raum steht.10 Dennoch verzichtet § 816 Abs. 1 S. 2 BGB darauf, den Durchgriff schon bei einer (unbeabsichtigten) objektiven Unausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung zuzulassen. Bei der Auslegung des § 822 BGB, der von allen verwandten Normen in seiner Interessenlage dem § 134 InsO am nächsten kommt, konnte sogar eine besonders enge Anknüpfung an das Schenkungsrecht beobachtet werden. Vor diesem Hintergrund würde eine objektive Auslegung der Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 134 InsO eine Sonderstellung einnehmen, die sich im Vergleich zu den verwandten Normen des BGB, die viel gewichtigere Interessen schützen, nicht rechtfertigen lässt. d) Vor allem aber gerät die objektive Auslegung in Konflikt mit den teleologischen Grundwertungen des § 134 InsO. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung beruht auf einem Schuldnerfehlverhalten. Erst die Tatsache, dass der Schuldner mit seinem Verhalten die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage stellt, begründet das schutzwürdige Interesse der Gläubiger an der Wiederherstellung der Haftungsmasse und damit die Grundlage für die Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners. Mit dieser teleologischen Grundwertung ließe sich die objektive Sichtweise nur vereinbaren, wenn man das Schuldnerfehlverhalten schon für gegeben hält, sobald die vom Schuldner ausgelöste Rechtsfolge objektiv gesehen nicht den Gläubigerinteressen entspricht.11 Dieses verobjektivierte Verständnis wird der Bedeutung des Schuldnerfehlverhaltens jedoch nicht gerecht: Die Grundbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung werden erst dadurch gefährdet, dass der Schuldner sich bewusst für die einseitige Begünstigung eines Dritten entscheidet. Verhält er sich nach seinem persönlichen Kenntnisstand hingegen marktkonform, mindert aber objektiv die Haftungsmasse, so tritt zwar

9

Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443. 11 So die Auffassung von Heim, Schenkungsanfechtung, S. 190: „Mit einem beachtlichen Gegenwert rechtlich überhaupt nicht verknüpfte Leistungen des Schuldners erachten die Gläubiger – unabhängig von den subjektiven Vorstellungen der Beteiligten – als ein Fehlverhalten des Schuldners, weil solche Leistungen für die Gläubiger besonders gefährlich sind.“ 10

I. Überprüfung der verschiedenen Ansätze

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eine Gläubigerbenachteiligung ein, doch die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung werden nicht in Frage gestellt. Denn es gehört zum allgemeinen Verkehrsrisiko, dass ein Schuldner wirtschaftlich unkluge Entscheidungen trifft. § 134 InsO darf nicht dazu dienen, jede gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners rückgängig zu machen und damit alle wirtschaftlich ungünstigen Entscheidungen einer nachträglichen Kontrolle durch die Gläubiger zu unterwerfen. Eine solche objektive Wirtschaftlichkeitsprüfung ist vom Schutzzweck des § 134 InsO nicht gedeckt.12 Nur wenn der Schuldner die Interessen seiner Gläubiger bewusst vernachlässigt, indem er sich gegenüber Dritten freigebig zeigt und später seine Schulden nicht bezahlen kann, müssen die Gläubiger ihr Befriedigungsrecht im Wege der Anfechtung schützen können. Dieser teleologisch implizierten Beschränkung des § 134 InsO auf marktunübliche, auf ein Schuldnerfehlverhalten zurückzuführende Gläubigerbenachteiligungen wird die objektive Sichtweise nicht gerecht. 2. Stellungnahme zu Fischers rechtsgeschäftlichem Ansatz Weitaus mehr Unterstützung findet der rechtsgeschäftliche Ansatz Fischers in den entwickelten Grundlagen des § 134 InsO. Seine Anknüpfung an die materielle Causa der Zuwendung ist tief in den dogmatischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts verankert. Damit verwirklicht er den Willen des Konkursgesetzgebers, das allgemeine bürgerliche Recht und den Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung zu harmonisieren. Die Teleologie und der Blick auf die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts sprechen zumindest nicht gegen das rechtsgeschäftliche Verständnis: Mit der Vereinbarung einer unentgeltlichen Causa geht immer auch ein Schuldnerfehlverhalten einher. Die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts knüpfen zwar nicht ausschließlich an das rechtsgeschäftliche Modell an, ihnen liegen aber auch viel gewichtigere Interessen des Anspruchsstellers zugrunde. Daher mag bei ihnen eine erweiternde Auslegung gerechtfertigt erscheinen, während es im Rahmen des § 134 InsO wegen der weniger schutzbedürftigen Interessen der Gläubiger bei einer engen Auslegung bleibt. a) Allerdings gehen die Anforderungen des rechtsgeschäftlichen Modells über die teleologischen Mindestbedingungen des § 134 InsO hinaus. Denn die Rechtfertigung der Unentgeltlichkeitsanfechtung hängt nicht von der Existenz einer materiellen Causa ab, sondern ist an ein Fehlverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern geknüpft, das sich in der bewusst einseitigen Be-

12

Vgl. dazu auch die Bedenken von C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (246) mit Blick auf die weite Auslegung des § 134 InsO: Es bestehe die Gefahr, dass die Anfechtung gem. § 134 InsO dazu benutzt werde, alle privatautonom getroffenen Entscheidungen des Schuldners zugunsten der Gläubiger in einem Sinne zu korrigieren, wie es die ökonomische Vernunft gebiete. Dafür biete das Anfechtungsrecht keine geeignete Grundlage.

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

günstigung eines Dritten ohne Forderung eines eigentlich zu erwartenden Entgelts niederschlägt. Ein solches Fehlverhalten ist nicht nur im Anwendungsbereich der materiellen Causae denkbar. Vielmehr gibt es auch Fallkonstellationen, in denen der Empfänger endgültig einen Vermögensvorteil ohne Gegenleistung erwirbt und der Schuldner dies auch bezweckt hat, ohne dass diesem Erwerb ein rechtsgeschäftlicher materieller Behaltensgrund zugrunde liegt. So kennt das bürgerliche Recht einseitig begünstigende Erwerbstatbestände, die auf Rechtsgründen beruhen, denen weder ein rechtsgeschäftliches noch ein gesetzliches Schuldverhältnis zugrunde liegt (sog. ‚bloße Behaltensgründe’).13 Sie werden durch den jeweiligen Zweck der gesetzlichen Anordnung – der Förderung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens oder der Sanktion widersprüchlichen Verhaltens – gerechtfertigt.14 Einer zusätzlichen Rechtfertigung durch einen rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Rechtsgrund bedürfen sie nicht. Zu diesen Fällen gehört der Erwerb kraft Aneignung nach vorheriger Dereliktion des Schuldners oder kraft Vollendung der Verjährung bzw. Ablauf einer Ausschlussfrist, aber auch die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung einer materiell nicht bestehenden Rechtsposition mit Hilfe eines wirksamen, aber unberechtigten Titels.15 Diese einseitigen Begünstigungen des Empfängers scheiden mangels materiellem Kausalgeschäft nach der rechtsgeschäftlichen Ansicht generell aus dem Anwendungsbereich des § 134 InsO aus, auch wenn der Schuldner mit ihnen die unentgeltliche Begünstigung des Empfängers bewusst bezweckt hat und der Empfänger dies möglicherweise sogar erkennen konnte.16 Unberücksichtigt bleiben müssen nach der rechtsgeschäftlichen Sichtweise auch solche Vorteilsverschaffungen, die zwar mit einem materiellen Kausalgeschäft verknüpft werden können, aber nicht notwendig sein müssen. So muss etwa der freiwillige Verzicht auf ein beschränktes dingliches Recht an einem Grundstück (§ 875 BGB), den der Berechtigte einseitig durch Abgabe einer materiellen Aufgabeerklärung herbeiführen kann, nicht notwendig mit einem materiellen Rechtsgrund unterlegt werden.17 Obwohl die bewusste Begünsti-

13 Vgl. Motive BGB, S. 852, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 476; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, Vorbem zu §§ 812 ff., Rn. 36. Zur Dereliktion auch Kleinschmidt, Verzicht, S. 339: „für die Dereliktion (…) kein Rechtsgrund erforderlich.“ 14 Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, Vorbem zu §§ 812 ff., Rn. 36. 15 Vgl. Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, Vorbem zu §§ 812 ff., Rn. 36. 16 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 390. 17 Peter, AcP 200 (2000), S. 149 (186) zum schweizerischen Recht. Anders Kleinschmidt, Verzicht, S. 341 f. Dass der Verzicht in Abhängigkeit zu einem materiellen Rechtsgrund gestellt werden kann, steht außer Frage. Notwendig erscheint dies aber nicht: Der Verzicht ist auch dann wirksam, wenn der Verzichtende ihn nicht in Abhängigkeit zu einem materiellen Kausalgeschäft stellt, sondern ihn schlicht vornimmt.

I. Überprüfung der verschiedenen Ansätze

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gung des Empfängers hier außer Frage steht, fällt diese Zuwendung nach Fischers Ansatz nur dann unter § 134 InsO, wenn die Parteien ihren Bestand von einem materiellen Geschäftszweck abhängig gemacht haben. Nichts anderes gilt für Vorteilsverschaffungen, die dem Begünstigten zwar keinen echten materiellen Behaltensgrund vermitteln, wohl aber ein faktisches Behaltendürfen rechtfertigen: Hierunter fällt etwa die Befreiung von der (vindikations- und) bereicherungsrechtlichen Rückgabepflicht bei der bewussten Leistung auf eine Nichtschuld (§ 814 Alt. 1 BGB) oder bei der Zusendung nicht bestellter Ware (§ 241a BGB).18 Da diesen Vorteilen keine materielle Causa zugrunde liegt, kommen sie als unentgeltliche Leistungen i.S.d. § 134 InsO generell nicht in Betracht, auch wenn der Schuldner den anderen Teil bewusst einseitig begünstigt hat. Ebenso scheitert auch die Vernichtung eines günstigen Rechtsgeschäfts durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts nach der rechtsgeschäftlichen Sichtweise bereits an den Eingangsvoraussetzungen des § 134 InsO. Wurde der Schuldner etwa vom Anfechtungsgegner beschenkt und gibt diese Rechtsposition nun durch einen Rücktritt oder eine Anfechtung gem. §§ 119 ff. BGB wieder auf, so lässt sich auf Grundlage von Fischers Ansatz an die Anwendung des § 134 InsO nicht einmal denken, denn die Ausübung des Gestaltungsrechts begründet keine materielle Causa.19 Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner den Schenker mit der Ausübung des Gestaltungsrechts bewusst von der Belastung durch die Schenkung befreien wollte und die Situation damit wirtschaftlich einem Forderungsverzicht gleicht. b) Die rechtsgeschäftliche Sichtweise schließt diese Fallgestaltungen aus dogmatisch-konstruktiven Gründen aus dem Anwendungsbereich des § 134 InsO aus, obwohl sie von den teleologischen Grundwertungen der Norm gedeckt sind. Ihr bleibt in diesen Fällen nur die Möglichkeit einer analogen Anwendung. Dieses methodische Vorgehen kann mit Blick auf die historische Entwicklung der Norm nicht überzeugen. Denn nach einer weit verbreiteten Auffassung zählten viele dieser Fälle im Zeitpunkt des Inkrafttretens der KO zu den echten Schenkungen, deren Rechtsnatur damals stark umstritten war. So sah Savigny in der „Befreyung eines Schuldners durch absichtlich schlechte Prozeßführung, oder durch gerichtliches Einverständnis“ ebenso eine Schen-

18 § 241a Abs. 1 BGB schließt alle Ansprüche gegen den Empfänger der unbestellten Leistung aus, mithin auch die Rückgabeverpflichtung aus § 985 BGB oder § 812 BGB (BTDrucks. 14/2658 S. 46; Finkenauer, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 241a Rn. 1; Sutschet, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 241a Rn. 9). Vor einem gesetzlichen Eigentumsübergang scheute sich der Gesetzgeber jedoch; die damit verbundene dauerhafte Trennung von Eigentum und Besitz nahm er unter Hinweis auf die Rechtslage nach Vindikationsverjährung bewusst in Kauf (BT-Drucks. 14/2658 S. 46). Ausführlich zur rechtlichen Qualifikation des § 814 Alt. 1 BGB unten S. 414. 19 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 390.

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kung wie „wenn Jemand wissentlich Zahlung leistet für ein Indebitum, während der Empfänger es für eine wahre Schuld hält.“20 Aus Sicht des Konkursgesetzgebers, der die tatbestandliche Ausdeutung des § 25 KO 1877 ganz den Partikularrechtsordnungen überließ, konnten mithin auch solche einseitigen Begünstigungen in den Anwendungsbereich der Schenkungsanfechtung fallen. Zudem hat sich gezeigt, dass die Normgeschichte weitgehend von dem Bestreben geprägt war, die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht allein an dogmatisch-konstruktiven Hürden des Schenkungstatbestands scheitern zu lassen. Bereits im sächsischen und preußischen Recht zeigten sich klare Erweiterungstendenzen, um neben Schenkungen im engen Sinne auch ähnliche, mit der Schenkung auf gleicher Stufe stehende Zuwendungen erfassen zu können. Der Konkursgesetzgeber erstrebte zwar eine enge Anbindung an den Schenkungstatbestand, doch ließ er mit dem Begriff der ‚unentgeltlichen Verfügung’ genug Spielraum, um der Schenkung gleichwertige Zuwendungsvorgänge nicht von vornherein der Anfechtung zu entziehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht sachgerecht, nur aufgrund der dogmatischen Konstruktion, die das BGB für die Schenkung gewählt hat, bestimmte Fälle generell vom Anwendungsbereich des § 134 InsO auszuschließen, obwohl sie von den teleologischen Grundwertungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung erfasst sind. c) Auch der Blick auf die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts spricht nicht dafür, den Anwendungsbereich des § 134 InsO auf Leistungen mit Bezug zu einer rechtsgeschäftlichen materiellen Causa zu beschränken. Abgesehen von § 516 BGB liegt lediglich den Normen des Bereicherungsrechts das rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsverständnis zugrunde.21 Zu beachten ist allerdings, dass sich § 816 Abs. 1 BGB von vornherein nur auf Verfügungen im klassischen materiell-rechtlichen Sinne bezieht.22 Diesen liegt stets ein bestehendes oder zumindest beabsichtigtes Kausalverhältnis zugrunde.23 Die Anknüpfung an das rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsverständnis bedeutet daher im Rahmen des § 816 Abs. 1 BGB keine Beschränkung, sondern ist durch die Anknüpfung an den materiell-rechtlichen Verfügungsbegriff bereits

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Savigny, System, Bd. 4, § 160, S. 146, 147. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 301 geht davon aus, dass in den §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822, 988 BGB grundsätzlich der rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsbegriff zugrunde gelegt wird. Ihm ist zwar zuzugestehen, dass der Kern der Unentgeltlichkeit stets in dem rechtsgeschäftlichen Unentgeltlichkeitsbegriff liegt. Insbesondere bei § 988 BGB entspricht die Eingrenzung auf den leistungsbezogenen Besitzerwerb aber keineswegs der herrschenden Meinung; hier muss Fischer die Quellenlage in seinem Sinne auslegen, vgl. S. 299 f. Das Modell eines einheitlichen Unentgeltlichkeitsbegriffs bleibt damit eine These, kann aber nicht als systematisches Argument für eine Begrenzung des § 134 InsO allein auf Fälle der rechtsgeschäftlichen Unentgeltlichkeit herhalten. 22 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 266. 23 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 267 ff. 21

I. Überprüfung der verschiedenen Ansätze

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vorgegeben. Die Normen außerhalb des Bereicherungsrechts hingegen beschränken ihren Anwendungsbereich nicht nur auf Zuwendungen mit Bezug zu einer unentgeltlichen Causa, sondern erfassen auch ähnliche, vergleichbare Zuwendungsvorgänge. Die Anknüpfung des § 134 InsO an das rechtsgeschäftliche Modell gibt die systematische Betrachtung daher nicht zwingend vor. Schließlich erzeugt die Beschränkung der Unentgeltlichkeitsanfechtung auf rechtsgeschäftlich begründete Erwerbstatbestände die Gefahr, für jeden Zuwendungstatbestand eine rechtsgeschäftliche kausalvertragliche Einigung zu konstruieren, um die Anwendung des § 134 InsO rechtfertigen zu können. Derelinquiert ein Schuldner eine Sache in der Absicht, einem Dritten die Aneignung zu ermöglichen, so wird man geneigt sei, diesen Sachverhalt in eine Handschenkung umzudeuten, um den Gläubigern den Zugriff auf den Begünstigten zu ermöglichen. Daher erscheint es überzeugender, die Unentgeltlichkeitsanfechtung von vornherein nicht von derartigen dogmatisch-konstruktiven Hürden abhängig zu machen, sondern alle Zuwendungsvorgänge zu erfassen, die von den Wertungen des § 134 InsO gedeckt sind. Die Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Sichtweise auf Leistungen mit Bezug zu einer rechtsgeschäftlichen materiellen Causa ist daher zu eng.24 3. Zwischenergebnis Weder die objektive Sichtweise der herrschenden Meinung noch das rechtsgeschäftliche Konzept Fischers eignen sich als Grundmodell zur Auslegung des § 134 InsO. Die objektive Sichtweise entspricht nicht den Grundwertungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung und scheidet daher als überzeugendes Grundkonzept aus. Die rechtsgeschäftliche Sichtweise bietet hingegen ein geschlossenes, der allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsgeschäftslehre entnommenes Konzept und entspricht damit der Intention des historischen Gesetzgebers, Anfechtungsrecht und allgemeines Zivilrecht zu harmonisieren. Sie bildet daher überzeugend den Kerngehalt der Auslegung des § 134 InsO ab. Allerdings erweist sich die Beschränkung auf Leistungen, denen eine rechtsgeschäftliche materielle Causa zugrunde liegt, als zu eng. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung muss auch Zuwendungen erfassen, die sich nicht in dieses dogmatische Gerüst einfügen lassen, aber dennoch von den Grundwertungen des § 134 InsO gedeckt sind. Letztlich muss der Auslegung des § 134 InsO damit ein vermittelndes Konzept zugrunde gelegt werden. Geht es um Zuwendungen im Zusammenhang mit der Abwicklung von Kausalgeschäften, kann auf die Grundsätze des rechtsgeschäftlichen Konzepts zurückgegriffen werden. Die Auslegung des § 134 24 So i.E. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 33 ff., die daher für die Bestimmung der Unentgeltlichkeit auf einen insolvenzrechtsautonom zu bestimmenden „Verfügungszweck“ abstellt, der durch die causa geprägt werden könne, aber auch außerhalb von Verfügungen, denen ein Kausalgeschäft zugrunde liegt, Anwendung findet.

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

InsO muss allerdings so weit reichen, dass auch Zuwendungen außerhalb des rechtsgeschäftlichen Modells erfasst werden können. II. Die Grundlinien zur Auslegung des § 134 InsO II. Die Grundlinien zur Auslegung des § 134 InsO

Die Auslegung des § 134 InsO hat einem vermittelnden Grundkonzept zu folgen, das den Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht auf Leistungen zur Abwicklung einer rechtsgeschäftlichen materiellen Causa reduziert, aber dennoch ihre historisch gewachsenen und teleologisch vorgegebenen Wesensmerkmale respektiert. Aus dieser Erkenntnis heraus lassen sich die Grundlinien für die Ausgestaltung der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO skizzieren. 1. Schenkungen und schenkungsähnliche Zuwendungsvorgänge als Leitbild des objektiven Tatbestands des § 134 InsO a) Das Leitbild der von § 134 InsO erfassten Zuwendungsvorgänge bildet die Schenkung i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB. Nicht jede irgendwie geartete Vorteilsverschaffung kann die Anfechtung gem. § 134 InsO auslösen, sondern der Empfänger muss in einer Weise begünstigt werden, die – bei entsprechender rechtsgeschäftlicher Ausgestaltung – auch als Schenkung in Betracht käme oder ihr zumindest qualitativ gleicht. Für die Auslegung des § 134 InsO bedeutet dies: Den Ausgangspunkt für die Konturierung des objektiven Tatbestands des § 134 InsO müssen die Vorschriften des Schenkungsrechts bilden. Lässt sich eine Begünstigung auch als Schenkung denken, liegt die Anwendung des § 134 InsO nahe. Für diese Ausrichtung spricht insbesondere die historisch belegte, enge Verwurzelung der Unentgeltlichkeitsanfechtung im Schenkungsrecht: Das römische Recht knüpfte noch ausdrücklich an eine donatio des Schuldners an. Die Partikularrechtsordnungen erweiterten den Anwendungsbereich der Schenkungsanfechtung auf „ähnliche mit der Schenkung auf gleicher Stufe stehende Zuwendungen“, ohne die Verwurzelung der Anfechtung im Schenkungstatbestand zu leugnen. Der Konkursgesetzgeber nahm den Begriff der Schenkung zwar nicht in den Tatbestand des § 25 Nr. 1 KO 1877 auf, verwies aber in den Motiven für die Auslegung des Begriffs der unentgeltlichen Verfügung ausdrücklich auf die Schenkung i.S.d. bürgerlichen Rechts, die damals noch partikularrechtlich geregelt war. Auch die ersten Äußerungen in den Kommentaren zeugen davon, dass aus Sicht der damaligen Zeit in erster Linie Schenkungen im allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Sinne von § 25 KO 1877 erfasst werden sollten und mit dem weit gefassten Tatbestand lediglich die Klarstellung bezweckt war, dass die Verfügung nicht von einem altruistisch geprägten animus donandi getragen sein musste.

II. Die Grundlinien zur Auslegung des § 134 InsO

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Bestätigt wird die grundsätzliche Anbindung des § 134 InsO an den Schenkungstatbestand durch einen Blick auf die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts: Nahezu alle Tatbestände, die auf der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs beruhen, nehmen in erster Linie auf Schenkungen i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB Bezug. Besonders betont wird diese Verbindung bis heute im Rahmen des § 822 BGB, der von den teleologischen Wertungen her der Unentgeltlichkeitsanfechtung am nächsten kommt. Die Schenkung i.S.d. § 516 BGB bildet somit den Prototyp einer unentgeltlichen Zuwendung im Sinne des allgemeinen bürgerlichen Rechts. Schließlich wird durch die Beschränkung auf schenkungsähnliche Vorteilszuwendungen dem teleologisch geforderten Ausnahmecharakter der Unentgeltlichkeitsanfechtung Rechnung getragen: § 134 InsO soll die Gläubiger nicht dazu berechtigen, jedwede Rechtshandlung, die ihre Befriedigungsaussichten schmälert, angreifen zu können. Denn nicht jede Entscheidung des Schuldners, einen Dritten einseitig zu begünstigen, begründet die Gefahr, dass er durch leichtfertiges Verhalten seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Dies ist vielmehr nur bei Vermögensbeeinträchtigungen der Fall, denen eine gewisse Intensität innewohnt. Gerechtfertigt ist die Anfechtung daher nur, wenn die Begünstigung des Empfängers und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Gläubiger eine mit der Schenkung vergleichbare Qualität besitzt. b) Liegt allerdings eine Vorteilsverschaffung vor, die in ihrer Qualität einer schenkungsrechtlichen Begünstigung gleicht, scheitert die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht daran, dass sich dieser Zuwendungsvorgang nicht in das dogmatische Konstrukt einer rechtsgeschäftlichen materiellen Schenkungscausa einfügen lässt. Die drittschützende Wirkung der Unentgeltlichkeitsanfechtung würde von reinen Zufälligkeiten abhängen, wenn allein die dogmatische Ausgestaltung als Schenkung entscheidend wäre, und der Schenkung wirtschaftlich gleichende Tatbestände generell ausgenommen würden. aa) Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der Unentgeltlichkeitsanfechtung wird durch den Blick auf die historischen und systematischen Bezüge des § 134 InsO gestützt. Schon in den Partikularrechtsordnungen des 19. Jahrhunderts erkannte man die Missbrauchsmöglichkeiten, die der „leicht zu umgehende“ Schenkungstatbestand dem Schuldner und dem potenziellen Anfechtungsgegner bot. Um dem Dritten eine effektive Durchsetzung seiner Rechte zu ermöglichen, erweiterten sie den Anwendungsbereich der Schenkungsanfechtung daher auch über reine Schenkungen hinaus. Ebenso wurde auch in den verwandten Normen des bürgerlichen Rechts verfahren. Besonders deutlich wird diese Entwicklung im Schenkungssteuerrecht. Ziel dieser Erweiterungen war stets, alle mit der Schenkung wirtschaftlich vergleichbaren Begünstigungen, die lediglich nicht in das dogmatische Korsett des Schenkungstatbestands passten, in den Anwendungsbereich der drittschützenden Normen einzubeziehen. Nichts anderes kann mithin auch für die Unentgeltlichkeitsanfechtung gelten. Der Wille des Gesetzgebers von 1877 steht dem nicht

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

entgegen: Zum einen wurden damals unter den Schenkungsbegriff keineswegs unstreitig nur Schenkungen im Sinne des heutigen § 516 Abs. 1 BGB verstanden. Mit seinem Verweis auf das Schenkungsverständnis im bürgerlichen Recht fasste der Konkursgesetzgeber auch Zuwendungsvorgänge unter § 25 Nr. 1 KO 1877, die heute nur noch schenkungsähnlichen Charakter haben. Zum anderen nahm der Gesetzgeber in den Motiven zwar in erster Linie auf Schenkungen im bürgerlich-rechtlichen Sinne Bezug, doch lässt die von ihm gewählte Formulierung der ‚unentgeltlichen Verfügung’ Platz dafür, wie im preußischen und sächsischen Recht auch ähnliche, mit der Schenkung auf gleicher Ebene stehende Zuwendungen zu erfassen. bb) Entscheidend ist somit, ob die Zuwendung des Schuldners in ihren Wirkungen einer Schenkung gleicht. Die dogmatische Ausgestaltung des Erwerbstatbestands tritt dahinter in ihrer Bedeutung zurück. Daher kommt die Anwendung des § 134 InsO auch dann in Betracht, wenn der Schuldner einen Vermögensgegenstand in dem Willen derelinquiert, einem anderen die Aneignung zu ermöglichen, oder eine Forderung bewusst verjähren lässt, um sie dem Forderungsinhaber faktisch zu erlassen. Lässt der Schuldner bewusst die Frist des § 937 BGB verstreichen und ermöglicht dem Erwerber auf diese Weise die Ersitzung, ist § 134 InsO ebenso in Betracht zu ziehen wie wenn der Schuldner im Prozess bewusst auf ein Rechtsmittel verzichtet, um dem anderen den in Streit stehenden Vermögensvorteil zu belassen, oder eine rechtsgrundlose Leistung erbringt, obwohl er weiß, dass er diese tatsächlich gar nicht schuldet. In diesen Fällen nutzt der Schuldner die jeweiligen gesetzlichen Anordnungen bewusst aus, um dem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die durch sie bewirkten Zuwendungen dürfen daher nicht schon deshalb generell aus dem Anwendungsbereich des § 134 InsO ausscheiden, weil ihnen keine rechtsgeschäftliche Schenkungscausa zugrunde liegt. 2. Die subjektiven Anforderungen an die Auslegung des § 134 InsO Kann in objektiver Hinsicht ein schenkungsähnlicher Zuwendungsvorgang festgestellt werden, so bleibt auf subjektiver Ebene zu klären, inwieweit diese Vorteilsverschaffung von entsprechenden Vorstellungen der Parteien begleitet werden muss. Dabei ist zwischen den subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite und auf Empfängerseite zu differenzieren. a) Erfordernis eines subjektiven Elements auf Schuldnerseite Die Untersuchung der historischen, teleologischen und systematischen Grundlagen des § 134 InsO spricht eindeutig dafür, als positive Tatbestandsvoraus-

II. Die Grundlinien zur Auslegung des § 134 InsO

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setzung der Unentgeltlichkeitsanfechtung ein subjektives Element auf Schuldnerseite zu fordern.25 In historischer Hinsicht deuten darauf insbesondere die Wurzeln des § 134 InsO im Tatbestand der Absichtsanfechtung hin: Diese ist von einem starken subjektiven Element auf Schuldnerseite, dem Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung, geprägt. Auch wenn die Unentgeltlichkeitsanfechtung heute nicht mehr an den Nachweis eines solchen Vorsatzes geknüpft ist, spricht der gemeinsame Ursprung dagegen, sämtliche subjektive Merkmale in Bezug auf die Unentgeltlichkeit für entbehrlich zu erklären. Eine solche Vorstellung wäre auch dem Konkursgesetzgeber völlig fremd gewesen: In den partikularrechtlichen Konkursordnungen, die ihm als Vorbild dienten, war die Anfechtung bei einem Irrtum des Schuldners über die Unentgeltlichkeit nicht vorgesehen. Nach Inkrafttreten der KO hielten die Kommentare zu § 25 Nr. 1 KO den Willen des Schuldners zur unentgeltlichen Verfügung für selbstverständlich und stritten sich lediglich darüber, ob auch der besondere Wille zur schenkweisen Zuwendung erforderlich sei. Auch die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts fordern überwiegend ein subjektives Element auf Seiten des Zuwendenden: Die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen greifen grundsätzlich nur ein, wenn der Verfügende die Unentgeltlichkeit kannte oder nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung kennen musste. Für die Schenkungssteuerpflicht gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist entscheidend, ob der Zuwendende mit dem Willen zur Freigebigkeit handelte. Daher erscheint es nur konsequent, auch für die Anfechtung gem. § 134 InsO auf die subjektiven Vorstellungen des Schuldners abzustellen. Dies entspricht aus rechtsvergleichender Sicht auch dem österreichischen Verständnis, nach dem die anfechtbare Rechtshandlung nach der Intention des Schuldners eine unentgeltliche Verfügung darstellen muss. Vor allem aber muss die Anfechtung schon deshalb an ein subjektives Element auf Schuldnerseite geknüpft sein, weil ihr Auslöser ein Fehlverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubiger ist. Nur die bewusste Verwirklichung des Tatbestands rechtfertigt die Vermutung, dass die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung nicht mehr gesichert sind. Der Zugriff auf den Begünstigten ist daher nur gerechtfertigt, wenn die unentgeltliche Zuwendung von einer entsprechenden Vorstellung des Schuldners gedeckt ist, weil sich in ihr nur dann ein Schuldnerfehlverhalten verwirklicht. Durchgreifenden Bedenken begegnet diese Auffassung nicht. Der rechtsvergleichende Blick auf das österreichische Recht zeigt, dass der Nachweis subjektiver Anforderungen auf Schuldnerseite den Anfechtenden nicht vor unüberwindbare Hindernisse stellt und den Gläubigerschutz nicht unangemessen beschneidet. Dies gilt umso mehr, als das österreichische Insolvenzrecht erst 25

Vgl. auch oben S. 131 ff. Ausdrücklich gegen ein subjektives Element auf Schuldnerseite hingegen Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 60: Es gebe teleologisch keinen Grund, auf subjektive Kriterien auf Schuldnerseite abzustellen.

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

im Jahr 2010 umfassend reformiert wurde.26 Eine Ausweitung der Unentgeltlichkeitsanfechtung oder eine Korrektur der subjektiven Auslegung des § 29 öIO wurde dabei nicht für notwendig erachtet.27 Es besteht also keineswegs die Gefahr, dass der Missbrauchsgefahr „Tür und Tor“ geöffnet und der Anwendungsbereich des § 134 InsO ausgehöhlt wird. Im deutschen Recht bestätigt dies ein Blick auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordert hier ebenso wie das Gläubigerinteresse im Anfechtungsrecht, dass die Steuerpflicht nicht allein von den willkürlichen Behauptungen des Zuwendenden abhängen darf.28 Gleichwohl wird die Schenkungssteuerpflicht nicht allein an den objektiven Tatbestand der Unentgeltlichkeit geknüpft, sondern erfordert eine entsprechende subjektive Willensrichtung des Zuwendenden. Zum Nachweis dieses Freigebigkeitswillens hat die Rechtsprechung tragfähige Grundsätze entwickelt, die die Praktikabilität des Steuerrechts aufrechterhalten. Dann lässt sich im Bereich des Anfechtungsrechts aber nicht einwenden, der Nachweis subjektiver Elemente stelle den Anfechtenden vor unüberwindbare Beweisschwierigkeiten. Dies gilt umso mehr, als der Insolvenzverwalter im Fall der Insolvenzeröffnung immerhin Einsicht in die Unterlagen des Schuldners hat und auf dieser Grundlage das Geschäftsgebaren und den Kenntnisstand des Schuldners nachvollziehen kann. Die Rechtsprechung zählte subjektive Elemente auf Schuldnerseite allerdings zu keiner Zeit zu den positiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO, die vom Anfechtenden stets darzulegen und zu beweisen wären. Dies zeigen Grenzfälle wie die Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld: Hier fordern die Gerichte keinen Nachweis darüber, ob der tilgende Schuldner die Wertlosigkeit der Forderung kannte.29 Allerdings hat die Rechtsprechung der Anfechtung bislang in keinem Fall stattgegeben, in dem sich der Schuldner über die Unentgeltlichkeit der Leistung nachweislich im Irrtum befand. Im Jahr 1914 stellte das Reichsgericht vielmehr fest, von einer unentgeltlichen Verfügung könne „nicht die Rede sein, wenn der Verfügende (…) eine vermeintlich fällige Forderung des anderen Teils anerkennt. Der Irrtum schließt die Annahme aus, dass der andere Teil die Sachen ohne Entgelt haben soll.“30 Der BGH hat sich bislang von der Prämisse, der Irrtum des Schuldners über die 26

Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) vom 20.05.2010 (BGBl. I 2010 Nr.

29). 27 Vgl. B. König, in: IRÄG 2010, S. 79 ff., der die umgesetzten und erwogenen Änderungen im Anfechtungsrecht darstellt; Vorschläge zur Herabsetzung der subjektiven Anforderungen erwähnt er nicht. 28 Vgl. Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 (343). 29 Vgl. nur die wegweisenden Urteile zur Unentgeltlichkeitsanfechtung bei Tilgung einer fremden Schuld: BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 ff.; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff.; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff. 30 RG, Urt. v. 30.06.1914 – VII 133/14, Gruchot 59 (1915), 521 (522).

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Unentgeltlichkeit stehe der Anfechtung entgegen, nicht distanziert.31 Die Anforderung eines subjektiven Elements auf Schuldnerseite steht mit der Rechtsprechung somit zumindest nicht in Widerspruch. aa) Inhalt und Bedeutung des subjektiven Elements Fordert die Unentgeltlichkeitsanfechtung somit ein subjektives Element auf Schuldnerseite, so bleibt zu untersuchen, welche Umstände vom Willen und Bewusstsein des Schuldners gedeckt sein müssen. Dabei ist zunächst der Bezugspunkt seines Fehlverhaltens festzulegen und zu klären, ob dem Schuldner bewusst sein muss, dass sein Vermögen keinen Ausgleich erfährt, oder ob sich das subjektive Element auf die Vorteilsverschaffung beim Empfänger bezieht. Anschließend können die einzelnen Bestandteile des subjektiven Elements auf Schuldnerseite näher konturiert werden. (1) Maßgeblicher Bezugspunkt des subjektiven Elements auf Schuldnerseite Bei der Frage, welche Stoßrichtung das subjektive Element auf Schuldnerseite verfolgt, lassen sich zwei Perspektiven unterscheiden: Einerseits könnte man darauf abstellen, ob dem Schuldner bekannt war, mit der Zuwendung die Interessen seiner Gläubiger zurückzusetzen. Ging er davon aus, dass seine Gläubiger mit den Rechtsfolgen seiner Leistung einverstanden gewesen wären, läge kein Schuldnerfehlverhalten vor. Maßstab für das subjektive Element wäre damit die Frage, ob der Erfolg der Leistung im mutmaßlichen Interesse der Gläubiger steht.32 Andererseits könnte man auch den Erfolg auf Empfängerseite für maßgeblich erachten und das subjektive Element davon abhängig machen, ob dem Schuldner bewusst war, dem Begünstigten unentgeltlich einen Vorteil zu verschaffen. Der Fokus läge nicht mehr auf dem Zustand des Schuldnervermögens und dem hypothetischen Konsens der Gläubiger, sondern auf der rein vorteilhaften Begünstigung des Empfängers. Im Rahmen des § 133 InsO ist das subjektive Element auf Schuldnerseite ohne Zweifel auf den Zustand des Schuldnervermögens bezogen. Es geht nicht darum, welchen Erfolg der Schuldner beim Begünstigten erzielen wollte, sondern Anknüpfungspunkt für die Anfechtung ist die vorsätzliche Schmälerung der Haftungsmasse zulasten der Gläubiger. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist seit dem Inkrafttreten der Konkursordnung jedoch vom Merkmal des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes befreit. Dem Schuldner wird (lediglich) vorgeworfen, sich gegenüber einem Dritten freigebig gezeigt und dabei die Interessen seiner Gläubiger aus den Augen verloren zu haben. Dieser Vorwurf wiegt sehr viel leichter als derjenige der bewussten Zurücksetzung der Gläubigerin-

31 32

Vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (103). In diese Richtung Thole, Gläubigerschutz, S. 476.

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teressen im Rahmen des § 133 InsO. Aus diesem Grund greift die Unentgeltlichkeitsanfechtung auch ‚nur’ vier Jahre – im Rahmen des § 32 KO war es noch ein Jahr – vor Antragsstellung zurück. Dies bedeutet zugleich, dass die Perspektive im Rahmen des § 134 InsO nicht auf die bewusste Zurücksetzung der Gläubigerinteressen, sondern auf die Begünstigung des Empfängers gerichtet ist: Es kommt darauf an, ob der Schuldner dem Empfänger einen echten, einseitigen Vorteil zuwenden wollte und dabei entgegen der wirtschaftlichen Vernunft auf die Anforderung eines ausgleichenden Entgegenkommens verzichtete. In dieser einseitigen Mehrung des Empfängervermögens liegt der besondere Umstand der unentgeltlichen Geschäfte, der diese im Wirtschaftsverkehr unüblich macht. Die Benachteiligung der Gläubiger ist lediglich die reflexhafte Folge dieses Verhaltens und wird über das objektive Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung abgedeckt. Über diese Auslegung lässt sich eine klare Abgrenzung zwischen § 134 InsO und § 133 InsO erzielen. Bezugspunkt des subjektiven Elements ist im Rahmen des § 134 InsO die unentgeltliche Leistung, nicht die Gläubigerbenachteiligung. Entscheidend ist, ob der Schuldner den Empfänger bewusst einseitig begünstigen wollte und dabei auf die Anforderung eines ausgleichenden Entgelts verzichtete. Nicht ausschlaggebend ist hingegen seine Vorstellung darüber, ob die Leistung den Interessen seiner Gläubiger entspricht und wirtschaftlich gesehen für sein Vermögen sinnvoll ist: Dieser, auf die Position des Schuldners und seinen Vermögensverlust abstellende Gedanke wird durch die Vorsatzanfechtung abgedeckt und bedarf des weiteren qualifizierenden Elements der Kenntnis des Empfängers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. (2) Inhaltliche Reichweite des subjektiven Elements Der Wille und das Bewusstsein des Schuldners müssen den gesamten objektiven Tatbestand der unentgeltlichen Zuwendung abdecken. Sein Wille muss zunächst darauf gerichtet sein, dem Anfechtungsgegner einen echten Vermögensvorteil zu verschaffen, der die Qualität einer Schenkung oder einer schenkungsähnlichen Begünstigung erreicht. Irrt er sich über die Qualität der Begünstigung, scheidet eine Anfechtung aus, auch wenn der Begünstigte tatsächlich einen echten materiellen Vermögensvorteil erhalten hat. Die subjektive Willensrichtung des Schuldners determiniert darüber hinaus auch den tauglichen Anfechtungsgegner: In Anspruch genommen werden kann nur derjenige, dem die Leistung aus Sicht des Schuldners zugutekommen sollte. Dies kann auch ein mittelbarer Empfänger sein, sofern der Schuldner ihn materiell begünstigen wollte. Der Wille des Schuldners muss schließlich auch auf die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung gerichtet sein. Nur wenn ihm bewusst ist, dass seiner Leistung kein ausgleichendes Entgegenkommen des Empfängers gegenübersteht, ist die Anwendung des § 134 InsO gerechtfertigt. Nicht notwendig ist hingegen der Wille des Schuldners zur schenkweisen Zuwendung.

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Dies hat nicht nur der vergleichende Blick auf das Verständnis der Unentgeltlichkeit in den verwandten Normen des BGB gezeigt, sondern auch die Normhistorie des § 134 InsO: Der Konkursgesetzgeber begründete den Verzicht auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gerade damit, dass es auf die ferneren Absichten und Motive des Schuldners nicht ankommen dürfe. Auch in der Literatur war man sich nach Inkrafttreten der KO schnell einig, dass die Anfechtung nicht am fehlenden animus donandi des Schuldners scheitern sollte. Sobald der Schuldner dem Begünstigten bewusst und willentlichen einen echten Vermögenvorteil unentgeltlich zuwendet, ist die Unentgeltlichkeitsanfechtung einschlägig, auch wenn er damit keine altruistische Freigebigkeit verfolgte. bb) Nachweis des subjektiven Elements Der Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung obliegt dem anfechtenden Gläubiger bzw. dem Insolvenzverwalter.33 Als positive Tatbestandsvoraussetzung des § 134 InsO ist damit auch der Wille des Schuldners zur unentgeltlichen Begünstigung des Empfängers vom Anfechtenden zu beweisen.34 Räumt der Schuldner diesen Willen nicht ausdrücklich ein, kann der Nachweis nur anhand äußerlich erkennbarer Merkmale geführt werden.35 Das Anfechtungsrecht kann sich hier an den im Schenkungssteuerrecht und im österreichischen Recht entwickelten Grundsätzen orientieren. Der Nachweis des Unentgeltlichkeitswillens des Schuldners wird dem Anfechtenden danach durch Vermutungen erleichtert. Denn wendet jemand einem anderen im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte bewusst einen Vorteil zu, ohne dafür ein Entgelt zu fordern, kann prima facie stets angenommen werden, dass er mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit handelte.36 Fehlt es also in einem typischen Zuwendungsvorgang objektiv an jedweder Gegenleistung, spricht eine Vermutung für einen entsprechenden Unentgeltlichkeitswillen des Schuldners.37 Es liegt nun am Anfechtungsgegner, diese Vermutung zu widerlegen. 33 Vgl. Breutigam, in: BerlKomm, InsO, 51. Erg.-Lfg., Nov. 2014, § 134 Rn. 10; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 163; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 83; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 49; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 45. Vgl. BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423). 34 So auch für das österreichische Recht OGH, Urt. v. 19.05.2009 – 3 Ob 2/09d, ÖBA 2009, 832. Vgl. auch OGH, Urt. v. 18.10.2001 – 6 Ob 175/01f, ÖBA 2002, 814 (816). 35 Vgl. Crezelius, FR 2007, S. 613 (622); Gebel, DStZ 1993, S. 451 (457); Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 (343). 36 BFH, Urt. v. 12.07.2005 – II R 8/04, BStBl. 2005 II, S. 845 (847); BFH, Urt. v. 29.10.1997 – II R 60/94, BFHE 183, 253 (258); Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 136. 37 OGH, Urt. v. 07.11.1989 – 4 Ob 594/89, ÖBA 1990, 471 (472); B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/14; Rebernig, in: Konecny/Schuber, Insolvenzgesetze, Stand: 31. Lfg. 2009, § 29 Rn. 8.

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

Auch ist davon auszugehen, dass dem Schuldner alle Umstände bekannt sind, von denen er nach dem Maßstab der allgemeinen Verkehrsüblichkeit Kenntnis haben müsste.38 Wird eine Gegenleistung erbracht, die in einem groben Missverhältnis zur Leistung steht, kann entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung unterstellt werden, dass der Schuldner dieses Missverhältnis kannte.39 Die Anfechtung scheitert damit nur dann am Nachweis des Unentgeltlichkeitswillens, wenn die objektiven Umstände darauf hindeuten oder der Anfechtungsgegner beweisen kann, dass sich der Schuldner im Zeitpunkt der Leistung im Irrtum über die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung befand. Im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hat der BFH allerdings überzeugend dargelegt, dass nicht jeder beliebige Irrtum des Zuwendenden geeignet ist, den Willen zur Unentgeltlichkeit auszuschließen.40 Denn bei der Frage nach dem Entgeltcharakter der Zuwendung handelt es sich „um einen komplexen normativen („wertungsausfüllungsbedürftigen“) Begriff, dessen exakter Sinngehalt sich nur durch umfangreiche und komplizierte rechtliche Wertungen und Subsumtionen erschließt.“41 Daher genügt es, wenn der Zuwendende die Unentgeltlichkeit in ihrem rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt ‚nach Laienart’ zutreffend erfasst – eine exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich.42 Diese Grundsätze 38

R E 7.1 Abs. 3 S. 3 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011; BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 (413); BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV 2006, 41 (43); BFH, Urt. v. 20.12.2000 – II R 42/99, BFHE 194, 435 (438); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (440); BFH, Urt. v. 10.09.1986 – II R 81/84, BFHE 148, 69 (71); BFH, Urt. v. 21.10.1981 – II R 176/78, BFHE 134, 357 (359). Ziel der Interpretation sollte auch im Rahmen des § 7 ErbStG die Erforschung des wirklichen Willens des Zuwendenden bleiben (zu weitgehend daher Schulze-Osterloh, StuW 1977, S. 122 [127 ff.]). Da ein innerer Vorgang wie der Wille jedoch nur anhand objektiver Tatsachen nachgewiesen werden kann, sind die nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen bekannten Tatsachen in jedem Fall ein Anhaltspunkt für das Vorliegen dieses inneren Vorgangs (so auch zutreffend Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 [334]). Sprechen die objektiven Umstände für eine Kenntnis von der Unentgeltlichkeit, ist es Sache desjenigen, der diese Anhaltspunkte entkräften will, entsprechendes Material vorzuweisen (so auch Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 [344]). Es bleibt also der wahre Wille des Zuwendenden maßgeblich und die subjektive Seite wird nicht vollständig objektiviert, aber gleichwohl ist der Nachweis des Unentgeltlichkeitswillens nicht unmöglich (vgl. Petzoldt, in: FS Felix, S. 331 [344]). 39 FG Berlin Brandenburg, Beschl. v. 22.04.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339; Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 139. Zum österreichischen Recht auch B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/14. 40 BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 (413); BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV 2006, 41 (43); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439). 41 BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 (413); BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV 2006, 41 (43); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (439 f.). 42 BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12, ZEV 2014, 267 in Rn. 11; BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 53/05, BFHE 218, 409 (413); BFH, Urt. v. 24.08.2005 – II R 28/02, ZEV

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können auf § 134 InsO übertragen werden. Ein Irrtum des Schuldners ist somit nur dann beachtlich, wenn er Tatsachen betrifft, die die objektive Unentgeltlichkeit ausschließen können und nicht nur auf fehlerhaften juristischen Wertungen beruhen.43 Sind ihm hingegen alle Tatsachen bekannt, aufgrund derer die Zuwendung als objektiv unentgeltlich zu qualifizieren ist, schadet sein bloßer Subsumtionsirrtum nicht.44 Glaubt der Schuldner etwa, er sei seinen Nichten oder Neffen gegenüber unterhaltspflichtig, so schließt dieser Irrtum die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht aus, weil er lediglich auf einem rechtlichen Subsumtionsfehler beruht. b) Die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite Zu fragen ist nun, ob der Unentgeltlichkeitswille des Schuldners von einem entsprechenden subjektiven Element auf Empfängerseite begleitet werden muss. Eine rechtsgeschäftliche Einigung zwischen den Parteien ist jedenfalls nicht erforderlich. Man könnte die Anfechtung aber stattdessen an den Nachweis der positiven Kenntnis des Anfechtungsgegners von seinem unentgeltlichen Erwerb knüpfen.45 Der Anfechtende müsste nicht nur nachweisen, dass der Schuldner mit dem Willen zur einseitigen Begünstigung des Empfängers gehandelt hat, sondern auch die positive Kenntnis des Anfechtungsgegners belegen. Vermittelnd könnte man nach dem Vorbild des österreichischen Rechts die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite fordern. Dem Anfechtenden würde damit zwar nicht der Nachweis der positiven Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Unentgeltlichkeit aufgebürdet, aber der Erfolg der Anfechtung hinge davon ab, dass der Empfänger die Unentgeltlichkeit seines Erwerbs bei pflichtgemäßer Sorgfalt zumindest hätte erkennen können.46

2006, 41 (43); BFH, Urt. v. 29.10.1997 – II R 60/94, BFHE 183, 253 (258); BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (440). 43 Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 136. 44 R E 7.1 Abs. 3 S. 4 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011; BFH, Urt. v. 02.03.1994 – II R 59/92, BFHE 173, 432 (440); auch Schulze-Osterloh, StuW 1977, S. 122 (126). 45 So Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 444: „Handelt es sich um einseitige Rechtsgeschäfte, (…) kommt eine Anfechtung gem. §§ 134 InsO, 4 AnfG nur dann in Betracht, wenn der Leistende den Empfänger bereichern wollte und letzterem dies im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts bekannt war.“ In dieselbe Richtung auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90: „Eine Einigung des Insolvenzschuldners und des Begünstigten über die Unentgeltlichkeit (wie sie § 516 Abs. 1 BGB fordert) ist entbehrlich. Doch ist zu fordern, dass die Zwecksetzungen des Schuldners und des Begünstigten wenigstens übereinstimmen.“; Henckel, ZIP 1990, S. 137 (139 ff.). 46 So das österreichische Recht, siehe S. 127 f. In dieselbe Richtung auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20: „Gehen die Vorstellungen der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit auseinander, liegt keine unentgeltliche Leistung vor, wenn nur der Schuldner die Leistung als unentgeltliche wollte, der Empfänger aber nach der Erklärung des Schuldners

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

aa) Unergiebigkeit der Analyse der historischen und systematischen Bezüge des § 134 InsO Der Blick auf den Wortlaut und die historischen und systematischen Bezüge des § 134 InsO gibt bei dieser Frage kein klares Ergebnis vor. Aus dem Wortlaut des § 134 InsO lassen sich keine Rückschlüsse ableiten. Der auf den ersten Blick objektiv gefasste Tatbestand besagt nicht, dass der Gesetzgeber bewusst auf die Implementierung von vertrauensschützenden Elementen auf Empfängerseite verzichtet hätte.47 Da der Konkursgesetzgeber die Ausdeutung des Begriffs der unentgeltlichen Verfügung vollständig dem bürgerlichen Recht der Partikularstaaten überlassen wollte, kam es ihm gar nicht in den Sinn, die Kenntnis des Empfängers von der Unentgeltlichkeit im Tatbestand besonders zu erwähnen. Auch aus § 143 Abs. 2 InsO ergibt sich keineswegs, dass es systemwidrig wäre, subjektiven Merkmalen auf Empfängerseite bereits auf tatbestandlicher Ebene Bedeutung beizumessen.48 Denn der Bezugspunkt des guten Glaubens i.S.d. § 143 Abs. 2 S. 2 InsO ist nicht in erster Linie der Entgeltcharakter der Leistung, sondern die gläubigerbenachteiligende Wirkung seines Erwerbs.49 Aus § 143 Abs. 2 InsO lässt sich damit lediglich ablesen, dass die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteiligung nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 134 InsO gehört. Welche Rechtsfolgen das berechtigte Vertrauen des Empfängers auf die Entgeltlichkeit der Leistung nach sich zieht, darüber gibt § 143 Abs. 2 InsO keinen Aufschluss. (1) Aus der historischen Entwicklung der Unentgeltlichkeitsanfechtung lässt sich ebenfalls keine klare Wertung für oder gegen einen Vertrauensschutz des Empfängers im Rahmen des § 134 InsO ableiten. Bereits im römischen Recht war der Grundsatz verankert, dass die subjektiven Voraussetzungen auf Empfängerseite beim unentgeltlichen Erwerb im Vergleich zur Absichtsanfechtung herabzusetzen sind. Bezugspunkt dieser Wertung war jedoch nicht der Entgeltcharakter der Leistung, sondern die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners, die damals noch zu den notwendigen Voraussetzungen der Schenkungsanfechtung zählte. Da die Unentgeltlichkeitsanfechtung im römischen Recht an eine echte Schenkung geknüpft war, die der Empfänger auch als solche annehmen musste (vgl. D. 42, 8, 6, 11 a.E.: „liberalitatem accepterunt“), hatte dieser von der Unentgeltlichkeit seines Erwerbs stets Kenntnis. Seitdem hat sich viel geändert: Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist vom Erfordernis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners befreit. Er davon ausgehen konnte, dass dessen Leistung als Vergütung für eine entgeltlich zu erbringende oder erbrachte Leistung gedacht war.“ 47 So aber Siemon, BB 1991, S. 81 (83); von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 146. 48 So jedoch Siemon, BB 1991, S. 81 (83). 49 Vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 143 Rn. 57; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 143 Rn. 59 ff.

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muss lediglich Kenntnis von der Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung haben. Überträgt man nun das Stufenverhältnis von starkem Schuldnerelement und schwachem Empfängerelement auf den geänderten Bezugspunkt der subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite, so wäre nunmehr auf Empfängerseite die Kenntnis von der Unentgeltlichkeit verzichtbar. Ebenso denkbar ist es aber, dass die Abschaffung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht lediglich zu einer Angleichung der subjektiven Anforderungen auf Schuldner- und Empfängerseite geführt hat. Genauso wie die Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO an den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Schuldnerseite und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz geknüpft ist, könnte die Unentgeltlichkeitsanfechtung den Willen des Schuldners zur unentgeltlichen Begünstigung und eine entsprechende Kenntnis des Empfängers von der Unentgeltlichkeit erfordern.50 Für die zweite Alternative spricht, dass der Verzicht auf die Gläubigerbenachteiligungsabsicht für den Konkursgesetzgeber bereits ein einschneidender Schritt war, der die Interessen des Anfechtungsgegners erheblich zurücksetzte. Dass damit zugleich jedes subjektive Element auf Empfängerseite entbehrlich werden und die Empfängerinteressen eine noch weitergehende Zurücksetzung erfahren sollten, erscheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft. Andererseits verwies der Konkursgesetzgeber zur Ausdeutung des Begriffs der unentgeltlichen Verfügung auf das Schenkungsverständnis im bürgerlichen Recht. Dort gab es gewichtige Stimmen, die eine Schenkung auch bei Unkenntnis oder sogar bei einem Irrtum des Empfängers über seine einseitige Begünstigung für möglich hielten.51 Auch diese Fälle bezog der Konkursgesetzgeber durch den Verweis auf das bürgerliche Recht mit ein. Der Insolvenzrechtsgesetzgeber hat sich zu den subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite nicht geäußert. Im Zeitpunkt der Insolvenzrechtsreform hatte die Rechtsprechung die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite zwar bereits für entbehrlich erklärt,52 aber dem Schweigen des Gesetzgebers kann nicht die generelle Billigung der gesamten bisherigen Auslegungspraxis entnommen werden. Die Normgeschichte des § 134 InsO lässt die Entscheidung über die Schutzwürdigkeit des Empfängers somit offen.

50 So das österreichische Anfechtungsrecht: Es sei ein Wertungswiderspruch, bei der Absichtsanfechtung die Anfechtbarkeit davon abhängig zu machen, dass dem Empfänger die Benachteiligungsabsicht zumindest bekannt sei, aber die Unentgeltlichkeitsanfechtung auch gegenüber einem Anfechtungsgegner zuzulassen, der auf die Entgeltlichkeit seines Erwerbs vertrauen durfte. Vgl. OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (158). 51 So Savigny, System, Bd. 4, § 160, S. 146 f. 52 Seit BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (102 f.).

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(2) Auch der vergleichende Blick auf die verwandten Vorschriften des bürgerlichen Rechts lässt keine klare Tendenz erkennen. Geschützt wird der Empfänger im Rahmen derjenigen Normen, denen das rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsverständnis zugrunde liegt: Hier war der Begünstigte entweder am Abschluss des unentgeltlichen Kausalgeschäfts beteiligt oder konnte die Unentgeltlichkeit – bei einer einseitigen materiellen Causa – zumindest aus der einseitigen rechtsgeschäftlichen Erklärung des Zuwendenden erkennen. Der rein objektiv geprägte § 988 BGB ist hingegen nach herrschender Auffassung auch bei einem Irrtum des Herausgabepflichtigen über die Entgeltlichkeit seines Besitzerwerbs anwendbar.53 Dieselbe Wertung spiegelt sich auch in der Auslegung der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB und § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wider: Der Fokus des subjektiven Elements liegt hier vollständig auf der Person des Verfügenden bzw. Zuwendenden. Die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen und die Schenkungssteuerpflicht greifen daher auch dann ein, wenn der Empfänger die Unentgeltlichkeit seines Erwerbs nicht kannte. (3) Der rechtsvergleichende Blick auf das österreichische Recht lässt hingegen eine andere Wertung erkennen: In Österreich scheitert die Unentgeltlichkeitsanfechtung gem. § 29 öIO aus Gründen des Empfängerschutzes, wenn der Begünstigte die Unentgeltlichkeit seines Erwerbs nicht erkennen konnte. Trotz objektiver Unentgeltlichkeit müssen die Gläubiger die Verminderung der Haftungsmasse somit hinnehmen, wenn der Anfechtungsgegner nachvollziehbar auf die Entgeltlichkeit seines Erwerbs vertraute. bb) Entscheidung auf Grundlage teleologischer Erwägungen Da die historischen und systematischen Grundlagen die Entscheidung nicht vorwegnehmen, ist ausschlaggebend, ob die § 134 InsO zugrunde liegende Interessenabwägung einen Vertrauensschutz des Anfechtungsgegners fordert. Zur Wahrung der Gläubigerinteressen muss sichergestellt werden, dass der Anfechtungstatbestand nicht durch missbräuchliche Behauptungen des Anfechtungsgegners ausgehebelt werden kann. Dem steht allerdings das Schutzbedürfnis des Empfängers gegenüber, dessen grundsätzlich vollwirksamer Erwerb nun – für ihn vollkommen überraschend – in Frage gestellt wird. (1) Keine positive Kenntnis des Empfängers von der Unentgeltlichkeit Auf den Nachweis der positiven Kenntnis des Empfängers von der Unentgeltlichkeit kann es vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht ankommen. Als rein innere Tatsache ist sie für den Anfechtenden schwer nachzuweisen. Da der Begünstigte daran interessiert ist, dass der Nachweis nicht gelingt, wird er seine Kenntnis stets bestreiten. Außerhalb von Kausalabsprachen, bei denen sich der

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Darauf weist vor allem Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (282) in seiner Argumentation hin.

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Empfänger an seinen Erklärungen festhalten lassen muss, würde die Anfechtung regelmäßig scheitern. Eine solche Auslegung würde dem Bestreben des Gesetzgebers zuwiderlaufen, die Anfechtungstatbestände von kaum beweisbaren, subjektiven Voraussetzungen zu befreien.54 (2) Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite? Der Vorschlag des österreichischen Rechts, auf die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit abzustellen, vermeidet hingegen unlösbare Beweisschwierigkeiten. Denn es kommt nicht auf die subjektive Kenntnis des Anfechtungsgegners an, sondern ausschlaggebend ist, ob er die Unentgeltlichkeit fahrlässig nicht erkannt hat, sie also bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können.55 Als Maßstab dient dabei nicht die persönliche Auffassungsgabe des Begünstigten, sondern der Standpunkt eines durchschnittlich verständigen Menschen.56 Für Schutzbehauptungen bleibt daher kein Raum. Nur wenn der Empfänger berechtigt darauf vertrauen durfte, entgeltlich zu erwerben, ist er in seinem guten Glauben geschützt.57 Der Nachweis der Erkennbarkeit scheint in der Praxis durchaus zu gelingen, denn diesbezüglich sah der österreichische Gesetzgeber bei der Insolvenzrechtsreform 2010 keinen Änderungsbedarf.58 (a) Keine Vorgabe durch die Wertungsgrundlagen des § 134 InsO Stellt der Nachweis der Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit den Anfechtenden demnach nicht vor unüberwindbare Beweisschwierigkeiten, wird man sie zumindest dann zu den positiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO zählen müssen, wenn man – mit der herrschenden Meinung59 – die Rechtfertigung der Unentgeltlichkeitsanfechtung aus der geringen Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs ableitet.60 Denn schlägt die § 134 InsO zugrunde liegende Interessenabwägung allein deshalb zugunsten der Gläubiger aus, weil 54

Dazu oben S. 77. Vgl. OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (532); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (159 f.); OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (476). 56 OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (532); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (160). 57 Vgl. OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (476). 58 Vgl. B. König, in: IRÄG 2010, S. 79 ff., der die umgesetzten und erwogenen Änderungen im Anfechtungsrecht darstellt; Vorschläge zur Herabsetzung der subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite im Rahmen der Unentgeltlichkeitsanfechtung erwähnt er nicht. 59 Vgl. oben S. 91 f. 60 Konsequent daher das österreichische Recht: Der Wille des Verfügenden könne nicht allein entscheidend sein, weil der Grundgedanke der Schenkungsanfechtung die Schutzunwürdigkeit des Empfängers sei, vgl. OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht 55

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der unentgeltliche Erwerber vermindert schutzwürdig und seine Inanspruchnahme daher ‚recht und billig’ erscheint, kann man den Begünstigten nicht zur Herausgabe des Erlangten verpflichten, wenn er die Unentgeltlichkeit trotz Anwendung der angemessenen Sorgfalt nicht erkennen konnte. Sein guter Glaube an seinen anfechtungsfesten Erwerb macht ihn schutzwürdig, und damit fiele das teleologische Fundament der Anfechtung weg. Nach der hier vertretenen Ansicht liegt der Auslöser der Unentgeltlichkeitsanfechtung jedoch nicht in erster Linie in der geringen Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs, sondern in einem Fehlverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern. Dieses bildet das teleologische Fundament, auf dem die Anfechtung aufbaut. Die geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs ist lediglich für die Frage bedeutsam, ob die schutzwürdigen Interessen der Gläubiger die Empfängerinteressen im konkreten Fall tatsächlich überwiegen oder nicht. Inwieweit die unentgeltliche Begünstigung für den Empfänger erkennbar gewesen sein muss, ist daher eine offene Wertungsfrage, deren Ergebnis teleologisch nicht vorgegeben ist.61 (b) Abwägungsentscheidung Über die subjektiven Voraussetzungen auf Empfängerseite ist somit aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden. (aa) Fordert man die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite, so bleibt man dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz treu, dass rechtsgeschäftlich wirksame Erklärungen Bindungswirkung haben und für den Empfänger Vertrauensschutz erzeugen. Dies entspricht der vom Konkursgesetzgeber intendierten Harmonisierung von allgemeinem Zivilrecht und Anfechtungsrecht. Würde man die Anfechtung hingegen zulassen, obwohl aus Sicht eines objektiven Empfängers eine entgeltliche Leistung vorlag, könnte sich kein Verkehrsteilnehmer mehr endgültig darauf verlassen, tatsächlich anfechtungsfest erworben zu haben. Das Risiko der anfechtungsrechtlichen Herausgabepflicht wäre nicht mehr kalkulierbar. (bb) Andererseits eröffnet der Vertrauensschutz des Empfängers dem Schuldner die Möglichkeit, Vermögensgegenstände anfechtungsfrei auf einen gutgläubigen Dritten zu übertragen, indem er die Zuwendung hinter falschen

im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (531); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (158); Koziol/Bollenberger, in: Buchegger/Bartsch, öKO, Bd. 1, 4. Aufl., § 29 Rn. 5. Die gleiche Schlussfolgerung zieht auch Thole, Gläubigerschutz, S. 456, der allerdings das Modell des Schuldnerfehlverhaltens befürwortet. 61 Ebenso Thole, Gläubigerschutz, S. 457; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 145.

II. Die Grundlinien zur Auslegung des § 134 InsO

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rechtsgeschäftlichen Erklärungen verschleiert.62 Dies erscheint vor allem deshalb misslich, weil in diesem Fall sogar ein besonders ausgeprägtes Schuldnerfehlverhalten zutage tritt: Werden die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung schon dann gefährdet, wenn der Schuldner einen Dritten beschenkt – was zwar im Wirtschaftsverkehr nicht üblich, aber immerhin nachvollziehbar ist –, so gilt dies umso mehr, wenn er die Vermögenwerte bewusst unentgeltlich auf den Dritten überträgt und dabei vorspiegelt, es handele sich nicht um einen einseitig begünstigenden Erwerb. Der Empfänger hingegen wird immerhin durch die objektiven Anforderungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung geschützt: Von § 134 InsO werden nur Zuwendungsvorgänge erfasst, die in ihrer Qualität einer Schenkung zumindest gleichkommen. Nicht jeder irgendwie geartete Vorteilserwerb kann somit von den Gläubigern über § 134 InsO rückgängig gemacht werden, sondern der Begünstigte muss in objektiver Hinsicht einen echten Vermögensvorteil erhalten haben.63 Darüber hinaus wird der Empfänger auch auf Rechtsfolgenseite durch § 143 Abs. 2 InsO geschützt.64 Ist ihm die gläubigerbenachteiligende Wirkung seines Erwerbs nicht bekannt, ist seine Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung begrenzt. Eine empfindliche Belastung seines Vermögens hat der gutgläubige unentgeltliche Erwerber daher nicht zu fürchten. Der Verzicht auf die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit ermöglicht zudem eine klare Abgrenzung des § 134 InsO von der Vorsatzanfechtung des § 133 Abs. 1 InsO. Zwar wurde als Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen bereits der Umstand herausgearbeitet, dass § 133 Abs. 1 InsO den Fokus auf die Folgen der Rechtshandlung für das Schuldnervermögen legt, während § 134 InsO die Begünstigung auf Empfängerseite im Blick hat.65 Praktische Auswirkungen hat dieser Perspektivwechsel jedoch in aller Regel nicht. Fordert man für § 134 InsO die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite, hätte die Unentgeltlichkeitsanfechtung gegenüber der Absichtsanfechtung nur einen kleinen eigenständigen Anwendungsbereich: Es würden zusätzlich Fälle erfasst, in denen der Vorsatz des Schuldners nicht auf die Benachteiligung seiner Gläubiger, sondern allein auf die Begünstigung des Empfängers gerichtet ist, und auf Empfängerseite wäre nicht die Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, sondern lediglich die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit erforderlich. Das römische Recht hat hingegen deutlich ge-

62

Henckel, ZIP 1990, S. 137 (141); Siemon, BB 1991, S. 81 (83); Thole, Gläubigerschutz, S. 457. 63 Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 457: Der maßgebliche Grund für die Inanspruchnahme des Empfängers sei die reine Vorteilhaftigkeit seines Erwerbs. 64 So auch Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (281); Heim, Schenkungsanfechtung, S. 193; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17; Siemon, BB 1991, S. 81 (83); Thole, Gläubigerschutz, S. 457; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 148. 65 Siehe oben S. 145 ff.

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

macht, dass der maßgebliche Unterschied zwischen Absichts- und Unentgeltlichkeitsanfechtung gerade in der Absenkung der subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite zu suchen ist. Fordert man für § 134 InsO ein starkes subjektives Element auf Schuldnerseite, aber verzichtet gleichzeitig auf ein subjektives Element auf Empfängerseite, so kann die Norm gegenüber § 133 Abs. 1 InsO klar abgegrenzt werden: Hat der Schuldner den Empfänger bewusst unentgeltlich begünstigt, ist auf Empfängerseite nicht erforderlich, dass dieser die reine Vorteilhaftigkeit seines Erwerbs erkennen konnte. cc) Fazit zu den subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite Die besseren Argumente sprechen dafür, den Erfolg der Anfechtung nicht davon abhängig zu machen, ob der Empfänger seine unentgeltliche Begünstigung erkennen konnte oder nicht.66 Sein Irrtum über die Unentgeltlichkeit des Erwerbs schließt die Anfechtung daher nicht generell aus, selbst wenn dieser vom Schuldner bewusst hervorgerufen wurde.67 Allerdings kann sich der Irrtum des Empfängers auf unterschiedliche Umstände seiner unentgeltlichen Begünstigung beziehen: Nicht nur über den Entgeltcharakter der Leistung kann er sich geirrt haben, sondern ihm kann auch bereits verborgen geblieben sein, überhaupt vom Schuldner begünstigt worden zu sein. Je nach Art des Irrtums kann sich das Schutzbedürfnis des Begünstigten verschärfen und die Interessen der Gläubiger nunmehr überwiegen. Ob es Irrtümer gibt, die dazu führen, dass die Interessenabwägung doch noch zugunsten des Empfängers ausschlägt, wird im Einzelnen zu klären sein.68 Festzuhalten aber bleibt zunächst, dass § 134 InsO nicht notwendig die Erkennbarkeit aller zur Anfechtung führenden Umstände auf Empfängerseite erfordert. c) Ergebnis Auf subjektiver Ebene ist die Unentgeltlichkeitsanfechtung von einem starken subjektiven Element auf Schuldnerseite geprägt, hinter dem die Vorstellungen

66

So i.E. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 61 ff. BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NZI 2013, 841 (843) in Rn. 21; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10, 12; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140) in Rn. 6; KG, Urt. v. 30.07.2010 – 14 U 194/09, NZI 2010, 775 (776); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 45; Büttner, InsVZ 2010, S. 323; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 10; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 32; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (280 f.); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 14; ders., AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 21; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 14; Thole, Gläubigerschutz, S. 457 f.; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 143 ff. 68 Siehe unten S. 220 ff. und S. 293 f. 67

III. Die Wesensmerkmale der unentgeltlichen Leistung

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des Empfängers in ihrer Bedeutung zurückstehen. Der Schuldner muss Kenntnis von allen Voraussetzungen des objektiven Tatbestands der unentgeltlichen Leistung haben und diese als Ergebnis seiner Rechtshandlung wollen. Seine Irrtümer und Fehlvorstellungen sind grundsätzlich beachtlich.69 Demgegenüber wird der Erfolg der Anfechtung nicht ohne weiteres dadurch in Frage gestellt, dass die einseitige Bereicherung für den Empfänger nicht erkennbar war. Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner den Irrtum des Empfängers bewusst hervorgerufen hat. Der Empfängerschutz wird vornehmlich auf objektiver, nicht auf subjektiver Ebene verwirklicht. Ob die Schutzwürdigkeit des Empfängers das Masseanreicherungsinteresse in bestimmten Irrtumskonstellationen gleichwohl überwiegt, ist bei der Bestimmung der konkreten Anforderungen an den Tatbestand der unentgeltlichen Leistung zu klären. III. Die Wesensmerkmale der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO III. Die Wesensmerkmale der unentgeltlichen Leistung

Durch die Untersuchung der historischen, teleologischen und systematischen Bezüge des § 134 InsO haben sich bestimmte Wesensmerkmale der Unentgeltlichkeitsanfechtung herauskristallisiert, die die Richtschnur für die Auslegung des § 134 InsO bilden. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens: Dem Schuldner wird vorgeworfen, einen anderen begünstigt und dabei auf eine Gegenleistung verzichtet zu haben, obwohl dies von einem wirtschaftlich denkenden Schuldner eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Dieser Vorwurf setzt voraus, dass der Schuldner sich autonom zu seiner Freigebigkeit entscheidet: Er muss die Wahl gehabt haben, entweder gar nicht, entgeltlich oder unentgeltlich zuzuwenden – sein Fehlverhalten liegt nun darin, dass er sich für die letzte Variante entschieden hat. Diese Wahlfreiheit besteht von vornherein nur, wenn sich der Schuldner über die einseitige Bereicherung des anderen Teils bewusst ist. Nur dann gibt es für ihn überhaupt einen Anlass, von diesem ein Entgelt zu fordern. Der Vorwurf, auf ein Entgelt verzichtet zu haben, kann dem Schuldner zudem auch nur dann gemacht werden, wenn es aus seiner Sicht an einer ausgleichenden Gegenleistung fehlt. Geht der Schuldner davon aus, der andere Teil habe eine Gegenleistung zu erbringen, kann ihm kein Schuldnerfehlverhalten entgegengehalten werden. Die teleologische Verankerung der Unentgeltlichkeitsanfechtung in einem Schuldnerfehlverhalten führt also dazu, dass der Tatbestand des § 134 InsO von einem starken subjektiven Element auf Schuldnerseite geprägt ist: Nur wenn sich der Schuldner über alle Umstände der unentgeltlichen Zuwendung bewusst ist und er gleichwohl auf eine Gegenleistung verzichtet, gefährdet er durch sein Verhalten die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung und das Interesse seiner Gläubiger an einer Wiederherstellung der Haftungsmasse erscheint schutzwürdig. In dem 69

So auch Thole, Gläubigerschutz, S. 458 f.

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Kapitel 3: Die eigenen Leitlinien zur Auslegung des § 134 InsO

Vorwurf gegenüber dem Schuldner, entgegen der wirtschaftlichen Vernunft auf eine Gegenleistung verzichtet zu haben, liegt damit der unabänderliche, teleologische Kern des § 134 InsO. Alle gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen, die ein solches Schuldnerfehlverhalten verwirklichen, müssen in den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen. Dass der Empfänger nun für dieses Schuldnerfehlverhalten einstehen und seinen nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen rechtsbeständigen Erwerb den Gläubigern zur Verfügung stellen muss, wird anders als bei § 133 Abs. 1 InsO nicht durch seine Teilnahme an dem Fehlverhalten des Schuldners, sondern durch seinen rein vorteilhaften Erwerb gerechtfertigt. Daher begegnet es keinen Bedenken, die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite im Vergleich zum Schuldner zurückzunehmen. Die Tatsache, dass der Begünstigte aufgrund eines Fehlverhaltens des Schuldners einen reinen Vermögenszuwachs erfahren hat, lässt seinen individuellen Vertrauensschutz hinter den Interessen der Gläubiger zurückstehen. Geschützt wird er allerdings durch die objektiven Anforderungen an den von ihm erworbenen Vorteil: So muss er tatsächlich einen reinen Vorteil erhalten haben, für den die Vereinbarung einer Gegenleistung von einem wirtschaftlich denkenden Schuldner zu erwarten gewesen wäre. Den Gläubigern ist es nicht gestattet, im Wege der Anfechtung eine Korrektur aller wirtschaftlich nicht sinnvollen Entscheidungen ihres Schuldners herbeizuführen. Nur wenn es sich um ein außergewöhnliches, marktunübliches Verhalten des Schuldners handelt, sind die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet und die Interessen der Gläubiger können das Interesse des Empfängers überwiegen. Erhält dieser hingegen einen Vorteil, für den eine Gegenleistung nicht zu erwarten gewesen wäre oder der sich im Bereich des Marktüblichen hält, wird er nicht mit einer Anfechtung der Gläubiger belastet.70 Bei der Frage, welche Rechtshandlungen des Schuldners ein Schuldnerfehlverhalten i.S.d. § 134 InsO begründen, kann auf das Schenkungsrecht zurückgegriffen werden. Der historische Überblick hat gezeigt, dass die Unentgeltlichkeitsanfechtung tief im Schenkungsrecht verwurzelt ist. Der historische Gesetzgeber ging sogar davon aus, dass sich der Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung mit der Schenkung im allgemeinen zivilrechtlichen Sinne deckt. Die Schenkung bildet daher auch heute noch den Prototyp der gem. § 134 InsO anfechtbaren Leistungen. Von ihren Tatbestandsvoraussetzungen ausgehend sind die Anforderungen an die unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO zu entwickeln. Dabei steht es dem Anfechtungsrecht offen, die schenkungsrechtlichen Grundsätze im Sinne der oben entwickelten Interessen-

70

Auch das OLG München stellt im Beschl. v. 21.06.2013 – 14 U 579/13, NJW-RR 2014, 49 (50) maßgeblich darauf ab, ob die Schuldnerhandlung ein „marktübliches und marktgerechtes Phänomen“ darstellt.

III. Die Wesensmerkmale der unentgeltlichen Leistung

159

abwägung zu modifizieren. Einem wertenden Vergleich mit dem Schenkungsrecht müssen sich die Ergebnisse dieser anfechtungsrechtlichen Anpassung jedoch stets stellen. Das Schenkungsrecht dient somit als Fundament für die Auslegung des § 134 InsO, von dem ausgehend anfechtungsspezifische Änderungen vorgenommen werden können.

Teil B T e il B:

Der Tatbestand der unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO

Nachdem im ersten Teil die grundlegenden Leitlinien für die Auslegung des § 134 InsO entwickelt wurden, können nun die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Unentgeltlichkeitsanfechtung näher ausgedeutet werden. Im Fokus steht dabei zunächst der Leistungsbegriff des § 134 InsO. Die Leistung ist der Bezugspunkt des zweiten zentralen Tatbestandsmerkmals, der Unentgeltlichkeit. Erst wenn feststeht, was unter der Leistung im anfechtungsrechtlichen Sinne zu verstehen ist, kann geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen diese Leistung unentgeltlich ist.

Kapitel 1 K a p ite l 1 :

Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO Bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung konzentrieren sich Rechtsprechung und Literatur fast vollständig auf den Begriff der Unentgeltlichkeit.1 Sie wird als zentrales Tatbestandsmerkmal angesehen, hinter dem die Bedeutung des zweiten Merkmals – der Leistung – zurücktritt.2 Der Versuch, die Leistung i.S.d. § 134 InsO zu definieren, wird von kaum jemandem unternommen.3 Nahezu einig ist man sich, dass § 134 InsO weder auf das schuldrechtliche Verständnis der Leistung4 noch auf den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff abstellt.5 Anstatt sich aber auf die Suche nach einer passenden Begriffsbestimmung zu machen, verweisen Rechtsprechung und Literatur vorwiegend darauf, der Begriff der Leistung sei ‚weit’ auszulegen.6 Die konkreten Grenzen dieser erweiterten Auslegung werden dabei nicht aufgezeigt. An die Leistungshandlung scheinen jedenfalls 1

Siehe exemplarisch Heim, Schenkungsanfechtung, S. 100 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 441 ff. 2 Vgl. nur Ganter, NZI 2015, S. 249: Unentgeltlichkeit als „prägendes Tatbestandsmerkmal des § 134 InsO“; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 108: zentrales Tatbestandsmerkmal der Schenkungsanfechtung; Thole, Gläubigerschutz, S. 441: „Unentgeltlichkeit als Zentralbegriff der Schenkungsanfechtung“. 3 Eine Ausnahme bildet Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.89. 4 Prütting, KTS 2005, S. 253 (255). 5 BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 133/13, NZI 2014, 397 in Rn. 10; OLG Koblenz, Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 16; Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17, Rn. 99; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 103; Büttner, InsVZ 2010, S. 323; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 15; Prütting, KTS 2005, S. 253 (255); Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G19. A.A. Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210 S. 146; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7. 6 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (160) in Rn. 18; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 37; BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 48; OLG München, Beschl. v. 21.06.2013 – 14 U 579/13, NJW-RR 2014, 49; OLG Brandenburg, Urt. v. 10.09.2008 – 7 U 182/07, ZInsO 2009, 330; OLG Koblenz, Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); LG Köln, Urt. v. 19.01.2006 – 5 O 289/05, ZInsO 2006, 165 (166); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 15; Büttner, InsVZ 2010, S. 323; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 3; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 14; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl.,

Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

163

keine strengeren Anforderungen gestellt zu werden als an das allgemeine Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO: Es soll jedes Handeln des Schuldners genügen, das rechtliche Wirkungen zeitigt und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann.7 Auch der Katalog der benachteiligenden Maßnahmen, die als Leistung i.S.d. § 134 InsO in Betracht kommen, entspricht demjenigen der anfechtbaren Rechtshandlungen i.S.d. § 129 InsO.8 Daher verwundert es nicht, dass sich zunehmend die Auffassung durchsetzt, zwischen Leistung und Rechtshandlung bestehe kein Unterschied.9 Nicht erklären kann diese Auffassung allerdings, warum bereits § 32 KO in klarer terminologischer Abgrenzung zu den übrigen Anfechtungstatbeständen eben nicht an das allgemeine Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung anknüpfte, sondern eine ‚Verfügung’ des Schuldners forderte, und der Insolvenzrechtsgesetzgeber bei der sprachlichen Neugestaltung der Unentgeltlichkeitsanfechtung an dieser terminologischen Abgrenzung auch festgehalten hat. Einige Stimmen in der Literatur räumen daher ein, dass der

§ 134 Rn. 9; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 100; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 3; ders., in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 10; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 5; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 2. Insoweit auch noch Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G19; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 7; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12. 7 OLG Koblenz, Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541). Ähnlich auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.02.2013 – 6 Sa 451/11, ZInsO 2013, 1263 (1266); LArbG Köln, Urt. v. 08.01.2014 – 5 Sa 764/13, ZIP 2014, 1346 (1347); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 15, 16; Büttner, InsVZ 2010, S. 323; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 3; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 14; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 203. Vgl. auch Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 5: Jede Rechtshandlung, durch die das Vermögen des Schuldners vermindert wird; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 2: Jede Rechtshandlung, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem haftenden Vermögen des Schuldners zugunsten eines anderen zu entfernen; ebenso auch BGH, Urt. v. 21.01.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 (182); Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 9; Gehrlein, in: Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 2; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 5; Prütting, KTS 2005, S. 253 (255). 8 Vgl. nur die Aufzählung möglicher Rechtshandlungen i.S.d. § 129 InsO und möglicher Leistungen i.S.d. § 134 InsO bei Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 11 ff. und § 134 Rn. 5 ff.; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 129 Rn. 33 ff. und § 134 Rn. 5 f. 9 So Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 15; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 104; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 14; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G19; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 204.

164

Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Leistung gegenüber dem allgemeinen Merkmal der Rechtshandlung zusätzliche Selektionskraft zukommen muss.10 Worin genau diese liegen soll, wird allerdings nicht näher erläutert.11 Die Funktion und die Ausdeutung des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO sind somit völlig ungeklärt. Der erste Schritt bei der Entwicklung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO muss daher darin liegen, dem Leistungsbegriff klare Konturen zu verleihen. Den Ausgangspunkt bildet die Frage, ob der Leistungsbegriff tatsächlich nur ein funktionales Äquivalent zur Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO darstellt, oder ob er der Auslegung des § 134 InsO in weitergehender Art und Weise dienen könnte. Anschließend ist zu prüfen, ob der Begriff der Leistung im allgemeinen zivilrechtlichen Sinne dieser Funktion gerecht werden kann, bevor die einzelnen Charaktermerkmale des Leistungsbegriffs entwickelt werden. I. Die Funktion des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO I. Die Funktion des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO

Für die herrschende Meinung im Anfechtungsrecht scheint sich die Bedeutung des Leistungsbegriffs in den Funktionen, die auch das allgemeine Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO erfüllt, zu erschöpfen. Die Leistung bildet den Auslöser des konkreten Anfechtungsanspruchs und ist Anknüpfungspunkt für die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen: Sie muss gläubigerbenachteiligend wirken, die Anfechtungsfrist berechnet sich ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme (§ 140 InsO) und das Ziel der Anfechtung ist die Aufhebung ihrer gläubigerbenachteiligenden Wirkung. Zur Entwicklung der tatbestandlichen Konturen des § 134 InsO trägt die Leistung nach diesem Verständnis nichts bei: Diese werden allein durch das ‚zentrale’ Tatbestandsmerkmal der Unentgeltlichkeit ausgefüllt. Dieses Verständnis überrascht vor dem Hintergrund, dass der Wortlaut des § 134 InsO mit der Leistung des Schuldners und der Unentgeltlichkeit lediglich zwei Merkmale bereithält, um den Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung mit Leben zu füllen. Dass angesichts dieser geringen Interpretationsgrundlage eines der beiden Tatbestandsmerkmale auf eine Funktion reduziert wird, die bereits durch die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen abgedeckt wird, erscheint schwer nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als sich der Gesetzgeber mit dem Leistungsbegriff für ein Merkmal entschieden hat, dem im Bereicherungsrecht so zahlreiche Funktionen zugesprochen werden, dass

10

Vgl. Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 129 Rn. 21; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 10; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 10. 11 Anders nur Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 10: Er sieht den Unterschied zwischen Rechtshandlung und Leistung darin, dass für Letztere die Aufgabe eines Vermögensguts erforderlich sei.

I. Die Funktion des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO

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dort sogar vor einer „Übersteigerung des Leistungsbegriffs“ gewarnt wird.12 Es bestehen daher begründete Zweifel, ob der Leistungsbegriff tatsächlich nur das funktionale Äquivalent zum allgemeinen Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung bildet, und nicht auch zu der tatbestandlichen Konturierung der Unentgeltlichkeitsanfechtung einen eigenständigen Beitrag leisten soll. Der Leistungsbegriff ist in keinem anderen Anfechtungstatbestand enthalten. Dies deutet darauf hin, dass seine Funktion in dem besonderen Charakter der Unentgeltlichkeitsanfechtung verwurzelt ist. Die Besonderheit der Norm, die sie insbesondere von dem verwandten § 133 InsO unterscheidet, liegt in der Qualität des anfechtungsbegründenden Schuldnerfehlverhaltens: Dem Schuldner wird vorgeworfen, dem Empfänger einen Vorteil verschafft und dafür keine ausgleichende Gegenleistung gefordert zu haben, obwohl dies von einem wirtschaftlich denkenden Schuldner eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Durch dieses marktunübliche Verhalten hat er die Interessen seiner Gläubiger leichtfertig außer Acht gelassen. Ein solcher Vorwurf erfordert einen Zuwendungsvorgang, der zwischen den Parteien die Frage nach einem Entgelt überhaupt aufwirft. Denn nur wenn eine solche Zuwendung festgestellt werden kann, ist überhaupt die Grundlage für die Prüfung der Unentgeltlichkeit gegeben: Eine Gegen-‚Leistung’ kann nur dort vereinbart werden, wo eine ausgleichsbedürftige ‚Leistung’ des Schuldners vorliegt.13 Die besondere Aufgabe des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO könnte also darin liegen, die Anforderungen an die Art und Weise der Vorteilsverschaffung zwischen Schuldner und potentiellem Anfechtungsgegner zu formulieren. Die ‚Leistung des Schuldners’ markiert damit den ersten Teil des anfechtungsbegründenden Schuldnerfehlverhaltens: Sie stellt sicher, dass der Schuldner den Empfänger in einer Weise begünstigt hat, die die Anforderung eines Entgelts erwarten lässt. Hat der Schuldner auf dieses Entgelt verzichtet, also unentgeltlich geleistet, sind die Voraussetzungen des § 134 InsO erfüllt. Fehlt es hingegen bereits an einer ausgleichsbedürftigen 12 So Lieb, in: MüKo, BGB, 4. Aufl., § 812 Rn. 5. Kritisch zu den Funktionen, die die herrschende Meinung dem Leistungsbegriff zuordnet, auch S. Beck, Leistung, S. 394 f.; Kupisch, Gesetzespositivismus im Bereicherungsrecht, S. 12 und passim. Einen „Abschied vom Leistungsbegriff“ fordert Canaris, in: FS Larenz, S. 799 (857 ff.). 13 Vgl. zu dem Gedanken einer besonders qualifizierten Zuwendung als Grundvoraussetzung für Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit auch Haymann, Schenkung unter Auflage, S. 8: „das Merkmal der Entgeltlichkeit, dessen Nichtgegebensein die Schenkung kennzeichnet, [findet] seinem eigenen Sinn nach nur auf diejenigen Zuwendungen Anwendung (…), die nicht nur im formal-juristischen Sinne eine dingliche Rechtsänderung, sondern auch im wirtschaftlichen Sinn eine Vermögensverschiebung herbeiführen.“ Das Bedürfnis nach einer genaueren Fassung der als unentgeltlich zu qualifizierenden Verfügung i.S.d. § 32 KO sah auch Eckstein, ZZP 41 (1911), S. 67 (83): „Es kann nicht dem Sinne des Gesetzes entsprechen, alle Verfügungen, für die kein Entgelt geleistet wird, die also im engen Wortsinn unentgeltlich sind, unter das Anfechtungsrecht fallen zu lassen.“

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

‚Leistung’, besteht kein Anlass, über ein Fehlverhalten des Schuldners i.S.d. § 134 InsO weiter nachzudenken und zu prüfen, ob der Begünstigte eine ausgleichende Gegenleistung erbracht hat oder nicht. Weist man dem Leistungsbegriff im Tatbestand des § 134 InsO also die Funktion zu, eine ausgleichsbedürftige Zuwendung des Schuldners gegenüber dem potenziellen Anfechtungsgegner zu kennzeichnen, steht zugleich die Aufgabe für die Konturierung des Leistungsbegriffs fest: Es gilt, diejenigen Voraussetzungen einer Vorteilsverschaffung des Schuldners an den Empfänger herauszuarbeiten, die dazu führen, dass sich für ihn im Verhältnis zum Empfänger die Frage nach einer ausgleichenden Gegenleistung überhaupt stellt. Die herrschende Meinung geht nun davon aus, dass weder das schuldrechtliche noch das bereicherungsrechtliche Leistungsverständnis diese Funktion wahrnehmen kann. Dies gilt es zu überprüfen, bevor die einzelnen Voraussetzungen der ausgleichsbedürftigen Leistung herausgearbeitet werden. II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses für die Ausdeutung des § 134 InsO? II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses

Der Begriff der Leistung wurde im Zuge der Insolvenzrechtsreform im Jahr 1994 in den Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung eingeführt. Er ersetzte den vorher in § 32 KO verwendeten Begriff der Verfügung. Notwendig geworden war diese Änderung, weil sich das Verfügungsverständnis im allgemeinen bürgerlichen Recht nach dem Inkrafttreten des BGB entscheidend geändert hatte und daher nicht mehr zu dem bereits 1877 in Kraft getretenen Anfechtungstatbestand passte.14 Mit der sprachlichen Änderung wollte der Gesetzgeber Missverständnissen vorbeugen, die aus dem unterschiedlichen Begriffsverständnis im Anfechtungsrecht und im allgemeinen Zivilrecht entstehen könnten.15 Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass sich der Gesetzgeber mit dem Leistungsbegriff für ein ebenfalls stark vorbelastetes Tatbestandsmerkmal entschied. Da mit der Einführung des Leistungsbegriffs gerade Verwerfungen zwischen dem Anfechtungsrecht und dem allgemeinen bürgerlichen Recht beseitigt werden sollten, spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber in § 134 InsO auf das Leistungsverständnis im allgemeinen Zivilrecht verweisen wollte.16 Es ist daher zu prüfen, ob die Leistung i.S.d. § 134 14

Vgl. oben S. 75 f. Vgl. dazu S. 77 f. Ziel der Einführung des Leistungsbegriffes war die Klarstellung, dass von der Anfechtung nicht nur Verfügungen im materiell-rechtlichen Sinne erfasst sind, vgl. S. 78 Fn. 127. 16 Zwingende Schlussfolgerungen lassen sich aus der Aufnahme des Leistungsbegriffs in den Tatbestand des § 134 InsO freilich nicht ziehen, denn gleichlautende Rechtsbegriffe können in verschiedenen Regelungszusammenhängen durchaus eine unterschiedliche Bedeutung einnehmen (sog. „Relativität der Rechtsbegriffe“). Vgl. dazu Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 60; auch Engisch, Einführung, 8. Aufl., S. 78. 15

II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses

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InsO dem bürgerlich-rechtlichen Leistungsbegriff entspricht. Dafür ist zunächst zu klären, was das allgemeine Zivilrecht unter einer ‚Leistung’ versteht. Anschließend ist zu untersuchen, ob dieser Leistungsbegriff der Funktion, die die Leistung im Tatbestand des § 134 InsO einnimmt, gerecht werden kann. 1. Das Verständnis der Leistung im bürgerlich-rechtlichen Sinne a) Der Begriff der Leistung findet sich an unzähligen Stellen in allen Büchern des BGB. Seine Wurzeln liegen im Recht der Schuldverhältnisse (§§ 241–853 BGB). Hier entfaltet er als „zentraler Systembegriff“17 seine wesentliche Bedeutung. Eine allgemeingültige Definition, was unter einer Leistung zu verstehen ist, hält das Schuldrecht jedoch nicht bereit. Die Eröffnungsvorschrift des § 241 Abs. 1 BGB versteht unter einer Leistung dasjenige, was der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses vom Schuldner zu fordern berechtigt ist. Die Leistung ist hier also der Gegenstand einer Verpflichtung des Schuldners gegenüber seinem Gläubiger, der Inhalt der aus einem Schuldverhältnis hervorgehenden Schuld.18 Sie kann jedes mögliche Verhalten einer Person bezeichnen, das von einer anderen Person gefordert werden kann.19 Dass darin jedoch keine allgemeingültige Umschreibung des Leistungsbegriffs gesehen werden kann, macht ein Blick auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung deutlich. Hier ist die Leistung des Bereicherungsgläubigers tatbestandliche Voraussetzung der Leistungskondiktion, die zum Tragen kommt, wenn die Abwicklung einer Kausalbeziehung gescheitert ist. Damit kann sie jedoch nicht dasjenige sein, was der Gläubiger vom Schuldner kraft des Schuldverhältnisses zu fordern berechtigt war, denn in diesem Fall wäre die Kausalbeziehung erfolgreich abgewickelt worden: Der Gläubiger hätte die geschuldete Leistung erhalten und einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung würde es nicht bedürfen. b) Im Bereicherungsrecht wird unter der Leistung daher die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens verstanden.20 Angesprochen ist 17 So Weitnauer, in: FS Caemmerer, S. 255 (257): Leistung als der zentrale Begriff des Schuldrechts. Auch Weller, Persönliche Leistungen, S. 265: „zentraler Systembegriff“. 18 Vgl. Köbler, Juristisches Wörterbuch, 15. Aufl., S. 264 zu Leistung; Weller, Persönliche Leistungen, S. 251. 19 Alpmann/Krüger/Wüstenbecker, Studienlexikon Recht, 4. Aufl., S. 742 zu Leistung. 20 Zur Definition grundlegend Kötter, AcP 153 (1954), S. 193 (198). Ständige Rechtsprechung seit BGH, Urt. v. 31.10.1963 – VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272 (277), vgl. nur BGH, Urt. v. 24.02.1972 – VII ZR 207/70, BGHZ 58, 184 (188) [„nunmehr gefestigte[r] Rechtsprechung“] sowie aktuell BGH, Urt. v. 16.05.2013 – IX ZR 204/11, NJW 2013, 2519 (2529) in Rn. 11. Auch herrschende Meinung in der Literatur, vgl. S. Beck, Leistung, S. 395; BuckHeeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 812 Rn. 11; Hassold, Leistung, S. 319; HeimannTrosien, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 812 Rn. 15; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 11; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 67 II 1 d), S. 132; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 3. Aufl., S. 23; Reeb,

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nun nicht mehr die Verpflichtungs-, sondern die Vollzugsebene. Die Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne beschreibt keinen Schuldinhalt, sondern eine tatsächlich erfolgte Handlung, die bestimmte, qualifizierende Merkmale erfüllt.21 So muss sie zunächst einmal von dem Willen und dem Bewusstsein des Leistenden getragen sein, der Befriedigung fremder Bedürfnisse zu dienen.22 Unbewusste Vorteilsverschaffungen, bei denen der Handelnde glaubt, ausschließlich im eigenen Interesse tätig zu werden, kommen als Leistung i.S.d. § 812 BGB nicht in Betracht.23 Kennzeichnend für die bereicherungsrechtliche Leistung ist aber vor allem ihre Zweckgerichtetheit.24 Der Leistende muss die Vermögensmehrung mit einer Zweckbestimmung versehen haben, die sie zu einem Kausalverhältnis in Verbindung setzt.25 Nur so kann festgestellt werden, ob sie mit Rechtsgrund Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 14; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 1 a, S. 81; Scheyhing, AcP 157 (1959), S. 371 (376 ff.); Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 3; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 812 Rn. 3; Thomale, Leistung, S. 170; Weitnauer, in: FS Caemmerer, S. 255 (266); Welker, Zweckverfehlung, S. 22; Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 13; i.E. auch Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 812 Rn. 4. Ähnlich auch Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 41: „Leistung ist die zweckgerichtete Hingabe von Vermögensvorteilen“. Differenzierter Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 812 Rn. 37: „Leistung ist jede zurechenbare Verschaffung eines Vorteils, die der Empfänger auf ein Kausalverhältnis zum anderen beziehen darf“; Hadding, in: FS Kroeschell, S. 293 (298): „Leistung ist ein bewusstes, auf eine causa bezogenes Tun oder Unterlassen zugunsten eines anderen“. 21 Zur Verhaltensbezogenheit des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs vgl. nur Gernhuber, Erfüllung, 2. Aufl., § 5 I 3 d), S. 100; Welker, Zweckverfehlung, S. 24. 22 Vgl. S. Beck, Leistung, S. 65 (zu § 362 BGB): „Leistungsbewusstsein“; Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 812 Rn. 11; Heimann-Trosien, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 812 Rn. 15: „Absicht, fremdes Vermögen zu vermehren“; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 11; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 3. Aufl., S. 23 f.; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 14 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 1 b, S. 82 f. Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 41 hält das Merkmal des Leistungsbewusstseins hingegen für überflüssig, da eine zweckgerichtete Leistung notwendig auch bewusst erfolge. 23 Ein populäres Beispiel ist der Hausmeister, der versehentlich eigene Kohlen für die Zentralheizung verwendet. Vgl. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 1 b, S. 82; Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 5 a.E.; Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 13. 24 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 812 Rn. 12: Zweckbestimmtheit als „wichtigstes Element“. 25 BGH, Urt. v. 27.02.2007 – XI ZR 56/06, NJW 2007, 3127 (3130) in Rn. 35: „Unter Zweckgerichtetheit ist die Bezogenheit auf ein Kausalverhältnis zu verstehen.“; Baur/Wolf, JuS 1966, S. 393 (394); S. Beck, Leistung, S. 104, 394 f.; Hassold, Leistung, S. 14, 319: „Die Zweckbestimmung hat (…) die Funktion, einen Bezug zwischen der Zuwendung und dem Zuwendungszweck, insbesondere zu einem Schuldverhältnis herzustellen“; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 67 II 1 d, S. 132: „Unter Zweckgerichtetheit

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erbracht wurde oder nicht.26 Das in Bezug genommene Kausalverhältnis muss nicht notwendig ein Schuldverhältnis sein, das den Schuldner zu der Leistung verpflichtet. Vielmehr kann die Leistung auch auf eine reine Rechtsgrundabrede bezogen werden, aus der keine Forderung erwächst. Darin zeigt sich erneut, dass die Leistung i.S.d. § 812 BGB nicht notwendig etwas sein muss, was der Gläubiger – einen wirksamen Rechtsgrund unterstellt – gem. § 241 Abs. 1 BGB vom Schuldner zu fordern berechtigt wäre. Die Zweckbestimmung hat allerdings nicht nur die Funktion, den Bezug zum Rechtsgrund herzustellen, sondern sie legt auch die Kondiktionsparteien fest.27 Leistender ist derjenige, der die Leistungszweckbestimmung setzt, und als Leistungsempfänger gilt, wem die Leistung ihrer Zweckbestimmung nach zugutekommen soll.28 Der Leistende muss also nicht der forderungsverpflichtete Schuldner i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB sein. Vielmehr kann jeder Dritte zum

ist dabei grundsätzlich die Bezogenheit auf ein Kausalverhältnis zu verstehen“; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 3. Aufl., S. 25; Lorenz, JuS 2003, S. 729 (730); ders., in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 812 Rn. 5: „Durch (…) die Zweckgerichtetheit wird der notwendige Bezug zu einem Schuldverhältnis als Kausalverhältnis hergestellt, auf das die Vermögensverschiebung anzurechnen ist“; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 17: „Zweckbestimmung (…) bedeutet (…) die einseitige oder konsentierte Inbezugsetzung der Vermögensmehrung mit einem schuldrechtlichen Grundgeschäft“; Scheyhing, AcP 157 (1959), S. 371 (373); Schlechtriem, JZ 1993, S. 24 (26); Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 5, 146; Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 812 Rn. 6; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 812 Rn. 6; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 812 Rn. 46 f. 26 S. Beck, Leistung, S. 395; Hassold, Leistung, S. 12; W. Schmidt, Erfüllung, S. 115; Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 13. Für einige ist die Zweckrichtung sogar der Anknüpfungspunkt für den Rechtsgrund der Leistung; dazu oben S. 36 mit Fn. 91. 27 BGH, Urt. v. 02.11.1988 – IVb ZR 102/87, BGHZ 105, 365 (369); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 11 f., 19; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 3. Aufl., S. 24; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 18; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 812 Rn. 14; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 812 Rn. 4, 7; Westermann, JuS 1968, S. 17 (18); Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 14. An dieser weitgehenden, der Zweckbestimmung zugedachten Ordnungsaufgabe entzündet sich in der Literatur Kritik, vgl. S. Beck, Leistung, S. 394 f.; Canaris, in: FS Larenz, S. 799 ff.; Harder, JuS 1979, S. 76 ff.; Kupisch, Gesetzespositivismus im Bereicherungsrecht, S. 12 und passim. Auch der BGH weist darauf hin, dass sich bei Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbiete, vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1993 – XII ZR 253/91, BGHZ 122, 46 (52 f.); BGH, Urt. v. 02.11.1988 – IVb ZR 102/87, BGHZ 105, 365 (369); BGH, Urt. v. 08.10.1981 – VII ZR 319/80, BGHZ 82, 28 (30); BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 71/76, BGHZ 72, 246 (250 f.). Generell gegen die Bestimmung der Kondiktionsparteien anhand der Zweckbestimmung Hassold, Leistung, S. 319. 28 Vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2005 – VII ZR 184/04, BGHZ 162, 157 (160): „Leistungsempfänger ist derjenige, dessen Vermögen der Leistende durch die Zahlung vermehren will. (…) Der Zuwendende leistet an den Zahlungsempfänger, wenn er (…) diesem gegenüber

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Leistenden werden, sofern er eine eigene Leistungszweckbestimmung setzt, vgl. § 267 BGB. Die Rechtsnatur der Zweckbestimmung ist nicht eindeutig geklärt.29 Für die Rechtsprechung und einen Großteil der Literatur hat sie zumindest rechtsgeschäftsähnlichen Charakter.30 Einige qualifizieren sie als echte (einseitige) empfangsbedürftige Willenserklärung,31 vereinzelt wird sogar eine zweiseitigvertragliche Zweckvereinbarung zwischen den Parteien gefordert.32 Für die Gegenansicht hingegen ergibt sich die Zweckbestimmung grundsätzlich als objektive Folge aus dem Verhalten des Leistenden, ohne dass es dafür einer rechtsgeschäftlichen Erklärung bedarf (sog. Theorie der realen Leistungsbewirkung).33 Es genügt also ein nichtrechtsgeschäftlicher, tatsächlicher Akt, aus dem sich der verfolgte Leistungszweck ablesen lässt. Nur wenn der Leistende einen anderen Zweck verfolgt als denjenigen, der sich aus den objektiven Umständen ergibt, muss er eine besondere Zweckbestimmung abgegeben.

einen eigenen Leistungszweck verfolgt.“; H.-J. Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 14; Heinr. Wieling, JuS 1978, S. 801. 29 Die Frage nach der Rechtsnatur der Leistungszweckbestimmung stellt sich in gleicher Weise im Erfüllungsrecht. Dort hat der Gesetzgeber diese Frage bewusst offengelassen und der Wissenschaft überantwortet, vgl. Motive BGB, S. 81, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 44. 30 So BGH, Urt. v. 20.06.1990 – XII ZR 98/89, BGHZ 111, 382 (386) [zu § 812 BGB]; BGH, Urt. v. 06.12.1988 – XI ZR 81/88, BGHZ 106, 163 (166) [zu § 366 BGB]; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 39. Aufl., § 40 Rn. 6; Beuthien, Zweckerreichung, S. 291; Hagmann-Lauterbach, Leistungsbegriff, S. 172; Hassold, Leistung, S. 14. Im Zusammenhang mit § 362 BGB legt der BGH teilweise auch die Theorie der realen Leistungsbewirkung zugrunde, vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, NZI 2014, 156 (158) in Rn. 21; BGH, Urt. v. 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (280) in Rn. 22; BGH, Urt. v. 03.12.1990 – II ZR 215/89, NJW 1991, 1294 (1295). Überzeugen kann dies nicht, denn die Leistungszweckbestimmung muss im Bereicherungs- und Erfüllungsrecht dieselbe Qualität haben, vgl. Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 14; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 3 a, S. 94; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 47; Heinr. Wieling, JuS 1978, S. 801 f. 31 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 67 II 1 e, S. 133 f.; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 3 d, S. 99 ff.; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 49; Thomale, Leistung, S. 18 ff.; H.-J. Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 19; Heinr. Wieling, JuS 1978, S. 801 (802). 32 Ehmann, NJW 1969, S. 1833 (1836 f.); Schnauder, Grundfragen, S. 60; Weitnauer, in: FS Caemmerer, S. 255 (262 f.). Dagegen Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 3 c, S. 96 f.; Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 19: „widerspricht offenbar dem Gesetz“. 33 Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 812 Rn. 13; Dennhardt, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 362 Rn. 11; Looschelders, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 362 Rn. 50; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 17. Im Zusammenhang mit § 362 BGB auch die Rspr., vgl. soeben Fn. 30.

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Die Ansichten kommen allerdings übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Inhalt der Zweckbestimmung vom Standpunkt eines objektiven Dritten in der konkreten Position des Leistungsempfängers zu beurteilen ist.34 Als rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärung ist die Zweckbestimmung gem. – bzw. ggf. analog – §§ 133, 157 BGB auszulegen, sodass im Zweifel der objektive Empfängerhorizont entscheidet.35 Und für die Theorie der realen Leistungsbewirkung richtet sich der Leistungszweck von vornherein nach den objektiv erkennbaren Umständen. Welchem Kausalverhältnis die Leistung zugeordnet wird, entscheidet sich somit danach, wie eine vernünftige Person in der Position des Leistungsempfängers die Leistung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte.36 Der Empfängerhorizont soll jedoch nicht nur über den Inhalt der Leistungszweckbestimmung, sondern auch über die Person des Leistenden und damit über den Gläubiger des Bereicherungsanspruchs entscheiden.37 Leistender soll nur derjenige sein, der aus Sicht eines objektiven Empfängers die Leistungszweckbestimmung abgegeben hat.38 Nicht der innere Wille des Leistenden oder die tatsächliche Formulierung der Leistungszweckbestimmung ist damit ausschlaggebend, sondern „als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt.“39 34 BGH, Urt. v. 10.02.2005 – VII ZR 184/04, BGHZ 162, 157 (160): „Der Zweck der Leistung ist nach objektiven Kriterien aus der Sicht des Zahlungsempfängers zu beurteilen“; Schnauder, NJW 1999, S. 2841 (2844); Weitnauer, in: FS Caemmerer, S. 255 (262); Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 20. 35 OLG Hamm, Urt. v. 09.02.1988 – 26 U 109/87, NJW 1989, 700; Hassold, Leistung, S. 14; Lorenz, JuS 2003, S. 729 (730 f.); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 3 d, S. 101, 104; Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 149; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 50; Thomale, Leistung, S. 23 ff.; Wendehorst, in: Bamberger/ Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 812 Rn. 49; Heinr. Wieling, JuS 1978, S. 801 (802); H.-J. Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 20. 36 BGH, Urt. v. 06.11.2008 – III ZR 120/08, NJW-RR 2009, 345 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 21.10.2004 – III ZR 38/04, NJW 2005, 60 f. Nicht die subjektive Wahrnehmung des Leistungsempfängers ist somit ausschlaggebend, sondern ob der Empfänger anhand der ihm bekannten und erkennbaren Umstände von einer bestimmten Zweckbestimmung ausgehen durfte, vgl. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 3 d, S. 104; Schnauder, NJW 1999, S. 2841 (2844); Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 51. 37 BGH, Urt. v. 10.02.2005 – VII ZR 184/04, BGHZ 162, 157 (160); BGH, Urt. v. 04.04.2002 – VII ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1176 (1177); BGH, Urt. v. 26.09.1985 – IX ZR 180/84, NJW 1986, 251; Prütting, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 11. Aufl., § 812 Rn. 107; Stolte, JZ 1990, S. 220 (222 f.); Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 21; Zeiss, AcP 165 (1965), S. 332 (333 ff.). 38 BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 71/76, BGHZ 72, 246 (249); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 12 I 3 b, S. 454; Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 149. 39 So BGH, Urt. v. 06.11.2008 – III ZR 120/08, NJW-RR 2009, 345 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 21.10.2004 – III ZR 38/04, NJW 2005, 60 f.; BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 71/76,

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Allerdings vermag der objektive Empfängerhorizont eine fehlende Zweckbestimmung nicht zu ersetzen. Es kann daher nur jemand aufgrund des objektiven Empfängerhorizonts zum Leistenden erklärt werden, der auch tatsächlich eine entsprechende Leistungszweckbestimmung abgegeben hat oder dem eine fremde Leistungszweckbestimmung zumindest als eigene zugerechnet werden kann.40 War der tatsächlich Leistende aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht als solcher erkennbar, hat aber der vermeintlich Leistende keine Zweckbestimmung abgegeben, so liegt weder eine Leistung des tatsächlich Leistenden noch des vermeintlich Leistenden vor.41 c) Dem BGB liegt somit kein allgemein anerkanntes, einheitliches Verständnis von dem Begriff der Leistung zugrunde.42 Im allgemeinen Schuldrecht bezeichnet die Leistung den Inhalt eines Forderungsrechts des Gläubigers gegenüber seinem Schuldner.43 Das Bereicherungsrecht hingegen versteht unter der Leistung eine bewusste Vorteilsverschaffung, die der Leistende mittels einer BGHZ 72, 246 (249); BGH, Urt. v. 26.09.1985 – IX ZR 180/84, NJW 1986, 251. Vgl. auch BGH, Urt. v. 31.10.1963 – VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272 (278); Stolte, JZ 1990, S. 220 (223). 40 BGH, Urt. v. 21.11.2013 – IX ZR 52/13, NZI 2014, 156 (157 f.) in Rn. 17; BGH, Urt. v. 21.01.2010 – IX ZR 226/08, NZI 2010, 257 (258) in Rn. 13: „Kann die Leistung dem scheinbar Leistenden nicht zugerechnet werden, weil dieser keine wirksame Zweckbestimmung treffen konnte und auch jeder zurechenbar veranlasste Rechtsschein fehlt, kommt es auf den Empfängerhorizont nicht an.“ Vgl. auch Krüger, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 267 Rn. 11; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 11 III 4 a, S. 426: „Der Empfängerhorizont bestimmt die Auslegung einer Erklärung; er vermag nicht eine Erklärung zu schaffen, die gar nicht vorhanden ist“; Schnauder, NJW 1999, S. 2841 (2845); Staake, WM 2005, S. 2113 (2120); Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 812 Rn. 50; J. Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 108. 41 Man kann in diesem Fall lediglich diskutieren, ob trotz fehlender Leistung gleichwohl aus Wertungsgesichtspunkten eine Leistungskondiktion zwischen dem Leistungsempfänger und dem aus Sicht des Empfängers angeblich Leistenden zugelassen werden sollte. 42 Bachmann, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 241 Rn. 17: „Der Begriff der „Leistung“, der in vielen Normen des allgemeinen Schuldrechts auftaucht,“ sei „nicht notwendig ein einheitlicher“; Beuthien, Zweckerreichung, S. 7: „Das Gesetz gebraucht den Leistungsbegriff (…) nicht einheitlich“; Gernhuber, Erfüllung, 2. Aufl., § 5 I 3, S. 98: „Doppeldeutig (…) ist auch derjenige der Leistung“; Larenz, Lehrbuch Schuldrecht AT, Bd. I, 14. Aufl., § 2 I (S. 8); Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 241 Rn. 7: Das BGB kenne „keinen einheitlichen Leistungsbegriff“; Olzen, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 241 Rn. 135: Leistung als ambivalenter Begriff, der keinen einheitlichen Tatbestand bezeichnet, sondern für ganz verschiedene Sachverhalte steht; Sutschet, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 241 Rn. 33: Der Begriff der Leistung werde im BGB „in zweifacher Weise verwendet“; Wieacker, in: FS Nipperdey, Bd. 1, S. 783 (784): „Doppeldeutigkeit des zentralen Begriffs ‚Leistung‘“; auch von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I, S. 53 f. unterscheidet zwischen der Leistung i.S.d. § 812 und i.S.d. § 241 BGB. Offengelassen von Weller, Persönliche Leistungen, S. 252. 43 Im Einzelnen sind auch innerhalb dieses allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsbegriffs viele Einzelheiten umstritten. Vgl. dazu Weller, Persönliche Leistungen, S. 251 ff.

II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses

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Leistungszweckbestimmung auf ein Kausalverhältnis bezieht. Diese Leistungshandlung kann den Zweck verfolgen, dem Gläubiger dasjenige zu verschaffen, was er kraft eines Schuldverhältnisses i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB von seinem Schuldner fordern durfte. Dieser Versuch schlägt jedoch fehl, sodass der Bereicherungsschuldner mit der Leistung im Ergebnis etwas erhält, was er gerade nicht zu fordern berechtigt war. Weiterhin muss die bereicherungsrechtliche Leistung nicht zwingend darauf gerichtet sein, dem Gläubiger etwas zu verschaffen, was er – vermeintlich – zu fordern berechtigt war. Sie kann vielmehr auch auf ein forderungsloses Kausalverhältnis Bezug nehmen. Da sich die bereicherungsrechtliche Leistung nicht mehr auf Verpflichtungs-, sondern auf Vollzugsebene bewegt, kann schließlich auch jemand die Leistung bewirken, von dem der Gläubiger sie nicht einfordern durfte. Leistungsverpflichteter im Sinne des schuldrechtlichen Leistungsbegriffs und Leistender im bereicherungsrechtlichen Sinne können also auseinanderfallen. Die Leistung i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB und der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff haben somit zwar gemeinsame Berührungspunkte, da die Leistung i.S.d. § 812 BGB den erfolglosen Versuch abbilden kann, eine Leistung i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB zu bewirken. Auch zeichnet sich die Leistung in all ihren Facetten durch die Verbindung zu einem Kausalverhältnis aus. Darin allerdings erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten der Leistung i.S. des § 241 Abs. 1 und des § 812 BGB. 2. Übertragbarkeit des zivilrechtlichen Leistungsverständnisses auf die Leistung i.S.d. § 134 InsO? Nun ist zu fragen, ob sich der schuld- oder der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff als Vorbild für das Verständnis der Leistung im Rahmen des § 134 InsO eignen. Dafür müsste zumindest einer der beiden Leistungsbegriffe der Funktion gerecht werden, die die Leistung im Tatbestand des § 134 InsO zu erfüllen hat. Würde man § 134 InsO das Leistungsverständnis des § 241 Abs. 1 BGB zugrunde legen, so gälte als Leistung des Schuldners dasjenige, was der Anfechtungsgegner kraft eines Schuldverhältnisses vom Schuldner fordern dürfte. Orientiert man sich hingegen am Leistungsbegriff des § 812 BGB, läge eine Leistung des Schuldners vor, wenn er dem Anfechtungsgegner einen Vorteil verschafft, der – aus Sicht eines objektiven Empfängers – mittels einer wirksamen Zweckbestimmung einem Rechtsgrund zugeordnet wurde. Ob der Schuldner zu der Leistung verpflichtet war, spielt keine Rolle. a) Der allgemeine schuldrechtliche Leistungsbegriff knüpft die Leistung an ein Forderungsrecht des Gläubigers gegenüber dem Schuldner. Dass zu den anfechtbaren Leistungen i.S.d. § 134 InsO jedoch nicht nur dasjenige zählen kann, was der Anfechtungsgegner vom Schuldner fordern durfte, macht bereits ein kurzer Blick auf die Handschenkung i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB deutlich. Als

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

typischer Anwendungsfall eines Schuldnerfehlverhaltens muss sie zweifelsohne von der Unentgeltlichkeitsanfechtung erfasst sein.44 Allerdings wird bei der Handschenkung keine Forderung erzeugt, sondern lediglich eine reine Rechtsgrundabrede begründet, die das Behaltendürfen des Schenkungsgegenstands rechtfertigt.45 Der Beschenkte erhält durch die Handschenkung also nicht etwas, was er i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB vom Schenker fordern durfte. Dies ist nur der Fall, wenn die Parteien eine formwirksame Versprechensschenkung i.S.d. § 518 Abs. 1 BGB verabredet haben. Es darf für § 134 InsO jedoch keinen Unterschied machen, ob es sich um ein Handgeschäft oder um eine Leistung zur Abwicklung einer Versprechensschenkung handelt. Das allgemeine schuldrechtliche Leistungsverständnis, für das die Leistung Gegenstand eines Forderungsrechts sein muss, ist für § 134 InsO zu eng.46 b) Der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff erfasst hingegen alle Leistungen, die mit Bezug zu einem Rechtsgrund erbracht werden. Dazu zählt auch die Zuwendung im Wege der Handschenkung. Allerdings ist auch sein Anwendungsbereich auf Zuwendungen beschränkt, die zu ihrem Bestand eines Rechtsgrundes bedürfen. Es wurde jedoch bereits festgestellt, dass auch Vorteilsverschaffungen, deren Bestand nicht von einem Rechtsgrund abhängig ist, Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens sein können.47 Diese ‚reinen’ Vorteilsverschaffungen sind keine Leistungen im bereicherungsrechtlichen Sinne: Da sie auch ohne Rechtsgrund wirksam sind, erübrigt sich von vornherein die Frage nach einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung. Dasselbe gilt für Vorteilsverschaffungen, die zwar von einem Rechtsgrund abhängen, aber zu diesem in einem so engen Verhältnis stehen, dass sie mit seiner Wirksamkeit stehen und fallen (sog. kausale Zuwendungen). Sie sind zwar mit einem Rechtsgrund zum Behaltendürfen verknüpft, aber da sie bei Nichtbestehen des Rechtsgrundes unmittelbar ihre Wirksamkeit verlieren, können sie den Begünstigten niemals rechtsgrundlos bereichern. Der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff erfasst daher nur äußerlich abstrakte Zuwendungen, deren Wirksamkeit von dem Bestand ihres Rechtsgrundes unabhängig ist.48 Die Be-

44 Vgl. nur Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 51; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 33; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 214: Schenkungen fallen stets unter § 134 InsO. 45 Vgl. zur Rechtsnatur der Handgeschäft oben S. 35. 46 So auch Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 303 f. 47 Vgl. dazu oben S. 135 ff. mit Beispielen. 48 Krawielicki, Grundlagen, S. 7 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 III 1, S. 117; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I, S. 54; Westermann, JuS 1968, S. 17 (18). Kritisch Bork, Vergleich, S. 37 ff.: Bei kausalen Zuwendungen sei die Kondiktion zwar niemals erfolgreich, doch sei dieses Ergebnis im Rahmen der Tatbestandsmerk-

II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses

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gründung einer Forderung durch Abschluss eines kausalen Verpflichtungsgeschäfts fällt damit aus dem Anwendungsbereich des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs heraus.49 Ein Schuldnerfehlverhalten kann sich jedoch in einer kausalen Zuwendung ebenso verwirklichen wie in einer abstrakten. Vor dem teleologischen Hintergrund des § 134 InsO besteht kein Grund, die Verschaffung einer Schenkungsforderung durch den Abschluss eines Schenkungsvertrags von vornherein der Unentgeltlichkeitsanfechtung zu entziehen: Ermöglicht der Schuldner dem Anfechtungsgegner durch den Abschluss des Schenkungsvertrags, sich mit Hilfe der Schenkungsforderung den unentgeltlich versprochenen Schenkungsgegenstand notfalls auch zwangsweise zu verschaffen, so gefährdet er damit die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung.50 Auch der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff ist somit zu eng, weil § 134 InsO causalose und kausale Zuwendungen ebenso erfassen muss wie die von § 812 BGB allein in den Blick genommenen abstrakten Zuwendungen.51 c) Darüber hinaus werden auch die Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs den Anforderungen des § 134 InsO nicht gerecht. Eine Leistung i.S.d. § 812 BGB liegt nur vor, wenn der Leistende wirksam eine male „erlangtes Etwas“ und „ohne rechtlichen Grund“ zu erzielen und nicht im Leistungsbegriff zu verorten. Eine Leistung i.S.d. § 812 BGB und damit bei fehlendem Rechtsgrund kondizierbar ist allerdings die Begründung einer abstrakten Verpflichtung, z.B. durch Abschluss eines abstrakten Schuldanerkenntnisses. 49 Generell gegen die Qualifikation von kausalen Verpflichtungsbegründungen als Leistung i.S.d. § 812 BGB Krawielicki, Grundlagen, S. 25; Kupisch, JZ 1985, S. 101 (105); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 III 1, S. 117; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I b) 4, S. 54; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 812 Rn. 43. Differenzierend Bork, Vergleich, S. 26 ff., der die Begründung einer Forderung durch kausalen Verpflichtungsvertrag zwar grundsätzlich als Leistung i.S.d. § 812 BGB qualifiziert, aber feststellt, dass die Kondiktion gleichwohl niemals erfolgreich sein wird. A.A. [für die Kondizierbarkeit inhaltlich kausaler Forderungen]: Mazza, Kausale Schuldverträge, S. 135 ff. Eingehend zur Diskussion Gursky, JR 2000, S. 45 ff. mwN. 50 Zur Frage, ob die Begründung einer unentgeltlichen Forderung auch gläubigerbenachteiligend wirken kann, vgl. unten S. 237 ff. 51 Nicht zutreffend ist daher die Argumentation von Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7, der als anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO nur Leistungen im bereicherungsrechtlichen Sinne akzeptiert (s.o.), aber jede Verpflichtungsbegründung unproblematisch unter den Wortlaut des § 134 InsO subsumiert, weil diese auch im Bereicherungsrecht als Leistung gelte: Setzt man die anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO mit dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff gleich, würde die kausale Forderungszuwendung nicht zu den anfechtbaren Rechtshandlungen i.S.d. § 134 InsO zählen. Richtig hingegen Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.89: Die Bezeichnung als „unentgeltliche Leistung“ im Tatbestand des § 134 InsO sei zu eng, weil „auch die (unentgeltliche) Begründung eines Schuldverhältnisses selbst der Anfechtung unterliegen kann.“; ebenso Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G 4.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Leistungszweckbestimmung formuliert und der Leistungsempfänger diese Zweckbestimmung dem Leistenden zuordnet. Keine Leistungsbeziehung besteht hingegen, wenn der Zuwendende zwar wirksam eine Zweckbestimmung abgegeben hat, seine Zuwendung sich aber aus Sicht des Empfängers als Leistung eines anderen darstellt. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erfolgt in diesen Fällen nach den Grundsätzen der Nichtleistungskondiktion: Derjenige, auf dessen Kosten der Bereicherungsschuldner den Vorteil erlangt hat, kann sich direkt an diesen wenden. Einen solchen Auffangtatbestand kennt § 134 InsO nicht. Würde keine Leistung vorliegen, weil aus Sicht des Empfängers nicht der Schuldner, sondern ein sonstiger Dritter die Leistungszweckbestimmung formuliert hat, wäre den Gläubigern die Möglichkeit zur Anfechtung versperrt. Der Schuldner könnte sogar bewusst versuchen, die Leistung einem Dritten zuzuordnen, um dem gutgläubigen Empfänger auf diese Weise anfechtungsfest Vermögenswerte zu verschaffen. Im Bereicherungsrecht dient die Orientierung der Leistungsbeziehungen am Empfängerhorizont dem Vertrauensschutz des Leistungsempfängers.52 Er soll sich darauf verlassen können, dass die Leistung von demjenigen stammt, der als Leistender auftritt.53 Der Leistende hingegen erscheint nicht schutzwürdig, denn er hat die Herrschaft über seine Erklärungen in der Hand und muss daher für die Folgen einstehen, die sein unsorgfältiges Verhalten mit sich bringt.54 Im Anfechtungsrecht stehen sich hingegen die Interessen der Gläubiger des Zuwendenden und die Interessen des Empfängers gegenüber. Den Gläubigern kann man nicht vorwerfen, ihr Schuldner habe seine Zuwendung genauer benennen und damit verhindern können, dass sie einem anderen zugeordnet wird. Vielmehr macht das unsorgfältige Verhalten ihres Schuldners die Gläubiger gerade schutzwürdig, da er ihnen durch sein leichtfertiges Verhalten das Haftungssubstrat entzieht. Der Empfänger ist im Rahmen des § 134 InsO hingegen vermindert schutzwürdig, weil er einen reinen Vorteil erhält. Daher erscheint es im Anfechtungsrecht gerechtfertigt, vertrauensschützende Gesichtspunkte auf Empfängerseite zurückzustellen.55 Die Überlegungen, die im Bereicherungsrecht das Abstellen auf den Empfängerhorizont rechtfertigen, lassen sich somit nicht ohne weiteres auf § 134 InsO übertragen. d) Schlussendlich bietet der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff auch keine Möglichkeit, der Funktion, die die Leistung im Tatbestand des § 134 InsO erfüllen soll, gerecht zu werden. Die Leistung im Sinne des § 134 InsO

52 Heimann-Trosien, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 812 Rn. 18; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 812 Rn. 61. 53 Vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1963 – VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272 (276). 54 BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 71/76, BGHZ 72, 246 (249); Heimann-Trosien, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 812 Rn. 18. 55 Siehe oben S. 152 ff.

II. Eignung des bürgerlich-rechtlichen Leistungsverständnisses

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hat diejenige Zuwendungsbeziehung zu beschreiben, in der sich ein Schuldnerfehlverhalten verwirklichen kann. Sie muss sicherstellen, dass der Schuldner dem Leistungsempfänger einen Vorteil in einer Weise verschafft, der die Frage nach einem Entgelt aufwirft. Dabei hilft der Blick auf die bereicherungsrechtliche Leistungsebene jedoch nicht weiter: Erbringt der Schuldner eine Leistung i.S.d. § 812 BGB, kann ihm nicht generell vorgeworfen werden, vom Empfänger entgegen der wirtschaftlichen Vernunft kein Entgelt gefordert zu haben. Denn befriedigt der Schuldner etwa als Dritter i.S.d. § 267 BGB einen fremden Gläubiger, so tritt er diesem gegenüber zwar als Leistender im bereicherungsrechtlichen Sinne auf, doch stellt sich die Frage nach einem Entgelt in diesem Verhältnis zu keiner Zeit. Für den Schuldner gab es keinen Anlass, von dem fremden Gläubiger eine Gegenleistung zu fordern: Der Empfänger hätte ein solches Verlangen ohne Zweifel abgelehnt, da es für ihn keinen Grund gibt, eine Gegenleistung für die Befriedigung seiner Forderung zu erbringen, die er gegen seinen Forderungsschuldner ohnehin – sogar zwangsweise – durchsetzen kann.56 Diese Leistungsbeziehung ist daher nicht von einem Schuldnerfehlverhalten i.S.d. § 134 InsO geprägt. Doch auch in Zwei-Personen-Beziehungen lässt allein das Vorliegen einer Leistung i.S.d. § 812 BGB keinen sicheren Rückschluss darauf zu, ob sich zwischen den Parteien ein Schuldnerfehlverhalten verwirklicht: So liegt eine bereicherungsrechtliche Leistung ohne Zweifel vor, wenn der Schuldner einer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt. Von einem Schuldnerfehlverhalten geprägt ist diese Leistungsbeziehung aber nicht, denn in der Leistung an den Empfänger spiegelt sich nicht die privatautonome Entscheidung des Schuldners wider, den Empfänger zu begünstigen und dabei auf ein Entgelt zu verzichten. Da die bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehungen in erster Linie rein neutrale Abwicklungsvorgänge beschreiben, in denen sich die Frage nach einem Entgelt für die Parteien nie gestellt hat, bildet sie die Anfechtungsbeziehung i.S.d. § 134 InsO nicht ab. Liegt zwischen den Parteien eine Leistung i.S.d. § 812 BGB vor, muss man sich anschließend immer noch die Frage stellen, ob die durch die Leistung abgewickelte Rechtsbeziehung zwischen den Parteien die Anforderungen an ein Schuldnerfehlverhalten erfüllt oder nicht. Allerdings stellt die Leistungszweckbestimmung den Bezug zu einem Kausalverhältnis her. Auch wenn sie selbst keinen Aufschluss darüber gibt, ob sich zwischen den Parteien ein Schuldnerfehlverhalten verwirklicht, so könnte dies möglicherweise das in Bezug genommene Kausalverhältnis tun. Ist dort eine Vorteilsverschaffung an den Leistungsempfänger vorgesehen, für die eigentlich eine Gegenleistung zu fordern gewesen wäre, könnte die Leistungszweckbestimmung die Leistung als Ausdruck dieses kausalvertraglich vorgesehenen 56

Grund dafür ist, dass es an einer für § 134 InsO notwendigen, materiellen Bereicherung des fremden Gläubigers fehlt, vgl. dazu unten S. 205. Ausführlich zur Tilgung einer fremden Schuld siehe S. 428 ff.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Fehlverhaltens kennzeichnen. Auch diese Überlegung greift allerdings zu kurz. Sie lässt unberücksichtigt, dass der Leistende gem. § 267 BGB auch ein fremdes Kausalgeschäft abwickeln kann. Bezieht der Schuldner seine Leistung auf einen fremden Schenkungsvertrag, so sieht zwar das in Bezug genommene Kausalverhältnis eine ausgleichsbedürftige, unentgeltliche Vorteilsverschaffung vor. Gleichwohl verwirklicht sich im Verhältnis zwischen dem drittleistenden Schuldner und dem Schenkungsgläubiger kein Fehlverhalten, denn der drittleistende Schuldner hatte zu keiner Zeit Anlass, von dem Schenkungsgläubiger ein Entgelt zu verlangen. Der Blick auf das von der Leistung in Bezug genommene Kausalverhältnis führt hier in die Irre, denn ein unentgeltlicher Rechtsgrund lässt noch keinen sicheren Rückschluss auf ein Fehlverhalten des bereicherungsrechtlich Leistenden zu. Nur wenn der Schuldner mit der Leistung ein von ihm selbst begründetes Kausalverhältnis abwickelt, in dem er entgegen der wirtschaftlichen Vernunft auf eine Gegenleistung verzichtete, mag sich auch in der darauf bezogenen Leistung sein Schuldnerfehlverhalten widerspiegeln. Das in Bezug genommene Kausalverhältnis allein gibt hingegen keinen endgültigen Aufschluss darüber, ob sich im Verhältnis zwischen dem bereicherungsrechtlich leistenden Schuldner und dem Empfänger ein Schuldnerfehlverhalten i.S.d. § 134 InsO verwirklichen kann oder nicht. 3. Ergebnis Es ist nicht zielführend, zu den gem. § 134 InsO anfechtbaren Rechtshandlungen nur Leistungen des Schuldners im allgemeinen schuldrechtlichen oder bereicherungsrechtlichen Sinne zu zählen. Zum einen würde der Anwendungsbereich des § 134 InsO zu sehr beschränkt, denn auch Vorteilsverschaffungen, die der Gläubiger nicht vom Schuldner fordern kann und die auch nicht zu einem Rechtsgrund in abstrakter Beziehung stehen, können ein Schuldnerfehlverhalten verwirklichen. Zum anderen ist die Anknüpfung an den bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff nicht sachdienlich, weil sie über die Frage, ob sich im Verhältnis zwischen dem bereicherungsrechtlichen Leistungsempfänger und dem Schuldner ein Schuldnerfehlverhalten verwirklichen kann, keine verlässliche Auskunft gibt. III. Die Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung des Schuldners i.S.d. § 134 InsO III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

Das Leistungsverständnis des allgemeinen Zivilrechts lässt sich nicht auf den anfechtungsrechtlichen Leistungsbegriff übertragen. Bei der Frage, welche Art der Vorteilsverschaffung zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner die Frage nach einem Entgelt aufwerfen muss, hilft es nicht verlässlich weiter. Die ausgleichsbedürftige Leistung i.S.d. § 134 InsO muss sich ein anderes Vorbild suchen.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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1. Der Zuwendungsbegriff als Anknüpfungspunkt für die Entwicklung der Wesensmerkmale der Leistung im anfechtungsrechtlichen Sinn a) Die Untersuchung der Grundlagen der Unentgeltlichkeitsanfechtung hat ergeben, dass Schenkungen den Kern der gem. § 134 InsO anfechtbaren Rechtshandlungen bilden. Dementsprechend bietet es sich an, für die Entwicklung der Voraussetzungen der ausgleichsbedürftigen Leistung i.S.d. § 134 InsO die Anforderungen in den Blick zu nehmen, die § 516 Abs. 1 BGB an den Schenkungsvorgang stellt: Schenkungsgeeignet ist danach eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert. Bei einer solchen Zuwendung steht fest, dass sich für die Parteien die Frage nach einem Entgelt stellt. Eine Zuwendung, durch die der Schuldner aus seinem Vermögen einen anderen bereichert und die somit bei einer Einigung über die Unentgeltlichkeit auch als Schenkung in Betracht käme, erfüllt damit in jedem Fall die Anforderungen der ausgleichsbedürftigen Leistung i.S.d. § 134 InsO. Allerdings zeigt der Blick auf die übrigen unentgeltlichen Vertragstypen des BGB, dass die schenkungsrechtliche Zuwendung bereits einen Sonderfall der ausgleichsbedürftigen Vorteilsverschaffung darstellt: Mit der Leihe oder dem Auftrag kennt das BGB Begünstigungen, bei denen sich ebenfalls die Frage nach einem Entgelt stellt und die daher als unentgeltlich qualifiziert werden können, obwohl sie nicht die Anforderungen einer schenkungsrechtlichen Zuwendung erfüllen. Es bedarf daher einer genauen Untersuchung, inwieweit die Entreicherung des Zuwendenden und Bereicherung des Begünstigten im schenkungsrechtlichen Sinne noch zu den allgemeinen Wesensmerkmalen einer ausgleichsbedürftigen Vorteilsverschaffung oder schon zu den besonderen schenkungsrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen zählen. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Leistungsbegriffs i.S.d. § 134 InsO bietet sich jedoch der Begriff der ‚Zuwendung’ an. Er wird nicht nur im Schenkungsrecht, sondern auch in zahlreichen anderen Normen des bürgerlichen Rechts verwendet und taucht meist im Zusammenhang mit der Unentgeltlichkeit auf.57 Im allgemeinen Zivilrecht herrscht die Meinung vor, nur Rechtsgeschäfte, die eine Zuwendung zum Gegenstand haben, könnten in entgeltliche und unentgeltliche unterschieden werden.58 Ist das Vorliegen einer Zuwendung somit die Grundvoraussetzung für die rechtsgeschäftliche Vereinbarung eines Entgelts, lässt sich daraus im Umkehrschluss ableiten, dass Zuwendungen der Inbegriff einer ausgleichsbedürftigen Vorteilsverschaffung sind, bei der sich für die Parteien die Frage nach einem Entgelt stellt. Die Anknüpfung an den

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Neben § 822 BGB und § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG etwa auch §§ 330 S. 2, 1375 Abs. 2 Nr. 1, 1390 Abs. 1, 1418 Abs. 2 Nr. 2, 1640 Abs. 1, 1803 Abs. 1 BGB. 58 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 188; ders., in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 10; Flume, AT, Bd. 2, 4. Aufl., § 11, 2, S. 135; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 IV, S. 151.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Zuwendungsbegriff wird auch dadurch gestützt, dass die Insolvenzrechtskommission ursprünglich den Vorschlag unterbreitete, den Verfügungsbegriff des § 32 KO durch den Begriff der Zuwendung zu ersetzen.59 Zwar hat sich der Gesetzgeber letztlich für den Leistungsbegriff entschieden, ohne diese Abkehr näher zu begründen. Da sich jedoch gezeigt hat, dass jedenfalls der schuld- und bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff nicht der Leistung i.S.d. § 134 InsO entsprechen, erscheint es sinnvoll, an den von der Kommission vorgeschlagenen Zuwendungsbegriff anzuknüpfen und davon ausgehend zu untersuchen, was den Gesetzgeber dennoch zur Aufnahme des Leistungsbegriffs bewogen haben könnte. Die Zuwendung eignet sich schließlich auch deshalb als Vorbild zur Entwicklung des Wesensmerkmale der Leistung i.S.d. § 134 InsO, weil er sowohl zu dem früher in § 32 KO verwendeten Begriff der Verfügung als auch zu dem allgemeinen zivilrechtlichen Leistungsbegriff in enger Verwandtschaft steht,60 aber gleichzeitig weit genug ist, um den Anforderungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung gerecht zu werden. Von den Verfügungen unterscheidet sich die Zuwendung dadurch, dass sie nicht auf das Gebiet der Rechtsgeschäfte und diesen gleichstehenden Rechtshandlungen beschränkt ist, sondern auch durch tatsächliche Handlungen und Unterlassungen bewirkt werden kann.61 Damit entspricht der Zuwendungsbegriff dem Erweiterungsbedürfnis, das der Gesetzgeber mit der Streichung der Verfügung aus dem Tatbestand des § 134 InsO klarstellen wollte. Die bereicherungsrechtliche Leistung und die Zuwendung unterscheiden sich durch die notwendige Beziehung der Leistung zu einem Rechtsgrund. Während Leistungen immer auf ein Kausalverhältnis Bezug nehmen, deckt die Zuwendung auch Vorteilsverschaffungen ab, die für ihren Bestand keines Rechtsgrundes bedürfen.62 Der Zuwendungsbegriff erfasst damit alle Arten von Begünstigungen, die aus historischen und teleologischen Gründen unter § 134 InsO fallen sollten.63 59

Erster Bericht Insolvenzrechtskommission, S. 419. Vgl. auch oben S. 77. Vgl. Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 19 ff., S. 27: „Hiernach ist es berechtigt, einen der Ausdrücke „Zuwendung“, „Verfügung“ und „Leistung“ gleichbedeutend für den anderen zu gebrauchen, wenn nur bedacht wird, daß diese Begriffe zwar sich weithin schneidende, aber nicht vollkommen deckende Kreise bilden.“ 61 Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 21; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I b 2, S. 52 ff. Vgl. dazu auch Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 12; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 4; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 5; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 197; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 4. 62 Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 24 f. Vgl. auch Bekker, System, Bd. 2, § 100, S. 147. Ebenso auch die zahlreichen Stimmen, die in der Zuwendung eine Leistung ohne Zweckrichtung sehen, vgl. S. Beck, Leistung, S. 353; Bork, Vergleich, S. 22 mwN; Klinke, Causa, S. 18 f.; Kötter, AcP 153 (1954), S. 193 (196); Westermann, JuS 1968, S. 17 (18); Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 15. 63 Vgl. dazu oben S. 135 ff. 60

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b) Als Vorbild für die Entwicklung der Wesensmerkmale einer ausgleichsbedürftigen Leistung i.S.d. § 134 InsO ist somit der Begriff der ‚Zuwendung’ heranzuziehen. Die Zuwendung ist im bürgerlichen Recht an keiner Stelle legal definiert.64 Da sie in den unterschiedlichsten Zusammenhängen Verwendung findet, ist ein einheitliches Begriffsverständnis schwer auszumachen. Liebisch, der sich in seiner Habilitationsschrift ausführlich mit dem Wesen der unentgeltlichen Zuwendungen beschäftigte, hielt lediglich für gesichert, das unter einer Zuwendung „die Bewegung von Werten zwischen verschiedenen Rechtssubjekten zu verstehen ist“.65 Darüber hinaus könne „von einer einheitlichen Auffassung oder Auslegung des Begriffs keine Rede sein.“66 Liebisch selbst definiert die Zuwendung recht weit als „alle erlaubten Handlungen, durch die jemand einem anderen einen Vorteil verschafft.“67 Viele hingegen verstehen unter ihr nur die Verschaffung eines vermögenswerten Vorteils,68 einige fordern die „Hingabe eines Vermögensbestandteils (…) zugunsten einer anderen Person.“69 Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, für eine Zuwendung müsse Vermögensubstanz übertragen werden.70 Auch subjektive Elemente finden oftmals Eingang in den Zuwendungsbegriff: So sehen einige in der Zuwendung nur die „willentliche Vermehrung fremden Vermögens“,71 auch die Definition der Zuwendung als „bewusste Mehrung fremden Vermögens“ ist populär.72 Einen finalen Charakter misst man ihr bei, wenn man eine Handlung

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W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 45: Im Gesetzgebungsprozess sei nie der Versuch unternommen worden, festzustellen, was man eigentlich unter Zuwendungen verstehen soll; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 1: Was unter einer Zuwendung zu verstehen sei, werde nirgends bestimmt. 65 Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 2. 66 Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 2. Vgl. auch RFH, Urt. v. 29.03.1922 – VI A 61/22, RFHE 9, 9 (12): Der Begriff der Zuwendung sei im Schrifttum sehr bestritten; Bekker, System, Bd. 2, § 100, S. 145: „Der Name „Zuwendungen“ ist bisher mit einem bestimmten Begriffe noch nicht verbunden.“ 67 Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 19. 68 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 10; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 4; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 4: „Vermögensvorteil“; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I, S. 49. 69 Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 5. Ähnlich Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 3; Hinz, Haftung der Stiftung, S. 47. Vgl. auch Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 10: Zuwendung als „jedwede Bereicherung des Vermögens einer anderen Person“; auch Flume, AT, Bd. 2, 4. Aufl., § 11, 2, S. 135. 70 So BGH, Urt. v. 13.07.1994 – XII ZR 1/93, BGHZ 127, 48 (51); BGH, Urt. v. 08.07.1982 – IX ZR 99/80, BGHZ 84, 361 (365); Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 6. 71 Mühl/Teichmann, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., § 516 Rn. 5 mit Fn. 16. 72 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 188. So letztlich auch die Stimmen, die die Zuwendung als Leistung i.S.d. § 812 BGB ohne das Merkmal der Zweckgerichtetheit ansehen, vgl. S. 180 Fn. 62.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

fordert, die darauf abzielt, einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen.73 Als Ausdruck privatautonomer Gestaltungsfreiheit stellt sie sich schließlich dar, wenn man nur die „freiwillige und dem Empfänger zum Vorteil gereichende Leistung“ unter den Begriff der Zuwendung fasst.74 Im Regelungszusammenhang des § 134 InsO soll der Zuwendungsbegriff die Aufgabe erfüllen, Vorteilsverschaffungen zu identifizieren, die beim Zuwendenden die Frage nach einem Entgelt aufwerfen. Es geht darum, die Wesensmerkmale derjenigen Zuwendungen zu konturieren, die in entgeltliche und unentgeltliche unterschieden werden können. Dass der Zuwendungsbegriff in anderen Regelungszusammenhängen, in denen der Entgeltcharakter keine Rolle spielt, eine andere Ausdeutung erfahren kann, wird nicht bestritten. Im Folgenden aber geht es um den ‚engen’ Begriff der Zuwendung, der einer Entgeltbewertung zugänglich ist. Um Begriffsverwirrungen auszuschließen, wird diese Art der Zuwendung im Folgenden als ‚materielle Zuwendung’ bezeichnet. Sie ist der Inbegriff einer ausgleichsbedürftigen Vorteilsverschaffung zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger. c) Die Aufgabe besteht nun darin, die Charaktermerkmale dieser ausgleichsbedürftigen materiellen Zuwendung herauszuarbeiten. Es ist zu untersuchen, welche Anforderungen eine Vorteilsverschaffung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner erfüllen muss, damit sie jedenfalls auf Seiten des Schuldners die Frage nach einem Entgelt aufwirft und sich damit in ihr ein Schuldnerfehlverhalten manifestieren kann. Die materielle Zuwendungsbeziehung kennzeichnet dann zugleich die Anfechtungsbeziehungen, denn Anfechtungsgegner ist nur derjenige, demgegenüber sich das Schuldnerfehlverhalten verwirklicht. 2. Zuwendung als Ausübung privatautonomer Gestaltungsfreiheit Die Frage nach einem Entgelt wirft nur eine Zuwendung auf, zu der sich der Schuldner in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit entschei-

73 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 196. Vgl. auch Bekker, System, Bd. 2, § 100, S. 145, der auch für die Zuwendung im weitesten Sinne eine entsprechende Absicht des Zuwendenden fordert; Mezger, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 516 Rn. 5: Zuwendung sei jede beabsichtigte Verschaffung eines Vermögensvorteils; ähnlich auch der Reichsfinanzhof im Urt. v. 29.03.1922 – VI A 61/22, RFHE 9, 9 (12), der unter Zuwendungen „alle erlaubten Handlungen, durch die jemand einem anderen beabsichtigterweise einen Vermögensvorteil verschafft“, verstand. 74 So Hoffmann, in: RGRK, BGB, Bd. 1, 2. Aufl., § 516 Anm. 1. Ähnlich Planck, Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, Bd. 5, 3. Aufl., § 2315 Anm. 3 a): „Schon der, im BGB. allerdings nicht definierte, allgemeine Begriff der Zuwendung setzt, obschon er mit dem Begriff der Schenkung nicht ganz zusammenfällt, die freiwillige Verschaffung eines Vorteils, also Freigebigkeit des den Vorteil Gewährenden voraus“.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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det.75 Denn nur der privatautonom gestaltende Schuldner hat überhaupt die Freiheit, mit dem Empfänger über eine Gegenleistung zu verhandeln. Obliegt die Vornahme der Zuwendung hingegen nicht seinem freien Willensentschluss, kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, er habe entgegen der wirtschaftlichen Vernunft auf die Anforderung eines Entgelts verzichtet. a) Vorteilsverschaffung im Rahmen des privatrechtlichen Rechtsverkehrs Die Verknüpfung der Zuwendung mit einem Entgelt kommt nur dort in Betracht, wo sich die Parteien des Zuwendungsvorgangs auf Augenhöhe als Teilnehmer am privatrechtlichen Rechtsverkehr begegnen.76 Vorteilsverschaffungen aufgrund hoheitlicher Anordnung des Staates sind einer Entgeltbewertung von vornherein entzogen, weil die hoheitliche Anordnung einseitig erfolgt und eine konkrete Gegenleistung nicht in Rede steht.77 Das hoheitliche Rechtsverhältnis zum Staat lässt dem Bürger keinen Verhandlungsspielraum, um seine Inanspruchnahme an Bedingungen zu knüpfen. Kommt er – freiwillig oder zwangsweise – der hoheitlichen Anordnung nach, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Anforderung einer Gegenleistung verzichtet. aa) Aus diesem Grund ist die Begründung und Zahlung von Steuerforderungen der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen.78 Zwar hat der Schuldner die Entstehung der Steuerschuld regelmäßig durch eine eigene Rechtshandlung ausgelöst.79 Auch steht der Steuer kraft ausdrücklicher Definition (§ 3 Abs. 1 AO) keine konkrete Gegenleistung gegenüber.80 Allerdings stand dem Steuerschuldner zu keiner Zeit die Möglichkeit offen, über seine Steuerpflicht zu verhandeln und den Staat zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Das Auslösen

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Ahrens, NZI 2001, S. 456 (458); Eckstein, ZZP 41 (1911), S. 67 (83). Vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.89 in Fn. 409: „Dispositionsbefugnis“ des Schuldners erforderlich. 76 W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 35: Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit seien Kategorien, die nur im Privatrechtsverkehr Sinn haben können; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 142: Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit seien Kategorien, die nur auf den privatautonomen rechtsgeschäftlichen Rechtsverkehr bezogen seien. 77 W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 35; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 142. Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 179 ff. leitet dieses Ergebnis aus einer „teleologischen Reduktion“ des § 134 InsO ab. 78 Ahrens, NZI 2001, S. 456 (458); App, NJW 1985, S. 3001 (3002); vgl. auch BGH, Urt. v. 19.01.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 (235 f.) in Rn. 36. I.E. auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 33 (es fehle an der subjektiven Voraussetzung der Unentgeltlichkeit). Aus dem allgemeinen Zivilrecht siehe W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 35; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 142; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]. A.A. Berger, ZIP 2010, S. 2078 (2080). 79 Etwa durch das Brauen von Bier, so im Urteil des BGH v. 09.07.2009 – IX ZR 86/08, NJW-RR 2010, 118 ff. 80 Vgl. Gersch, in: Klein, AO, 13. Aufl., § 3 Rn. 7.

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der Steuerpflicht kann daher niemals ein Schuldnerfehlverhalten i.S.d. § 134 InsO begründen.81 Eine materielle Zuwendung des Steuerpflichtigen an den Staat vollzieht sich nicht. Dieses Ergebnis entspricht den allgemeinen insolvenzrechtlichen Wertungen. Steuerforderungen werden in der Insolvenz als normale Insolvenzforderungen und nicht als nachrangige Forderungen i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO behandelt.82 Die Zahlung von Steuerforderungen ist zudem vollkommen marktüblich. Wären Steuerschulden stets unentgeltlich, könnte jeder entgeltliche Gläubiger auch außerhalb der Insolvenz die Erfüllung gem. § 4 AnfG anfechten, wenn seine Vollstreckung in das sonstige Schuldnervermögen nicht erfolgreich war. Es ist zu bezweifeln, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Unentgeltlichkeitsanfechtung diese Rechtsfolge im Sinn hatte.83 bb) Nach denselben Grundsätzen sind auch Zahlungen zu beurteilen, die der Schuldner als Auflage zur Einstellung des Strafverfahrens (§ 153a StPO) oder als Auflage im Rahmen der Strafaussetzung auf Bewährung (§ 56b Abs. 2 StGB) erbringt. Der BGH hält die Zahlung einer solchen Auflage für entgeltlich.84 Da kein privatrechtlicher Austauschvertrag vorliege, seien die dort entwickelten Grundsätze sinngemäß anzuwenden. Der Zahlung der Auflage stehe als Gegenleistung der Verzicht des Staates auf seinen Strafanspruch gegenüber.85 Auch stünden das Verurteilungsrisiko des Angeschuldigten und das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs mit den erteilten Einstellungsauflagen in aller Regel in einem ausgewogenen Verhältnis.86 Die Gegenansicht hält das Entgegenkommen des Staates bei der Einstellung hingegen nicht für gegenleistungstauglich. Die Zahlungen seien unentgeltlich, weil der Schuldner durch die Einstellung des Strafverfahrens lediglich persönliche Vorteile erlange, die seinen Gläubigern nichts nützen.87

81 Ähnlich auch App, NJW 1985, S. 3001 (3002), der meint, Steuerzahlungen könnten nicht als unentgeltlich gelten, da in ihnen in keiner Weise eine Freigebigkeit des Schuldners zum Ausdruck komme. Warum diese Begründung unter Geltung der InsO überholt sein soll [so Berger, ZIP 2010, S. 2078 (2080)], ist nicht ersichtlich. 82 Vgl. nur Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 174 Rn. 3. 83 Vgl. auch App, NJW 1985, S. 3001 (3002). 84 BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 13. Zustimmend Cranshaw, jurisPR-InsR 17/2008, Anm. 1; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 44; Kirchhof, WuB VI A. § 133 InsO, 4.08; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 7; Zimmermann, FD-StrafR 2008, 263572 85 BGH im Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 13. Zustimmend Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 44; Kirchhof, WuB VI A. § 133 InsO, 4.08; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; Zimmermann, FDStrafR 2008, 263572. 86 BGH im Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 15. 87 Brömmekamp, ZIP 2001, S. 951 ff.; Ziemann, JR 2009, S. 170 f. Differenzierend Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7, 12 (Bewährungsauflage sei gem. § 134 InsO an-

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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Unterzieht man die Zahlung der Bewährungsauflage einer Entgeltprüfung, muss man sich in der Tat die Frage stellen, inwieweit in der Einstellung des Strafverfahrens ein echtes Zugeständnis des Staates zu sehen ist.88 Die Einstellung dient dazu, im Bereich der kleineren oder mittleren Kriminalität eine verurteilungslose Friedensstiftung mit einer Sanktion, aber ohne Strafe und Vorbestraftsein zu ermöglichen.89 Ein Verständnis als ‚Freikauf’ vom Verfolgungsrisiko ist dem Sinn und Zweck dieses Instruments fremd.90 Die Geldleistungen dienen der Genugtuung des begangenen Unrechts.91 Damit werden die Ziele der Strafverfolgung durch die Auflagenleistung befriedigt. Der Staat erreicht also alles, was er möchte. Ein echtes Zugeständnis des Staates steht der Zahlung der Geldauflage daher nicht gegenüber. Die Zahlung strafrechtlicher Auflagen sind jedoch einer Entgeltbewertung und damit auch der Anfechtung gem. § 134 InsO von vornherein entzogen, weil sie dem Schuldner vom Staat einseitig hoheitlich oktroyiert werden.92 Der Schuldner befand sich zu keiner Zeit in der Position, selbst Bedingungen für seine Auflagenzahlung zu stellen. Die Frage nach einer ‚Gegenleistung des Staates’ hat sich für ihn nie gestellt. Die Beurteilung ändert sich auch nicht dadurch, dass im Ergebnis ein anderes Privatrechtssubjekt von der hoheitlichen Inanspruchnahme des Schuldners profitiert: Besteht die Bewährungsauflage darin, einer sozialen Einrichtung einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen, stellt sich auch in diesem Verhältnis mangels Dispositionsbefugnis der Parteien zu keiner Zeit die Frage nach einem Entgelt.93 Zahlungen zur Erfüllung einer Bewährungsauflage oder zur Einstellung des Strafverfahrens sind somit weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern notwendig entgeltneutral, und fallen damit niemals unter § 134 InsO.94 Dies bestätigt letztlich auch der Blick auf § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO, der Geldstrafen,

fechtbar, bei der Geldauflage gem. § 153a StPO fehle es hingegen in aller Regel an der Unentgeltlichkeit); ebenso auch Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 35. 88 In diese Richtung auch Ziemann, JR 2009, S. 170. 89 Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 153a Rn. 2. 90 Ziemann, JR 2009, S. 170; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 153a Rn. 2: Ein solches Verständnis sei missbräuchlich. 91 Groß, in: MüKo, StGB, 2. Aufl., § 56b Rn. 2. 92 I.E. ebenso Ahrens, NZI 2001, S. 456 ff. 93 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.89 mit Fn. 409: Die Leistung i.S.d. § 134 InsO setze „Dispositionsbefugnis“ des Schuldners voraus. 94 Im Fall der strafrechtlichen Auflagen schadet die Argumentation des BGH natürlich zunächst nicht, weil es gerade dem Wesen der Auflage entspricht, dass die Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Der BGH wird hier also stets zur Entgeltlichkeit gelangen. Ebenso unschädlich ist es im Ergebnis, Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche als entgeltlich zu qualifizieren, da sich auch hier nach der Natur der Sache Vorteil und Ausgleich angemessen gegenüberstehen. Dennoch sollte diesem Ansatz wider-

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Geldbußen, Ordnungs- und Zwangsgelder sowie Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, noch vor den unentgeltlichen Leistungen als nachrangige Insolvenzforderungen einstuft.95 Wären diese Forderungen mangels Gegenleistung des Staates unentgeltlich, hätte es dieser Regelung nicht bedurft.96 b) Zuordnung der Entscheidung zum vermögensrechtlichen Bereich Die privatautonome Entscheidung des Schuldners muss sich im vermögensrechtlichen Bereich bewegen.97 Der Abschluss eines personenrechtlichen Rechtsgeschäfts ist zwar dem privatautonomen Bereich zuzuordnen und ist auch Ausdruck der persönlichen Gestaltungsfreiheit des Schuldners. Gleichwohl kann ein solches Rechtsgeschäft niemals eine ausgleichsbedürftige Zuwendung hervorbringen, weil sich die Frage nach einem Wertausgleich aufgrund des personenrechtlichen Charakters nicht stellt.98 Vermögensänderungen, die durch die Schließung oder Scheidung einer Ehe oder die Annahme als Kind ausgelöst werden (z.B. Unterhaltspflicht), können daher von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen, weil sie keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für ein Schuldnerfehlverhalten bilden: Dem Schuldner kann nicht vorgeworfen werden, im Gegenzug zur Schließung oder Scheidung der Ehe oder zur Annahme als Kind keine Gegenleistung gefordert zu haben. Darin liegt allerdings keine Abweichung von den allgemeinen Anforderungen des § 129 Abs. 1 InsO: Personenrechtliche Vorgänge sind der Anfechtung generell entzogen, auch wenn sie das Vermögen des Schuldners zulasten seiner Gläubiger verringern.99 Die Gläubiger müssen die mit dem personenrechtlichen Rechtsgeschäft mittelbar verbundenen, vermögensrechtlichen Folgen hinnehmen. Die persönliche Gestaltungsfreiheit des Schuldners wird in diesem

sprochen werden, weil er in anderen Fallgruppen zu Verwerfungen führt. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollten alle gesetzlich oder sonst hoheitlich auferlegten Verpflichtungen und ihre Erfüllung als entgeltneutral gewertet und damit der Unentgeltlichkeitsanfechtung entzogen werden. 95 Ob die Bewährungs- und Einstellungsauflagen unmittelbar unter § 39 Abs. 1 Nr. 3 fallen, ist umstritten: Dafür Ahrens, NZI 2001, S. 456 (459); dagegen Brömmekamp, ZIP 2001, S. 951 (953); Ziemann, JR 2009, S. 170 (171). Dies kann aber auch dahinstehen, weil für sie jedenfalls die Wertung des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gilt, vgl. BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 21. 96 Ahrens, NZI 2001, S. 456 (459). 97 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 186 f. 98 So W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 25; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 187; ders., in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 10. 99 Ehricke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 129 Rn. 40; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 146: Es fehle bereits an einer (zurechenbaren) Rechtshandlung des Schuldners.

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Bereich generell höher bewertet als das Haftungsverwirklichungsinteresse der Gläubiger. Die Bewertung ändert sich jedoch bei Vereinbarungen aus dem familienrechtlichen Bereich, die zwar ein personenrechtliches Rechtsgeschäft zur Voraussetzung haben, aber auf eine vermögensrechtliche Regelung abzielen. Da die Parteien die vermögensrechtlichen Folgen des personenrechtlichen Rechtsgeschäfts hier ausdrücklich vertraglich regeln, kann sich für sie nun auch die Frage nach einem angemessenen Wertausgleich stellen. Zuwendungen aufgrund von Verträgen aus dem Bereich des ehelichen Güterrechts können daher in den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen, wenn aus ihnen hervorgeht, dass der Schuldner den anderen Teil bewusst einseitig begünstigen wollte, indem er die von ihm gewährten Vorteile nicht von einem ausgleichenden Entgegenkommen abhängig machte.100 c) Freiwilligkeit der Zuwendung Schließlich muss sich der Schuldner freiwillig, also ohne rechtlichen Zwang, zur Begünstigung des Empfängers entschieden haben. Im allgemeinen Zivilrecht ist zwar umstritten, ob die Freiwilligkeit zu den Wesensmerkmalen des allgemeinen Zuwendungsbegriffs gehört.101 Auch das Anfechtungsrecht ist unentschieden: Teilweise findet sich die Aussage, die Freiwilligkeit der Zuwendung sei für § 134 InsO nicht erforderlich,102 an anderer Stelle wird geäußert, der Zweck der Unentgeltlichkeitsanfechtung liege darin, „freiwillige Zuwendungen des Schuldners, die innerhalb einer gewissen Zeit gemacht worden sind,“ rückgängig zu machen.103

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Zur grundsätzlichen Anfechtbarkeit güterrechtlicher Verträge gem. § 134 InsO vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 (124); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 57; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 30 ff.; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 143; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 186; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 36; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 96 f.; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 35; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 32. Tatsächlich durchgreifen wird die Anfechtung allerdings nur in absoluten Ausnahmefällen, weil die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung von der subjektiven Einschätzung des Schuldners abhängt und auch die Nähebeziehung berücksichtigt werden darf, vgl. dazu unten S. 358 ff. 101 Die Freiwilligkeit zu den allgemeinen Wesensmerkmalen der Zuwendung zählen Hoffmann, in: RGRK, BGB, Bd. 1, 2. Aufl., § 516 Anm. 1; Planck, Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, Bd. 5, 3. Aufl., § 2315 Anm. 3 a). Dagegen Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 2 ff., 5: Freiwilligkeit zähle nicht zu den begrifflichen Merkmalen der Zuwendung. 102 OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (60); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 15; Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 3 Anm. 47, S. 195; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b. 103 OLG Hamburg, Urt. v. 22.11.1984 – 6 U 114/84, KTS 1985, 556.

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Die Freiwilligkeit ist aber jedenfalls Teil des hier entwickelten Begriffs der ausgleichsbedürftigen materiellen Zuwendung. Denn die Frage nach einem ausgleichenden Entgelt stellt sich für den Schuldner nur solange, wie er sich noch ohne rechtlichen Zwang für oder gegen die Begünstigung des Empfängers entscheiden kann.104 Ist er dem Empfänger gegenüber hingegen gebunden, weil dieser die Zuwendung notfalls auch mit Hilfe rechtlichen Zwanges einfordern kann, hat der Schuldner keine Möglichkeit mehr, mit dem Begünstigten über eine Gegenleistung zu verhandeln. Die Freiwilligkeit entfällt nicht erst, wenn dem Schuldner die Entscheidung genommen wird, über Teile seines Vermögens nach eigenem Belieben zu verfügen. Vielmehr fehlt sie bereits dann, wenn der Schuldner sich nicht mehr aus freien Stücken entscheiden kann, dem Empfänger überhaupt einen Vorteil zukommen zu lassen und diesen Vorteil einem eigenen – entgeltlichen oder unentgeltlichen – Zuwendungszweck zu widmen. Die Handlungsfreiheit mag der Schuldner erst verlieren, wenn der Gläubiger sich mittels staatlichen Zwangs Zugriff auf sein Vermögen verschafft. Freiwillig aber ist die Zuwendung nur, wenn der Schuldner noch volle Gestaltungsfreiheit besaß, also gegenüber dem Gläubiger völlig ungebunden war. Die Gestaltungsfreiheit wird durch jede rechtliche Verpflichtung des Schuldners beseitigt, auch wenn er weiterhin entscheiden kann, ob und wann er der Verpflichtung ‚freiwillig’ nachkommt. Damit fehlt es an einer ausgleichsbedürftigen materiellen Zuwendung i.S.d. § 134 InsO, wenn eine wirksame, durchsetzbare Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Empfänger bestand.105 Der Empfänger hätte sich den erlangten Vorteil notfalls auch selbst verschaffen können. Der Schuldner konnte die Leistung daher nicht mehr mit einem Entgelt verknüpfen.106 Eine bloß sittlich empfundene Verpflichtung beseitigt die Freiheit des Schuldners zur privatautonomen Entscheidung über das Erbringen der Zuwendung hingegen nicht.107 Sie mag der Zuwendung den Charakter als Ausdruck einer altruistischen Freigebigkeit nehmen,108 doch die Freiwilligkeit wird nur durch einen rechtlichen, nicht durch einen bloß moralischen Zwang aufgehoben. Entscheidend ist, dass 104

I.E. ebenso Eckstein, ZZP 41 (1911), S. 67 (83): Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung i.S.d. § 32 KO trage „das Moment der rechtlichen Selbstständigkeit (vom Standpunkte des Leistenden aus das Moment der Freiwilligkeit) in sich.“ Prag, Sittliche Pflichten, S. 10 meint hingegen, eine unentgeltliche Zuwendung müsse nicht notwendig freiwillig sein. 105 Eckstein, ZZP 41 (1911), S. 67 (83). Das Schenkungsrecht behandelt diesen Aspekt meist im Rahmen der Unentgeltlichkeit, die fehlen soll, wenn die Zuwendung zur Tilgung einer Verbindlichkeit bestimmt sei, vgl. Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 24; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 198. 106 Zu den Möglichkeiten der Anfechtung einer Erfüllungsleistung, wenn sie eine vom Schuldner in privatautonomer Gestaltungsfreiheit begründete, unentgeltliche Forderung abwickelt, siehe unten S. 248. 107 So auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 184. 108 Dazu siehe unten S. 378 ff.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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sich der Begünstigte den Vorteil notfalls auch selbst hätte verschaffen können. Daran fehlt es bei der sittlichen Verpflichtung, die kein durchsetzbares Recht des Begünstigten zur Einforderung der sittlich gebotenen Zuwendung erzeugt. 3. Anforderungen an den Vorteil auf Empfängerseite Jede Zuwendung setzt voraus, dass dem Empfänger ein Vorteil verschafft wird.109 Welche Qualität dieser Vorteil aufweisen muss, darüber gehen die Meinungen im allgemeinen Zivilrecht jedoch auseinander. Nach der überwiegenden Ansicht muss der verschaffte Vorteil einen Vermögenswert verkörpern, damit von einer Zuwendung gesprochen werden kann.110 Andere halten auch die Verschaffung eines nicht vermögenswerten Vorteils für ausreichend, solange es sich nicht um einen rein ideellen Wert handelt, der keinerlei vermögensrechtlichen Aspekt aufweist (wie etwa nur der Unterhaltung dienende künstlerische und artistische Darbietungen).111 Umstritten ist weiterhin, in welcher Art und Weise der Vorteil dem Vermögen des Empfängers tatsächlich zugute gekommen sein muss: Einerseits könnte man für eine Zuwendung bereits den Erwerb einer formal-dinglichen Rechtsposition genügen lassen, die der Zuwendungsempfänger aber nicht im eigenen Interesse ausüben darf, andererseits könnte man auch fordern, dass der verschaffte Vorteil ihm eine echte materielle Begünstigung gewähren werden muss.112 An eine Bereicherung des Begünstigten im schenkungsrechtlichen Sinne scheint die Zuwendung jedenfalls nicht geknüpft zu sein.113 Die besondere Hervorhebung der bereichernden Wirkung der Zuwendung im Tatbestand des § 516 Abs. 1 BGB wäre sonst überflüssig.114 Im Rahmen des § 134 InsO bietet sich ein ganz ähnliches Bild. Auch hier ist man sich nicht einig, in welcher Art und Weise der Anfechtungsgegner von der Schuldnerleistung profitiert haben muss. Fest steht, dass er jedenfalls irgendeinen Vorteil erhalten haben muss.115 Für einige ist jedes ‚erlangte Etwas’ i.S.d.

109 Darin sind sich die verschiedenen Zuwendungsdefinitionen einig, siehe oben S. 181 f. Vgl. auch Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 12. 110 von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I b), S. 50. 111 Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 11 ff., 15 f. Der Reichsfinanzhof ließ es im Urt. v. 29.03.1922 – VI A 61/22, RFHE 9, 9 (12) dahingestellt, ob für eine Zuwendung ein Vermögensvorteil verschafft werden muss oder nicht. 112 Vgl. dazu Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 25 ff. (zu den Anforderungen an die Vermögensverschiebung bei der Schenkung). 113 Eine Bereicherung des Begünstigten fordern aber Enneccerus, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. I/1, 15.-17. Aufl., § 138, 3: „Geschäfte, durch welche jemand das Vermögen einer anderen Person bereichert, heißen Zuwendungen“; Fischer, in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 10; Flume, AT, Bd. 2, 4. Aufl., § 11, 2, S. 135. 114 So auch Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 6 ff. 115 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 106.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

§ 812 BGB ein tauglicher Vorteil,116 andere fordern, der Anfechtungsgegner müsse einen Vermögenswert erlangt haben.117 Teilweise wird die Anwendung des § 134 InsO auch bei der Genehmigung, an einen Dritten schuldbefreiend zu leisten,118 oder beim Verzicht des Schuldners auf die Anfechtung eines für ihn nachteiligen Vertrags gem. §§ 119 ff. BGB119 erwogen, obwohl der Anfechtungsgegner hier lediglich einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen, aber keinen vermögenswerten Vorteil erlangt.120 Für einige scheidet die Unentgeltlichkeitsanfechtung aus, wenn der Anfechtungsgegner zwar eine formal-dingliche Rechtsposition erlangt, aber das Erlangte vollumfänglich an einen Dritten weiterleiten muss, ohne daraus einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil ziehen zu können.121 Für andere hingegen steht diese Zweckbindung der Anfechtung nicht entgegen.122 Weitgehend einig ist man sich allerdings, dass der Empfänger durch die unentgeltliche Leistung nicht bereichert worden sein muss.123 Im Gegensatz zur Schenkung erfordere § 134 InsO keine Bereicherung „im technischen Sinne“124 bzw. keine „Bereicherung (…) im Sinne endgültiger Mehrung seines Vermögens.“125 Ihren Ursprung hat diese Auffassung in der frühen Rechtsprechung

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So Heim, Schenkungsanfechtung, S. 106 ff. In eine ähnliche Richtung wohl auch Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G22, der meint, eine Begünstigung des Zuwendungsempfängers sei nicht Voraussetzung des Leistungsbegriffs. 117 BGH, Urt. v. 11.12.2003 – IX ZR 336/01, NJW-RR 2004, 696 (697); OLG Frankfurt, Urt. v. 18.11.2010 – 16 U 183/09, NZI 2011, 62 (63); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 25; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6. Vgl. auch von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 206: Vermögen des Empfängers muss vermehrt worden sein. 118 So Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 83; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (883). 119 So anscheinend Thole, Gläubigerschutz, S. 445, der zur rechtsgeschäftlichen Sichtweise kritisch anmerkt, sie schließe die Nichtausübung von Gestaltungsrechten von der Unentgeltlichkeitsanfechtung aus. 120 Gegen die Anfechtbarkeit der Ausübung von Gestaltungsrechten mangels „Zweckabrede“ Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 195. 121 OLG Celle, Urt. v. 18.05.2006 – 13 U 120/03, ZIP 2006, 1878 (1880); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 16 ff.; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12. Vgl. auch Ganter, NZI 2015, S. 249: Habe die Zuwendung das Vermögen des Schuldner von Anfang an nicht vermehrt, liege keine unentgeltliche Leistung vor. 122 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 61 ff.; Lange, Konkursanfechtung, S. 128 f. 123 Siehe oben S. 17 mit Fn. 6. 124 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 37. 125 Bähr, JR 1972, S. 469; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Anm. 2. Der nachträgliche Wegfall der Bereicherung kann mit dieser Einschränkung nicht gemeint sein, denn auch der Schenkungscharakter wird nicht berührt,

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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des Reichsgerichts vor dem Inkrafttreten des BGB.126 Im Jahr 1883 erklärte der II. Zivilsenat die Zahlung auf eine fremde Schuld gegenüber dem befriedigten Gläubiger für anfechtbar gem. § 25 KO a.F.127 Es schade nicht, dass der Gläubiger eine werthaltige Forderung gegenüber dem Forderungsschuldner verliere, denn es würde der „klar ausgesprochenen Absicht des Gesetzes widerstreiten, wenn man die Anfechtbarkeit unentgeltlicher Verfügungen von einer Bereicherung des Empfängers abhängig machen wollte.“128 Zwar gab das Reichsgericht zu, dass der Gesetzgeber in den Motiven zu § 25 KO davon ausging, der Anfechtungsgegner müsse durch die unentgeltliche Verfügung bereichert worden sein. Dabei habe er jedoch nur Zwei-Personen-Beziehungen im Blick gehabt.129 Tilge der Schuldner als Dritter eine fremde Schuld, dürfe es auf die Bereicherung des Empfängers nicht ankommen. An diesem Kurs hielt das Reichsgericht zunächst fest. So lehnte es im Jahr 1891 die Anfechtbarkeit der Tilgung einer eigenen Schuld mit der Begründung ab, „daß die (…) bewirkte Leistung keine Bereicherung des Empfängers herbeiführt, daß vielmehr dessen bisheriges Forderungsrecht erlischt.“130 Im Jahr 1918 erklärte es dann aber auch im Zwei-Personen-Verhältnis die schenkungsrechtliche Bereicherung des Empfängers für verzichtbar.131 In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Schuldner seiner Ehefrau Wertpapiere mit der Zweckbestimmung übertragen, sie zur Befriedigung seiner Gläubiger zu verwenden. Die Ehefrau setzte die Wertpapiere weisungsgemäß zur Tilgung der Verbindlichkeiten ein. Das Reichsgericht hielt die Übertragung der Wertpapiere gleichwohl gegenüber der Ehefrau gem. § 32 KO für anfechtbar, weil die unentgeltliche Verfügung nicht an eine Bereicherung des Empfängers im schenkungsrechtlichen Sinne gebunden sei.132 Es schade daher nicht, dass die Ehefrau die wenn der Schenkungsgegenstand später wegfällt oder an Wert verliert. Der Erfolg der Anfechtung hängt also selbstverständlich nicht davon ab, dass das Vermögen des Anfechtungsgegners im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs noch vermehr ist (so auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 16) – insofern liegt aber kein Gegensatz zur Schenkung vor. 126 Vorher bereits vereinzelte Stimmen im Schrifttum, vgl. Otto, Anfechtung, § 23, Anm. II, Nr. 1 S. 133: Es genügt ein „Vermögensvortheil irgend welcher Art“. A.A. aber die damals herrschende Meinung, die von einer Deckungsgleichheit von Schenkung und unentgeltlicher Verfügung ausging, vgl. Stieglitz, Konkursordnung, § 25 Anm. II Nr. 1, S. 154; von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 8. Dazu im Einzelnen oben S. 70 ff. 127 RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, 86 ff. Im Anschluss daran dann auch vermehrt Stimmen im Schrifttum, siehe Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2, S. 142. Unentschieden nach wie vor Endemann, Konkursverfahren, § 44 S. 267. 128 RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, 86 (87). 129 RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, 86 (87 f.). 130 RG, Urt. v. 15.05.1891 – III 44/91, RGZ 27, 130 (134) [zu § 3 AnfG a.F.]. 131 RG, Urt. v. 19.02.1918 – VII 407/17, RGZ 92, 227 (228). 132 RG, Urt. v. 19.02.1918 – VII 407/17, RGZ 92, 227 (228).

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Wertpapiere vollständig für die Zwecke des Schuldners einsetzen musste, ohne dass für sie selbst etwas übrig blieb.133 Die Zweckverwendung konnte sie lediglich auf Rechtsfolgenseite als Entreicherung geltend machen.134 Der BGH hat sich bislang in keiner Entscheidung dazu geäußert, ob § 134 InsO an eine Bereicherung des Empfängers geknüpft ist oder nicht. Lediglich in der Instanzenrechtsprechung findet sich vereinzelt der Hinweis, der Begriff der unentgeltlichen Leistung sei insofern weiter als der der Schenkung, als er „weder eine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit noch eine Bereicherung des Zuwendungsempfängers“ voraussetze.135 Auf die Bereicherung kam es in den konkreten Fällen jedoch nicht an. Es bedarf daher der Prüfung, ob die materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO tatsächlich nicht an eine Bereicherung auf Seiten des Anfechtungsgegners geknüpft ist. Dafür ist es zunächst notwendig, sich über den Bedeutungsgehalt des Begriffs der Bereicherung Klarheit zu verschaffen, der im allgemeinen Zivilrecht in unterschiedlicher Art und Weise gebraucht wird (a). Anschließend kann zu der Auffassung des Reichsgerichts und der herrschenden Meinung Stellung genommen (b) und aufgezeigt werden, welche konkreten Anforderungen die materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO an den vom Begünstigten erlangten Vorteil stellt (c). a) Die verschiedenen Formen der Bereicherung im allgemeinen Zivilrecht aa) Bei der Frage nach der Qualität des zugewendeten Vorteils lassen sich im allgemeinen Zivilrecht und im Anfechtungsrecht zwei übereinstimmende Gegenpole ausmachen: Auf der einen Seite steht die Bereicherung des Empfängers im schenkungsrechtlichen Sinne. Sie stellt die höchsten Anforderungen an die Qualität des verschafften Vorteils: Der Empfänger muss eine endgültige und materielle Mehrung seines Gesamtvermögens erfahren haben.136 Dies setzt zunächst voraus, dass dem Beschenkten ein vermögenswerter Vorteil verschafft worden ist.137 An der schenkungsrechtlichen Bereicherung fehlt es daher, wenn der Beschenkte lediglich einen immateriellen Vorteil erhält oder ein bestehendes Recht bestärkt, aber kein neuer Vermögenswert zugewendet

133 Zur Anfechtung gem. § 133 InsO gegenüber dem uneigennützigen Treuhänder vgl. BGH, Urt. v. 26. 4. 2012 − IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff. 134 RG, Urt. v. 19.02.1918 – VII 407/17, RGZ 92, 227 (228). 135 OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (60). Ebenso auch LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192). 136 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 26; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 10. 137 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 10; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 5.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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wird.138 Ebenso wenig genügt es, wenn der Empfänger lediglich eine formaldingliche Rechtsposition erwirbt, ohne den verschafften Vorteil im eigenen Interesse nutzen zu können. Eine Schenkung scheidet aus, wenn der Empfänger lediglich Mittels- oder Durchgangsperson für den eigentlich Begünstigten ist und das Erhaltene vollständig zurück- oder weitergeben muss.139 Eine Bereicherung i.S.d. § 516 BGB kann der Empfänger auch dann nicht verzeichnen, wenn der zugewendete Vermögenswert umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße wieder aufgezehrt wird: Die Tilgung einer werthaltigen Schuld ist daher mangels Bereicherung keine Schenkung, da der Gläubiger seine Forderung verliert.140 Schließlich fehlt es an der schenkungsrechtlichen Bereicherung, wenn der Begünstigte zwar einen endgültigen eigenen Vermögensvorteil verzeichnen kann, aber seine Vermögenssubstanz nicht vermehrt wird. Der Darlehensnehmer etwa wird daher nicht beschenkt: Um die Darlehenssumme wird er nicht bereichert, weil er sie wieder zurückübertragen muss.141 Auch die Nutzungsmöglichkeit bewirkt keinen substanziellen Vermögenszuwachs, sodass es an einer schenkungsrechtlichen Bereicherung fehlt. bb) Den Gegenpol zu diesem engen schenkungsrechtlichen Verständnis bildet die Bereicherung in Form des ‚erlangten Etwas’ im Sinne des § 812 BGB.142 Als ‚erlangtes Etwas’ kommt nach heute herrschender Meinung jeder irgendwie geartete Vorteil in Betracht, der dem Empfänger zugeflossen ist, ohne dass es auf einen Vermögenswert des Zugewendeten ankäme.143 Bereichert i.S.d. § 812 BGB ist damit jeder, der irgendeinen Vorteil erhalten hat,

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Vgl. Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 10; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 4; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 5; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 198. 139 BGH, Urt. v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, BGHZ 157, 178 (182); RG, Urt. v. 08.09.1922 – IV 74/22, RGZ 105, 305 (308); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 29 ff.; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 10; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 5; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 6; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 12; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 198; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 7. 140 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 198. 141 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 28; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 198. 142 Zur fehlenden Deckungsgleichheit zwischen bereicherungsrechtlicher und schenkungsrechtlicher Bereicherung vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 34. 143 Sog. „gegenständliche Betrachtungsweise“, vgl. dazu Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 812 Rn. 3; Canaris, JZ 1971, S. 560 (561); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 110; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 71 I 1, S. 254 f.; Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 98 ff.; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 812 Rn. 65; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 1;

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

ohne dass sein Vermögen dadurch wirtschaftlich vermehrt worden sein müsste.144 Entscheidend ist allein, dass auf Grundlage einer formal-dinglichen Betrachtungsweise ‚etwas’ in das Empfängervermögen gelangt ist: Wurde eine Sache übergeben, hat der Empfänger Besitz erlangt; wurde sie übereignet, erhielt er Eigentum. Welchem Zweck dieser Vorteil diente und ob er dem Empfänger endgültig zur Befriedigung seiner eigenen Interessen verbleiben sollte, spielt keine Rolle. Der wirtschaftliche Wert des Vorteils wird erst auf Rechtsfolgenseite relevant. Stellt sich dort heraus, dass der Vorteil weder gegenständlich im Vermögen des Empfängers vorhanden ist noch einen wirtschaftlichen Wert besaß, der gem. § 818 Abs. 2 BGB ersetzt werden könnte, scheidet eine bereicherungsrechtliche Rückgewähr aus.145 cc) Die Frage, welchen Anforderungen der dem Empfänger verschaffte Vorteil im Rahmen des § 134 InsO gerecht werden muss, bewegt sich zwischen diesen beiden Gegenpolen. Die Bereicherung in Form des ‚erlangten Etwas’ i.S.d. § 812 BGB verkörpert die Vorteilsverschaffung im denkbar weitesten Sinne. Sie bildet somit die Mindestvoraussetzung für das Vorliegen einer Zuwendung und damit auch für die Schuldnerleistung des § 134 InsO. Den hohen Anforderungen der schenkungsrechtlichen Bereicherung muss hingegen nach der herrschenden Meinung weder die Zuwendung im allgemeinen zivilrechtlichen Sinne noch die Leistung i.S.d. § 134 InsO gerecht werden. Zu entscheiden Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 812 Rn. 54. Die früher vorherrschende, vermögensorientierte Betrachtungsweise, die auf Tatbestandsseite bereits eine vermögensmehrende Bereicherung beim Empfänger fordert [vgl. BGH, Urt. v. 18.01.1952 – I ZR 87/51, NJW 1952, 417; RG, Urt. v. 14.03.1903 – V 458/02, RGZ 54, 137 (141); Heimann-Trosien, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 812 Rn. 1; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 812 Rn. 8; offengelassen von BGH, Urt. v. 07.10.1994 – V ZR 4/94, NJW 1995, 53 (54)], wurde weitgehend zurückgedrängt. Eine differenzierende Auffassung wendet bei Tatbeständen der Leistungskondiktion die gegenständliche Betrachtungsweise an, in Fällen der Aufwendungs- und der Rückgriffskondiktion hingegen die vermögensrechtliche Betrachtungsweise, vgl. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 15 I, S. 528 ff. 144 S. Beck, Leistung, S. 334; Goetzke, AcP 173 (1973), S. 289 (309 f.); Hassold, Leistung, S. 5: Unbeachtlichkeit des Vermögenswerts zumindest solange, wie der Gegenstand in Natur herausgegeben werden kann; Köhler, AcP 190 (1990), S. 496 (531); Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 71 I 1, S. 255; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 812 Rn. 65; Reeb, Grundprobleme des Bereicherungsrechts, S. 8 ff.; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 812 Rn. 3; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 812 Rn. 39; Wieling, Bereicherungsrecht, 4. Aufl., S. 7. Zumindest irgendeine Vermögensrelevanz des verschafften Vorteils fordern allerdings (mit Recht) Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 15: „jede Vermehrung der Rechtspositionen bzw. rechtlich geschützten tatsächlichen Positionen (…), wobei es irrelevant ist, ob das Vermögen des „Bereicherten“ effektiv (…) durch die Leistung vermehrt worden ist“; Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 812 Rn. 3: „jedwede Verbesserung der Vermögenslage des Bereicherungsschuldners“; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 812 Rn. 8: „jede Verbesserung der Vermögenssituation“. 145 S. Beck, Leistung, S. 334.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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ist somit, ob für die Unentgeltlichkeitsanfechtung jeder Vorteil in Form eines ‚erlangten Etwas’ genügt, oder ob höhere Anforderungen an den Vorteil auf Empfängerseite zu stellen sind. b) Stellungnahme aa) Eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung muss dem Begünstigten einen Vorteil von solcher Qualität verschaffen, dass von ihm eine ausgleichende Gegenleistung erwartet werden kann. Der Gesetzgeber ging im Jahr 1877 noch davon aus, dass dieser Vorteil die Qualität einer schenkungsrechtlichen Bereicherung aufweisen muss. Da die Schenkung auch heute noch den Prototyp der unentgeltlichen Leistung bildet, spricht zunächst alles dafür, für § 134 InsO eine schenkungsrechtliche Bereicherung des Empfängers zu fordern. (1) Die beiden Reichsgerichtsurteile und die anfechtungsrechtliche Literatur geben für eine Abkehr von den Vorstellungen des Konkursgesetzgebers jedenfalls keine überzeugende Begründung. Anders als das Reichsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 1883146 meint, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber das Bereicherungserfordernis lediglich auf Zwei-Personen-Beziehungen bezogen haben sollte. Dem Schenkungsrecht ist die Sachverhaltskonstellation der Tilgung einer fremden Schuld durchaus bekannt. Sie wird an denselben Maßstäben gemessen wie die klassische Zwei-Personen-Konstellation: Eine Schenkung des tilgenden Dritten an den Gläubiger scheidet mangels Bereicherung aus, weil der Gläubiger eine werthaltige Forderung verliert.147 Die Notwendigkeit, im Rahmen des § 134 InsO von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht keineswegs. Ganz im Gegenteil: Dem Ergebnis des Reichsgerichtsurteils würde heute niemand mehr zustimmen.148 Könnten die Gläubiger jede Tilgung einer fremden Schuld gegenüber dem Forderungsgläubiger anfechten, würde dieser vier Jahre lange der Gefahr der Unentgeltlichkeitsanfechtung ausgesetzt, obwohl er die Drittleistung nur bei einem Widerspruch des Schuldners ablehnen kann (§ 267 Abs. 2 BGB).149 Die Drittbefriedigung 146

RG, Urt. v. 27.11.1883 – II 268/83, RGZ 10, 86 ff. Vgl. Harke, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 516 Rn. 36. 148 Bereits der VI. Zivilsenat des Reichsgerichts hegte im Urt. v. 12.10.1896 – VI 74/96, RGZ 38, 6 (9) Zweifel an der Entscheidung aus dem Jahr 1883. Er hatte allerdings lediglich über die Tilgung einer fremden Schuld bei übereinstimmend erkannter Wertlosigkeit der getilgten Forderung zu entscheiden. Da auch das Schenkungsrecht hier von einer Bereicherung ausgeht, ließ er offen, „ob dem weitergehenden Urteil RGZ 10, 86 zuzustimmen ist.“ Die heute herrschende Meinung sieht in dem Verlust der (werthaltigen) Forderung die Gegenleistung des fremden Gläubigers für die Tilgungsleistung, die mithin entgeltlich sei, vgl. nur BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302) sowie die zahlreichen weiteren Nachweise auf S. 435 in Fn. 36. 149 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10. 2013 – IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, 147

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

stellt ihn damit weitaus schlechter als die Befriedigung durch seinen eigenen Schuldner, ohne dass er sich dagegen wehren könnte. Die herrschende Meinung stützt den Ausschluss der Anfechtung zwar darauf, dass der Empfänger durch den Verlust der werthaltigen Forderung eine ‚Gegenleistung’ erbringe. Sie qualifiziert die Erfüllungsleistung damit als ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung, die jedoch aufgrund der Erfüllungswirkungen entgeltlich und damit der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen sei. Es erscheint jedoch wenig überzeugend, zunächst entgegen der gesetzgeberischen Intention auf das Bereicherungserfordernis zu verzichten, nur um dann die Rechtswirkung des § 362 BGB zu einer – unstreitig atypischen150 – Gegenleistung aufzuwerten, die die Anfechtung im Ergebnis doch noch scheitern lässt.151 Dasselbe Ergebnis lässt sich auch auf Grundlage des schenkungsrechtlichen Bereicherungsbegriffs erzielen, ohne dass man den Begriff der Gegenleistung auf ‚bloße Gegenwerte’ erweitern und sich entgegen der gesetzgeberischen Intention vom Bereicherungserfordernis entfernen müsste. (2) Nicht weniger fragwürdig ist das Urteil aus dem Jahr 1918.152 Das Reichsgericht verzichtete hier vollständig auf eine Begründung für die endgültige Aufgabe des schenkungsrechtlichen Bereicherungskriteriums. Dabei begegnet die Anwendung des § 134 InsO auch in diesem Fall erheblichen Zweifeln: Die Vereinbarung eines Entgelts stand zwischen den Eheleuten völlig außer Frage. Sie hätten vielleicht erwägen können, der Ehefrau für die Führung der Geschäfte ihres Ehemanns ein Entgelt zu gewähren. Auf eine Gegenleistung für die Übertragung der Wertpapiere hätte sich die Ehefrau hingegen niemals eingelassen, da die Gläubigerbefriedigung ausschließlich den Interessen ihres Mannes diente und ihr selbst keine eigenen Vorteile verbleiben sollten. Wie dem Ehemann unter diesen Umständen vorgeworfen werden soll, von seiner Ehefrau keine Gegenleistung gefordert zu haben, erschließt sich nicht. Auch das praktische Ergebnis des Urteils befremdet: Da die Ehefrau die Wertpapiere bereits weisungsgemäß weitergeleitet hatte, blieb ihr allein auf Rechts-

NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 13; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280). 150 Vgl. Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Rn. 6; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 40. 151 So i.E. auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 16. Zu den weiteren Zweifeln an dieser Auffassung siehe unten S. 243 ff. 152 RG, Urt. v. 19.02.1918 – VII 407/17, RGZ 92, 227 (228). In der Literatur wird es jedoch nach wie vor als zentrale Quelle für die Entbehrlichkeit des schenkungsrechtlichen Bereicherungserfordernisses angeführt, vgl. Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 9 mit Fn. 18; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12 mit Fn. 43; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 4 mit Fn 3. Kritisch hingegen Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 18; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 206.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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folgenseite der Einwand der Entreicherung, für den sie darlegungs- und beweispflichtig war. Wäre ihr dieser Nachweis nicht gelungen oder hätte sie ein entsprechendes Vorbringen versäumt, hätte sie den Gläubigern des Ehemanns den Wert der Papiere in voller Höhe ersetzen müssen. Ihr wäre daher dringend von der Entgegennahme der Wertpapiere abzuraten gewesen, denn sie setzte sich einem erheblichen Haftungsrisiko aus, ohne jemals einen eigenen materiellen Vorteil aus diesem Vorgang ziehen zu können. bb) Die Analyse der beiden Reichsgerichtsurteile zeigt, dass die ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung des § 134 InsO ebenso wie die Schenkung an die endgültige und materielle Verschaffung eines Vermögensvorteils gebunden ist.153 Nur wenn der Schuldner einen Vorteil solcher Qualität zuwendet, kann ihm zum Vorwurf gemacht werden, entgegen der wirtschaftlichen Vernunft auf die Anforderung einer Gegenleistung verzichtet zu haben. Wird der Wert der Zuwendung hingegen – wie bei der Tilgung fremder Schulden – umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße aufgezehrt oder dem Empfänger nur eine formale Eigentumsstellung eingeräumt, aus der er keine eigenen materiellen Vermögensvorteile ziehen kann, kommt die Vereinbarung einer Gegenleistung zwischen den Parteien nicht ernsthaft in Betracht. Der Vorwurf gegenüber dem Schuldner, im Verhältnis zum Anfechtungsgegner auf ein Entgelt verzichtet zu haben, rechtfertigt sich nicht. In einer solchen Rechtsbeziehung kann sich kein Schuldnerfehlverhalten verwirklichen. Der dem Anfechtungsgegner im Rahmen des § 134 InsO verschaffte Vorteil kann allerdings insoweit hinter den Anforderungen der schenkungsrechtlichen Bereicherung zurückbleiben, als er nicht notwendig die Sachsubstanz des Empfängervermögens erhöht haben muss.154 Dies zeigt ein Blick auf die übrigen unentgeltlichen Vertragstypen des BGB: Sie werfen ebenfalls die Frage nach einem Entgelt auf und können daher als unentgeltlich bezeichnet werden, obwohl der von ihnen verschaffte Vorteil nicht die Qualifikation einer schenkungsrechtlichen substanziellen Bereicherung erfüllt. Die substanzielle Vermögensminderung beim Schenker und der entsprechende substanzielle Vermögenszuwachs beim Beschenkten sind damit keine Grundvoraussetzung für die Entgeltbewertung, sondern originär schenkungsspezifische Wesensmerkmale, die der Abgrenzung der Schenkung von den übrigen unentgeltlichen Vorteilsverschaffungen des BGB dienen.155 Die Frage nach einem Entgelt werfen hingegen auch Zuwendungen auf, die das Vermögen des Empfängers endgültig und materiell vermehren, ohne dabei die Sachsubstanz des Empfängervermögens zu erhöhen. Eine Gebrauchsüberlassung oder eine Dienstleistung kommen damit als ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung in Betracht, auch

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Vgl. auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 16. So auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 434 f. 155 Dazu auch sogleich S. 207 ff. 154

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wenn sie keine substanzielle Vermögensverschiebung im schenkungsrechtlichen Sinne bewirken.156 Sie verschaffen dem Begünstigten einen echten vermögenswerten Vorteil, sodass sich bei ihnen die Frage nach einem Entgelt ebenso stellt wie bei einer substanziellen Vorteilsverschaffung. Die Grenzen des zuwendungsrechtlichen Bereicherungserfordernisses sind auch dort erreicht, wo die schenkungsrechtliche Bereicherung mit einem positiven Vermögenssaldo auf Empfängerseite unter Verrechnung aller mit der Zuwendung verbundenen Vor- und Nachteile gleichgesetzt wird.157 Eine solche Gesamtbetrachtung zur Ermittlung der Bereicherung würde den Sinn und Zweck des Zuwendungsbegriffs konterkarieren, diejenigen Vorteilsverschaffungen zu identifizieren, die offen für eine Entgeltbewertung sind. Denn an einer Bereicherung würde es stets fehlen, wenn zwischen den Parteien ein gleichwertiger Leistungsaustausch, also ein entgeltliches Geschäft, vereinbart wurde.158 Es ist daher für die zuwendungsrechtliche Bereicherung nicht erforderlich, dass der Empfänger im Ergebnis unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile eine endgültige Vermögensmehrung erfahren hat.159 Vielmehr sind Bereicherung und Gegenleistung zu trennen. Die Bereicherung betrifft die mit der Schuldnerzuwendung einhergehenden Vorteile des Empfängers. Diese Vorteile können durch unmittelbar mit der Zuwendung einhergehende Schmälerungen seines Aktivvermögens entfallen – dann fehlt es an einer Bereicherung. Führt die Zuwendung hingegen lediglich dazu, dass das Empfängervermögen mit einer Verbindlichkeit belastet wird – wie beim Abschluss eines gegenseitigen entgeltlichen Vertrags –, liegt eine Bereicherung vor und alle weiteren Fragen sind auf Ebene der Entgeltprüfung zu klären. c) Schlussfolgerungen für die ausgleichsbedürftige Zuwendung i.S.d. § 134 InsO Der Anfechtungsgegner des § 134 InsO muss demnach materiell bereichert worden sein. Es genügt nicht, dass er im bereicherungsrechtlichen Sinne irgendetwas erlangt hat, sondern er muss in den Genuss eines endgültigen und materiellen Vermögensvorteils gekommen sein. Hinter der schenkungsrechtlichen Bereicherung bleibt diese Art der Begünstigung nur insoweit zurück, als keine substanzielle Vermögensmehrung erforderlich ist und keine Gesamtbetrachtung aller mittelbar mit der Zuwendung verbundenen Vor- und Nachteile 156

Zur Frage der Gläubigerbenachteiligung siehe unten S. 210 ff. So etwa das Verständnis von Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 10 f.: „Soweit ein geldwertes Entgelt gegeben wird, wie es im Regelfalle üblich ist, sollte nicht von Bereicherung gesprochen werden.“ 158 Vgl. Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 10 f.: Es wäre bei der Anforderung einer solchen Bereicherung „gar nicht möglich, überhaupt von entgeltlichen Zuwendungen zu reden.“ 159 So auch i.E. Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 10 f. 157

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erfolgt. Aus diesem Ergebnis lassen sich folgende Erkenntnisse für die Auslegung des § 134 InsO ableiten: aa) Zuwendungsgegenstand in Form eines vermögenswerten Vorteils Wie im Schenkungsrecht kommt auch im Rahmen des § 134 InsO als Gegenstand der Zuwendung nur ein Vermögensvorteil in Betracht.160 Werden dem Begünstigten bloß ideelle oder rein wirtschaftliche Vorteile verschafft, mittels derer er eine bereits bestehende Rechtsposition lediglich besser, schneller oder einfacher verwirklichen kann, gibt es für den Schuldner keinen zwingenden Anlass, an die Vereinbarung einer Gegenleistung zu denken. Es mag zwar durchaus möglich sein, dass manche Parteien auch für einen solchen Vorteil ein Entgelt vereinbaren würden. Dann jedoch verleihen sie ihm erst durch die Vereinbarung des Entgelts einen konkreten wirtschaftlichen Wert. Tun sie dies nicht, hätte es dem Schuldner zwar freigestanden, ein Entgelt zu verlangen, doch kann dies – anders als bei der Verschaffung eines vermögenswerten Vorteils – nicht erwartet werden.161 Die Unentgeltlichkeitsanfechtung scheidet daher aus, wenn der Schuldner durch sein Verhalten lediglich einen für den Empfänger vorteilhaften Zustand perpetuiert, aber keine eigenständige Vermögensmehrung herbeiführt. So etwa, wenn der Schuldner von einem Anfechtungsrecht gem. §§ 119 ff. BGB keinen Gebrauch macht oder sogar darauf verzichtet und dadurch an einem für ihn nachteiligen Vertrag weiter festhält.162 Hier kann § 133 Abs. 1 InsO einschlägig sein, aber da das Empfängervermögen nicht bereichert wird, ist an eine unentgeltliche Leistung nicht zu denken.163 In gleicher Weise kommt auch die Vereinbarung einer Lösungsklausel von einem – für den Schuldner vorteilhaften – Vertrag von vornherein nicht als ausgleichsbedürftige Leistung i.S.d. § 134 InsO in Betracht.164 Sie mag zwar für den Gläubiger wirtschaftlich vorteilhaft sein, verschafft ihm aber keinen eigenständigen Vermögenswert. Anders ist es hingegen, wenn der Schuldner trotz Kündigungsmöglichkeit an einem Dauerschuldverhältnis festhält und dadurch Ansprüche des anderen Teils entstehen, obwohl dieser von seiner Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung

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Ebenso die Quellen auf S. 190 in Fn. 117. Vgl. auch von Caemmerer, in: FS Lewald, S. 443 (456) [zu von ihm als entgeltneutral qualifizierten Sicherheitsleistungen]. 162 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 390 sowie S. 201 f. Wohl anders Thole, Gläubigerschutz, S. 445. 163 Eine Anfechtung der Erfüllungsleistung kommt hingegen in Betracht, wenn der andere Teil durch den nachteiligen Vertrag einen Vermögensvorteil erhielt und der Schuldner bei Vertragsschluss von der einseitigen Bereicherung des Empfängers wusste. 164 So aber von Wilmowsky, ZIP 2007, S. 553 (562); er hält die Lösungsklausel allerdings nicht für unentgeltlich, weil nicht nur der Anspruch des kündigenden Gläubigers, sondern auch der des Schuldners erlischt. 161

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befreit ist. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn der Schuldner einen Arbeitnehmer freistellt, ohne ihn zu kündigen: Aufgrund des durch die Freistellung eingetretenen Annahmeverzugs des Schuldners erhält der Arbeitnehmer gem. § 615 BGB weiterhin die vereinbarte Vergütung, ohne Arbeitsleistungen erbringen zu müssen.165 In diesem Fall ist die unterbliebene Kündigung gem. § 134 InsO anfechtbar, da sie dem Arbeitnehmer unentgeltlich einen eigenständigen Vermögensvorteil in Form der Vergütungsansprüche gewährt. Keinen eigenständigen Vermögenswert verschafft hingegen die Erteilung der Genehmigung, eine eigene Schuld durch Leistung an einen Dritten zu tilgen: Selbst wenn sie für den ermächtigten Forderungsschuldner wirtschaftlich vorteilhaft ist, bewirkt sie keine Vermögensmehrung, für die ein Entgelt zu erwarten gewesen wäre. Eine Anfechtung gem. § 134 InsO scheidet aus.166 Auch die Erteilung einer Vollmacht hat für sich gesehen keinen Zuwendungscharakter167 und kommt damit als Anfechtungsgegenstand nicht in Betracht.168 bb) Materieller Charakter des Vermögensvorteils auf Empfängerseite Wurde dem Empfänger ein vermögenswerter Vorteil gewährt, so stellt sich die Frage nach einem Entgelt für die Parteien gleichwohl nicht, wenn der Begünstigte von diesem Vorteil nicht im eigenen Interesse Gebrauch machen darf. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vorteil formal-dinglich oder sogar haftungsrechtlich169 in sein Vermögen eingegliedert worden ist.170 Denn ist der 165

Vgl. zu diesem Fall LArbG Köln, Urt. v. 08.01.2014 – 5 Sa 764/13, ZIP 2014, 1346 f. I. E. ebenfalls ablehnend Lüke, ZIP 2001, S. 1 (6); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 108. Zum fehlenden Vorteil des angewiesenen Dritten vgl. auch BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (288); Ehricke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 129 Rn. 20; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 143 Rn. 5. Für möglich hält der BGH neuerdings aber eine Anfechtung der Anweisung gem. § 133 Abs. 1 InsO, vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 (317 f.) in Rn. 15 ff.; ebenso Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 84; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 49a. Einschränkend Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 87 ff. 167 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 200; von Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/2, § 71 I b), S. 50. 168 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 29.06.1988 – 13 U 17/88, ZIP 1988, 1203 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 33. A.A. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 153. 169 Bei einem uneigennützigen Treuhandverhältnis scheidet der treuhänderisch übergebene Gegenstand nicht aus dem haftenden Schuldnervermögen aus, vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 189. Haftungsrechtlich bleibt das Treugut somit dem Vermögen des Treugebers zugeordnet. Gläubigerbenachteiligend kann die Übertragung auf den Treuhänder gleichwohl wirken, weil schon jede Erschwerung des Gläubigerzugriffs für eine Gläubigerbenachteiligung genügt, vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2012 − IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 (132 ff.) in Rn. 12 ff.; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 286. A.A. de Bra, LMK 2012, 336111. 170 Vgl. zu den verschiedenen Modellen der formal-dinglichen, haftungsrechtlichen und schenkungsrechtlichen Abgrenzung der Vermögenssphären Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 25 f. 166

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Empfänger aufgrund einer Zweckbindung des Schuldners zu einer ganz bestimmten, ihm selbst nicht nützenden Verwendung der Mittel verpflichtet, wird er für diesen Vorteil auch dann kein Entgelt zahlen, wenn er ihm (vorübergehend) haftungsrechtlich zugewiesen ist.171 Für eine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO genügt es also nicht, dass das haftende Vermögen des Empfängers vermehrt wurde, sondern er muss den empfangenen Vermögensvorteil auch zur Befriedigung seiner eigenen Interessen verwenden können.172 (1) Eine die Bereicherung ausschließende Zweckbestimmung kann nur durch eine ausdrückliche rechtsgeschäftliche Absprache begründet werden: Äußert sich der Zuwendende nicht, so dient der Gegenstand der freien Verfügung des Empfängers. Die Zweckbindung kann entweder vorsehen, dass der Empfänger den empfangenen Vorteil an den Schuldner zurücküberträgt, ohne zwischenzeitlich eigene Vorteile ziehen zu können, oder dass er ihn vollumfänglich an einen vom Schuldner begünstigten Dritten weiter zu übertragen hat. Im letzten Fall liegt eine mittelbare Zuwendung des Schuldners an den Dritten vor: Sobald der Zwischenempfänger den Vermögensvorteil an den letztbegünstigten Dritten ausgekehrt hat, können die Gläubiger des Schuldners ihm gegenüber so anfechten als habe der Schuldner den Vermögensvorteil selbst übertragen.173 Der letztbegünstigte Dritte ist unmittelbarer Anfechtungsgegner – ein Fall des § 145 Abs. 2 InsO liegt nicht vor. Eine Anfechtung gegenüber dem Leistungsmittler gem. § 134 InsO scheidet hingegen mangels materieller Zuwendung aus.174 Ihm gegenüber kommt nur die Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO in Betracht.175 171

Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 26, 435; Haymann, Schenkung unter Auflage, S. 8; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 22 f. 172 So auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 435; Hinz, Haftung der Stiftung, S. 57, 98 f. 173 Es handelt sich um einen Fall der mittelbaren Zuwendung. Zur Anfechtbarkeit vgl. nur Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 27; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 61; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 18; Hinz, Haftung der Stiftung, S. 57; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 13; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 8. 174 Vgl. Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 13: Eine Anfechtung gem. § 134 InsO gegenüber dem uneigennützigen Treuhänder scheide aus, weil dieser nichts für sich erlangt habe. Auch in der Entscheidung BGH, Urt. v. 26.04.2012 − IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 ff., in der der BGH die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Übertragung von Vermögensgegenständen an einen uneigennützigen Treuhänder bejahte, prüfte er nur die Anfechtung gem. § 133 InsO und sprach § 134 InsO gar nicht an, obwohl der Treuhänder für die Übertragung des Treuguts kein Entgelt leistete und die Voraussetzungen des § 134 InsO weitaus einfacher zu beweisen gewesen wären als die des § 133 InsO. Offen gegenüber der Möglichkeit einer Anfechtung gem. § 134 InsO gegenüber dem Treuhänder hingegen Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 62. 175 Die Gläubigerbenachteiligung ergibt sich nach Ansicht des BGH, Urt. v. 26.04.2012 − IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 (133) in Rn. 12 (zustimmend Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 62) daraus, dass die Gläubiger das Treuhandvermögen nicht aufgrund

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Ein uneigennütziger Treuhänder, der das Treugut von vornherein nur zu dem Zweck übertragen bekommt, es an einen Dritten weiterzuleiten, sieht sich daher auch dann keiner Anfechtung gem. § 134 InsO ausgesetzt, wenn sich das Treugut noch in seinem Besitz befindet.176 Der Insolvenzverwalter ist auf die allgemeinen Rechtsbehelfe verwiesen.177 Da das Treuhandverhältnis mit der Insolvenzeröffnung gem. § 116 InsO erlischt, kann er gem. §§ 675, 667 BGB die Herausgabe des Treuguts verlangen. Auch das Interventionsrecht gem. § 771 ZPO und – in der Insolvenz des Treuhänders – ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO stehen ihm zu.178 Die Anfechtung gem. § 134 InsO scheidet aber auch dann aus, wenn zwar kein echtes Treuhandverhältnis vorliegt, aber die Zweckbindung gleichwohl verhindert, dass der Empfänger den Gegenstand in seinem eigenen Interesse nutzen darf.179 Das Treugut mag nun haftungsrechtlich in das Empfängervermögen eingegliedert worden sein, doch ändert dies nichts daran, dass dem Empfänger als Durchgangsperson kein eigener materieller Vorteil verbleibt und sich für die Parteien die Frage nach einem Entgelt daher niemals stellt.180 (2) Unschädlich ist hingegen die Verknüpfung der Zuwendung mit einer Verwendungszweckbestimmung, die – zumindest auch – den eigenen Interessen des Empfängers dient. Schenkt die Mutter ihrem Sohn Geld, damit sich dieser für die Beerdigung des Großvaters einen ordentlichen Anzug kauft, so eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner pfänden können; auch die Ermittlung des Treuhandvermögens bei einem beruflich zur Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänder könne sich schwierig gestalten. Die Befriedigung der Gläubiger werde durch die Übertragung des Treuguts auf den uneigennützigen Treuhänder somit erschwert. Gegen eine Gläubigerbenachteiligung nach Insolvenzeröffnung auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 193, da mit dem Erlöschen des Treuhandverhältnisses gem. § 116 InsO kein Zugriffshindernis mehr bestehe. Generell gegen eine Gläubigerbenachteiligung Hinz, Haftung der Stiftung, S. 55 f. 176 OLG Celle, Urt. v. 18.05.2006 – 13 U 120/03, ZIP 2006, 1878 (1880); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 435; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 17; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 13; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 8. A.A. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 60; Lange, Konkursanfechtung, S. 128. 177 Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 13; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 8. 178 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 47 Rn. 61 ff. Zu § 771 ZPO: Lackmann, in: Musielak, ZPO, 13. Aufl., § 771 Rn. 21. Vgl. auch BGH, Urt. v. 26.04.2012 − IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 (133) in Rn. 12; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 25. 179 Ebenso Hinz, Haftung der Stiftung, S. 98. Anders etwa Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 13, der darauf hinweist, es sei in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob wirklich eine uneigennützige Treuhand begründet wurde, da nur dann die Anfechtung gegenüber der Mittelsperson scheitere. 180 Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 435: Die Frage nach einem Entgelt stelle sich für die Parteien im Hinblick auf eine Übereignung überhaupt nicht, wenn der Begünstigte nur eine formale Eigentümerstellung innehaben soll.

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lässt das eigene Interesse der Mutter, ihren Sohn gut gekleidet bei der Beerdigung zu sehen, nicht die Tatsache entfallen, dass der Sohn einen materiellen Vermögensvorteil erhält. Es handelt sich um eine sog. Zweckschenkung, die den Empfänger in vollem Umfang bereichert.181 Ob der angeschaffte Gegenstand oder die zur Anschaffung zugewendeten Mittel in diesem Fall den Zuwendungsgegenstand bilden, ist durch Auslegung des Parteiwillens zu bestimmen.182 Der vom Schuldner aufgegebene Vermögenswert und der Anfechtungsgegenstand müssen nicht notwendig identisch sein.183 Nichts anderes gilt, wenn die Zweckbestimmung die Weiterleitung des Vermögensgegenstands an einen Dritten vorsieht, diese Drittbegünstigung aber im Interesse des Empfängers liegt. Überlässt der Schuldner dem Empfänger Geld, das dieser an einen Dritten weiterschenken soll, so kommt es darauf an, ob der Schuldner dem Empfänger in dessen Interesse ermöglichen will, dem Dritten ein eigenes Geschenk zu machen (sog. Kettenschenkung),184 oder ob er selbst über den Umweg der Mittelsperson dem Letztbegünstigten eine Zuwendung machen möchte. Dies ist durch einen präzisen Blick auf das Innenverhältnis zwischen Schuldner und Empfänger zu bestimmen. Ausschlaggebend ist, ob der Empfänger in Bezug auf die Drittbegünstigung noch aufgrund eines eigenen Entschlusses tätig werden durfte, oder ob er gänzlich der Weisung des Schuldners unterlag.185 Diese Grundsätze gelten auch für die Übertragung von Vermögenswerten auf eine Stiftung. Zwar darf die Stiftung die zugewendeten Vermögenswerte nur zur Förderung des Stiftungszwecks verwenden. Die Verwirklichung des Stiftungszwecks liegt aber im ureigenen Interesse der Stiftung selbst.186 Sie erhält durch die Übertragung der Vermögenswerte daher einen eigenen materiellen Vorteil, auch wenn sie die Vermögenswerte letztlich an die Stiftlinge auskehren muss.187 Diese wiederum erhalten nicht (mittelbar) 181 Zum vollumfänglichen Schenkungscharakter der Zweckschenkung vgl. nur Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 17a; Sefrin, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 516 Rn. 65. 182 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 19. Zur Schenkung BGH, Urt. v. 03.12.1971 – V ZR 134/69, NJW 1972, 247 (248); BGH, Urt. v. 29.05.1952 – IV ZR 167/51, NJW 1952, 1171; RG, Urt. v. 19.06.1941 – V 129/40, RGZ 167, 199 (202 f.); Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 12; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 22; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 4. 183 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 19; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14. Zur Schenkung Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 22. 184 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 28: zwei unabhängige Schenkungen, die erste ggf. unter Auflage. 185 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 28. 186 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, BGHZ 157, 178 (182 f.) [Dresdner Frauenkirche]. 187 Zweifelnd hingegen Hinz, Haftung der Stiftung, S. 98; Jakob, Schutz der Stiftung, S. 305 ff.; ders., ZSt 2005, S. 99 (101 ff.). Zutreffend für eine Anfechtbarkeit der Stiftungserrichtung gem. § 134 InsO sprechen sich hingegen aus LG Baden-Baden, Urt. v. 16.06.2005

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vom Stifter, sondern von der Stiftung eine (unentgeltliche) Zuwendung.188 Ein Zugriff der Gläubiger des Stifters auf die Stiftlinge gem. § 134 InsO scheidet daher aus. (3) Auch eine vorübergehende Belastung oder Beschränkung des Zuwendungsgegenstands lässt den materiellen Vermögensvorteil nicht entfallen. Wird ein dinglich belastetes Grundstück verschenkt, ohne dass der Begünstigte auch die persönliche Haftung übernimmt, so wird er in vollem Umfang materiell bereichert, weil das Grundstück mit seinem gesamten Wert seinen Interessen zu dienen bestimmt ist. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass er bei der Verwirklichung der dinglichen Haftung Rückgriff auf den persönlichen Schuldner nehmen kann. Anders als der Treuhänder ist er keine bloße Durchgangsstation, sondern er wird endgültig materiell um den Wert der Zuwendung bereichert. Die materielle Zuwendung wird lediglich nicht unmittelbar abgewickelt: Solange die dinglichen Lasten noch auf dem Grundstück ruhen, ist der Begünstigte nur um den Gegenstand mit der Belastung bereichert. Der Anfechtende kann nur Rückgewähr des belasteten Grundstücks fordern. Löst der persönliche Schuldner die dinglichen Lasten ab, tritt die endgültige Bereicherung des Begünstigten ein. Nicht anders ist es, wenn die dingliche Haftung verwirklicht wird oder der Begünstigte selbst die dinglichen Lasten ablöst: Seine endgültige Bereicherung tritt nun mit der Befriedigung seines Regressanspruchs ein. Die materielle Zuwendung ist also insgesamt auf eine Bereicherung des Begünstigten in Höhe des vollen Grundstückswerts gerichtet und wird lediglich in einzelnen Teilschritten verwirklicht. Jeder dieser Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs ist selbstständig als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar.189 In der Übertragung eines wertausschöpfend belasteten Grundstücks liegt daher eine materielle Zuwendung, die in mehreren Teilschritten verwirklicht wird.190 cc) Erfordernis eines endgültigen Vermögensvorteils auf Empfängerseite Die Frage nach einem Entgelt stellt sich für die Parteien schließlich auch dann nicht, wenn der Wert des vom Empfänger erlangten vermögenswerten Vorteils – 3 O 98/03, ZSt 2005, 218 (219 f.); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 56; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 116; Hirte, in: FS Werner, S. 222 (234 ff.); Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1626); ders./Knof, KTS 2009, S. 163 (190); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 38; unsicher Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 40. 188 Zur Anfechtbarkeit der Zahlung der Stiftung an ihre Destinatäre vgl. unten S. 380 f. 189 Vgl. BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 133/13, NZI 2014, 397 in Rn. 10. Dazu ausführlich unten S. 232 f. 190 Nur an der Gläubigerbenachteiligung im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung lässt sich bei einem wertausschöpfend belasteten Grundstück zweifeln (vgl. dazu unten S. 309 in Fn. 97) – diese wird erst durch die Ablösung der Haftung oder die Befriedigung des Regressanspruchs ausgelöst.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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umgehend durch den Eintritt einer durch die Vorteilsverschaffung ausgelösten Rechtswirkung wieder aufgezehrt wird. (1) Als derartige Rechtswirkung kommt insbesondere das Erlöschen einer Forderung kraft Erfüllung in Betracht.191 Erhält der Empfänger Befriedigung für eine Forderung, so erlangt er mit der Zuwendung des Vermögenswertes nur dasjenige, was er ohnehin von seinem Schuldner fordern konnte.192 Zwar ist das tatsächliche Erlangen des versprochenen Gegenstands wertvoller als die bloße Inhaberschaft der Forderung und damit für den Empfänger durchaus wirtschaftlich vorteilhaft.193 Dieser wirtschaftliche Vorteil ist jedoch nicht von solcher Intensität, dass er Anlass für die Vereinbarung eines Entgelts geben würde. Der Wert des zugewendeten Vermögensvorteils war bereits im Forderungsrecht verkörpert. Mit der Anforderung einer zusätzlichen Gegenleistung wäre der Schuldner gegenüber dem Begünstigten nicht mehr durchgedrungen. Eine eigenständige materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO vollzieht sich durch die Erfüllungsleistung daher nicht, da der Empfänger aufgrund des Verlustes seiner Forderung nicht im materiellen Sinne bereichert wird.194 Nichts anderes gilt, wenn die Schuldnerzuwendung einen gesetzlichen Forderungsübergang bewirkt (sog. cessio legis). Auch in diesem Fall verliert der Empfänger durch die Leistung das Forderungsrecht gegen seinen Schuldner – zwar nicht durch Erfüllung, aber kraft des gesetzlich angeordneten Rechtsübergangs. Einen materiellen Vermögensvorteil kann er nicht verzeichnen, da der erlangte Vorteil unmittelbar durch den Anspruchsverlust ausgeglichen wird. (2) Nicht zu den unmittelbaren Vermögenseinbußen, die die Frage nach einem Entgelt gar nicht erst aufkommen lassen, zählt hingegen die Belastung des Empfängervermögens mit einer Verpflichtung. Die Entstehung von gesetzlichen Ausgleichsansprüchen – wie etwa eines Bereicherungsanspruchs gem. § 812 BGB infolge eines rechtsgrundlosen Erwerbs – schließt das Vorliegen einer ausgleichsbedürftigen Zuwendung i.S.d. § 134 InsO daher nicht aus.195

191 Ist der Schuldner dem Empfänger gegenüber selbst verpflichtet, steht diese Verpflichtung dem Schuldnerfehlverhalten bereits entgegen, weil der Schuldner sich nicht mehr in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit zu der Begünstigung entscheidet (siehe oben S. 187 f.). Die fehlende Bereicherung wird daher vor allem bei der freiwilligen Tilgung einer fremden Schuld relevant. 192 Vgl. Harke, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 516 Rn. 36; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 75 I 3, S. 161. 193 Vgl. von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I b 4, S. 53 f. 194 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 16; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (101): Die Erfüllung ist keine Schenkung, weil sie keine den Gläubiger bereichernde Zuwendung darstellt; ebenso auch Harke, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 516 Rn. 36; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 75 I 3, S. 161. 195 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 206, 390; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 152. Vgl. i.E. auch Haymann, JherJb 77 (1927), S. 188 (249); von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 II, S. 142. A.A. OLG Koblenz, Urt. v. 11.03.1999 – 5 U 1160/98, NZI 2000, 84 (85);

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Zwar ist die Entstehung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs eine unmittelbare Rechtswirkung der Zuwendung, die – wenn der Empfänger der Verpflichtung nachkommt – im Ergebnis auch dazu führt, dass er nicht besser steht als vor der Zuwendung. Dieser ausgleichende Vermögensverlust geht allerdings nicht wie bei der Erfüllung unmittelbar mit der Schuldnerzuwendung einher. Vielmehr wird das Vermögen des Empfängers lediglich mit einer Verpflichtung belastet, die gerade aus der Erkenntnis heraus entsteht, dass der Empfänger einen (einseitigen) Vorteil erhalten hat, den es nun wieder auszugleichen gilt. Somit ähnelt die Situation eher der Vereinbarung einer Gegenleistung als der unmittelbaren Vermögenseinbuße durch Erfüllung. Das Entstehen eines gesetzlichen Ausgleichsanspruchs ist daher auf Gegenleistungsebene zu prüfen, lässt die Mindestanforderung der Bereicherung aber unberührt. Dieses Ergebnis bestätigt der Blick auf die Funktion, den die objektive Bereicherung im Tatbestand des § 134 InsO einnimmt: Sie soll sicherstellen, dass der Empfänger tatsächlich einen einseitigen Vorteil erhalten hat und seine Schutzwürdigkeit aus diesem Grund objektiv herabgesetzt ist. Büßt der Empfänger durch eine Erfüllungsleistung eine Forderung ein, so ist er schutzwürdig: Er hat die Forderung endgültig verloren und keine Möglichkeit, sie neu zu begründen. Anders ist dies jedoch, wenn der Empfänger eine Zuwendung erhalten hat, die einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch auslöst: Nun ist er dem Leistenden zwar zum Ausgleich verpflichtet, aber bis zur Befriedigung dieses Anspruchs steht er objektiv besser als ohne die Zuwendung. Der Ausgleichsanspruch beseitigt nicht in gleicher Weise seine Schutzwürdigkeit wie die unmittelbare Vermögenseinbuße durch den Forderungsverlust. Es spricht daher nichts dagegen, den Empfänger als Anfechtungsgegner grundsätzlich in Betracht zu ziehen. Ob er unentgeltlich erworben hat, ist eine andere Frage. Konkurrierende Rückgewähransprüche schließen die Anfechtung gem. § 134 InsO somit nicht von vornherein aus. d) Ergebnis Die materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO muss eine Bereicherung auf Empfängerseite auslösen. Die Bereicherung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich die Frage nach einem Entgelt überhaupt ernstlich stellt. Anders als im Schenkungsrecht erfordert die Bereicherung im Rahmen des § 134 InsO allerdings keine substanzielle Vermögensmehrung beim Empfänger. Im Übrigen sind die Anforderungen jedoch deckungsgleich: Dem Empfänger muss ein vermögenswerter Vorteil verschafft werden, der der Befriedigung seiner eigenen Interessen dient und nicht umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße wieder aufgezehrt wird.

von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 119 ff.; vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 144 f.

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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Das Merkmal der Bereicherung ist objektiv zu bestimmen. Die Anfechtung scheidet somit aus, wenn dem Anfechtungsgegner tatsächlich kein tauglicher Vermögenswert zugewendet wurde. Dadurch wird der Empfängerschutz auf objektiver Ebene verwirklicht: Gem. § 134 InsO soll nur derjenige in Anspruch genommen werden können, der tatsächlich einen echten materiellen Vermögenszuwachs erfahren hat. Ansonsten scheidet die Anfechtung unabhängig von den – möglicherweise abweichenden – Vorstellungen der Parteien aus. Der ‚objektive’ Charakter des Tatbestandsmerkmals der Bereicherung bedeutet gleichwohl nicht, dass die Parteiabsprachen für die Bestimmung der Bereicherung unerheblich sind: Zwar können die Parteivorstellungen nicht entgegen der objektiven Sachlage eine Bereicherung erzeugen, aber die Parteiabsprache kann die Bereicherung entfallen lassen, wenn sie für den Zuwendungsgegenstand eine besondere, nicht den Empfängerinteressen dienende Zweckbestimmung vorsieht. Insofern hat das objektive Tatbestandsmerkmal der Bereicherung also auch eine subjektive Komponente.196 4. Die Vermögensbetroffenheit auf Seiten des Schuldners Der materielle Vermögensvorteil auf Empfängerseite gehört somit zu den Wesensmerkmalen einer ausgleichsbedürftigen materiellen Zuwendung. Zu fragen ist nun, ob spiegelbildlich auch auf Seiten des Schuldners eine besondere Vermögensbetroffenheit zu fordern ist.197 a) Vermögensbetroffenheit auf Seiten des Zuwendenden als Wesensmerkmal der materiellen Zuwendung? aa) Eine solche besondere Vermögensbetroffenheit des Zuwendenden ist im Tatbestand des § 516 Abs. 1 BGB vorgesehen. Der Schenker muss den Beschenkten „aus seinem Vermögen“ bereichern. Nur wenn seine gegenwärtige Vermögenssubstanz dauerhaft vermindert, der Schenker durch die Zuwendung also ‚ärmer’ wird, kommt eine Schenkung in Betracht.198

196

Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 27; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (87). Dafür etwa Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 10, der den wesentlichen Unterschied zwischen Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO und Leistung i.S.d. § 134 InsO darin sieht, dass für die Leistung „zusätzlich die Aufgabe eines Vermögensguts erforderlich ist.“ 198 Vgl. die Motive BGB, S. 287, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 159; BGH, Urt. v. 01.07.1987 – IVb ZR 70/86, BGHZ 101, 229 (232); OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2009 – 30 U 182/08, BeckRS 2010, 08384; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 15; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 8; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 4; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 5; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 6; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 6. 197

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Die schenkungsrechtliche Entreicherung setzt zunächst voraus, dass ein Vermögensbestandteil aus dem Schuldnervermögen ausscheidet. Die Ausübung von Dienst- oder Arbeitsleistungen kann daher nicht Gegenstand einer Schenkung sein, da die Arbeitskraft nicht als Vermögensbestandteil angesehen wird.199 Als Schenkungsgegenstand kommt nur der Erlass einer Vergütung in Betracht, die aber zwischen den Parteien vorgesehen und dann vom Schenker aufgegeben worden sein muss.200 Weiterhin wird im Schenkungsrecht nur das gegenwärtige, reale Vermögen des Schuldners berücksichtigt. Dieses wird nicht schon durch den Verlust irgendeines künftigen Vorteils oder einer Erwerbschance vermindert, sondern es muss sich um eine gegenüber jedermann gesicherte und übertragbare Rechtsposition handeln.201 Aus diesem Grund nimmt § 517 BGB das Unterlassen eines Vermögenserwerbs zugunsten eines anderen von dem Anwendungsbereich des Schenkungsrechts aus. Das Ausschlagen eines vorteilhaften Vertragsangebots bildet daher keine Schenkung, weil dem Schenker dadurch lediglich eine Erwerbschance i.S.d. § 517 BGB entgeht.202 Ebenso darf auch die Überlegung, der Zuwendende hätte für den Einsatz seiner Arbeitskraft oder die Gebrauchsüberlassung anderweitig ein Entgelt erhalten, nicht zur Anwendung des Schenkungsrechts führen, da er auch hier nur auf einen Vermögenserwerb verzichtet.203 199 BGH, Urt. v. 01.07.1987 – IVb ZR 70/86, BGHZ 101, 229 (232); OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2009 – 30 U 182/08, BeckRS 2010, 08384; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 23; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 4; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 4; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 6; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 197; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 9; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 5. 200 Vgl. BGH, Urt. v. 01.07.1987 – IVb ZR 70/86, BGHZ 101, 229 (232); OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2009 – 30 U 182/08, BeckRS 2010, 08384; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 10, 23, die darauf hinweist, dass an den Verzicht strenge Anforderungen zu stellen sind und der BGH ihn noch nie bejaht hat (Rn. 24); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 23; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 5, 6; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 14. 201 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 24 f. Vgl. auch Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 16: der „reale Umfang des Vermögens“ müsse berührt werden. 202 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 24; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 6. 203 Ganz strikt hält der BGH diese Abgrenzung aber nicht durch. So soll eine Schenkung möglich sein, wenn der Zuwendende seine Arbeitskraft oder die zur Nutzung überlassene Sache anderweitig gegen Entgelt hätte einsetzen können, auf diesen Nutzen aber zugunsten des Bedachten verzichtet hat, vgl. BGH, Urt. v. 01.07.1987 – IVb ZR 70/86, BGHZ 101, 229 (232 f.). Angesichts der Wertung des § 517 BGB wird dieser Ansatz zu Recht kritisiert: Das Unterlassen eines Vermögenserwerbs ist nicht als Schenkung zu qualifizieren, und auf einen Vergütungsanspruch kann nur verzichtet werden, wenn dieser überhaupt vereinbart wurde, was bei unentgeltlichen Dienstleistungen oder Gebrauchsüberlassungen nicht der Fall ist. Zudem sieht das BGB mit Leihe, Darlehen, Auftrag und unentgeltlicher Verwahrung spezielle Vertragsformen für diese Situationen vor, die durch eine erweiterte Anwendung der

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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Der Vermögensbestandteil muss schließlich endgültig seiner Substanz nach aus dem Vermögen des Schenkers ausgeschieden sein.204 Wird eine Sache lediglich zum Gebrauch überlassen, bleibt die Vermögenssubstanz des Schenkers unangetastet und eine Schenkung der überlassenen Sache selbst scheidet aus.205 Die Gebrauchsmöglichkeit hingegen ist zwar ein Vermögensbestandteil, der dem Schenker endgültig entgeht, aber ihr Verlust begründet keine substanzielle Einbuße, sodass auch hier der Anknüpfungspunkt für eine Schenkung fehlt. Gleiches gilt, wenn der Vermögensbestandteil zwar vorübergehend aus dem Schuldnervermögen ausscheidet, aber – wie beim zinslosen Darlehen – zukünftig zurückgeführt werden soll.206 bb) Bereits die tatbestandliche Formulierung des § 516 Abs. 1 BGB spricht dafür, dass die schenkungsrechtliche Entreicherung kein Wesensmerkmal aller Zuwendungen ist. Müsste jede Zuwendung „aus dem Vermögen“ des Zuwendenden erfolgen, wäre die Erwähnung im Schenkungstatbestand überflüssig.207 Dass sich die Frage nach einem Entgelt nicht nur bei einer schenkungsrechtlichen Vermögenseinbuße des Zuwendenden stellt, zeigt sich im Übrigen darin, dass auch der Auftrag, das zinslose Darlehen oder die Leihe als unentgeltlich Schenkungsregeln unterlaufen würden, vgl. auch Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 6. 204 Vgl. Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 7. 205 BGH, Urt. v. 01.07.1987 – IVb ZR 70/86, BGHZ 101, 229 (232); BGH, Urt. v. 11.12.1981 – V ZR 247/80, BGHZ 82, 354 (356 f.); OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2009 – 30 U 182/08, BeckRS 2010, 08384; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 17; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 34; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 4; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 10 (mit abw. Begründung); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 6; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 197. Eine Schenkung scheidet auch in Fällen aus, in denen die Gebrauchsüberlassung so dauerhaft gewährt wird, dass sie trotz fehlender endgültiger Bereicherung schenkungsähnliche Züge annimmt. Zwar hat die Rechtsprechung die Einräumung eines unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnrechts auf Lebenszeit zunächst als Schenkung qualifiziert [BGH, Urt. v. 06.03.1970 – V ZR 57/67 NJW 1970, 941 (942)], später allerdings im Einklang mit der überwiegenden Literatur die (auch analoge) Anwendung des Schenkungsrechts auf derartige Verträge abgelehnt, vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1981 – V ZR 247/80, BGHZ 82, 354 (357 f.); OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2009 – 30 U 182/08, BeckRS 2010, 08384; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 9; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 4; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 10; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 7; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 15. Teile der Literatur befürworten allerdings eine analoge Anwendung bestimmter Schenkungsvorschriften wie z.B. § 518 Abs. 1 BGB, so etwa Nehlsen-von Stryk, AcP 187 (1987), S. 552 (580 ff.); Reinicke, JA 1982, S. 326 (329); dagegen Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 8. 206 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 17; Gehrlein, in: Bamberger/ Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 4; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (100); Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 10. 207 Vgl. Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 6 ff.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

bezeichnet werden, obwohl die Arbeitskraft kein Vermögensbestandteil ist und Gebrauchsüberlassungen keine Substanzeinbuße bewirken. Diese unentgeltlichen Vertragstypen zeigen, dass sich den Parteien die Frage nach einem Entgelt auch dann aufdrängt, wenn der Zuwendende zwar keinen Vermögensbestandteil aufopfert, aber durch den Einsatz seiner Arbeitskraft oder die Gewährung einer Gebrauchsmöglichkeit beim Begünstigten einen Vorteil erzeugt.208 Die Entreicherung des Schenkers ist somit ein spezielles Merkmal des Schenkungsrechts. Es löst die besondere, schenkungsrechtliche Gefährdungslage aus, die den Formzwang des § 518 BGB und die Privilegien des Schenkers rechtfertigt, und fungiert damit als zentrales Abgrenzungsmerkmal zwischen der Schenkung und den übrigen unentgeltlichen Zuwendungen.209 Dies bedeutet zugleich, dass die Unentgeltlichkeit von der Vermögensbetroffenheit im schenkungsrechtlichen Sinne nicht abhängen kann. Für die Frage, ob der Schuldner vom Begünstigten ein Entgelt fordern kann, kommt es darauf an, was beim Empfänger angekommen ist. Diesen Vorteil gilt es auszugleichen, nicht einen Nachteil auf Seiten des Zuwendenden. Die Vermögensminderung auf Seiten des Schuldners gehört demnach nicht zu den Wesensmerkmalen der materiellen Zuwendung i.S.d. § 134 InsO.210 b) Parallelität zwischen schenkungsrechtlicher Entreicherung und Gläubigerbenachteiligung Allerdings kann gem. § 143 Abs. 1 S. 1 InsO im Wege der Anfechtung nur dasjenige zurückgefordert werden, was „aus dem Vermögen des Schuldners“ veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Auf tatbestandlicher Ebene wird dieser notwendige Bezug zum Schuldnervermögen in dem allgemeinen Merkmal der Gläubigerbenachteiligung abgebildet. Die Betroffenheit des Schuldnervermögens ist damit zwar kein Wesensmerkmal der materiellen Zuwendung i.S.d. § 134 InsO, dafür aber Teil der allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen des § 129 InsO. Ebenso wie die Entreicherung im Schenkungstatbestand die Grundvoraussetzungen für die besondere schenkungsrechtliche Gefährdungslage festlegt, bestimmt die Gläubigerbenachteiligung, welche Einwirkungen auf das Schuldnervermögen die besondere anfechtungsrechtliche Gefährdungslage auslösen. Die schenkungsrechtliche Entreicherung und die anfechtungsrechtliche Gläubigerbenachteiligung nehmen in ihren je-

208 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 11; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 9 f. 209 Vgl. Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 17. Harke, in: Gsell/ Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 516 Rn. 13 sieht im Merkmal der Zuwendung das zentrale Abgrenzungskriterium. 210 So auch zu Zuwendungen allgemein Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 6 ff., 10.

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weiligen Regelungsbereichen somit dieselbe Funktion ein und fordern übereinstimmend, dass etwas ‚aus dem Vermögen’ des Schuldners bzw. des Schenkers ausscheidet.211 aa) Daher überrascht es nicht, dass es an einer Gläubigerbenachteiligung genau in denjenigen Fällen fehlt, in denen die schenkungsrechtliche Entreicherung daran scheitert, dass der Schenker keinen gegenwärtigen, realen Bestandteil seines Vermögens aufgegeben hat. Rechtshandlungen, die sich auf die Verwendung der Arbeitskraft des Schuldners beziehen, begründen keine Gläubigerbenachteiligung, weil die Arbeitskraft nicht zu den Bestandteilen des haftenden Vermögens zählt.212 Die Gläubiger haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass der Schuldner vor Einleitung des Insolvenzverfahrens seine Arbeitskraft zu ihren Gunsten einsetzt, vgl. auch § 888 Abs. 3 ZPO.213 Nimmt er eine unbezahlte Arbeitstätigkeit anstatt einer bezahlten auf, entgeht den Gläubigern lediglich eine Erwerbschance, die im Anfechtungsrecht genauso wie im Schenkungsrecht nicht geschützt wird. Unentgeltliche Dienstleistungen des Schuldners sind daher mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar.214 Die Anfechtung kommt nur in Betracht, wenn der Schuldner einen Entgeltanspruch erworben hat und diesen (konkludent) erlässt oder abtritt.215 Dafür ist nicht entscheidend, ob die Dienstleistung üblicherweise im Rechtsverkehr vergütet zu

211 Im Anfechtungsrecht gilt dieser Grundsatz freilich mit der Maßgabe, dass mit dem Vermögen des Schuldners nur das haftende Vermögen gemeint ist. Die Beeinträchtigung des haftungsfreien Vermögens kann die Gläubiger nicht benachteiligen. 212 BGH, Urt. v. 26.06.2008 – IX ZR 144/05, NZI 2008, 539 (540) in Rn. 29; BVerfG, Beschl. v. 21.01.1992 – 1 BvR 517/91, NJW 1992, 2471 (zum AnfG); BGH, Urt. v. 27.11.1963 – VIII ZR 278/62, WM 1964, 114 (116); RG, Urt. v. 26.01.1909 – VII 146/08, RGZ 70, 226 (230); RG, Urt. v. 03.03.1908 – VII 286/07, RGZ 69, 59 (63); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 47, 149; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 419; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 91; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 379. 213 BGH, Urt. v. 27.11.1963 – VIII ZR 278/62, WM 1964, 114 (116); RG, Urt. v. 26.01.1909 – VII 146/08, RGZ 70, 226 (230); RG, Urt. v. 03.03.1908 – VII 286/07, RGZ 69, 59 (63); Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 419; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 91. 214 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.01.1992 – 1 BvR 517/91, NJW 1992, 2471 (zum AnfG); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 47. A.A. von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 204. 215 Vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 47; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 419; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 92. Zweifelhaft daher das Ergebnis vom BGH, Urt. v. 11. 12. 1986 – IX ZR 78/86, NJW 1987, 1268 (1269): Hat der Schuldner einen entgeltlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen, so werden die Gläubiger dadurch benachteiligt, dass er seinen Anspruch auf Vergütung an einen bestimmten Gläubiger (im Voraus) abgetreten hat. Dass den Gläubigern bei Nichtaufnahme einer Tätigkeit gar kein Vergütungsanspruch entstanden wäre, ist eine unbeachtliche hypothetische Überlegung.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

werden pflegt,216 sondern ob zwischen den konkreten Parteien des Dienstvertrags eine Vergütung zu erwarten gewesen wäre.217 Ebenso gehört auch ein künftiger, noch nicht zur beschlagsfähigen Anwartschaft gediehener Erwerb des Schuldners nicht zu seinem haftenden Vermögen. Die Unterlassung oder Ablehnung eines günstigen Erwerbs löst daher ebenso wenig die Anfechtung aus wie er auch keine Schenkung begründen kann.218 Es wird zwar diskutiert, ob die Ausschlagung eines Schenkungsangebots nicht doch gläubigerbenachteiligend wirkt, weil das nicht widerrufbare Vertragsangebot bereits eine gefestigte Rechtsposition darstellen könnte.219 Jedenfalls für § 134 InsO soll diese Erweiterung aber angesichts der Wertungen des § 517 BGB nicht gelten.220 bb) Im Schenkungsrecht führt der Verlust eines Vermögensbestandteils jedoch nur dann zu einer Entreicherung i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB, wenn die Substanz des Schuldnervermögens endgültig verringert wird. Die Zuwendung bloßer Gebrauchsvorteile ist nicht einschneidend genug, um den besonderen schenkungsrechtlichen Schutz der §§ 516 ff. BGB auszulösen. Stattdessen greifen hier die besonderen Vertragstypen der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung (Leihe, Darlehen). Im Anfechtungsrecht hingegen werden die Interessen der Gläubiger grundsätzlich von jeder Schmälerung des haftenden Vermögens nachteilig berührt. Ein Sonderinstitut für Gebrauchsüberlassungen des Schuldners, das eine Abgrenzung zwischen Substanzeinbußen und bloßen Gebrauchsvorteilen erforderlich machen würde, gibt es nicht. Die substanzielle Vermögenseinbuße ist daher ein schenkungsrechtliches Sonderkriterium, das sich insbesondere aus der Abgrenzung zu den anderen unentgeltlichen Vertragstypen ergibt. Gläubigerbenachteiligend wirken kann hingegen auch die bloße Gebrauchsüberlassung ohne Substanzeinbuße, wenn

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So aber Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 91. Wäre zwischen den konkreten Parteien die Vereinbarung einer Vergütung zu erwarten gewesen, kann es nicht mehr darauf ankommen, ob der Vergütungsanspruch für eine juristische Sekunde entstanden und dann erlassen wurde oder ob sich die Parteien von vornherein auf die unentgeltliche Erbringung der Dienstleistung geeinigt haben: In beiden Fällen liegt eine materielle Zuwendung der Arbeitsleistung vor. 218 BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07, NZI 2009, 429 (430) in Rn. 15; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 24; Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 121; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 26; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 129 Rn. 103; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 47. 219 So Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 81; Thole, Gläubigerschutz, S. 326; Windel, KTS 1995, S. 367 (408). Offen auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 24, der der Anfechtung eines solchen Verhaltens jedoch nur theoretische Bedeutung zumisst. 220 Thole, Gläubigerschutz, S. 327. I.E. ähnlich auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 81, wenn er sagt, dass § 517 BGB „allenfalls die Unentgeltlichkeit dieses Erwerbs ausschließt“. 217

III. Anforderungen an eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung

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sie üblicherweise221 nur gegen Entgelt erfolgt.222 Die Gewährung eines zinslosen Darlehens ist daher stets gläubigerbenachteiligend, weil Kapital üblicherweise nur gegen Entgelt überlassen wird.223 Anfechtungsgegenstand ist die Hingabe der Nutzungsmöglichkeit, die für die Vergangenheit durch Wertersatz ausgeglichen wird und für die Zukunft durch die Rücküberlassung der Sache wiederhergestellt werden kann.224 Wird die Sache hingegen gewöhnlich nicht gegen Entgelt überlassen, fehlt es hinsichtlich der entgangenen Nutzungsmöglichkeit an einer Gläubigerbenachteiligung.225 Fragen kann man in diesem Fall lediglich, ob die Überlassung des Gegenstands selbst – bei der Leihe also die Besitzübertragung – eine Gläubigerbenachteiligung begründet.226 Im Anwendungsbereich des § 134 InsO

221 Der Beurteilungsmaßstab ist also bei der Gebrauchsüberlassung ein anderer als bei dem unentgeltlichen Einsatz von Arbeitskraft: Die Arbeitskraft des Schuldners zählt grundsätzlich nicht zum haftenden Vermögen. Erforderlich für die Gläubigerbenachteiligung ist daher, dass der Schuldner sie in den haftbaren Bereich überführt, indem er im konkreten Fall auf eine Gegenleistung, die er eigentlich verlangen würde, verzichtet. Nutzungsvorteile hingegen gehören grundsätzlich zum haftbaren Vermögen des Schuldners. Die Gläubiger sind daher schon dann benachteiligt, wenn die Gebrauchsüberlassung üblicherweise gegen Entgelt erfolgt. 222 Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2005 – IX ZR 336/01, NJW-RR 2004, 696 (697); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 55; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 9; Kilger/BöhleStamschräder, AnfG, 7. Aufl., § 3 III 4. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Schuldner den überlassenen Wert selbst für sich hätte verwenden können, vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2005 – IX ZR 336/01, NJW-RR 2004, 696 (697); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 55. Die Überlassung der Dienstleistung eigener Arbeitnehmer an einen Dritten ist daher gläubigerbenachteiligend, wenn der Schuldner ihre Dienste zwar wegen Aufgabe seines Geschäftsbetriebs selbst nicht hätte nutzen können, ihrer Arbeitskraft aber im Geschäftsverkehr ein Wert zukam, vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2005 – IX ZR 336/01, NJW-RR 2004, 696 (697); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 3. 223 BGH, Urt. v. 21.04.1988 – IX ZR 71/87, NJW 1989, 1037; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 435. 224 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 36, § 129 Rn. 57. 225 So auch OLG Stuttgart, Urt. v. 22.09.1986 – 5 U 19/86, NJW-RR 1987, 570 (571). An diesem Urteil ist lediglich problematisch, dass das Gericht darauf abstellte, dass die Sache zwischen Ehegatten gewöhnlich nicht gegen Entgelt überlassen wird. Es kommt aber nicht darauf an, ob zwischen den Parteien ein Entgelt gewöhnlich ist, sondern ob generell im Wirtschaftsverkehr die Überlassung nur gegen Entgelt erfolgt. 226 Im Ergebnis ist die Gläubigerbenachteiligung zu bejahen: Denn sie setzt nicht voraus, dass die Gläubigerbefriedigung durch den endgültigen Verlust des Vermögensgegenstandes vereitelt wird, sondern es genügt auch die bloße Erschwerung der Befriedigung [vgl. nur Begr. zu § 144 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 157: Gläubigerbefriedigung muss „verkürzt (vermindert), vereitelt, erschwert oder verzögert“ werden]. Dies ist während der Laufzeit der Leihe der Fall, da der Leihgegenstand mit dem Besitzrecht des Entleihers „belastet“ ist und daher schlechter verwertet werden kann (so zum unverzinslichen Darlehen auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 57).

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

spielt diese Problematik allerdings keine Rolle. Denn wird eine Sache verliehen, ohne dass dafür ein Entgelt vom Begünstigten zu erwarten gewesen wäre, so fehlt es bereits an einer materiellen Vorteilsverschaffung i.S.d. § 134 InsO.227 Der Nutzungsvorteil ist so gering, dass eine materielle Bereicherung des Empfängers ausscheidet. Mangels materieller Zuwendung kommt die Anwendung des § 134 InsO daher nicht in Betracht. c) Ergebnis Die Vermögensminderung auf Seiten des Schuldners gehört nicht zu den Wesensmerkmalen der materiellen Zuwendung i.S.d. § 134 InsO. Allerdings fordert das allgemeine anfechtungsrechtliche Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung, dass die anfechtbare Rechtshandlung das haftende Vermögen des Schuldners beeinträchtigt, und bildet damit das funktionale Äquivalent zur Entreicherung im Schenkungstatbestand. Ebenso wie im Schenkungsrecht muss auch bei der Anfechtung der reale, gegenwärtige Bestand des (haftenden) Schuldnervermögens beeinträchtigt worden sein. Nicht erforderlich ist jedoch, dass die Substanz des Schuldnervermögens dauerhaft vermindert wird. Gebrauchsüberlassungen, die üblicherweise gegen Entgelt erfolgen, wirken daher gläubigerbenachteiligend und sind vom Anwendungsbereich des § 134 InsO erfasst, obwohl sie keine Schenkung bilden.228 5. Subjektive Anforderungen an den Zuwendungsvorgang Die Zuwendung im allgemeinen zivilrechtlichen Sinne ist neben dem Vorteilserwerb auf Empfängerseite vor allem durch ein subjektives Element auf Seiten des Zuwendenden gekennzeichnet. So hält die ganz überwiegende Ansicht eine Zuwendung nur dann für gegeben, wenn der Zuwendende mit dem Bewusstsein handelte, einem anderen einen Vorteil zu verschaffen.229 Teilweise wird neben dem Wissen auch eine entsprechende Willensrichtung des Zuwendenden,230 vereinzelt sogar die Absicht zur Begünstigung des Empfängers gefor-

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Vgl. zu dem Erfordernis eines echten Vermögenswerts oben S. 199 f. Zur Qualifikation von Gebrauchsüberlassungen als taugliche anfechtbare Leistung i.S.d. § 134 InsO vgl. nur OLG München, Beschl. v. 21.06.2013 – 14 U 579/13, NJW-RR 2014, 49; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 114; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 9. 229 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 188; ders., in: Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 10. A.A. hingegen von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I, S. 54, der meint, es gebe auch Fälle unbeabsichtigter Zuwendung. 230 So etwa Mühl/Teichmann, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., § 516 Rn. 5 mit Fn. 16. 228

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dert.231 Dass der Begünstigte wissen oder zumindest erkennen konnte, Empfänger einer Zuwendung zu sein, wird im allgemeinen Zivilrecht allerdings von niemandem verlangt. Im Anfechtungsrecht wird für die Leistung i.S.d. § 134 InsO hingegen keine besondere Willensrichtung des Schuldners gefordert. Das allgemeine Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung erfordert lediglich Handlungsbewusstsein. Es genügt damit jedes willensgesteuerte Verhalten, der Wille des Handelnden muss nicht auf den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sein.232 Überträgt man diese geringen Anforderungen auf den Leistungsbegriff des § 134 InsO, müsste sich der Schuldner lediglich darüber bewusst sein, überhaupt etwas rechtlich Erhebliches zu tun. Dass er mit seiner Handlung einem anderen einen Vorteil verschafft, dürfte ihm auch verborgen geblieben sein. Stattdessen fordert das Anfechtungsrecht in bestimmten Situationen auf Seiten des Empfängers ein subjektives Element: Wendet der Schuldner den Vorteil mit Hilfe einer Mittelsperson zu, muss er nach herrschender Meinung für den mittelbar begünstigten Empfänger als Urheber der Zuwendung erkennbar gewesen sein.233 Nur dann sei der direkte Zugriff seiner Gläubiger auf den Letztbegünstigten möglich. Die Zuordnungskriterien sollen insoweit denen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs entsprechen,234 der die Leistungsbeziehung anhand des objektiven Empfängerhorizonts bestimmt.235 Kenntnis

231 So der Reichsfinanzhof im Urt. v. 29.03.1922 – VI A 61/22, RFHE 9, 9 (12): Das Wesentliche der Zuwendung sei, „daß ein Vorteil des anderen beabsichtigt sein muss“; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 196: Leistung müsse darauf abzielen, einen anderen zu begünstigen. 232 Vgl. nur BGH, Urt. v. 22. 10. 2009 – IX ZR 147/06, NZI 2010, 17 f. in Rn. 14, 17; BGH, Urt. v. 12.02.2004 – IX ZR 98/03, NJW 2004, 1660 f.; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 129 Rn. 21; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 86; Ehricke, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 3 Rn. 2; Thole, Gläubigerschutz, S. 324. 233 BGH, Urt. v. 09.10.2008 – IX ZR 59/07, NZI 2008, 733 (734) in Rn. 21; BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287); de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 129 Rn. 19. Speziell zu § 134 InsO auch BGH, Beschl. v. 09.07.2015 – IX ZR 207/13, ZIP 2015, 1545 in Rn. 2; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 8. Vgl. auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14: Die Anfechtbarkeit bestimme sich „nach objektiven Maßstäben aus der Sicht des Leistungsempfängers“; ebenso OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (511). Kritisch zum Kriterium der Erkennbarkeit Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 69. 234 Vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 (229) in Rn. 19; BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287); OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 (314). Vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (33) sowie Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25: „Dies entspricht den bereicherungsrechtlichen Wertungen der Rückabwicklung im Leistungsverhältnis.“ 235 Dazu oben S. 171 f.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

von der bereichernden Wirkung der Schuldnerzuwendung muss der Empfänger hingegen nicht haben.236 Dass der Verzicht auf jegliche subjektiven Elemente auf Schuldnerseite der Funktion des Leistungsbegriffs im Tatbestand des § 134 InsO nicht gerecht wird, ist bereits deutlich geworden: War dem Schuldner nicht bewusst, einen anderen zu begünstigen, kann ihm auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, keine Gegenleistung gefordert und dadurch die Interessen seiner Gläubiger leichtsinnig außer Acht gelassen zu haben.237 Die materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO ist also an subjektive Tatbestandsvoraussetzungen auf Schuldnerseite geknüpft. Zu klären bleibt die Qualität dieser subjektiven Voraussetzungen (a): So könnte bereits das Bewusstsein des Schuldners, überhaupt irgendjemandem einen irgendwie gearteten Vorteil zu verschaffen, ausreichen, oder es könnte zu fordern sein, dass der Wille des Schuldners auf die materielle Begünstigung gerade des Empfängers gerichtet sein muss. Inwieweit auf Empfängerseite subjektive Anforderungen an den Zuwendungsvorgang zu stellen sind, ist hingegen noch nicht vorgegeben. Der Vertrauensschutz des Empfängers ist nicht originär im Tatbestand des § 134 InsO angelegt: Auslöser der Anfechtung ist das Schuldnerfehlverhalten und die objektive Bereicherung des Anfechtungsgegners, die Vorstellungswelt des Begünstigten tritt dahinter in ihrer Bedeutung zurück.238 Diese Grundwertung schließt jedoch nicht aus, dass der Empfänger in bestimmten Fallkonstellationen so schutzbedürftig erscheint, dass seinem Vertrauensschutz doch Vorrang vor dem Masseanreicherungsinteresse der Gläubiger zu gewähren ist. Die Abwägung muss in jeder konkreten Anfechtungssituation zugunsten der Gläubiger ausschlagen. Es ist daher im Einzelnen zu fragen, in welchen Irrtumskonstellationen der Vertrauensschutz des Empfängers der Unentgeltlichkeitsanfechtung entgegensteht (b).239 a) Subjektive Anforderungen auf Seiten des Schuldners Die subjektiven Merkmale auf Schuldnerseite müssen sicherstellen, dass sich in der Zuwendung ein Schuldnerfehlverhalten verwirklichen kann.

236 So wird bei der Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld die Kenntnis des Forderungsgläubigers von der Wertlosigkeit seiner Forderung – und der damit einhergehenden Bereicherung – ausdrücklich für entbehrlich erklärt, vgl. nur BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (416); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; weitere Quellen unten auf S. 439 in Fn. 49. 237 Siehe oben S. 143. 238 Siehe oben S. 152 ff. 239 Vgl. zu diesem Gedanken bereits oben S. 156 f.

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aa) Zuwendungswille und Zuwendungsbewusstsein Für eine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO muss der Schuldner den Empfänger bewusst begünstigt haben. Denn ist ihm nicht einmal bewusst, einem anderen einen Vorteil zu verschaffen, wird sich für ihn die Frage nach einem Entgelt von vornherein nicht stellen. Neben dem Zuwendungsbewusstsein ist aber auch ein konkreter Zuwendungswille des Schuldners zu fordern. Es muss ihm auf die Zuwendung ankommen – die Vorteilsverschaffung darf nicht bloße Reflexwirkung einer im eigenen Interesse vorgenommenen Handlung sein. Zielte das Verhalten des Schuldners auf die Förderung eigener Interessen, so kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, von dem reflexhaft begünstigten Empfänger kein Entgelt verlangt zu haben. Die Vorteilsverschaffung muss also von dem Willen und dem Wissen des Schuldners getragen sein, fremde Bedürfnisse zu befriedigen. Nicht erforderlich ist, dass auch seine erste Absicht auf die Begünstigung des Empfängers zielte. Die mit der Zuwendung verfolgten weiteren Motive sind irrelevant, solange der Schuldner die Zuwendung – aus welchen Gründen auch immer – den Interessen des Begünstigten widmete. bb) Wille zur materiellen Bereicherung des Empfängers Darüber hinaus muss der Wille des Schuldners auch darauf gerichtet gewesen sein, den Empfänger materiell zu bereichern. Nur wenn der Schuldner davon ausging, dem Empfänger eine echte, ausgleichsbedürftige Bereicherung zu verschaffen, musste sich für ihn die Frage nach einem Entgelt aufdrängen.240 Das Schuldnerfehlverhalten setzt also das Bewusstsein und den Willen des Schuldners zur materiellen Bereicherung des Empfängers voraus. Die objektiv festzustellende Bereicherung des Empfängers muss von einem entsprechenden subjektiven Bereicherungswillen des Schuldners begleitet werden. Ging er hingegen davon aus, der Begünstigte werde nicht materiell bereichert, kann sich in dieser Rechtsbeziehung kein Schuldnerfehlverhalten verwirklichen und eine Anfechtung gegenüber dem objektiv bereicherten Zuwendungsempfänger

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Für die Qualifikation eines Unterlassens als anfechtbare Leistung i.S.d. § 134 InsO fordert auch das OLG München, Beschl. v. 21.06.2013 – 14 U 579/13, NJW-RR 2014, 49 (50) eine bewusste Willensbetätigung des Schuldners, die rechtliche Wirkungen auslöst; eine unterlassene Mieterhöhung sei daher keine Leistung, wenn ohne weiteres denkbar sei, dass sie schlicht faktisch unterblieb, etwa weil der Schuldner „mit anderen Dingen beschäftigt war und sich gar keine Gedanken über das Mietverhältnis machte.“ Es fehlt in diesem Fall – wie das OLG zutreffend erkannte – an den subjektiven Voraussetzungen einer materiellen Zuwendung.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

scheidet aus. Der Wille des Schuldners, dem Empfänger einen materiellen Vermögensvorteil im Sinne einer echten Bereicherung zu verschaffen, gehört damit zu den notwendigen Voraussetzungen der materiellen Zuwendung.241 cc) Nachweis der subjektiven Voraussetzungen auf Schuldnerseite Die subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite hat der Anfechtende als Teil des Leistungsbegriffs nachzuweisen. Der Nachweis von Zuwendungsbewusstsein und Zuwendungswillen ist in der Regel unproblematisch: Den meisten vorteilsverschaffenden Verhaltensweisen, wie etwa der Übertragung subjektiver Rechte auf einen anderen, wohnt diese subjektive Stoßrichtung begriffsnotwendig inne, weil sie keine andere Deutung zulassen.242 Es gibt jedoch auch Verhaltensweisen, die für sich gesehen neutral sind und zunächst nicht den Anschein erwecken, der Förderung fremder Interessen zu dienen. Unterlässt der Schuldner etwa eine Handlung, so lässt diese Untätigkeit für sich gesehen noch nicht darauf schließen, dass der Schuldner zugunsten eines anderen handelte.243 Wird das Verhalten des Schuldners in diesen mehrdeutigen Fällen durch ein begleitendes Kausalverhältnisses erläutert, bereitet der Nachweis des Zuwendungsbewusstseins keine Schwierigkeiten: Das Kausalgeschäft prägt dann dem aus sich heraus neutralen Verhalten den Charakter als Mittel zur Befriedigung fremder Bedürfnisse auf.244 Fehlt es hingegen an einem begleitenden Kausalverhältnis, so muss der Anfechtende den positiven Nachweis erbringen, dass das Verhalten des Schuldners von dem Wissen und dem Willen getragen war, dem Begünstigten einen Vorteil zu verschaffen. Auch der Bereicherungswille des Schuldners ist vom Anfechtenden positiv nachzuweisen. Meist gelingt dieser Nachweis: Verschafft der Schuldner dem Empfänger bewusst und willentlichen einen Vermögensvorteil, so wird er sich in aller Regel auch über die materiell bereichernde Wirkung seiner Zuwendung im Klaren sein. Ein Auseinanderfallen von objektiver und subjektiver Bereicherung kommt nur dann in Betracht, wenn der Schuldner glaubt, mit der Zuwendung eine Rechtswirkung auszulösen, die den materiellen Vermögensvorteil entfallen lässt, diese Rechtswirkung aber tatsächlich nicht oder jedenfalls nicht mit der die materielle Bereicherung aufzehrenden Wirkung eintritt. Dazu kann es kommen, wenn der Schuldner eine nicht bestehende oder objektiv

241 Ebenso im Grundsatz auch das österreichische Recht, das die Unentgeltlichkeitsanfechtung nur dann zulässt, wenn die anfechtbare Rechtshandlung nach der Intention des Handelnden eine unentgeltliche Verfügung war. Vgl. dazu ausführlich S. 126 f. 242 Vgl. Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86. 243 Vgl. etwa Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86. 244 Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 f.

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wertlose Forderung eines Dritten freiwillig erfüllt.245 In diesem Fall muss der Anfechtende positiv nachweisen, dass dem Schuldner das Nichtbestehen bzw. die Wertlosigkeit der Forderung bewusst war.246 Ging der Schuldner hingegen davon aus, eine tatsächlich bestehende, werthaltige Forderung zu erfüllen, so fehlt es am Bereicherungswillen und die Anfechtung scheidet aus. Der Nachweis des schuldnerseitigen Bereicherungswillens erlangt auch dann entscheidende Bedeutung, wenn ausnahmsweise mehrere Personen als potenzielle Anfechtungsgegner zur Auswahl stehen. Anfechtungsgegner kann nur derjenige sein, den der Schuldner nach seinem Willen durch die Zuwendung materiell begünstigen wollte. Kommen nun mehrere Beteiligte als materiell Begünstigte der Schuldnerzuwendung in Betracht, gibt der Schuldnerwille den Ausschlag, in welcher Rechtsbeziehung sich ein Schuldnerfehlverhalten verwirklicht.247 Die Anfechtung findet demjenigen gegenüber statt, der aus Sicht des Schuldners den materiellen Vorteil davontragen soll. Damit steht zugleich fest, dass es bei der Zuwendung i.S.d. § 134 InsO nur einen Anfechtungsgegner geben kann. Der Schuldner wird sich schließlich nur einem Begünstigten gegenüber die Frage nach einem Entgelt stellen, denn der Wert der Zuwendung kann sich nicht verdoppeln.

245 Erfüllt der Schuldner eine – vermeintlich bestehende – eigene Forderung, wird sich die Frage nach einem Entgelt für ihn schon deshalb nicht stellen, weil er sich nicht in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht zu der Vorteilsverschaffung entschieden hat. Vgl. dazu S. 187 ff. 246 Anders die herrschende Meinung im deutschen Anfechtungsrecht: Sie stellt einzig auf die objektive Bereicherung des Empfängers ab und schenkt den subjektiven Vorstellungen des Schuldners keine Beachtung: So ausdrücklich Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 62; auch der BGH fordert keinen Nachweis der Kenntnis des Schuldners von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung, vgl. nur BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff.; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff.; BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 ff.; zum gesamten Problemkomplex der Tilgung fremder Schulden vgl. unten S. 428 ff. Anders hingegen das österreichische Recht, vgl. OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 ff. (siehe dazu oben S. 127 f.). 247 Vorkommen kann dies etwa bei der Bestellung einer Sicherheit für eine fremde Schuld (dazu ausführlich unten S. 489 ff.). Vgl. auch aus dem Schenkungsrecht Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 11: „Eine Sicherheitsleistung für eine fremde Schuld oder ein Schuldbeitritt kann dagegen eine Schenkung des Gebers an den Gläubiger sein, wenn diesem dadurch ein neuer Vermögenswert zugewendet wird (zB wenn die Schuld uneinbringlich ist), aber auch an den Schuldner, wenn der Geber ihm gegenüber auf die gesetzlichen Rückgriffsrechte verzichtet (…). Bei solchen Dreiecksbeziehungen entscheidet letztlich die subjektive Seite, wo objektiv die Bereicherung liegt.“

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b) Erkennbarkeit der Zuwendung auf Empfängerseite? Inwieweit die materielle Zuwendung für den Empfänger erkennbar gewesen sein muss, hängt davon ab, in welchen Fällen dem Vertrauensschutz des Empfängers ausnahmsweise Vorrang vor dem Masseanreicherungsinteresse der Gläubiger einzuräumen ist. Zur Systematisierung bietet sich die Bildung von Fallgruppen an, die nach der Art des Irrtums auf Empfängerseite differenzieren: So kann dem Begünstigten bereits verborgen geblieben sein, überhaupt von irgendjemandem einen Vorteil zu erhalten, aber er kann sich auch lediglich über die Person des Leistenden oder die Qualität seiner Begünstigung irren. Das Bereicherungsrecht hat sich in all diesen Irrtumskonstellationen für den Vertrauensschutz des Empfängers entschieden: Er muss Leistung, Leistungsbewusstsein und Zweckbestimmung des Leistenden erkennen können, um im Wege der Leistungskondiktion in Anspruch genommen zu werden.248 Es wurde jedoch bereits deutlich, dass die Interessenlage im Bereicherungsrecht und im Anfechtungsrecht nicht vergleichbar ist: Während der ungerechtfertigte Vorteil im Bereicherungsrecht immer noch im Wege der Nichtleistungskondiktion abgeschöpft werden kann, würde der Empfänger von der Anfechtung gem. § 134 InsO vollständig befreit und dürfte die Leistung endgültig behalten.249 Im Rahmen des § 134 InsO kann der Vertrauensschutz des Empfängers daher nur im Ausnahmefall die tatbestandlich gegebene Anfechtung ausschließen. Die anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme muss dem irrenden Anfechtungsgegner unzumutbar sein. aa) Erkennbarkeit von Zuwendungsbewusstsein und Zuwendungswillen Ein solcher Sonderfall liegt vor, wenn dem Empfänger gänzlich verborgen geblieben ist, überhaupt von einem anderen wissentlich und willentlich begünstigt worden zu sein. Praktisch relevant wird diese Irrtumskonstellation nur bei den causalosen Zuwendungen. Denn ordnet der Schuldner die Leistung einem Kausalverhältnis zu, ist dem Empfänger die bewusste und willentliche Begünstigung stets bekannt. Bei den einseitig zu verwirklichenden Vorteilsverschaffungen durch Dereliktion, Unterlassen oder Verzicht wird der Empfänger hingegen in der Regel davon ausgehen, der Schuldner habe die Sache derelinquiert, um sie loszuwerden, die Forderung sei verjährt, weil der Gläubiger sie vergessen habe, oder der Schuldner habe im Prozess kein Rechtsmittel eingelegt, weil er dies für aussichtslos hielt. War der Zuwendungswille des Schuldners in diesen Fällen nicht erkennbar, kann es aus Sicht eines objektiven Empfängers durchaus so wirken, als habe keinerlei Zuwendung stattgefunden. Die Anfechtung trifft ihn nun völlig unerwartet, da er seinen Vorteilserwerb auf

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Vgl. nur Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl., Rn. 1431. Vgl. dazu S. 175 f.

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eine gesetzliche Anordnung und nicht auf den Willen des Schuldners zurückführte. In diesem Fall muss die Interessenabwägung ausnahmsweise zugunsten des Empfängers ausschlagen. Es erscheint nicht gerechtfertigt, ihn bis zu vier Jahre der Anfechtung auszusetzen, wenn er darauf vertraute, den Vorteil aufgrund einer gesetzlichen Anordnung behalten zu dürfen. Könnten die Gläubiger die Zuwendung anfechten, obwohl der Zuwendungswille ihres Schuldners in keiner Weise erkennbar nach außen getreten ist, bestünde zudem ein hohes Missbrauchsrisiko. Der Schuldner könnte eigene Versäumnisse oder Fehlentscheidungen im Nachhinein mit der bloßen Behauptung korrigieren, er habe (innerlich) bewusst zugunsten des Empfängers gehandelt. Zum Schutz des Empfängers ist der Erfolg der Anfechtung folglich daran geknüpft, dass ein objektiver Dritter in der Position des Empfängers erkennen konnte, von einem anderen bewusst begünstigt zu werden. Eine rechtsgeschäftliche Äußerung des Zuwendungswillens ist nicht erforderlich, sondern er kann sich auch aus den Umständen ergeben. Ist der Zuwendungswille des Schuldners hingegen rein innerlich geblieben, scheidet die Anfechtung aus. bb) Erkennbarkeit der bereichernden Wirkung der Zuwendung? Weiterhin ist es denkbar, dass der Empfänger zwar erkennen konnte, von einem anderen bewusst begünstigt worden zu sein, ihm allerdings die bereichernde Wirkung dieser Vorteilsverschaffung verborgen blieb. So kann er irrtümlich angenommen haben, sein Vorteil werde unmittelbar durch eine eigene Vermögenseinbuße wieder aufgezehrt, etwa weil der Schuldner bewusst eine fremde, wertlose Forderung tilgte und der Forderungsgläubiger sich der Wertlosigkeit seiner Forderung nicht bewusst war. Das Risiko der Unentgeltlichkeitsanfechtung kam dem Forderungsgläubiger in diesem Fall nicht in den Sinn, weil er sich nicht für materiell begünstigt hielt und die Zuwendung daher aus seiner Sicht die Frage nach einem Entgelt gar nicht aufwerfen konnte. Dieses Vertrauen des Empfängers vermag die Interessen der Gläubiger an der Anreicherung der Haftungsmasse jedoch nicht zu überwiegen. Da der Empfänger weiß, dass er von einem anderen bewusst begünstigt wurde, ist ihm zumindest das grundsätzliche Risiko der Anfechtbarkeit bekannt. Die konkrete Möglichkeit der anfechtungsrechtlichen Rückgewähr gem. § 134 InsO konnte er zwar nicht abschätzen. Da er allerdings infolge eines Schuldnerfehlverhaltens objektiv bereichert wurde, ist sein Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des rein vorteilhaften Erwerbs geringer zu bewerten als das Interesse der Gläubiger an der Wiederherstellung der Haftungsmasse.250 Es schadet daher nicht, wenn der Empfänger nicht erkennen konnte, dass er in Form eines materiellen 250 Zu den weiteren Argumenten gegen einen ausgedehnten Vertrauensschutz des Empfängers vgl. oben S. 149 ff.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Vermögensvorteils begünstigt wurde.251 Vielmehr genügt es, dass ihm dieser Vorteil objektiv zugeflossen ist und die materielle Zuwendung vom Willen des Schuldners gedeckt war. cc) Erkennbarkeit der Person des Zuwendenden? Schließlich kann dem Empfänger zwar bewusst gewesen sein, einen materiellen Vermögensvorteil zu erhalten, doch ist ihm verborgen geblieben, dass diese materielle Zuwendung vom Schuldner herrührte. Eine solche Situation kann beispielsweise entstehen, wenn der Schuldner dem Begünstigten den Vermögenswert mit Hilfe einer Mittelsperson verschaffte (sog. mittelbare Zuwendung), aber der Empfänger die Mittelsperson und nicht den Schuldner als Zuwendenden identifizierte. Kann der Empfänger nun von den Gläubigern des tatsächlich Zuwendenden in Anspruch genommen werden, so ist für ihn das Risiko einer anfechtungsrechtlichen Inanspruchnahme nicht abschätzbar. Ordnet er die Zuwendung etwa einem vermögenden Dritten zu, der die Leistung aber tatsächlich nur für den vermögenslosen Schuldner an den Empfänger weitervermittelte, so wird ihn die anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme überraschen. Der Begünstigte könnte sich nie sicher sein, wessen Gläubigern er mit dem empfangenen Zuwendungsgegenstand haftet. (1) Nach der Rechtsprechung kann der Letztbegünstigte einer mittelbaren Zuwendung daher nur dann von den Gläubigern des mittelbar leistenden Schuldners in Anspruch genommen werden, wenn er den Schuldner als Urheber der Zuwendung erkennen konnte.252 Trat aus Sicht des Empfängers hinge-

251 So i.E. auch die herrschende Meinung, die etwa bei der bewussten Tilgung einer Nichtschuld nicht fordert, dass der Empfänger die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung und die Tatsache der bereichernden Wirkung der angeblichen Erfüllungsleistung kannte, vgl. dazu nur BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NZI 2013, 841 (843) in Rn. 21; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140) in Rn. 6; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 10; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 14; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13. Weitere Quellen unten S. 418 in Fn. 116. 252 Die Urteile des BGH zum Merkmal der Erkennbarkeit bei der mittelbaren Zuwendung bezogen sich lange Zeit nur auf Tatbestände der Deckungsanfechtung, vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2008 – IX ZR 59/07, NJW 2008, 3780 (3781) in Rn. 21 [zu §§ 130, 131 InsO]; BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (287) [zu § 30 Nr. 1 KO]. Das Erfordernis der Erkennbarkeit wird dort als allgemeines anfechtungsbegründendes Merkmal dargestellt, vgl. etwa auch Kayser, in: FS Ganter, S. 221 (224) und passim. Im Beschl. v. 09.07.2015 – IX ZR 207/13, ZIP 2015, 1545 in Rn. 2 hat der BGH nun klargestellt, dass eine mittelbare unentgeltliche Leistung den erkennbaren Willen des Schuldners voraussetzt, an den Letztbegünstigten zu leisten; daran anschließend Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 8.

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gen die Mittelsperson als Leistender in Erscheinung, soll der Durchgriff auf ihn nur unter den Voraussetzungen des § 145 Abs. 2 InsO möglich sein.253 Dass hinter diesen Äußerungen ein allgemeiner vertrauensschützender Grundsatz des Anfechtungsrechts steht, nach dem der Empfänger den Schuldner als Urheber der anfechtbaren Rechtshandlung erkennen können muss, um von dessen Gläubiger in Anspruch genommen werden zu können, ist jedoch zu bezweifeln.254 Die meisten Anfechtungstatbestände enthalten positive subjektive Voraussetzungen auf Empfängerseite, wie etwa die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht oder der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Sie setzen daher wesensnotwenig voraus, dass der Empfänger den Schuldner als Urheber der Zuwendung erkannte. Es erscheint daher möglich, dass die Erkennbarkeit des Urhebers der Zuwendung gar kein eigenständiges vertrauensschützendes Merkmal darstellt, sondern lediglich die notwendige Vorbedingung für den Nachweis der besonderen subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen ist.255 Da § 134 InsO an keine positiven subjektiven Tatbestandsmerkmale auf Empfängerseite geknüpft ist, wäre es nicht erforderlich, dass der Begünstigte den mittelbar leistenden Schuldner als Urheber der Zuwendung erkennen konnte. (2) Selbst wenn man die Erkennbarkeit der Person des Zuwendenden zu einem eigenständigen vertrauensschützenden Merkmal zugunsten des Anfechtungsgegners erhebt, kann dieser Vertrauensschutz jedenfalls im Rahmen des § 134 InsO keine Geltung beanspruchen. Denn dass der unentgeltliche Empfänger in dem Vertrauen, nur von den Gläubigern des vermeintlich Leistenden in Anspruch genommen zu werden, nicht schutzwürdig ist, zeigt ein Blick auf § 145 Abs. 2 Nr. 3 InsO: Diese Vorschrift ermöglicht den anfechtungsrechtlichen Durchgriff auf den Rechtsnachfolger, wenn dieser unentgeltlich erworben hat. Ob ihm zur Zeit seines Erwerbs die Umstände bekannt waren, die die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründeten, ist irrelevant. Der unentgeltliche Erwerber haftet somit fremden Gläubigern, ohne dies erkennen zu können. Ausreichend für seine Haftung ist allein die Tatsache, dass er unentgeltlich erworben hat. Nichts anderes kommt letztlich auch in § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck: Auch hier haftet der unentgeltliche Erwerber dem früheren Berechtigten, ohne dass er von der nichtberechtigten Verfügung Kenntnis gehabt haben muss. Es gehört somit zu den Ausprägungen der Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs, dass der Erwerber auch mit Ansprüchen von Personen konfrontiert werden kann, deren Anspruchsberechtigung er nicht kannte. Er kann nicht darauf vertrauen, nur von demjenigen in Anspruch genommen zu werden, von dem er seinen unentgeltlichen Erwerb – vermeintlich – ableitet. Damit ist auch 253

Kayser, in: FS Ganter, S. 221 (226). Kritisch auch Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 69. 255 Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 69. 254

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

das Vertrauen des unentgeltlich begünstigten Empfängers, nur der Anfechtung der Gläubiger desjenigen Schuldners ausgesetzt zu sein, den er als vermeintlich Zuwendenden erkannt hat, nicht schutzwürdig. (3) Es ist daher für § 134 InsO nicht erforderlich, dass der Empfänger den Schuldner zutreffend als Zuwendenden identifizierte.256 Entscheidend ist allein, dass der Wille des Schuldners darauf gerichtet war, den Empfänger materiell zu begünstigen, und der Empfänger tatsächlich objektiv bereichert wurde. Die Anfechtungsbeziehungen des § 134 InsO richten sich nicht nach dem Empfängerhorizont, sondern nach dem Willen des Schuldners. c) Ergebnis Die subjektiven Voraussetzungen der materiellen Zuwendung konzentrieren sich in erster Linie auf die Person des zuwendenden Schuldners. Er muss die materielle Begünstigung bewusst und gewollt veranlasst haben. Alle objektiven Tatbestandsmerkmale der materiellen Zuwendung müssen von seinem Willen begleitet werden. Als Anfechtungsgegner kommt nur derjenige in Betracht, den der Schuldner nach seinem Willen materiell begünstigen wollte. Die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite treten demgegenüber in den Hintergrund. Der Anfechtungsgegner muss lediglich erkennen können, überhaupt von irgendwem bewusst begünstigt worden zu sein. Sein Irrtum über die Qualität des empfangenen Vorteils oder über die Person des Zuwendenden steht dem Erfolg der Anfechtung nicht entgegen. 6. Zusammenfassung a) Die Anwendung des § 134 InsO setzt eine materielle Zuwendung des Schuldners an den Anfechtungsgegner voraus: Der Schuldner muss sich in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht bewusst dazu entschieden haben, dem Empfänger einen materiellen Vermögensvorteil zu verschaffen. Nur eine solche Zuwendung wirft zwischen den Parteien die Frage nach einer Gegenleistung auf. Hat der Schuldner auf diese Gegenleistung verzichtet und den Empfänger einseitig begünstigt, liegt ein Schuldnerfehlverhalten i.S.d. § 134 InsO vor. 256 So i.E. auch die herrschende Meinung, die für die Anfechtung gem. § 134 InsO bei der Tilgung einer fremden wertlosen Schuld keine Kenntnis von bzw. Erkennbarkeit der Wertlosigkeit der getilgten Forderung durch den Forderungsgläubiger fordert, vgl. nur BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 17 (anders noch 5. Aufl.); Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 12; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25 und die weiteren Quellen auf S. 439 in Fn. 49. Anders hingegen Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 80, die insoweit für die Einführung eines subjektiven Elements auf Empfängerseite eintreten.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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Die materielle Zuwendung kennzeichnet damit den Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeit: Nur eine Vorteilsverschaffung, die die Anforderungen einer materiellen Zuwendung erfüllt, kann unentgeltlich sein. Die allgemeine Aussage, unentgeltlich sei jede Vorteilsverschaffung, die nicht entgeltlich sei,257 erweist sich daher als zu weit.258 Sie ist nur im Anwendungsbereich der materiellen Zuwendungen gerechtfertigt. Eine Begünstigung, die nicht die Anforderungen einer materiellen Zuwendung erfüllt und für die kein Entgelt vereinbart wurde, ist hingegen weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern notwendig entgeltneutral. b) Der so skizzierte Begriff der materiellen Zuwendung steht in enger Verwandtschaft mit dem Begriff der materiellen Causa, der Fischers rechtsgeschäftlichem Modell zugrunde liegt.259 Die materielle Causa ist das Rechtsgeschäft, in dem der Zweck einer materiellen Zuwendung festgelegt werden kann. Die materielle Causa beantwortet damit die Frage nach dem Entgelt, die die materielle Zuwendung zwischen den Parteien aufwerfen muss. Materielle Zuwendungen müssen aber nicht wesensnotwendig von einer materiellen Causa begleitet werden. Vielmehr kann es auch causalose materielle Zuwendungen geben – entscheidend ist allein, dass die soeben skizzierten allgemeinen Anforderungen an den Zuwendungsvorgang erfüllt sind. Eine materielle Zuwendung, die durch eine materielle Causa erläutert wird, ist nur ein möglicher Anwendungsfall der materiellen Zuwendung. Liegt zwischen den Parteien aber eine materielle Kausalbeziehung vor, so bildet die materielle Zuwendung genau denjenigen Erfolg ab, der in der materiellen Causa im Sinne von Fischers Modell als Teil des Geschäftszwecks vorgesehen ist. IV. Die anfechtbaren Rechtshandlungen bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

Die bisherige Prüfung hat ergeben, dass die Unentgeltlichkeitsanfechtung eine materielle Zuwendung des Schuldners an den Anfechtungsgegner voraussetzt: Nur eine materielle Zuwendung wirft die Frage nach einem Entgelt auf und bildet damit den Anknüpfungspunkt für das anfechtungsbegründende Schuldnerfehlverhalten und die Prüfung der Unentgeltlichkeit. 257 So etwa Heim, Schenkungsanfechtung, S. 109. Auch zu weit Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 1, wenn er feststellt, jedes Kausalgeschäft sei entweder entgeltlich oder unentgeltlich, ein Drittes gebe es nicht: Es muss sich um ein Kausalgeschäft handeln, das den Geschäftszweck einer materiellen Zuwendung regelt, also um eine materielle Causa. 258 Vgl. auch schon die Kritik von von Caemmerer, in: FS Lewald, S. 443 (455 f.): „Die häufig verwendete Formulierung, Leistungen (…) seien unentgeltlich, wenn es an einer entsprechenden Gegenleistung fehle, wird den Dingen (…) nicht voll gerecht. (…). Das Fehlen einer Gegenleistung ist (…) nicht das geeignete Kriterium für die Annahme einer Unentgeltlichkeit.“ 259 Siehe oben S. 31 ff.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Hat sich der Schuldner in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht dazu entschieden, den Empfänger materiell zu begünstigten, bedeutet dies aber noch nicht, dass der materielle Zuwendungserfolg unmittelbar eintreten muss. Dies ist nur der Fall bei causalosen materiellen Zuwendungen, die den Zuwendungserfolg ohne rechtsgeschäftliche Erläuterung unmittelbar herbeiführen,260 und Handgeschäften, bei denen die Zuwendung unmittelbar mit Vereinbarung der materiellen Causa vollzogen wird. Diese Zuwendungen bilden im Rechtsleben jedoch die Ausnahme. Regelmäßig wird der materielle Zuwendungserfolg gestreckt verwirklicht: Zunächst räumt der Schuldner dem Empfänger in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht eine Forderung ein. Sie gibt dem Begünstigten die Möglichkeit, den Zuwendungserfolg notfalls auch gegen den Willen des Schuldners herbeizuführen. Diese Forderung kann anschließend durch weitere Sicherungsrechte verstärkt werden. Endgültig verwirklicht wird der materielle Zuwendungserfolg erst mit der Erfüllungsleistung: Sie verschafft dem Gläubiger den versprochenen Vermögenswert. Die Forderung und die übrigen Sicherheiten haben nun ihren Zweck erfüllt und erlöschen. Das Ziel des Zuwendungsvorgangs ist bei der unmittelbaren und bei der gestreckten Verwirklichung dasselbe: Der Begünstigte soll in den Genuss des versprochenen Vermögensvorteils kommen. So macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob der Schuldner S dem Begünstigten B 10.000 Euro unmittelbar im Wege der Handschenkung zuwendet, oder ob die Parteien einen notariellen Schenkungsvertrag über einen Betrag i.H.v. 10.000 Euro abschließen, S dem B zur Sicherheit eine Forderung gegen den Dritten D abtritt und einige Monate später die 10.000 Euro an B zahlt. In beiden Zuwendungsvorgängen kommt in gleicher Weise die in privatautonomer Gestaltungsfreiheit getroffene Entscheidung zum Ausdruck, dem B ohne Gegenleistung einen materiellen Vermögensvorteil in Höhe von 10.000 Euro zu verschaffen – lediglich die Art und Weise, wie der Zuwendungserfolg verwirklicht wird, unterscheidet sich. Auch der Vorwurf des Schuldnerfehlverhaltens ist somit identisch: S hätte im Gegenzug für die Zuwendung der 10.000 Euro eigentlich eine Gegenleistung fordern müssen. Mit der unentgeltlichen Begünstigung des B hat er die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet. Beide Konstellationen rechtfertigen daher eine Anfechtung der Gläubiger gem. § 134 InsO. Die Subsumtion unter den Tatbestand des § 134 InsO gestaltet sich bei der gestreckten Verwirklichung des Zuwendungserfolgs allerdings weitaus schwieriger als bei der unmittelbaren Vorteilsverschaffung. Denn der Empfänger wurde nicht durch einen einheitlichen Rechtsakt, sondern durch mehrere 260 Beispiele für solche causalosen materiellen Zuwendungen sind etwa die Dereliktion mit dem Willen, dem anderen die Aneignung zu ermöglichen, oder das bewusste Verjährenlassen einer Forderung (weitere Beispiele oben S. 135 ff.). Zu den Voraussetzungen für ihre Anfechtbarkeit gem. § 134 InsO vgl. unten S. 282 ff.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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Einzelschritte begünstigt. Jeder dieser Schritte verschafft ihm zwar Vorteile, doch keine dieser Vorteilsverschaffungen vereinigt für sich gesehen alle Voraussetzungen der ausgleichsbedürftigen materiellen Zuwendung im oben skizzierten Sinne: – Die Begründung der Forderung als erster Schritt der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs erfolgt zwar in Ausübung der privatautonomen Gestaltungsfreiheit des Schuldners: S hat sich aus freien Stücken dazu entschieden, dem B durch Abschluss eines formwirksamen Schenkungsvertrags die Schenkungsforderung zuzuwenden. Auch verkörpert die Forderung bereits einen Wert, der das Vermögen des B vermehrt. Gleichwohl liegt die ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung nicht in der Begründung der Schenkungsforderung, sondern in der Übertragung der 10.000 Euro auf B: Die Schenkungsforderung ist gar nicht darauf ausgerichtet, dauerhaft im Vermögen des B zu verbleiben, sondern ihr Ziel liegt ganz im Gegenteil in ihrem eigenen Erlöschen. Dauerhaft in das Vermögen des B übergehen soll vielmehr der geschuldete Geldbetrag. Die Forderung trägt lediglich den Charakter eines Sicherungsrechts in Bezug auf den geschuldeten Leistungserfolg: Sie verschafft dem Gläubiger noch nicht die Leistung selbst, aber sie sichert den Leistungserfolg ab, indem sie ihm die Möglichkeit zur zwangsweisen Durchsetzung an die Hand gibt. Diese Sicherungswirkung führt zwar dazu, dass sich der Wert des angestrebten materiellen Zuwendungserfolgs bereits in der Forderung verkörpert.261 In dem Erlass der Forderung kann daher eine Schenkung i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB liegen.262 Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der von der Forderung verkörperte Wert nur der vorweggenommene Wert der materiellen Zuwendung ist, deren Verwirklichung sie dient.263 Nicht die Verpflichtungsbegründung bildet die ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung, sondern abgeltungsbedürftig ist allein der Zuwendungserfolg, auf dessen Verwirklichung die Forderung gerichtet ist. – Dasselbe gilt für die Sicherungsabtretung: Auch sie führt den endgültigen Zuwendungserfolg noch nicht als Erfüllungssurogat herbei, denn B darf die Forderung gegen D aufgrund der Sicherungsabrede noch nicht endgültig behalten. Ihm wird lediglich ein durch den Sicherungsfall bedingtes Verwertungsrecht eingeräumt.264 Notfalls kann B nun die Befriedigung seiner Schenkungsforderung durch die Verwertung der Forderung gegen D selbst in die 261

Vgl. Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (101): „Antizipation der Leistung“. Vgl. nur Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 11 mwN. 263 Aus diesem Grund ist ein Gläubiger, dem zwei Schuldner als Gesamtschuldner verpflichtet sind, nicht doppelt so reich wie derjenige, dessen Verpflichtung sich nur gegen einen Schuldner richtet: Denn nicht die Anzahl der begründeten Verpflichtungen führt zu einem materiellen Vermögensvorteil, sondern nur der Leistungserfolg, auf den die Forderungen gerichtet sind – dieser ist bei einer gesamtschuldnerischen Haftung genauso hoch wie bei der Einzelhaftung. 264 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 153. 262

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Hand nehmen. Die Sicherheit bildet damit einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs. Die Belastung des Schuldnervermögens wird in Richtung der endgültigen materiellen Zuwendung vertieft und die Rechtsposition des Begünstigten entsprechend verstärkt, aber der endgültige Abschluss der materiellen Zuwendung steht noch aus. – Endgültig herbeigeführt wird der angestrebte Zuwendungserfolg erst durch die Erfüllungsleistung. Sie verschafft dem Gläubiger den versprochenen Vermögenswert. Anders als bei der unmittelbaren Vorteilszuwendung im Wege des Handgeschäfts ist die Erfüllungsleistung aber nicht mehr Ausdruck der privatautonomen Gestaltungsfreiheit des Schuldners, sondern dieser kommt lediglich seiner selbst auferlegten Verpflichtung nach. S mag die Schenkungsverpflichtung inzwischen bitter bereuen und sich wünschen, eine Gegenleistung von B gefordert zu haben. Diese Chance hat er jedoch vertan, denn B, der die Befriedigung der Schenkungsforderung notfalls auch gegen den Willen des S durchsetzen könnte, wird sich auf Erfüllungsebene nicht mehr auf die Vereinbarung eines Entgelts einlassen. Da er im Gegenzug zu der Erfüllungsleistung seine Forderung und die daran geknüpfte Sicherheit verliert, verkörpert der Erhalt der geschuldeten Leistung für ihn auch keinen ausgleichsbedürftigen Vermögenswert, der erneut die Frage nach einem Entgelt aufwerfen könnte. Obwohl die Erfüllungsleistung somit den angestrebten Zuwendungserfolg herbeiführt, erfüllt auch sie für sich gesehen nicht die Voraussetzungen einer materiellen Zuwendung i.S.d. § 134 InsO. Der materielle Zuwendungserfolg wird bei der gestreckten Verwirklichung somit schrittweise durch Einzelleistungen umgesetzt. Jede dieser Einzelleistungen treibt die Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs weiter voran und verschafft dem Begünstigten Vorteile in Form einer Forderung, eines bedingten Verwertungsrechts an einem Gegenstand des Schuldnervermögens und schließlich in Form des geschuldeten Vermögenswertes selbst. Die materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO bildet jedoch keine dieser Einzelleistungen vollständig ab. Forderungszuwendung, Sicherheitsbestellung und Erfüllungsleistung sind nur unselbstständige Hilfsgeschäfte auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs.265 Erst gemeinsam verkörpern sie die materielle Zuwendung im oben skizzierten Sinne.266 265 Vgl. dazu oben S. 34 (zur materiellen Causa). Zur Verwandtschaft von materieller Causa und materieller Zuwendung vgl. oben S. 225 f. 266 In diesem Sinne auch die Gesetzesmaterialien zu § 1839 S. 1 E-BGB (heute: § 2113 Abs. 1 BGB), S. 130, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 5, S. 68: „Dingliche Verfügungen fallen hingegen unter den Begriff der Schenkungen, mag eine obligatorische Verpflichtung vorausgegangen sein oder nicht. Ist eine solche Verpflichtung vorausgegangen, so bilden Versprechen und Erfüllung ein die Schenkung darstellendes Ganzes. Mit dem Versprechen allein ist noch nicht die als Schenkung sich kennzeichnende Zuwendung vollzogen und abgeschlossen.“ Ebenso auch OLG Jena, Urt. v. 02.11.1910, LZ 1911, Sp. 241 (242): „Die Zuwendung, die erst unentgeltlich versprochen und dann geleistet wird, [ist]

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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Anders als bei Handgeschäften und causalosen Zuwendungen stellt sich bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs somit die Frage, welche Rechtshandlung den richtigen Anknüpfungspunkt für die Anfechtung gem. § 134 InsO bildet: So könnte lediglich die materielle Zuwendung in ihrer Gesamtheit anfechtbar sein, nachdem sie durch die Erfüllungshandlung endgültig verwirklicht wurde. Ebenso könnte auch jede einzelne Rechtshandlung auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs selbstständig gem. § 134 InsO anfechtbar sein. Klargestellt sei dabei von vornherein, dass es sich hierbei nur um die Frage handelt, an welche Rechtshandlungen i.S.d. § 129 InsO die Anfechtung anknüpfen kann. Grundvoraussetzung für die Anfechtung gem. § 134 InsO bleibt stets, dass sich zwischen den Parteien eine materielle Zuwendung im oben skizzierten Sinn vollzieht. Nur wenn diese Voraussetzung vorliegt, stellt sich die Frage, ob auch die einzelnen Abwicklungshandlungen, die der Verwirklichung dieses materiellen Zuwendungserfolgs dienen, selbstständig gem. § 134 InsO anfechtbar sind. Es ist also im Folgenden zu untersuchen, ob die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs selbstständig gem. § 134 InsO anfechtbar sind, obwohl sie für sich gesehen keine materielle Zuwendung verkörpern (1.). Vor diesem Hintergrund kann dann zu der im Rahmen des § 134 InsO sehr umstrittenen Beurteilung der Begründung einer unentgeltlichen Forderung und der Erfüllung und Sicherung eigener Verbindlichkeiten Stellung genommen werden (2.). Abschließend ist der Frage nachzugehen, ob der Schuldner an jeder selbstständig anfechtbaren Rechtshandlung selbst beteiligt gewesen sein muss, damit von einer ‚Leistung des Schuldners’ i.S.d. § 134 InsO gesprochen werden kann, oder ob es genügt, dass er die materielle Zuwendung unaufhaltsam in Gang gesetzt hat (3.). 1. Die eigenständige Anfechtbarkeit der Einzelschritte bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs Verwirklicht der Schuldner die materielle Zuwendung durch verschiedene Einzelschritte, indem er dem Gläubiger zunächst eine Forderung einräumt, diese Forderung später absichert und anschließend die Forderung erfüllt, so stellt sich die Frage, welche Rechtshandlung nun den Gegenstand einer Anfechtung gem. § 134 InsO bilden kann.

genauso eine unentgeltliche Zuwendung wie die, die ohne Versprechen gleich unentgeltlich geleistet wird. (…) Die Erfüllung bildet den Abschluß der durch das Schuldversprechen eingeleiteten unentgeltlichen Verfügung und bildet mit dem Schuldversprechen eine einheitliche Verfügung.“; BGH, Urt. v. 24.03.1988 – IX ZR 118/87, NJW-RR 1988, 841: „Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung umfasst im Regelfall sowohl das Grundgeschäft als auch das Erfüllungsgeschäft: Schenkungsversprechen und Schenkungsvollzug bilden zusammen die unentgeltliche Verfügung des Gemeinschuldners im Sinne des § 32 Nr. 1 KO.“

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

a) Forderungsbegründung als Anknüpfungspunkt der Anfechtung? Den wichtigsten Schritt bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs markiert ohne Zweifel die Forderungsbegründung. Ihre Bindungswirkung beendet die privatautonome Gestaltungsfreiheit des Schuldners. Ist die Forderung erst einmal wirksam entstanden, hat er keine Wahl mehr, die Zuwendung vorzunehmen oder nicht. Der Begünstigte hingegen hat bereits eine Rechtsposition inne, die keinen Verhandlungsspielraum mehr für die Anforderung einer Gegenleistung lässt. In der Forderungsbegründung manifestiert sich daher bereits das Schuldnerfehlverhalten: Ein Schuldner, der einem Dritten die Möglichkeit verschafft, sich einen materiellen Vermögensvorteil ohne Hingabe einer Gegenleistung notfalls mit Zwang aus dem Schuldnervermögen zu verschaffen, gefährdet die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung. Die nachfolgenden Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte vertiefen und verwirklichen lediglich die Begünstigung des Empfängers, die durch die Forderungsbegründung bereits unwiderruflich in Gang gesetzt wurde. In ihnen spiegelt sich daher kein erneutes Fehlverhalten des Schuldners, sondern nur eine Vertiefung des durch die Forderungsbegründung bereits ausgelösten Fehlverhaltens wider. Gleichwohl kann es nicht überzeugen, die Unentgeltlichkeitsanfechtung in erster Linie gegen die Forderungsbegründung zu richten.267 Die Gläubiger könnten die benachteiligende Wirkung der Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte dann nur durch die Vernichtung der gesicherten und erfüllten Forderung beseitigen: Akzessorische Sicherheiten würden durch den Wegfall der Forderung erlöschen, bei nicht-akzessorischen Sicherheiten entstünde ein pfändbarer Rückübertragungsanspruch. Erfüllungsleistungen wären gem. § 812 BGB zurückzufordern. Ein solches Vorgehen wird weder der Systematik noch dem Sinn und Zweck der Unentgeltlichkeitsanfechtung gerecht. Zweifel weckt zunächst der Wortlaut des § 134 InsO, der ausdrücklich eine Leistung des Schuldners für anfechtbar erklärt. Auch wenn diese Terminologie nicht geglückt erscheint, bringt sie doch die Vorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Unentgeltlichkeitsanfechtung auf Leistungsebene anknüpfen soll. Der Angriff auf den Rechtsgrund tritt mit diesem Verständnis in Konflikt. Zudem ist der Anfechtungsanspruch nach herrschender Meinung kein Bereicherungsanspruch.268 Würde bei der gestreckten Verwirklichung einer unentgeltlichen materiellen Zuwendung mit der Anfechtung gem. § 134 InsO stets der Rechtsgrund und nicht die Leistung angegriffen, so würde sich die Rückabwicklung in den meisten Fällen nach §§ 812 ff. BGB und nicht nach §§ 143, 144 InsO richten. Dass 267 So aber Jaeger, Gläubigeranfechtung, § 3 Anm. 45, S. 176; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 151 ff. 268 Vgl. gegen die bereicherungsrechtliche Deutung des Anfechtungsanspruchs nur Henckel, in: Jaeger, InsO, § 143 Rn. 21.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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der Gesetzgeber die ausdrückliche Regelung in § 143 Abs. 2 InsO nur für den – seltenen – Fall der unmittelbaren materiellen Zuwendung vorgesehen hat, erscheint fernliegend. Zudem wäre den Gläubigern ein Angriff auf die Sicherungs- und Erfüllungsleistungen versperrt, wenn die Forderung außerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums begründet wurde.269 Sie müssten also die Sicherung bzw. Befriedigung des Gläubigers hinnehmen, obwohl die konkrete Schmälerung der Haftungsmasse innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgte.270 b) Anfechtung des Gesamtvorgangs als Einheit? Diese zweifelhaften Rechtsfolgen werden vermieden, wenn man die Forderungsbegründung und die anschließenden Sicherungs- und Befriedigungsleistungen als einheitlichen Rechtsakt ansieht, der insgesamt gem. § 134 InsO anfechtbar ist.271 Nicht die einzelnen Teilschritte der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs würden individuell angegriffen, sondern der – bislang verwirklichte – materielle Zuwendungserfolg insgesamt. Dass die Forderung außerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums begründet wurde, schadet in diesem Fall nicht, da die Wirkungen der Forderungsbegründung erst im Zeitpunkt der Sicherung und Befriedigung eintreten, § 140 Abs. 1 InsO.272 Zuzugeben ist dieser Auffassung, dass sie die Einbindung der Einzelleistungen in die Abwicklung des materiellen Zuwendungserfolgs berücksichtigt, die mit der Forderungsbegründung beginnt und erst in der Erfüllungsleistung ihren endgültigen Abschluss findet. Sie geht jedoch zu weit, da sie dem Begünstigten auch denjenigen Teilerfolg nimmt, den er außerhalb der Anfechtungsfrist erworben hat.273 Liegt die Forderungsbegründung bereits mehr als vier Jahre zurück, so hat der Gläubiger diese Rechtsposition anfechtungsfest erworben. Er hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die Forderung – wenn auch nachrangig – gem. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO zur Tabelle anzumelden.274 Es wäre nun unbillig, 269

Jaeger, Gläubigeranfechtung, § 3 Anm. 45, S. 176. So auch die Kritik von Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 91. 271 In diese Richtung BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103); BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 (138); BGH, Urt. v. 24.03.1988 – IX ZR 118/87, NJW-RR 1988, 841; BGH, Urt. v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (411); OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (32); OLG Jena, Urt. v. 02.11.1910, LZ 1911, Sp. 241 (243). Ebenso Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 16; ders., AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 23. 272 BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (103); BGH, Urt. v. 24.03.1988 – IX ZR 118/87, NJW-RR 1988, 841; OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (32); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 34; Huber, AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 23. Vgl. auch BGH, Urt. v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (411); OLG Jena, Urt. v. 02.11.1910, LZ 1911, Sp. 241 (243). 273 So auch Gerhardt, ZIP 1988, S. 749 (751); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 29. 274 So auch Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G38b. Unter Geltung der KO bestanden diese Bedenken noch nicht, da unentgeltliche 270

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

diese Rechtsposition nur deshalb wieder in Frage zu stellen, weil innerhalb der Anfechtungsfrist weitere Abwicklungshandlungen vorgenommen wurden. Dann nämlich stünde der innerhalb der Anfechtungsfrist gesicherte oder befriedigte Gläubiger schlechter als der nicht mehr befriedigte Gläubiger, der seine anfechtungsfest erworbene Forderung zur Tabelle anmelden darf.275 c) Stellungnahme Wird ein vom Schuldner in Gang gesetzter materieller Zuwendungserfolg gestreckt abgewickelt, ist es vorzugswürdig, jede Einzelleistung, die diesen Zuwendungserfolg verwirklicht oder fördert, selbstständig gem. § 134 InsO anfechten zu können.276 Dies erklärt, warum § 134 InsO auf die unentgeltliche Leistung und nicht die Zuwendung i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB abstellt. Es wurde zwar festgestellt, dass nicht jede gem. § 134 InsO anfechtbare Rechtshandlung eine Leistung sein muss, und dass der Leistungsbegriff den Kern des § 134 InsO nicht zutreffend beschreibt, weil Leistungen eben keine aus privatautonomer Gestaltungsmacht heraus erfolgenden materiellen Zuwendungsvorgänge darstellen.277 Mit der Formulierung hat der Gesetzgeber aber zumindest klargestellt, dass jede Einzelleistung, die einen durch die Forderungsbegründung bereits unaufhaltsam in Gang gesetzten Zuwendungsvorgang abwickelt, selbstständig Gegenstand der Anfechtung gem. § 134 InsO sein soll. Zudem ist mit diesem Ergebnis sowohl den Interessen der Gläubiger als auch den Interessen des Begünstigten gedient: Der Begünstigte erhält mit jeder einzelnen Vorteilsverschaffung die Chance, nach Ablauf der vierjährigen Anfechtungsfrist wenigstens diesen Teilerfolg sicher in sein Vermögen eingliedern zu können. Liegt die Forderungsbegründung mehr als vier Jahre zurück, ist sie der Anfechtung durch die Gläubiger entzogen.278 Hat er die Sicherheit vor mehr als vier Jahren erworben, können die übrigen Gläubiger seine Vorrangstellung nicht mehr beseitigen. Die Gläubiger hingegen können jeden Einzelschritt, der sie benachteiligt und die unentgeltliche Zuwendung weiter fördert, innerhalb der Vier-Jahres-Frist angreifen. Da die Einzelleistungen individuell auf ihre Anfechtbarkeit überprüft werden, steht es der Anfechtung der Forderungen gem. § 63 Nr. 4 KO ohnehin nicht am Verfahren teilnahmen. Die Rechtslage hat sich durch die Einführung des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO jedoch verändert. 275 So auch Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G38b. 276 Vgl. Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 91. Im Ansatz auch Heim, Schenkungsanfechtung, S. 109: „Entscheidend für die Ermittlung der Unentgeltlichkeit ist der Gesamtvorgang zwischen den Beteiligten unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise. Gleichwohl betrifft die Anfechtung einzelne Leistungen im Gesamtvorgang.“ 277 Vgl. oben S. 174 ff. 278 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 51; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 17. Zur Frage, ob eine innerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums begründete Forderung anfechtbar ist, siehe sogleich S. 234 ff.

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Sicherungs- oder Befriedigungsleistung nicht entgegen, dass die Forderung bereits anfechtungsfest begründet wurde.279 Die Forderung lebt durch die Anfechtung der Sicherheit oder der Erfüllung gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder auf,280 aber die Deckung ist zurück zu gewähren. Erst wenn die materielle Zuwendung außerhalb des Anfechtungszeitraums vollständig abgeschlossen wurde, haben die Gläubiger diese Schmälerung der Haftungsmasse zu akzeptieren.281 d) Ergebnis Jede Rechtshandlung, die eine unentgeltliche materielle Zuwendung des Schuldners fördert oder verwirklicht, ist selbstständig gem. § 134 InsO anfechtbar. Der Unentgeltlichkeitsanfechtung unterliegt somit nicht nur diejenige Vorteilsverschaffung, die eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung unmittelbar umsetzt, sondern auch jede Rechtshandlung, die einen solchen materiellen Zuwendungserfolg vorantreibt. Das Schuldnerfehlverhalten, das sich bereits in der Forderungsbegründung manifestiert, lässt eine Anfechtungsbeziehung zwischen den Parteien entstehen, die den gesamten weiteren Abwicklungsprozess umfasst. Ebenso, wie der Geschäftszweck der rechtsgeschäftlichen materiellen Causa alle auf ihr aufbauenden Einzelleistungen durchdringt,282 bildet auch der materielle Zuwendungserfolg, den der Schuldner mit der Forderungsbegründung in Gang setzt, den Rahmen für alle zu seiner Verwirklichung erfolgenden Abwicklungsgeschäfte. Denn die Beurteilung des Schuldnerfehlverhaltens ändert sich nicht, nur weil sich der Schuldner dazu entschieden hat, die materielle Zuwendung gestreckt und nicht unmittelbar durch ein Handgeschäft zu vollziehen. Bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs gibt es somit nur eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung, aber mehrere anfechtbare Rechtshandlungen i.S.d. § 129 InsO, die jeweils getrennt auf 279

Vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 39; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 135 ff.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 64; Huber, in: Gottwald, InsRHdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 4; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 61; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 40; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 91; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 36. 280 So auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 61. 281 Zu beachten ist allerdings, dass die Erfüllung einer Forderung nicht gläubigerbenachteiligend wirkt, wenn der Gläubiger Inhaber eines insolvenzfesten Absonderungsrechts war, aus dem er sich nun befriedigt oder das durch Zahlung abgelöst wird, vgl. nur Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 79. Daher scheitert die Anfechtung der Erfüllungsleistung trotz ihres Charakters als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO, wenn zugunsten des Gläubigers eine Sicherheit bestellt wurde, die im Zeitpunkt der Anfechtung mehr als vier Jahre zurückliegt. Denn auch die Bestellung einer Sicherheit für eine nachrangige Forderung i.S.d. § 39 InsO kann ein insolvenzfestes Absonderungsrecht begründen, vgl. nur Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (278); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 39 Rn. 41. 282 Dazu oben S. 33 ff.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

ihre Anfechtbarkeit überprüft werden müssen. Die materielle Zuwendung bildet den Anknüpfungspunkt für das Schuldnerfehlverhalten: Sie ist diejenige Vorteilsverschaffung, für die der Schuldner ein Entgelt hätte fordern müssen. Besteht zwischen den Parteien keine materielle Zuwendungsbeziehung, scheidet die Anfechtung gem. § 134 InsO von vornherein aus. Die anfechtbaren Rechtshandlungen hingegen sind nur unselbstständige Schritte zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs. Sie sind für sich gesehen weder entgeltlich noch unentgeltlich, da sie die Frage nach einem Entgelt nicht aufwerfen. Stattdessen bilden sie als selbstständige Rechtshandlungen i.S.d. § 129 InsO den Anknüpfungspunkt für die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen: Ab ihrer Vornahme berechnet sich die Vier-Jahres-Frist, sie müssen gläubigerbenachteiligend wirken und der durch sie verschaffte Vorteil ist Gegenstand des Rückgewähranspruchs aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO. 2. Die anfechtungsrechtliche Beurteilung der Abwicklungsgeschäfte im Rahmen des § 134 InsO Vor diesem Hintergrund kann nun zu der anfechtungsrechtlichen Beurteilung der typischen Abwicklungsgeschäfte Stellung genommen werden, die bei der gestreckten Abwicklung von Schuldverhältnissen auftreten: Der Verpflichtungsbegründung und der Erfüllung und Sicherung der zwischen dem Schuldner und dem Begünstigten geschaffenen Verbindlichkeit. a) Die Verpflichtungsbegründung als anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO Die erste Vorteilsverschaffung bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs bildet die Begründung einer Forderung zugunsten des Gläubigers. Isoliert betrachtet verkörpert sie zwar nicht die ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung im oben skizzierten Sinne, denn sie ist nicht darauf ausgerichtet, dauerhaft im Vermögen des Gläubigers zu verbleiben. Allerdings bildet die Verpflichtungsbegründung den ersten Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs und kommt damit grundsätzlich als anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO in Betracht.283 283 So auch die ganz herrschende Meinung, vgl. Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 17; ders., in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 17; Breutigam, in: BerlKomm, InsO, 51. Erg.-Lfg., Nov. 2014, § 134 Rn. 3; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 7; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 17; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 372; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.89; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 102 f.; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 10; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 6; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 3; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 5; Obermüller/Hess, InsO, 4. Aufl., Rn. 346; Prütting, KTS 2005, S. 253 (255); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 3; Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1621); ders./Knof, KTS 2009, S. 163

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aa) Anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO Voraussetzung für die Anfechtung ist allerdings, dass der Schuldner mit der Forderungsbegründung tatsächlich einen materiellen Zuwendungsvorgang in Gang setzt. Unproblematisch ist dies der Fall, wenn die Forderung durch ein rechtsgeschäftliches Verpflichtungsgeschäft begründet wird, das auf eine unentgeltliche materielle Zuwendung gerichtet ist. Als typischer Fall zählt etwa die formwirksame Begründung einer Schenkungsforderung (§ 518 Abs. 1 BGB) zu den unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 InsO.284 Zuwendungen können sich allerdings nicht nur rechtsgeschäftlich, sondern auch auf sonstige Art und Weise verwirklichen.285 Daher kann sich auch in der Verpflichtungsbegründung aufgrund gesetzlicher Anordnung ein Schuldnerfehlverhalten verwirklichen, sofern sich in dem Auslösen der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge eine privatautonom initiierte, bewusste Zuwendung des Schuldners widerspiegelt. So schadet es nicht, dass das Stiftungsgeschäft i.S.d. § 81 BGB kein Verpflichtungsgeschäft darstellt, sondern die Übertragungspflicht des Stifters aus der gesetzlichen Anordnung des § 82 BGB resultiert: Durch die Vermögenszusage im Stiftungsgeschäft hat der Stifter die Übertra-

(184); Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 203; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7. Zur KO bereits Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkursund Vergleichsrecht, Bd. 2, 12. Aufl., § 19 Rn. 19.4; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Anm. 4. Aus der Rechtsprechung (noch zur KO) BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (299); OLG Dresden, Urt. v. 14.12.1908 – 10 235/08, LZ 1910, Sp. 243 (244): „Im Übrigen würde in diesem Fall in dem Versprechen selbst auch eine unentgeltliche Verfügung zu sehen sein.“ Die (isolierte) Anfechtung des Versprechens war aber in beiden Entscheidungen nicht entscheidungserheblich. Zur InsO vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 38: „Der Abschluss von Verträgen mit der Übernahme von Leistungspflichten durch den Schuldner ist deshalb als Leistung im Sinne des § 134 InsO anzusehen“; so auch BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 48. A.A. hingegen Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 187, die den Charakter von Verpflichtungsgeschäften und ihr Verhältnis zur causa allerdings grundsätzlich verkennt, und wohl auch Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 304, bei dem die Differenzierung zwischen fehlender Gläubigerbenachteiligung und der Frage nach der grundsätzlichen Anfechtbarkeit nicht ganz deutlich wird. 284 Vgl. nur Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 17; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 6; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 3; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6. A.A. Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 188. 285 Vgl. oben S. 179 ff.

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gungspflicht ausgelöst, sodass sich in dieser (gesetzlich angeordneten) Verpflichtungsbegründung eine privatautonom initiierte, bewusste Zuwendung des Stifters an die Stiftung widerspiegelt.286 Dasselbe gilt für den Anspruch aus einer Gewinnzusage gem. § 661a BGB. Hier ist umstritten, ob die Haftung des Unternehmers auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung oder ein gesetzliches Schuldverhältnis zurückzuführen ist.287 Jedenfalls hat der Unternehmer dem Verbraucher den Anspruch auf den Gewinn unentgeltlich zugewendet, indem er freiwillig die Gewinnzusage versendet und dadurch den Anspruch gem. § 661a BGB ausgelöst hat.288 Die Anspruchsbegründung ist damit auf eine geschäftsähnliche, auf dem freien Willen des Schuldners beruhende Handlung zugunsten des Empfängers zurückzuführen. Daneben hat ihr Entstehungsgrund – ob rechtsgeschäftlich oder kraft gesetzlicher Anordnung – keine Relevanz. Dass der Unternehmer nicht die Absicht gehabt haben mag, sich dem Verbraucher gegenüber bindend zu verpflichten, steht seinem Zuwendungswillen nicht entgegen, weil genau dieser Wille in der Gewinnzusage zum Ausdruck gekommen ist. Er ist daher ebenso irrelevant wie ein geheimer Vorbehalt (§ 116 BGB) bei der sonstigen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungsbegründung. In den meisten Fällen jedoch werden gesetzlich begründete Verpflichtungen oktroyiert, sodass sich in ihnen kein Zuwendungswille des Schuldners manifestiert, auch wenn er die Verpflichtungsbegründung durch eine eigene Rechtshandlung ausgelöst haben mag.289 So stellen Unterhaltsverpflichtungen keine Zuwendungen des Schuldners dar, weil sie durch den Abschluss eines personenrechtlichen Rechtsgeschäfts ausgelöst werden, das nicht auf eine Zuwendung an den Anspruchsinhaber gerichtet ist.290 Dasselbe gilt für Steuerforderungen: Auch wenn der Schuldner sie durch eine eigene Rechtshandlung auslöst, liegt darin keine privatautonom initiierte Zuwendung. Denn der Schuldner hat sich nicht in privatautonomer Gestaltungsfreiheit dazu entschieden, dem 286

Vgl. auch Hinz, Haftung der Stiftung, S. 97, der die Anfechtbarkeit gem. § 134 InsO gleichwohl i.E. ablehnt. I.E. für die Anfechtbarkeit der Stiftungszusage Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 116; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 33. 287 Vgl. zu dem Meinungsspektrum Bergmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2006, § 661a Rn. 13 ff. 288 Vgl. BGH, Urt. v. 13.03.2008 – IX ZR 117/07, NZI 2008, 369 in Rn. 9; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 39 Rn. 15 (zu § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Für die Zuwendung des Anspruchs aus einer Gewinnzusage als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO daher Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 81; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 36; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13. Für die Anfechtbarkeit der Erfüllung einer Gewinnzusage gem. § 134 InsO auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 114; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 35. A.A. Maier, VuR 2007, S. 347 (348 ff.); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 180. 289 Siehe oben S. 183 ff. 290 Vgl. oben S. 186 f.

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Staat einen Vorteil zu verschaffen, sondern die Steuerforderung ging als unausweichlicher Rechtsreflex mit dem Erwerb eigener zu versteuernder Vorteile einher.291 Nichts anderes gilt für gesetzlich begründete Schadensersatzansprüche: Auch diese werden zwar durch eine Rechtshandlung des Schuldners ausgelöst, doch stellt sich von vornherein nicht die Frage nach einem Entgelt, weil die Anspruchsbegründung nicht von der Vorstellung des Schuldners getragen ist, dem Gläubiger in Ausübung privatautonomer Gestaltungsmacht einen materiellen Vermögensvorteil zuzuwenden.292 bb) Gläubigerbenachteiligung Um die Forderungsbegründung isoliert anfechten zu können, muss sie allerdings eine eigenständige gläubigerbenachteiligende Wirkung haben. Die Verpflichtung allein führt zu keiner Verminderung des Aktivvermögens, sondern erhöht lediglich die Passivmasse. Außerhalb der Insolvenz scheidet eine isolierte Anfechtung der Verpflichtungsbegründung daher aus.293 Im eröffneten Insolvenzverfahren hingegen kann auch die Mehrung der Passivmasse die anderen Insolvenzgläubiger benachteiligen, da eine erhöhte Anzahl angemeldeter Forderungen die auf jeden Insolvenzgläubiger entfallende Quote vermindert.294 Allerdings sind Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung gem. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO nur nachrangig zu berücksichtigen. Benachteiligt werden können daher nur die Gläubiger der im Rang nachstehenden Forderungen gem. § 39 291

Vgl. oben S. 183. Fehl geht daher der BGH, der gesetzlich begründete Schadensersatzansprüche als „entgeltliche“ Verbindlichkeiten qualifiziert, vgl. BGH, Urt. v. 18.03.2010, IX ZR 57/09, NJWRR 2010, 1428 (1429) in Rn. 11; ebenso Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 43. Tatsächlich sind gesetzlich begründete Schadensersatzansprüche weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern entgeltneutral, weil sich bei ihnen die Frage nach einem Entgelt niemals stellt; i.E. ebenso Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 181, allerdings aufgrund „teleologischer Reduktion“ des § 134 InsO. 293 Hinz, Haftung der Stiftung, S. 60; auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 372: Anfechtung von Verpflichtungen nur bei Gesamtvollstreckung. Zu pauschal hingegen FG Hamburg, Urt. v. 05.12.2008 – 4 K 24/08, BeckRS 2008, 26026453; FG München, Urt. v. 28.02.2008 – 5 K 1557/07, juris, mit der Aussage, bereits die Begründung eines Anspruchs auf eine unentgeltliche Leistung falle unter § 4 AnfG. Differenzierter BFH, Urt. v. 15.10.1996 – VII R 35/96, NJW-RR 1997, 399 (400); Huber, AnfG, 11. Aufl., § 1 Rn. 14, 25, die klarstellen, der unentgeltliche Anspruch sei nur zusammen mit dem darauffolgenden Erfüllungs- oder Sicherungsgeschäft, nicht aber selbstständig gem. § 4 AnfG anfechtbar (zur Kritik an dieser „Gesamtbetrachtungslehre“ siehe oben S. 231 f.). 294 Für die Möglichkeit einer Gläubigerbenachteiligung durch die Forderungsbegründung, sofern genügend verteilbare Masse vorhanden ist: Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 17; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 372; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 6 (Benachteiligung allerdings nur „ausnahmsweise“); Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 5; Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 236; Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1621); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 203 in Fn. 4. 292

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Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 InsO.295 Ob diese ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung der unentgeltlichen Forderung haben, erscheint zweifelhaft. Die Anfechtung gem. § 134 InsO rechtfertigt sich daraus, dass der Schuldner die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet, indem er einen Dritten unentgeltlich begünstigt. Von diesem Schutzzweck sind die nachrangigen Gläubiger i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 InsO nicht erfasst.296 Gesellschafterdarlehen i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO werden im insolvenzrechtlichen Kontext dem Eigenkapital der Gesellschaft funktional gleichgestellt.297 Die darlehensgewährenden Gesellschafter können sich daher gegenüber Drittgläubigern ebenso wenig auf eine Wiederherstellung der Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung berufen wie der Schuldner selbst. Die Gläubiger aus § 39 Abs. 2 InsO wiederum haben sich bewusst für eine nachrangige Befriedigung entschieden. Dann aber können sie nicht geltend machen, die Begründung der unentgeltlichen Forderung stelle die Grundbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage, da sie auf deren Schutz bewusst verzichtet haben. Die Begründung einer unentgeltlichen

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Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 12; Schäfer, in: Kummer/ Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G3, G23. Innerhalb des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO kann es zu einer Konkurrenzsituation zwischen den Gläubigern einer anfechtungsfest erworbenen unentgeltlichen Forderung und den Gläubigern einer innerhalb des Vier-JahresZeitraums entstandenen unentgeltlichen Forderung kommen. Dann bietet es sich an, innerhalb des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO zwei Gruppen zu bilden: Erst wenn die Inhaber der anfechtungsfest erworbenen unentgeltlichen Forderungen voll befriedigt wurden, können die Inhaber anfechtbar erworbener Forderungen (quotal) befriedigt werden (ähnlich wohl auch Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 17). In diese zweite Gruppe sollten auch alle übrigen Gläubiger aufgenommen werden, die ihre Forderung in anfechtbarer Weise – etwa gem. §§ 132, 133 InsO – erworben haben und daher nicht an der allgemeinen Gläubigerbefriedigung teilnehmen durften. Sie sind berechtigt, ihre Forderung wegen der Nichterfüllung (entsprechend § 103 Abs. 2 InsO) als nachrangige Gläubiger in der zweiten Gruppe des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO geltend zu machen. Es wäre sachwidrig, die anfechtbar begründeten Forderungen endgültig aus dem Verfahren ausscheiden zu lassen und die Gläubiger darauf zu verweisen, sie nach Beendigung des Verfahrens gegen den Schuldner persönlich zu verfolgen. Denn gibt es nach der Verteilung noch genug Masse, um zumindest einen Teil der anfechtbar begründeten Forderung zu befriedigen, so müssen diese Vermögenswerte zur Befriedigung der – wenn auch anfechtbar begründeten – Forderungen verwendet werden, bevor der Überschuss an den Schuldner persönlich oder die ihm gleichstehenden Gläubiger aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausgekehrt wird. Zu den Rechtsfolgen für Gläubiger, die durch die anfechtungsrechtliche Rückgewähr die Masse finanziert haben, ohne dass eine Forderung wiederauflebt, vgl. unten S. 426 mit Fn. 152. 296 I.E. auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 37; Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 304. 297 Vgl. etwa Nagel, Finanzplankredit, S. 217: Umqualifizierung in der Insolvenz in „funktionales Eigenkapital“ (zur neuen Rechtslage nach dem MoMiG).

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Forderung wirkt daher für sich gesehen niemals gläubigerbenachteiligend.298 Die isolierte Anfechtung der Verpflichtungsbegründung hat aus diesem Grund keine praktische Relevanz.299 b) Die Anfechtbarkeit von Erfüllungsleistungen des Schuldners Weitaus interessanter für die Gläubiger ist die Rückforderung von Leistungen, die ihr Schuldner zur Erfüllung einer Verbindlichkeit erbracht hat. Erfüllungsleistungen wirken stets gläubigerbenachteiligend, denn sie mindern den Aktivbestand des Schuldnervermögens. Die Voraussetzungen, unter denen sie gem. § 134 InsO angefochten werden können, werden in Rechtsprechung und Literatur jedoch unterschiedlich beurteilt. aa) Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur (1) Erfüllungsleistungen zeichnen sich dadurch aus, dass der Gläubiger die geschuldete Leistung erhält und daraufhin seine Forderung gem. § 362 Abs. 1

298 So auch Allgayer, Gläubigeranfechtung, Rn. 704; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 37; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 189; wohl auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 17, die meinen, eine Gläubigerbenachteiligung komme nur in Bezug auf „andere auf gleicher Stufe stehende nachrangige Gläubiger“ in Betracht. Zur KO auch Hinz, Haftung der Stiftung, S. 59 f.; Kamlah, Anfechtung, S. 24; allerdings nahmen unentgeltliche Forderungen gem. § 63 Nr. 4 KO noch nicht an der Verteilung teil, sodass eine Gläubigerbenachteiligung damals – anders als heute – unter keinem Gesichtspunkt in Betracht kam. 299 Dementsprechend gibt es bislang keine einzige gerichtliche Entscheidung, die sich mit der isolierten Anfechtbarkeit einer unentgeltlich begründeten Forderung auseinanderzusetzen hatte. In den Entscheidungen BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (299) und OLG Dresden, Urt. v. 14.12.1908 – 10 235/08, LZ 1910, Sp. 243 (244), in denen die Gerichte die Anfechtbarkeit der Forderungsbegründung bejahten, war die (isolierte) Anfechtung des Versprechens nicht entscheidungserheblich. Bedeutung kann die Qualifikation der Forderungsbegründung als grundsätzlich taugliche, anfechtbare Rechtshandlung aber insofern erhalten, als einige Normen auf „anfechtbare Rechtshandlungen“ Bezug nehmen und daher nur einschlägig sind, wenn man die Forderungsbegründung als anfechtbare Rechtshandlung qualifiziert. Mag man dies bei § 146 Abs. 2 InsO noch anzweifeln, weil der Insolvenzverwalter die Befriedigung der unentgeltlichen Forderung auch über § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO abwehren kann (so die Ansicht von Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 37 in Fn. 146; a.A. Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210), muss jedenfalls im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Forderungsbegründung als anfechtbare Rechtshandlung gelten: Erhält der Anfechtungsgegner durch den Erwerb einer notariell beurkundeten Schenkungsforderung die Möglichkeit zur Aufrechnung mit einer Forderung des Insolvenzschuldners, so hat er die Aufrechnungsmöglichkeit durch eine anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO in Form der Forderungsbegründung erlangt. Zu weitgehend daher Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 37; Kamlah, Anfechtung, S. 24, die der Forderungsbegründung bereits die Qualifikation als anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO absprechen, weil dafür keinerlei praktisches Bedürfnis bestehe.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

BGB erlischt. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur wollen diese Vorgänge für die Bestimmung des Entgeltcharakters der Erfüllungsleistungen fruchtbar machen: Sie qualifizieren die Tilgung einer eigenen Schuld als entgeltliche Leistung, weil der Schuldner von seiner Verbindlichkeit frei wird (Schuldnerperspektive)300 bzw. der Empfänger seine Forderung verliert (Empfängerperspektive).301 Die Entgeltprüfung wird also auf Leistungsebene vorgenommen und die Gegenleistung des Empfängers in der Rechtswirkung der Erfüllung gesehen. Diese Auffassung kann sich auf eine lange Tradition berufen: Bereits die herrschende Auffassung im Gemeinen Recht zählte die Erfüllung zu den entgeltlichen Geschäften.302 Auch die Motive zur Konkursordnung bringen zum 300

BGH, Urt. v. 09.12.2010 – IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423); BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 (138); BGH, Urt. v. 24.03.1988 – IX ZR 118/87, NJW-RR 1988, 841; BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (244 f.); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (300); RG, Urt. v. 09.11.1905 – Rep. VI 49/05, RGZ 62, 38 (45); RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (415); RG, Urt. v. 17.02.1902 – VII 445/1901, JW 1902, 218 Nr. 22; RG, Urt. v. 17.01.1902 – Rep. VII 366/01, RGZ 50, 134 (137); RG, Urt. v. 10.01.1888 – III 191/87, JW 1888, 103 Nr. 22; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.05.2014 – 12 U 87/13, ZIP 2015, 187 (190); OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.02.2013 – 6 Sa 451/11, ZInsO 2013, 1263 (1266); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 41; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 17; Jaeger, Gläubigeranfechtung, § 3 Anm. 46, S. 176; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Rn. 6; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 12; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; Siemon, BB 1991, S. 81 (82); Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 145; Wittig, NZI 2005, S. 606 (607). Für die Qualifikation der Erfüllung als „entgeltlicher Vertrag“ i.S.d. § 133 Abs. 2 InsO auch BGH, Urt. v. 15.02.1990 – IX ZR 149/88, NJW 1990, 2687 (2688) [zu § 31 Nr. 2 KO a.F.]; RG, Urt. v. 11.03.1902 – Rep. VII 13/02, RGZ 51, 76 (78) [zu § 3 Nr. 2 AnfG a.F.]; RG, Urt. v. 15.05.1891 – Rep. III 44/91, RGZ 27, 130 (134) [zu § 3 Nr. 2 AnfG a.F.]; anders noch RG, Urt. v. 06.07.1886 – II 228/86, RGZ 16, 61 (62) [zu § 24 Nr. 2 KO 1877]. 301 BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJW-RR 2010, 1637 (1638) in Rn. 12; Ganter, WM 1998, S. 2081 (2084); Wittig, NZI 2005, S. 606 (607); Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 220; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22. Im Zusammenhang mit der Tilgung einer fremden Schuld (dazu unten S. 428 ff.) auch BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679; BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302). 302 Vgl. aus dieser Zeit Lenel, AcP 74 (1889), S. 213 (234): Bei der Leistung solvendi causa sei „Tauschobject (…) die Befreiung von der Schuld“; Savigny, System, Bd. 4, S. 57: Eine Gegenleistung könne der Empfänger auch gleichzeitig mit dem Erwerb hingeben; „dazu

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Ausdruck, dass der Gesetzgeber in der Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit das Entgelt für die Tilgungsleistung sah.303 Nachdem die anfechtungsrechtliche Rechtsprechung im Jahr 1888 den Grundsatz von der Entgeltlichkeit der Erfüllungsleistungen übernommen hatte,304 setzte er sich nach Inkrafttreten des BGB auch im allgemeinen Zivilrecht durch.305 Die Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung ist nach diesem Ansatz somit ebenso eine entgeltliche Leistung wie die Erfüllung einer gesetzlichen Verbindlichkeit306 oder – aus der Empfängerperspektive – die Tilgung einer fremden Schuld.307 Nach diesem Ansatz wäre allerdings die Erfüllung eines formwirksamen Schenkungsversprechens der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen, da auch hier die Forderung des Beschenkten gem. § 362 BGB erlischt.308 Diese Konsequenz widerspricht offensichtlich dem Grundgedanken des § 134 InsO. Vom Grundsatz der Entgeltlichkeit der Erfüllungsleistungen soll daher eine Aus-

gehört (…) der (…) Empfang einer Zahlung, weil der Empfänger stets (und ohne Rücksicht auf früheres Hingeben), gegen diesen Erwerb die Schuldforderung austauscht, die bisher ein Stück seines Vermögens war.“ Siehe auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 136: Die Entgeltlichkeit der Erfüllung entsprach im gemeinen Recht der vorherrschenden Ansicht. 303 Motive KO, S. 123, abgedruckt bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 132: „Rechtshandlungen (…), welche die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung herbeiführen sollten, (…) sind nicht Schenkungen. Was aus dem Vermögen des Schuldners ausscheidet, hat in der Tilgung dessen, was er schuldet, sein Entgelt.“ 304 Soweit ersichtlich, bekannte sich das Reichsgericht erstmals im Urt. v. 10.01.1888 – III 191/87, JW 1888, 103 Nr. 22 zur Entgeltlichkeit der Erfüllung. 305 Vgl. RG, Urt. v. 30.09.1929 – IV 800/28, RGZ 125, 380 (383) [zu § 516 BGB]; RG, Urt. v. 06.07.1922 – IV 715/21, RGZ 105, 246 (248) [zu § 2205 BGB]; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 40: „Daß die Schulderfüllung (…) als entgeltliche Leistung anzusehen ist, ist von jeder anerkannt. Das Entgelt besteht in der Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit.“ Aus der aktuellen Literatur vgl. nur Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 816 Rn. 14. 306 So BGH, Urt. v. 19.01.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 (235 f.) in Rn. 36; BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 in Rn. 9; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 81; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 43; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 41; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 17; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 26; Rogge/ Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22. Aus dem allgemeinen Zivilrecht Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 39 ff. Insoweit auch von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 148. Vgl. auch RG, Urt. v. 06.07.1922 – IV 715/21, RGZ 105, 246 (248) [Erfüllung einer Vermächtnisschuld]. 307 Dazu unten S. 435 mit Fn. 36. 308 Dies bestreiten die Anhänger der Rechtsprechungslösung auch selbst nicht, vgl. BGH, Urt. v. 24.03.1988 – IX ZR 118/87, NJW-RR 1988, 841; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 145; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 220.

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nahme gemacht werden, wenn die Verpflichtung des Schuldners aus einem unentgeltlichen Kausalverhältnis mit dem Empfänger herrührt.309 Dann soll der Verlust der Forderung ausnahmsweise kein ausgleichendes Entgelt bilden.310 Dank dieser Ausnahme ist der Vollzug eines Schenkungsversprechens gleichwohl als unentgeltliche Leistung anfechtbar. (2) Die Anknüpfung der Entgeltbewertung an die Rechtswirkungen der Erfüllung hat in der Literatur viel Kritik erfahren.311 Es sei begrifflich widersprüchlich, die Erfüllung einer Schenkungsforderung grundsätzlich als entgeltliche Leistung zu qualifizieren.312 Auch sei das Erlöschen der Forderung keine Gegenleistung, sondern nur eine an die eigene Leistung des Schuldners geknüpfte Rechtsfolge.313 Von einer gegenseitigen Abgeltung könne daher keine Rede sein.314 Mit ihrer Regel-Ausnahme-Konzeption räume die Rechtsprechung letztlich ein, dass der Entgeltcharakter der Erfüllungsleistung nicht von

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Vgl. Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 41 f.; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 146. 310 BGH, Urt. v. 24.03.1988 – IX ZR 118/87, NJW-RR 1988, 841; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 41; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 61; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Rn. 6; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; Wittig, NZI 2005, S. 606 (607); Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22; ders., Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 220. Noch konsequent die Anfechtbarkeit des Schenkungsvollzugs verneinend hingegen Jaeger, Gläubigeranfechtung, § 3 Anm. 45, S. 176. 311 Im Anfechtungsrecht Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 2; Prütting, KTS 2005, S. 253 (257 f.); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 30 ff.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 212. Zweifelnd auch Heim, Schenkungsanfechtung, S. 133 ff. Im allgemeinen Zivilrecht W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 34 ff.; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 139 f.; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]; Haymann, Schenkung unter Auflage, S. 7 f.; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (271 f.) [zu § 816 BGB]; ders., Gruchot 71 (1931), S. 113 (158); Migsch, AcP 173 (1973), S. 46 (51 ff.); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 89 f. 312 Vgl. die Kritik von OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14); LArbG Köln, Urt. v. 08.01.2014 – 5 Sa 764/13, ZIP 2014, 1346 (1348); Berger, ZIP 2010, S. 2078; W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 36; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 47; Gruber, DZWiR 2004, S. 474 (475); Heim, Schenkungsanfechtung, S. 131 mit Fn. 378: „eigentümliche Konsequenz“; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3; ders., ZIP 1990, S. 137 (138); Junghans, EWiR 2010, S. 655 (656); Prütting, KTS 2005, S. 253 (257 f.); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 206. 313 Eckstein, ZZP 41 (1911), S. 67 (82); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 137; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3; Migsch, AcP 173 (1973), S. 46 (52); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 89. Dies räumen auch die Vertreter der Gegenansicht selbst ein, vgl. Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Rn. 6; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 40. Schaden soll diese Erkenntnis aber nicht, denn der Gegenwert einer Zuwendung könne auch in der Rechtswirkung der Verfügung selbst liegen, vgl. RG, Urt. v. 06.07.1922 – IV 715/21, RGZ 105, 246 (248); RG, Urt. v. 09.11.1905 – Rep. VI 49/05, RGZ 62, 38 (45). 314 Migsch, AcP 173 (1973), S. 46 (52).

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den Erfüllungswirkungen abhängen könne.315 Dann aber sei es nur konsequent, die Anfechtbarkeit der Erfüllungsleistung stets von dem Blick auf das forderungsbegründende Kausalverhältnis abhängig zu machen (sog. Forderungslösung).316 Entstamme die Forderung einem unentgeltlichen Kausalverhältnis, sei auch ihre Erfüllung unentgeltlich.317 Sei sie hingegen auf ein entgeltliches Kausalverhältnis bezogen, sei auch die darauf erfolgende Befriedigungsleistung entgeltlich.318 Der Entgeltcharakter des forderungsbegründenden Kausalgeschäfts schlägt also auf die Erfüllungsebene durch.319 Das ausgleichende Entgelt für die Erfüllungsleistung ist danach nicht in den Erfüllungswirkungen des § 362 Abs. 1 BGB, sondern in der kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung zu sehen.320 bb) Stellungnahme (1) Argumente gegen die Rechtsprechungslösung (a) Die Kritik an der Rechtsprechungslösung ist berechtigt. So kann es in der Tat nicht überzeugen, die Rechtswirkung des § 362 Abs. 1 BGB als Gegenleis315 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3. W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 35 wirft dem Ansatz Inkonsequenz vor; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 140 meint, mit der „Regel-Ausnahme-Konzeption“ sei wenig gewonnen; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 132 hält die Prüfung des Entgeltcharakters auf Erfüllungsebene für unnötig. 316 OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14 f.); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 47; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]: Der Charakter der Erfüllung richte sich nach dem Charakter der Verbindlichkeit, die erfüllt werde; Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138); ders., in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 26; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (273) [zu § 816 BGB]; ders., Gruchot 71 (1931), S. 113 (128); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 89 ff.; Prütting, KTS 2005, S. 253 (258). 317 OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 47; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3; ders., ZIP 1990, S. 137 (138); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 26; Prütting, KTS 2005, S. 253 (258); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 206. 318 Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 26; Prütting, KTS 2005, S. 253 (258); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 206. 319 Differenzierend von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 144 ff., der zunächst feststellt, „Zuwendungen, welche causa solvendi vorgenommen werden (…), sind grundsätzlich als entgeltlich zu betrachten, da der Schuldner durch seine Leistung einen Vermögensvorteil (Befreiung von seiner Schuld) erlangt.“ Dieser Grundsatz gelte jedoch vor allem bei der Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten; wurde die Forderung rechtsgeschäftlich begründet, schlage der Entgeltcharakter des Kausalgeschäfts auf das Erfüllungsgeschäft durch. 320 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 47; Eckstein, ZZP 41 (1911), S. 67 (82 f.); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 137. Vgl. auch Heim, Schenkungsanfechtung, S. 135.

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tung zu qualifizieren. Als sich der Grundsatz der Entgeltlichkeit der Erfüllungsleistungen entwickelte, herrschte im Erfüllungsrecht noch die Vertragstheorie vor, die für den Eintritt der Erfüllungswirkung neben der Herbeiführung des Leistungserfolgs einen auf die Aufhebung des Schuldverhältnisses gerichteten Vertrag forderte.321 Vor diesem Hintergrund erschien die Einordnung des Forderungsverlustes als ‚Gegenleistung’ noch verständlich, weil ihr Erlöschen der Parteidisposition unterlag und der Empfänger seine Forderung im Gegenzug zu der Schuldnerleistung bewusst ‚erließ’. Die Vertragstheorie gilt jedoch als überholt.322 Nach der heute herrschenden Theorie von der realen Leistungsbewirkung323 ist das Erlöschen der Forderung ein bloßer Rechtsreflex, der durch das objektive Übereinstimmen der hingegebenen mit der geschuldeten Leistung eintritt.324 Und auch wenn man mit der Theorie der finalen Leistungsbewirkung325 eine rechtsgeschäftsähnliche Tilgungszweckbestimmung des Schuldners fordert, ändert dies nichts daran, dass der Gläubiger in keiner Weise über das Erlöschen der Forderung disponiert. Sein Aktivvermögen wird verringert, ohne dass er sich dagegen wehren kann – er muss gem. § 267 Abs. 2 BGB sogar die Leistung eines Dritten akzeptieren. Eine Vermögensminderung, die ohne jede Beteiligung des Empfängers eintritt, hat mit einer Gegenleistung nichts zu tun.326 (b) Läge im Erlöschen der Forderung das Entgelt der Erfüllungsleistung, würde sich zudem der Charakter der Gegenleistung ändern, je nachdem, ob es sich um ein Handgeschäft oder um ein Verpflichtungsgeschäft mit nachfolgendem Erfüllungsgeschäft handelt: Erwirbt der Käufer einen PKW im Wege des

321 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 137; Gernhuber, Erfüllung, 2. Aufl., § 5 II 3, S. 105; Olzen, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem. zu §§ 362 ff. Rn. 9. Vertreter der Vertragstheorie waren Henrici, JherJb 32 (1892), S. 99 (104 f.); Jackisch, JherJb 68 (1919), S. 287 (293 f.); Schöninger, Leistungsgeschäfte, S. 91 ff.; von Tuhr, JherJb 48 (1904), S. 1 (5 f.). Der Vertragstheorie im Erfüllungsrecht entspricht die Zweckvereinbarungstheorie bei der Frage nach der Rechtsnatur der Leistungszweckbestimmung im Rahmen des § 812 BGB (zu den Vertretern dieser Ansicht vgl. oben S. 170 Fn. 32). Die Motive zum BGB ließen die Frage nach der Rechtsnatur der Erfüllung bewusst offen, vgl. die Motive BGB, S. 81, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 44. 322 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 137: wird heute nicht mehr vertreten. 323 Vgl. BGH, Urt. v. 17.07.2007 – X ZR 31/06, NJW 2007, 3488 (3489) in Rn. 17; BGH, Urt. v. 03.12.1990 – II ZR 215/89, NJW 1991, 1294 (1295); Fetzer, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 362 Rn. 9; Gernhuber, Erfüllung, 2. Aufl., § 5 II 6, S. 107 ff.; Olzen, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§ 362 ff. Rn. 14. 324 Hassold, Leistung, S. 14: „Die Erfüllung ist (…) eine gesetzliche Folge der zur Erfüllung der Schuld erbrachten Leistung.“ 325 Vgl. nur Gernhuber, Erfüllung, 2. Aufl., § 5 II 8, S. 110 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 4 II 3 d, S. 99 f.; ebenso zum Charakter der Zweckbestimmung beim bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff vgl. oben S. 170 mit Fn. 30. 326 Vgl. Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 89.

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Handkaufs,327 würden sich Übergabe und Übereignung des PKW und die Zahlung des Kaufpreises als Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen. Wählt er hingegen den klassischen Weg des Kaufvertrags, würden drei entgeltliche Geschäfte vorgenommen: Die Forderungen auf Übergabe und Übereignung des PKW und auf Zahlung des Kaufpreises trügen den Charakter als Leistung und Gegenleistung ebenso wie die beiden Erfüllungsgeschäfte, denen als Gegenleistung das Erlöschen der jeweiligen Forderung gegenüberstünde. Dem Parteiwillen entspricht diese Konstruktion nicht, denn die Parteien schließen den Kaufvertrag nicht ab, um beiderseitige Forderung auszutauschen, sondern sie vereinbaren als Leistung und Gegenleistung die Übergabe und Übereignung der Kaufsache gegen Zahlung des Kaufpreises.328 Auch müsste die Versprechensschenkung genau genommen als ein auf die Zuwendung des Schenkungsgegenstands gegen Entgelt (!) gerichteter Vertrag qualifiziert werden: Ein – wie Oertmann richtig feststellt – widersinniges Ergebnis.329 (c) Auf Schwierigkeiten stößt die Entgeltbewertung auf Erfüllungsebene schließlich bei der Einordnung der Erfüllung von verjährten oder sonstigen330 unvollkommenen Verbindlichkeiten.331 Diese sollen nach ganz herrschender Meinung nicht automatisch unentgeltlich sein.332 Sieht man die Gegenleistung 327

Zur Möglichkeit des Handkaufs vgl. nur Westermann, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., Vorbem. §§ 433 ff. Rn. 7. 328 In diese Richtung auch die Kritik von Heim, Schenkungsanfechtung, S. 135. 329 So Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 89; ebenso auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 140; W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 35: „Sieht man in der Erfüllung ein entgeltliches Geschäft, so leistet der Gläubiger zweimal: die ursprüngliche Leistung und das Freiwerden des Schuldners von seiner Verpflichtung zur Leistung. Das ist kein sehr sinnvolles Ergebnis.“ 330 Verjährte Forderungen gelten als Anwendungsfall der unvollkommenen Verbindlichkeiten, vgl. W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 68; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 12. Der Gesetzgeber hatte dies noch bewusst offengelassen, vgl. die Motive BGB zu § 182, S. 343, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 1, S. 541. Ausführlich zu den Besonderheiten der verjährten Forderungen Schulze, Naturalobligation, S. 509 ff. 331 Vgl. auch die Kritik von Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 141. 332 Pauschal für Entgeltlichkeit bzw. Ausschluss der Unentgeltlichkeit: RG, Urt. v. 19.02.1897 – Rep. III 280/96, JW 1897, 189; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 81; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 31; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 49; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 29; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 43; Mallinckrodt, Unentgeltlichkeit, S. 9; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 145 in Fn. 51. Für die Unanfechtbarkeit einer unvollkommenen, entgeltlich begründeten Verbindlichkeit auch LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (193). Differenzierend nach dem Charakter des zugrundeliegenden Kausalverhältnisses hingegen W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 78 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 12; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 26; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G52; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 73; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 205 f. In diese Richtung auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92, wenn er darauf abstellt, ob die Klaglosigkeit darauf beruht, dass ein rechtlich

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

jedoch im Erlöschen der Forderung, ist es schwierig, dieses Ergebnis zu begründen. Die herrschende Ansicht beruft sich zwar darauf, auch bei den unvollkommenen Verbindlichkeiten bestehe eine Leistungsverpflichtung, die durch die Erfüllung entfalle.333 Der Gläubiger kann die unvollkommene Verbindlichkeit jedoch nicht gegen den Willen des Schuldners durchsetzen. Seine Befriedigung hängt von dem freiwilligen Leistungsvollzug des Schuldners ab.334 Ein Recht zu Selbsthilfe, Zurückbehaltung oder Aufrechnung hat er nicht.335 Die unvollkommene Verbindlichkeit verkörpert damit nichts anderes als das Anrecht, das auch aus einer bloßen Rechtsgrundabrede resultiert.336 Dieses Anrecht erlischt nicht, sondern bildet den Rechtsgrund der Leistung.337 ‚Erlöschen’ kann lediglich die mit dem Anrecht verbundene Befugnis zum zwangslosen Einfordern der Leistung, wenn man diese als selbstständige Rechtsposition des Gläubigers anerkennen möchte.338 Sie hat jedoch nur einen geringen wirtschaftlichen Wert, denn es steht vollkommen im Ermessen des Schuldners, ob er der Leistungsbitte des Gläubigers nachkommt oder nicht.339 Ihre Bindungswirkung geht damit kaum über eine sittliche Verpflichtung hinaus.340 Dies zeigt sich auch in der Insolvenz: Naturalobligationen sind keine anerkannter Gegenwert fehlt. Zweifelnd an der Entgeltlichkeit der Erfüllung einer entgeltlich begründeten, aber verjährten Forderung hingegen Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 45. 333 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 81; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 29; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 43; Mallinckrodt, Unentgeltlichkeit, S. 9; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 145 mit Fn. 51, 148. In dieselbe Richtung auch Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G52. 334 Schulze, Naturalobligation, S. 239 f. Eine dem Gesetz widersprechende Vereinbarung der Klagbarkeit ist bei den gesetzlich als Naturalobligation ausgestalteten Fällen nicht möglich, vgl. auch §§ 656 Abs. 2, 762 Abs. 2 BGB (Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 70). 335 Schulze, Naturalobligation, S. 239. Eine Ausnahme ist für verjährte Forderungen vorgesehen, § 215 BGB. 336 Zum Begriff des Anrechts und sein Verhältnis zum Forderungsbegriff vgl. oben S. 33 mit Fn. 80. 337 Siehe oben S. 41 f. 338 So Schulze, Naturalobligation, S. 250 f.: Anders als bei betagten und gehemmten Forderungen stehe dem Gläubiger bei der Naturalobligation die Befugnis zur zwangslosen Einforderung zu. 339 Völlig wertlos ist die Naturalobligation allerdings nicht, weil sie zumindest eine Erfüllungschance bietet, der ein Vermögenswert zugesprochen werden kann (vgl. Schulze, Naturalobligation, S. 427 ff.). Ob der Verlust einer Naturalobligation im Vermögensstrafrecht als Vermögensschaden anerkannt wird, ist umstritten (dafür Lackner, in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 34; dagegen: Hefendehl, in: MüKo, StGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 458). 340 So auch W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 73; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 70: Auf Erfüllungsebene kann man Naturalobligation und sittliche Pflicht nicht unterscheiden; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 45.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO und können damit am Verteilungsverfahren von vornherein nicht teilnehmen.341 Verjährte Forderungen können zwar zur Tabelle angemeldet werden, aber wird der Anmeldung widersprochen, scheiden auch sie aus dem Verteilungsverfahren aus.342 Einen ausgleichenden Gegenwert für die Leistung stellt der Verlust der bloßen Einforderungsbefugnis damit nicht dar. Da sich die Parteien über diesen Umstand regelmäßig auch bewusst sind, müsste man auf Grundlage der Rechtsprechungslösung zumindest von einer teilweisen Unentgeltlichkeit ausgehen, wenn der Schuldner auf eine Naturalobligation oder eine verjährte Forderung leistet.343 (2) Die Einordnung von Erfüllungsleistungen nach dem hier vertretenen Modell (a) Diese Friktionen rühren daher, dass sich die Erfüllungsebene schon von vornherein nicht für eine eigenständige Entgeltprüfung eignet. Die Frage nach einer Gegenleistung kann nur dort gestellt werden, wo sich zwischen den Parteien eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung vollzieht. Die Anforderungen an eine solche Zuwendung erfüllen Tilgungsleistungen nicht. War der Schuldner dem Empfänger zu der Leistung verpflichtet, erfolgt die mit der Leistung verbundene Vorteilsverschaffung nicht in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht. Es stand nicht (mehr) in seiner Wahl, den Leistungsempfänger zu begünstigen oder nicht. Damit fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung der materiellen Zuwendung.344 Trifft den Schuldner hingegen keine eigene Verpflichtung gegenüber dem Empfänger, sondern erfüllt er freiwillig eine fremde Schuld, so erfolgt die Zuwendung zwar in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht. Allerdings findet keine materielle Bereicherung des Empfängers statt, weil dieser nur das erhält, was er ohnehin von seinem Schuldner zu fordern berechtigt ist. Der materielle Vermögensvorteil wird umgehend durch den Verlust seiner Forderung wieder aufgezehrt. Zwar ist der Erwerb des geschuldeten Gegenstands

341 Ehricke, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 38 Rn. 48; Knof/Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 38 Rn. 17; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 38 Rn. 20. 342 Ehricke, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 38 Rn. 49; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 14; Lüdtke, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 38 Rn. 22. 343 Für Unentgeltlichkeit daher in der Tat Enneccerus/Lehmann, Lehrbuch, Bd. 2, 15. Aufl., § 120 II 3a, S. 489; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (129) [zu § 2113 Abs. 2 BGB]. In dieselbe Richtung auch Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 45 mit dem Argument, die Erfüllung einer verjährten Forderung beruhe auf Freigebigkeit. Hellmann, Lehrbuch, S. 333 qualifiziert die unvollkommenen Verbindlichkeiten mangels Rechtspflicht nicht als unentgeltliche Verfügungen, wohl aber die Erfüllung einer verjährten Forderung. 344 Siehe oben S. 187 f.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

für ihn wirtschaftlicher vorteilhafter als die bloße Forderungsinhaberschaft.345 Dieser wirtschaftliche Vorteil ist aber nicht von solcher Qualität, dass der Gläubiger bereit wäre, hierfür ein eigenständiges Entgelt zu leisten.346 Damit kann dem zahlenden Dritten auch nicht vorgeworfen werden, er habe vom Gläubiger keine Gegenleistung gefordert.347 Die Erfüllung ist also für sich betrachtet keine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO, die zwischen den Parteien die Frage nach einem Entgelt aufwirft. Damit scheidet eine eigenständige Entgeltbewertung auf Erfüllungsebene aus: Da es nichts gibt, was abgegolten werden kann, ergibt die Suche nach einem Entgelt keinen Sinn. Erfüllungsleistungen sind für sich gesehen weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern notwendig entgeltneutral.348 (b) Anfechtbar gem. § 134 InsO sind allerdings auch Rechtshandlungen, die zwar selbst keine materielle Zuwendung verkörpern, aber in die gestreckte Verwirklichung eines materiellen Zuwendungserfolgs zwischen den Parteien eingebunden sind.349 Eine solche Rechtshandlung ist eine Leistung, mit der eine vom Schuldner privatautonom begründete, auf eine unentgeltliche materielle Zuwendung gerichtete Forderung erfüllt wird. Der Schuldner und der Leistungsempfänger sind durch die Verpflichtungsbegründung bereits in anfechtungsbegründender Weise miteinander verbunden. Wird die unentgeltliche materielle Zuwendung nun durch eine Erfüllungsleistung des Schuldners vollendet, so ist dies Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens und die Erfüllung damit als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar. Der Anfechtung entzogen ist hingegen eine Erfüllungsleistung, die in einen entgeltlichen materiellen Zuwendungsvorgang zwischen den Parteien eingebunden ist. In ihr schlägt sich kein Schuldnerfehlverhalten nieder. Eines selbstständigen Entgelts, das der Erfüllungsleistung gegenübertreten muss, bedarf es dafür nicht. Abgegolten werden kann nur die materielle Zuwendung in ihrer Gesamtheit. Ihr muss eine ausgleichende Gegenleistung gegenüberstehen. Ist dies der Fall, ist ihre gesamte Abwicklung entgeltlich.

345

Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (130) in Fn. 104; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 71 I, S. 54. 346 Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (271). I.E. auch Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (101): „Was bereits in dem obligatorischen Aggregatzustand als Vermögensmehrung gebucht ist, kann nicht um seiner dinglichen Durchführung willen nochmals als neue Vermögensverschiebung gewertet werden.“ 347 Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 471: Die Zahlung einer eigenen fälligen Schuld begründe als solche kein Fehlverhalten gegenüber der Gläubigergesamtheit. 348 W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 36; Eckstein, ZZP 41 (1911), S. 67 (83); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 140 f.; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]; Haymann, Schenkung unter Auflage, S. 8; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (271 f.); ders., Gruchot 71 (1931), S. 113 (158). 349 Siehe oben S. 233 f.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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Ebenfalls nicht anfechtbar sind Erfüllungsleistungen, mit denen eine Verpflichtung abgewickelt wird, die der Schuldner nicht in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht bewusst initiiert hat. In diesem Fall fehlt es an einem materiellen Zuwendungsvorgang, in den die Leistung integriert werden könnte. Eine solche Erfüllungsleistung ist weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern bleibt entgeltneutral. Erfüllt der Schuldner etwa eine eigene gesetzliche Verbindlichkeit, die ihm einseitig oktroyiert wurde, so ist diese Leistung nicht entgeltlich, sondern entgeltneutral.350 (3) Kritik an der Gegenansicht der Literatur (sog. Forderungslösung) Es ist daher zutreffend, dass sich die Anfechtbarkeit von Erfüllungsleistungen nur mit Blick auf das zugrundeliegende Kausalgeschäft beurteilen lässt. Vorschnell wäre es jedoch, mit der Gegenansicht in der Literatur jede Erfüllung einer durch ein unentgeltliches Kausalgeschäft begründeten Forderung als anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO zu qualifizieren. Entscheidend ist vielmehr, dass sich zwischen dem Leistungsempfänger und dem Schuldner bereits in der Verpflichtungsbegründung ein Fehlverhalten manifestiert hat, das nun durch die Erfüllungsleistung abgewickelt wird.351 Nur wenn zwischen Schuldner und Empfänger bereits eine Anfechtungsbeziehung in diesem Sinne vorliegt, löst die Tilgungsleistung die Anfechtung gem. § 134 InsO aus. (a) Relevant wird diese Differenzierung, wenn sich die Parteien des Erfüllungsgeschäfts und der Verpflichtungsbegründung nicht decken. Hat der Gläubiger die vom Schuldner unentgeltlich begründete Forderung an einen Dritten abgetreten und erfüllt der Schuldner seine Verpflichtung nun durch Leistung an den Zessionar, so ist die Leistung dem Zessionar gegenüber nicht gem. § 134 InsO anfechtbar, obwohl der Schuldner eine unentgeltlich begründete Forderung erfüllt. Denn im Verhältnis zwischen Schuldner und Zessionar verwirklicht sich kein Schuldnerfehlverhalten: Der Schuldner hat dem Zessionar nicht in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht einen materiellen Vermögensvorteil verschafft, ohne von diesem dafür eine ausgleichende Gegenleistung zu fordern. Vielmehr hat er nur deshalb an ihn geleistet, weil er dazu verpflichtet war.352 Eine materielle Zuwendungsbeziehung liegt nur zwi-

350 So auch W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 35; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 141 f.; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]. 351 In dieselbe Richtung gehen letztlich die Stimmen, die Forderungsbegründung und – vollzug als „Einheit“ ansehen wollen (vgl. dazu S. 231 f.): Auch für die Begründung dieser Einheit müssen sich die Parteien des Verpflichtungs- und des Vollzugsgeschäfts decken. 352 Etwas anderes würde sich nur ergeben, wenn der Zessionar nur noch Inhaber einer Naturalobligation oder einer verjährten Forderung wäre: Dann kommt eine materielle Zuwendung zwischen Schuldner und Zessionar in Betracht (vgl. zur Erfüllung einer klaglosen Forderung auch oben S. 245 ff. und sogleich S. 254 ff.).

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

schen dem Schuldner und dem Zedenten vor, der bereits durch die Verpflichtungsbegründung vom Schuldner materiell begünstigt wurde. Die Erfüllungsleistung wickelt nun das zwischen dem Zedenten und dem Schuldner begründete Schuldnerfehlverhalten ab. Die Gläubiger können daher nur den Zedenten gem. § 134 InsO in Anspruch nehmen, nicht jedoch den Zessionar.353 Die Parteien des Erfüllungsgeschäfts und der Verpflichtungsbegründung fallen auch dann auseinander, wenn der Schuldner eine fremde, unentgeltlich begründete Forderung erfüllt. Auch hier verwirklicht sich zwischen Schuldner und Leistungsempfänger kein Schuldnerfehlverhalten, weil dem Schuldner im Verhältnis zu dem fremden Gläubiger nicht vorgeworfen werden kann, ihm in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht unentgeltlich begünstigt zu haben. Die unentgeltliche Forderung wurde dem Gläubiger vielmehr von seinem eigenen Forderungsschuldner eingeräumt. Vom Schuldner hat er zwar die Erfüllungsleistung erhalten, aber im Gegenzug seinen Anspruch eingebüßt. Mangels eigenständiger Bereicherung hat sich im Verhältnis zwischen Schuldner und fremdem Gläubiger die Frage nach einem Entgelt zu keiner Zeit gestellt. Ein Schuldnerfehlverhalten kann sich lediglich zwischen dem Schuldner und dem Forderungsschuldner verwirklichen: Diesen hat der Schuldner von einer Verbindlichkeit befreit. Hat er ihm in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht diesen materiellen Vermögensvorteil unentgeltlich verschafft, ist eine Anfechtung gem. § 134 InsO gegenüber dem Forderungsschuldner möglich. (b) Zudem läuft die Literaturansicht mit der Fokussierung auf das forderungsbegründende Kausalgeschäft Gefahr, die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen für anfechtbar zu erklären, in denen sich gar kein Fehlverhalten des leistenden Schuldners verwirklicht.354 Deutlich zeigt sich dies etwa beim zinslosen Darlehen. Schaut man allein auf den Entgeltcharakter des forderungsbegründenden Grundgeschäfts, so müsste die Rückzahlung des Darlehens als unentgeltliche Leistung anfechtbar sein: Die Darlehensrückzahlungspflicht (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB) entsprang ohne Zweifel einem unentgeltlichen Kausalverhältnis. Gleichwohl versteht es sich von selbst, dass sich in dem Abschluss des Darlehensvertrags keinerlei Schuldnerfehlverhalten des unentgeltlich begünstigten Darlehensnehmers niedergeschlagen hat. Teilweise wird versucht, diese Konsequenz dadurch zu vermeiden, dass der Darlehensvertrag in zwei miteinander verknüpfte Rechtsverhältnisse aufgespalten wird.355 Die Darlehensgewährung soll mit dem Rückzahlungsanspruch in einem Austauschverhältnis stehen. Daneben könnten die Parteien ein weite-

353

Diesem gegenüber kommt nur eine Anfechtung gem. §§ 130, 131 InsO in Betracht. Auf diese Gefahr weist insbesondere Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht] hin. 355 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 140. 354

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res Austauschverhältnis zwischen Zinszahlung und Nutzungsüberlassung begründen, oder hinsichtlich der Nutzungsüberlassung Unentgeltlichkeit vereinbaren. Die Übertragung der Darlehensvaluta sei daher stets entgeltlich, weil ihr der Darlehensrückzahlungsanspruch als Gegenleistung gegenüberstehe.356 Umgekehrt habe auch die Rückzahlung des Darlehens stets entgeltlichen Charakter, weil sie den Ausgleich für die Darlehensgewährung bilde. Lediglich die Nutzungsüberlassung könne entgeltlich oder unentgeltlich sein, je nachdem, ob ein Darlehenszins vereinbart wurde oder nicht. Das zinslose Darlehen wäre demnach ein entgeltgemischtes Geschäft: In Bezug auf die Darlehensgewährung und die damit verbundene Rückgabeverpflichtung wäre der Vertrag entgeltlich.357 Nur die Nutzungsüberlassung könnte als unentgeltliche Leistung angefochten werden.358 Mit dieser Anfechtung können die Gläubiger dann aber auch lediglich Herausgabe der Nutzungen in Höhe des marktüblichen Zinses fordern, nicht aber die Rückübertragung der unentgeltlich gewährten Darlehenssumme. Überzeugen kann diese Lösung nicht. Zum einen erscheint es fernliegend, die Darlehensgewährung und den Rückzahlungsanspruch in ein entgeltliches Austauschverhältnis zu setzen. Der Darlehensgeber gewährt das Darlehen nicht, um es später zurückzuerhalten. Die Rückgabepflicht ist lediglich eine Modalität, die für die Verwirklichung des angestrebten Vertragszwecks notwendig ist, nicht jedoch ein ausgleichendes Entgegenkommen des Empfängers für die Darlehensgewährung.359 Zum anderen kann auch das Ergebnis nicht befriedigen, den Gläubigern keine Möglichkeit zur anfechtungsrechtlichen Rückgewähr der Darlehenssumme zu eröffnen.360 Denn die Freistellung des Darle-

356 So Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 50; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 13. 357 OLG Rostock, Urt. v. 30.04. 2007 – 3 U 162/06, NZI 2007, 468. A.A. (zur Leihe) Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 90; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]. 358 Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 25; Kirchhof, in: MüKo, AnfG, § 4 Rn. 33. 359 Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (124). Vgl. auch (zur Leihe) Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 90. 360 Nimmt man entgegen der oben geäußerten Bedenken Entgeltlichkeit der Darlehensgewährung an, käme die Anfechtung gem. § 133 Abs. 2 InsO in Betracht (so OLG Rostock, Urt. v. 30.04.2007 – 3 U 162/06, NZI 2007, 468), die jedoch lediglich zwei Jahre zurückreicht und nur Verträge mit nahestehenden Personen erfasst. Das Wahlrecht des § 103 InsO hilft dem Insolvenzverwalter auch nicht weiter: Das unentgeltliche Darlehen ist als unvollkommen zweiseitiger Vertrag kein gegenseitiger Vertrag i.S.d. § 103 InsO (Huber, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 103 Rn. 92). Zu denken wäre nur an ein außerordentliches Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters [dafür OLG Stuttgart, Urt. v. 21.03.1986 – 2 U 181/85, NJW 1987, 782; Gehrlein, ZInsO 2012, S. 101 (103)]. Dafür spricht der Rechtsgedanke des

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hensnehmers von der Anfechtung leuchtet vor allem im Vergleich zum Beschenkten nicht ein: Beide haben nichts für den Empfang des Geldes aufgewendet. Der Rückforderungsanspruch schützt den Darlehensnehmer nun vor der Anfechtung, während der Beschenkte das Geld gem. § 134 InsO herausgeben muss. Dabei hat der Beschenkte auf den endgültigen Bestand der Zuwendung vertraut, während dem Darlehensnehmer die Möglichkeit der Rückforderung stets bewusst war. Die Aufteilung des Darlehensvertrags in mehrere Rechtsverhältnisse, die jeweils einer gesonderten Entgeltbewertung unterliegen, ist daher abzulehnen. Ein solches entgeltgemischtes Geschäft kann nur angenommen werden, wenn die Parteien zwei Vertragszwecke in einem Vertrag verbinden, die auch unabhängig voneinander Sinn ergeben. Die Übereignung der Darlehensvaluta und die Vereinbarung der Rückgabepflicht sind hingegen ohne den hauptsächlichen Vertragszweck, die Nutzungsüberlassung, sinnentleert.361 Hat der Schuldner unentgeltlich ein Darlehen gewährt, so ist der Darlehensvertrag in vollem Umfang unentgeltlich. In der Beziehung zwischen dem Schuldner und dem Darlehensnehmer verwirklicht sich ein Schuldnerfehlverhalten. Anfechtbar sind daher alle Rechtshandlungen, die der Verwirklichung dieses Schuldnerfehlverhaltens dienen. Dazu gehört auch die Auszahlung des Darlehens, denn auch diese steht im Dienste der unentgeltlichen Begünstigung des Darlehensnehmers.362 Die Rückzahlung der Darlehenssumme ist hingegen keine gem. § 134 InsO anfechtbare Leistung, obwohl die Rückzahlungsverpflichtung einem unentgeltlichen Kausalverhältnis entstammt. Denn als anfechtbare Rechtshandlungen i.S.d. § 134 InsO kommen nur Leistungen in Betracht, die ein im Kausalverhältnis manifestiertes Schuldnerfehlverhalten abwickeln. In dem zinslosen Darlehen manifestiert sich jedoch allein ein Fehlverhalten des Darlehens-

§ 605 Nr. 1 BGB. Ausdrücklich angeordnet ist dieses Kündigungsrecht beim zinslosen Darlehen – im Gegensatz zu anderen unentgeltlichen Schuldverhältnissen – jedoch nicht. Zweifel an dem Kündigungsrecht weckt auch § 108 Abs. 2 InsO, der den Fortbestand von Darlehensverhältnissen in der Insolvenz des Darlehensgebers ausdrücklich anordnet und unentgeltliche Darlehen nicht ausnimmt. Da die Gesetzesbegründung nur entgeltliche Darlehensverträge erwähnt, lässt sich zwar vertreten, dass die Norm sich nicht auf unentgeltliche Darlehen bezieht (so Eckert, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 108 Rn. 211). In jedem Fall stellt die Qualifikation des zinslosen Darlehens als entgeltgemischtem Vertrag den Verwalter vor erhebliche Schwierigkeiten. Außerhalb der Insolvenz können die Gläubiger nur den Darlehensrückzahlungsanspruch pfänden. 361 Auf diesem Gedanken beruhen die Ausführungen von Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (124), der die funktionale Verwandtschaft der Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers mit der schenkungsrechtlichen Auflage (§ 525 BGB) betont. 362 So wohl auch Eckert, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 108 Rn. 211: Beim unentgeltlichen Darlehen liege „die Insolvenzanfechtung nach § 134 nahe.“; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 140: „Die Darlehensauszahlung ist deshalb eine unentgeltliche Leistung.“ A.A. OLG Rostock, Urt. v. 30.04.2007 – 3 U 162/06, NZI 2007, 468.

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gebers, nicht aber des Darlehensnehmers. Als entgeltneutraler Vorgang scheidet die Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung daher von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 134 InsO aus.363 cc) Sonderfälle der Erfüllungsleistung Bislang stand stets die Erfüllung einer durchsetzbaren, werthaltigen Verbindlichkeit im Fokus. Fraglich ist, ob sich an der Beurteilung der Erfüllungsleistung etwas ändert, wenn die erfüllte Forderung mit Makeln behaftet ist. Hat der Schuldner etwa im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz eine eigene Verbindlichkeit getilgt, so wird der Gläubiger voll befriedigt, während er im eröffneten Verfahren auf die Quote verwiesen wäre. Und erfüllt der Schuldner eine verjährte oder unvollkommene Verbindlichkeit, so erhält der Gläubiger eine Leistung, die er vom Schuldner nicht hätte einfordern können. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Erfüllungsleistung nicht doch eine neue, ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung darstellt, die eine selbstständige Entgeltbewertung ermöglicht. (1) Die Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit im Stadium der materiellen Insolvenz Erfüllt der Schuldner eine eigene Verbindlichkeit, so stellt sich für die Parteien auf Erfüllungsebene von vornherein nicht die Frage nach einem Entgelt, weil der Schuldner zu dieser Leistung bereits bindend verpflichtet ist. Daran ändert sich nichts, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Erfüllung bereits überschuldet oder zahlungsunfähig war. Denn auch in diesem Fall bleibt die Verpflichtung gegenüber jedem einzelnen Gläubiger, die Forderung voll zu erfüllen, uneingeschränkt bestehen. Die materielle Insolvenz stellt nicht die privatautonome Gestaltungsfreiheit des Schuldners wieder her. Er mag keine Möglichkeit mehr haben, alle Gläubiger zu befriedigen, und sich für die Bevorzugung eines bestimmten Gläubigers entscheiden. Er kann von diesem Gläubiger aber kein eigenständiges Entgegenkommen erwarten, nur weil die Aussicht besteht, dass er noch befriedigt wird und andere Gläubiger nicht.364 Darüber hinaus erfährt der Gläubiger durch die Befriedigungsleistung auch keine materielle Bereicherung: Er verliert eine Forderung, die es ihm bis zur

363 Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]. Ebenso i.E. auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24a in Fn. 141; Obermüller, Bankpraxis, 8. Aufl., Rn. 5.277. Für Entgeltlichkeit, da der Darlehensnehmer von einer entgeltlich begründeten Schuld befreit wird Heim, Schenkungsanfechtung, S. 140; Wittig, NZI 2005, S. 606 (607). 364 I.E. ähnlich Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 142.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Insolvenzeröffnung gestattet, von seinem Schuldner in voller Höhe des Forderungsbetrags befriedigt zu werden.365 Erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens büßt er das Recht auf volle Befriedigung aus der vorhandenen Masse ein. Davor schwankt der Wert der Gläubigerforderungen keineswegs mit der Anzahl der Gläubiger, sondern jeder Gläubiger hat einen Anspruch auf Befriedigung in voller Höhe und kann dieses Recht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgen. Die Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit im Stadium der materiellen Insolvenz ist somit keine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung, die zwischen dem Schuldner und seinem Gläubiger die Frage nach einem eigenständigen Entgelt aufwirft. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Existenz der §§ 130, 131 InsO: Würde ein Gläubiger, der im Stadium der materiellen Insolvenz noch befriedigt wurde, eine materielle Bereicherung erfahren, weil er nur noch Befriedigung in Höhe der Quote verlangen durfte, so wären die Tatbestände der Deckungsanfechtung überflüssig.366 Sobald feststünde, dass das Vermögen des Schuldners nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, wäre die volle Befriedigung eines Gläubigers – auch außerhalb des DreiMonats-Zeitraums – in Höhe des übersteigenden Betrags gem. § 134 InsO anfechtbar. Dass eine solche Auslegung der Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht entspricht, hat der Gesetzgeber bereits im Jahr 1877 gesehen. Er stellte fest: „Daß der Schuldner nicht mehr in der Lage war, zugleich seine anderen Schulden zu tilgen, macht die geschehene Erfüllung der einen Schuld noch nicht zur Schenkung. Der Gläubiger würde, wenn die Handlung des Schuldners unterblieben und er in der Folge dessen in den Konkurs gezogen wäre, seine Forderung vielleicht ganz, vielleicht theilweise verloren haben, – bereichert worden ist er durch die Handlung des Schuldners nicht.“367

Die Sondersituation der Befriedigung im Stadium der materiellen Insolvenz wird von den Tatbeständen der Deckungsanfechtung erfasst. Anfechtbar gem. § 134 InsO sind hingegen nur Erfüllungsleistungen, die in einen unentgeltlichen materiellen Zuwendungsvorgang eingebunden sind. Fehlt es daran, wird die Erfüllung auch nicht dadurch unentgeltlich, dass der Schuldner bereits materiell insolvent ist. (2) Die ‚Erfüllung’ einer Naturalobligation oder einer verjährten Forderung (a) Leistet der Schuldner bewusst auf eine verjährte Forderung oder eine sonstige unvollkommene Verbindlichkeit, so verwirklicht sich im Zeitpunkt seiner 365 Anders wohl Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 142 ff., wenn er meint, dass der vom insolventen Schuldner bevorzugte Gläubiger kein gleichwertiges Äquivalent für die Erfüllung aufwende, sodass er – hält man das Erlöschen des Anspruchs für erheblich – unentgeltlich erworben haben müsse. 366 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 130; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 32. 367 Motive KO, S. 123, abgedruckt bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 132. Im Anschluss daran auch BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 (139).

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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Leistung eine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO: Da der Gläubiger lediglich ein Anrecht auf die Leistung hat, das den Rechtsgrund für die Leistung bildet, aber nicht zwangsweise verwirklicht werden kann, ist die Leistung auf eine solche undurchsetzbare Forderung Ausdruck der privatautonomen Gestaltungsfreiheit des Schuldners. Er durfte frei wählen, der Leistungsbitte des Gläubigers nachzukommen oder nicht. Der Gläubiger erhält durch die ‚Erfüllungsleistung’ auch einen echten materiellen Vermögensvorteil, da lediglich die mit dem Anrecht verbundene Befugnis zum zwanglosen Einfordern der Leistung erlischt.368 Das Erlöschen dieser Befugnis zehrt den Wert der Zuwendung nicht in gleicher Weise auf wie der Verlust einer durchsetzbaren Forderung, die den Wert des angestrebten Leistungserfolgs bereits vorwegnimmt.369 Die bewusste ‚Erfüllung’ einer unvollkommenen Verbindlichkeit verkörpert somit eine materielle Zuwendung, bei der sich die Frage nach einem Entgelt stellt. Ob diese materielle Zuwendung entgeltlich oder unentgeltlich ist, hängt wie bei jeder anderen Leistung auf eine bloße Rechtsgrundabrede davon ab, ob diese eine ausgleichende Gegenleistung vorsieht oder nicht.370 Die Erfüllung einer verjährten Forderung oder einer Naturalobligation kann daher sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich sein. (b) Keine Besonderheiten ergeben sich hingegen bei der Erfüllung einer betagten Forderung vor Fälligkeit. Sie ist zwar im Zeitpunkt der vorfälligen Erfüllungsleistung noch nicht durchsetzbar, sodass der Schuldner sie in diesem Zeitpunkt freiwillig erfüllt.371 Allerdings hängt die Durchsetzbarkeit nur noch vom Zeitablauf ab. Die Bindung des Schuldners besteht bereits und er kann sich nicht mehr entscheiden, die Zuwendung zu erbringen oder nicht. Dies bestätigt auch der Blick auf § 41 Abs. 1 InsO, nach dem nicht fällige Forderungen in der Insolvenz als fällig gelten und vollwertig zur Tabelle angemeldet werden können. Die Gestaltungsfreiheit des Schuldners beschränkt sich darauf, die Forderung vorfällig oder zum Fälligkeitszeitpunkt zu erfüllen. Eine ausgleichsbedürftige Zuwendung kommt damit lediglich hinsichtlich des Zwischenzinses 368

Vgl. oben S. 245 ff. Nur aus diesem Grund kann auch das bewusste Verjährenlassen einer Forderung als materielle Vorteilsverschaffung i.S.d. § 134 InsO qualifiziert werden (dazu näher unten S. 283). Umgekehrt muss dann die Befriedigung einer nicht klagbaren Forderung ebenfalls als materielle Vorteilsverschaffung eingeordnet werden. 370 Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Entgeltlichkeit ist allerdings nicht der Zeitpunkt des Abschlusses der Kausalabrede, sondern der Leistungserbringung (dazu unten S. 297 f.). Daher kann sich die frühere Entgeltbewertung inzwischen verändert haben. Sind beide Forderungen aus der Kausalabrede verjährt, so steht der Schuldnerleistung nach der Kausalabsprache nur eine Naturalobligation des anderen Teils gegenüber. Die Leistung ist daher unentgeltlich, bis auch der andere Teil seine Leistung erbringt (auch dazu unten S. 349). 371 Betagte Forderungen sind entstanden und erfüllbar, können aber vom Schuldner nicht eingefordert oder zwangsweise durchgesetzt werden, vgl. Schulze, Naturalobligation, S. 476. 369

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

in Betracht.372 Dafür muss der Insolvenzverwalter allerdings nachweisen, dass der Schuldner in Bezug auf den Zwischenzins mit Zuwendungswillen und Zuwendungsbewusstsein handelte, und für den Empfänger muss erkennbar gewesen sein, dass der Schuldner ihn in Höhe des Zwischenzinses bewusst begünstigen wollte. dd) Ergebnis Erfüllungsleistungen des Schuldners sind keiner eigenständigen Entgeltbewertung zugänglich. Sie sind nur dann gem. § 134 InsO anfechtbar, wenn sie in einen unentgeltlichen materiellen Zuwendungsvorgang zwischen den Parteien eingebunden sind. Fehlt es daran, scheidet die Unentgeltlichkeitsanfechtung aus, weil der Gläubiger angesichts der Wirkungen des § 362 BGB keine eigenständige Bereicherung erfährt. Anders ist dies nur, wenn der Schuldner auf eine verjährte oder sonst unvollkommene Verbindlichkeit leistet: Dann vollzieht sich im Zeitpunkt des Leistungsvollzugs eine materielle Zuwendung. Ihr Entgeltcharakter hängt davon ab, ob zwischen den Parteien eine materielle Kausalbeziehung vorliegt, die ein ausgleichendes Entgelt vorsieht. c) Die Anfechtbarkeit von Leistungen zur Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit Zwischen die Verpflichtungsbegründung und die endgültige Abwicklung des Schuldverhältnisses durch Erfüllung kann die Bestellung einer Sicherheit treten. Der Schuldner räumt seinem Gläubiger ein durch den Sicherungsfall bedingtes Verwertungsrecht an einem Gegenstand aus seinem Vermögen ein.373 Bleibt die Erfüllungsleistung aus, kann der Gläubiger die Sicherheit verwerten und sich aus dem Verwertungserlös befriedigen.

372

Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 16; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 49; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 11; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24a; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G53; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 III, S. 145; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17. Vgl. auch RG, Urt. v. 10.01.1888 – III 191/87, JW 1988, 103 Nr. 22. Anders wohl Obermüller, Bankpraxis, 8. Aufl., Rn. 5.277, für den eine unentgeltliche Leistung bei vorzeitiger Erfüllung einer Darlehensrückzahlungspflicht generell nicht in Betracht kommt. 373 Bei dieser Form der Sicherheit handelt es sich um einen sog. Realkredit. Eine Forderung kann grundsätzlich auch durch einen Personalkredit in Form einer Bürgschaft, Garantie, Patronatserklärung oder einem Schuldbeitritt besichert werden (vgl. Prütting, Sachenrecht, 35. Aufl., Rn. 616). Da sich die Personalsicherheit durch die Begründung einer persönlichen Haftung für die Schuld auszeichnet, kommt die Besicherung einer eigenen Schuld nur als Realsicherheit in Betracht, weil der Schuldner seinem Gläubiger ohnehin schon mit seinem gesamten Vermögen persönlich haftet.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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Ihre besondere Bedeutung entfaltet die Sicherheit in der finanziellen Krise des Schuldners, denn sie verschafft dem gesicherten Gläubiger gegenüber konkurrierenden Gläubigern eine Vorrangstellung. Kommt es zum Sicherungsfall, hat die Befriedigung des vorrangig gesicherten Gläubigers Priorität vor der Befriedigung der übrigen Gläubiger. Dieser Vorzug bleibt selbst dann bestehen, wenn das Vermögen des Schuldners nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht: Der gesicherte Gläubiger wird als Absonderungsberechtigter (§§ 49 ff. InsO) bei der Erlösverteilung vorrangig berücksichtigt, § 170 Abs. 1 S. 2 InsO. Erst wenn seine Forderung voll befriedigt ist, können die übrigen Gläubiger an dem Verwertungserlös partizipieren. Sie haben somit ein erhebliches Interesse, die Vorrangstellung des gesicherten Gläubigers zu beseitigen. In der kritischen Zeit kurz vor Insolvenzantragsstellung tragen die §§ 130, 131 InsO diesem Interesse Rechnung. Liegt die Bestellung der Sicherheit hingegen mehr als drei Monate zurück oder wird kein Insolvenzverfahren eröffnet, stellen sich die übrigen Gläubiger die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Sicherheit als unentgeltliche Leistung gem. §§ 134 InsO, 4 AnfG anfechtbar ist.374 Die Meinungen hierzu gehen ebenso auseinander wie bei der Beurteilung von Erfüllungsleistungen. aa) Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur (1) Ein Teil der Literatur möchte die Bestellung einer Sicherheit für eine eigene Schuld einer eigenständigen Entgeltprüfung unterziehen.375 Der Entgeltcharak-

374 Im Vergleich zu §§ 133 Abs. 1 InsO, 3 AnfG ist die Unentgeltlichkeitsanfechtung vor allem mit Blick auf das Kostenrisiko von Vorteil: Die Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter können im Vorfeld schwer beurteilen, ob das Gericht aufgrund der vorzunehmenden Gesamtschau aller Beweisanzeichen zu einer vorsätzlichen Benachteiligung gelangen wird. In der Praxis spielt die Vorsatzanfechtung im Zusammenhang mit der Besicherung von Forderungen daher keine große Rolle, vgl. Wittig, NZI 2005, S. 606 (610). Die Unentgeltlichkeit ist leichter nachzuweisen (Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 3, § 32 I 4, S. 147). 375 LG Köln, Urt. v. 12.11.1957 – 3 O 255/56, NJW 1958, 1296 (1297); Bähr, JR 1972, S. 469; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 134; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 27; Ganter, WM 1998, S. 2081 (2084); ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankRHdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a; ders., WM 2006, S. 1081 (1084); Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123) [zum österreichischen Recht]; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 27 ff.; ders., in: FS Fuchs, S. 97 (102); Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Rn. 7; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 102; Mentzel/Kuhn, Konkursordnung, 7. Aufl., § 32 Anm. 5; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 15; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 II 1 d, S. 335 f. (zu § 812 Abs. 1 S. 2 BGB); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 93 ff.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5, S. 60; ders., Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 3, § 32 I 4, S. 148; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 76 I, S. 179.

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ter der Sicherheit soll sich nach dem Inhalt der Sicherungsabrede richten.376 Nur wenn diese ein ausgleichendes Entgegenkommen des Gläubigers vorsah, sei die Sicherheit entgeltlich. Wird die Verpflichtung, eine Sicherheit zu bestellen, allerdings zusammen oder im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem forderungsbegründenden Grundgeschäft vereinbart (sog. anfängliche Sicherheit), soll die Sicherheit am Äquivalenzverhältnis des Grundgeschäfts teilnehmen.377 Die Gegenleistung des Grundgeschäfts decke in diesem Fall auch die Bestellung der Sicherheit mit ab. Die anfängliche Sicherung ist demnach entgeltlich, wenn im Grundgeschäft ein ausgleichendes Entgelt vereinbart wurde,378 und unentgeltlich, wenn eine solche Gegenleistung im Grundgeschäft fehlt.379 Räumt der Schuldner dem Gläubiger hingegen nachträglich eine im Grundgeschäft noch nicht vorgesehene Sicherheit ein, muss der Gläubiger in der Sicherungsabrede ein eigenständiges Entgegenkommen gewähren, um der Sicherheit entgeltlichen Charakter zu verleihen. Als solches kommt beispielsweise die Gewährung einer Stundung, die Einräumung weiteren Kredits, die Zinsherabsetzung, die Verlängerung der Kündigungsfrist, die Herabsetzung der Forderung oder ein pactum de non petendo in Betracht.380 Sieht die Sicherungsabrede hingegen kein eigenständiges Entgegenkommen des Sicherungsnehmers vor, ist die nachträgliche 376 Die Bestellung der Sicherheit ist als Belastung eines bestehenden Rechts eine Verfügung. Ihr liegt die schuldrechtliche Sicherungsabrede zugrunde, die neben der Vereinbarung des Sicherungszwecks regelmäßig die Verpflichtung des Sicherungsgebers zur Bestellung der Sicherheit enthält (vgl. Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl., Rn. 154 f.). Die Bestellung der Sicherheit ist damit stets ein Erfüllungsgeschäft, das den entsprechenden Anspruch aus der Sicherungsabrede erlöschen lässt. Wie bereits gezeigt wurde, macht dies allein die Bestellung der Sicherheit aber noch nicht entgeltlich (so auch Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5, S. 59). Fraglich ist vielmehr, ob mit der Verpflichtungsbegründung in der Sicherungsabrede ein materieller Zuwendungsvorgang in Gang gesetzt wurde, der nun durch die Bestellung der Sicherheit abgewickelt wird. Für das Verhältnis von Sicherungsabrede und Bestellung der Sicherheit gelten also die für die Erfüllungsgeschäfte entwickelten Grundsätze. 377 Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 3 Anm. 52; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 29; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Anm. 7. 378 Kirchhof, in: FS Fuchs, S. 97 (102); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 95; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5, S. 59. Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a; ders, WM 2006, S. 1081 (1084) fordert weitergehend, dass Entgeltlichkeit nur vorliege, wenn der Sicherungsnehmer ohne Besicherung das Geschäft nicht abgeschlossen hätte. So lange sich aus dem Grundgeschäft nichts anderes ergibt, ist aber stets zu unterstellen, dass der Vertragspartner den Vertrag nur zu den vereinbarten Bedingungen abgeschlossen hätte. An einen Gegenbeweis wären hohe Anforderungen zu stellen. 379 Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 97; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5, S. 60. 380 Vgl. LG Köln, Urt. v. 12.11.1957 – 3 O 255/56, NJW 1958, 1296 (1297); Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 3 Anm. 52; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Rn. 7;

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Bestellung der Sicherheit unentgeltlich, auch wenn die gesicherte Forderung entgeltlich begründet wurde.381 (2) Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur lehnen eine eigenständige Entgeltbewertung bei der Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit hingegen ab. Die Anfechtbarkeit der Sicherheit soll sich vielmehr nach dem Entgeltcharakter des forderungsbegründenden Grundgeschäfts richten.382 Die Sicherung einer entgeltlichen Forderung ist dementsprechend stets entgeltlich.383 Ihren Gegenwert findet sie in der für die zu sichernde Schuld

Mentzel/Kuhn, Konkursordnung, 7. Aufl., § 32 Anm. 5; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 76 I, S. 178. In diese Richtung auch RG, Urt. v. 09.09.1905 – Rep. VI 49/05, RGZ 62, 38 (45). Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 28 und Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 95 halten auch das bloße „Stehenlassen“ einer gekündigten oder kündbaren Forderung für ein ausreichendes Entgegenkommen (zu dieser Frage unten S. 507 ff.). 381 Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a; Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 3 Anm. 52; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 102; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 15; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 76 I, S. 179. 382 BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NZI 2006, 524 (525) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 22.07.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623 f.; BGH, Urt. v. 11.12.1997 – IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267 (282) [zu § 10 Abs. 1 Nr. 3 GesO]; BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 137 (138 f.); OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.08.1996 – 12 U 123/95, WM 1997, 278 (282); Bork, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 72; ders., in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 15 Rn. 44; Ehricke, Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 57 f.; Gerhardt, in: FS Huber, S. 1230 (1242); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 4; Henkel, NZI 2006, S. 526; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 14; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 5; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 15; Wittig, NZI 2005, S. 606 (611); Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 220. Wohl auch Berger, ZIP 2010, S. 2078 ff.; Kayser, WM 2007, S. 1 (6 f.). Unentschieden noch BGH, Urt. v. 05.05.1976 – VIII ZR 281/74, WM 1976, 622 (623); BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (243 ff.). Aus dem allgemeinen Zivilrecht Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (130) [zur Unentgeltlichkeit im Erbrecht]; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 816 Rn. 29; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 98 f.; von Caemmerer, in: FS Lewald, S. 443 (455). Für Entgeltneutralität W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 38; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 158 ff.; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (271). 383 BGH, Urt. v. 06.12.2012 – IX ZR 105/12, NZI 2013, 81 (82) in Rn. 3; BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NZI 2006, 524 (525) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 22.07.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623 (624); BGH, Urt. v. 11.12.1997 – IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267 (282) [zu § 10 Abs. 1 Nr. 3 GesO]; BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 137 (138 f.); OLG Koblenz, Urt. v. 18.09.2003 – 5 U 520/03, WM 2004, 248 (250); OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.08.1996 – 12 U 123/95, WM 1997, 278 (282); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 50 f.; Ehricke, Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 58; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 47; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92; Henkel, NZI 2006, S. 526; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 57, 173; Huber,

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erbrachten Gegenleistung.384 Ein weiteres Zugeständnis in der Sicherungsabrede ist nicht erforderlich.385 Daran soll sich auch dann nichts ändern, wenn die Forderung im Zeitpunkt der nachträglichen Besicherung nur noch einen geringen oder gar keinen Wert mehr hatte.386 Wird hingegen eine eigene, unentgeltlich begründete Verbindlichkeit gesichert, greift die Unentgeltlichkeitsanfechtung stets durch, auch wenn der unentgeltlich begünstigte Gläubiger in der Sicherungsabrede ein eigenes Entgegenkommen für die Sicherheit gewährt.387 bb) Stellungnahme (1) Die Beurteilung von Sicherungsleistungen nach dem hier vertretenen Modell Damit die Sicherheitsleistung einer eigenständigen Entgeltbewertung zugänglich ist, müsste sie eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung darstellen, die zwischen den Parteien die Frage nach einem Entgelt aufwirft. (a) Die Bestellung einer Sicherheit ist grundsätzlich Ausdruck der privatautonomen Gestaltungsfreiheit des Schuldners. Entweder hat er sich im Grundgeschäft freiwillig zur Bestellung der Sicherheit verpflichtet, oder er über-

in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 14; ders., in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 18; Huth, Kreditsicherungsrecht, S. 61; Obermüller, Bankpraxis, 8. Aufl., Rn. 6.120; ders./Hess, InsO, 4. Aufl., Rn. 350; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 23; von Caemmerer, in: FS Lewald, S. 443 (454); Wittig, NZI 2005, S. 606 (611); Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 220. So auch schon, allerdings ohne Differenzierung zwischen der Sicherung einer entgeltlichen und einer unentgeltlichen Schuld: RG, Urt. v. 24.02.1882 – Rep. III 528/81, RGZ 6, 85 f.; RG, Urt. v. 08.06.1883 – Rep. II 121/83, RGZ 9, 100 (103); RG, Urt. v. 03.05.1892 – Rep. II 68/92, RGZ 29, 297 (300); RG, Urt. v. 25.11.1910 – VII 1/10, WarnR 1911, Nr. 78; RG, Urt. v. 04.07.1933 – VII 78/33, LZ 1933, Sp. 1135. Offengelassen BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (243 ff.); BGH, Urt. v. 05.05.1976 – VIII ZR 281/76, WM 1976, 622 (623). 384 So RG, Urt. v. 08.07.1880 – Rep. Va 228/79, RGZ 2, 258 (260 f.); Lenel, AcP 74 (1889), S. 213 (233); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 99. Vgl. auch RG, Urt. v. 04.07.1933 – VII 78/33, LZ 1933, Sp. 1135; RG, Urt. v. 08.06.1883 – Rep. II 121/83, RGZ 9, 100 (103); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 15 Rn. 44; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 816 Rn. 29; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5, S. 59. 385 BGH, Urt. v. 22.07.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623 (624); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 4. So auch schon RG, Urt. v. 04.07.1933 – VII 78/33, LZ 1933, Sp. 1135. 386 BGH, Urt. v. 22.07.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623 (624); Obermüller, Bankpraxis, 8. Aufl., Rn. 6.120. 387 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 50; Ehricke, Konzernunternehmen in der Insolvenz, S. 58; Gruber, DZWiR 2004, S. 474 (475); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 4; Kamlah, Anfechtung, S. 88; Krawielicki, JherJb 81 (1931), S. 257 (272); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 99; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 23; von Caemmerer, in: FS Lewald, S. 443 (457); Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 220.

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nimmt diese Verpflichtung nachträglich freiwillig gegenüber dem Sicherungsnehmer. Jedenfalls folgt aus der Leistungsverpflichtung nicht automatisch die Pflicht zur Sicherung der Forderung.388 Der Anspruch auf Besicherung ist nicht im Erfüllungsanspruch enthalten, sondern tritt selbstständig neben diesen – er ist ihm gegenüber kein Minus, sondern ein Aliud.389 Anders als die Erfüllung kann der Gläubiger die Bestellung der Sicherheit daher nicht auf Grundlage des Erfüllungsanspruchs erzwingen, sondern er ist dafür auf eine zusätzliche, freie Entschließung des Schuldners angewiesen.390 (b) Ebenso steht außer Frage, dass die Gewährung der Sicherheit dem Sicherungsnehmer einen wirtschaftlichen Vorteil bringt.391 Der Gläubiger erhält dasjenige, was er zu fordern berechtigt ist, sicherer.392 Er erwirbt zu dem bereits vorhandenen Forderungsrecht ein Verwertungsrecht an dem Sicherungsgegenstand hinzu.393 Die Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs wird durch die Sicherheit einen Schritt weiter vorangetrieben. Allerdings löst nicht jede Verschaffung irgendeines wirtschaftlichen Vorteils eine ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung aus. Der Vorteil muss vielmehr von solchem Gewicht sein, dass dem Schuldner der Verzicht auf eine ausgleichende Gegenleistung zum Vorwurf gemacht werden kann.394 Anders als bei der Erfüllung wird der durch die Sicherheit verschaffte Vorteil zwar nicht umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße aufgezehrt: Die Sicherheit ist kein Erfüllungssurrogat; die Forderung auf die geschuldete Leistung bleibt neben dem Sicherungsrecht bestehen. Daher gewinnt der Sicherungsnehmer zunächst nur, ohne im Ausgleich die Forderung zu verlieren.395

388

von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 76 I, S. 179. So die Argumentation der Gegenansicht, vgl. LG Köln, Urt. v. 12.11.1957 – 3 O 255/56, NJW 1958, 1296 (1297); Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 134; Ganter, WM 2006, S. 1081 (1084); ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a; Gschnitzer, JBl. 1935, S. 122 (123). 390 Vgl. Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 102. 391 So auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 153; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (130) [zu § 2113 Abs. 2 BGB]; Lenel, AcP 74 (1889), S. 213 (233); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 98. 392 So auch Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5, S. 60. 393 Auf diesen Vermögenszuwachs stützt sich die Argumentation der Gegenansicht, vgl. Berger, ZIP 2010, S. 2078 (2079); Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 29. In diese Richtung auch LG Köln, Urt. v. 12.11.1957 – 3 O 255/56, NJW 1958, 1296 (1297); Bähr, JR 1972, S. 469. 394 Vgl. zu den Anforderungen an den Vorteil auf Empfängerseite oben S. 189 ff. 395 So das Argument der Gegenansicht, vgl. Bähr, JR 1972, S. 469; Ganter, WM 1998, S. 2081 (2084); ders., WM 2006, S. 1081 (1084); ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a; Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 3 Anm. 52; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 76 I, S. 179. 389

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Die Frage ist jedoch, ob der Wert, den der Sicherungsnehmer durch die Bestellung der Sicherheit gewinnt, überhaupt die Qualität eines ausgleichsbedürftigen materiellen Vermögensvorteils aufweist. Ein solcher liegt nämlich nicht schon vor, wenn der Schuldner dem Begünstigten eine bereits bestehende Rechtsposition lediglich einfacher, schneller oder sicherer verschafft.396 Es mag zwar denkbar sein, dass einige Parteien für einen solchen wirtschaftlichen Vorteil ein Entgegenkommen des Gläubigers vereinbaren. Dies allein rechtfertigt jedoch noch nicht den Vorwurf gegenüber dem Schuldner, er habe unter Vernachlässigung der Interessen seiner übrigen Gläubiger auf die Anforderung eines Entgelts verzichtet.397 Anders als bei der Erfüllungsleistung geht der Sicherungsgegenstand bei der Bestellung der Sicherheit noch nicht endgültig in das Vermögen des Sicherungsnehmers über. Das Verwertungsrecht ist durch den Eintritt des Sicherungsfalls aufschiebend bedingt. Tritt der Sicherungsfall nie ein, fällt die Sicherheit ungenutzt wieder an den Schuldner zurück. Nur bei Bedingungseintritt kommt der Sicherungsgegenstand dem Gläubiger materiell zugute: Er darf den Verwertungserlös nun endgültig in sein Vermögen überführen. Diese Verwertung erfolgt aber nicht mehr kompensationslos: Der Sicherungsnehmer darf aus dem Sicherungsgegenstand lediglich Befriedigung suchen, d.h. er darf sich ihren Wert nur einverleiben, wenn er im Gegenzug seine Forderung aufgibt. Die Sicherheit ist also darauf gerichtet, dem Gläubiger im Fall ihrer Verwirklichung genau dasjenige zu gewähren, was er aufgrund seiner Forderung ohnehin aus dem Schuldnervermögen verlangen durfte.398 Ihm werden keine neuen Zugriffsmöglichkeiten eröffnet, sondern sein Zugriff auf das haftende Schuldnervermögen wird abgesichert. Einen über die Befriedigung der Forderung hinausgehenden materiellen Vermögensvorteil erhält der Sicherungsnehmer daher nicht. Umgekehrt erleidet das Vermögen des Schuldners keine doppelte Belas-

396

Siehe oben S. 199. Vgl. dazu oben S. 199 f. Ebenso auch von Caemmerer, in: FS Lewald, S. 443 (456): „Daß solche Gegenleistungen des Gläubigers denkbar sind, darf nicht zu der Annahme verleiten, die Sicherheitsleistung sei mangels einer solchen unentgeltlich.“ 398 Vgl. anschaulich Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 98: Entscheidend sei der „Endzweck, dem die Sicherungsmaßnahme dienen soll; sie will dem Empfänger im Endergebnis nur das verschaffen, auf was er auch ohnedies einen Anspruch hat.“ Ebenfalls BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 137 (139); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 4; Holzer, EWiR 2005, S. 29 (30); Kamlah, Anfechtung, S. 88. So auch schon RG, Urt. v. 24.02.1882 – Rep. III 528/81, RGZ 6, 85; RG, Urt. v. 25.11.1910 – VII 1/10, WarnR 1911, Nr. 78; Krawielicki, Gruchot 71 (1931), S. 113 (130 [zu § 2113 Abs. 2 BGB]; Savigny, System, Bd. 4, § 149, S. 55. Insoweit auch Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5, S. 60. 397

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tung, denn auch mit der Sicherheit darf der Gläubiger nur diejenige Befriedigung verlangen, die er aufgrund seiner Forderung ohnehin schon vom Schuldner beanspruchen darf.399 (c) An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn der Gläubiger die Sicherheit erst in der Insolvenz des Schuldners verwirklicht.400 Er erhält nun zwar volle Befriedigung, während er ohne die Sicherheit auf die Quote verwiesen wäre. Schon im Rahmen der Erfüllungsleistungen wurde jedoch deutlich, dass der Gläubiger auch bei Vermögensunzulänglichkeit des Schuldners seinen Anspruch auf volle Befriedigung aus dem Schuldnervermögen grundsätzlich behält.401 Mit der vollen Befriedigung aus dem Schuldnervermögen erhält der Absonderungsberechtigte damit genau das, was er zu beanspruchen hatte. Die ungesicherten Gläubiger können ihren Anspruch auf volle Befriedigung mit der Insolvenzeröffnung zwar nicht mehr verwirklichen. Allein die Tatsache, dass andere Gläubiger existieren, die nicht mehr vollumfänglich aus dem Schuldnervermögen befriedigt werden können, führt jedoch nicht dazu, dass derjenige, der tatsächlich voll befriedigt wird, nun eine eigenständige materielle Zuwendung erfährt. Das ‚Weniger’ der ausgefallenen Gläubiger wird nicht zu einem materiellen ‚Mehr’ bei dem befriedigten Gläubiger. Die Vermögensunzulänglichkeit des Schuldners führt somit nicht dazu, dass das Sicherungsrecht dem gesicherten Gläubiger eine eigenständige materielle Bereicherung verschafft.402 (d) Die Gewährung einer Sicherheit für eine eigene Schuld ist damit keine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO, die zwischen den Parteien die Frage nach einem Entgelt aufwirft. Der Vorteil, den die Sicherheit dem Gläubiger verschafft, ist lediglich eine Vorrangstellung im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern. Dieser Vorteil erreicht nicht die Qualität eines ausgleichbedürftigen Vermögensvorteils, der den Vorwurf gegenüber dem Schuldner rechtfertigt, von dem Begünstigten keine Gegenleistung gefordert zu haben. Dies sah der Gesetzgeber in den Materialien zur Konkursordnung genauso. Er fasste die freiwillig erteilte Sicherheit nicht unter den Tatbestand des § 25 KO a.F., denn der Gläubiger werde durch die Sicherheit „vielleicht vor dem Verlust seiner Forderung geschützt, er erhält aber dadurch, wenn auch sicherer, immer nur dasjenige, was er bereits zu fordern hatte.“ Daher fehle „das zur Schenkung nothwendige Requisit des unentgeltlichen Hingebens und Empfangens, der

399 400

Vgl. RG, Urt. v. 09.09.1905 – Rep. VI 49/05, RGZ 62, 38 (45). So aber wohl Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 2, § 18 I 5,

S. 60. 401

Siehe oben S. 253 f. So auch schon Savigny, System, Bd. 4, § 149, S. 55 mit Anm. (e); von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 76 I, S. 180 in Fn. 38. I.E. ähnlich auch Gruber, DZWiR 2004, S. 474 (475). 402

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Verminderung des einen, der Bereicherung des anderen Vermögens.“403 Eine eigenständige Entgeltbewertung der Sicherheit scheidet daher mangels materieller Zuwendung aus.404 (e) Ebenso wie die Verpflichtungsbegründung und die Erfüllungsleistung ist die Bestellung der Sicherheit allerdings ein unselbstständiger Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs.405 Verkörpert dieser materielle Zuwendungserfolg ein Schuldnerfehlverhalten i.S.d. § 134 InsO, so wird dieses Fehlverhalten durch den Erwerb der Sicherheit weiter verstärkt. Die Bestellung der Sicherheit ist daher als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar, wenn sie auf einer vom Schuldner in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit begründeten Forderung aufbaut, die auf die unentgeltliche Zuwendung eines materiellen Vermögensvorteils gerichtet ist. Das in der gesamten materiellen Zuwendung zum Ausdruck kommende Schuldnerfehlverhalten schlägt auf die Sicherheit durch. Besichert der Schuldner hingegen eine Forderung, deren Zuwendungserfolg er nicht privatautonom in Gang gesetzt hat – z.B. eine gesetzliche Verbindlichkeit – oder die Teil eines ausgeglichenen Leistungsaustauschs ist, so scheidet die Anfechtung aus. (f) Auf den Entgeltcharakter des der Forderung zugrunde liegenden Grundgeschäfts hat die nachträgliche Bestellung der Sicherheit insofern Auswirkungen, als das Ausfallrisiko des Schuldners zum Gegenstand der vertraglichen Abrede gemacht wurde.406 Gewährt eine Bank dem Schuldner einen Kredit, so bemisst sich die Höhe des Zinses in erster Linie nach dessen Ausfallrisiko. Ist die Bank umfassend gesichert, wird sie dem Schuldner den Kredit zu besseren Konditionen gewähren als einem Schuldner, der keine Sicherheiten beibringen kann. Durch die nachträgliche Bestellung einer Sicherheit wird nun das Äquivalenzverhältnis der vertraglichen Leistungen verändert, weil das Ausfallrisiko zugunsten der Bank gemindert wird. Es ist also möglich, dass die nachträgliche Bestellung der Sicherheit dazu führt, dass nun der gesamte Kreditvertrag grob unausgeglichen und damit teilweise unentgeltlich ist.407 Für die Bewertung des 403 Motive KO, S. 123, abgedruckt bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 132. Wie sich gezeigt hat, ist diese Auffassung auch keineswegs überholt (so aber Bähr, JR 1972, S. 469; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 29). 404 Vgl. W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 38; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 156. 405 Vgl. RG, Urt. v. 04.07.1933 – VII 78/33, LZ 1933, Sp. 1135 f.; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 72; Gerhardt, EWiR 1990, S. 919 (920); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 98: Die Sicherheit stehe „im Dienste der bestimmungsmäßigen Abwickelung des Schuldverhältnisses, dem die gesicherte Forderung entstammt.“ 406 Vgl. auch Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 816 Rn. 29: Die Bestellung einer Sicherheit sei nicht “Gegenleistung“ der Kreditgewährung, sondern eine Vertragsmodalität; ebenso W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 37; von Caemmerer, in: FS Lewald, S. 443 (449). 407 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 160 f.

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Äquivalenzverhältnisses ist allerdings in erster Linie die Parteiauffassung ausschlaggebend.408 Kann ausnahmsweise festgestellt werden, dass der Schuldner den Kreditgeber einseitig begünstigen wollte, indem er ihm einen infolge der nachträglichen Sicherheit vollkommen überzogenen Kreditzins zahlt, so könnte die Zahlung des überhöhten Zinses – nicht jedoch die Bestellung der Sicherheit! – als unentgeltliche Leistung angefochten werden. In der Praxis wird dieser Fall jedoch niemals vorkommen. (2) Weitere Argumente gegen eine selbstständige Entgeltbewertung der Sicherheitsleistung Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf die Rechtsfolgen der eigenständigen Entgeltbewertung der Sicherungsleistung bestätigt. (a) Die konsequente Anwendung der Gegenansicht führt dazu, dass die nachträgliche Besicherung einer Schenkungsforderung als entgeltlich qualifiziert werden müsste, wenn der Beschenkte in der Sicherungsabrede ein Entgegenkommen – etwa in Form einer Stundung – gewährt. Der Beschenkte, der im Insolvenzverfahren eigentlich gem. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO nachrangig zu befriedigen wäre, würde damit anfechtungsfest die Stellung eines vorrangig zu befriedigenden, absonderungsberechtigten Gläubigers erhalten.409 Er stünde besser als ein Schenkungsgläubiger, der in den letzten vier Jahren unmittelbar befriedigt worden ist, denn diese Befriedigung ist als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar und der Gläubiger könnte die gem. § 144 Abs. 1 InsO aufgelebte Forderung nur nachrangig zur Tabelle anmelden. Anders als Ganter410 scheut Kirchhof als prominentester Vertreter der Gegenansicht diese Konsequenz: Die Sicherung einer unentgeltlich begründeten Forderung soll stets unentgeltlich sein, unabhängig vom Inhalt der Sicherungsabrede.411 Diese Korrektur zeigt jedoch, dass Befriedigung und Sicherung eben nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Ist die Erfüllung der Forderung anfechtbar, so kann nichts anderes für die Sicherung als Vorstufe der Erfüllung gelten.412 Auch die Gegenansicht muss letztlich auf den Entgeltcharakter der gesicherten Forderung abstellen, um angemessene Ergebnisse zu erreichen.

408

Dazu ausführlich unten S. 358 ff. Dazu, dass die Absonderungsberechtigung Vorrang vor dem Nachrang der Forderung gem. § 39 InsO hat, vgl. nur Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (278); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 39 Rn. 41. 410 Ganter, WM 2006, S. 1081 (1084); ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankRHdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a: Ist die zu sichernde Forderung unentgeltlich begründet worden, sei meist auch der Sicherungsvertrag unentgeltlich; zwingend sei das aber nicht. 411 Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 27; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. 3, § 32 I 4, S. 148. 412 BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (244 f.). 409

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(b) Die Wertungswidersprüche werden auch bei der Einordnung von Leistungen erfüllungshalber deutlich. Sie werden von der Gegenansicht nach den für Erfüllungsleistungen geltenden Grundsätzen bewertet: Der Entgeltcharakter der erfüllten Forderung entscheidet über die Anfechtbarkeit.413 Wirtschaftlich gesehen gleicht die Leistung erfüllungshalber jedoch weitgehend der Sicherheit. Sie gewährt dem Gläubiger – bei Weiterbestehen der bisherigen Forderung – eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit.414 Anders als bei der Sicherheit ist mit ihr zwar die Pflicht des Gläubigers verbunden, sich primär aus dem erfüllungshalber hingegebenen Gegenstand zu befriedigen. Dieser rein graduelle Unterschied macht aber deutlich, dass es nicht sinnvoll ist, zwischen den verschiedenen Vorstufen der Erfüllung zu differenzieren. Sowohl die Leistung erfüllungshalber als auch die Leistung sicherungshalber stellen Schritte auf dem Weg zur Erfüllung dar und sollten anfechtungsrechtlich gleich bewertet werden. (c) Zudem läuft die Subsumtion der kompensationslosen Besicherung entgeltlicher Forderungen unter den Tatbestand des § 134 InsO Gefahr, die differenzierten Anforderungen der §§ 130, 131 InsO zu unterlaufen.415 Denn insbesondere im Stadium der materiellen Insolvenz müssten an die ausgleichende Gegenleistung hohe Anforderungen gestellt werden: Eine Stundung für wenige Wochen wird schwerlich den Erwerb eines Absonderungsrechts voll aufwiegen können.416 Die nachträgliche Sicherung einer eigenen Schuld wäre damit meist gem. § 134 InsO anfechtbar, ohne dass es auf die Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO ankäme. Um diese Konsequenz zu vermeiden, gehen einige Vertreter der Gegenansicht davon aus, die tatbestandlich eigentlich einschlägige Unentgeltlichkeitsanfechtung werde bei der Besicherung einer eigenen Schuld durch die §§ 130, 131 InsO als leges speciales verdrängt.417 Dies gelte auch außerhalb des DreiMonats-Zeitraums der Deckungsanfechtung sowie außerhalb der Insolvenz, da

413 Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 26: „Wurde die Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners durch einen entgeltlichen Vertrag rechtswirksam begründet, so ist zugleich deren Erfüllung entgeltlich. Das gilt auch für Leistungen, die der Art nach inkongruent sind – z.B. Leistungen erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt.“ 414 Fetzer, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 364 Rn. 11. 415 BGH, Urt. v. 22.07.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623 (624); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 50 f.; Gruber, DZWiR 2004, S. 474 (475); Obermüller, Bankpraxis, 8. Aufl., Rn. 6.120. So auch schon RG, Urt. v. 24.02.1882 – Rep. III 528/81, RGZ 6, 85 (86); Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Anm. 7. 416 Vgl. auch BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (244). 417 Bähr, JR 1972, S. 469; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Anm. 7; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 102 in Fn. 8; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 76 I, S. 180; hilfsweise auch BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (245). Die herrschende Meinung kann die Konkurrenzfrage offenlassen, vgl. BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 137 (139).

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für § 4 AnfG nichts anderes gelten dürfe als für § 134 InsO.418 Überzeugen kann diese Lösung auf Konkurrenzebene jedoch nicht: Die Tatbestände der Deckungsanfechtung beruhen auf ganz anderen Wertungsgrundlagen als die Unentgeltlichkeitsanfechtung.419 Sie stehen daher in freier Konkurrenz zur Anfechtung gem. § 134 InsO.420 Außerhalb der Insolvenz ist der Anwendungsbereich der Deckungsanfechtung gar nicht erst eröffnet und kann die tatbestandlich gegebene Unentgeltlichkeitsanfechtung schon aus diesem Grund nicht als lex specialis verdrängen. Die Korrekturbemühungen auf Konkurrenzebene zeigen, dass die tatbestandlichen Grenzen des § 134 InsO falsch gezogen werden, wenn sie auch die kompensationslose Bestellung einer Sicherheit für eine eigene Schuld erfassen. (d) Schließlich begegnen die Schlussfolgerungen der Gegenansicht auch teleologischen Bedenken. Der mit der Sicherheit verschaffte Vorteil des Sicherungsnehmers liegt ausschließlich in der Vorrangstellung gegenüber den übrigen Gläubigern des Schuldners. Der Erwerb einer solchen Vorrangstellung ist jedoch außerhalb der Insolvenz völlig unverdächtig. Jeder Gläubiger hat die rechtlich anerkannte Befugnis, gegen den Verlust seiner Forderung Vorkehrungen zu treffen und sich gegenüber anderen Gläubigern eine bevorzugte Stellung zu verschaffen. In diesem Bestreben ist er geschützt. Wenn die Gegenansicht das Ergebnis der herrschenden Meinung mit dem Argument kritisiert, es führe dazu, dass der ‚stärkste und schnellste’ Gläubiger gewinnt,421 beschreibt sie nichts anderes als das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip. Dieses gilt jedoch bis zur Insolvenzeröffnung uneingeschränkt; der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung wird lediglich in den engen Grenzen der §§ 130, 131 InsO auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung ausgedehnt.422 Davor besteht keine Pflicht der Gläubiger zur wechselseitigen Rücksichtnahme.423

418

Bähr, JR 1972, S. 469; Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 3 Anm. 52. So auch Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G6. Vgl. zu den unterschiedlichen Wertungsgrundlagen oben S. 88 ff. 420 So auch Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 13; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 6, 7; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134, Rn. 3, 4; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 3; Kirchhof, , in: MüKo, InsO, 3. Aufl., Vorbem. vor §§ 129 bis 147, Rn. 94; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G6; Thole, Gläubigerschutz, S. 314 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 206 f. 421 So Pape, WuB VI A. § 134 InsO, 1.05. 422 Vgl. dazu oben S. 86 ff. 423 BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 (440) in Rn. 10. 419

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Erklärt man den Erwerb der Sicherheit ohne eigenes Zugeständnis nun gem. § 134 InsO für anfechtbar, so stellt man dieses Grundprinzip des Vollstreckungsrechts in Frage.424 Denn das Prioritätsprinzip würde nicht mehr uneingeschränkt gelten, sondern seine Geltung bedürfte einer besonderen Rechtfertigung: Nicht der aufmerksame, sondern nur derjenige Gläubiger, der eine Gegenleistung für die Sicherheit erbringt, dürfte die Vorrangstellung behalten. Damit würde der Schutzzweck des § 134 InsO überdehnt.425 Die Unentgeltlichkeitsanfechtung darf nicht dazu dienen, das Prioritätsprinzip außerhalb der Insolvenz generell in Frage zu stellen. Dies zeigt sich deutlich an diesem Beispiel zur Anfechtung außerhalb der Insolvenz: Bsp.: S hat von G1 ein Darlehen i.H.v. 10.000 Euro erhalten. Als S seine Arbeit verliert, verlangt G1 zur Absicherung des Darlehens die Bestellung einer Grundschuld an dem Grundstück des S (Wert: 50.000 Euro). Die wirtschaftliche Situation des S verschlechtert sich. Sein Gläubiger G2, dem S noch 50.000 Euro schuldet, erwirbt einen Titel gegen S. Als G2 daraufhin die Zwangsversteigerung des Grundstücks anordnen lässt, bemerkt er die vorrangige Grundschuld des G1. Ihn ärgert, dass er deshalb nur teilweise Befriedigung für seine Forderung erhält. Er möchte die Bestellung der Grundschuld daher gem. § 4 AnfG anfechten. Folgt man der Argumentation der Gegenansicht, müsste die Anfechtung des G2 Erfolg haben: Die Sicherheit war im Darlehensvertrag nicht vorgesehen und die Sicherungsabrede enthielt auch kein Zugeständnis des G1. Das Darlehen wurde weder gestundet noch wurde eine andere Vergünstigung gewährt. G1 wollte sich mit der Grundschuld lediglich frühzeitig gegen einen Ausfall seiner Forderung absichern. Außerhalb der Insolvenz gilt der Prioritätsgrundsatz, der den umsichtigen Gläubiger bevorzugt. Mit welchem Recht sollte G2 nun die Sicherheit des G1 anfechten dürfen, der sich frühzeitig um die Absicherung seiner Forderung bemüht hat?

In Ausnahmefällen mag die Bestellung der Sicherheit gem. §§ 133 Abs. 1 InsO, 3 AnfG anfechtbar sein, wenn der Vorsatz zur Benachteiligung der übrigen Gläubiger nachgewiesen werden kann. Eine Anfechtung als unentgeltliche Leistung allein mit der Begründung, der gesicherte Gläubiger habe kein Entgelt für die Sicherheit erbracht, scheidet hingegen aus, denn der Gläubiger hat in zulässiger Weise seine Rechtsposition geschützt. Die herrschende Meinung erzeugt daher auch keine „Rechtsschutzlücken“,426 weil die Gläubiger vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – vornehmlich der §§ 130, 131 InsO – in ihrem Interesse auf Beseitigung der Vorrangstellung konkurrierender Gläubiger nicht schutzwürdig sind.

424 Vgl. auch BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 in Rn. 10 und Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 4, die meinen, die Gegenansicht würde den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung vier Jahre lang ausdehnen. 425 So auch Kayser, WM 2007, S. 1 (7). 426 So aber Ganter, WM 2006, S. 1081 (1084); Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 29.

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cc) Ergebnis Die Bestellung einer Sicherheit für eigene, unentgeltlich begründete Forderung ist selbstständig als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar. Das in der Forderungsbegründung zum Ausdruck gekommene Schuldnerfehlverhalten wird durch die Bestellung der Sicherheit weiter vertieft. Die Sicherheitsleistung für eine eigene, entgeltlich begründete Forderung fällt dagegen nicht unter § 134 InsO, unabhängig davon, ob der Gläubiger für die Sicherheit ein eigenständiges Entgegenkommen gewährt oder nicht.427 Dem Gläubigerschutz wird über die Anfechtung gem. §§ 130, 131, 133 Abs. 1 InsO ausreichend Rechnung getragen.428 Liegen die Voraussetzungen dieser Anfechtungstatbestände nicht vor, müssen die übrigen Gläubiger die Vorrangstellung des gesicherten Gläubigers akzeptieren. Ihnen stand die Möglichkeit offen, sich ebenfalls ein Vorzugsrecht einräumen zu lassen. Haben sie dies versäumt, müssen sie hinter dem Gläubiger, der gegen den Ausfall vorgesorgt hat, zurückstehen. 3. Notwendige Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene? Begründet der Schuldner in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht eine auf eine unentgeltliche materielle Zuwendung gerichtete Forderung, so können seine Gläubiger die nachfolgende Sicherung oder Befriedigung als selbstständige unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechten. Fraglich ist jedoch, ob dies auch dann gilt, wenn der Schuldner an der Sicherung oder Befriedigung selbst gar nicht mehr beteiligt ist. Der Gläubiger erhält nämlich bereits mit dem Erwerb der Forderung die Möglichkeit, den Zuwendungserfolg notfalls auch zwangsweise durchzusetzen: Er kann die Forderung

427 Dieselben Grundsätze gelten auch für das abstrakte Anerkenntnis einer bestehenden Schuld. Es ist wie die Besicherung einer eigenen Schuld zu behandeln (Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 4; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 30). Anfechtbar ist es daher nur, wenn die anerkannte Verbindlichkeit vom Schuldner unentgeltlich begründet wurde; ist sie hingegen entgeltlich begründet worden, scheidet die Anfechtung gem. § 134 InsO aus, vgl. BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NJW-RR 2010, 1428 (1429) in Rn. 10; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 4; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 23; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15. Nach der Gegenansicht hingegen muss der Gläubiger ein eigenständiges Zugeständnis für das abstrakte Schuldanerkenntnis gewähren, um es der Unentgeltlichkeitsanfechtung zu entziehen (so Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 30). Die Anfechtung erstreckt sich dann allerdings nur auf die Vorteile, die der Gläubiger durch die Verstärkung der kausalen zu einer abstrakten Verbindlichkeit, gegebenenfalls auch durch die erleichterte Vollstreckbarkeit gem. §§ 592 ff., 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO erhält, denn nur insoweit werden die übrigen Gläubiger des Schuldners benachteiligt, vgl. Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 30. 428 BGH, Urt. v. 22.07.2004 – IX ZR 183/03, NZI 2004, 623 (624); BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 137 (139); Obermüller, Bankpraxis, 8. Aufl., Rn. 6120.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Aufrechnung sichern und befriedigen, ohne dass der Schuldner daran aktiv beteiligt sein müsste. Da § 134 InsO jedoch seinem Wortlaut nach eine ‚Leistung des Schuldners’ fordert, ist zu untersuchen, ob die Anfechtung notwendig voraussetzt, dass der Schuldner die Sicherung oder Befriedigung selbst gewährt, oder ob seine Beteiligung auf Vollzugsebene entbehrlich ist. Diese Frage stellt sich in gleicher Weise im Rahmen des § 133 InsO, der ebenfalls an eine Rechtshandlung des Schuldners anknüpft. Der Meinungsstand hierzu kann daher übertragen werden. a) Meinungsstand zur Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Rahmen des § 134 InsO Die herrschende Meinung im Anfechtungsrecht hält angesichts des Wortlauts des § 134 InsO eine aktive Beteiligung des Schuldners auf Leistungsebene für unentbehrlich.429 Er muss in irgendeiner Weise selbstbestimmt an dem Leistungserfolg mitgewirkt haben.430 An die Mitwirkungshandlung werden allerdings geringe Anforderungen gestellt: So soll das Auffüllen des später vom Gerichtsvollzieher gepfändeten Kassenbestands oder die Hinnahme der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume ohne richterliche Durchsuchungsanordnung ausreichen.431 Erhält der Gläubiger allerdings eine Sicherung oder Befriedigung, ohne dass der Schuldner in irgendeiner Weise selbstbestimmt zu diesem Erfolg beigetragen hat, scheidet die Anfechtung mangels Leistung des Schuldners aus.432 Unangemessene Ergebnisse sollen dadurch verhindert wer429 So die ganz h.M., vgl. nur Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 33; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 16; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 17; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 11; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 36. Ebenso für § 133 Abs. 1 InsO: BGH, Urt. v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (147 ff.); Bork, ZIP 2004, S. 1684 (1686); de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 133 Rn. 6; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 133 Rn. 8; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.79; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 133 Rn. 5; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 48 Rn. 5; Kayser, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn. 9 ff.; Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 64 ff.; Marotzke, ZZP 105 (1992), S. 451 (452). A.A. (zu § 134 InsO) nur Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6. 430 Vgl. (vor allem in Zusammenhang mit der Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung) Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 34; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 16; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7, 11; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 6; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G19a, G24. 431 Beide Beispiele aus BGH, Urt. v. 03.02.2011 – IX ZR 213/09, NJW-RR 2011, 783 (784 f.) in Rn. 9 und 11 [zu § 133 InsO]. Vgl. auch die zahlreichen Beispiele bei Kayser, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn. 9a ff. 432 Daher gegen die Anfechtbarkeit der Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung gem. § 134 InsO (jedenfalls wenn der Schuldner nicht mitgewirkt hat) Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 34; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 16;

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den, dass die Gläubiger die zugrunde liegende Forderung anfechten und so dem Leistungsvollzug die Grundlage entziehen können.433 An dem Mitwirkungserfordernis des Schuldners auf Leistungsebene entzündet sich in der Literatur vor allem im Zusammenhang mit der Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung Kritik. Die geminderte Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Empfängers ändert sich schließlich nicht, nur weil der unentgeltliche Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung und nicht durch eine freiwillige Handlung des Schuldners erfolgt.434 Auch für die Masse macht es wirtschaftlich keinen Unterschied, ob der Schuldner freiwillig leistet oder die Leistung zwangsweise beigetrieben wird.435 Hinzu kommt, dass Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung im allgemeinen Zivilrecht den rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Schuldners an vielen Stellen gleichgestellt werden, vgl. §§ 135 Abs. 1 S. 2, 161 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Insolvenzordnung sieht dies ebenfalls für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung vor, indem sie die Verfügungsbeschränkungen der §§ 80 Abs. 1, 81 Abs. 1 S. 1 InsO durch das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO ergänzt.436 In der ZPO kommt derselbe Rechtsgedanke in der Gleichstellung von Pfändungspfandrecht und rechtsgeschäftlichem Pfandrecht in § 804 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck.437 Dann aber sei es nur folgerichtig, auch im Anfechtungsrecht Schuldnerleistung und Vollstreckungshandlung gleich zu behandeln.438 Dafür spreche auch § 141 Alt. 2 InsO, der die Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7, 11; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 5; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G19a; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 7; Thole, Gläubigerschutz, S. 441; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 173; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7. Zu § 32 KO a.F.: Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 19. Aufl., § 51 III 2, S. 215; Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 KO Rn. 4. 433 Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 Anm. 4; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 210; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7. Vgl. auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 11, der der Frage nach der Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur dann Bedeutung beimisst, wenn ein länger als vier Jahre zurückliegendes Schenkungsversprechen im Wege der Zwangsvollstreckung erfüllt wird; liegt das Schenkungsversprechen innerhalb der Vierjahresfrist, kann die Anfechtung der Schenkungsforderung also die Anfechtbarkeit der Zwangsvollstreckung ersetzen. 434 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 204. 435 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 7; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 7. Vgl. zum österreichischen Recht (§ 29 öIO): B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/20. Dem Argument stimmen auch Bork, ZIP 2004, S. 1684 (1685), de Bra, LMK 2003, S. 238 (239) und Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.79 zu (alle zu § 133 InsO), doch schließen sie die Anfechtung von Vollstreckungsmaßnahmen dennoch wegen der Wortlautgrenze i.E. aus. 436 Vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38. 437 Vgl. Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1294). 438 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38; Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1293) [zu § 133 Abs. 1 InsO].

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Anfechtung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausdrücklich zulässt,439 und der Grundsatz der ‚weiten’ Auslegung des Leistungsbegriffs im Rahmen des § 134 InsO.440 Eine steigende Zahl von Gegenstimmen möchte daher jedenfalls die Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung auch unabhängig von einer Mitwirkung des Schuldners stets zu den anfechtbaren Rechtshandlungen i.S.d. § 134 InsO zählen.441 Unterschiedlich fällt allerdings die dogmatische Herleitung dieses Ergebnisses aus. Einige erkennen an, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht unter den Wortlaut des § 134 InsO subsumiert werden können, treten aber für eine erweiternde, wortlautberichtigende Auslegung des Tatbestands ein.442 Andere halten das Erfordernis der Schuldnerhandlung im Rahmen des § 134 InsO schlichtweg für entbehrlich.443 Denn anders als § 133 Abs. 1 InsO sei § 134 InsO nicht von subjektiven Voraussetzungen in der Person des Schuldners abhängig, sodass dem Schuldnerbezug im Tatbestand des § 134 InsO keine Bedeutung mehr zukomme.444 Der Wortlaut des § 134 InsO sei so zu verstehen, 439

von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 204. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38; Hinz, Haftung der Stiftung, S. 60 (allerdings noch zu § 32 KO). 441 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 7; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 7; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 3; Henckel, in: Kölner Schrift, 2. Aufl., S. 813 (840) in Rn. 55; ders., in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38 f.; Hinz, Haftung der Stiftung, S. 60 (zu § 32 KO); Jaeger, Gläubigeranfechtung, § 3 Anm. 45, S. 176; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 191; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 204 f. Offen gelassen von BGH, Urt. v. 09.12.1999 – IX ZR 102/97 NJW 2000, 1259 (1262) zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. Zu § 29 öIO: B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/20. Ebenso zu § 133 Abs. 1 InsO: Brinkmann/Luttmann, ZInsO 2007, S. 565 (567); Kreft, KTS 2004, S. 205 (218 f.); Kübler, in: FS Greiner, S. 159 (161); Piekenbrock, in: Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S. 51 (63 ff.); Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1293). 442 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 39. Ebenso zum österreichischen Recht (§ 29 öIO): B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/20: „wortlautberichtigende Interpretation“. Für Brinkmann/Luttmann, ZInsO 2007, S. 565 (567) (zu § 133 InsO) kommt angesichts der Wortlautgrenze nur eine Analogie nach dem Vorbild der Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO [vgl. BGH, Urt. v. 20.01.2000 – IX ZR 58/99, BGHZ 143, 332 (334 ff., 337)] in Betracht; dazu kritisch Bork, ZIP 2004, S. 1684 (1686), Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 67 und Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1292): Die InsO sei – anders als die GesO, auf die sich Brinkmann/Luttmann stützen – kein Lückengesetz, sodass bei der analogen Anwendung von Anfechtungsvorschriften (über deren Wortlaut hinaus) Vorsicht geboten sei. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.79 und Bork, ZIP 2004, S. 1684 (1686) sind zwar ebenfalls der Ansicht, dass die Anknüpfung an die Schuldnerhandlung den Anwendungsbereich des § 133 InsO zu stark einenge, doch fühlen sie sich an den Wortlaut gebunden. 443 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6; wohl auch von von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 205. Zu § 133 InsO: Kreft, KTS 2004, S. 205 (218 f.). 444 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6. Ähnlich auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38, der damit die unterschiedlichen Ergebnisse für § 133 InsO (vgl. 440

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dass die anfechtbare Leistung das schuldnerische Vermögen vermindert haben, nicht aber notwendig vom Schuldner selbst vorgenommen werden müsse.445 Wieder andere sehen schon gar keinen Konflikt zwischen dem Wortlaut der schuldnerbezogenen Anfechtungsrechte und der Anfechtung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.446 Im Rahmen des § 135 Abs. 1 S. 2 BGB werde aus der Gleichstellung von rechtsgeschäftlicher Verfügung und der Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung unproblematisch geschlossen, dass der hoheitliche Eingriff als eigene rechtsgeschäftliche Verfügung des Verbotsbetroffenen anzusehen sei.447 Derselbe Gedanke komme in § 815 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck, nach dem die Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung des Schuldners gilt.448 Entscheide man sich im Rahmen des § 134 InsO zur Gleichstellung von Maßnahmen im Wege der Zwangsvollstreckung und der rechtsgeschäftlichen Verfügung, sei es nur folgerichtig, dem Schuldner die Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung als eigene Rechtshandlung zuzurechnen.449 b) Stellungnahme aa) Einbeziehung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Tatbestand des § 134 InsO Zunächst ist dem Ergebnis der Gegenmeinung zuzustimmen, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auch unabhängig von einer Mitwirkung des Schuldners nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich des § 134 InsO auszunehmen. Der Verweis auf die ‚weite’ Auslegung des Leistungsbegriffs ist zwar kein schlagkräftiges Argument, denn dieser Grundsatz hat sich als haltlos erwiesen. Ebenso wenig lassen sich aus § 141 Alt. 2 InsO zwingende Schlüsse ziehen: Die Norm besagt lediglich, dass die Anfechtung nicht durch einen Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen wird. Sie setzt jedoch voraus,

a.a.O., § 133 Rn. 5) und § 134 InsO begründet. Kreft, KTS 2004, S. 205 (218 f.) hingegen überträgt dieses Argument auch auf § 133 Abs. 1 InsO, weil auch die Vorsatzanfechtung nicht mehr von einem betrügerischen Verhalten des Schuldners abhänge. 445 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 204 f. 446 Zu § 133 InsO: Kübler, in: FS Greiner, S. 159 (161); Piekenbrock, in: Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S. 51 (56 ff.); Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1293). 447 Kohler, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2011, § 135 Rn. 15; Raebel, in: FS HansPeter Kirchhof, S. 443 (445). Vgl. auch BGH, Urt. v. 19.01.2006 – IX ZR 232/04, BGHZ 166, 74 (77) in Rn. 12. 448 Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1294) [zu § 133 Abs. 1 ZPO]. Brinkmann/Luttmann, ZInsO 2007, S. 565 (566) halten diese Argumentation für „gewagt“. Die Kritik ist wohl berechtigt, da § 815 Abs. 3 ZPO nur einen Zahlungserfolg fingiert. 449 Zu § 133 InsO: Kübler, in: FS Greiner, S. 159 (161); Piekenbrock, in: Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S. 51 (62 f.); Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1293).

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dass der Anfechtungstatbestand den Erwerb kraft Zwangsvollstreckung grundsätzlich erfasst, und stellt dann lediglich klar, dass der Einsatz von Staatsgewalt der Anfechtung nicht entgegensteht.450 Dass die Zwangsvollstreckung als Schuldnerhandlung gelten soll, ordnet § 141 InsO hingegen nicht an.451 Durchschlagender erweist sich der Verweis auf die entsprechende Norm im Anfechtungsgesetz, § 10 AnfG: Denn während § 141 Alt. 2 InsO mit den Tatbeständen der Deckungsanfechtung in jedem Fall einen praktischen Anwendungsbereich hat, sind alle Anfechtungstatbestände des AnfG – abgesehen von §§ 6, 6a AnfG – an eine Rechtshandlung des Schuldners geknüpft. In der Kommentierung zu § 10 AnfG wird dementsprechend darauf verwiesen, die Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gelte „uneingeschränkt“ nur in den Fällen der §§ 6 und 6a AnfG.452 Diese Anfechtungstatbestände waren in der ursprünglichen Fassung des AnfG jedoch noch nicht enthalten, § 10 AnfG (damals: § 6 AnfG 1879) hingegen schon. Die Norm wäre sinnentleert, wenn Vollstreckungsmaßnahmen nicht als Rechtshandlungen des Schuldners gelten würden. Da ihr Wortlaut davon spricht, dass „die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt“ worden ist, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass lediglich klargestellt werden sollte, bei einer Mitwirkungshandlung des Schuldners schließe der Vollstreckungscharakter die Anfechtung nicht aus. Dieser Befund deutet bereits darauf hin, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen der schuldnerbezogenen Tatbestände die Anfechtung bei Befriedigungen im Wege der Zwangsvollstreckung für möglich hielt. Bestätigt wird diese Vermutung nicht nur durch den Blick auf die Gleichstellung von Vollstreckungsmaßnahmen und rechtsgeschäftlichen Verfügungen im BGB und in der ZPO, sondern auch durch die Äußerungen des Konkursgesetzgebers. In den Erläuterungen zum damaligen § 23 KO (später: § 30 KO) trat er ausdrücklich der unter der Preußischen KO vertretenen Ansicht entgegen, die die Zwangsvollstreckung nur als Exekutionshandlung des Richters und nicht als Rechtshandlung des Gemeinschuldners ansah und daher eine Anfechtung nach den Vorschriften der Deckungsanfechtung ablehnte.453 Der Gesetzgeber betonte den Wertungswiderspruch, einen vollstreckenden Gläubi-

450

Vgl. Kirchhof, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 141 Rn. 1. Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 63. 452 Kirchhof, in: MüKo, AnfG, § 10 Rn. 8. 453 Preußisches Obertribunal, Urt. v. 18.03.1858, Entscheidungen des Königlichen Obertribunals, Bd. 38, 427 (431). 451

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ger vor der Anfechtung zu schützen, ihn aber bei einer Mitwirkung des Schuldners der Anfechtung auszusetzen.454 Eine ausdrückliche Regelung zur Gleichstellung von Zwangsverfügungen und Rechtshandlungen des Schuldners hielt er für entbehrlich, da nach dem Entwurf der ZPO anerkannt sei, „daß die im Wege der Pfändung durch den Gerichtsvollzieher oder das Gericht bewirkte Leistung aus dem Vermögen des Schuldners in dessen Stellvertretung erfolgt (…), daß also mit der Handlung des Gläubigers eine Handlung des Gemeinschuldners konkurrirt.“455

Der Gesetzgeber fingierte also hinter dem Vollstreckungsakt eine Rechtshandlung des Schuldners und qualifizierte diese zum eigentlichen Gegenstand der Anfechtung.456 Dieses Verständnis ist zwar aus vollstreckungsrechtlicher Sicht seit langem überholt.457 Dennoch lässt sich den Materialien der gesetzgeberische Wille entnehmen, Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung anfechtungsrechtlich den Rechtshandlungen des Schuldners gleichzustellen.458 Auch der BGH hat zugestanden, diese Schlussfolgerung möge zutreffen.459 Die Übertragung des heute vorherrschenden Verständnisses vom Wesen der Zwangsvollstreckung auf die Auslegung des § 134 InsO führt damit zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Verengung des Anfechtungsrechts.460 Ebenfalls nicht von der Hand zu weisen ist der Einwand, die Anfechtung dürfe nicht von dem zufälligen Umstand abhängen, ob der Schuldner in irgendeiner Weise an der Vollstreckung mitgewirkt habe oder nicht. Das Mitwirkungserfordernis führt nicht nur zu einer kasuistischen und dogmatisch nicht mehr nachvollziehbaren Abgrenzung, die die Anfechtung von reinen Zufälligkeiten abhängig macht.461 Es fordert den Gläubiger auch dazu auf, alles daran 454

Motive KO, S. 120, abgedruckt bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 129. Motive KO (zu § 23 KO-E), S. 120 f., abgedruckt bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 130. Zu dieser Erläuterung im Zusammenhang mit der Deckungsanfechtung sah sich der Gesetzgeber veranlasst, weil der damalige § 23 E-KO noch das Erfordernis einer Schuldnerhandlung vorsah. Im weiteren Verlauf der Gesetzgebung wurde mit Blick auf das abweichende Verständnis in Preußen der Bezug zur Schuldnerhandlung ganz gestrichen, vgl. Hagens, Protokolle der VIII. Kommission, Erste Lesung, S. 21, abgedruckt bei Hahn/Mugdan, a.a.O., S. 534. 456 Marotzke, KTS 1987, S. 1 (12). 457 Vgl. RG, Urt. v. 01.02.1901, RGZ 47, 223 (224); Jaeger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl., § 6 Anm. 3: „überwundene Auffassung“; Kreft, KTS 2004, S. 205 (219); Marotzke, ZZP 105 (1992), S. 451 (452). 458 Ebenso Kreft, KTS 2004, S. 205 (219); Marotzke, ZZP 105 (1992), S. 451 (452); Schoppmeyer, NZI 2005, S. 185 (191), alle zu § 133 InsO. 459 BGH, Urt. v. 10.02.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (148). 460 Vgl. zu § 133 InsO auch Marotzke, ZZP 105 (1992), S. 451 (452), der diesen Konflikt zwar erkennt, aber aufgrund der langen (falschen) Auslegungstradition davon ausgeht, eine Änderung der Praxis könne nur noch vom Gesetzgeber veranlasst werden. 461 So auch die Kritik im Rahmen des § 133 InsO von Kreft, KTS 2004, S. 205 (217 f.); Piekenbrock, in: Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S. 51 (56) [zu diesen und weiteren Widersprüchen]; Rendels, ZIP 2004, S. 1289 (1293). 455

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zu setzen, den Schuldner aus dem Abwicklungsvorgang herauszuhalten und ohne jede Nachsicht die Vollstreckung zu betreiben.462 Umgekehrt ignoriert es, dass der Schuldner durch die Begründung der unentgeltlichen Forderung die Voraussetzung für die Vollstreckung geschaffen hat. Der Begünstigte kann gleichwohl anfechtungsfest unentgeltlich erwerben, sofern der Schuldner nur die Vollstreckung ohne weitere aktive Mitwirkung über sich ergehen lässt. Auch der Vorschlag, statt der Vollstreckungsmaßnahme die zugrundeliegende Forderung anzufechten, überzeugt nicht. Zum einen bliebe nach wie vor derjenige Gläubiger privilegiert, der die Forderung außerhalb des anfechtbaren Zeitraums erworben hat und nun nicht durch eine Leistung des Schuldners, sondern im Wege der Zwangsvollstreckung befriedigt wird. Zum anderen ist ein solcher Angriff auf den Rechtsgrund und nicht auf die Vollzugshandlung der Systematik des § 134 InsO fremd. Dies kommt in der Anknüpfung des Tatbestands an die ‚Leistung’ als Inbegriff derjenigen Rechtshandlung, die die Gläubigerbenachteiligung bewirkt, zum Ausdruck. Der Lösungsweg über die Anfechtung der zugrunde liegenden Forderung führt zu einer gewundenen Konstruktion, die lediglich den Versuch darstellt, die unerwünschten Folgen des Mitwirkungserfordernisses nachträglich zu korrigieren.463 bb) Dogmatische Begründung Im Ergebnis steht damit fest, dass die Anfechtung gem. § 134 InsO sowohl aus wertenden Gesichtspunkten als auch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht daran scheitern sollte, dass eine unentgeltliche Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung verwirklicht wurde. Zu entscheiden ist nun, welche dogmatische Begründung diesem Ergebnis zugrunde liegt. (1) Ablehnung der Zurechnungslösung Die Zurechnungslösung hält grundsätzlich daran fest, dass der Schuldner die Leistung selbst vollziehen muss. Allerdings lässt sie zugerechnete Leistungen genügen, zu denen sie auch Vollstreckungshandlungen zählt. Ganz frei von Zweifeln ist ihre Begründung allerdings nicht. Die §§ 135 Abs. 1 S. 2, 161 Abs. 1 S. 2 BGB, 815 Abs. 3 ZPO sprechen zwar als wertendes Argument dafür, auch bei den §§ 133, 134 InsO eine Gleichstellung von rechtsgeschäftlichen und vollstreckungsrechtlichen Verfügungen vorzunehmen. Die tatsächliche Zurechnung von Vollstreckungshandlungen an den Schuldner erfolgt aber 462 Vgl. zu § 133 InsO Jensen, NZI 2011, S. 798 (799): „Um sich nicht dem Risiko der Vorsatzanfechtung auszusetzen, sind Gläubiger gut beraten, die Zwangsvollstreckung ausnahmslos immer mit größtmöglicher Brutalität zu betreiben. Sie müssen sicherstellen, dass dem Schuldner absolut jede Art von Mitwirkung bei der Befriedigung des Gläubigers von vornherein unmöglich gemacht wird.“; Rendels, ZIP 2004, S. 2085 (2087). 463 So auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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in allen Fällen aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung, die in § 134 InsO gerade fehlt.464 Im Rahmen der Deckungsanfechtung hat der Konkursgesetzgeber zwar seine Vorstellung geäußert, mit der Vollstreckungshandlung gehe eine eigene Rechtshandlung des Schuldners einher. Als er aber das Bedürfnis erkannte, seine Auffassung mit Blick auf das Verständnis im preußischen Recht auch im Normtext widerzuspiegeln, entschied er sich gegen eine allgemeine Anordnung zur Gleichsetzung von Schuldnerhandlung und Vollstreckungsmaßnahmen und strich lediglich das Erfordernis der Schuldnerhandlung aus dem Tatbestand der Deckungsanfechtung. Im Rahmen der Vorsatzund Unentgeltlichkeitsanfechtung hielt er hingegen an diesem Merkmal fest, obwohl ihm der Auslegungskonflikt bekannt war. Der gesetzgeberische Wille, dem Schuldner Vollstreckungsmaßnahmen als eigene Rechtshandlung zuzurechnen, ist den Materialien daher nicht zu entnehmen.465 An ihre Grenzen stößt die Zurechnungslösung schließlich bei der gläubigerseitigen Aufrechnung. Hier müsste sie sich einer doppelten Gleichstellung bedienen: Die Aufrechnung wird als Mittel zur Durchsetzung eines Anspruchs gegen den Willen des Schuldners und damit als eine Art der Selbstexekution verstanden, die der Zwangsvollstreckung gleichsteht.466 Da diese wiederum einer rechtsgeschäftlichen Handlung des Schuldners entspricht, würde nun die Aufrechnung des Gläubigers als eigene Rechtshandlung des Schuldners gelten.467 Im Ergebnis würden somit Handlungen des Anspruchsgegners dem Schuldner als eigene zugerechnet – das erscheint äußerst konstruiert. (2) Kein genereller Verzicht auf die Schuldnerbeteiligung im Rahmen des § 134 InsO Nicht überzeugen kann es aber auch, die klare gesetzliche Anordnung des § 134 InsO, der in bewusster Abgrenzung zu den §§ 130, 131 InsO eine Leistung des Schuldners fordert, zu ignorieren und die Beteiligung des Schuldners schlichtweg für entbehrlich zu erklären. Nach dem hier entwickelten Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung hat der Schuldnerbezug eine ganz zentrale Bedeutung: Er kennzeichnet § 134 InsO als schuldnerbezogenes Anfechtungsrecht, das seine Rechtfertigung – wie § 133 Abs. 1 InsO auch – in einem Fehlverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern findet. Nur wenn die anfechtbare Rechtshandlung Ausdruck der privatautonomen Entscheidung des 464

Da die Anfechtung keine Verfügungsbeschränkung darstellt, sondern ihre Wirkungen die Verfügungsmacht des Schuldners nur faktisch einschränken, liegen auch die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vor. 465 Vgl. auch Lind, Zur Auslegung von § 133 InsO, S. 64. 466 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38. Zum Grundgedanken vgl. ders., ZZP 74 (1961), S. 165 (185). 467 So auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38 f.; i.E. ebenso Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 7.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

Schuldners ist, dem anderen Teil eine unentgeltliche materielle Zuwendung zu machen, kommt die Anwendung des § 134 InsO in Betracht. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung fordert zudem durchaus ein subjektives Element auf Schuldnerseite: Der unentgeltliche Zuwendungsvorgang muss vom Wissen und Willen des Schuldners gedeckt sein, denn nur dann gefährdet sein Verhalten die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung. Die Beteiligung des Schuldners an der materiellen Vorteilsverschaffung ist damit ein unentbehrliches Wesensmerkmal, das unter keinen Umständen aus dem Tatbestand des § 134 InsO gestrichen werden kann. (3) Erforderlichkeit einer Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene? Fraglich ist jedoch, ob sich die Schuldnerbeteiligung auch zwingend auf Vollzugsebene verwirklichen muss. Der Schuldnerbezug hat die Aufgabe, die Zuwendung als Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens zu kennzeichnen. Eine Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene ist daher dann notwendig erforderlich, wenn sich in der Vollzugshandlung erstmalig ein Schuldnerfehlverhalten manifestiert: Etwa weil der Schuldner eine einseitig oktroyierte Forderung in Kenntnis der Verjährung erfüllt oder auf eine fremde, wertlose Forderung leistet. Hat der Schuldner jedoch zugunsten eines Dritten eine Forderung begründet, die diesem die Möglichkeit gibt, sich die unentgeltliche Zuwendung notfalls auch zwangsweise zu verschaffen, so liegen bereits im Zeitpunkt der Forderungsbegründung alle Voraussetzungen für das anfechtungsauslösende Schuldnerfehlverhalten vor. (a) Ob nun eine erneute Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene erforderlich ist, hängt davon ab, ob man die Vollzugshandlung bereits dann als Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens versteht, wenn sich dieses Fehlverhalten bei der Schaffung des Rechtsgrundes manifestiert hat, oder ob die Zuwendung dafür auch im Zeitpunkt ihres Vollzuges von dem fortdauernden Willen des Schuldners getragen sein muss, den anderen Teil zu begünstigen.468 Nichts anderes steckt hinter dem Mitwirkungserfordernis, das Rechtsprechung und Literatur auf Leistungsebene verlangen: Es soll sicherstellen, dass der Schuldner sein Fehlverhalten fortführt, indem er durch seine Mitwirkung seinen fortdauernden Zuwendungswillen zum Ausdruck bringt. Dieser Funktion wird das Mitwirkungserfordernis durch die weite Auslegung des BGH allerdings kaum gerecht: Lässt der Schuldner den Vollstreckungsbeamten ohne Durchsuchungsbeschluss in seine Wohnung, erlaubt dies keine Rückschlüsse auf einen 468 So Thole, Gläubigerschutz, S. 441. Vgl. auch Lent, in: Jaeger, KO, 8. Aufl., § 32 KO Rn. 4: Verweigere der Schuldner die Erfüllung eines Schenkungsversprechens und erzwinge der Gläubiger die Befriedigung gegen den Willen des Versprechenden und ohne sein Zutun, so „fehlt der fortwirkende, Verpflichtung und Verfügung zusammenschließende Zuwendungswille; hier ist die Erfüllung selber keine Handlung des Schuldners, nicht – wie dies der § 32 bestimmt und klar voraussetzt – „von dem Gemeinschuldner vorgenommen“.

IV. Anfechtbare Rechtshandlung bei gestreckter Verwirklichung

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fortwirkenden Zuwendungswillen. Und auch sonst ist die Gleichsetzung von Schuldnerbeteiligung auf Leistungsebene und fortwirkendem Zuwendungswillen kaum mehr als eine Fiktion: Ein Schuldner, der sein Schenkungsversprechen bitter bereut, aber auf Druck des Beschenkten letztlich doch seiner Verpflichtung nachkommt, handelt ebenso wenig mit ‚Zuwendungswillen’ wie derjenige Schuldner, der stur bleibt und die Vollstreckung passiv über sich ergehen lässt. Das Mitwirkungserfordernis trägt zu der Frage, ob sich auf Vollzugsebene der Zuwendungswille des Schuldners weiter fortsetzt, nichts bei. (bb) Aus teleologischer Sicht besteht allerdings auch kein Grund, warum die Abwicklung der materiellen Zuwendung von einem fortdauernden Zuwendungswillen des Schuldners begleitet werden müsste. Mit der Forderungsbegründung hat der Schuldner den Zuwendungsvorgang bereits unaufhaltsam in Gang gesetzt. Er hat seinen Zuwendungswillen bindend manifestiert und damit die Grundlage für sämtliche weitere Abwicklungsgeschäfte geschaffen. Alle Voraussetzungen für das anfechtungsbegründende Fehlverhalten liegen bereits vor. Die Abwicklungsebene hat auf dieses Schuldnerfehlverhalten keine bestärkenden Auswirkungen mehr, denn dort hat der Schuldner nicht mehr die Möglichkeit, seine Leistung noch mit einer Gegenleistung zu verknüpfen. Fordert man bei der rein formellen Abwicklung eine erneute Mitwirkung des Schuldners, so wird die Anfechtbarkeit von Zufälligkeiten abhängig gemacht und eröffnet Missbrauchsgefahren. Überzeugender erscheint es daher, für die Anfechtung gem. § 134 InsO keine Schuldnerbeteiligung auf Vollzugsebene zu fordern, sofern sich in der Forderungsbegründung bereits ein Fehlverhalten des Schuldners bindend manifestiert hat.469 In Konflikt mit dem Wortlaut des § 134 InsO tritt diese Auslegung nicht: Zwar spricht § 134 InsO von einer ‚Leistung des Schuldners’ und bezieht die Schuldnerbeteiligung damit auf den ersten Blick auf die Vollzugsebene. Allerdings ist der Wortlaut des § 134 InsO an Kürze kaum zu übertreffen. Es kann nicht erwartet werden, dass jede denkbare Fallkonstellation mit den vier Worten ‚unentgeltliche Leistung des Schuldners’ präzise dogmatisch beschrieben wird. Jede gem. § 134 InsO anfechtbare Rechtshandlung – so viel steht fest – muss Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens sein. Ob dieses Fehlverhalten

469 Ähnlich auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 38. Dieser Grundgedanke kann auch auf die Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO übertragen werden: Dient die Vollstreckung der Verwirklichung eines in Gläubigerbenachteiligungsabsicht geschlossenen Vertrags, der ohne Mitwirkung des Schuldners zwangsweise vollzogen wird, dürfte darin ebenfalls eine gem. § 133 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung liegen, auch wenn der Leistungsvollzug nicht mehr vom Willen des Schuldners zur Gläubigerbenachteiligung getragen sein sollte. Wird das Schuldnerfehlverhalten hingegen beim Leistungsvollzug erstmals begründet – was bei § 133 Abs. 1 InsO weitaus häufiger der Fall ist als bei § 134 InsO –, muss sich der Gläubigerbenachteiligungswille des Schuldners in der Leistung selbst manifestieren.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

aber gerade in der Beteiligung des Schuldners auf Leistungsebene zum Ausdruck gekommen sein muss, gibt der Wortlaut des § 134 InsO nicht zwingend vor.470 Daher bedarf es auch keiner wortlautberichtenden Auslegung. c) Ergebnis Die Schuldnerbeteiligung ist wesentliches Merkmal der Unentgeltlichkeitsanfechtung. Sie macht deutlich, dass der tragende Grund für die Anfechtung in einem Fehlverhalten des Schuldners liegt. Der Schuldner muss daher Urheber des materiellen Zuwendungsvorgangs sein, sonst kommt die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht in Betracht. Hat sich das Schuldnerfehlverhalten allerdings bereits verwirklicht, weil der Schuldner zugunsten eines Dritten eine Forderung begründet und damit den unentgeltlichen materiellen Zuwendungsvorgang unaufhaltsam in Gang gesetzt hat, so ist nicht erforderlich, dass auf Abwicklungsebene eine erneute Schuldnerbeteiligung stattfindert. Alle wesentlichen Elemente des Anfechtungstatbestands liegen bereits vor und werden durch die Vollzugshandlungen nur noch abgewickelt. V. Fazit zum Leistungsbegriff des § 134 InsO V. Fazit zum Leistungsbegriff

1. Bedeutung und grundsätzliches Verständnis des Leistungsbegriffs Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 134 InsO ist eine materielle Zuwendung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner. Der Schuldner muss dem Begünstigten in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht bewusst einen materiellen Vermögensvorteil verschafft haben. Nur dann stellt sich für ihn die Frage nach einem Entgelt und die Grundlage für das anfechtungsbegründende Schuldnerfehlverhalten ist gelegt. Eine Anfechtungsbeziehung zwischen den Gläubigern des Schuldners und dem Begünstigten entsteht daher von vornherein nur, wenn sich zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner eine materielle Zuwendung vollzogen hat. Diese materielle Zuwendung ist ausgleichsbedürftig und bildet den Anknüpfungspunkt für die nachfolgende Prüfung der Unentgeltlichkeit. Anfechtbar sind jedoch nicht nur Rechtshandlungen, die eine solche materielle Zuwendung unmittelbar verwirklichen, sondern jeder Einzelschritt, der bei gestreckter Verwirklichung den materiellen Zuwendungserfolg fördert. Diese Einzelschritte können Leistungen im bereicherungsrechtlichen Sinne sein, müssen es aber nicht. Entscheidend ist stets, dass die Leistung in einen 470 Der Wortlaut ist jedoch tatsächlich die einzige Hürde, die die Gegenansicht von der Einbeziehung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Tatbestand der §§ 133 Abs. 1, 134 InsO abhält. So räumen Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.79 und Bork, ZIP 2004, S. 1684 (1686) offen ein, dass die Anknüpfung an die Schuldnerhandlung den Anwendungsbereich des § 133 InsO zu stark einenge, doch fühlen sie sich an den Wortlaut gebunden.

V. Fazit zum Leistungsbegriff

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vom Schuldner in privatautonomer Gestaltungsfreiheit in Gang gesetzten materiellen Zuwendungsvorgang eingebunden ist. Nur wenn sich materielle Zuwendungsbeziehung und bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung decken, ist der Leistungsempfänger i.S.d. § 812 BGB auch der richtige Anfechtungsgegner des § 134 InsO. Der Leistungsbegriff des § 134 InsO verkörpert damit zwei Bedeutungsebenen: Zum einen zeigt er auf, dass zur Begründung einer Anfechtungsbeziehung eine materielle Zuwendung des Schuldners an den Empfänger notwendig ist. Die Hürden für die Anfechtungsbeziehung des § 134 InsO sind damit höher als die allgemeinen Anforderungen, die § 129 InsO an die übrigen Anfechtungstatbestände stellt. Zum anderen steht der Leistungsbegriff für die konkrete anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO, die gläubigerbenachteiligende Wirkung entfaltet, die Anfechtungsfrist in Gang gesetzt und deren Wirkungen mit der Anfechtung rückgängig gemacht werden können. In dieser Funktion stellt die Verwendung des Leistungsbegriffs als Umschreibung der anfechtbaren Rechtshandlung klar, dass nicht nur diejenige Vorteilsverschaffung, die in sich unmittelbar alle Merkmale der materiellen Zuwendung vereint, Gegenstand der Anfechtung ist, sondern dass die Gläubiger jede einzelne, zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs erfolgende Rechtshandlung anfechten können, sofern sie gläubigerbenachteiligende Wirkung entfaltet. Jede anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 134 InsO muss Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens sein. Dies setzt voraus, dass der Schuldner die materielle Zuwendung in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit selbst in Gang gesetzt hat. Diese Anforderung spiegelt sich in dem Schuldnerbezug wider, der im Tatbestand des § 134 InsO ausdrücklich verankert ist (Leistung des Schuldners). Es ist allerdings nicht notwendig, dass der Schuldner bei der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs jeden Einzelschritt selbst vornimmt oder zumindest an der Vornahme mitwirkt. Hat der Schuldner seinen Willen zur einseitigen Begünstigung des Dritten in der Forderungsbegründung bereits bindend manifestiert, so sind alle darauf aufbauenden Abwicklungshandlungen Ausdruck dieses Schuldnerfehlverhaltens. Sie gelten damit als ‚Leistungen des Schuldners’ i.S.d. § 134 InsO, unabhängig davon, ob der Schuldner an ihrer Vornahme mitgewirkt hat oder nicht. 2. Überblick über die anfechtbaren Rechtshandlungen Zu den anfechtbaren Rechtshandlungen zählen somit nicht nur die unmittelbar verwirklichten materiellen Zuwendungen, sondern anfechtbar ist jede Leistung, die die Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs des Schuldners fördert oder abwickelt.

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

a) Handgeschäfte und Leistungen auf reine Rechtsgrundabreden Unproblematisch in den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen damit Zuwendungen zur Vornahme eines Handgeschäfts. Der Vollzug des Handgeschäfts verkörpert selbstständig die materielle Zuwendung, weil er ohne vorherige Verpflichtung in Ausübung privatautonomer Gestaltungsfreiheit vom Schuldner an den Empfänger bewirkt wird. Den klassischen Handgeschäften gleichgestellt werden können alle übrigen Zuwendungen, die der Schuldner auf eine materielle Kausalvereinbarung mit dem Begünstigten bezieht, ohne damit einer klagbaren Verpflichtung zur Leistung nachzukommen (sog. schlichte Rechtsgrundabrede). Dazu zählen insbesondere Leistungen auf eine Naturalobligation oder eine verjährte Forderung. Leistungen zur Abwicklung einer solchen reinen Rechtsgrundabrede erfolgen in Ausübung privatautonomer Gestaltungsfreiheit und bilden damit selbst die ausgleichsbedürftige materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO. b) Causalose Zuwendungen Der Begriff der materiellen Zuwendung setzt nicht voraus, dass die Zuwendung durch eine begleitende materielle Kausalvereinbarung wirtschaftlich erläutert wird. Das Vorliegen einer materiellen Causa gehört nicht zu den Wesensmerkmalen des § 134 InsO. Auch Vorteilsverschaffungen, die nicht durch einen Rechtsgrund gerechtfertigt werden müssen (sog. causalose Zuwendungen), könen daher angefochten werden, solange sie die Anforderungen an die materielle Zuwendung erfüllen. Anfechtbar ist daher eine Dereliktion des Schuldners (§ 959 BGB), wenn der Schuldner sie nachweislich mit dem Willen vornahm, dem Begünstigten die Aneignung zu ermöglichen.471 Die mittelbare Eigentumsverschaffung begründet einen materiellen Vermögensvorteil beim Empfänger, den der Schuldner in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit und mit Zuwendungswillen herbeigeführt hat. Zum Schutz des Anfechtungsgegners ist allerdings zu fordern, dass der Zuwendungscharakter für ihn erkennbar gewesen sein muss.472 Ging er davon aus, der Schuldner habe nicht bewusst zu seinen Gunsten gehandelt, scheidet eine Anfechtung aus. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er den Schuldner als Derelinquierenden erkennt: Es genügt, wenn

471 So auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 114; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 11; Knütel, in: FS Bucher, S. 351 (368); Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 6. Für Henckel, in: Jaeger, InsO, § 129 Rn. 25, § 134 Rn. 35 müssen Aufgabe und Aneignung durch den Willen beider Parteien verbunden sein. Ganz ohne subjektive Einschränkung von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 IV, S. 151. 472 Vgl. oben S. 220 f.

V. Fazit zum Leistungsbegriff

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ihm bekannt war, von irgendwem bewusst begünstigt zu werden. Von wem genau die Zuwendung herrührt, muss der Empfänger nicht erkennen können. Dieselben Grundsätze gelten für das bewusste Verjährenlassen einer Forderung.473 Der Forderungsschuldner erhält einen materiellen Vermögensvorteil, weil die Sicherungswirkung der Forderung erlischt und die Vornahme des versprochenen Zuwendungserfolgs nun in seiner freien Entscheidungsmacht steht. Er steht wirtschaftlich nicht anders als bei einem Forderungserlass durch den Schuldner. Kann der Anfechtende nachweisen, dass der Schuldner die Verjährungswirkung bewusst hat eintreten lassen, ist die Anfechtung gem. § 134 InsO erfolgreich, wenn der Forderungsschuldner diesen Zuwendungswillen zumindest erkennen konnte. Ging er hingegen davon aus, sein Gläubiger habe die Forderung schlicht vergessen, und hat er sich daher auf den Eintritt der Verjährungswirkung verlassen, scheidet die Anwendung des § 134 InsO aus. Hatte der Begünstigte hingegen überhaupt keine Kenntnis von der Verpflichtung, so ist bei ihm gar kein Vertrauen auf den Eintritt der Verjährungswirkung entstanden, sodass es auch eines Vertrauensschutzes auf seiner Seite nicht bedarf.474 Nichts anders gilt auch für Prozesshandlungen, die dem Prozessgegner einen nicht berechtigten Titel verschaffen: Sie begründen einen materiellen Vermögensvorteil, weil der andere Teil die Möglichkeit erhält, eine nach materiellem Recht nicht gerechtfertigte Rechtsposition durchzusetzen.475 Kann nachgewiesen werden, dass der Schuldner den Prozess für aussichtsreich hielt, aber auf die Vornahme der Prozesshandlungen in dem Wissen verzichtete, dem anderen Teil eine sonst nicht durchsetzbare Rechtsposition zu verschaffen, liegt darin eine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO.476 Für den Erfolg der Anfechtung 473 Für die Nichtunterbrechung als anfechtbare Leistung i.S.d. § 134 InsO sprechen sich i.E. auch aus BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673 (674); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 21; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 10; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 6; Zeuner, in: Leonhardt/ Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12. 474 Erforderlich ist allerdings, dass der Begünstigte nicht einmal den Grund seiner Verpflichtung kannte. Waren ihm hingegen die die Verpflichtung begründenden Umstände bekannt und war ihm lediglich nicht bewusst, von einem Dritten in Anspruch genommen werden zu können, so entsteht bei ihm ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass aus der entsprechenden Situation keine Ansprüche mehr resultieren. 475 I.E. ebenfalls für die Anfechtbarkeit von Prozesshandlungen zu Lasten des haftenden Vermögens des Schuldners – wie dem Klageverzicht (§ 306 ZPO) oder dem Anerkenntnis (§ 307 ZPO) – als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO, jedoch ohne die subjektiven Einschränkungen: Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 20; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 40; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 9; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 6; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 203. 476 Entscheidend ist allein, dass der Schuldner den Prozess für aussichtsreich hielt und dem Empfänger daher durch den Verzicht auf die Prozesshandlung bewusst einen materiellen Vorteil verschaffte. Wusste er hingegen, dass der Anspruch des Prozessgegners nach materiellem Recht nicht bestand, aber sah er keine Möglichkeit, den Prozess zu gewinnen,

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Kapitel 1: Der Leistungsbegriff des § 134 InsO

muss der Empfänger aber den Umständen nach erkennen können, dass der Schuldner zu seinen Gunsten bewusst auf weitere rechtliche Schritte verzichtet. Konnte er hingegen annehmen, der Schuldner scheue nur aus Sorge vor weiteren Kosten den Prozess oder glaube nicht an sein Obsiegen, scheidet eine Anfechtung gem. § 134 InsO aus. c) Abwicklungsgeschäfte In den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen schließlich alle Abwicklungsgeschäfte, die einen materiellen Zuwendungserfolg des Schuldners fördern oder verwirklichen. Leistungen zur Erfüllung oder Sicherung einer vom Schuldner in privatautonomer Gestaltungsfreiheit begründeten Forderung können daher gem. § 134 InsO selbstständig angefochten werden, wenn das zugrunde liegende Kausalgeschäft keine Gegenleistung vorsah. Grundsätzlich zählt auch die Verpflichtungsbegründung zum Kreis der anfechtbaren Rechtshandlungen des § 134 InsO. Da eine unentgeltliche Verpflichtung aber niemals gläubigerbenachteiligend wirkt, scheidet eine isolierte Anfechtung der Verpflichtungsbegründung gem. § 134 InsO aus.

so scheidet die Anfechtung gem. § 134 InsO aus [so i.E. auch Piekenbrock, in: Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S. 51 (70 f.)]. Glaubt der Schuldner jedoch an den Erfolg des Prozesses, so schadet es nicht, wenn er ihn „um des lieben Friedens willen“ oder um Kosten zu sparen scheut: Hierbei handelt es sich lediglich um unbeachtliche Motive, die möglicherweise die altruistische Freigebigkeit entfallen lassen, aber der Anfechtung gem. § 134 InsO nicht entgegenstehen (dazu unten S. 373 ff.).

Kapitel 2 K a p ite l 2 :

Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Teil B: Die Unentgeltlichkeit

Mit der materiellen Zuwendung im soeben konturierten Sinne legt der Schuldner die Grundlage für die Unentgeltlichkeitsanfechtung gegenüber dem Leistungsempfänger. Erfolgreich ist diese Anfechtung jedoch nur, wenn sich in der Leistung auch tatsächlich ein Schuldnerfehlverhalten verwirklicht. Dafür muss die durch die Zuwendung bewirkte Bereicherung des Empfängers einseitig geblieben sein. Steht ihr hingegen ein ausgleichendes Entgegenkommen des Begünstigten gegenüber, kann dem Schuldner nicht vorgeworfen werden, er habe entgegen der wirtschaftlichen Vernunft auf eine Gegenleistung verzichtet. Abgebildet wird diese zentrale Anforderung des § 134 InsO im Merkmal der Unentgeltlichkeit. Es inkorporiert das tatbestandsbegründende Schuldnerfehlverhalten und entscheidet somit darüber, ob die Schuldnerleistung als marktübliches Verhalten der Anfechtung entzogen ist oder die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet. Der Rahmen für die Auslegung der Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO ist bereits abgesteckt: Der systematische Überblick über die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts hat verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Entgeltcharakter einer Zuwendung bestimmt werden kann.1 Wo sich das Unentgeltlichkeitsverständnis des § 134 InsO hier zu positionieren hat, ist durch die aufgestellten Leitlinien im Wesentlichen vorgegeben.2 Bei der Prüfung des Leistungsbegriffs hat sich herauskristallisiert, dass sich der Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeit auf materielle Zuwendungen des Schuldners beschränkt. Nur sie werfen die Frage nach einem Entgelt auf und können damit den Vorwurf eines Schuldnerfehlverhaltens begründen. Der Bezugspunkt für die Prüfung der Unentgeltlichkeit ist somit die materielle Zuwendung des Schuldners: Das Zugeständnis des Empfängers muss einen angemessenen Ausgleich für diese materielle Zuwendung bilden, nicht hingegen für eine Einzelleistung, die der Schuldner im Zuge der gestreckten Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs an den Empfänger erbringt.3 Vor diesem Hintergrund sind nun die Anforderungen an die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO zu konturieren. Dabei wird Wert darauf gelegt, klar zwischen der Unentgeltlichkeit und dem Willen des Schuldners zur altruistischen 1

Siehe oben S. 106 ff. Siehe oben S. 140 ff. 3 Vgl. oben S. 232 ff. 2

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Freigebigkeit zu differenzieren. Die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts sind sich darin einig, dass der Wille zur altruistischen Freigebigkeit für die Unentgeltlichkeit nicht erforderlich ist.4 Hierbei soll es sich vielmehr um ein schenkungsspezifisches Sonderkriterium handeln, das die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht in Frage stelle. Aufgrund der historischen Verwurzelung im Schenkungstatbestand5 hat sich auch § 134 InsO der Frage zu stellen, welche Auswirkungen das Fehlen der altruistischen Freigebigkeit auf die Anfechtung hat. Im Folgenden werden daher zunächst die Voraussetzungen der anfechtungsrechtlichen Unentgeltlichkeit herausgearbeitet. Hierfür sind zunächst die allgemeine Leitlinien zu bestimmen (I.), bevor die Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung konturiert werden (II.). Erst anschließend rückt die Frage in den Vordergrund, ob die Anfechtung auch voraussetzt, dass der Schuldner mit der unentgeltlichen Zuwendung freigebige Zwecke verfolgte (III.). I. Die Grundsätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit I. Grundsätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit

Der systematische Überblick über die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts hat gezeigt, dass die Unentgeltlichkeit in sehr unterschiedlicher Weise verstanden wird. Zwar existieren allgemeine Charaktermerkmale, die der Unentgeltlichkeit in den verschiedenen Regelungszusammenhängen übereinstimmend anhaften, doch jenseits dieser Merkmale unterscheidet sich das Grundverständnis der Unentgeltlichkeit erheblich: So müssen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit in einigen Normen des bürgerlichen Rechts Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Einigung zwischen den Parteien sein,6 während eine Zuwendung in anderen Normen auch ‚aus sich heraus’ unentgeltlich sein kann, ohne dass es einer Einigung zwischen den Parteien bedarf.7 Als ein die Unentgeltlichkeit ausschließendes Entgelt werden teilweise nicht nur vertraglich vereinbarte Gegenleistungen, sondern auch Gegenleistungen in einem ‚weiteren Sinne’ akzeptiert.8 Im Erbrecht wiederum kann die Unentgeltlichkeit nur durch eine Gegenleistung ausgeschlossen werden, die der Erbmasse zugutekommt, während in den übrigen Normen auch die Gegenleistung an einen Dritten die Entgeltlichkeit der Zuwendung begründen kann. Zwischen diesen Positionen muss der anfechtungsrechtliche Begriff der Unentgeltlichkeit seine Linie finden.

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Vgl. oben S. 106 ff., 130 f. Vgl. dazu oben S. 158. 6 Dies sind neben § 516 BGB insbesondere die §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB, vgl. oben S. 108, 110 ff. 7 Dazu zählen die §§ 988, 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB sowie der § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, vgl. oben S. 115 ff., 118 ff., 121 ff. 8 So etwa im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB, vgl. oben S. 118 ff. 5

I. Grundsätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit

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1. Das weite Verständnis der Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 134 InsO a) In den verwandten Normen des bürgerlichen Rechts lassen sich zwei Strömungen zum Grundverständnis der Unentgeltlichkeit ausmachen: Einerseits gibt es mit den §§ 516, 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB Normen, denen das rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsverständnis zugrunde liegt. Die Unentgeltlichkeit muss in einem materiellen Kausalgeschäft zwischen den Parteien positiv vereinbart worden sein. Nur eine Zuwendung, die von einer solchen materiellen Causa begleitet wird, kann unentgeltlich im Sinne dieser Vorschriften sein. Dem stehen Vorschriften wie die §§ 988, 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegenüber, denen ein weites Verständnis der Unentgeltlichkeit zugrunde liegt: Die Unentgeltlichkeit muss hier nicht notwendig in einem materiellen Kausalgeschäft festgelegt worden sein, sondern kann der Zuwendung auch aus sich heraus anhaften. Diese Normen können somit auch dann einschlägig sein, wenn es an einem wirksamen Kausalverhältnis zwischen den Parteien fehlt. b) Der Unentgeltlichkeitsanfechtung liegt ein weites Verständnis der Unentgeltlichkeit zugrunde.9 Die Unentgeltlichkeit muss nicht notwendig zwischen den Parteien rechtsgeschäftlich vereinbart worden sein. Denn sonst wäre der Anwendungsbereich des § 134 InsO auf Zuwendungen beschränkt, die von einer rechtsgeschäftlichen materiellen Causa begleitet werden. Dieses Verständnis hat sich als zu eng erwiesen.10 Die Unentgeltlichkeitsanfechtung muss auch Vorteilsverschaffungen erfassen können, die sich zwar nicht in das dogmatische Gerüst der materiellen Causa einfügen lassen, aber in denen sich gleichwohl der Wille des Schuldners verwirklicht, den anderen Teil einseitig zu bereichern. Diese causalosen Zuwendungen11 können jedoch nur ‚aus sich heraus’ unentgeltlich sein, da es kein begleitendes Kausalgeschäft gibt, das sie erläutert. Sie zeigen, dass die Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 134 InsO nicht notwendig durch Willenserklärungen erzeugt werden muss, sondern dass sie ein Charakterzug ist, der einer Zuwendung auch ohne eine solche Erläuterung anhaften kann. Eine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO kann somit auch ‚aus sich heraus’ unentgeltlich sein, ohne hierfür notwendig auf einer rechtsgeschäftlich vereinbarten, unentgeltlichen Rechtsgrundabrede beruhen zu müssen.12

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Insoweit auch Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 307. So auch das Verständnis des dem § 134 InsO entsprechenden § 29 öIO in Österreich, vgl. oben S. 125 ff. 10 Siehe oben S. 135 ff. 11 Vgl. zu den causalosen Zuwendungen (mit Beispielen) oben S. 135 ff. 12 Der Aussage, eine abstrakte Verfügung könne schon begrifflich weder entgeltlich noch unentgeltlich sein, da der Entgeltcharakter nur aus dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft abgelesen werden könne [so Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3; Prütting, KTS 2005, S. 253 (258); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 205] ist daher im Rahmen des § 134 InsO

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

2. Unentgeltlichkeit als Fehlen einer kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung Schon dem Wortsinn nach bezeichnet die Unentgeltlichkeit das Gegenteil der Entgeltlichkeit, also die Nichtexistenz eines Entgelts.13 Unentgeltlich ist eine materielle Zuwendung somit, wenn ihr keine Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht. Existiert hingegen eine solche Gegenleistung, ist die Leistung entgeltlich. Die Gegenleistung des Empfängers ist demnach das maßgebliche Abgrenzungskriterium zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit. Dies bedeutet zugleich: Je weiter der Begriff der Gegenleistung gezogen wird, desto stärker wird die Unentgeltlichkeit eingeschränkt, und umgekehrt. a) Spiegelbildlich zum weiten Verständnis der Unentgeltlichkeit könnte man nun auch die Entgeltlichkeit in einem ‚weiten’ Sinne verstehen.14 Ebenso wie die Unentgeltlichkeit müsste sie nicht kausalvertraglich zwischen den Parteien durch Vereinbarung einer Gegenleistung festgelegt werden, sondern die Schuldnerzuwendung könnte auch ‚aus sich heraus’ entgeltlich sein. Ein taugliches ‚Entgelt’ in diesem erweiterten Sinne wäre etwa eine Rechtswirkung, die die Schuldnerleistung – je nach Perspektive – im eigenen Vermögen des Schuldners oder im Vermögen des Empfängers erzeugt, wie beispielsweise der Verlust bzw. das Freiwerden von einer Forderung infolge der Erfüllungswirkungen des § 362 BGB15 oder die Beschränkung zur Rücknahme einer vom Vollstreckungsgläubiger gem. §§ 709, 751 Abs. 2 ZPO geleisteten Sicherheit, nachdem der Vollstreckungsschuldner seinerseits zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet hat.16 Jedoch deutet bereits der Begriff der Gegenleistung darauf hin, dass der Empfänger das ausgleichende Entgegenkommen durch eine von ihm selbst initiierte Rechtshandlung gewähren muss und das Auslösen einer bloßen Rechtswirkung durch den Zuwendenden nicht genügt.17 Hinzu kommt, dass diejenimit großer Vorsicht zu begegnen: Sie läuft Gefahr, den Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung auf das rechtsgeschäftliche Verständnis der Unentgeltlichkeit zu reduzieren, das für § 134 InsO nicht passt. Eine materielle Zuwendung kann sehr wohl aus sich heraus unentgeltlich sein. 13 Vgl. auch Karpus, Unentgeltlichkeit, S. 17. 14 So die Stimmen, die dafür plädieren, die Gegenleistung im Rahmen des § 134 InsO nicht in einem „formalrechtlichen Sinne“ zu verstehen, vgl. LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); RG, Urt. v. 10.03.1913 – VI 487/12, LZ 1913, Sp. 562 (563). 15 So etwa RG, Urt. v. 09.11.1905 – Rep. VI 49/05, RGZ 62, 38 (45); RG, Urt. v. 06.07.1922 – IV 715/21, RGZ 105, 246 (248): Der Gegenwert der Zuwendung könne in den Rechtswirkungen der Verfügung selbst liegen. 16 So OLG München, Urt. v. 16.09.2014 – 5 U 582/14, ZIP 2014, 2354 in Rn. 14. Dagegen BGH, Urt. v. 10.09.2015 – IX ZR 220/14, ZIP 2014, 2135 (2136) in Rn. 10 ff. 17 Zwischen Gegenleistungen und dem bloßen „Entgelt“ zu differenzieren, wie es teilweise in der Literatur vorgeschlagen wird (so etwa Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 40), erscheint formalistisch und vermag nicht zu überzeugen.

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gen Rechtswirkungen, die den vom Schuldner verschafften Vorteil unmittelbar wieder aufzehren, bereits die Bereicherung des Empfängers entfallen lassen.18 Eine materielle Zuwendung kommt daher mangels Bereicherung von vornherein nicht in Betracht. Trennt man sauber zwischen Bereicherung und Entgeltprüfung, besteht kein Bedürfnis, den Begriff der Gegenleistung durch eine erweiternde Auslegung zu verwässern. Auch darf nicht übersehen werden, dass die Erweiterung des Begriffs der Entgeltlichkeit eine ganz andere Qualität aufweist als die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Unentgeltlichkeit. Die Unentgeltlichkeit ist lediglich die Negation der Entgeltlichkeit. Einigen sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit, treffen sie keine positive Gestaltungsanordnung, sondern stellen lediglich die Nichtexistenz einer Gegenleistung fest.19 Inhaltlich bestätigen sie damit nur einen bereits bestehenden Zustand, nämlich dass die Zuwendung einseitig bleibt und der Zuwendende keinen Ausgleich erhält. Demgegenüber hat die Vereinbarung der Entgeltlichkeit keinen rein feststellenden, sondern gestaltenden Charakter: Einigen sich die Parteien über eine Gegenleistung, so wird ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Gegenleistung und regelmäßig sogar ein Anspruch auf dieselbe geschaffen. Während es also keine Probleme bereitet, die Unentgeltlichkeit auch ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien als Leistung ohne vereinbarte Gegenleistung zu definieren, müsste man bei einem erweiterten Verständnis der Entgeltlichkeit erst einmal positiv festlegen, welche Vermögenseinbußen des Empfängers als Gegenleistungsäquivalent gelten. Anders als im Rahmen der Unentgeltlichkeit gibt es im allgemeinen Zivilrecht daher auch keine Ansätze für eine Differenzierung zwischen einem engen und einem weiten Verständnis der Entgeltlichkeit: Entgeltlich ist eine Leistung nur, wenn eine Gegenleistung vereinbart wurde – Unentgeltlichkeit kann hingegen auch dann vorliegen, wenn jede Vereinbarung fehlt, da die Einigung über die Unentgeltlichkeit nur die Feststellung des Fehlens einer Gegenleistung ist.20 b) Diese Erwägungen sprechen dagegen, den Begriff der Entgeltlichkeit erweitert zu verstehen und dadurch eine zusätzliche Unsicherheit in den Tatbestand des § 134 InsO hineinzutragen. Die Entgeltlichkeit ist im Rahmen des § 134 InsO eng zu verstehen: Sie muss zwischen den Parteien in einer wirksamen materiellen Causa vereinbart werden.21 Daraus folgt zugleich, dass der 18

Siehe oben S. 204 ff. Vgl. Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (106 f.). Er zweifelte aus diesem Grund sogar nach dem Inkrafttreten des BGB daran, dass der Schenkungstatbestand tatsächlich eine rechtsgeschäftliche Abrede enthalten müsse; es sei befremdlich, dass eine rechtsgeschäftliche Erklärung darauf gerichtet sein soll, eine bestimmte Rechtsfolge – den Erwerb einer Gegenleistung – nicht zu wollen. 20 Vgl. auch RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (356), das einen engen und einen weiten Begriff der Unentgeltlichkeit in diesem Sinne anerkannte. 21 Vgl. auch Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 307; Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 37: „Die Unentgeltlichkeit ist vielmehr nur dann zu verneinen, wenn eine 19

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Entgeltcharakter der Zuwendung zwischen den Parteien relativ zu bestimmen ist.22 Ein fremdes Kausalverhältnis, das eine Gegenleistung vorsieht und auf das die Schuldnerzuwendung bezogen wird, kann im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Begünstigten der Zuwendung noch keine Entgeltlichkeit erzeugen.23 Bloße Rechtswirkungen, die nicht durch eine Willenserklärung erzeugt werden, kommen nach diesem Verständnis als Gegenleistung nicht in Betracht. Sie können die Bereicherung entfallen lassen und damit bereits das Vorliegen der materiellen Zuwendung hindern, aber die Entgeltlichkeit begründen sie nicht.24 Eine Ausnahme ist lediglich für entgeltäquivalente Ausgleichsansprüche zu machen.25 Sie werden zwar kraft Gesetzes durch die Schuldnerzuwendung erzeugt, aber ersetzen lediglich eine entsprechende Absprache, die die Parteien ohne Eintritt der gesetzlichen Wirkung sicher getroffen hätten. Da es keinen Unterschied machen darf, ob die Parteien den Eintritt dieses Ausgleichsanspruchs vertraglich bestätigen oder angesichts der gesetzlichen Anordnung auf eine entsprechende kausalvertragliche Einigung verzichtet haben, sind sie den

Gegenleistung vereinbart worden ist“; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11: Als Gegenleistung werden nur solche Leistungen des Empfängers berücksichtigt, die nach der gemeinsamen Vorstellung der Parteien auch eine Gegenleistung für diejenige des Schuldners darstellen; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17, 17c: „Entscheidend ist, ob die Gegenleistung (…) vereinbart war“; Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1622). 22 So auch der BGH, wenn er bei der Tilgung einer fremden Schuld feststellt, dass für die Entgeltprüfung allein das Rechtsverhältnis zwischen dem verfügenden Schuldner und dem befriedigten Forderungsgläubiger als Anfechtungsgegner maßgeblich sei, vgl. Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 14; Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 17; Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (282). 23 Vgl. BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 17; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (282). 24 Anders die herrschende Meinung, die bei der Erfüllung eigener und fremder Verbindlichkeiten die „Gegenleistung“ in dem Verlust der Forderung bzw. dem Freiwerden von der Verbindlichkeit sieht, vgl. zur Erfüllung eigener Schulden S. 240 mit Fn. 300, 301, zur Erfüllung fremder Schulden S. 435 mit Fn. 36. 25 Im Gegensatz zu den unmittelbaren Rechtswirkungen wie dem Forderungsverlust bei der Erfüllungsleistung lassen die entgeltäquivalenten Ausgleichsansprüche die Bereicherung nicht entfallen: Da sie lediglich eine Ausgleichsverpflichtung vorsehen, wird der Begünstigte zunächst einseitig bereichert. Erst wenn er der Ausgleichsverpflichtung nachkommt, findet der Vermögensausgleich statt. Da dieser Vermögensausgleich somit von einer Verwirklichungshandlung abhängt, ähneln die entgeltäquivalenten Ausgleichsansprüche in ihren Wirkungen eher dem Entstehen einer Gegenleistungsverpflichtung als der Erfüllungswirkung, die unmittelbar endgültige Tatsachen schafft. Vgl. dazu oben S. 204 ff.

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kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistungen gleichzustellen,26 wenn sie auch die übrigen Voraussetzungen einer entgelttauglichen Gegenleistung i.S.d. § 134 InsO erfüllen.27 Einen solchen entgeltäquivalenten Ausgleichsanspruch stellt etwa die Rückgriffsforderung dar, die der Schuldner bei der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Geschäftsherrn erwirbt. c) Der Unentgeltlichkeitsanfechtung liegt somit ein weites Verständnis der Unentgeltlichkeit und ein enges Verständnis der Entgeltlichkeit zugrunde: Die Entgeltlichkeit ist grundsätzlich Gegenstand einer materiellen Causa zwischen den Parteien. Die Gegenleistung muss zwischen den Parteien wirksam kausalvertraglich vereinbart worden sein, um die Zuwendung entgeltlich zu machen. Die (objektive) Unentgeltlichkeit hingegen erfasst als eine Art Auffangtatbestand alle materiellen Zuwendungen, die nicht in diesem Sinne entgeltlich sind. Sie ist immer einschlägig, wenn es an einer zwischen den Parteien kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung des Begünstigten fehlt, etwa weil zwischen den Parteien keinerlei kausalvertragliche Bindung vorliegt oder die kausalvertragliche Bindung unwirksam ist. 3. Die subjektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit Auf subjektiver Ebene stellt sich nun die Frage, inwieweit die objektive Unentgeltlichkeit von den subjektiven Vorstellungen der Parteien begleitet werden muss. Eigenständig relevant wird die subjektive Seite der Unentgeltlichkeit vor allem dann, wenn die von den Parteien getroffene Kausalabsprache unwirksam ist oder die vereinbarte Gegenleistung den Wert der Schuldnerzuwendung nicht erreicht.28 Treffen die Parteien hingegen eine wirksame Kausalvereinbarung, in der kein oder ein ausgleichendes Entgelt vorgesehen ist, 26 A.A. wohl Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31a; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 109; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 212. Die übrigen Stimmen in der Literatur äußern sich zu dieser Frage meist nicht, weil sie davon ausgehen, dass es bei dem Erwerb einer werthaltigen Regress- oder Ausgleichsforderung bereits an der Gläubigerbenachteiligung fehle, vgl. nur Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 60; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 24. 27 Angesichts der subjektiven Anforderungen (vgl. dazu sogleich S. 292 ff.) ist dies nur der Fall, wenn sich zumindest der Schuldner darüber bewusst ist, infolge seiner Leistung einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch zu erwerben. Geht der Schuldner hingegen davon aus, seine Leistung sei nicht mit einem gesetzlichen Ausgleichsanspruchs verknüpft, scheidet dieser als Gegenleistungsäquivalent aus. Ob sich auch der Leistungsempfänger darüber bewusst war, dass infolge der Schuldnerleistung ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch entsteht, spielt keine Rolle. 28 Darüber hinaus können die subjektiven Anforderungen an die Unentgeltlichkeit grundsätzlich auch in denjenigen Fällen selbstständige Bedeutung erlangen, in denen die materielle Zuwendung des Schuldners aus sich heraus unentgeltlich ist, weil sie keines Rechtsgrundes bedarf und es daher an einer begleitenden Kausalabsprache vollkommen fehlt: Eine solche objektiv unentgeltliche Leistung integriert die subjektiven Parteivorstellungen noch

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tritt die subjektive Seite der Unentgeltlichkeit nicht selbstständig hervor, weil bereits die objektiven Voraussetzungen der (Un-)Entgeltlichkeit auf Grundlage der Parteivereinbarung zu bestimmen sind: Entgeltlich ist die Zuwendung nur, wenn die Parteien eine Gegenleistung vereinbaren wollten. Erst durch ihre Vereinbarung schaffen sie überhaupt das Entgelt – und damit ist die Entgeltlichkeit zugleich von ihrem Willen gedeckt.29 Ist in ihrer Vereinbarung hingegen keine Gegenleistung vorgesehen, ist die Abrede auf eine unentgeltliche Leistung gerichtet. Damit ist zugleich der Nachweis für die subjektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit erbracht. a) Die subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist von einem starken subjektiven Element auf Schuldnerseite geprägt, das aus den teleologischen Wurzeln des § 134 InsO herrührt und durch die historischen und systematischen Bezüge der Norm gestützt wird.30 Die Anfechtung wird gerechtfertigt durch den Vorwurf gegenüber dem Schuldner, von dem Begünstigten kein ausgleichendes Entgegenkommen gefordert zu haben und durch dieses marktunübliche Verhalten die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage gestellt zu haben. Dieser Vorwurf setzt voraus, dass die Verwirklichung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 134 InsO von dem Wissen und Willen des Schuldners gedeckt ist. Er muss nicht nur Kenntnis von der objektiven Bereicherung des Empfängers haben,31 sondern auch wissen und wollen, dass diese Bereicherung einseitig bleibt und nicht durch eine äquivalente Gegenleistung ausgeglichen wird. Nur in diesem Fall ist das Verhalten des Schuldners wirtschaftlich unüblich und gefährdet leichtfertig seine wirtschaftliche Existenz. Geht der Schuldner hingegen irrtümlich davon aus, seine Zuwendung sei wirksam mit einer Gegenleistung des Empfängers verknüpft, die er nachvollziehbar als ausgleichendes Äquivalent ansehen durfte, scheidet die Anwendung des § 134 InsO auch dann aus, wenn diese Gegenleistung tatsächlich gar nicht besteht oder den Wert der Leistung nicht erreicht. Denn ein Schuldner, der eine Zuwendung in

nicht in die Prüfung der objektiven Unentgeltlichkeit. Da in diesen Fällen jedoch keinerlei Kausalvereinbarung im Raum steht, aus der sich eine Gegenleistung ergeben könnte, sind sich die Parteien in aller Regel über die Unentgeltlichkeit bewusst, sodass hier ein Auseinanderfallen von objektiver und subjektiver Unentgeltlichkeit kaum jemals eintreten wird. 29 Unbeachtlich ist, ob der innere Wille des Schuldners auf Freigebigkeit gerichtet war, solange er nach dem objektiven Empfängerhorizont (§ 157 BGB) als Wille zum Abschluss eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts aufgefasst werden konnte: Der Leistungsempfänger ist nun zum Erbringen einer ausgleichenden Gegenleistung verpflichtet. Daher fehlt es bereits an der objektiven Unentgeltlichkeit, denn eine wirksam vereinbarte Gegenleistung liegt vor. Der innere Wille des Schuldners zur Unentgeltlichkeit allein kann § 134 InsO nicht auslösen. 30 Siehe oben S. 142 ff. 31 Dazu oben S. 216 ff.

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der irrtümlichen Vorstellung vollzieht, auch der andere Teil mache ein ausgleichendes Zugeständnis, gefährdet durch sein Verhalten nicht die Mindestvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung. Vielmehr gehört es zum allgemeinen Geschäftsrisiko, dass ein Schuldner Geschäfte abschließt, die sich im Ergebnis als wirtschaftlich nachteilig erweisen und dazu führen, dass ein Dritter einseitig einen Vorteil erhält. Dieses Risiko müssen die Gläubiger hinnehmen, solange ihr Schuldner nicht bewusst die einseitige Begünstigung des Dritten billigt. Das subjektive Element auf Schuldnerseite erscheint auch mit Blick auf das grundsätzlich weite Verständnis der Unentgeltlichkeit geboten. Denn schaut man allein auf die objektive Seite, so zeigt sich ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den im Kern verwandten Begriffen der Entgeltlichkeit und der Unentgeltlichkeit. An die Entgeltlichkeit werden sehr hohe Anforderungen gestellt: Die taugliche Gegenleistung muss im Sinne des engen rechtsgeschäftlichen Verständnisses zwischen den Parteien vereinbart worden sein. Für die Unentgeltlichkeit gelten diese Anforderungen nicht. Ihr einziges Ausschlusskriterium ist das Nichtvorliegen der an hohe Anforderungen geknüpften Gegenleistung. Sie wird damit zu einem Auffangtatbestand für alle Zuwendungen, denen keine Gegenleistung im engeren Sinne gegenübersteht. Würde man die Unentgeltlichkeit nun auch von allen subjektiven Voraussetzungen befreien, so würde das Gleichgewicht zwischen den beiden Schwesterbegriffen vollständig aufgegeben. Die subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite bilden daher das notwendige Pendant zum eng verstandenen Gegenleistungsbegriff, das das Gleichgewicht zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit zumindest in den Grundzügen wieder herstellt. b) Die subjektiven Voraussetzungen auf Empfängerseite Dem starken subjektiven Element auf Schuldnerseite steht im Rahmen des § 134 InsO ein strukturell schwaches Element auf Empfängerseite gegenüber.32 Der Anfechtungsgegner muss lediglich erkennen können, überhaupt von irgendjemandem bewusst begünstigt zu werden.33 Die objektiv bereichernde Wirkung der Zuwendung muss für ihn ebenso wenig erkennbar sein wie die Person des Zuwendenden. Damit ist letztlich bereits die Frage nach den subjektiven Anforderungen an die Unentgeltlichkeit auf Empfängerseite beantwortet: Kann der Empfänger schon seine objektive Bereicherung nicht erkennen, wird sich die Frage nach einem Entgelt für ihn gar nicht stellen. Muss ihm also bereits die Bereicherung als Grundvoraussetzung der Unentgeltlichkeit nicht bekannt sein, folgt daraus zugleich, dass für ihn auch die objektive Un-

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Siehe oben S. 149 ff. Siehe oben S. 220 ff.

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entgeltlichkeit des Erwerbs nicht erkennbar gewesen sein muss. Es schadet daher nicht, wenn der Empfänger irrtümlich davon ausgeht, seine Gegenleistung sei wirksam mit der Schuldnerleistung verknüpft oder erreiche den Wert der Schuldnerleistung. Vielmehr genügt es, wenn dem Schuldner diese Umstände bekannt sind, er dem Empfänger gegenüber aber ein wirksames, ausgeglichenes Austauschverhältnis vorspiegelt.34 Der Schutz des Empfängers wird vielmehr auf Ebene der objektiven Tatbestandsmerkmale des § 134 InsO sichergestellt.35 Ebenso, wie eine Inanspruchnahme des Empfängers nur in Betracht kommt, wenn er tatsächlich objektiv bereichert wird, ist auf Ebene der Unentgeltlichkeit der Zugriff auf den Begünstigten nur möglich, wenn seinem Erwerb auch tatsächlich keine kausalvertraglich verknüpfte Gegenleistung gegenübersteht. Zudem setzt der Vorwurf des Schuldnerfehlverhaltens voraus, dass der Schuldner sich marktunüblich verhalten hat.36 Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn sich der Schuldner auf eine geringfügig zu niedrige Gegenleistung einlässt. Nur wenn das Austauschverhältnis den Bereich des Marktüblichen verlässt, ist die Verwirklichung einer funktionierenden Haftungsordnung in ausreichender Weise gefährdet und eine Inanspruchnahme des Empfängers ist gerechtfertigt. 4. Die Prüfung der Unentgeltlichkeit Die Prüfung der Unentgeltlichkeit konzentriert sich demnach in erster Linie auf die Frage, ob der materiellen Zuwendung des Schuldners eine kausalvertraglich vereinbarte Gegenleistung gegenübersteht und der Schuldner die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung kannte. a) Liegt zwischen den Parteien eine materielle Zuwendung i.S.d. § 134 InsO vor, aber fehlt es an einem begleitenden Kausalverhältnis, ist die Prüfung der Unentgeltlichkeit sehr einfach: Mangels Kausalabsprache kann die Zuwendung von vornherein nicht mit einer entgeltbegründenden Gegenleistung verknüpft sein. Die Schuldnerleistung ist daher notwendig objektiv unentgeltlich. Auch 34 So auch BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NZI 2013, 841 (843) in Rn. 21; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10, 12; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140) in Rn. 6; KG, Urt. v. 30.07.2010 – 14 U 194/09, NZI 2010, 775 (776); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 45; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 10; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (280 f.); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 14; ders., AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 21; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 14; Thole, Gläubigerschutz, S. 457 f.; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 143 ff. A.A. das österreichische Recht, vgl. oben S. 125 ff. Aus dem deutschen Recht ebenfalls anders Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20; Kamlah, Anfechtung, S. 86 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208; allgemein zu den subjektiven Ansätzen vgl. oben S. 46 ff. 35 Vgl. oben S. 155 f. 36 Vgl. etwa oben S. 157 f.

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der Nachweis des subjektiven Elements auf Schuldnerseite dürfte keine Probleme bereiten: Da es an jeder kausalvertraglichen Verbindung zum Empfänger fehlt, gibt es für den Schuldner keinen Anlass, von einer entgeltlichen Zuwendung auszugehen. Bei Leistungen, die nicht von einer materiellen Causa begleitet werden, liegt der Schwerpunkt der Prüfung somit auf dem Nachweis der Voraussetzungen der materiellen Zuwendung. Die Prüfung der Unentgeltlichkeit steht dahinter in ihrer Bedeutung zurück. b) Etwas komplizierter gestaltet sich die Prüfung, wenn die Parteien eine Kausalvereinbarung getroffen haben, die an einem Wirksamkeitsmangel leidet. Die materielle Zuwendung bleibt objektiv unentgeltlich, weil es an einer wirksam vereinbarten Gegenleistung fehlt. Sah die gescheiterte Kausalabrede aber eine Gegenleistung des Empfängers vor, bestand für den Schuldner ein begründeter Anlass, von der Entgeltlichkeit seiner Zuwendung auszugehen. In diesem Fall rücken die subjektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit in den Vordergrund: Der Anfechtende muss nachweisen, dass der Schuldner Kenntnis von dem Fehlen einer wirksam verknüpften Gegenleistung – also der Unwirksamkeit der Kausalvereinbarung – hatte. Gelingt ihm dies nicht, kann er den Begünstigten nicht im Wege der Anfechtung in Anspruch nehmen, auch wenn der Schuldnerleistung objektiv keine wirksam verknüpfte Gegenleistung des Empfängers gegenüberstand.37 Der Anfechtende ist nun auf die bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche verwiesen.38 c) Im Regelfall wird die materielle Zuwendung des Schuldners von einer wirksamen Kausalvereinbarung zwischen den Parteien begleitet. Hier steht die Prüfung der ‚objektiven’ Unentgeltlichkeit im Vordergrund: Mit der Kausalvereinbarung liegt die Grundvoraussetzung für die Vereinbarung einer Gegenleistung vor, und auf ihrer Grundlage muss die Unentgeltlichkeit von der Entgeltlichkeit abgegrenzt werden. Entscheidend dafür ist, ob die Parteiabsprache ein ausgleichendes Zugeständnis des Empfängers vorsieht oder nicht. Dies ist im Wege der Auslegung zu bestimmen, wofür auf die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des bürgerlichen Rechts zurückgegriffen werden kann, §§ 133, 157 BGB.39 Ziel der Auslegung ist danach, den hinter den Erklärungen stehenden Geschäftswillen der Parteien zu ermitteln.40 Nur wenn der tatsächliche Wille des Erklärenden von der objektiven Bedeutung seiner – empfangsbedürftigen – Erklärung abweicht und es dem Empfänger nicht möglich war, auch unter

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Ausführlich zur Anfechtbarkeit rechtsgrundloser Leistungen unten S. 392 ff. Der anfechtende Gläubiger kann außerhalb der Insolvenz den Bereicherungsanspruch pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, der anfechtende Insolvenzverwalter kann den Anspruch zur Masse ziehen. 39 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 116; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17. 40 Brox/Walker, Allgemeiner Teil, 38. Aufl., Rn. 125. Auf § 134 InsO bezogen auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17. 38

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Heranziehung aller außerhalb der Erklärung liegenden Umstände den tatsächlichen Geschäftswillen des Erklärenden zu ermitteln, gilt der vom Empfänger wahrgenommene, normative Wille des Erklärenden als tatsächlicher Wille und das innerlich Gewollte ist unbeachtlich, vgl. § 157 BGB.41 Ist der Wille der Parteien danach übereinstimmend auf den Abschluss eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts gerichtet, so schadet es nicht, wenn sie dieses fälschlicherweise als entgeltlichen Vertrag, z.B. als Kaufvertrag, bezeichnen: Es gilt das übereinstimmend Gewollte (falsa demonstratio non nocet), und danach ist das Kausalgeschäft – unabhängig von der anderslautenden objektiven Erklärung – unentgeltlich.42 Umgekehrt liegt ein entgeltliches Kausalgeschäft vor, wenn die Parteien einen Austauschvertrag als ‚Schenkung’ bezeichnen oder eine verdeckte Gegenleistung vereinbaren.43 Erst recht ist es unschädlich, wenn die Parteien ein Kausalgeschäft – etwa aus steuerlichen Gründen – bewusst nur zum Schein als entgeltliches Rechtsgeschäft abschließen, obwohl sie tatsächlich übereinstimmend ein unentgeltliches Rechtsgeschäft wollen (sog. verschleierte Schenkung).44 Das lediglich vorgespiegelte, entgeltliche Scheingeschäft ist dann nichtig, § 117 Abs. 1 BGB.45 Das verdeckte unentgeltliche Rechtsgeschäft hingegen ist grundsätzlich46 wirksam, § 117 Abs. 2 BGB.47 41

BGH, Urt. v. 26.10.1983 – IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721; Brox/Walker, Allgemeiner Teil, 38. Aufl., Rn. 136. 42 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 116 f. 43 OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (33); Bork, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 50; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 31; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17. 44 BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); BAG, Urt. v. 18.09.2014 – 6 AZR 145/13, ZIP 2014, 2519 in Rn. 21; RG, Urt. v. 08.06.1936 – IV 53/36, JW 1936, S. 2919 Nr. 12 (zu § 2113 BGB); LG Berlin, Urt. v. 06.03.2007 – 37 I 95/06, DZWiR 2007, 306 (307); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14; Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 35; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G42. 45 RG, Urt. v. 06.04.1892 – V 344/91, RGZ 29, 265 (266); Bork, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 134 Rn. 55; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 6; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 35; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 41a; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 24; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 21; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 212; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14. 46 Handelt es sich bei dem verdeckten Rechtsgeschäft um eine Versprechensschenkung, kann es an dem Formerfordernis des § 518 BGB fehlen. Bis zum Vollzug ist die Scheinschenkung dann unwirksam. Einer Anfechtung bedarf es nicht, da nicht einmal eine unentgeltliche Forderung entstanden ist. 47 RG, Urt. v. 07.02.1920 – V 343/19, RGZ 98, 124 (127); Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 25; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 50 Fn. 125; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 20. Die Fallkonstellation der verdeckten Schenkung lässt sich damit ohne Probleme anhand der im allgemeinen bürgerlichen Recht geltenden Grundsätze lösen. Nicht nachvollziehbar ist, warum Thole, Gläubigerschutz, S. 453 dasselbe Ergebnis vorrangig aus

I. Grundsätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit

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Sein Vollzug ist in vollem Umfang als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar.48 5. Der Zeitpunkt der Entgeltbewertung Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die materielle Zuwendung des Schuldners mit einer ausgleichenden Gegenleistung verknüpft ist, ist derjenige Zeitpunkt, in dem sich der Schuldner unwiderruflich zu der Vorteilsverschaffung entscheidet und sich dadurch der Möglichkeit begibt, vom Begünstigten nachträglich noch ein Entgelt zu fordern.49 In diesem Zeitpunkt verwirklicht sich sein Schuldnerfehlverhalten. Der Entgeltbewertung ist somit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Verlustes der privatautonomen Gestaltungsfreiheit zugrunde zu legen. Haben die Parteien eine bloße Rechtsgrundabrede getroffen, aus der keine Forderungen erwachsen, so ist demnach nicht der Zeitpunkt der Abrede, sondern der tatsächlichen Zuwendung ausschlaggebend.50 Denn erst in diesem

den insolvenzrechtlichen Grundlagen des schuldnerbezogenen Anfechtungsrechts herleiten möchte und meint, eines Rückgriffs auf § 117 BGB bedürfe es nicht: Da das Insolvenzrecht auf dem allgemeinen bürgerlichen Recht aufbaut und dieses lediglich ergänzt, sollten immer die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften als Ausgangspunkt bei der Lösung von Problemkonstellationen dienen. Nur wenn diese nicht weiterhelfen, sind die insolvenzspezifischen Wertungsgrundlagen heranzuziehen. 48 BAG, Urt. v. 18.09.2014 – 6 AZR 145/13, ZIP 2014, 2519 in Rn. 21; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 40 f.; Thole, Gläubigerschutz, S. 453. Vgl. auch RG, Urt. v. 06.04.1892 – V 344/91, RGZ 29, 265 (266); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 55; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 35; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 30; Huber, in: Gottwald, InsRHdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 15; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24, 41a; Nerlich, in: Nerlich/ Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 24; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 21; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G42; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 215; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 212; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14. Vgl. auch BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381). 49 Es kommt daher für die Prüfung der Unentgeltlichkeit nicht auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs i.S.d. § 140 Abs. 1 InsO an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem der Schuldner die Zuwendung unwiderruflich in Gang gesetzt hat – Unterschiede wird es wegen § 140 Abs. 2 InsO in der Praxis allerdings selten geben. Die ganz herrschende Meinung bestimmt den maßgeblichen Zeitpunkt für die Unentgeltlichkeit hingegen nach § 140 InsO, vgl. nur BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 in Rn. 12; Bork, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 41; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 36; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 27; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 20; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 16. 50 So auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 20; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 16. Zu pauschal hingegen Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 37 mit der Aussage, der Entgeltcharakter der Schuldnerleistung sei stets

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Moment büßt der Schuldner die Freiheit ein, sich für oder gegen eine Begünstigung des Empfängers zu entscheiden. Begründet der Schuldner hingegen zugunsten des Empfängers eine Forderung, die diesen zum zwangsweisen Einfordern des Vorteils ermächtigt, so ist der Zeitpunkt der Forderungsbegründung maßgeblich.51 Denn bereits in diesem Zeitpunkt verliert der Schuldner die Möglichkeit, anschließend noch frei über die Vorteilsverschaffung zu entscheiden. Sein Fehlverhalten hat sich bereits in der Forderungsbegründung manifestiert. Ändert sich nach der Forderungsbegründung die Sachlage, etwa weil die ausbedungene Gegenleistung nachträglich an Wert verliert und die Schuldnerzuwendung nun nicht mehr vollständig ausgleichen kann, so hat dies auf die Entgeltbewertung keinen Einfluss.52 Denn dem Schuldner stand keine Möglichkeit mehr offen, ein angemessenes Austauschverhältnis herzustellen. Die Situation ändert sich allerdings erneut, wenn die Forderung ihren Sicherungscharakter nachträglich einbüßt, etwa durch den Eintritt der Verjährung. Dann darf der Schuldner wieder frei entscheiden, ob er die materielle Zuwendung vornimmt oder nicht. Ob sie mit einer ausgleichenden Gegenleistung verknüpft ist, ist daher im Zeitpunkt der Leistung auf die verjährte Forderung einer erneuten Beurteilung zu unterziehen. 6. Ergebnis Der Unentgeltlichkeitsanfechtung liegt ein weiter Unentgeltlichkeitsbegriff zugrunde: Jede Leistung, die nicht wirksam mit einer kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung verknüpft ist, ist objektiv unentgeltlich. Eine Leistung, der kein (wirksames) Kausalgeschäft zugrunde liegt, ist somit stets objektiv unentgeltlich. Insoweit entspricht die anfechtungsrechtliche Unentgeltlichkeit dem weiten Verständnis, das auch § 988 BGB verwirklicht. Allerdings muss die objektive Unentgeltlichkeit von einem entsprechenden Willen des Schuldners begleitet werden. Mit diesem ergänzenden subjektiven Element geht § 134 InsO über die Anforderungen des § 988 BGB hinaus. Die Gefahr einer uferlosen Ausdehnung besteht zudem auch deshalb nicht, weil nur besonders qualifizierte Vorteilsverschaffungen, die die Anforderungen einer materiellen Zuwendung erfüllen, überhaupt in den Anwendungsbereich des § 134 InsO fallen.53

nach dem Umständen im Zeitpunkt der Vornahme des Kausalgeschäfts zu beurteilen, sofern es zwischenzeitlich zu keiner Änderung des Leistungszwecks gekommen sei. 51 Vgl. Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 20. 52 Vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 37; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 20. A.A. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 27, sofern sich der Schuldner bei der Erfüllung über den Wertverlust bewusst war. 53 Darin liegt der Unterschied zur herrschenden Meinung, die die Unentgeltlichkeit weit versteht, aber an den Zuwendungsvorgang keine qualifizierenden Anforderungen stellt:

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit schließen sich somit gegenseitig aus: Eine materielle Zuwendung ist entweder entgeltlich oder unentgeltlich. Das maßgebliche Abgrenzungskriterium ist die zwischen den Parteien vereinbarte Gegenleistung. Zurückhaltung geboten ist allerdings bei der weit verbreiteten Aussage, jede Leistung, die nicht entgeltlich sei, sei automatisch unentgeltlich und umgekehrt.54 Zunächst einmal rechtfertigt sie sich von vornherein nur im Anwendungsbereich der materiellen Zuwendungen: Nur diese können in die Kategorien von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit eingeteilt werden. Vorteilsverschaffungen, die die Voraussetzungen einer materiellen Zuwendung nicht erfüllen, sind weder entgeltlich noch unentgeltlich, sondern notwendig entgeltneutral.55 Doch selbst im Anwendungsbereich der materiellen Zuwendungen beansprucht die Dichotomie von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit nicht uneingeschränkt Geltung. Denn die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO ist nicht allein von objektiven Merkmalen abhängig, sondern fordert auch ein subjektives Element auf Schuldnerseite. Auf objektiver Ebene mag jede materielle Zuwendung, die nicht entgeltlich ist, unentgeltlich sein. Geht der Schuldner jedoch irrtümlich vom Bestehen einer Gegenleistung aus, so ist die Zuwendung weder entgeltlich noch unentgeltlich: Auf objektiver Ebene fehlt es an der wirksam vereinbarten Gegenleistung, auf subjektiver Ebene an einem entsprechenden Unentgeltlichkeitswillen des Schuldners. II. Die Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung des Empfängers II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

Das maßgebliche Abgrenzungskriterium zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit ist die kausalvertraglich vereinbarte Gegenleistung des Empfängers. Die Prüfung der Unentgeltlichkeit konzentriert sich damit in erster Linie auf die Frage, welche Anforderungen an eine solche Gegenleistung zu stellen sind. Der Begriff der ‚Gegenleistung’ gibt dabei bereits zwei Merkmale vor: Zum einen muss es sich um eine ‚Leistung’ des anderen Teils handeln: Der Begünstigte muss also ein Zugeständnis erbringen, das geeignet ist, der Schuldnerleistung auf Augenhöhe gegenüberzutreten. Die grundlegenden Charaktermerkmale eines solchen ausgleichsgeeigneten Entgegenkommens des Begünstigten gilt es zunächst zu konturieren (1.). Um eine ‚Gegen’-Leistung zu werden, muss die Leistung des Begünstigten zudem in ein besonderes Verhältnis zur Schuldnerleistung gesetzt werden: Die beiden Leistungen müssen miteinander verknüpft sein. Wie diese Verknüpfung ausgestaltet sein muss, ist unter Fasst man die Unentgeltlichkeit ohne qualifizierende Anforderungen an die Zuwendung so weit, droht tatsächlich die Gefahr einer uferlosen Ausdehnung. 54 So etwa Heim, Schenkungsanfechtung, S. 108 f. 55 Zu pauschal daher Heim, Schenkungsanfechtung, S. 108, der meint, jede Leistung müsse entweder entgeltlich oder unentgeltlich sein, dies sei „naturgemäß“ vorgegeben, aber dennoch an den Zuwendungsvorgang keine qualifizierenden Anforderungen stellt: Damit ignoriert er den Anwendungsbereich der entgeltneutralen Vorteilsverschaffungen.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

(2.) zu untersuchen. Schließlich muss die Gegenleistung einen angemessenen Ausgleich für die Leistung des Schuldners bieten. Wiegt sie die Schuldnerleistung nur teilweise auf, handelt es sich um eine entgeltgemischte Zuwendung. Es ist daher zu klären, nach welchen Grundsätzen sich das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Rahmen des § 134 InsO bestimmt und welche Rechtsfolgen eine entgeltgemischte Zuwendung im Rahmen der Anfechtung nach sich zieht (3.). Die Beantwortung dieser Fragen hat sich zunächst an allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu orientieren. In ihrer Vereinbarung konstituieren die Parteien originär die Gegenleistung. Da es um die Auslegung der Parteivereinbarung geht, ist in erster Linie maßgeblich, ob der Wille der Parteien auf einen angemessenen Leistungsaustausch oder die einseitige Begünstigung des einen Vertragsteils gerichtet ist. Die gesamte Entgeltprüfung beruht somit auf einem subjektiven Fundament: Der Parteiwille entscheidet darüber, ob die Schuldnerzuwendung entgeltlichen Charakter hat und damit der Anfechtung entzogen ist. Diese Macht der subjektiven Parteiauffassung tritt allerdings in ein Spannungsverhältnis mit den Interessen der Gläubiger. Da in aller Regel sowohl der Begünstigte als auch der Schuldner daran interessiert ist, den Gläubigern den Zugriff auf den Zuwendungsgegenstand zu verwehren, begründet das Abstellen auf ihre subjektiven Einschätzungen eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr: Es stünde den Parteien offen, jedes beliebige Entgegenkommen des Empfängers als ausgleichsgeeignete Gegenleistung qualifizieren und damit die Schuldnerzuwendung der Anfechtung zu entziehen.56 Im Schenkungsrecht mag der rein subjektive Bewertungsmaßstab nicht zu Nachteilen führen, weil sich hier die am Vertrag beteiligten Parteien als Anspruchsgegner gegenüberstehen.57 Im Anfechtungsrecht hingegen müssen die Gläubiger als außenstehende Dritte beweisen, dass das zwischen den Parteien vereinbarte Entgegenkommen keine ausgleichende Gegenleistung ist. Behaupten die Vertragsparteien, sie persönlich hätten das Zugeständnis als angemessenen Ausgleich angesehen, wird den Gläubigern dieser Nachweis kaum gelingen. Das Anfechtungsrecht hat daher sicherzustellen, dass der Schuldner und sein Vertragspartner den Zweck der Anfechtung nicht einfach dadurch aushebeln können, indem sie dem Zugeständnis des Empfängers willkürlich einen subjektiven Wert beimessen und dadurch entgeltlichen Charakter verleihen.58 Die Grundlage für die Frage, ob eine Gegenleistung vorliegt, bleibt zwar die Parteiabsprache. Allerdings ist stets zu prüfen, ob dem Bewertungsmaßstab der subjektiven Parteieinschätzung objektiv-normative Grenzen zu setzen sind. 56

Zur Missbrauchsgefahr vgl. BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396 f.); Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 5, 14; Thole, Gläubigerschutz, S. 449; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 211. 57 Vgl. zum rein subjektiven Maßstab im Schenkungsrecht oben S. 108 f. 58 Thole, Gläubigerschutz, S. 449.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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1. Die Grundvoraussetzungen einer ausgleichsgeeigneten Gegenleistung Die Gegenleistung des Empfängers ist das Gegenstück zur ausgleichsbedürftigen Schuldnerzuwendung. Beide Zuwendungen müssen sich auf Augenhöhe begegnen. An die Gegenleistung des Empfängers sind daher grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen wie an die materielle Zuwendung des Schuldners.59 Auch sie muss eine in privatautonomer Gestaltungsfreiheit vorgenommene, bewusste Vorteilsverschaffung des Leistungsempfängers an den Schuldner darstellen. Allerdings ist zu beachten, dass bei den Anforderungen an die materielle Zuwendung des Schuldners stets die Frage im Vordergrund stand, ob diese Zuwendung eine solche Intensität erreicht, dass vom Schuldner die Vereinbarung einer Gegenleistung erwartet werden konnte.60 Wirtschaftliche Vorteile, bei denen die Vereinbarung einer Gegenleistung zwar denkbar erscheint, aber nicht erwartet werden kann, schieden daher als ausgleichsbedürftige materielle Zuwendungen i.S.d. § 134 InsO aus.61 Bei den Anforderungen an die Gegenleistung ändern sich hingegen die Vorzeichen: Der Vorwurf gegenüber dem Schuldner, entgegen der wirtschaftlichen Vernunft kein Entgelt gefordert zu haben, ist schon dann ungerechtfertigt, wenn er vom Begünstigten ein Entgegenkommen fordert, das seiner Leistung wenigstens im Ansatz entspricht. Während an die ausgleichsbedürftige materielle Schuldnerzuwendung somit erhöhte Anforderungen zu stellen sind, sind die Anforderungen an die ausgleichstaugliche Gegenleistung herabgesetzt. Die Gegenleistung muss nicht zwingend die Qualität einer ausgleichsbedürftigen materiellen Zuwendung aufweisen. Es genügt ein Entgegenkommen des Begünstigten, das mit der materiellen Zuwendung qualitativ oder wirtschaftlich vergleichbar ist. a) Gegenleistung als selbstständiges Entgegenkommen im Interesse des Schuldners Eine der Schuldnerzuwendung zumindest qualitativ gleichwertige Gegenleistung erfordert eine eigenständige Förderung der Interessen des Schuldners durch den Leistungsempfänger. Diese zeichnet sich durch vier grundlegende Charaktermerkmale aus. Notwendig ist (aa) ein Verhalten des Empfängers, das in einem Handeln oder Unterlassen bestehen kann. Dieses Empfängerverhalten muss als Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse des leistenden Schuldners eingesetzt werden (bb).62 Als echtes Zugeständnis kann das Empfängerverhal-

59

Vgl. Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (93): „Hinsichtlich der Begriffsbestimmung der Gegenleistung gelten genau dieselben Regeln wie hinsichtlich der Leistung.“ 60 Vgl. oben S. 178 ff. 61 Vgl. oben etwa S. 199 f. 62 Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (93).

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

ten weiterhin nur dann gewertet werden, wenn es nicht ohnehin bereits gesetzlich oder vertraglich angeordnet wurde (cc). Und schließlich muss die Gegenleistung der vom Schuldner erbrachten Leistung selbstständig gegenübertreten (dd). Erforderlich ist, dass sich das Zugeständnis des Empfängers von der empfangenen Leistung emanzipieren kann und nicht lediglich die durch die Leistung verschafften Vorteile modifiziert. aa) Tätigwerden Die Gegenleistung bedarf zunächst einer nennenswerten menschlichen Tätigkeit des Begünstigten.63 Dieses Tätigwerden kann in einer Rechtsübertragung, aber auch in einem sonstigen Handeln oder Unterlassen zugunsten des Schuldners liegen. Erhält der Schuldner hingegen infolge seiner Leistung einen Vorteil, zu dem der Begünstigte in keiner Weise durch eine eigene Tätigkeit beiträgt, mag es an der altruistischen Motivation der Schuldnerleistung fehlen,64 aber mangels Leistungshandlung des Begünstigen bleibt sie unentgeltlich.65 So begründet etwa die steuerliche Abzugsfähigkeit der Schuldnerleistung nicht deren Entgeltlichkeit, denn der Empfänger trägt zu diesem Vorteil in keiner Weise bei.66 Nicht anders ist es, wenn die Zuwendung der Verdeckung eines betrügerischen Verhaltens des Schuldners dient: Auch dieser Umstand steht der Unentgeltlichkeit nicht entgegen, solange der Empfänger die Verdeckung nicht durch ein entsprechendes Tun oder Unterlassen selbst unterstützt.67 Dasselbe gilt für die Zahlung von Verteidigerhonoraren eines Mitangeklagten in der Hoffnung, dadurch Vorteile im eigenen Strafverfahren zu erlangen: Solange der Mitangeklagte im Gegenzug nicht zugunsten des zahlenden Schuldners tätig wird, fehlt es an einer Gegenleistung, auch wenn sich die Unterstützung des fremden Verteidigers im Ergebnis auch für das Strafverfahren des

63

Vgl. Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1123); Seiler, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 657 Rn. 8. 64 Zu den Auswirkungen auf die Unentgeltlichkeitsanfechtung vgl. unten S. 381 ff. 65 Vgl. auch Siemon, BB 1991, S. 81 (82): „Gegenleistung des Empfängers kann nur sein, was dieser mitbringt.“ 66 I. E. auch Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 56; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 21; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 21. Vgl. auch Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 20 mit der fragwürdigen Begründung, dass die Anerkennung der Spendenquittung zur Steuerersparnis ja gerade voraussetze, dass die Leistung unentgeltlich für einen steuerlich förderungswürdigen Zweck erbracht wurde (Zirkelschluss!). 67 I.E. ebenso BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (103 f.); LG Wiesbaden, Urt. v. 09.04.1990 – 1 S 484/89, ZIP 1990, 596 (597); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 12; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 23. A.A. LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (193).

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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Schuldners als vorteilhaft erweist.68 In gleicher Weise schließt das rein persönliche Bestreben, sich durch Großzügigkeit die Zuneigung Nahestehender zu erwerben, die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht aus, denn auch hier fehlt es an einem Tätigwerden der Begünstigten im Interesse des Zuwendenden.69 Ebenso kann auch in dem bloßen Eintritt eines Ereignisses (z.B. dem Gewinn einer Meisterschaft) keine Gegenleistung liegen, sondern nur in der zur Herbeiführung des Erfolgs geleisteten Tätigkeit.70 bb) Förderung der Interessen des Schuldners Das Tätigwerden des Empfängers muss in erster Linie den Interessen des Schuldners zu dienen bestimmt sein. Daran fehlt es, wenn der Bestand der Schuldnerleistung an ein Verhalten des Empfängers geknüpft ist, das primär seine eigenen Interessen fördert. Damit eine Gegenleistung vorliegt, muss das geschuldete Verhalten den Interessen des Begünstigten zuwiderlaufen und stattdessen den Interessen des Leistenden gewidmet sein. Die Anfechtung gem. § 134 InsO greift daher durch, wenn der Begünstigte das Zugewendete zu einem bestimmten Zweck verwenden soll, der aber in erster Linie seinen eigenen Interessen dient. In diesem Fall handelt es sich um eine Zweckschenkung oder eine Schenkung unter Auflage,71 die in vollem Umfang als unentgeltliche Leistung anfechtbar ist.72 Auch wenn der Begünstigte 68

OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 ff.; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 38a. 69 I.E. ebenso RG, Ur.t v. 18.3.1910 – VII 279/09, LZ 1910, Sp. 558 f.; Bork, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 38; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a. 70 BGH, Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 9/08, NJW 2009, 2737 in Rn. 9; Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1122 f.). Missverständlich hingegen Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25, der formuliert, eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleistung könne im Gewinn einer Meisterschaft liegen. 71 Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (119). Im Gegensatz zur Schenkung unter Auflage wird bei der Zweckschenkung keine vertragliche Einigung über eine einklagbare Verpflichtung getroffen, sondern die Zweckerreichung ist nur Geschäftsgrundlage der Schenkungsabrede, wofür eine tatsächliche Willensübereinstimmung der Beteiligten über den verfolgten Zweck ausreicht, vgl. BGH, Urt. v. 23.09.1983 – V ZR 67/82, NJW 1984, 233; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.1995, 13 U 98/94, NJW-RR 1996, 517; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 45; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 8; Westermann, in: FS Kellermann, S. 505 (514). Ob im Einzelfall eine Zweckschenkung oder eine Schenkung unter Auflage vorliegt, richtet sich nach dem eigenen Interesse des Beschenkten an dem vereinbarten Zweck: Die Zweckschenkung liegt umso näher, je mehr die Zweckerreichung dem Interesse des Beschenkten dient; soll dagegen der Schenker oder ein Dritter begünstigt werden, kommt eher eine Auflagenschenkung in Betracht, vgl. Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 46; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 525 Rn. 6; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 8. 72 Zur vollständigen Unentgeltlichkeit der Schenkung unter Auflage vgl. unten S. 311 f. mit Fn. 111.

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die Zuwendung zurückgewähren muss, falls er sie nicht zu dem vereinbarten Zweck einsetzt,73 liegt darin keine Gegenleistung, solange die Zweckverwendung primär seinen eigenen Interessen und nicht den Interessen des Zuwendenden dient. Gibt etwa die Großmutter ihrem Enkel 500 Euro mit der Bestimmung, dass er sich davon einen ordentlichen Anzug kaufen soll, so erbringt der Enkel mit dem Kauf des Anzugs keine Gegenleistung, auch wenn sein endgültiger Erwerb von der Verwirklichung dieser Zweckbestimmung abhängen. Die Großmutter mag zwar auch ein eigenes – immaterielles – Interesse daran haben, dass ihr Enkel ordentlich gekleidet ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verwirklichung der Zweckbestimmung in erster Linie den Interessen des Enkels selbst dient. Nicht anders ist es, wenn eine Forschungsstiftung mit einer großzügigen Spende bedacht wird, um damit ein bestimmtes Thema zu erforschen, das dem Spender besonders am Herzen liegt. Die Forschungsleistung der Stiftung wird nicht zu einer dem individuellen Interesse des Spenders gewidmeten Tätigkeit, sondern die Stiftung kommt damit ihrem eigenen Satzungszweck nach und fördert auf diese Weise eigene Interessen.74 cc) Echtes Zugeständnis des Empfängers Das mit der Gegenleistung verknüpfte Verhalten muss sich als echtes Zugeständnis des Begünstigten darstellen, auf das er sich nur einlässt, weil er im Gegenzug die Schuldnerleistung erhält. Daran fehlt es, wenn der Empfänger ohnehin aus eigenen Stücken und ohne Rücksicht auf die Interessen des Schuldners oder aufgrund einer bereits bestehenden Verpflichtung in genau derselben Weise tätig geworden wäre. (1) Kein echtes Zugeständnis bei bloßer Fortführung einer bereits ausgeübten Tätigkeit (a) Hat sich der Leistungsempfänger bereits aus eigenem Antrieb zu einem bestimmten Verhalten entschlossen und wird dabei durch den Leistenden unterstützt, so liegt ein echtes Zugeständnis nur vor, wenn der Leistungsempfänger sein geplantes Verhalten erkennbar an die Bedürfnisse des Leistenden anpasst. Führt er hingegen lediglich eine Tätigkeit fort, die er sonst in gleicher Weise 73 Wird der vorgegebene Zweck bei der Zweckschenkung verfehlt, kann die Schenkung im Wege der Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) rückabgewickelt werden, BGH, Urt. v. 23.09.1983 – V ZR 67/82, NJW 1984, 233; OLG Köln, Urt. v. 10.11.1993 – 27 U 220/92, NJW 1994, 1540 (1541); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 45; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 525 Rn. 7; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 17a; Liebs, JZ 1978, S. 697 ff.; Westermann, in: FS Kellermann, S. 505 (514). 74 Vgl. auch Liebs, JZ 1978, S. 697 (699 f.): „Eine Gegenleistung ist die Durchführung des Forschungsvorhabens (…) aber auch schwerlich.“

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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vorgenommen hätte, so fehlt es an einem echten Zugeständnis auch dann, wenn die fortgeführte Tätigkeit den wirtschaftlichen Interessen des Leistenden dient. Hat etwa eine Gemeinde bereits einen Straßenausbau beschlossen, der auch die Zufahrt zu einer Arztpraxis verbessert, so steht einem Zuschuss des Arztes zum Ausbau der Straße nur dann ein echtes Zugeständnis der Gemeinde gegenüber, wenn diese im Gegenzug die Streckenführung zu seinen Gunsten anpasst oder den Straßenausbau bis zu seiner Praxis erweitert. Ansonsten bleibt der Zuschuss unentgeltlich.75 Spenden an politische Parteien wiederum sind stets unentgeltlich, weil jede Anpassung der ohnehin ausgeübten Parteitätigkeit an die individuellen Interessen des Spenders dem Charakter als Parteispende entgegensteht.76 Auch die finanzielle Unterstützung eines Sportclubs durch ein örtliches Unternehmen, das sich durch die Finanzspritze eine positive Berichterstattung erhofft, ist grundsätzlich unentgeltlich.77 Denn die bloße Fortführung des üblichen Spielbetriebs ist für sich gesehen noch kein gegenleistungstaugliches Zugeständnis.78 Die finanzielle Unterstützung wäre erst dann als entgeltliche Leistung zu qualifizieren, wenn der Sportclub die Werbewirkung im Rahmen eines echten Sponsorings und nicht allein durch die Fortführung des Spielbetriebs aktiv unterstützt.79 75

I.E. ebenso Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 63 f. I. E. ebenso OLG Celle, Urt. v. 09.07.2009 – 13 U 18/19, ZIP 2009, 1531; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 56; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 115; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 34; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 79; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 6; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 16; vgl. auch Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1622). Auf Rechtsfolgenseite ist umstritten, ob Spenden an politische Parteien unter den Begriff des Gelegenheitsgeschenks i.S.d. § 134 Abs. 2 InsO fallen können: Dafür Aden, BB 1985, S. 366 (369); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 159; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 78; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 60; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 46; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 20. Dagegen Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 32; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 195; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 43. Offen gelassen von OLG Celle, Urt. v. 9.07.2009 – 13 U 18/09, ZIP 2009, 1531. 77 Vgl. den Fall OLG Dresden, 02.03.2006 – 13 U 2242/05, SpuRT 2007, 169 f. (zu § 516 BGB), bei dem aber die Besonderheit hinzukam, dass der Sportclub bereits insolvent war und seine Spieltätigkeit daher nur aufgrund der Zuwendung des Unternehmers weiter fortführte (dazu sogleich). 78 Vgl. zu den Grenzen der tauglichen Gegenleistung beim Sponsoring auch Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1623). 79 Zur Entgeltlichkeit des Sponsorings im Rahmen von § 134 InsO vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 117; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 40; Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1623). Zum fehlenden Schenkungscharakter des Sponsoringvertrags vgl. auch Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25; Sefrin, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 516 Rn. 46. 76

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Die bloße Fortführung einer bereits ausgeübten Tätigkeit wird allerdings dann zu einem echten Zugeständnis an den Leistenden, wenn der Empfänger seine Tätigkeit eigentlich einstellen wollte und sie nun allein aufgrund der Zuwendung des Leistenden weiter aufrechterhält. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Großaktionär einem renommierten Vorstandsvorsitzenden Sonderzahlungen zukommen lässt und ihn so von einem beabsichtigten Rücktritt abhält.80 Dann kann ausnahmsweise davon gesprochen werden, dass die schon vorher ausgeübte Tätigkeit nunmehr den Interessen des Leistenden gewidmet wird. (b) Insbesondere bei der Auslobung (§ 657 BGB) kann fraglich sein, ob der Begünstigte die ausgelobte Handlung bzw. den ausgelobten Erfolg tatsächlich den Interessen des Auslobenden gewidmet hat. Da der Auslobende die Belohnung durch einseitiges Rechtsgeschäft ohne Mitwirkung des Begünstigten mit der ausgelobten Handlung verknüpfen kann,81 muss der Handelnde gar keine Kenntnis davon haben, dass ihn eine Belohnung erwartet oder dass seine Tätigkeit überhaupt den Interessen eines anderen dient, § 657 S. 2 BGB. (aa) Gleichwohl wird die Auslobung im allgemeinen Zivilrecht von vielen als entgeltliches Rechtsgeschäft qualifiziert.82 Die Belohnung sei die Gegenleistung für die Vornahme der ausgelobten Handlung. Für Walter Beck hingegen ist die Auslobung weder entgeltlich noch unentgeltlich.83 Die Entgeltbewertung setze voraus, dass der andere Teil an der Bestimmung des Entgelts mitwirkt und nicht die Gefahr besteht, dass sich ein anderer das Entgelt schon vor ihm gesichert habe. Dies spiegele sich auch im Wortlaut des § 657 BGB wider, der von einer Belohnung und eben nicht von einem Entgelt spreche. (bb) Überzeugen kann keine dieser Ansichten. Becks generelle Ablehnung der Entgeltlichkeit erscheint zu pauschal: Das Entgelt ist auch bei einem zweiseitigen Vertrag nicht immer frei verhandelbar.84 Es gehört zum Charakter der 80 Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (32); ebenso Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 38a. Dasselbe galt auch im Fall des OLG Dresden, Urt. v. 02.03.2006 – 13 U 2242/05, SpuRT 2007, 169 f. (zu § 516 BGB), vgl. soeben Fn. 77. Zur Entgeltlichkeit einer „Halteprämie“ an einen Arbeitnehmer vgl. BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 49 ff.: Gegenleistung sei die vom Arbeitnehmer zu-gestandene „Betriebstreue“; ebenso Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 156. 81 Zum Charakter der Auslobung als einseitiges Rechtsgeschäft vgl. nur Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 194¸ Seiler, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 657 Rn. 4. Anders noch die vor Inkrafttreten des BGB vertretene Vertragstheorie, die in der Auslobungserklärung ein Angebot ad incertas personas und in der Vornahme der Handlung eine Annahme dieses Angebots sah, vgl. die Motive BGB, Bd. II, S. 519, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 290. 82 Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1122 f.); Seiler, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 657 Rn. 21. Wohl auch Hoeniger, Gemischte Verträge, Bd. 1 S. 252. 83 W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 18 f. 84 Dies gibt W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 19 selbst zu.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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Auslobung als einseitigem Rechtsgeschäft, dass die Belohnung einseitig festgelegt wird. Diese Form des Zustandekommens eines Schuldverhältnisses ist zwar ungewöhnlich, doch hat sich der Gesetzgeber bewusst für sie entschieden. Daher kann es nicht überzeugen, die These aufzustellen, der andere Teil müsse stets an der Bestimmung des Entgelts mitgewirkt haben, und damit jedes einseitige schuldbegründende Rechtsgeschäft dem Anwendungsbereich der Entgeltlichkeit zu entziehen. Ebenfalls zu pauschal ist es aber, jede Auslobung für entgeltlich zu erklären. Die Entgeltlichkeit setzt ein echtes Zugeständnis voraus, das der Handelnde bewusst den Interessen eines anderen gewidmet hat. Nur dann liegt eine Gegenleistung vor. Nicht gegenleistungstauglich ist daher eine Rechtshandlung, die der Begünstigte ohnehin im eigenen Interesse vorgenommen oder bereits dem Interesse eines Dritten gewidmet hat. Wird eine solche Rechtshandlung ausgelobt, so erfüllt ihre Vornahme nicht die Anforderungen an eine taugliche Gegenleistung. Entgeltlich ist die Auslobung in diesem Fall nicht. (cc) Der Entgeltcharakter der Auslobung kann daher nicht pauschal festgelegt werden. Vielmehr kann die Auslobung sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich sein.85 Es hängt von der vorzunehmenden Handlung ab, ob der Belohnung ein echtes Zugeständnis gegenübersteht oder nicht. Möchte der Auslobende eine Handlung unterstützen, die nicht allein in seinem Interesse vorgenommen wird und daher nicht gegenleistungstauglich ist, so ist die Belohnung unentgeltlich. Wird sie hingegen für eine Handlung ausgelobt, die der Begünstigte dem Interesse eines anderen widmet, so liegt ein echtes Zugeständnis vor und die Auslobung ist entgeltlich.86 Es ist dabei nicht notwendig, dass der Begünstigte die Handlung von vornherein gerade dem Auslobenden gewidmet hat; vielmehr genügt es, dass er sie generell fremden Interessen widmet.87 Ebenso wenig schadet es, wenn die Handlung bewusst zugunsten des Auslobenden, aber – mangels Kenntnis von der Auslobung – nicht mit dem Willen

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So auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 194; Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 121 V, S. 364; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 19; Planck, BGB, Bd. 2, 1. u. 2. Aufl., Vorbem. III 2 vor § 657, S. 403; wohl auch Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 657 Rn. 1: Auslobung könne eigennützigem oder selbstlosen Zweck dienen. I.E. auch Bergmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2006, § 657 Rn. 20, 44, 61, der die Auslobung allerdings als Vertrag ansieht. 86 In diese Richtung auch Hoeniger, Gemischte Verträge, Bd. 1 S. 252: „Entgeltlich aber kann ein einseitiges Geschäft nur dadurch werden, daß ein anderer sich dem Geschäftsinhalte, an dessen Fixierung er keinen Anteil hatte, vollkommen unterwirft.“ 87 So zum Beispiel, wenn jemand eine Erfindung macht, die er gerne an einen anderen verkaufen möchte, und sich dann herausstellt, dass eine entsprechende Auslobung vorliegt.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

zum Erwerb eines Entgelts vorgenommen wird. Auch dann ist sie dem Interesse des Auslobenden gewidmet und war lediglich nicht von dem Willen zum Erwerb einer ausgleichenden Gegenleistung getragen.88 (2) Kein echtes Zugeständnis bei bereits bestehender Verpflichtung des Begünstigten (a) Ein echtes Entgegenkommen des Empfängers scheidet auch dann aus, wenn er dem Leistenden gegenüber ohnehin schon zu dem Zugeständnis verpflichtet war89 oder dieses sich – kraft Gesetzes – bereits als Beschränkung aus der Zuwendung selbst ergibt.90 Ist der Begünstigte dem Schuldner etwa gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet, so können die Parteien die Unterhaltszahlungen in dem geschuldeten Umfang nicht kraft Vereinbarung zur Gegenleistung machen.91 Bei einer Grundstücksschenkung ist die Übernahme bestehender dinglicher Lasten (z.B. eines Wohnrechts) nicht gegenleistungstauglich, da dingliche Lasten ohnehin kraft Gesetzes auf den neuen Grundstückseigentümer übergehen.92 Die Belastung mag den Wert der Zuwendung mindern, was beim Vorliegen einer weiteren (echten) Gegenleistung für die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung zu berücksichtigen ist. Die Unentgeltlichkeit lässt sie aber noch nicht entfallen.93 Ein echtes Zugeständnis liegt nur vor, wenn sich der Erwerber einer neuen dinglichen Belastung unterwirft.94 Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Übernahme der dinglichen Haftung in Form von Grundpfandrechten. Auch hier ist ein echtes Zugeständnis des Begünstigten nicht erkennbar, da er nichts zu leisten hat, was sich nicht ohnehin aus dem Gesetz ergibt.95 Wird keine andere Gegenleistung gewährt,

88 Hat A beispielsweise 200 Euro für denjenigen ausgelobt, der ihm seine entlaufene Hauskatze zurückbringt, und bringt B die Katze in Unkenntnis von der Auslobung zurück, so ist die Auszahlung der 200 Euro eine entgeltliche Leistung und keine bloß belohnende Schenkung, weil B die Katze bewusst im Interesse des A zurückgebracht und lediglich von der ausgelobten Gegenleistung keine Kenntnis hatte. 89 Vgl. RG, Urt. v. 19.04.1917 – Rep. IV 10/17, JW 1917, S. 848 Nr. 3. 90 Vgl. auch Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 525 Rn. 2. 91 Vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.91. 92 BGH, Urt. v. 07.04.1989 – V ZR 252/87, BGHZ 107, 156 (159 f.); Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 525 Rn. 2; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 2. 93 Vereinbaren die Parteien die Übernahme der dinglichen Lasten zusätzlich im Schenkungsvertrag, liegt darin lediglich eine Klarstellung, vgl. BGH, Urt. v. 07.04.1989 – V ZR 252/87, BGHZ 107, 156 (159 f.). 94 Eine Gegenleistung liegt in diesem Zugeständnis gleichwohl mangels Selbstständigkeit nicht, sondern es handelt sich um eine Auflage (dazu sogleich S. 311 ff.). 95 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 5 a.E.; RG, Urt. v. 21.03.1916 – VII 9/16, WarnR 1916, Nr. 132, S. 211 (212).

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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ist das Grundstück in vollem Umfang unentgeltlich zugewendet worden,96 selbst wenn es bis zur Wertausschöpfung dinglich belastet ist.97 Die einzige Besonderheit liegt darin, dass sich die unentgeltliche Zuwendung schrittweise verwirklicht: Zunächst durch Übereignung des Grundstücks, anschließend durch die Ablösung der dinglichen Lasten bzw. die Befriedigung des Regressanspruchs des Beschenkten.98 Jeder dieser Einzelschritte ist als Teilleistung auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs – der unentgeltlichen lastenfreien Übertragung des Grundstücks – selbstständig gem. § 134 InsO anfechtbar.99 Ein gegenleistungstaugliches Zugeständnis liegt nur dann vor, wenn der Empfänger auch die persönliche Schuld übernimmt.100 Denn die Übernahme der persönlichen Schuld geht über die kraft Gesetzes angeordneten Rechtsfolgen hinaus.101 In diesem Fall ist der Erwerb des Grundstücks zumindest teilweise entgeltlich. Nicht anders kann es sein, wenn zwar nicht die persönliche 96

Der Beschenkte wird um den Wert des gesamten Grundstücks substanziell bereichert. Der Schenkungsgegenstand steht zwar unter der Gefahr des Zugriffs der Sicherungsnehmer, doch da keine persönliche Schuld gegen den Beschenkten besteht, ist keineswegs sicher, dass diese Belastung eintreten wird. In Fall des Zugriffs kann der Beschenkte zudem beim persönlichen Schuldner Regress nehmen, § 1143 BGB (ggf. i.V.m. § 1192 BGB). Daher ist das Grundstück trotz der dinglichen Belastung in vollem Umfang den Interessen des Beschenkten zu dienen bestimmt und seinem substanziellen Wert nach in dessen Vermögen übergegangen. 97 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 51; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. Rn. 67. War das Grundstück allerdings über den Verkehrswert hinaus belastet, kann es an der Gläubigerbenachteiligung fehlen, vgl. BGH, Urt. v. 03.05.2007 – IX ZR 16/06, NZI 2007, 457 (458) in Rn. 15; BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 276/02, NJWRR 2006, 552 (552) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 17.12.1998 – IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395 (1396); BGH, Urt. v. 07.06.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355 (357); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 6. Wird der Gläubiger allerdings aus dem Grundstück befriedigt und möchte der Beschenkte nun bei dem Schuldner Regress nehmen, so kann der Insolvenzverwalter dem Regressanspruch die Einrede der Anfechtbarkeit entgegenhalten. 98 Vgl. i.E. auch BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 133/13, NZI 2014, 397 f. in Rn. 10 ff. (Ablösung der dinglichen Lasten durch den Schenker); dem zustimmend Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9. 99 Vgl. BGH, Urt. v. 13.02.2014 – IX ZR 133/13, NZI 2014, 397 in Rn. 10. 100 Vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (410): „Endlich lassen sich die Aufwendungen des Gemeinschuldners nicht als unentgeltlich ansehen, soweit die Beklagte damit rechnen muß, (…) aus der (…) Grundschuld oder aus der persönlichen Mitschuldübernahme in Anspruch genommen zu werden, oder soweit sie deswegen bereits in Anspruch genommen worden ist“; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 51: Bei der Übernahme der persönlichen Schuld komme ein entgeltliches Geschäft „in Betracht.“ Vgl. auch BGH, Urt. v. 13.03.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (65); OLG Schleswig, Urt. v. 07.05.1987 – 5 U 167/86, ZIP 1987, S. 1331 (1332); RG, Urt. v. 21.03.1916 – VII 9/16, WarnR 1916, Nr. 132, S. 211 (212). 101 Eine Auflage scheidet bei der Übernahme der persönlichen Schuld aus, weil der Schuldner nun auf sein sonstiges Vermögen zurückgreifen muss und die Auflage somit nicht

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Schuld mit übernommen, aber der Regress gegen den persönlichen Schuldner ausgeschlossen und der Beschenkte anschließend aus der dinglichen Haftung in Anspruch genommen wird. Die Gegenleistung des Beschenkten ist dann in dem Verzicht auf den Rückgriffsanspruch zu sehen.102 (b) An einem echten Zugeständnis an den Schuldner fehlt es schließlich auch dann, wenn das mit der Leistung verknüpfte Tätigwerden des Empfängers bereits einem Dritten geschuldet ist und nun vom Schuldner zusätzlich unterstützt wird, weil dieser ebenfalls ein materielles oder immaterielles Interesse an der gegenüber dem Dritten zu erbringenden Tätigkeit hat.103 Der Empfänger kann sein Zugeständnis nicht in gegenleistungstauglicher Weise vervielfachen, indem er sich zum ‚Diener mehrerer Herren’ macht.104 Versprechen der Hauptsponsor oder ein begeisterter Fan dem Trainer einer professionellen Sportmannschaft 5.000 Euro, wenn die Mannschaft die nächste Meisterschaft gewinnt, so ist diese Anreizleistung unentgeltlich.105 Ihr steht kein eigenständiges Zugeständnis des Trainers gegenüber, denn seine Trainerleistung106 ist bereits dem Verein geschuldet und ein nur dem Anreizenden gewidmetes, überobligatorisches Engagement kann nicht von der geschuldeten Trainerleistung getrennt werden.107 Eine Widmung an den Anreizleistenden ist nur insoweit

auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgt, siehe sogleich S. 312 ff. Es handelt sich daher um eine echte Gegenleistung. 102 Offen gelassen von BGH, Urt. v. 13.03.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (65): „(…) sei es, dass dadurch die Zuwendung an die Bekl. gemindert war, oder dass man insoweit von einer Gegenleistung der Bekl. ausgehen muss. (…) Die Bekl. haftet (…) letztlich ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Gemeinschuldner.“. 103 OLG München, Urt. v. 11.11.1982 – 24 U 114/82, NJW 1983, 759 (760). I.E. auch Schulze, LMK 2010, 297277, der solche Leistungsanreizverträge zu den unentgeltlichen Verträgen zählt. 104 Kritisch auch Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1124), der für einen solchen Doppelcharakter zumindest besondere Anhaltspunkte fordert. Ebenfalls kritisch Schulze, LMK 2010, 297277. 105 Ebenso OLG München, Urt. v. 11.11.1982 – 24 U 114/82, NJW 1983, 759 f. (zu § 516 BGB und in Bezug auf die Fanleistung). A.A. BGH, Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 9/08, NJW 2009, 2737 in Rn. 10 (ebenfalls zu § 516 BGB und in Bezug auf die Anreizleistung des Hauptsponsors); dem zustimmend Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 8; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25. 106 Nur die Trainerleistung kommt als Gegenleistung in Betracht, nicht hingegen der Gewinn der Meisterschaft selbst: Dieser ist lediglich der Eintritt eines Ereignisses und keine menschliche Tätigkeit, die als Gegenleistungshandlung qualifiziert werden könnte (siehe oben S. 302 f.). 107 A.A. BGH, Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 9/08, NJW 2009, 2737 in Rn. 10, 12, der die Gegenleistung für die Anreizleistung in den „besonderen Bemühungen des Zuwendungsempfängers“ sieht, „die in dem zukünftigen Eintritt eines bestimmten Erfolgs [hier: des Gewinns der Meisterschaft] sichtbar werden.“ Dagegen zu Recht Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1124), der die Trainingsleistung für unteilbar hält. In diese Richtung auch OLG

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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möglich, als die Tätigkeit infolge der Anreizleistung erkennbar über das dem Dritten geschuldete Maß hinausgeht. dd) Selbstständigkeit der Gegenleistung Schließlich muss die Gegenleistung im Verhältnis zur Schuldnerleistung selbstständigen Charakter haben. Sie muss dem Leistenden einen Vorteil verschaffen, der auch unabhängig von seiner Leistung eigenständige Bedeutung für seine Zwecke besitzt.108 Daran fehlt es, wenn sich das Zugeständnis des Empfängers auf den zugewendeten Gegenstand selbst bezieht und lediglich dazu führt, dass der Zuwendende sich oder einem von ihm benannten Dritten einen Teil der mit dem Gegenstand verbundenen Befugnisse oder Vorteile vorbehält.109 Ein solches Zugeständnis ist keine selbstständige Gegenleistung, die der Leistung des Schuldners auf Augenhöhe gegenübertritt, sondern eine unselbstständige Auflage i.S.d. § 525 BGB.110 Sie lässt die Unentgeltlichkeit der Zuwendung unberührt.111 Zwar mag sie ein echtes Zugeständnis des Empfängers enthalten, das seinen eigenen Interessen zuwiderläuft112 und sogar klagbar ist.113 Allerdings dient sie nach der Geschäftsintention der Parteien nicht dazu,

München, Urt. v. 11.11.1982 – 24 U 114/82, NJW 1983, 759 (760); Schulze, LMK 2010, 297277. 108 Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (124). 109 Vgl. RG, Urt. v. 07.03.1905 – Rep. VII 336/04, RGZ 60, 238 (241); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 31. 110 Der Gesetzgeber hat in § 525 BGB auf eine Definition der Auflage verzichtet, weil er davon ausging, der Begriff sei allgemein bekannt, vgl. Motive BGB, Bd. II, S. 299, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 166. 111 Zum vollumfänglichen Schenkungscharakter der donatio sub modo vgl. nur W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 91; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 2, 42; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 72; Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 95 Nr. 8, S. 300; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 525 Rn. 2; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 1; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 525 Rn. 1. Noch offengelassen von den Motiven BGB, Bd. II, S. 299, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 166. 112 Die Auflage kann den Empfänger auch zu einem Verhalten verpflichten, das in erster Linie seinen eigenen Interessen dient (vgl. Motive BGB, Bd. II, S. 300, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 166; Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 95 Nr. 6, S. 300; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 3; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 525 Rn. 1). In diesem Fall spricht allerdings mehr für eine Zweckschenkung (vgl. oben S. 303 Fn. 71). Jedenfalls scheitert die Gegenleistungstauglichkeit bereits am Kriterium der Förderung der Interessen des Leistenden (siehe oben S. 303 f.). 113 Die Auflage i.S.d. § 525 BGB zeichnet sich dadurch aus, dass eine einklagbare Verpflichtung des Beschenkten zum Vollzug der Auflage begründet wird (vgl. nur Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II, Besonderer Teil, 7. Aufl., § 12 IV 1, S. 124; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 1). Ein die Zuwendung lediglich beschränkendes und damit mangels Selbstständigkeit nicht gegenleistungstaugliches Verhalten muss freilich nicht als echte Verpflichtung ausgestaltet sein, sondern kann auch als auflösende Bedingung der Schenkung

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

die Leistung auszugleichen, sondern nur in ihrem Umfang zu beschränken.114 Der Leistende lässt sich lediglich etwas versprechen, was er ohne die Zuwendung ohnehin genießen würde. (1) Die Abgrenzung zwischen Gegenleistung und Auflage i.S.d. § 525 BGB Die Abgrenzung zwischen echter Gegenleistung und unselbstständiger Auflage richtet sich maßgeblich danach, ob das Zugeständnis auf der Grundlage und aus dem Wert der erhaltenen Zuwendung erfüllt werden kann oder ob der Empfänger dafür auf sein sonstiges Vermögen zurückgreifen muss.115 Eine unselbstständige Auflage liegt daher vor, wenn eine Grundstücksschenkung mit der Verpflichtung verknüpft wird, dass der Erwerber sich einer neuen116 dinglichen Belastung des Grundstücks unterwirft.117 Die Verpflichtung zur Bestellung eines Nießbrauchs oder eines lebenslangen Wohnrechts schränkt die Zuwendung somit als Auflage ein, steht ihr aber nicht als selbstständige Gegenleistung gegenüber.118 Die Grundstücksschenkung ist in vollem Umfang an-

formuliert oder der Zuwendung als Geschäftsgrundlage zugrunde gelegt worden sein. In diesem Fall handelt es sich um eine sog. Zweckschenkung (dazu schon oben S. 303 f.). Der Leistende hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Vollzug des unselbstständigen Zugeständnisses des Empfängers, sondern kann die Zuwendung bei Nichtvollzug gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB zurückfordern (vgl. dazu oben S. 304 Fn. 73). 114 Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (118 f.). Vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 10.11.1993 – 27 U 220/92, FamRZ 1994, 1242 (1243); RG, Urt. v. 07.03.1905 – Rep. VII 336/04, RGZ 60, 238 (241). 115 Vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1981 – V ZR 134/80, NJW 1982, 818 (819); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 4; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 525 Rn. 9; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II, Besonderer Teil, 7. Aufl., § 12 IV 1, S. 125; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 525 Rn. 3; Jülicher, ZEV 1998, S. 201 (205); Keim, FamRZ 2004, S. 1081 (1082); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 4; Sefrin, in: JurisPK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 525 Rn. 11; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 525 Rn. 1. Einschränkend [die Auflagenleistung müsse stets gegenständlich aus der Zuwendung erfüllt werden können und der Rückgriff auf sonstiges Vermögen schließe den Charakter als Auflagenleistung notwendig aus] Coing, NJW 1949, S. 260; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 53, 54 (allerdings mit der Relativierung, dieses Erfordernis dürfe man „nicht allzu buchstäblich verstehen“). 116 Besteht die Belastung bereits, liegen weder eine Auflage noch eine Gegenleistung vor, da es bereits an einem echten Zugeständnis des Empfängers fehlt, vgl. oben S. 304 ff. 117 Vgl. Förster/Heyeres, BB 1991, S. 1458 (1459); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 2. 118 OLG Köln, Urt. v. 16.12.1997 – 3 U 111/97, NJW-RR 1999, 239; OHGBrZ Köln, Urt. v. 18.11.1948 – II ZS 16/48, NJW 1949, 260 (261); BFH, Urt. v. 28.02.1974 – IV R 60/69, BFHE 112, 257 (259); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 50; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 65; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 2; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 18; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 525 Rn. 7.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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fechtbar.119 Dasselbe gilt für die Bestellung eines Grundpfandrechts zugunsten des Schenkers, solange sich die Verpflichtung auf die dingliche Haftung beschränkt. Übernimmt der Beschenkte hingegen auch die persönliche Haftung für die fremde Schuld, so liegt darin eine echte Gegenleistung, da er nun auch mit seinem übrigen Vermögen für die fremde Schuld einstehen muss.120 Auflagencharakter hat auch die Vereinbarung der Herausgabe der aus dem Schenkungsgegenstand gezogenen Nutzungen an den Zuwendenden: Die Nutzungen stünden ohne die Zuwendung ohnehin dem Schenker zu und der Beschenkte kann sie ohne Rückgriff auf sein eigenes Vermögen auskehren. Nichts anderes gilt, wenn der Beschenkte zu Geldleistungen verpflichtet wird, für die er zwar auf sein sonstiges Vermögen zurückgreifen muss, deren Wert aber von dem Nutzungsvorteil, den der Schenkungsgegenstand gewährt, gedeckt ist: Bsp.: G schenkt ihr mit einem großen Wohnhaus bebautes Grundstück ihrem Sohn, der dort mit seiner Familie einzieht und dadurch die monatlichen Mietkosten für die bisherige Wohnung spart. G zieht in eine kleine Wohnung in Innenstadtnähe. Bei der Unterzeichnung des Schenkungsvertrags wird vereinbart, dass S die monatliche Miete für die Wohnung der G zahlen soll. Hier muss S zwar formell gesehen zur Erfüllung der Verpflichtung auf sein eigenes Vermögen zurückgreifen. Diese Zahlungen sind allerdings von dem Nutzungsvorteil, den er aus der Schenkung zieht (= die ersparten Mietkosten), gedeckt. Es handelt sich daher um eine bloße Auflage.

Die Grenzen der Auflage sind erreicht, wenn der Beschenkte zu ihrer Vollziehung erhebliche Aufwendungen aus seinem sonstigen Vermögen tätigen muss, die nicht mehr von den Erträgen des zugewendeten Gegenstande gedeckt sind. Zweifelhaft ist daher, dass die überwiegende Meinung im Schenkungs-121 und Insolvenzrecht122 den Hofübergabevertrag als Schenkung unter Auflage einordnet. Der Übernehmer muss für die Abfindung seiner Geschwister in erheblichem Maße auf sein sonstiges Vermögen zurückgreifen.123 Auch die den Eltern geschuldeten Versorgungsleistungen können erhebliche Aufwendungen 119

Vgl. BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (102). Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 18; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 45. A.A. [Schuldübernahme als Auflage]: RG, Urt. v. 07.03.1905 – Rep. VII 336/04, RGZ 60, 238 (240); Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 95 Nr. 6, S. 300. 121 BGH, Urt. v. 30.01.1970 – V ZR 41/67, WM 1970, 391; BGH, Urt. v. 02.10.1951 – V ZR 77/50, BGHZ 3, 206 (211); OLG Köln, Urt. v. 10.11.1993 – 27 U 220/92, FamRZ 1994, 1242 (1243); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 525 Rn. 63; Coing, NJW 1949, S. 260; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 525 Rn. 10; anders hingegen BGH, Urt. v. 09.02.1967 – III ZR 188/64, FamRZ 1967, 214 (215) [regelmäßig gemischte Schenkung]; zurückhaltend auch OHGBrZ Köln, Urt. v. 18.11.1948 – II ZS 16/48, NJW 1949, 260 (261): Grenzfall zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Geschäft. 122 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 148. Offenlassend Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 41 in 255. 123 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 31. 120

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aus seinem sonstigen Vermögen nötig machen, die nicht mehr von den laufenden Nutzungen des Hofes gedeckt werden.124 In diesen Fällen zeigt der Umfang der Abfindungsleistungen, dass bis zur Höhe der Abfindungen ein Leistungsaustausch stattfinden soll, der den Eltern und Geschwistern zugutekommt, und nur der die Abfindungen übersteigende Teil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich zugewendet wird. Überzeugender ist es daher, im Hofübergabevertrag eine gemischte Schenkung zu erblicken.125 (2) Die Folgen der Anfechtung einer Schenkung unter Auflage Eine Schenkung unter Auflage ist in vollem Umfang als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar.126 Der gesamte Zuwendungsgegenstand unterliegt der Anfechtung, nicht nur der von der Auflage unberührte Teil.127 Da der Gegenstand dem Empfänger allerdings von vornherein mit der Auflage belastet zugewendet wurde, kann der Anfechtende ihn auch nur in dieser Form zurückverlangen. Wurde die Auflage erfüllt, mindert dies unmittelbar den Wert der Zuwendung und damit den Umfang des Herausgabeanspruchs.128 Hat der 124

So überzeugend Probst, JR 1990, S. 193 (194): Da die Altenteilsleistungen aus dem sonstigen Vermögen erbracht werden müssen und daher den Wert der Zuwendung insgesamt übersteigen können, sei es zweifelhaft, dass sie „aus“ dem zugewendeten Gegenstand erbracht werden sollen. 125 So auch BGH, Urt. v. 09.02.1967 – III ZR 188/64, FamRZ 1967, 214 (215); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 31, der das Ergebnis vor allem aus haftungsrechtlicher Sicht für angemessen hält, da der Übernehmer nun nicht den Hof in die Insolvenzmasse zurückführen muss, wo er verwertet wird, sondern die Zahlung eines angemessenen Betrags in die Masse möglich ist (zu den Rechtsfolgen der Anfechtung bei gemischter Schenkung siehe sogleich S. 365 ff.). I.E. ebenso Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 3, S. 143. 126 Vgl. Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 113; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 31; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 105; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 12; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 25: „in der Regel“; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G38a; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14. A.A. die frühen Kommentierungen zur KO, die die Schenkung unter Auflage als Sonderfall des gemischten Geschäfts qualifizierten: Cosack, Anfechtungsrecht, § 28, S. 145; Hartmann, AnfG, 3. Aufl., § 3 Nr. 32, S. 124; Korn, Anfechtung, 2. Aufl., S. 109; Otto, Anfechtung, § 23, S. 133; Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 3, S. 143; Stieglitz, Konkursordnung, § 255 II 3, S. 156; von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 6, S. 152; von Wilmowski, ReichsKonkursordnung, 2. Aufl., § 25 Anm. 3, S. 170. 127 Aus dem Schenkungsrecht vgl. auch BGH, Urt. v. 23.05.1959 – V ZR 140/58, BGHZ 30, 120 f.; RG, Urt. v. 07.03.1905 – Rep. VII 336/04, RGZ 60, 238 (242); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 531 Rn. 5. Anders die frühen Stimmen aus dem Konkursrecht, die die Schenkung unter Auflage nach denselben Grundsätzen wie die gemischten Geschäfte behandeln wollten (vgl. soeben Fn. 126 a.E.). 128 Vgl. auch Motive BGB, Bd. II, S. 299, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 166.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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Empfänger dem Schuldner oder einem Dritten etwa in Erfüllung der Auflage ein Nießbrauchsrecht eingeräumt, so ist Gegenstand der Anfechtung das mit dem Nießbrauchsrecht belastete Grundstück. Der Anfechtende hat keinen Anspruch auf Rückübereignung eines unbelasteten Grundstücks. Hat der Empfänger im Umfang der Nutzungen Unterhaltszahlungen an den Schuldner geleistet, ist die Nutzungsherausgabe in diesem Umfang von vornherein aus dem Rückforderungsanspruch ausgeklammert. Der Empfänger ist nicht auf den Entreicherungseinwand des § 143 Abs. 2 S. 1 InsO verwiesen, der ihm nur bei Gutgläubigkeit zugutekommt, sondern er schuldet von vornherein nur Herausgabe in der Form, die nach Erfüllung der Auflage noch in seinem Vermögen verblieben ist.129 b) Die objektiv-normative Grenze der Entgelttauglichkeit der Gegenleistung Haben die Parteien der Schuldnerleistung ein selbstständiges Entgegenkommen des Empfängers gegenübergestellt, das dieser den Interessen des Schuldners widmet, so sind die Grundanforderungen an eine Gegenleistung erfüllt. Das Schenkungsrecht belässt es bei diesem Ergebnis und qualifiziert eine solche Parteiabsprache – und damit auch die auf ihr beruhenden Zuwendungen – als entgeltlich, sofern die Parteien dieses Entgegenkommen als taugliche Gegenleistung angesehen haben. Die allgemeinen schuldvertraglichen Grundsätze bedürfen jedoch im Rahmen des § 134 InsO einer Modifikation, wenn die Gefahr besteht, dass die Parteien die Anfechtung durch missbräuchliche Vertragsabsprachen scheitern lassen können, die ihre Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter weder überprüfen noch widerlegen können.130 Im Insolvenzrecht herrscht daher die Meinung vor, die von den Parteien vereinbarte Gegenleistung habe sich einer objektiv-normativen Kontrolle der ‚Entgelttauglichkeit’ zu unterziehen.131 Nicht jedes irgendwie geartete Entge-

129 I. E. ähnlich Korn, Anfechtung, 2. Aufl., S. 109: Die Schenkung unter Auflage unterliegt zwar der Anfechtung, jedoch nur mit der Wirkung, dass eine Aufrechnung zwischen dem Werte der Leistung des Schuldners und dem der Aufwendung des anderen Teils stattfindet, und der Anspruch des Anfechtungsgegners sich auf die Differenz beider beschränkt. Ist zur Erreichung des beabsichtigten Endzwecks allerdings noch nichts aufgewendet, so kann der Empfänger auch nichts zurückbehalten. 130 Siehe schon oben S. 300. 131 Vgl. zu dieser Terminologie Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 380; Thole, Gläubigerschutz, S. 449. Ähnlich bereits schon Cosack, Anfechtungsrecht, S. 137. Auch Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 S. 418 (422).

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genkommen des Leistungsempfängers dürfe als eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleistung anerkannt werden.132 Die genauen Grenzen und Schutzzwecke dieses Kriteriums sind dabei jedoch nicht ausgelotet.133 aa) Das Verständnis der Entgelttauglichkeit als Mittel zum Schutz der Gläubiger in Rechtsprechung und Literatur Die anfechtungsrechtliche Rechtsprechung und Literatur nutzt das Merkmal der Entgelttauglichkeit der Gegenleistung in erster Linie dazu, das wirtschaftliche Interesse der Gläubiger an der vom Empfänger erbrachten Gegenleistung zu überprüfen. Denn eine zwischen den Parteien vereinbarte Gegenleistung, die die soeben skizzierten Grundanforderungen erfüllt, muss noch lange nicht dem Befriedigungsinteresse der Gläubiger dienen. Unmittelbar deutlich wird dies, wenn die Gegenleistung nicht in das Vermögen des Schuldners fließt, sondern vom Begünstigten vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbracht wird (1). Doch auch wenn die Gegenleistung vereinbarungsgemäß dem Schuldnervermögen zugutekommt, dient sie den Befriedigungsinteressen der Gläubiger nur dann, wenn sie zumindest einen wirtschaftlichen Vorteil erzeugt und nicht nur den persönlichen Interessen des Schuldners dient (2). (1) Einschränkung der Entgelttauglichkeit in Drittbegünstigungsfällen Haben der Schuldner und der Leistungsempfänger vereinbart, dass das Entgelt nicht an den Schuldner, sondern an einen Dritten erbracht werden soll, so liegt eine Gegenleistung im oben skizzierten Sinne vor. Denn nach den dort entwickelten Grundsätzen ist allein maßgeblich, dass der andere Teil sein Zugeständnis den Interessen des Schuldners widmet. Dies kann auch dadurch geschehen, dass er die Gegenleistung an einen vom Schuldner benannten Dritten erbringt und sich dadurch dem Willen des Schuldners unterordnet. An den Gläubigern des Schuldners geht diese Gegenleistung jedoch vorbei, da sie unmittelbar dem Dritten zufließt und damit ihrem vollstreckungsrechtlichen Zugriff entzogen ist. (a) Man könnte daher für die Entgelttauglichkeit der Gegenleistung einschränkend fordern, dass diese gerade in das Schuldnervermögen geflossen sein muss. Eine an einen Dritten erbrachte Gegenleistung würde die Unentgeltlichkeit nicht entfallen lassen. Auf ein solches Verständnis der Entgelttauglichkeit deuten die zahlreichen Definitionen in der anfechtungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur hin, die für die Bestimmung des Entgeltcharakters der 132

Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 43 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 449. Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (397): nicht jedes beliebige Interesse; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (103 f.); Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13. 133 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 441 f., 449.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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Schuldnerleistung darauf abstellen, ob ein ausgleichender Gegenwert in das Vermögen des Schuldners gelangt ist oder zumindest gelangen sollte.134 Allerdings machen die Rechtsprechung und ein Großteil der Literatur von diesem Grundsatz eine Ausnahme, wenn ein Dritter in den Zuwendungsvorgang eingebunden ist: Dann soll nicht mehr der Zufluss in das Schuldnervermögen, sondern die Vermögenseinbuße beim Empfänger maßgeblich sein.135 Aufgrund dieses Perspektivwechsels wird der Empfänger, der die Gegenleistung vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbringt, im Ergebnis doch von der Unentgeltlichkeitsanfechtung freigestellt. Es gibt jedoch im Schrifttum durchaus Stimmen, die es für zulässig halten, die Entgelttauglichkeit der Gegenleistung auch in Drittbeteiligungsfällen stets am Zustand des Schuldnervermögens zu messen und damit jeder an einen Dritten erbrachten Gegenleistung die Entgelttauglichkeit zu nehmen.136 134 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10. 2013 – IX ZR 10/13, NJW 2013, 3720 (3721) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 09.12.2010 – IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJWRR 2010, 1637 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 18.03.2010, IX ZR 57/09, NJW-RR 2010, 1428 in Rn. 9; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 13.03.2008 – IX ZR 117/07, NZI 2008, 369 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 19.04.2007 – IX ZR 79/05, NZI 2007, 403 (404) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555 (1556) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279); BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2422); BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (101); BGH, Urt. v. 10.05.1978 – VIII ZR 32/77, DB 1978, 1977, insoweit nicht in BGHZ 71, 296 ff. abgedruckt; OLG Brandenburg, Urt. v. 22.01.1998 – 8 U 47/97, InVo 1999, 230; RG, Urt. v. 17.02.1902 – VII 445/1901, JW 1902, S. 218 Nr. 22; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 5, 9; Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (197); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a. 135 BGH, Urt. v. 17.10. 2013 – IX ZR 10/13, NJW 2013, 3720 (3721) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 19.04.2007 – IX ZR 79/05, NZI 2007, 403 (404) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555 (1556) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279); BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2422); de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 8; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 9; Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (197); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 12; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a. 136 Ausdrücklich offen gegenüber einer solchen Einschränkung Thole, Gläubigerschutz, S. 479. Vgl. auch Brömmekamp, ZIP 2001, S. 951 (952): „Schutzwürdig soll vielmehr ein Bedachter sein, dessen Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners fließt“; Ziemann, JR 2009, S. 170.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

(b) Akzeptiert man hingegen auch die an einen Dritten erbrachte Gegenleistung grundsätzlich als taugliches Entgelt, so kann man für den Ausschluss der Unentgeltlichkeit gleichwohl fordern, dass das Schuldnervermögen zumindest in sonstiger Weise von der Gegenleistung profitiert haben muss. Nur wenn der Schuldner ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der dem Dritten erbrachten Gegenleistung hatte, könnte sie der Leistung des Schuldners als taugliches Entgelt gegenübertreten.137 Fehlt es hingegen an jedem mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für das Schuldnervermögen, wäre die Anfechtung begründet, obwohl der Anfechtungsgegner eine mit dem Schuldner kausalvertraglich vereinbarte Gegenleistung erbracht hat.138 (c) Stützen können sich diese Vorschläge auf das Verständnis der Unentgeltlichkeit im Rahmen der erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen: Hier ist anerkannt, dass nur eine Gegenleistung, die in den Nachlass geflossen ist, die Unentgeltlichkeit entfallen lässt.139 Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es bei den erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen um Verfügungen über fremdes Vermögen geht. Der (Nach-)Erbe hat als (zukünftiger) Inhaber der Erbmasse ein Recht darauf, dass ihre Substanz zumindest wirtschaftlich vollständig erhalten bleibt.140 Im Vergleich dazu ist die Rechtsposition der Gläubiger im Rahmen des § 134 InsO weitaus schwächer ausgestaltet:141 Der Schuldner verfügt nicht über fremdes, sondern über eigenes Vermögen, und ist den Gläubigern auch nicht zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung seines Vermögens verpflichtet.142 Seine Gläubiger haben keinen Anspruch darauf, dass der Schuldner den Bestand seines Vermögens in ihrem Interesse erhält. Vielmehr sind sie nur vor Vermögensminderungen geschützt, mit denen der Schuldner die Grundbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung außer Kraft setzt. Dies ist nur der Fall, wenn dem Schuldner ein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, weil er von dem Leistungsempfänger kein eigenes Entgegenkommen verlangt hat, obwohl dies von einem wirtschaftlich denkenden Schuldner eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Dieser Vorwurf kann dem Schuldner in den Drittbegünstigungsfällen nicht gemacht werden, denn er hat mit dem Leistungsempfänger eine Gegenleistung vereinbart. Dass diese Gegenleistung nicht ihm, sondern einem Dritten zugutekommt, kann kein Schuldnerfehlverhalten begründen, weil der Fokus bei § 134 InsO – anders als bei § 133 InsO – nicht auf dem Zustand des Schuldnervermögens, sondern auf der 137 So insbesondere Gundlach/Frenzel, EWiR 2004, S. 1187 (1188); dies./Schmidt, InVo 2004, S. 485 (486 f.); Thole, Gläubigerschutz, S. 471 ff., 476; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 8. 138 So Thole, Gläubigerschutz, S. 479. 139 Siehe oben S. 118 ff. 140 Vgl. nur M. Schmidt, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 2113 Rn. 1 sowie oben S. 118 ff. 141 Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443. 142 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 443.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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Begünstigung auf Empfängerseite liegt.143 Anders als im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB rechtfertigt es der Schutzzweck des § 134 InsO daher nicht, nur Gegenleistungen, die dem Schuldnervermögen zugeflossen sind, als die Unentgeltlichkeit ausschließendes Entgelt zu akzeptieren. Darüber hinaus kann es auch im Ergebnis nicht überzeugen, den Vertragspartner bei der Vereinbarung eines Vertrags zugunsten Dritter stets der Anfechtung auszusetzen, wenn der Schuldner kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Gegenleistung hat. Es müsste jedem Marktteilnehmer abgeraten werden, sich auf eine solche vertragliche Abrede einzulassen, da der Erwerb der Gegenleistung vier Jahre lang unter dem Damoklesschwert der Unentgeltlichkeitsanfechtung stünde. Schon dieser tiefe Eingriff in marktübliche und zwischen den Parteien unverdächtige Vertragskonstellationen zeigt, dass eine solche Auslegung dem Ausnahmecharakter des § 134 InsO nicht gerecht wird. Verschärfend kommt hinzu, dass der Gegenleistende oftmals gar nicht erkennen kann, ob seine Leistung dem Vermögen des Schuldners oder einem Drittvermögen zugutekommt. Er müsste vor jeder Leistungserbringung sichergehen, dass die Stelle, an die er leistet, auch tatsächlich dem Vermögen des Schuldners zuzuordnen ist. Stellt sich heraus, dass es sich um ein Drittvermögen handelt, müsste sich der Vertragspartner umfassend über die Verflechtung des Schuldners mit dem begünstigten Dritten und über die dort getroffenen internen Absprachen informieren, da diese über das wirtschaftliche Interesse des Schuldners an der Gegenleistung entscheiden.144 Dieser Ermittlungsaufwand erscheint dem Vertragspartner kaum zumutbar und würde den täglichen Geschäftsverkehr unangemessen beeinträchtigen. Nicht gerechtfertigt erscheint dieser tiefe Eingriff auch deshalb, weil die Gläubiger dem Vermögensabfluss nicht hilflos gegenüberstehen.145 Gegenüber dem begünstigten Dritten wird die Anfechtung in aller Regel erfolgreich sein, weil der Schuldner vor allem dann an der dem Dritten erbrachten Gegenleistung kein wirtschaftliches Interesse hat, wenn er von diesem seinerseits keine Gegenleistung erhält und somit – mit Hilfe seines Vertragspartners – unentgeltlich an den Dritten leistet. Ein Bedürfnis der Gläubiger an einer zusätzlichen Anfechtung gegenüber dem Vertragspartner besteht daher nicht, denn auf eine Vervielfältigung ihrer Anfechtungsmöglichkeiten haben sie keinen Anspruch. Die Beschränkung der Entgelttauglichkeit auf Gegenleistungen, die

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Dazu grundsätzlich oben S. 156 f. Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 479 f. 145 Dieser Gedanke kommt bei Thole, Gläubigerschutz, S. 472 und passim zu kurz. Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass die „Gläubiger des Insolvenzschuldners (…) nicht solche Transaktionen finanzieren müssen, die für den Insolvenzschuldner ohne erkennbaren wirtschaftlichen Vorteil sind“ (vgl. S. 476). Ansprechpartner für die Anfechtung ist dann aber der begünstigte Dritte und nicht der Vertragspartner, der die vereinbarte Gegenleistung auf Wunsch des Schuldners an den Dritten erbracht hat. 144

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

dem Schuldner – und nicht einem Dritten – zumindest wirtschaftlich zufließen, kann daher nicht überzeugen. (2) Einschränkung der Entgelttauglichkeit anhand der Qualität des verschafften Vorteils Doch auch wenn die Gegenleistung vereinbarungsgemäß dem Schuldner selbst zugutekommt, bedeutet dies noch nicht, dass sie auch den wirtschaftlichen Interessen seiner Gläubiger entspricht. Dafür kommt es vielmehr auf die Qualität des verschafften Vorteils an: Das Interesse der Gläubiger ist darauf gerichtet, dass ihre Vollstreckungsaussichten durch den Leistungsaustausch nicht verschlechtert werden. Dies ist nur der Fall, wenn der Bestand der Haftungsmasse erhalten bleibt. Fördert die Gegenleistung hingegen rein persönliche Interessen des Schuldners, wird die Haftungsmasse aus Sicht der Gläubiger kompensationslos geschmälert. Man kann daher überlegen, ob an den mit der Gegenleistung verschafften Vorteil qualifizierende Anforderungen zu stellen sind, die sicherstellen, dass die Gegenleistung nicht nur dem persönlichen Interesse des Schuldners, sondern dem Befriedigungsinteresse der Gläubiger dient. (a) Auf eine solche Einschränkung deutet ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1991 hin, in dem er sich mit dem Entgeltcharakter einer Abfindungsleistung für einen Pflichtteilsverzicht auseinanderzusetzen hatte.146 Der BGH lehnte in diesem Urteil die Entgeltlichkeit der Abfindung ab, weil der Pflichtteilsverzicht keine taugliche Gegenleistung im anfechtungsrechtlichen Sinne sei.147 Er verschaffe zwar dem Erblasser den ideellen Vorteil der Testierfreiheit, doch werde seinem Vermögen dadurch kein zugriffsfähiger Gegenwert als Ausgleich zugeführt.148 Da der Erblasser aus der maßgeblichen Sicht seiner Gläubiger nur weggegeben, aber nichts erworben habe, sei die Abfindung als unentgeltliche Leistung anfechtbar.149 Nimmt man diese Ausführungen des BGH ernst, so wäre eine Gegenleistung nur dann entgelttauglich, wenn sie dem Schuldnervermögen einen pfändbaren

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BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 ff. BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (397 f.); ebenso LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (783) (zu § 4 Abs. 1 AnfG); de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 19; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 34; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 116; Huber, in: Gottwald, InsRHdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 14; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 34; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G47. I.E. auch Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 50; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 16. 148 BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (397 f.); Bork, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 50; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 116. 149 BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (397 f.). 147

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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und damit dem Gläubigerzugriff offen stehenden Vermögensgegenstand zuführt.150 Darauf kann es jedoch nicht ankommen.151 Denn würde man nur vollstreckungsfähige Vermögenswerte als entgelttaugliche Gegenleistungen akzeptieren, so würde die Entgeltprüfung letztlich kaum über das Merkmal der Gläubigerbenachteiligung hinausgehen: Wird dem Schuldnervermögen ein vollstreckungsfähiger – und damit entgelttauglicher – Gegenwert zugeführt, so werden die Befriedigungsaussichten der Gläubiger nicht verschlechtert und sie sind schon gar nicht benachteiligt i.S.d. § 129 InsO. Ein solches Verständnis der (Un-)Entgeltlichkeit verträgt sich nicht mit der Grundentscheidung des Anfechtungsrechts, nicht jede Gläubigerbenachteiligung für anfechtbar zu erklären.152 Käme es allein auf die Vollstreckungsaussichten der Gläubiger an, würde zudem eine Vielzahl wirtschaftlich sinnvoller und vollkommen unauffälliger Austauschverträge der Anfechtung gem. § 134 InsO unterworfen: So könnte jede Dienstleistung, die keinen substanziell greifbaren Vermögenszuwachs herbeiführt, angefochten werden, auch wenn sie dem Vermögen des Schuldners wirtschaftlich zugute kommt.153 Mit dem Ausnahmecharakter der Unentgeltlichkeitsanfechtung ließe sich diese Auslegung nicht vereinbaren. (b) Man könnte allerdings fordern, dass die Gegenleistung zumindest einen wirtschaftlichen Vorteil verkörpern muss, der zwar nicht den Umfang des pfändbaren Vermögens, aber immerhin dessen wirtschaftlichen Wert erhöht.154 Durch eine solche Gegenleistung würde den Befriedigungsinteressen der Gläubiger mittelbar Rechnung getragen, da die ihnen haftende Masse zumindest wirtschaftlich von der Gegenleistung profitiert. Eine Gegenleistung, die dem Schuldner ausschließlich persönliche Vorteile verschafft, könnte die Anfechtung somit auch dann nicht ausschließen, wenn die Parteien sie subjektiv als ausgleichenden Gegenwert angesehen haben. Doch auch diese Beschränkung geht zu weit. Sie greift empfindlich in die allgemeinen schuldvertraglichen Grundsätze und das Prinzip der Vertragsfreiheit ein, ohne dass dies von dem Zweck der Unentgeltlichkeitsanfechtung und den schutzwürdigen Interessen der Gläubiger gedeckt wäre. Der Schuldner ist vor der Insolvenzeröffnung umfassend verfügungsbefugt und darf sein Vermögen zur Befriedigung seiner eigenen persönlichen Interessen einsetzen. Auch der BGH hat daher eingeräumt, dass es für die Entgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

150

In diese Richtung auch Brömmekamp, ZIP 2001, S. 951 (953). Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 381. 152 Vgl. dazu oben S. 85 f. 153 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 381. 154 So Brömmekamp, ZIP 2001, S. 951 (953): Wirtschaftlicher Vorteil im Interesse der Masse erforderlich. Vgl. auch Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 34: Gegenleistung muss als wirtschaftlicher Vorteil angesehen werden können; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a und Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 25 fordern einen „werthaltigen Vermögensvorteil“. 151

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

genügen muss, wenn der leistende Schuldner Geld aufwende, um sich persönliche Rechtsgüter zu erhalten.155 Nimmt er beispielsweise Dienstleistungen eines Arztes oder eines Rechtsanwalts in Anspruch, um Gefahren für seine Gesundheit oder seine Freiheit abzuwehren, ist das im Gegenzug geleistete Entgelt nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar.156 Ebenso fällt es ausschließlich in die Risikosphäre zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern, wenn der Schuldner sein Vermögen verschwendet, um sich ein schönes Leben zu machen. Der Zugriff auf den Leistungsempfänger ist nur dann möglich, wenn der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt hat und der Empfänger davon weiß, oder wenn die Verschleuderung des Vermögens in einer einseitigen Bereicherung des Empfängers mündete. Macht der Schuldner hingegen Luxusreisen oder nimmt kostspielige Dienstleistungen in Anspruch, vermag dies allein noch keine Anfechtung zu begründen. (3) Zwischenergebnis Die an den Gläubigerinteressen orientierten Vorschläge zur Einschränkung der Entgelttauglichkeit der Gegenleistung konnten nicht überzeugen.157 Das Merkmal der Entgelttauglichkeit dient nicht dazu, Gegenleistungen, die das Befriedigungsinteresse der Gläubiger nicht fördern, für unbeachtlich zu erklären. Der Schuldner ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen uneingeschränkt verfügungsbefugt und darf es zur Befriedigung seiner persönlichen Interessen verwenden. Daher gelten nicht nur Gegenleistungen, die einen wirtschaftlichen Vorteil im Interesse der Masse gewähren, als taugliches Entgelt i.S.d. § 134 InsO. Vielmehr wird die Unentgeltlichkeit durch jede Gegenleistung ausgeschlossen, die einen am Markt anerkannten Vorteil gewährt, mag er auch nur den persönlichen Interessen des Schuldners dienen. Dieser Vorteil muss auch nicht dem Vermögen des Schuldners zugeflossen sein: Es genügt, wenn der andere Teil die Gegenleistung dem Schuldner dadurch widmet, dass er sie vereinbarungsgemäß an den Dritten erbringt.158 155 BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 14; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 26; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 41. 156 BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 14; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 26. 157 Ebenso auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 46 ff. 158 BGH, Urt. v. 17.10. 2013 – IX ZR 10/13, WM 2013, 2182 f in Rn. 6; BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 25; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 39; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07, NJW-RR 2009, 1563 f. in Rn. 16; BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (100); BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423); RG, Urt. v. 23.01.1926 – I 152/25, RGZ 112, 361 (368) [zu § 516 BGB]; OLG München, Urt. v. 11.11.1982 – 24 U 114/82, NJW 1983, 759; OLG Nürnberg, Urt. v. 07.03.1996 – 2 U 4130/95, ZIP 1996, 794; Bork, in: Bork,

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bb) Die Entgelttauglichkeit als Mittel zum Schutz vor missbräuchlichen Parteiabsprachen Der Maßstab für die objektiv-normative Grenze der Entgelttauglichkeit darf somit nicht das wirtschaftliche Interesse der Gläubiger, sondern allein ihr Schutz vor willkürlichen Manipulationen der Parteien sein. Es muss und darf nur dagegen Vorsorge getroffen werden, dass die Parteien die Anfechtung aushebeln können, indem sie subjektive Einschätzungen oder Vorstellungen behaupten, die der Anfechtende nicht widerlegen kann. (1) Vorrang der verständigen Auslegung der Parteiabsprache In vielen Fällen, die eine missbräuchliche Vereinbarung zwischen den Parteien nahelegen, ist eine anfechtungsspezifische objektiv-normative Grenze der Entgelttauglichkeit allerdings gar nicht notwendig. Einigen sich die Parteien auf ein Entgegenkommen des Empfängers, das unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt geeignet ist, die Leistung aufzuwiegen, so wird man schon auf Grundlage der Auslegung der Parteiabsprache zur Unentgeltlichkeit der Zuwendung gelangen. Wird der Bestand der Zuwendung beispielsweise davon abhängig gemacht, dass sich der Empfänger bei dem Leistenden ausgiebig bedankt, zu seinem Geburtstag erscheint oder sich die Haare rot färbt, so mag der Leistende an diesem Zugeständnis ein ideelles Interesse gehabt haben. Jedoch wird man schon bei Auslegung der Parteiabsprache nicht annehmen können, dass die Parteien dieses Entgegenkommen tatsächlich als Ausgleich für die Leistung angesehen haben. Es muss ein nachvollziehbares, nicht rein affektives oder persönliches Interesse des Leistenden erkennbar sein, damit man auf Grundlage der Parteiabrede ein entgeltliches Geschäft annehmen kann. Allein die willkürliche Behauptung der Parteien reicht dafür nicht aus. Die Frage nach dem Entgeltcharakter von Abfindungsleistungen für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht, die den BGH im Urteil aus dem Jahr 1991 zur Einführung des Kriteriums der Entgelttauglichkeit der Gegenleistung veranlasste,159 lässt sich daher bereits durch Auslegung der Parteiabsprache lösen.160 Die Abfindung ist nichts anderes als eine Vorausbezahlung des künftigen Erb-

Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 39; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9; Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 25; Nerlich, in: Nerlich/ Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 7; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 46, 70 ff.; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 7. 159 BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 ff., dazu oben S. 320 f. 160 Auch Schotten, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 124 kritisiert, dass sich der BGH im Urteil von 1991 gar nicht mit der umstrittenen und praktisch bedeutsamen Frage nach der Qualifikation eines solchen Vertrags auseinandergesetzt hat, sondern gleich auf anfechtungsspezifische Erwägungen zurückgriff.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

oder Pflichtteils.161 Im Todeszeitpunkt könnte die Auszahlung des Erb- oder Pflichtteils als Erwerb von Todes wegen nicht mit einer Gegenleistung verknüpft werden – sie ist daher notwendig entgeltneutral.162 Allein das Vorziehen des Zuwendungszeitpunkts ist jedoch nicht geeignet, die Abfindung als bloßes Surrogat des Erwerbs von Todes wegen nun in ein entgeltliches Austauschverhältnis einzubeziehen.163 Der Verzicht auf den Erb- oder Pflichtteil ist kein taugliches Entgegenkommen, das der Abfindung als Ausgleich gegenübergestellt werden könnte. Da sich die Parteien über diese Umstände durchaus bewusst sind, liegt sogar eine Einigung über die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 516 BGB vor.164 Das erkennbare Interesse des Erblassers an dem Wiedererlangen der Testierfreiheit mag zwar die Freigebigkeit der Zuwendung entfallen lassen, doch ihre Unentgeltlichkeit wird dadurch nicht in Frage gestellt.165 Qualifizieren die Parteien ihre Abrede gleichwohl als entgeltlich, steht diese Bezeichnung der Unentgeltlichkeit nicht entgegen, vgl. § 117 BGB. Die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht ist daher bereits auf Grundlage der Auslegung der Parteiabrede eine voll unentgeltliche Zuwendung.166 Dies gilt vor al161

FG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.1998 – 9 K 218/95, EFG 2000, 1396 (zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG); Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 2325 Rn. 7; Pentz, FamRZ 1998, S. 660 (661); Schotten, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 123. 162 Zur Entgeltnatur des Erwerbs von Todes wegen vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 208 ff., der sich im Ergebnis für Entgeltneutralität ausspricht. 163 Deppenkemper, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 11. Aufl., § 2346 Rn. 12; Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 2325 Rn. 7; Schotten, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 123. 164 Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 2325 Rn. 7; Pentz, FamRZ 1998, S. 660 (661); Schotten, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 127. Vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.12.1998 – 9 K 218/95, EFG 2000, 1396 (1397) [zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG]. 165 Dazu unten S. 373 ff. 166 So inzwischen auch zahlreiche Stimmen im allgemeinen Zivilrecht, vgl. FG BadenWürttemberg, Urt. v. 18.12.1998 – 9 K 218/95, EFG 2000, 1396 f. (zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 31; Deppenkemper, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 11. Aufl., § 2346 Rn. 12; Dietz, MittBayNot 2009, S. 475 (476 f.); Frank, in: MüKo, BGB, 3. Aufl., § 2325 Rn. 14; Olshausen, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 2325 Rn. 7; Pentz, FamRZ 1998, S. 660 (662); Schotten, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 124; Speckmann, NJW 1970, S. 117 ff.; Zimmer, NJW 2009, S. 1146 f. (zumindest für Pflichtteilsverzicht); einschränkend Kollhosser, AcP 194 (1994), S. 231 (259 ff.): Keine Schenkung, da wegen des ideellen Vorteils der Testierfreiheit keine Einigung über die Unentgeltlichkeit; allerdings objektiv unentgeltliche Zuwendung. A.A. [Entgeltlichkeit der Abfindung, jedenfalls soweit sie sich am Wert des Erbteils orientiert und nicht deutlich über ihn hinausgeht]: Dieckmann, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 2325 Rn. 18 (zum Erbverzicht); Heinrich, MittRhNotK 1995, S. 157 (158); Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 7 V 3, S. 188 f.; Simon, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., Vorbem § 2346 Rn. 6 (zum Erbverzicht). Differenzierend Lange, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 2325

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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lem dann, wenn die Parteien – wie im vom BGH entschiedenen Fall167 – ein gemeinschaftliches Testament geschlossen haben und die Abfindungsempfängerin somit trotz des Pflichtteilsverzichts weiterhin als Erbin eingesetzt blieb. (2) Grenze der Entgelttauglichkeit bei unbewertbaren ideellen Vorteilen Tatsächlich relevant wird die anfechtungsspezifische Grenze der Entgelttauglichkeit nur in Fällen, in denen die vereinbarte Gegenleistung für den Schuldner zwar einen nachvollziehbaren immateriellen Wert hat, der sich aber aufgrund seines besonderen persönlichen Charakters jeder Bewertung durch einen Dritten entzieht. Im Schenkungsrecht sollen diese rein ideellen Gegenleistungen geeignet sein, die Unentgeltlichkeit auszuschließen.168 So sollen der Mitgift als Gegenleistung die Eheschließung und die damit verbundenen Pflichten des Ehemanns gegenüber seiner Ehefrau gegenüberstehen.169 Auch eine Zahlung, mit der sich ein Ehepartner vom anderen die Rückkehr in die eheliche Gemeinschaft170 oder die Ermöglichung oder Erleichterung einer Scheidung versprechen lässt,171 wird als entgeltlich qualifiziert. Nichts anderes soll für die

Rn. 29: Entscheidung im Einzelfall. Offen gelassen von BGH, Urt. v. 03.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2008, 1143 (1145) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 08.07.1985 – II ZR 150/84, NJW 1986, 127 (129) [jedenfalls Unentgeltlichkeit in Höhe des über den erwartbaren Pflichtteil hinausgehenden Betrags]. Vgl. auch LG Münster, Urt. v. 12.01.1983 – 14 O 696/82, NJW 1984, 1188 (1189): Schenkungscharakter der Abfindungsleistung jedenfalls dann, wenn die Abfindung nahezu das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht und damit weit über die gesetzliche Erberwartung hinausgeht. 167 Vgl. den Sachverhalt zu BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393. 168 BGH, Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 9/08, NJW 2009, 2737 (2738) in Rn. 13; BGH, Urt. v. 02.10.1991 – XII ZR 132/90, NJW 1992, 238 (239); BGH, Urt. v. 17.01.1990 – XII ZR 1/89, NJW-RR 1990, 386; OLG München, Urt. v. 11.11.1982 – 24 U 114/82, NJW 1983, 759; RG, Urt. v. 12.11.1934 – IV 240/34, WarnR 1935 Nr. 3, S. 7 (9); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 40; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 28; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 79; Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1123); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25. 169 RG, Urt. v. 29.09.1930 – IV 459/29, WarnR 1931, Nr. 24, S. 54 (56); RG, Urt. v. 11.01.1906 – IV 329/05, RGZ 62, 273 (276); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25. Dagegen W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 24 f.; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 22; Liebs, JZ 1978, S. 697 (699): „Manche Zwecke wie Heirat (…) lassen sich nicht als rechtsgeschäftliche Gegenleistungen bezeichnen.“ 170 RG, Urt. v. 8.06.1931 – 474/30, HRR 1931, Nr. 1752; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25. 171 BGH, Urt. v. 08.10.1955 – IV ZR 82/55, MDR 1957, 26 (27); BFH, Urt. v. 07.12.1966 – VI 298/65, BFHE 87, 610 (612); RG, Urt. v. 24.09.1941 – IV 96/41, HRR 1942, Nr. 15; RG, Urt. v. 13.05.1918 – IV 71/18, Das Recht 1918, Nr. 1522; Grunewald, ZGS 2010, S. 164 (165); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Zahlung eines nichtsorgeberechtigten Elternteils gelten, mit der er den sorgeberechtigten Elternteil zur Überlassung der Kinder verpflichten will.172 Diesen Abreden aus dem engen privaten Bereich wohnt nicht nur deshalb eine besondere Missbrauchsgefahr inne, weil die Beteiligten in einem besonderen Näheverhältnis zueinander stehen. Problematisch ist insbesondere, dass sich der Wert des Entgegenkommens jeder Bewertung durch einen außenstehenden Dritten entzieht: Niemand kann beurteilen, ob die Rückkehr in die Ehe oder die Überlassung der Kinder 1.000 Euro oder 10 Mio. Euro wert ist. Derartig persönlich begründete, rein ideelle Werte können ausschließlich subjektiv bemessen werden. Würde man sie als taugliche Gegenleistungen akzeptieren, wäre es den Parteien freigestellt, ihnen jede beliebige Leistung des Schuldners als gleichwertig gegenüberzustellen und damit der Anfechtung zu entziehen. Die Gläubiger könnten die Behauptung der Parteien, sie hätten die Schuldnerleistung als gleichwertig angesehen, niemals widerlegen, weil das Wertverhältnis mangels objektivierbarer Bewertungskriterien nicht beurteilt werden kann. Von den entgelttauglichen Gegenleistungen i.S.d § 134 InsO sind daher Zugeständnisse auszunehmen, die nicht vermögensrechtlicher Natur sind, sondern ausschließlich in einem persönlich-privaten Zusammenhang stehen und sich daher jeder objektiven Bewertung durch einen außenstehenden Dritten entziehen.173 Es geht um Gegenleistungen, die nicht nur wirtschaftlich wertlos, sondern unbewertbar sind. Dazu zählen vor allem Zugeständnisse, die im Zusammenhang mit personenrechtlichen Rechtsgeschäften stehen.174 Da sie jedem objektiven Bewertungsmaßstab entzogen sind, wohnt ihnen eine besondere Missbrauchsgefahr inne, vor der die Gläubiger zu schützen sind.175 172 Vgl. RG, Urt. v. 08.02.1915 – VI 485/14, WarnR 1915, Nr. 102, S. 146 f.; Grunewald, ZGS 2010, S. 164 (165); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 25. 173 Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 381; zum österreichischen Recht ebenso Schumacher, ÖBA 2003, S. 288 (292 f.). So auch schon Cosack, Anfechtungsrecht, S. 137 f.; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 22; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 62 und Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a sehen zumindest in der Bereitschaft des Begünstigten, eine Ehe einzugehen, keine taugliche Gegenleistung i.S.d. § 134 InsO. A.A. [Eingehung der Ehe als taugliche Gegenleistung im Sinne der Unentgeltlichkeitsanfechtung]: RG, Urt. v. 26.01.1916 – IV 357/15, JW 1916, 588 (589); RG, Urt. v. 13.12.1912 – JW 1913, 278 (279); RG, Urt. v. 23.12.1907 – VI 350/07, JW 1908, 71 (72); RG, Urt. v. 23.05.1906 – IV 569/05, JW 1906, 462. 174 Die personenrechtlichen Rechtsgeschäfte selbst (Verlobung, Eheschließung, Scheidung, Adoption) sind ohne Zweifel entgeltfremd, da sich für die Parteien angesichts des persönlichen Gegenstands die Frage eines „Wertausgleichs“ gar nicht stellt (vgl. nur W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 24 ff.; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 187). Allerdings lässt die allgemeine Rechtsgeschäftslehre es zu, den Personenstandswechsel zum Gegenstand eines vermögensrechtlichen Vertrags zu machen (Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 187. A.A. W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 25). Im Rahmen des § 134 InsO vermag dies allerdings die Entgeltlichkeit der Gegenleistung nicht zu begründen. 175 Vgl. auch Schumacher, ÖBA 2003, S. 288 (293) [zum österreichischen Recht].

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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c) Ergebnis Eine ausgleichsgeeignete Gegenleistung setzt ein selbstständiges Entgegenkommen des Begünstigten voraus, das dieser den Interessen des Schuldners widmet. Daran fehlt es, wenn der Begünstigte nicht zugunsten des Schuldners tätig wird, sondern die Schuldnerleistung bei Eintritt eines von seinem Tätigwerden unabhängigen Ereignisses erhält, oder wenn das Tätigwerden des Begünstigten in erster Linie seinen eigenen Interessen dient. An einem echten Entgegenkommen fehlt es, wenn der Begünstigte eine bereits ausgeführte Tätigkeit schlicht fortführt oder dem Schuldner bzw. einem Dritten bereits zu dem Entgegenkommen verpflichtet war. Selbstständig ist eine Gegenleistung nur, wenn sie auch unabhängig von der Schuldnerleistung sinnvoll ist. Werden lediglich die Befugnisse des Begünstigten hinsichtlich des vom Schuldner zugewendeten Gegenstands beschränkt, liegt eine unselbstständige Auflage und keine ausgleichsgeeignete Gegenleistung vor. Die Gegenleistung muss irgendeinen Vorteil verschaffen, der auf dem Markt als solcher anerkannt wird. Andernfalls kann bereits auf Grundlage der Auslegung der Parteiabsprache nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien das Entgegenkommen als taugliche Gegenleistung angesehen haben. Die anderweitige Behauptung der Parteien ist gem. § 117 Abs. 1 BGB unbeachtlich. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die vereinbarte Gegenleistung einen Vorteil verschafft, der dem Vermögen des Schuldners wirtschaftlich zugutekommt. Es steht der Entgeltlichkeit der Schuldnerzuwendung daher nicht entgegen, dass die Gegenleistung nur den persönlichen Interessen des Schuldners dient und für die Gläubiger keinen Wert hat. Aus dem Bereich der entgelttauglichen Gegenleistungen scheiden lediglich Zugeständnisse aus, die ausschließlich in einem persönlich-privaten Zusammenhang stehen und daher für einen außenstehenden Dritten unbewertbar sind: Sie liefern die Gläubiger vollständig den Behauptungen der Parteien aus, die sie nicht widerlegen können. Eine solche, unbewertbare Gegenleistung schließt die Unentgeltlichkeit der Schuldnerleistung nicht aus. Eine vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbrachte Gegenleistung hingegen macht die Schuldnerzuwendung entgeltlich. Ein wirtschaftliches Interesse des Schuldnervermögens an der an den Dritten erbrachten Gegenleistung ist nicht erforderlich.176 Vielmehr sind seine Gläubiger auf die Anfechtung gegenüber dem begünstigten Dritten verwiesen. Die Anforderungen an die Entgelttauglichkeit der an den Dritten erbrachten Gegenleistung entsprechen vollum-

176

Vgl. BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302) [zum DreiPersonen-Verhältnis]: „Es genügt deshalb für eine Anfechtung nach § 32 KO Nr. 1 KO nicht, dass die Gegenleistung des Anfechtungsbeklagten dem Gemeinschuldner und damit der Konkursmasse nicht zugutegekommen ist“; ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14 f.).

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

fänglich den Anforderungen, die auch an eine an den Schuldner selbst erbrachte Gegenleistung zu stellen sind. Eines ‚Perspektivwechsels’, den die herrschende Meinung in Drei-Personen-Beziehungen zur Anwendung bringt,177 bedarf es für die Beurteilung der Gegenleistung daher nicht. Der Bewertungsmaßstab für die Unentgeltlichkeit ist in Zwei- und in Mehrpersonenbeziehungen vielmehr identisch. 2. Die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung Sowohl im Anfechtungs- als auch im bürgerlichen Recht herrscht Einigkeit, dass die Leistung des Begünstigten mit der Leistung des Schuldners in besonderer Weise verknüpft sein muss, um den Charakter einer Gegenleistung zu erhalten.178 Erst wenn die Parteien Leistung und Gegenleistung in ein Abhängigkeitsverhältnis stellen, können die Leistungen einander zugeordnet werden. Es handelt sich dann nicht mehr um zwei separate Leistungsvorgänge, sondern um einen Leistungsaustausch. Da im Rahmen des § 134 InsO grundsätzlich nur eine zwischen den Parteien kausalvertraglich vereinbarte Gegenleistung die Unentgeltlichkeit ausschließt,179 müssen sich die Parteien in aller Regel über diese Verknüpfung verständigen.180 Nur im Fall eines einseitigen materiellen Kausalgeschäfts wie der Stiftungserrichtung oder der Auslobung kann die Verknüpfung auch durch

177

Siehe oben S. 317 mit Fn. 135. Für das Insolvenzrecht BGH, Urt. v. 07.06.2001 – IX ZR 195/00, NZI 2001, 539 (540) zu § 10 Abs. 1 GesO: „rechtliche Beziehung“, „rechtliche Verknüpfung“; BGH, Urt. v. 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407 (410): „unmittelbarer Zusammenhang“; OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.09.2003 – 1 U 167/02, NZI 2004, 31 (33): „subjektiver Zusammenhang“; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 19; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 119; Thole, Gläubigerschutz, S. 450. Für das bürgerliche Recht vgl. nur W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 49 ff.; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 32: „innerer Zusammenhang“; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 42 f.; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 28; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 5 ff. 179 Siehe oben S. 288 ff. Eine Ausnahme besteht lediglich für entgeltäquivalente Ausgleichsansprüche (siehe ebd.). Bei ihnen wird die Verknüpfung nicht durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung einer oder beider Parteien, sondern kraft gesetzlicher Anordnung hergestellt. Hier genügt es daher, dass das Entstehen des Ausgleichsanspruchs vom Wissen und Willen des leistenden Schuldners gedeckt war (vgl. ebd.). 180 Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 170 f.; Thole, Gläubigerschutz, S. 450. Vgl. auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 19: „Für die Annahme von Entgeltlichkeit ist die Verknüpfung von Leistung und zu erbringender Gegenleistung durch (zumindest konkludente) Parteiabrede erforderlich.“ Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11 weist darauf hin, einer ausdrücklichen Einigung über die Verknüpfung im Sinne eines Austausches von Angebot und Annahme bedürfe es nicht; dies ist jedoch selbstverständlich, da eine Einigung auch konkludent getroffen werden kann. 178

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung hergestellt werden. Durch Auslegung ist zu bestimmen, ob der rechtlich relevant gewordene Wille der Parteien darauf gerichtet war, die Schuldnerleistung mit der Gegenleistung des Empfängers in Abhängigkeit zu stellen. Die nicht rechtsgeschäftlich relevant gewordene, bloß einseitig gebliebene Hoffnung auf eine Gegenleistung genügt daher nicht, selbst wenn sie sich letztlich verwirklicht.181 a) Die verschiedenen Arten der Verknüpfung Das Abhängigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung kann von den Parteien in dreierlei Weise ausgestaltet werden.182 Den weitaus häufigsten Fall bildet die synallagmatische Verknüpfung i.S.d. §§ 320 ff. BGB. Sie prägt gegenseitige Austauschverträge mit beiderseitigen Leistungspflichten, die zueinander in wechselseitiger Abhängigkeit stehen.183 Keine Partei muss leisten, 181

Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 38; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 21; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 169. Vgl. auch BGH, Urt. v. 13.03.2008 – IX ZR 117/07, NZI 2008, 369 in Rn. 8; OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 (315); OLG Celle, Urt. v. 17.10.1989 – 20 U 25/89, NJW 1990, 720 (zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Ehricke, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 39 Rn. 27; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 9; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 23; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 19; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G51; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13; ders., Gläubigerschutz, S. 450. 182 Der Dreiklang der synallagmatischen, konditionalen und rechtlich kausalen Verknüpfung wurde begründet von Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 15 ff. Heute entspricht er der herrschenden Meinung im allgemeinen Zivilrecht, vgl. BGH, Urt. v. 17.06.1992 – XII ZR 145/91, NJW 1992, 2566 (2567); RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (356); W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 61; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 44; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 32; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 43; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 13 III 1, S. 319; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 8; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 27 f.; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 28; Mezger, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 516 Rn. 9; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 72, S. 71 ff.; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 8. Das Anfechtungsrecht hat diese Kategorien aufgenommen, vgl. Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 37; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 381 f.; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 24; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 120 ff.; Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1622). In dieselbe Richtung deutet auch die Äußerung, die Gegenleistung müsse im Rahmen des § 134 InsO nicht notwendig eine solche i.S.d. §§ 320 ff. BGB sein, BGH, Urt. v. 18.03.2010 – IX ZR 57/09, NZI 2010, 439 in Rn. 9; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 13; BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867); Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 25; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17a; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 13. 183 Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 8; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 27.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

ohne dass sie die Gegenleistung der anderen Partei erhält (do ut des). Der Schuldner kann die Gegenleistung vom anderen Teil verlangen, bevor er seine eigene Leistung erbringt, solange er ihm diese Zug-um-Zug gegen Erhalt der Gegenleistung anbietet. Bei der konditionalen Verknüpfung ist das Erbringen der Leistung des einen Teils die aufschiebende Bedingung für das Entstehen der Leistungsverpflichtung des anderen Teils.184 Vor der Leistungserbringung besteht kein klagbarer Anspruch auf die Gegenleistung. Wurde die Leistung jedoch erbracht, ist die aufschiebende Bedingung für die Gegenleistungsverpflichtung eingetreten und das Behaltendürfen der Leistung ist nun an das Erbringen der Gegenleistung geknüpft. Fälle der konditionalen Verknüpfung sind in der Praxis selten.185 Gesetzlich vorgesehen ist sie insbesondere im Fall der Auslobung, § 657 BGB.186 Die rechtlich kausale Verknüpfung zeichnet sich dadurch aus, dass die Gegenleistung als Zweck der Leistung vereinbart wird.187 Die Gegenleistung ist die Geschäftsgrundlage für die eigene Zuwendung.188 Bei Ausbleiben der Gegenleistung kann der Leistende Rückforderungsansprüche geltend machen, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB.189 Der Anwendungsbereich der rechtlich kausalen Verknüpfung betrifft Fälle, in denen ohne rechtliche Verpflichtung eine Zuwendung erbracht wird, um den Empfänger zu einem nicht erzwingbaren Verhalten zu veranlassen.190 Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Arten der Verknüpfung kann im Einzelfall schwierig sein.191 Sie zeichnen sich jedoch übereinstimmend dadurch aus, dass die Leistung in ihrem endgültigen Bestand vom Erbringen

184 Vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1981 – IV a ZR 182/80, NJW 1982, 436; RG, Urt. v. 28.05.1919 – IV 97/19, Recht 1919, Nr. 1940; RG, Urt. v. 16.01.1911 – IV 58/10, JW 1911, 278; Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 37; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 46; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 32; Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 20; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 8. 185 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 46; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 27. 186 Vgl. Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 46; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 32. 187 Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 8. 188 BGH, Urt. v. 17.04.2002 – IV ZR 259/01, NJW 2002, 2469 (2470); BGH, Urt. v. 02.10.1991 – XII ZR 132/90, NJW 1992, 238 (239); BGH, Urt. v. 17.01.1990 – XII ZR 1/89, NJW-RR 1990, 386; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 47; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 32; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 28; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 8. 189 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 47; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 13 III 1, S. 319. 190 Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 28. 191 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 44.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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der Gegenleistung abhängig ist.192 Bleibt die Gegenleistung aus, kann die Leistung vom Schuldner verweigert oder zurückgefordert werden. Keine ausreichende Verknüpfung begründet daher die rein tatsächlich-kausale Abhängigkeit von Schuldnerleistung und Empfängerzuwendung.193 Für eine taugliche Verknüpfung muss ein rechtlicher und nicht nur ein rein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Werbegeschenke und Bestechungsgelder sind daher auch dann unentgeltlich, wenn sie letztlich zu dem erhofften Empfängerverhalten führen, solange ihr Bestand nicht wirksam an dieses Entgegenkommen geknüpft ist.194 Die schuldnerische Leistung mag hier zwar conditio sine qua non für das Entgegenkommen des Empfängers gewesen sein, der ohne die Schuldnerleistung nicht tätig geworden wäre. Jedoch war dieses Entgegenkommen zu keiner Zeit Voraussetzung für den Bestand der Schuldnerzuwendung.195 Der Begünstigte hätte die Schuldnerleistung unabhängig von seinem Tätigwerden endgültig behalten dürfen. Daher fehlt es an einer rechtlichen Abhängigkeit der beiden Leistungen. b) Wirksame Verknüpfung anstatt Erfolgskontrolle Die wirksame Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung bewirkt lediglich, dass der Bestand der Schuldnerleistung in seiner Endgültigkeit vom Erbringen der Gegenleistung abhängig ist. Sobald dies feststeht, sind sowohl die Leistung des Schuldners als auch die Gegenleistung des Empfängers entgeltlich. Nicht sichergestellt ist, dass der Empfänger die Gegenleistung auch tatsächlich erbringt. Der Empfänger kann somit entgeltlich erwerben, obwohl seine Gegenleistung ausbleibt: Sein Erwerb wird dann lediglich Rückforderungsansprüchen des Schuldners bzw. des Insolvenzverwalters ausgesetzt. aa) Viele Definitionen der Unentgeltlichkeit im Rahmen des § 134 InsO sind erfolgsbezogen formuliert: Entgeltlich soll die Leistung des Schuldners nur

192 RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (356); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11. 193 OLG Frankfurt, Urt. v. 11.02.1981 – 7 U 146/80, FamRZ 1981, 778 (779); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 43 f., 382; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 124 f.; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 28; Mezger, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 516 Rn. 9; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, S. 28 ff.; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 8. A.A. Schreiber, JherJb 60 (1912), S. 106 (177 ff.), der die rechtliche Verbindung von Leistung und Gegenleistung nicht für erforderlich hält; die Leistung müsse nur Ursache der Gegenleistung gewesen sein; zum gemeinen Recht ebenso Hölder, Pandekten, § 55 Anm. 3 und 1. 194 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 21 (mit Einschränkung für Bestechungsgelder); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 23; Siemon, BB 1991, S. 81 (82 f.); i.E auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 170. 195 Zu dem Fall, dass die Parteien diese Verknüpfung nachträglich herstellen wollen, siehe S. 333 ff.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

sein, wenn ein Gegenwert in sein Vermögen gelangt ist,196 bzw. wenn der Empfänger eine ausgleichende Gegenleistung erbringt.197 Die Entgeltlichkeit scheint also nicht nur vorauszusetzen, dass die Schuldnerleistung mit einer Gegenleistung verknüpft ist, sondern die Gegenleistung muss auch tatsächlich erbracht worden sein.198 Nur wenn der Empfänger eine echte Vermögenseinbuße erlitten hat, scheint die Anwendung des § 134 InsO auszuscheiden. Bei der synallagmatischen Verknüpfung soll dieses Zusatzerfordernis allerdings stets erfüllt sein, weil das Vermögen des anderen Teils bereits im Zeitpunkt der Kausalabsprache mit der Forderung auf die Gegenleistung belastet wird.199 Auch bei der konditionalen Verknüpfung soll die Schuldnerleistung von Anfang an entgeltlich sein, weil mit dem Erbringen der Schuldnerleistung bereits ein Anspruch auf die Gegenleistung entsteht. Waren Leistung und Gegenleistung hingegen lediglich rechtlich kausal verknüpft, bleibt die Schuldnerleistung so lange unentgeltlich, bis die Gegenleistung tatsächlich erbracht wird, da der Schuldner hier zu keiner Zeit einen Anspruch auf die Gegenleistung erwirbt.200 bb) Überzeugen kann diese anfechtungsspezifische Erfolgskontrolle jedoch nicht.201 Die Unentgeltlichkeitsanfechtung gründet sich auf dem Vorwurf gegenüber dem Schuldner, entgegen der wirtschaftlichen Vernunft vom Begünstigten keine Gegenleistung gefordert zu haben. Verknüpft der Schuldner aber den Bestand seiner Leistung mit einer tauglichen Gegenleistung, so sichert es sich gegen die kompensationslose Bereicherung des Empfängers ab: Dieser muss das Erworbene zurückerstatten, wenn die Gegenleistung ausbleibt. Ob diese Absicherung nun über den Erwerb einer klagbaren Forderung auf die Gegenleistung oder durch die rechtlich-kausale Verknüpfung geschieht, darf keinen Unterschied machen. In beiden Fällen verhält sich der Schuldner marktüblich, da er den endgültigen Verlust seiner Zuwendung von dem Erwerb einer Gegenleistung abhängig macht. Der Vorwurf, von dem Begünstigten kein Entgelt gefordert zu haben, rechtfertigt sich daher nicht. Dies gilt umso mehr, als die erworbene Forderung auf die Gegenleistung keineswegs bereits die Gegenleistung selbst verkörpert: Sie bietet dem Schuldner lediglich die Sicherheit, 196

Vgl. BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); RG, Urt. v. 18.03.1910 – VII 279/09, LZ 1910, Sp. 558; RG, Urt. v. 06.06.1902 – VII 111/02, RGZ 51, 412 (415); RG, Urt. v. 17.02.1902 – VII 445/1901, JW 1902, S. 218 Nr. 22; OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556). 197 Vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 35; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 39; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07, NJW-RR 2009, 1563 in Rn. 16; BGH, Urt. v. 07.06.2001 – IX ZR 195/00, NZI 2001, 539 (540); BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904. 198 So ausdrücklich Heim, Schenkungsanfechtung, S. 122 ff. 199 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 122. 200 So auch Heim, Schenkungsanfechtung, S. 124. 201 I.E. ebenso Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 42 f.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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die Gegenleistung notfalls auch mit Zwang beizutreiben.202 Eine Garantie für die Verwirklichung dieses Ziels gibt die Forderung nicht. Durch die Forderung werden lediglich die Chancen auf den Erwerb der Gegenleistung erhöht, aber diese wird nicht bereits selbst erbracht. cc) Es bleibt somit auch im Rahmen des § 134 InsO bei den allgemeinen schuldvertraglichen Grundsätzen: Die Schuldnerleistung ist entgeltlich, wenn ihr endgültiger Bestand von dem Erbringen der Gegenleistung rechtlich abhängig ist.203 Ob eine Verpflichtung zum Erbringen der Gegenleistung bestand oder nicht, ist irrelevant, solange die Leistung bei Ausbleiben der Gegenleistung keinen endgültigen Bestand hat.204 Der Entgeltcharakter der Schuldnerleistung wird daher nicht in Frage gestellt, wenn die vereinbarte Gegenleistung im Ergebnis ausgeblieben ist.205 Die Leistung bleibt entgeltlich – der Insolvenzverwalter ist auf die allgemeinen schuldrechtlichen Rückforderungsansprüche verwiesen.206 c) Möglichkeiten zur nachträglichen Herstellung der Verknüpfung Steht im Zeitpunkt der Leistung bereits fest, dass der endgültige Bestand der Leistung von einer Gegenleistung des Empfängers abhängen soll, stehen Leistung und Gegenleistung in einem wirksamen Austauschverhältnis und tragen entgeltlichen Charakter. Ist die Leistung jedoch zunächst in ihrem Bestand noch nicht von einer Gegenleistung abhängig, aber erbringt der Empfänger im Nachhinein gleichwohl eine Gegenzuwendung, die nach dem Willen der Parteien die Erstzuwendung abgelten soll, so stellt sich die Frage, ob die Parteien auch eine bereits erbrachte Leistung nachträglich noch mit einer Gegenleistung 202

Zum Charakter der Forderung als bloßes Sicherungsrecht siehe oben S. 33 f. Vgl. OLG Celle, Urt. v. 17.10.1989 – 20 U 25/89, NJW 1990, 720 (zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.); OLG Nürnberg, Urt. v. 4.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (60); LG Berlin, Urt. v. 06.03.2007 – 37 I 95/06, DZWiR 2007, 306 (307); Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. 2, 12. Aufl., Rn. 19.3; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (279); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 10; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 205. 204 Vgl. Kleinschmidt, JZ 2009, S. 1121 (1122). 205 Vgl. BGH, Beschl. v. 21.6.2007 – IX ZR 165/04, juris; BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 48; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 14; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 22; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 24; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 6; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 10; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17c; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 13; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G35; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 76 f.; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14. 206 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 10; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17c. 203

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verknüpfen und auf diese Weise den beiden Leistungen entgeltlichen Charakter verleihen können. Die insolvenzrechtliche Literatur vermittelt zu dieser Frage kein klares Bild. Überwiegend herrscht die Meinung vor, eine unentgeltliche Leistung könne nicht durch nachträgliche Vereinbarung der Beteiligten in eine entgeltliche Leistung umgewandelt werden.207 Entscheidend für die Entgeltprüfung sei allein der Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Leistung, also gem. § 140 Abs. 1 InsO die Vollendung des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners.208 Anschließend könnten die Parteien die Leistungszweckbestimmung nicht mehr wirksam abändern.209 Andererseits soll aber die nachträgliche Vergütung von bereits geleisteten Diensten – insbesondere in Form von Gratifikationen im Arbeitsverhältnis – der Unentgeltlichkeitsanfechtung entzogen sein, weil sie als zusätzliche Gegenleistung für die erbrachten Dienste anzusehen sei.210 Andere sind hingegen der Meinung, eine ursprünglich unentgeltliche Leistung könne stets auch nachträglich in eine entgeltliche umgewandelt werden, sofern die Gegenzuwendung die Schuldnerleistung vollständig ausgleiche.211 Es ist also zu klären, inwieweit die Parteien den Entgeltcharakter der Leistung durch die nachträgliche Verknüpfung mit einer Gegenleistung noch beeinflussen können. Dafür ist in einem ersten Schritt die Vereinbarung einer nachträglichen Vergütung von der remuneratorischen Schenkung abzugrenzen (aa). Anschließend stehen zunächst die Fälle im Fokus, in denen sich die Parteien ursprünglich über die Unentgeltlichkeit der Erstzuwendung positiv geeinigt haben, aber ihr nachträglich eine ausgleichende Gegenleistung zuordnen 207

BFH, Urt. v. 10.02.1987 – VII R 122/84, BFHE 149, 204 (210) [zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.]; Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 41; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 21 (in Bezug auf Zuwendungen zwischen Ehegatten); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 37; Huber, AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 20; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 20; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 37; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 16; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G31a. 208 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 41; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 37; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 20; Rogge/ Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 16. 209 BFH, Urt. v. 10.02.1987 – VII R 122/84, BFHE 149, 204 (209 f.) [zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.]; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 37; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17, 20; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 16. 210 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 19 f.; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 149 ff.; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 38 (wenn die Vergütung im Geschäftsleben von vornherein den Umständen nach zu erwarten war); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 29. 211 Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 7; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 15.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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und so den zunächst vereinbarten einseitigen Bereicherungszweck in einen entgeltlichen Austauschzweck umwandeln (bb). Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen die Parteien das nachträgliche Erbringen einer Gegenleistung von Anfang an als möglich ins Auge gefasst, aber den Bestand der Erstzuwendung gleichwohl nicht an das Erbringen einer Gegenleistung geknüpft haben (cc). Vor diesem Hintergrund kann dann auch der Entgeltcharakter der nachträglichen Vergütung von Diensten bewertet werden. aa) Abgrenzung der nachträglichen Vergütung von der remuneratorischen Schenkung Grundvoraussetzung der nachträglichen Verknüpfung mit einer Gegenleistung ist zunächst, dass die Parteien mit der Zweitzuwendung überhaupt eine Abgeltung der Erstzuwendung bewirken wollten. Möchte sich der Empfänger der Erstzuwendung hingegen lediglich für die empfangene Leistung bedanken, handelt es sich bei der Zweitzuwendung schon nach dem Willen der Parteien nicht um eine Gegenleistung, sondern um eine remuneratorische Schenkung,212 die als echte Schenkung i.S.d. § 516 BGB213 unproblematisch unter § 134 InsO fällt.214 Die Erstzuwendung ist dann zwar der Auslöser für die dankende Be-

212 BGH, Urt. v. 11.11.1981 – IV a ZR 182/80, NJW 1982, 436; OLG Hamm, Urt. v. 29.11.1994 – 29 U 80/94, NJW-RR 1995, 567 (568). 213 Im gemeinen Recht war der Schenkungscharakter der dankenden Belohnung noch umstritten (vgl. dazu Hölder, Pandekten, § 55 Anm. 3; Meyerfeld, Schenkungen, Bd. 1, S. 368 ff.). Nachdem der Gesetzgeber des BGB die gesonderte Behandlung der belohnenden Schenkung im gemeinen Recht allerdings bewusst nicht übernahm (vgl. die Motive BGB, Bd. II, S. 289, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 160), besteht nun auch im allgemeinen Zivilrecht an ihrer Qualifikation als Schenkung kein Zweifel mehr (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.11.1994 – 29 U 80/94, NJW-RR 1995, 567 f.; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 52; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 43; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 31; Saenger, in: Schulze/ Dörner, BGB, 8. Aufl., § 516 Rn. 4; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 9). 214 Obwohl die Motive zur KO die Entscheidung über die Anfechtbarkeit wechselseitiger oder vergeltender Schenkungen gem. § 25 KO dem bürgerlichen Recht der Partikularstaaten überließen (vgl. Motive KO, S. 136, abgedruckt bei Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. 4, S. 142) und die Qualifikation der dankenden Belohnung als echte Schenkung im gemeinen Recht noch umstritten war (vgl. soeben Fn. 213), subsumierte die anfechtungsrechtliche Literatur die remuneratorische Schenkung schon von Anfang an unter § 25 KO, vgl. Endemann, Konkursverfahren, § 44, S. 268; Hartmann, AnfG, 3. Aufl., § 3 Nr. 32, S. 124; Korn, Anfechtung, 2. Aufl., S. 109; Petersen/Kleinfeller, Konkursordnung, 3. Aufl., § 25 Anm. 2, S. 142; Stieglitz, Konkursordnung, § 25 Anm. II 3, S. 155; von Sarwey, Konkurs-Ordnung, § 25 Anm. 6, S. 152; von Wilmowski, Reichs-Konkursordnung, 2. Aufl., § 25 Anm. 3, S. 170.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

lohnung, aber eine rechtliche Verknüpfung im Sinne von Leistung und Gegenleistung wird von den Parteien zu keiner Zeit angestrebt.215 Die beiden Zuwendungen stehen sich als individuelle, voneinander unabhängige Leistungen gegenüber, die lediglich in tatsächlicher Hinsicht durch das Motiv der Dankbarkeit miteinander verbunden sind. Im Fokus der folgenden Untersuchung stehen somit Fälle, in denen es den Parteien nicht auf eine dankende Belohnung, sondern auf die nachträgliche Abgeltung der Erstzuwendung ankommt. Die Erstzuwendung soll nicht unentgeltlich bleiben, sondern in ein entgeltliches Austauschverhältnis einbezogen werden. Das Motiv dafür wird meist darin liegen, dass der Empfänger der Erstzuwendung seine einseitige Begünstigung im Nachhinein nicht mehr als angemessen empfindet und sie daher durch eine entsprechende Gegenleistung ausgleichen möchte. Bsp. 1: A schenkt seiner Partnerin P zum dritten Jahrestag ihrer Beziehung einen VW Golf. Kurz darauf trennt sich P von A. Den Golf möchte sie gerne behalten, doch hält sie dieses teure Geschenk angesichts der Trennung nicht mehr für angemessen. Die beiden vereinbaren, dass B einen angemessenen Kaufpreis i.H.v. 15.000 Euro zahlt. Bsp. 2: A möchte möglichst zeitnah seinen alten PKW loswerden, da er dringend Platz in seiner Garage schaffen muss. Er schätzt den Marktwert des Wagens auf ca. 1.000 Euro. Auf einer Feier trifft er den Studenten S, der ein Auto benötigt, aber momentan knapp bei Kasse ist. Die beiden vereinbaren, dass S ca. 1.000 Euro an A zahlen soll, wenn er mit dem Auto zufrieden ist und das Geld aufbringen kann. Ansonsten darf er das Auto auch unentgeltlich behalten. Das Auto wird umgehend nach der Feier an S übereignet. Dieser probiert den Wagen zwei Wochen aus, ist begeistert und zahlt an A die 1.000 Euro, die ihm seine Großmutter kurz zuvor zugesteckt hat.

Das Ziel der Parteien liegt in diesen Beispielsfällen nicht in einer dankenden Belohnung für die ursprüngliche Schenkung, sondern sie wollen die unentgeltliche Schenkungscausa durch einen entgeltlichen Vertrag mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten ersetzen. Diese Fälle sind Gegenstand der Diskussion, ob die nachträgliche Verknüpfung mit einer Gegenleistung auch nach dem Vollzug der Erstzuwendung noch möglich ist. bb) Nachträgliche Vereinbarung der Entgeltlichkeit Im ersten Beispielsfall haben sich die Parteien zunächst unbedingt über die Unentgeltlichkeit der Erstzuwendung geeinigt und wollen diese Vereinbarung nun durch einen entgeltlichen Austauschvertrag ersetzen. Dogmatisch handelt es sich hierbei um eine Novation:216 Die Parteien vereinbaren einvernehmlich die Aufhebung der Schenkungscausa und einigen sich zugleich über einen

215

Die remuneratorische Schenkung ist somit ein typischer Anwendungsfall der rein tatsächlichen Verknüpfung, die für die Entgeltlichkeit nicht genügt, vgl. S. 331 f. 216 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 45 f.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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neuen entgeltlichen Rechtsgrund, der sowohl die bereits vorgesehene Erstzuwendung als auch die nunmehr geschuldete Gegenleistung rechtfertigen soll.217 (1) Grundsätzliche Möglichkeit eines Austauschs der Causa Unproblematisch möglich ist eine solche Novation, bevor die Erstzuwendung erfolgt ist: Dann wird die Schenkungsforderung erlassen und zugleich ein neuer, entgeltlicher Kausalvertrag abgeschlossen.218 Wurde die Erstzuwendung aber bereits vollzogen, könnte man daran zweifeln, ob die vertragliche Aufhebung des bereits verwirklichten Rechtsgrundes überhaupt möglich ist. Denn nach dem Verständnis des Gesetzesgebers war der Aufhebungsvertrag nichts anderes als ein Erlassvertrag i.S.d. § 397 BGB bzw. die Verknüpfung zweier unabhängiger Erlassverträge.219 Mit dem Vollzug der Erstzuwendung ist die Forderung aus dem Ursprungsvertrag jedoch kraft Erfüllung erloschen und damit gibt es nichts mehr, was gem. § 397 BGB erlassen bzw. aufgehoben werden könnte.220 Die Möglichkeit, bereits vollzogene unentgeltliche Leistungen im Wege der Novation nachträglich mit einem entgeltlichen Rechtsgrund zu versehen, würde damit schon begrifflich ausscheiden.221 Mit Blick auf die Vertragsfreiheit gibt es allerdings keinen Grund, den Anwendungsbereich des Aufhebungsvertrags von vornherein auf das vom Gesetzgeber in den Blick genommene Verständnis zu verengen. Zwar ist die Schenkungsforderung erloschen, aber die Schenkungscausa besteht als Behaltensgrund auch nach dem Vollzug der Schenkung weiter fort. Es spricht nichts da-

217 Zur Doppelwirkung der Novation als Kombination von Schuldaufhebung und Schuldneubegründung vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1985 – III ZR 80/84, NJW 1986, 1490; Feldmann/ Löwisch, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 311 Rn. 86; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 45; Gröschler, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 311 Abs. 1 Rn. 52; Kindl, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 311 Rn. 10. 218 Vgl. von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 72 III 3, S. 92. 219 Motive BGB, Bd. II, S. 79, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 43. 220 So Gernhuber, Erfüllung, 2. Aufl., § 17 1 b, S. 396; in diese Richtung auch von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 72 III 3, S. 90 f. 221 So i.E. OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.02.2001 – 9 U 136/00, NJW-RR 2001, 1518 (1519); OLG Hamm, Urt. v. 29.11.1994 – 29 U 80/94, NJW-RR 199, 567 (568); OLG Frankfurt, Urt. v. 11.02.1981 – 7 U 146/80, FamRZ 1981, 778 (779); BFH, Urt. v. 02.10.1957 – II 127/57 U, BFHE 65, 562 (564) [zum ErbStG]; Keim, FamRZ 2004, S. 1081 (1084); von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 72 III 3, S. 90 f.; Wimmer-Leonhardt, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2005, § 516 Rn. 44. Zweifelnd RG, Urt. v. 22.11.1909 – Rep. VI 437/08, RGZ 72, 188 (191): Es „mag zweifelhaft erscheinen, ob die Macht der Parteiwillkür soweit reichen könnte, um einer zunächst in unbedingter Weise als unentgeltlich übernommenen und ausgeführten Geschäftsbesorgung hinterher, solange die beiderseitigen Beziehungen noch nicht endgültig abgewickelt sind, die Natur einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung zu verleihen.“

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

gegen, dass die Parteien nicht nur Forderungen, sondern auch das Schuldverhältnis i.w.S. zum Gegenstand eines Aufhebungsvertrags machen dürfen.222 Sie könnten schließlich auch vereinbaren, dass der Empfänger den Gegenstand der Erstzuwendung zunächst zurückübereignet und dann aufgrund eines entgeltlichen Geschäfts erneut erwirbt. Bei der Novation geschieht im Ergebnis nichts anderes, nur dass die Parteien den einfachen Weg der Aufhebung der Causa und nicht den der Rückübereignung wählen. Es besteht kein Grund, ihnen diese Möglichkeit zur privatautonomen Gestaltung ihrer Rechtsbeziehung generell zu versagen. Soweit nicht im Einzelfall schutzwürdige Interessen Dritter der Ausübung der Privatautonomie entgegenstehen, steht es den Parteien daher frei, die unentgeltliche Causa der bereits vollzogenen Zuwendung aufzuheben und durch eine entgeltliche Verabredung zu ersetzen.223 (2) Interessenlage im Anfechtungsrecht Als schützenswertes Interesse Dritter, das die Privatautonomie der Parteien beschränken könnte, kommt im anfechtungsrechtlichen Kontext das Interesse ihrer Gläubiger an dem Bestand bzw. der Begründung eines Anfechtungsrechts in Betracht. Auf Seiten des Erstzuwendenden führt die Novation dazu, dass seine Zuwendung ihren Charakter als unentgeltliche Leistung einbüßt. Damit fällt auch die Grundlage der Anfechtung gem. § 134 InsO nachträglich weg. Den Gläubigern des Zweitzuwendenden hingegen ist die Anfechtung der Gegenzuwendung angesichts der wirksamen Verknüpfung mit der Erstzuwendung von vornherein verwehrt, obwohl ihr Schuldner durch die Novation keinen Vorteil erlangt hat, der nicht vorher schon sicher in sein Vermögen übergegangen war. (a) Die Interessen der Gläubiger des Erstzuwendenden werden allerdings bereits dadurch gewahrt, dass eine Gegenleistung in das Vermögen ihres Schuldners fließt, die seinem Vermögen sonst nicht zur Verfügung gestanden hätte.224 Der Schuldner erhält nachträglich einen Ausgleich für seine zunächst kompensationslose Vermögenseinbuße, der seinen Gläubigern nun als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Dass es noch vorteilhafter für sie wäre, wenn die Leistung trotz des nachträglichen Ausgleichs weiterhin unentgeltlich

222 So auch Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 33; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 45; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 30; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 38; Schindler, ZErb 2004, S. 46 (48). 223 Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 51; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 33; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 46; Jaeger, Kommentar zur KO, Bd. 1, 6. u. 7. Aufl., § 32 Anm. 1, S. 632; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 30; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 38 f.; Schindler, ZErb 2004, S. 46 (48). Auch Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 9. 224 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 47.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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bliebe, steht der Novation nicht entgegen, denn auf eine Besserstellung im Vergleich zur Vermögenslage vor der Novation haben die Gläubiger keinen Anspruch.225 (b) Weitaus stärker betroffen sind hingegen die Gläubiger des Zweitzuwendenden: Ihr Schuldner hat in dem Aufhebungsvertrag einen Vorteil preisgegeben, der vorher bereits sicher in seinem Vermögen vorhanden war. Aufgrund der neuen Vereinbarung darf ihr Schuldner diesen Vorteil nur noch dann endgültig behalten, wenn er im Gegenzug eine Gegenleistung gewährt. Allerdings werden die Gläubiger des Zweitzuwendenden durch die Novation nicht rechtlos gestellt: Zwar ist die von ihrem Schuldner gewährte Gegenleistung der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen, weil sie von vornherein als entgeltliche Leistung vereinbart war. Mit der in der Novation integrierten Aufhebung des ursprünglichen Rechtsgrundes hat ihr Schuldner allerdings das Recht zum Behaltendürfen der Erstzuwendung aufgegeben, ohne dass diesem Zugeständnis ein gleichwertiges Entgegenkommen des anderen Teils gegenüberstand.226 Daher können die Gläubiger die Aufhebung der Schenkungscausa als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechten.227 Damit fällt zugleich die Grundlage für die nachfolgende entgeltliche Schuldneubegründung weg. Die Gläubiger des Zweitzuwendenden können die Gegenleistung daher nach Anfechtung des in der Novation integrierten Aufhebungsvertrags nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückfordern. Die Erstzuwendung ist wieder durch die ursprüngliche Schenkungscausa gerechtfertigt. Auch die Interessen der Gläubiger des Zweitzuwendenden sind somit gewahrt, denn sie können sich gegen die Nachteile der Novation wehren. (c) Die Parteien können somit auch eine bereits vollzogene, unentgeltliche Zuwendung nachträglich mit einem entgeltlichen Rechtsgrund unterlegen. Sowohl die Erstzuwendung als auch die Zweitzuwendung werden dadurch entgeltlich. Die Gläubiger des Begünstigten der Erstzuwendung können den Aufhebungsvertrag allerdings gem. § 134 InsO anfechten und anschließend die von ihrem Schuldner erbrachte Gegenleistung bereicherungsrechtlich zurückfordern. Da mit Erklärung der Anfechtung die Wirkungen der Novation wegfallen, könnten die Gläubiger des Erstzuwendenden nun auch die Erstzuwendung wieder gem. § 134 InsO anfechten. Sie sind aber darauf angewiesen, dass die Gläubiger des Zweitzuwendenden den Aufhebungsvertrag gem. § 134 InsO anfechten – selbst können sie nicht die Initiative ergreifen.

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Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 47. Zur getrennten anfechtungsrechtlichen Beurteilung von Aufhebungsvertrag und Auseinandersetzungsvertrag im Bereich des ehelichen Güterrechts vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 (125). 227 Die Aufhebung der Schenkungscausa ist nicht anders zu behandeln als die Rückschenkung des geschenkten Gegenstandes, die ebenfalls als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO selbstständig anfechtbar wäre. 226

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

(3) Abgrenzungskriterien zur remuneratorischen Schenkung Ob die Parteien tatsächlich eine Novation angestrebt haben oder doch eine remuneratorische Schenkung vorliegt, ist durch Auslegung der Parteiabsprache zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Novation tiefgreifende Auswirkungen auf die Rechtsbeziehung der Parteien hat: Die vorher getroffene Kausalabsprache wird vollständig revidiert. Der unentgeltliche Rechtsgrund mit seinen Haftungserleichterungen und Schutzvorschriften zugunsten des Zuwendenden wird durch ein entgeltliches Rechtsgeschäft mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten ersetzt. Diese einschneidende Rechtsfolge beabsichtigen die Parteien nur im Ausnahmefall. Es müssen besondere Umstände und eine entsprechende Absprache der Parteien vorliegen, um ihnen den Willen zur Novation unterstellen zu können. Die bloße Behauptung der Parteien, sie hätten mit der Zweitzuwendung die Erstzuwendung abgelten wollen, genügt jedenfalls nicht.228 Erforderlich ist zudem der Nachweis, dass der Zweitzuwendende seine Gegenleistung von vornherein nur mit Rücksicht auf die neue, entgeltliche Kausalabsprache erbracht hat. Die Parteien können nicht zwei ohne jeden Bezug zueinander erbrachte Leistungen im Nachhinein als Leistung und Gegenleistung deklarieren. Eine solche, rein willkürliche Verknüpfung würde allein den Zweck verfolgen, die eigentlich unentgeltlichen Leistungen dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Wegen entgegenstehender schutzwürdiger Interessen der Gläubiger ist diese Vereinbarung daher unwirksam. cc) Vereinbarung einer offenen Causa Während sich die Parteien im ersten Beispiel zunächst vorbehaltlos über die Unentgeltlichkeit geeinigt haben und diese Entscheidung nachträglich revidieren, haben sie im zweiten Beispiel229 die Möglichkeit einer Gegenleistung von vornherein ins Auge gefasst. Der Bestand der Erstzuwendung war zwar nicht von dem Erbringen der Gegenleistung abhängig, aber die ursprüngliche Abrede war mit dem Vorbehalt versehen, ihr später möglicherweise eine Gegenleis-

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Insbesondere bei Ehegatten ist äußerste Zurückhaltung geboten, weil zwischen ihnen gegenseitige Zuwendungen üblich sind, sodass von einer nachträglichen Verknüpfung in Form der Novation nur in absoluten Ausnahmefällen ausgegangen werden kann. In diese Richtung auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 37: „(…) umgekehrt kann eine unentgeltliche Leistung nicht durch nachträgliche Vereinbarung der Beteiligten in eine entgeltliche umgewandelt werden. Dies gilt bspw. für Leistungen des Schuldners an seinen Ehegatten.“; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 21: „Hat ein Ehegatte von dem anderen (…) einen Vermögensgegenstand anfechtbar durch unentgeltliche Leistung erworben, so können die Ehegatten nicht durch nachträgliche Vereinbarung die unentgeltliche Zuwendung in eine entgeltliche Leistung umwandeln.“ 229 Siehe oben S. 336.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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tung zuzuordnen. Eine solche Abrede kann als ‚offene Causa’ bezeichnet werden.230 Sie lässt Raum für die nachträgliche, freiwillige Zuordnung einer Gegenleistung zu der bereits erbrachten Leistung, ohne dass die ursprüngliche Causa aufgehoben werden müsste. (1) Der Entgeltcharakter von Leistung und Gegenleistung bei der offenen Causa Fraglich ist nun, wie der Entgeltcharakter von Leistung und Gegenleistung bei der Verabredung einer ‚offenen Causa’ zu bewerten ist. Die Rechtsprechung qualifiziert Leistungen, die bereits in der erkennbaren Absicht erbracht worden sind, für sie unter bestimmten Umständen eine Entlohnung zu fordern, als vorweggenommene Erfüllungshandlung in Bezug auf einen noch abzuschließenden entgeltlichen Vertrag.231 Durch die Gewährung der von vornherein in Aussicht genommenen Vergütung komme nachträglich ein entgeltlicher Vertrag zustande, der es verbiete, die ursprüngliche Leistung als unentgeltlich zu werten. Wie der Entgeltcharakter der Leistung vor dem Erbringen der Gegenleistung ausgestaltet ist, bleibt dabei offen. (a) Nach Maßgabe der bereits entwickelten Grundsätze ist die Erstzuwendung bei der Vereinbarung einer ‚offenen Causa’ zunächst unentgeltlich: Sie ist nicht mit einer Gegenleistung verknüpft, denn bleibt diese aus, muss der Empfänger die Leistung nicht zurückgewähren. Der Erstzuwendende findet sich damit ab, die Leistung unter Umständen kompensationslos zu verlieren und den anderen Teil einseitig zu bereichern. Allerdings haben sich die Parteien die nachträgliche Verknüpfung mit einer Gegenleistung ausdrücklich vorbehalten. Die Leistung ist daher nicht von einem unbedingten einseitigen Bereicherungswillen getragen, sondern dieser ist durch das tatsächliche Erbringen der Gegenleistung auflösend bedingt. Sobald die Bedingung eintritt, wird der einseitige Bereicherungszweck durch den von vornherein in der Absprache angelegten Austauschzweck ersetzt. Die Erstleistung wird automatisch entgeltlich, ohne dass es dafür einer Aufhebung oder Änderung der ursprünglichen Kausalabrede bedarf.

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Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 68. BGH, Urt. v. 19.07.2005 – X ZR 92/03, NJW-RR 2005, 1718 (1719); BGH, Urt. v. 17.06.1992 – XII ZR 145/91, NJW 1992, 2566 (2567); OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.02.2001 – 9 U 136/00, NJW-RR 2001, 1518 (1519); OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.01.1997 – 7 U 59/96, NJW-RR 1997, 1497 (1498); OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.1995 – 9 U 71/95, DNotZ 1996, 652 (653); OLG Hamm, Urt. v. 29.11.1994 – 29 U 80/94, NJW-RR 1995, 567 (568); RG, Urt. v. 11.10.1929 – 54/29 II, JW 1929, 3497 (3498). So im Ergebnis auch RG, Urt. v. 22.11.1909 – Rep. VI 437/08, RGZ 72, 188 (191 f.) [zur nachträglichen Vergütung unentgeltlich geleisteter Dienste]. Aus der Literatur Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 48; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 33; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 30; Mezger, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 516 Rn. 8. 231

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

(b) Die Gegenleistung hingegen war der Erstzuwendung von vornherein als potentieller Ausgleich zugeordnet. Sobald der andere Teil sie tatsächlich erbringt, wird sie in das in der Ursprungscausa bereits angelegte Äquivalenzverhältnis integriert und der Erstzuwendung als Gegenleistung gegenübergestellt. Einer Aufhebung des ursprünglichen Rechtsgrundes bedarf es dafür nicht. Das bedeutet zugleich, dass der Zweitzuwendende mit dem Erbringen der Gegenleistung keine vorher sichere Rechtsposition aufgibt: Anders als bei der Novation wird kein Aufhebungsvertrag geschlossen. Damit fällt auch der Anknüpfungspunkt für eine Anfechtung seiner Gläubiger weg. Sie müssen akzeptieren, dass ihr Schuldner freiwillig eine Gegenleistung gewährt. Der Grund dafür ist, dass die Erstzuwendung zu keiner Zeit vorbehaltlos in das Vermögen ihres Schuldners übergegangen ist. In der ursprünglichen Kausalabsprache war bereits der Boden für einen entgeltlichen Leistungsaustausch angelegt. Die Gläubiger haben keinen Anspruch darauf, dass ihr Schuldner unentgeltliche Leistungen entgegennimmt, ohne dafür ein Entgelt zu gewähren. Daher müssen sie hinnehmen, dass er dieses vereinbarte Entgelt nachträglich freiwillig erbringt.232 Die Parteivereinbarung begründet ein nachvollziehbares Interesse des Schuldners daran, die empfangene Leistung freiwillig abzugelten, ohne dass darin ein Schuldnerfehlverhalten i.S.d. § 134 InsO liegt. (c) Die in der offenen Causa getroffene Absprache ist somit auflösend bedingt unentgeltlich. Die nur potentielle Gegenleistung lässt das Kausalverhältnis noch nicht entgeltlich werden, sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit, dass sich der Entgeltcharakter nachträglich ändert.233 Solange die Gegenleis-

232 Dass die Freiwilligkeit der Leistungserbringung allein nicht schadet, wenn mit ihr ein entgeltlicher Geschäftszweck abgewickelt werden soll, wurde bereits festgestellt, vgl. S. 254 f. (zur Erfüllung unvollkommener Verbindlichkeiten). 233 Fischer hingegen möchte den Entgeltcharakter bei Zuwendungen auf eine offene Causa weniger von der Entscheidung des Empfängers, tatsächlich eine Gegenleistung zu erbringen, als vielmehr von den erkennbaren Zielen des Erstzuwendenden abhängig machen. Gehe es ihm erkennbar darum, für seine Leistung eine – wenn auch freiwillige – Gegenleistung zu erhalten, sei die Leistung von vornherein entgeltlich und bleibe dies auch, wenn sich seine Erwartung nicht erfülle. Sei es dem Leistenden hingegen erkennbar gleichgültig, ob die Gegenleistung erbracht werde oder nicht, sei die Absprache endgültig unentgeltlich, auch wenn die Gegenleistung später tatsächlich erbracht wird (vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 68). Diese Abgrenzung kann jedoch nicht überzeugen. Sie lässt die in den Parteiwillen aufgenommene Hoffnung des anderen Teils auf die Gegenleistung für den Ausschluss der Unentgeltlichkeit genügen und lässt dabei unberücksichtigt, dass der Leistende es bewusst unterlassen hat, seine Leistung von dem Erbringen der Gegenleistung abhängig zu machen. Überzeugender ist es daher, stets von einem bedingten Bereicherungswillen der Erstzuwenden auszugehen. Aus Sicht von Fischer besteht dieser nur, wenn es dem Leistenden aus Sicht eines verständigen Empfängers gleichgültig war, ob er eine Gegenleistung erhalten wird. Eine solche Gleichgültigkeit wird jedoch kaum jemals vorliegen. Denn kommt es dem Empfänger auf Freigebigkeit an, möchte er gerade keine Gegenleistung erhalten. Zieht er aber in

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tung nicht erbracht wird, können die Gläubiger des Erstzuwendenden die Zuwendung gem. § 134 InsO anfechten. Wird die Gegenleistung aber erbracht, tritt die aufschiebende Bedingung für die Entgeltlichkeit ein. Es entsteht ein Austauschvertrag, der die darauf bezogenen Leistungen entgeltlich macht.234 Die Anfechtung gem. § 134 InsO scheidet nunmehr aus. Den Gläubigern des Zweitzuwendenden hingegen steht kein Recht zur Anfechtung gem. § 134 InsO zu, denn ihr Schuldner hat die Erstzuwendung von vornherein unter dem Vorbehalt der Gegenleistung erworben. (2) Die nachträgliche Vergütung von Diensten als Anwendungsfall der offenen Causa Einen typischen Fall der stillschweigend vereinbarten offenen Causa bilden Dienstverhältnisse. Bei ihnen zeigen sich Wert und Aufwand der Leistung oft erst im Laufe oder nach Abschluss des Leistungsvollzugs, während sich bei einer gegenständlichen Zuwendung Be- und Entreicherung, Aufwand und Vorteil bereits im Zeitpunkt der Zuwendung absehen lassen. Erstreckt sich das Dienstverhältnis über einen längeren Zeitraum, besteht zudem ein stärkeres Bedürfnis, in der ursprünglichen Abrede Freiraum für Ergänzungen zu lassen. (a) Ob ein zunächst unentgeltlich vereinbartes Dienstverhältnis tatsächlich als offene Causa ausgestaltet ist, ist auf Grundlage der Parteiabsprache und der Umstände des Einzelfalls zu klären.235 Ein starkes Indiz bildet dabei die Marktüblichkeit der Vergütung.236 Werden entsprechende Dienstleistungen üblicherweise nur gegen Entgelt erbracht und wäre eine Vergütung auch nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu erwarten gewesen, kann angenommen werden, dass sich die Parteien die Option einer nachträglichen Gegenleistung vorbehalten wollten.237 Ob die spätere Entlohnung dann tatsächlich als ausgleichendes Entgelt oder nur als dankende Belohnung verstanden werden sollte,

seiner Vereinbarung eine Gegenleistung des Empfängers in Betracht, so wird er stets auch auf diese hoffen. 234 So wohl auch Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 38, der es für ausreichend erachtet, wenn der Leistungsempfänger frei wählen darf, ob er die Gegenleistung erbringt oder nicht, und sich letztlich für das Erbringen einer Gegenleistung entscheidet. 235 Vgl. RG, Urt. v. 28.05.1919 – IV 97/19, SeuffA 74, Nr. 166, S. 296; RG, Urt. v. 22.11.1909 – Rep. VI 437/08, RGZ 72, 188 (192). Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 38 will sich ausschließlich an den objektiven Umständen, insbesondere an der Üblichkeit der Vergütung gem. § 612 Abs. 1 BGB, orientieren. Demgegenüber misst Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 21 – zutreffend – auch den Vorstellungen der Parteien Bedeutung zu. 236 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.01.1997 – 7 U 59/96, NJW-RR 1997, 1497 (1498); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 21; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 38. 237 Hat der Schuldner die unentgeltliche Dienstleistung erbracht, die nun nachträglich vergütet werden soll, so ist im Rahmen des § 134 InsO zu beachten, dass eine Anfechtung

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

lässt sich aus ihrem Verhältnis zum Wert der Dienstleistung und der zeitlichen Nähe der beiden Leistungen ablesen: Wird während oder kurz nach Abschluss der Dienstleistung vom Empfänger ein Ausgleich gewährt, der geeignet ist, den Wert der Dienstleistung im Sinne eines echten Entgelts tatsächlich auszugleichen, spricht dies für eine nachträgliche Vergütung. Ist seit dem Erbringen der Dienstleistung hingegen ein längerer Zeitraum verstrichen oder bleibt der Wert der nachträglichen Entlohnung so sehr hinter dem Wert der Dienstleistung zurück, dass sie nur als symbolischer Ausgleich verstanden werden kann, deutet dies eher auf eine belohnende Schenkung hin. Bsp.: G ist professioneller Gärtner. Als sein Bekannter B ein Haus baut, erklärt sich G bereit, den Garten unentgeltlich zu bepflanzen (Wert: ca. 6.000 Euro). Er hofft, dass sich seine Arbeit im Neubaugebiet herumspricht und er von anderen Nachbarn weitere Aufträge erhält. B bedankt sich nach der Fertigstellung des Gartens mit einer Kiste teuren Weins bei G (Wert: 500 Euro). Als im folgenden Frühjahr die Blumen zu blühen beginnen und B den Sommer auf der schön gestalteten Terrasse genießt, ist er so dankbar über die Arbeit des G, dass er ihm für die Arbeit im Garten 5.000 Euro überweist. Die Abrede zwischen B und G kann grundsätzlich als offene Causa qualifiziert werden, denn es ist nicht auszuschließen, dass G und B sich die Möglichkeit einer Gegenleistung vorbehalten wollten. Die Weinkiste ist aber offensichtlich nur eine dankende Belohnung, denn sie bleibt im Wert so sehr hinter dem Wert der Gartengestaltung zurück, dass die Parteien sie nicht als nachträgliches ausgleichendes Entgelt angesehen haben können. Die Zahlung der 5.000 Euro vermag den Wert der Gartengestaltung zwar auszugleichen, doch sprechen hier der lange Zeitraum zwischen der Zahlung und dem Abschluss der Gartenarbeiten und die vorherige Übereignung der Weinkiste als Ausdruck bloßer Dankbarkeit gegen die Qualifikation als echte nachträgliche Vergütung.

Kann die Vergütung nach diesen Grundsätzen den zunächst unentgeltlich erbrachten Diensten als ausgleichendes Entgelt gegenübergestellt werden, so erhält nicht nur sie selbst entgeltlichen Charakter,238 sondern auch die Dienstleistung wird nachträglich entgeltlich. ohnehin nur bei Dienstleistungen des Schuldners in Betracht kommt, die zwischen den Parteien eigentlich eine Vergütung erwarten lassen (dazu oben S. 211 f.). Denn da die Arbeitskraft des Schuldners nicht pfändbar ist, kann nur der (konkludente) Erlass des Vergütungsanspruchs eine Gläubigerbenachteiligung bewirken. Wird also eine zunächst unentgeltlich erbrachte Dienstleistung des Schuldners, die bereits die Hürde der Gläubigerbenachteiligung genommen hat, nachträglich vergütet, so wird dieses Dienstverhältnis stets auch als offene Causa ausgestaltet sein. 238 Zur Entgeltlichkeit der nachträglichen Vergütung zunächst unentgeltlich geleisteter Dienste vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 21; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 38 (mit Beschränkung auf Dienstleistungen, die im Geschäftsleben von vornherein den Umständen nach zu vergüten gewesen wären). Aus dem allgemeinen Zivilrecht ebenso RG, Urt. v. 28.05.1919 – IV 97/19, SeuffA 74, Nr. 166, S. 296; RG, Urt. v. 18.02.1919 – 411/18 III, RGZ 94, 322 f.; RG, Urt. v. 29.11.1918 – Rep. III 277/18, RGZ 94, 157 (159); RG, Urt. v. 10.01.1911 – Rep. III 625/09, RGZ 75, 325 (327); RG, Urt. v. 11.11.1910 – 378/09 III, JW 1911, S. 94 Nr. 16; RG, Urt. v. 30.06.1910 – Rep. VI 400/09, RGZ 74, 139 (142); RG, Urt. v. 22.11.1909 – Rep. VI 437/08, RGZ 72, 188 (189); RG, Urt. v. 07.05.1909 – 351/08

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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(b) Das Arbeitsverhältnis ist angesichts seiner langfristigen Ausrichtung und des Umfangs der geschuldeten Tätigkeit stets als offene Causa zu qualifizieren.239 Vergangenheitsorientierte freiwillige240 Zusatzleistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind daher entgeltlich, wenn sie nach den Vorstellungen der Beteiligten eine zusätzliche Vergütung für die geleisteten Dienste darstellen sollen.241 Das Weihnachtsgeld und sonstige Gratifikationen sind damit der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen.242 Sie werden nachträglich in das Äquivalenzverhältnis des Arbeitsvertrags einbezogen und ergänzen den dort vereinbarten ordentlichen Arbeitslohn.243 Auch eine rückwirkende Gehaltserhöhung ist entgeltlich, wenn sie nach dem Willen der Parteien die Arbeitsleistung abgelten soll.244 Nichts anderes gilt für das nachträglich versprochene und gewährte Ruhegeld.245 Dabei ist unerheblich, ob das Ruhegeld wähIII, Recht 1909, Nr. 1984; Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 33; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 30; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 I, S. 199; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 37 f. A.A. von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 72 III 3, S. 91 f. 239 Vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 21. Vgl. auch Baums, in: FS Huber, S. 657 (669): „Der Anstellungsvertrag (…) ist wie jeder langfristige Vertrag seiner Natur nach „unvollständig“; infolgedessen kann sich Anpassungsbedarf ergeben.“ 240 Bestand auf die Gratifikation ein einzelvertraglicher, tarifvertraglicher oder aus einer Betriebsvereinbarung herleitbarer Anspruch, so war die Gratifikation von vornherein als Teil des (entgeltlichen) Arbeitsvertrags auch selbst entgeltlich. So i.E. auch Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 74; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 154; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn.77. 241 Vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867); BGH, Urt. v. 21.05.1986 – IVa ZR 171/84, NJW-RR 1986, 1135; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 103. 242 I.E. auch BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867); LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.02.2013 – 6 Sa 451/11, ZInsO 2013, 1263 (1267); LG Frankfurt, Urt. v. 30.11.1995 – 2/23 O 207/95, 2–23 O 207/95, ZIP 1996, 88 (89); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 19; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 29; Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 154; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 40; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 22; Nerlich, in: Nerlich/ Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 35; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208. Einschränkend [überobligationsmäßige Arbeitsleistung bzw. besonderer Diensteifer erforderlich]: Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 (422); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 35; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15, dazu sogleich. 243 RG, Urt. v. 10.01.1911 – Rep. III 625/09, RGZ 75, 325 (327); Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 50; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 12a; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 33. 244 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 150; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 21; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 38, sofern im Bereich des Üblichen (§ 612 BGB); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208. 245 BAG, Urt. v. 04.07.1969 – 3 AZR 212/68, BAGE 22, 105 (110) [zu § 61 Nr. 1 KO]; BAG, Urt. v. 29.07.1967 – 3 AZR 55/66, BAGE 20, 11 (19 f.); BAG, Urt. v. 19.06.1959 – 1 AZR 417/57, BAGE 8, 38 (42 f.) [zu § 516 BGB]; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO,

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

rend der Dienstzeit, bei Kündigung246 oder nach Ablauf des Dienstverhältnisses zugesagt wird:247 Die offene Causa besteht als Schuldverhältnis i.w.S. auch nach Beendigung der Arbeitstätigkeit weiter fort und vermag die Zusatzvergütung noch wirksam zu integrieren.248 Teilweise wird für die Entgeltlichkeit der Zusatzvergütung im Rahmen des § 134 InsO allerdings einschränkend gefordert, dass ihr ein besonderer, überobligatorischer Aufwand des Arbeitnehmers gegenüberstehen muss, der im Arbeitsvertrag noch nicht abgegolten wurde.249 So hielt das LAG Hamm die Zahlung von 25.000 Euro als Ausgleich für mehr als 1.500 Überstunden des Arbeitnehmers für unentgeltlich, weil diese laut Arbeitsvertrag durch das Gehalt bereits abgegolten wurden.250 Es könne nicht etwas vergütet werden, was der Arbeitnehmer ohnehin leisten müsse.251 Diese Argumentation verkennt jedoch die Wirkungsweise der offenen Causa. Ihre offene Ausgestaltung ermöglicht den Parteien, die Zusatzvergütung nachträglich in das umfassende arbeitsvertragliche Austauschverhältnis einzubeziehen. Sie tritt dadurch ergänzend an

8. Aufl., § 134 Rn. 20; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 152; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 22; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 179; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 35; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 35; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208. Zu § 516 BGB: RG, Urt. v. 21.07.1936 – Rep. III 334/35, JW 1936, 3453 Nr. 4; RG, Urt. v. 11.12.1925 – 11/25 III, JW 1927, 1190; RG, Urt. v. 29.11.1918 – Rep. III 277/18, RGZ 94, 157 (159); RG, Urt. v. 10.01.1911 – Rep. III 625/09, RGZ 75, 325 (327); RAG, Urt. v. 11.11.1933 – RAG 217/33, JW 1934, 377. 246 RG, Urt. v. 10.01.1911 – Rep. III 625/09, RGZ 75, 325 (327) [zu § 516 BGB]. 247 BAG, Urt. v. 19.06.1959 – 1 AZR 417/57, BAGE 8, 38 (42) [zu § 516 BGB]; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 20; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 152; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 35; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 29; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 26; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 209. Zu § 516 BGB: RG, Urt. v. 21.07.1936 – Rep. III 334/35, JW 1936, 3453 Nr. 4; RG, Urt. v. 29.11.1918 – Rep. III 277/18, RGZ 94, 157 (159); Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 12a; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 33. 248 A.A. W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 67a, für den eine entgeltliche Zusatzvergütung nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr möglich ist. Dagegen spricht, dass es willkürlich wäre, das Schicksal der Gratifikation davon abhängig zu machen, ob sie am letzten Arbeitstag oder einen Tag später gewährt wird. 249 So Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 74; Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 (422); ders., Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.91; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 35. 250 LAG Hamm, Urt. v. 26.11.1997 – 14 Sa 1240/97, ZIP 1998, 920. Zustimmend Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 74; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 20; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 151; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 103; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 35; Rogge/ Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 29. 251 Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 (422).

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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die Seite des bereits erbrachten Gehalts.252 Als Gegenwert steht ihr die auf Grundlage des Arbeitsvertrags insgesamt erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gegenüber.253 Zulässig ist dies, weil die nachträgliche Ergänzung von vornherein im Arbeitsvertrag angelegt war. Das ergänzte Äquivalenzverhältnis kann nun zwar in seiner Gesamtheit darauf überprüft werden, ob es tatsächlich noch auf einen angemessenen Ausgleich oder auf eine (teilweise) einseitige Bereicherung des Arbeitnehmers gerichtet ist.254 Da sich aber der konkrete Wert der Arbeitsleistung für das Unternehmen in aller Regel nicht beziffern lässt, ist den Parteien dabei ein weiter Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Im Regelfall wird daher schon der ‚normale’ Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers die Zusatzvergütung als Äquivalent ausgleichen können.255 Eine überobligatorische, noch nicht abgegoltene Arbeitsleistung ist für die Begründung der Entgeltlichkeit nicht zwingend 256 erforderlich.257 Die nachträgliche Einbindung der freiwilligen Zusatzleistung in das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis scheidet lediglich dann aus, wenn diese ausnahmsweise ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis aus Gründen persönlicher Dankbarkeit oder Unterstützung gewährt wird.258 Befindet sich der Arbeitneh-

252 Vgl. Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 12a; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 33. 253 BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867). Auch RG, Urt. v. 11.12.1925 – Rep. III 11/25, JW 1927, 1190: „Die Arbeitsleistungen (…) gelten als Vorleistungen, die erst durch die Pensionszusage voll abgegolten werden.“ 254 Zur Überprüfung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung siehe S. 351 ff. 255 Nicht überzeugend ist es hingegen, als Gegenleistung die Erwartung eines künftigen Einsatzes des Arbeitnehmers für das Unternehmen anzusehen (in diese Richtung Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 103). Dieses Hoffnung mag ein Motiv für die Sonderzuwendung sein, aber solange die Parteien nicht eine entsprechende verpflichtende Absprache getroffen haben, ist sie keine mit der freiwilligen Zusatzleistung ausreichend verknüpfte Gegenleistung; so zutreffend BAG, Urt. v. 29.06.1954 – 2 AZR 13/53, BAGE 1, 36 (39 f.). 256 Wird die Vergütung allerdings nur einem bestimmten Arbeitnehmer und nicht der gesamten Belegschaft gewährt, so ist sein besonders engagierter Einsatz ein Indiz dafür, dass die nur ihm gewährte Begünstigung nicht aufgrund eines persönlichen Näheverhältnisses, sondern mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis erfolgte. 257 Ebenso Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 21. 258 Dazu OLG München, Urt. v. 07.12.1994 – 12 UF 1150/94, FamRZ 1995, 1069; RG, Urt. v. 18.02.1919 – Rep. III 411/18, RGZ 94, 322 (324); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 74; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 19; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 20, 29 mit Fn. 59; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 154; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 21, 22 (zum Ruhegehalt); Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 103; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 35, 38; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 33; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 29. Der Entgeltcharakter wird hingegen nicht bereits dadurch in

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

mer etwa in einer besonderen Notlage und wird deshalb von seinem Arbeitgeber finanziell unterstützt, so dient diese Leistung nicht der Abgeltung der Arbeitsleistung.259 Die arbeitgeberseitige Fürsorge, die die Zuwendung motiviert haben mag, geht nicht über eine sittliche Pflicht hinaus und kann daher die Entgeltlichkeit der gewährten Unterstützung nicht begründen.260 Sind solche besonderen Umstände jedoch nicht ersichtlich, kann unterstellt werden, dass die Zusatzleistung als Vergütung für die Arbeitsleistung zu verstehen ist, da sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem wirtschaftlichen Kontext begegnen, der grundsätzlich durch das jeweilige Streben nach dem eigenen Vorteil und nicht durch familiäre oder freundschaftliche Verbundenheit geprägt ist. (c) Die Anpassung des Äquivalenzverhältnisses der offenen Causa ist den Vertragsparteien vorbehalten. Nur sie haben die Rechtsmacht, den Inhalt ihrer Abrede in der von ihnen vorgesehenen Art und Weise abzuändern. Leistet ein Dritter, der keine Befugnis hat, auf das Äquivalenzverhältnis des Arbeitsvertrags ändernd einzuwirken, eine Zusatzvergütung an den Arbeitnehmer, so kann es sich hierbei nur um eine belohnende Schenkung handeln. Der BGH hat die Weihnachtsgratifikation eines Alleingesellschafters an einen Angestellten der Gesellschaft allerdings als nachträgliche Vergütung eingeordnet, weil es keinen Unterschied machen dürfe, ob der Dienstherr selbst oder der Gesellschafter als wirtschaftlicher Alleininhaber des Unternehmens die Gratifikation erbringe.261 Dem wurde entgegengehalten, die Gleichsetzung Frage gestellt, dass die Gratifikation im Hinblick auf das drohende Insolvenzverfahren gewährt wird. So auch BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 22; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 35; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 209; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.1995 – 9 U 71/95, NVwZ-RR 1996, 668 (669). A.A. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 152; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 29. Ist die Zusatzvergütung üblich und wird von den Parteien als Entgelt für die verrichteten Dienste angesehen, so kann der (bloße) Beweggrund der drohenden Insolvenzeröffnung an der Entgeltlichkeit nichts ändern; ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.1995 – 9 U 71/95, NVwZ-RR 1996, 668 (669). 259 So beispielsweise in einem Fall des OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 ff., in dem der Anfechtungsgegner erfolglos vorbrachte, die Zahlung von Verteidigerhonoraren seitens seines Arbeitgebers seien als Sonderzuwendung mit Entgeltcharakter zu qualifizieren: Hier handelt es sich um den typischen Fall einer Notlage, in der eine schenkweise Zuwendung getätigt wird. 260 So Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 49 in Fn. 122; vgl. auch W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 67. Ausführlich zum Verhältnis der sittlichen Pflicht zur Unentgeltlichkeit unten S. 378 ff. Vor allem früher wurde die Entgeltlichkeit von Zusatzvergütungen hingegen aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitet, vgl. W. Lorenz, in: FS Rheinstein, S. 547 (561); auch Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 20; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 103; offen gelassen von BAG, Urt. v. 12.03.1965 – 3 AZR 516/63, BAGE 17, 120 (124). 261 BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867). Ebenso Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 19; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 21; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 177; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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von Alleingesellschafter und Gesellschaft ignoriere, dass es sich um zwei unterschiedliche Vermögensmassen handele und die Arbeitsleistung nicht in das Vermögen des Gesellschafters geflossen sei.262 Auf diesen Aspekt kann es freilich nicht ankommen, denn ein Zufluss in das Schuldnervermögen ist für die taugliche Gegenleistung nicht erforderlich.263 Ebenso wenig genügt allerdings der Verweis auf die vermögensrechtliche Identität von Alleingesellschafter und Gesellschaft und das damit verbundene wirtschaftliche Interesse des Gesellschafters an der Leistung des Arbeitnehmers. Ausschlaggebend ist vielmehr allein, ob der Gesellschafter die Rechtsmacht besaß, das Äquivalenzverhältnis des Arbeitsvertrags nachträglich abzuändern. Bei einem Alleingesellschafter, der – wie im BGH-Fall – eine beherrschende Stellung im Unternehmen einnimmt und sich die Honorierung besonders herausragender Dienstleistungen in ‚seinen’ Betrieben sogar persönlich vorbehalten hat, kann dies angenommen werden.264 In diesem Fall wird ausnahmsweise auch die vom Dritten gewährte Gratifikation in die offene Causa integriert. (3) Die Ausgestaltung der Gegenleistung als Naturalobligation Der Vereinbarung einer offenen Causa steht es gleich, wenn das Erbringen der Gegenleistung im Vertrag dadurch in das Ermessen des Leistungsempfängers gestellt wird, dass die Parteien den Anspruch auf die Gegenleistung als Naturalobligation ausgestalten.265 Ein gesetzlich vertyptes Beispiel ist der Anspruch eines Heiratsvermittlers gem. § 656 BGB: Sein Lohnanspruch ist lediglich eine Naturalobligation, die erfüllbar, aber nicht zwangsweise durchsetzbar ist.266

Rn. 35; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 29. I.E. auch Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15. 262 de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 29; Huber, EWiR 1997, S. 267 (268); Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 21; ders., Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 219. I.E. auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 154. 263 Siehe oben S. 316 ff. 264 Anders war dies beispielsweise in einem Fall des OLG Hamm, Urt. v. 13.11.2001 – 27 U 96/01, ZIP 2002, 313 (315), das zu Recht die Zuordnung der Sonderleistungen von Aktionären zum Dienstvertrag eines Arbeitnehmers ablehnte, da diese „lediglich“ 75% der Stammaktien hielten und die Mehrheitsbeteiligung nicht mit der wirtschaftlichen Identität von Alleingesellschafter und Gesellschaft gleichzusetzen sei. 265 Anders ist dies freilich, wenn der Anspruch erst nachträglich den Charakter als Naturalobligation erhält, etwa weil Verjährung eintritt: Dann wollten die Parteien im maßgeblichen Zeitpunkt der Kausalabsprache nicht bloß eine Naturalobligation begründen, sondern die Leistungen in ein normales Austauschverhältnis stellen. Die Kausalabsprache ist daher entgeltlich und die bereits erbrachte Leistung bleibt dies, auch wenn der Anspruch auf die Gegenleistung später aufgrund Verjährung zu einer bloßen Naturalobligation wird. 266 BGH, Urt. v. 25.05.1983 – IVa ZR182/82, BGHZ 87, 309 (314 f.); Werner, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 656 Rn. 1 mwN.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Anders als bei der echten offenen Causa hat der Leistende hier zwar einen Anspruch auf die Gegenleistung, doch ist dieser Anspruch nicht durchsetzbar und vermag den endgültigen Bestand der Leistung nicht in Frage zu stellen. Auch in diesem Fall ist die Leistung daher zunächst (auflösend) bedingt unentgeltlich, da die Parteien einen einseitigen Bereicherungszweck in Kauf nehmen, sollte sich der Leistungsempfänger nicht zum Erbringen der Gegenleistung entscheiden.267 Da aber die Erstleistung mit der als Naturalobligation ausgestalteten Gegenleistung von vornherein in der Absprache verknüpft ist, wird die Rechtsbeziehung entgeltlich, wenn die Naturalobligation anschließend tatsächlich – freiwillig – vom Leistungsempfänger erfüllt wird.268 d) Ergebnis zur Verknüpfung Die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung wird im Rahmen des § 134 InsO durch die Parteivereinbarung hergestellt. Eine Ausnahme bilden lediglich die entgeltäquivalenten Ausgleichsansprüche, die aufgrund gesetzlicher Anordnung mit der Schuldnerleistung in Verbindung stehen. Die Parteiabsprache kann die beiden Leistungen synallagmatisch, konditional oder rechtlich kausal miteinander verknüpfen. Entscheidend ist, dass der endgültige Bestand der Schuldnerleistung von dem Erbringen der Gegenleistung abhängig ist. Ob die Gegenleistung im Ergebnis tatsächlich erbracht wird, ist nicht mehr relevant. Die Verknüpfung kann auch noch hergestellt werden, nachdem die Erstleistung bereits erbracht wurde. Die Erstleistung ist dann zunächst unentgeltlich, aber wird durch die nachträgliche Verknüpfung mit der Gegenleistung entgeltlich. War in der Parteiabsprache die Möglichkeit einer solchen nachträglichen Verknüpfung nicht vorgesehen, müssen die Parteien den unentgeltlichen Rechtsgrund aufheben und durch einen neuen Rechtsgrund ersetzen. Die Gläubiger des Zweitzuwendenden können diesen Aufhebungsvertrag als unentgeltliche Leistung anfechten. Den Gläubigern des Erstzuwendenden steht hingegen kein Anfechtungsrecht zu, denn für das Vermögen ihres Schuldners ist die neue Vereinbarung vorteilhaft. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Dienstvertrag können die Parteien aber auch von vornherein die Möglichkeit einer – zusätzlichen oder erstmaligen – Gegenleistung in ihrer Parteiabsprache vorsehen. In diesem Fall können sie die Gegenleistung in ihre auf ein potentielles Austauschverhältnis angelegte Vereinbarung integrieren, ohne dafür die ursprüngliche Causa aufheben zu müssen. Die Ursprungscausa wird dann durch das Erbringen der Gegenleistung entgeltlich, ohne dass sich für die Gläubiger beider Seiten Anfechtungsmöglichkeiten ergeben. Der Grund liegt darin,

267

A.A. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 68 f. (vgl. zu seiner Ansicht oben S. 342 Fn. 233). Dazu, dass die Leistung auf die Naturalobligation nicht deshalb unentgeltlich ist, weil sie freiwillig erfolgte, siehe oben S. 254 f. Der Unterschied zur belohnenden Schenkung liegt darin, dass die Gegenleistung von vornherein in der Absprache vorgesehen war. 268

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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dass der Empfänger der Erstzuwendung zu keiner Zeit vorbehaltlos in den Genuss der unentgeltlichen Leistung gekommen ist. 3. Die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung Haben die Parteien die Zuwendung des Schuldners wirksam mit einer Gegenleistung verknüpft, so liegen die Grundvoraussetzungen der Entgeltlichkeit vor. In vollem Umfang entgeltlich ist die Schuldnerzuwendung jedoch nur dann, wenn die Gegenleistung auch einen umfänglichen Ausgleich bietet. Soll sie die Schuldnerleistung nur teilweise kompensieren, liegt lediglich ein teilweise entgeltliches Geschäft vor – der nicht abgegoltene Teil ist unentgeltlich. Für die Anwendung des § 134 InsO ist daher bedeutsam, nach welchen Kriterien sich bestimmt, ob die Schuldnerzuwendung teilweise unentgeltlich oder voll entgeltlich ist, wenn die Gegenleistung ihren Wert nur teilweise erreicht. Hier wird im Anfechtungsrecht überwiegend ein vom allgemeinen Schenkungsrecht abweichender Ansatz verfolgt, dessen Überzeugungskraft es zu überprüfen gilt (a). Anschließend ist zu klären, wie die Anfechtung teilentgeltlicher Leistungen auf Rechtsfolgenseite zu behandeln ist (b). a) Der Maßstab zur Abgrenzung von teilweise unentgeltlichen und voll entgeltlichen Zuwendungen Im Schenkungsrecht richtet sich die Bewertung von Leistung und Gegenleistung ausschließlich nach der kausalvertraglich vereinbarten, subjektiven Einschätzung der Parteien (sog. Prinzip der subjektiven Äquivalenz).269 Standen nach ihrer gemeinsamen Auffassung Leistung und Gegenleistung in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander, ist das Rechtsgeschäft in vollem Umfang entgeltlich.270 Ob die beiden Leistungen tatsächlich gleichwertig waren, spielt keine Rolle.271 Nur wenn sich die Parteien darüber einig waren, dass die Ge-

269 BGH, Urt. v. 18.05.1990 – V ZR 304/88, WM 1990, 1790 (1791 f.); BGH, Urt. v. 09.11.1960 – V ZR 96/59, NJW 1961, 604 (605); RG, Urt. v. 27.11.1936 – V 103/36, WarnR 1937, Nr. 22, S. 51 (53): „Es ist Sache der Parteien, wie hoch sie bei einem gegenseitigen Vertrag die beiderseitigen Leistungen einschätzen“; RG, Urt. v. 23.05.1906 – IV 569/05, JW 1906, 462; OLG Schleswig, Urt. v. 25.10.2011 – 3 U 112/10, BeckRS 2013, 08631; LG Brandenburg, Hinweisbeschl. v. 27.02.2008 – 9 UF 219/07, NJW 2008, 2720 (2721); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 56; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 21. Allgemein zum subjektiven, auf der Parteivereinbarung aufbauenden Unentgeltlichkeitsverständnis des Schenkungsrechts vgl. oben S. 108 f. 270 BGH, Urt. v. 18.05.1990 – V ZR 304/88, WM 1990, 1790 (1792); RG, Urt. v. 12.11.1934 – IV 240/34, WarnR 1935 Nr. 3, S. 7 (9); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 21, 34. 271 BGH, Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 9/08, NJW 2009, 2737 in Rn. 12; BGH, Urt. v. 11.11.1981 – IV a ZR 182/80, NJW 1982, 436; RG, Urt. v. 12.11.1934 – IV 240/34, WarnR 1935 Nr. 3, S. 7 (9); Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 24.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

genleistung die Zuwendung nur teilweise ausgleichen und der überschießenden Teil geschenkt werden soll, liegt eine gemischte Schenkung vor.272 Der unentgeltliche Teil einer solchen gemischten Schenkung ist unstreitig gem. § 134 InsO anfechtbar.273 Ob mit dem Geschäft ein freigebiger Hauptzweck verfolgt wurde, ist für die Anfechtbarkeit unerheblich.274 Auch wenn der Hauptzweck des Geschäfts in einem entgeltlichen Leistungsaustausch bestand und die Parteien nur einen kleinen Teil als freigebig beabsichtigten, ist der als unentgeltlich gewollte Teil als Schenkung einzuordnen und damit gem. § 134 InsO anfechtbar.275 Das Aufzwängen eines Hauptzwecks würde dem Parteiwillen nicht gerecht.276 Schwierig wird es allerdings, wenn eine Einigung der Parteien über die teilweise Unentgeltlichkeit fehlt. Nach den schenkungsrechtlichen Grundsätzen sind beide Zuwendungen nun voll entgeltlich – das objektive Wertverhältnis spielt keine Rolle. Einige Stimmen möchten diese Grundsätze auch im Rahmen

272 BGH, Urt. v. 06.03.1996 – IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754 (755); BGH, Urt. v. 17.02.1993 – XII ZR 232/91, NJW-RR 1993, 773 (774); BGH, Urt. v. 23.09.1981 – IV a ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (281); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 63; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 12; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 34. Aus dem Insolvenzrecht: OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (61); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 53; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 28; Mauer, Anfechtungsprozess, Rn. 218; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 214. 273 Zur Anfechtbarkeit der gemischten Schenkung vgl. nur OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (61); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn.  28 f.; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 22. Mit Einschränkung auch de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 4. 274 So aber RG, Urt. v. 24.02.1942 – VII 80/41, HRR 1942, Nr. 424; RG, Urt. v. 25.11.1940 – VIII 484/39, RGZ 165, 223 (224); LG Dresden, Urt. v. 12.02.2001 – 11 O 130/01 Ev, DZWiR 2002, S. 170 (171); Haegele/Hess/Theobald, Konkurs, Vergleich, Gläubigeranfechtung, 5. Aufl., Rn. 350; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 26; Zeuner, in: Leonhardt/ Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14; ders., Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 212. Für unteilbare Leistungen auch BGH, Urt. v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 (127) (freigebiger Hauptzweck wird bei einem krassen Missverhältnis unterstellt); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 15. Wie hier Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 54; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.Lfg., § 134 Rn. 22; Schillig, MittBayNot 2002, S. 347 (351); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 214. Zur Bedeutung des Hauptzwecks des Vertrags auf Rechtsfolgenseite siehe unten S. 365 ff. 275 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 54; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 214. 276 OLG Nürnberg, Urt. v. 04.06.1965 – 1 U 3/63, KTS 1966, 57 (61); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 54; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 22; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 214. Vgl. auch Schillig, MittBayNot 2002, S. 347 (351).

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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des § 134 InsO uneingeschränkt zur Anwendung bringen: Die Anfechtung als teilweise unentgeltliche Leistung komme nur in Betracht, wenn sich die Parteien über das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung einig waren.277 Sah mindestens eine Partei die Gegenleistung als ausgleichendes Äquivalent an, ist die Anfechtung gem. § 134 InsO versperrt und es kommt lediglich die Anfechtung gem. §§ 132, 133 InsO in Betracht.278 Die herrschende Meinung hingegen möchte die subjektiven Abgrenzungskriterien des Schenkungsrechts nur eingeschränkt auf das Anfechtungsrecht übertragen.279 Im Gegensatz zum Schenkungsrecht entscheide im Anfechtungsrecht in erster Linie die objektive Wertrelation über den Entgeltcharakter der Schuldnerleistung.280 Die subjektiven Vorstellungen von Schuldner und Empfänger sollen dahinter in ihrer Bedeutung zurückstehen.281 Immer wenn die Gegenleistung des Empfängers in ihrem objektiven Wert hinter der Schuld-

277 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20, 28; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 208; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14. 278 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 28. 279 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22, 41; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 20; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 17. Sehr deutlich Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1622), für den der im Insolvenzrecht praktizierte, objektive Maßstab einen fundamentalen Gegensatz zu dem aus der Privatautonomie abgeleiteten Prinzip der subjektiven Äquivalenz bildet. Allgemein zur objektiven Ansicht vgl. oben S. 17 ff. 280 BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1513 (1516) in Rn. 39; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07, NJW-RR 2009, 1563 (1564) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 09.11.2006 – IX ZR 285/03, NJW-RR 2007, 263 (264) in Rn. 15; BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 12.12.1996 – IX ZR 76/96, NJW 1997, 866 (867); BGH, Urt. v. 21.01.1993 – IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 (183); BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396); BFH, Urt. v. 14.07.1981 – VII R 49/80, BFHE 133, 501 (507); OLG München, Beschl. v. 21.06.2013 – 14 U 579/13, NJW-RR 2014, 49 (50); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 40, 42; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 29, 34; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 5, 6, 15; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 14; Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 24 f.; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 11; ders., in: GrafSchlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 4; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22, 40; ; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 178; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 9; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 17; Roth, ZInsO 2010, S. 1617 (1622); Siemon, BB 1991, S. 81 (83); Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13. 281 Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 15; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22, 41; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

nerleistung zurückbleibe, sei der Anwendungsbereich des § 134 InsO grundsätzlich eröffnet.282 Die Anfechtung des überschießenden Teils sei nur ausgeschlossen, wenn die Parteien den erbrachten Gegenwert subjektiv als voll ausgleichendes Entgelt angesehen haben und sich dabei innerhalb eines – ebenfalls objektiv zu bestimmenden – Beurteilungsspielraums hielten.283 Dann sei die Leistung trotz der objektiven Unausgeglichenheit ausnahmsweise als voll entgeltlich einzustufen.284 Bewegen sich die Parteien hingegen außerhalb dieses vernünftigen Beurteilungsspielraums, können ihre subjektiven Vorstellungen die objektive Unentgeltlichkeit nicht verdrängen und es bleibe bei der Anfechtbarkeit als teilweise unentgeltliche Leistung.285 Die herrschende Meinung orientiert sich im Rahmen des § 134 InsO also grundsätzlich an dem Maßstab der objektiven Äquivalenz. Er wird nur innerhalb enger, ebenfalls nach objektiven Kriterien zu bemessender Grenzen von der subjektiven Äquivalenz überlagert. Außerhalb des Beurteilungsspielraums kommt den Irrtümern der Parteien keine Bedeutung zu.286 Ist die Gegenleistung des Empfängers objektiv wertlos, greift die Anfechtung somit stets durch, weil die Parteien in diesem Fall ihren Beurteilungsspielraum zweifelsohne überschritten haben.287 Mit diesem objektiven Prüfungsmaßstab soll verhindert

282 So Heim, Schenkungsanfechtung, S. 127, 197; Siemon, BB 1991, S. 81 (84): Vereinbaren die Parteien für eine Kaufsache einen Kaufpreis i.H.v. 1.000 DM, obwohl der tatsächliche objektive Verkehrswert 1.200 DM betrage, so sei die Leistung i.H.v. 200 DM objektiv unentgeltlich; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 4: „Weicht die Gegenleistung objektiv im Wert von der Leistung ab, so ist in Höhe der Abweichung eine Unentgeltlichkeit anzunehmen.“ Vgl. auch BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378). 283 Siehe oben S. 25 mit Fn. 38. 284 BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 02.04.1998 – IX ZR 232/96, NJW-RR 1998, 1057 (1061 f.); BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 40; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 40; Siemon, BB 1991, S. 81 (83). Vgl. auch BGH, Urt. v. 08.03.2012 − IX ZR 51/11, NJW 2012, 2099 (2102) in Rn. 35; BGH, Urt. v. 09.11.2006 – IX ZR 285/03, NJWRR 2007, 263 (264) in Rn. 16. Kritisch sogar hierzu Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 24 f. (wegen Gläubigerschutz). 285 Vgl. BGH, Urt. v. 01.04.2004 – IX ZR 305/00, NZI 2004, 376 (378); BGH, Urt. v. 02.04.1998 – IX ZR 232/96, NJW-RR 1998, 1057 (1061 f.); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 29 a.E., 34; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 16; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 178; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14. 286 Vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 170 ff. Vgl. auch oben S. 24 f. 287 Vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 32 a.E.; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 6. Wohl auch für Unentgeltlichkeit, wenn die Gegenleistung objektiv keinen Wert hat: Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 9, 10. Einschränkend Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13:

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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werden, dass die Parteien den Schutz der Gläubiger aushebeln können, indem sie einer objektiv wertlosen Gegenleistung willkürlich einen subjektiven Wert beimessen.288 Auch vor irrtümlichen Fehleinschätzungen der Parteien sollen die Gläubiger geschützt werden, denn ein unausgeglichener Leistungsaustausch verschaffe ihnen noch kein gleichwertiges Haftungsobjekt.289 aa) Die Untauglichkeit des objektiven Äquivalenzkriteriums (1) Das objektive Äquivalenzkriterium ist allerdings schon deshalb ungeeignet, weil ein rein objektiver Wertevergleich praktisch gar nicht durchführbar ist. Die Preisbildung am Markt ist das Ergebnis subjektiver Einschätzungen, Prognosen und Erwartungen und wird stets durch die konkreten Umstände des Einzelfalls mitbestimmt, die in ihrer Komplexität im Nachhinein nicht mehr nachvollzogen werden können.290 Ein objektiver Verkehrswert, der von den subjektiven Einschätzungen der Parteien unabhängig ist, lässt sich daher in aller Regel nicht ermitteln. Deshalb erscheint es wenig sinnvoll, die Äquivalenzprüfung in erster Linie auf einen ‚objektiven Wertvergleich’ zu stützen und das subjektive Äquivalenzermessen der Parteien lediglich in einem zweiten Schritt als Korrektiv heranzuziehen. Darüber hinaus ist das methodische Vorgehen der objektiven Äquivalenzprüfung von den teleologischen Grundlagen des § 134 InsO nicht gedeckt. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung stützt sich auf ein Schuldnerfehlverhalten. Den Gläubigern wird die Anfechtung nur deshalb ermöglicht, weil ihrem Schuldner vorgeworfen werden kann, entgegen der wirtschaftlichen Vernunft auf eine Gegenleistung verzichtet und dadurch die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage gestellt zu haben. Dieser Vorwurf setzt voraus, dass der Schuldner das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kannte. Die subjektiven Voraussetzungen des § 134 InsO sind somit konstitutiv für die Möglichkeit der Anfechtung. Daher kann es methodisch nicht überzeugen, grundsätzlich jede objektiv unausgeglichene Leistung gem. § 134 InsO für anfechtbar zu erklären und die subjektiven Elemente lediglich als Korrektiv heranzuziehen: Die subjektiven Voraussetzungen des § 134 InsO

Eine objektiv wertlose Gegenleistung, der die Parteien irrtümlich Gleichwertigkeit beimessen, können „nur in Ausnahmefällen“ die Entgeltlichkeit begründen. 288 BGH, Urt. v. 28.02.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (396 f.); BAG, Urt. v. 18.09.2014 – 6 AZR 145/13, ZIP 2014, 2519 in Rn. 20; BAG, Urt. v. 12.09.2013 – 6 AZR 913/11, ZIP 2014, 139 (144) in Rn. 51; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 5, 14; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 211. Vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 449: Schutz der Gläubiger vor Manipulationen. 289 Vgl. Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22: Eindeutig irreale Vorstellungen der Beteiligten verschaffen den Gläubigern kein Zugriffsobjekt. 290 Siemon, BB 1991, S. 81 (84); vgl. auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn 29; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 13 III 2, S. 320 sowie oben S. 23.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

schränken kein bereits bestehenden Anfechtungsrecht ein, sondern sie begründen dieses originär. Soll auf sie ausnahmsweise verzichtet werden,291 so bedarf dies der gründlichen Rechtfertigung – nicht hingegen die ‚Einschränkung’ der objektiven Unentgeltlichkeit durch subjektive Kriterien.292 Auch die Ergebnisse der objektiven Äquivalenzprüfung widersprechen der Teleologie des § 134 InsO. Bewegt sich die Parteieinschätzung außerhalb des vernünftigen Beurteilungsspielraums, so soll die Schuldnerzuwendung automatisch anfechtbar sein, unabhängig davon, ob der Schuldner die Wertdifferenz kannte oder nicht. Verknüpft der Schuldner seine Leistung jedoch mit einer Gegenleistung und irrt sich lediglich über deren Wert, so liegt darin kein Schuldnerfehlverhalten: Ihm kann nicht vorgeworfen werden, entgegen der wirtschaftlichen Vernunft kein höheres Entgelt gefordert zu haben, weil aus seiner Sicht ein angemessener Leistungsaustausch vorliegt. In dem Abschluss eines – auch grob – unausgeglichenen Vertrags verwirklicht sich vielmehr eine allgemeine Gefahr des täglichen Wirtschaftsverkehrs.293 Der Schuldner verhält sich marktkonform und stellt mit seinem Verhalten nicht die Grundlagen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage. Von der teleologischen Rechtfertigung des § 134 InsO ist die Schuldnerzuwendung daher auch dann nicht gedeckt, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen ihrem Wert und dem Wert der Gegenleistung bestand, dies aber dem Schuldner nicht bewusst war. (2) Sehr deutlich zeigt sich die Untauglichkeit des objektiven Äquivalenzkriteriums zudem bei der Entgeltbewertung eines Vergleichs (§ 779 Abs. 1 BGB). Ein Vergleich dient dazu, einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens zu beseitigen, ohne den Weg einer gerichtlichen Feststellung beschreiten zu müssen.294 Zu diesem 291

Ob ein solcher Sonderfall vorliegt, wenn die Gegenleistung objektiv vollkommen wertlos ist, dazu sogleich S. 361 ff. 292 So aber Heim, Schenkungsanfechtung, S. 195 ff., der bei unausgeglichenen Leistungen stets objektive Unentgeltlichkeit annimmt und daher ausführlich rechtfertigen muss, warum innerhalb des Beurteilungsspielraums die Anfechtung dennoch ausgeschlossen ist, S. 199 ff. 293 Dies zeigt sich etwa darin, dass eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums gem. § 119 Abs. 2 BGB nicht auf den Wert oder den Preis einer Sache gestützt werden kann, sondern nur auf einen Irrtum über wertbildende Faktoren, die der Sache dauerhaft anhaften (vgl. nur Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 119 Rn. 27). Bei einem – beiderseitigen – Irrtum über das Wertverhältnis kann nur an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gedacht werden (vgl. Böttcher, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 313 Rn. 30 mwN). Ansonsten aber zählt der Abschluss eines – auch grob unausgeglichenen – Vertrags zu den allgemeinen Risiken des Wirtschaftsverkehrs. Da dem im Irrtum befindlichen Schuldner kein Schuldnerfehlverhalten vorgeworfen werden kann, müssen auch seine Gläubiger dieses allgemeine Verkehrsrisiko hinnehmen. Ob bei vollkommen wertloser Gegenleistung eine Ausnahme zu machen ist, dazu sogleich S. 361 ff. 294 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 167 f.; Rümelin, AcP 97 (1905), S. 211 (291 f.); von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 79 VI, S. 264 f.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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Zweck gestalten die Parteien ihre Rechtsbeziehungen unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage um.295 Dies erfolgt nicht im Wege einer Novation, bei der das ursprüngliche Rechtsverhältnis aufgehoben wird und originär neue Forderungen begründet werden, sondern durch Einwirkung auf das bestehende Rechtsverhältnis in dem Umfang, in dem der Vergleich von der tatsächlichen Rechtslage abweicht.296 Besteht Streit über die Höhe einer Forderung und treffen sich die Parteien in der Mitte, so wird keine neue Forderung begründet, sondern der überschießende Teil der ursprünglichen Forderung erlassen.297 War die Forderung nur in geringerem Umfang begründet als vergleichsweise festgelegt, liegt in Höhe des nach der tatsächlichen Rechtslage unbegründeten Teils ein schuldbegründendes Anerkenntnis.298 Der Vergleich enthält also regelmäßig nur Zuwendungen in eine Richtung: Eine Vermögensmehrung verzeichnet nur diejenige Partei, die durch den Vergleich mehr erhält als ihr nach der tatsächlichen Rechtslage zustünde.299 Der andere Teil hat durch den Vergleichsabschluss seinen Vermögenssaldo ausschließlich verringert – ein ausgleichender Vermögenwert ist ihm bei objektiver Betrachtung nicht zugeflossen. Nach der objektiven Sichtweise müsste der Vergleich daher gem. § 134 InsO anfechtbar sein, sofern nicht der Schuldner der durch den Vergleichsschluss begünstigte Teil war.300 Denn in das Vermögen des Schuldners ist nach der objektiven Rechtslage kein Gegenwert gelangt.301 Das Entgegenkommen der anderen Partei ist objektiv wertlos.302 Auf 295

Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 167; Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (196). BGH, Urt. v. 08.03.2012 − IX ZR 51/11, NJW 2012, 2099 (2012) in Rn. 33; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 779 Rn. 11. 297 Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (196). 298 Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (196). 299 Bork, Vergleich, S. 152. 300 So auch BGH, Urt. v. 08.03.2012 − IX ZR 51/11, NJW 2012, 2099 (2101) in Rn. 28; BGH, Urt. v. 09.11.2006 – IX ZR 285/03, NJW-RR 2007, 263 (264 ) in Rn. 15; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 38; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 211. 301 Auch in der „Beseitigung der Ungewissheit“ liegt kein gegenleistungstauglicher Gegenwert, denn dieser Umstand kommt beiden Parteien gleichermaßen zugute und ist daher kein Zugeständnis des anderen Teils. A.A. Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 40a, der der Beseitigung der Ungewissheit einen objektiven Vermögenswert zuspricht, der bei der Beurteilung des Werteverhältnisses zu berücksichtigen sei. 302 In dem „gegenseitigen Nachgeben“ kann daher auf Grundlage der objektiven Ansicht keine taugliche Gegenleistung gesehen werden, denn das Nachgeben der einen Partei war objektiv wertlos (so aber Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, S. 38). Grundsätzlich kritisch zur Qualifikation des vergleichsweisen Nachgebens als gegenleistungstaugliches Zugeständnis Bork, Vergleich, S. 151 und Marburger, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 779 Rn. 49: Das gegenseitige Nachgeben bezeichne keinen gegenseitigen Leistungsaustausch, sondern als Mittel zur Beseitigung von Streit oder Ungewissheit allein das Zustandekommen des Vertrages (Marburger, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 779 Rn. 49; Bork, Vergleich, S. 151). Es begründe daher ebenso wenig die Entgeltlichkeit des Vergleichs wie auch die gegenseitige Abgabe von Willenserklärungen nicht jeden Vertrag 296

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

die subjektiven Einschätzungen der Parteien käme es nicht an, weil es an jeder Gegenleistung des Empfängers fehlt. Mit dem Schutzzweck des § 134 InsO ist dieses Ergebnis nicht vereinbar. Ein Vergleichsvertrag ist kein marktunübliches Geschäft, mit dem der Schuldner eine einseitige Bereicherung des Vertragspartners anstrebt, sondern ein allgemein anerkanntes Instrument zur Befriedung von Streitigkeiten. Sachgerechte Ergebnisse lassen sich daher nur erzielen, wenn man von vornherein auf die subjektive Parteieinschätzung und nicht auf das objektive Wertverhältnis abstellt.303 Die Parteien waren im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses im Ungewissen darüber, für wen die Abrede vorteilhaft sein und wer einen Verlust erleiden wird. Da sie aber die jeweilige Chance, von dem Vergleichsabschluss zu profitieren, als gleichwertig einschätzten, bewerteten sie ihr gegenseitiges Zugeständnis subjektiv als ausgeglichen. Stellt man also zutreffend auf die subjektiven Einschätzungen der Parteien und nicht auf die objektive Rechtslage ab, kann der Vergleich in der Regel als voll entgeltliches Rechtsgeschäft qualifiziert werden304 und ist damit der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen.305 bb) Geltung des Maßstabs der subjektiven Äquivalenz (1) Die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung richtet sich somit auch im Rahmen des § 134 InsO nach dem Prinzip der subjektiven Äquivalenz.306 Die Leistung des Schuldners ist grundsätzlich als voll entgeltlich zu zu einem entgeltlichen mache (Bork, Vergleich, S. 176). 303 So im Ergebnis auch der BGH, der sich daher aufgrund der „Eigenart eines Vergleichsvertrags“ für eine sinngemäße Fortbildung der für Austauschverträge geltenden Grundsätze ausspricht, vgl. BGH, Urt. v. 09.11.2006 – IX ZR 285/03, NJW-RR 2007, 263 (264 ) in Rn. 15; zustimmend de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 13; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 54; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 19; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 17a; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 13; vgl. auch BGH, Urt. v. 08.03.2012 − IX ZR 51/11, NJW 2012, 2099 (2012) in Rn. 35. Damit geben die Vertreter der herrschenden Meinung letztlich zu, dass ihr objektives Äquivalenzkriterium nicht tragfähig ist. Vgl. auch Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 211, der meint, der Maßstab der objektiven Äquivalenz dürfe bei Vergleichsverträgen keine Anwendung finden. 304 Hingegen für Entgeltneutralität, da der Vergleichszweck kein Zuwendungszweck, sondern ein entgeltneutraler Bereinigungszweck sei, Bork, Vergleich, S. 152 ff., 178; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 172. Überzeugender erscheint jedoch die Ansicht von Kreß, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, S. 38 f.; ders., Lehrbuch des besonderen Schuldrechts, S. 249 und Ehmann, Gesamtschuld, S. 172 f., für die dem Vergleich als Hauptzweck ein Austauschzweck zugrunde liegt, dem der Vergleichszweck als besonderer Sekundärzweck angestaffelt ist (dagegen ausdrücklich Bork, Vergleich, S. 154). 305 Vgl. die Quellen soeben in Fn. 303 sowie Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (198 f.). 306 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 380; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90, 21.93; Thole, Gläubigerschutz, S. 449. So auch noch RG, Urt. v. 29.09.1908 – VII 16/07, LZ

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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qualifizieren, wenn die Parteien ihren Leistungsaustausch für ausgeglichen hielten.307 Strebten sie hingegen in Höhe des überschießenden Teils eine einseitige Begünstigung des Anfechtungsgegners an, liegt in diesem Umfang eine teilweise unentgeltliche Leistung vor. Der gleiche – objektiv unausgeglichene – Austauschvertrag kann also zwischen Vertragspartnern voll entgeltlich sein, während er zwischen anderen Vertragspartnern ein gemischt entgeltlich-unentgeltliches Geschäft begründen würde. (2) Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Abgrenzung von voll entgeltlichen und teilweise unentgeltlichen Zuwendungen vollständig von den willkürlichen Behauptungen der Parteien abhängig wäre. Vielmehr erkennt auch das allgemeine Zivilrecht Missbrauchsgrenzen an, die in ihrem Anwendungsbereich die Einführung eigener insolvenzspezifischer Grenzen überflüssig machen.308 Ob die Parteien von einem angemessenen Leistungsaustausch ausgingen oder eine einseitige Begünstigung anstrebten, richtet sich nach der Auslegung der Parteiabrede. Die Bestimmung des übereinstimmenden Parteiwillens orientiert sich dabei auch an der objektiven Sachlage. Entscheidend ist, dass die Bewertung aus Sicht eines vernünftigen Dritten in der konkreten Position der Parteien 1909, Sp. 71 Nr. 6: „Für die Frage der Unentgeltlichkeit einer Verfügung ist nicht das objektive Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung entscheidend, sondern es kommt wesentlich auf die Auffassung der Beteiligten an“; ebenso RG, Urt. v. 18.03.1910 – VII 279/09, LZ 1910, Sp. 558; RG, Urt. v. 30.06.1914 – VII 133/14, Gruchot 59 (1915), S. 521 (522). Vgl. auch RG, Urt. v. 17.02.1913 – Rep. IV 556/12, RGZ 81, 364 (365) [zu § 2113 Abs. 2 BGB]: „Wie hoch (…) jeder Beteiligte die Leistung des anderen Teils einschätzt, steht im allgemeinen in seinem Ermessen. Keinesfalls wäre es gerechtfertigt, wegen eines etwaigen auffallenden Missverhältnisses zwischen dem Werte der beiderseitigen Leistungen die Entgeltlichkeit des Geschäfts ganz verneinen oder das einheitliche Geschäft in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zerlegen zu wollen. So ist auch bei der Anfechtung von Rechtshandlungen in und außerhalb des Konkurses von jeher das entscheidende Gewicht darauf gelegt worden, ob das betreffende Geschäft nach der Absicht der Parteien ein entgeltliches oder unentgeltliches sein soll.“ 307 So auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20: Ist die Gegenleistung objektiv von geringem Wert, haben ihr aber die Vertragsparteien nach ihrer wirklichen, nicht bloß vorgegebenen Veranschlagung einen der Leistung des Schuldners gleichen Wert beigemessen, handele es sich um eine entgeltliche Leistung; ebenso Breutigam, in: BerlKomm, InsO, 51. Erg.-Lfg., Nov. 2014, § 134 Rn. 4. 308 Dass es bereits im rechtsgeschäftlichen Bereich anerkannte Grenzen zur Vorkehr gegen missbräuchliche Parteibehauptungen gibt, übersieht anscheinend Thole, Gläubigerschutz, S. 451, wenn er ausführt, dem Maßstab der subjektiven Äquivalenz könne keine umfassende Wirkungskraft zugestanden werden, weil es den Parteien sonst möglich wäre, mit einer symbolischen Gegenleistung i.H.v. 1 Euro die Unentgeltlichkeitsanfechtung auszuhebeln: Hier würde jede Auslegung der rechtsgeschäftlichen Abrede zur Vereinbarung eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts kommen (dazu auch sogleich Fn. 309). Jede andere Behauptung der Parteien wäre ein Scheingeschäft. Da das allgemeine Zivilrecht hier bereits Missbrauchsgrenzen anerkennt, ist es nicht notwendig, eine speziell insolvenzrechtliche „objektiv-normative Bewertung“ zu entwickeln, wie es Thole befürwortet.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

nachvollziehbar und nicht völlig marktunüblich ist. Benennen die Parteien ein Entgegenkommen des Leistungsempfängers als ausgleichende Gegenleistung, das unter keinen Umständen als angemessenes Äquivalent angesehen werden kann, liegt ein Scheingeschäft vor.309 In Zweifelsfällen entscheidet die allgemeine Lebenserfahrung, d.h. wie vernünftige Vertragsparteien das Wertverhältnis einschätzen würden.310 Besteht ein auffallend grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, greift daher zugunsten der Gläubiger eine Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung für den Abschluss eines gemischten Geschäfts.311 Nun liegt es am Anfechtungsgegner, darzulegen und zu beweisen, warum die Parteien gleichwohl von einem angemessenen Ausgleich ausgegangen sind.312 (3) Bei der Bestimmung der Marktüblichkeit sind alle Umstände des Einzelfalls mit einzubeziehen. Maßgeblich ist der persönliche Standpunkt der Vertragsparteien.313 Daher ist der Notverkauf von Gegenständen unter Wert, mit dem sich der Schuldner kurzfristig Liquidität verschaffen will, keine teilweise unentgeltliche Leistung, weil beide Parteien die Gegenleistung des Empfängers unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls als ausgleichendes Äquivalent ansahen.314 Umgekehrt kann auch der Erwerb eines Ge309

Von einem solchen Scheingeschäft konnte beispielsweise in dem Fall des BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 ff. ausgegangen werden, in dem sich die Parteien auf den „Verkauf“ von Geschäftsanteilen im Werten von über 500.000 DM zu einem „Kaufpreis“ von 1 DM einigten. Der BGH ließ diese Frage offen, da es sich nach dem insolvenzrechtlich anzusetzenden, objektiven Wertevergleich jedenfalls um eine gemischte Schenkung handele (a.a.O., S. 1381). 310 Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 22, 24. Vgl. zu diesem Maßstab im ErbStG auch FG Berlin Brandenburg, Beschl. v. 22.04.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339; Esskandari, Erbschaftsteuer, § 7 Rn. 139. Zum österreichischen Recht auch B. König, Anfechtung, 5. Aufl., Rn. 9/14. 311 Vgl. zu diesem im allgemeinen Zivilrecht anerkannten Grundsatz BGH, Urt. v. 19.07.2005 – X ZR 92/03, NJW-RR 2005, 1718 (1719); BGH, Urt. v. 17.04.2002 – IV ZR 259/01, NJW 2002, 2469 (2470) [zu § 2325 BGB]; BGH, Urt. v. 06.03.1996 – IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 764 (755); BGH, Urt. v. 01.02.1995 – IV ZR 36/94, NJW 1995, 1349 (1350) [zu § 516 BGB]; BGH, Urt. v. 27.11.1991 – IV ZR 266/90, BGHZ 116, 178 (183) [zu § 2325 BGB]; BGH, Urt. v. 15.03.1989 – IVa ZR 338/87, NJW-RR 1989, 706; BGH, Urt. v. 25.09.1986 – II ZR 272/85, NJW 1987, 890 (892) [zu § 516 BGB]; BGH, Urt. v. 13.07.1983 – IV a ZR 15/82, BGHZ 88, 102 (111) [zu 2325 BGB]; BGH, Urt. v. 23.09.1981 – IV a ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (281) [zu § 2287 BGB]; BGH, Urt. v. 26.03.1981 – IVa ZR 154/80, NJW 1981, 1956 [zu § 2325 BGB]; BGH, Urt. v. 21.06.1972 – IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132 (136) [zu § 2325 BGB]; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 22, 35; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 13; vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 455. 312 So auch Ganter, NZI 2015, S. 249 (257). Vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.93: Erhebliche Wertdifferenz deutet auf gewollte Teilunentgeltlichkeit hin. 313 So auch BGH, Urt. v. 20.10.1971 – VIII ZR 212/69, BGHZ 57, 123 (127). 314 LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 95; Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 40; Dauernheim,

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genstands zu einem Preis über Wert voll entgeltlich sein, weil in den Preis persönliche Interessen (wie beispielsweise ein Affektionsinteresse an dem Kaufgegenstand) einfließen können.315 Auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile, die für sich genommen keine Gegenleistung darstellen,316 können innerhalb der Äquivalenz in einem bestimmten Rahmen Berücksichtigung finden – etwa wenn der Schuldner für eine Sache einen überhöhten Preis bezahlt, weil er ihn zu einem noch besseren Preis an einen Dritten verkaufen will. Dasselbe gilt für den Verkauf von Waren unter Wert zu Werbezwecken: Die externen wirtschaftlichen Vorteile und Interessen können hier in das Äquivalenzverhältnis einfließen und die Unentgeltlichkeit entfallen lassen.317 Auch das Näheverhältnis zum Empfänger kann in gewissem Umfang bei der Äquivalenzbewertung berücksichtigt werden.318 Daher kann ein Geschäft entgeltlich sein, obwohl die Parteien es bewusst zu einem Freundschaftspreis abgeschlossen haben.319 cc) Erweiterung der Grenzen der subjektiven Äquivalenz Ist ein Geschäft unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nachvollziehbar zu dem von den Parteien festgelegten Preis abgeschlossen worden, so ist es dem Anwendungsbereich des § 134 InsO entzogen. Es bleibt lediglich

in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 31; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 12; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 29; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 42; Henckel, ZIP 1990, S. 137 (139); ders., in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 28, 172; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 25; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.Lfg., § 134 Rn. 35; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 17; Schäfer, in: Kummer/ Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G37, G40; Thole, Gläubigerschutz, S. 451 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 205. 315 Vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 380. 316 Der Gegenleistungscharakter scheitert an dem eigenen Tätigwerden des Begünstigten, vgl. oben S. 302 ff. 317 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. Das Element der altruistischen Freigebigkeit hat im Rahmen der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung also eine Indizwirkung: Ist die Veranschlagung einer zu niedrigen Gegenleistung aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt und mithin nicht Ausdruck einer teilweisen Freigebigkeit, so ist die Leistung voll entgeltlich. Zur Bedeutung externer wirtschaftlicher Vorteile bei Fehlen jeder Gegenleistung siehe unten S. 381 ff. 318 Vgl. BGH, Urt. v. 29.04.1970 – V ZR 150/86, FamRZ 1970, 376 (378) [weiter Spielraum bei Zuwendungen unter engen Familienangehörigen]; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 21. 319 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 451. Aus dem Schenkungsrecht BGH, Urt. v. 16.10.1963 – V ZR 73/61, FamRZ 1964, 429 (431); OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.07.2014 – I-7 U 177, BeckRS 2015, 02219; OLG Koblenz, Urt. v. 13.09.2001 – 5 U 1435/99, ZEV 2002, 244; Herrmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 516 Rn. 16; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 21.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

eine Anfechtung gem. § 132 und § 133 InsO.320 Besteht hingegen ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das auch vom Standpunkt der Parteien aus nicht nachvollziehbar erklärt werden kann, so spricht eine Vermutung für den Abschluss eines teilweise unentgeltlichen Geschäfts. Offensichtlichen Umgehungsversuchen der Parteien kann damit bereits durch Auslegung der Parteiabsprache wirksam entgegengetreten werden. An seine Grenzen stößt die Auslegung nach dem allgemeinen Maßstab der subjektiven Äquivalenz allerdings, wenn sich mindestens eine Partei über den Wert der Leistung oder der Gegenleistung irrt und daher im Kausalgeschäft ein entgeltlicher Ausgleich vereinbart wird, obwohl eine der Leistungen tatsächlich hinter dem Wert der anderen Leistung zurückbleibt. Eine gemischte Schenkung scheidet in diesem Fall bei einem noch so krassen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung aus, da es an der Einigung über die teilweise Unentgeltlichkeit fehlt. (1) Anfechtung bei Kenntnis des Schuldners vom Missverhältnis Im Rahmen des § 134 InsO steht jedoch nicht die Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit im Vordergrund, sondern die subjektiven Voraussetzungen konzentrieren sich ganz auf die Person des Schuldners.321 Entscheidend ist, ob ihm vorgeworfen werden kann, vom Begünstigten kein ausgleichendes Entgelt gefordert zu haben. Diese Voraussetzung ist stets erfüllt, wenn der Schuldner wusste, dass seine Leistung durch die vereinbarte Gegenleistung nicht vollständig ausgeglichen wird. Denn von einem wirtschaftlich denkenden Schuldner kann erwartet werden, für seine Zuwendung einen vollen Ausgleich zu fordern und den überschießenden Teil nicht unentgeltlich zuzuwenden.322 Die Anfechtung gem. § 134 InsO ist somit immer dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner von der Unausgeglichenheit der Kausalabsprache wusste und die einseitige Begünstigung des Empfängers wollte.323 Die Anfechtung greift so-

320

Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. Siehe oben S. 142 ff. und S. 291 ff. 322 Für den einseitigen Willen des Schuldners zur Unentgeltlichkeit sind dabei alle Umstände zu berücksichtigen, die auch im Rahmen der übereinstimmend vereinbarten Äquivalenz Berücksichtigung finden (zu den Kriterien siehe soeben S. 359 ff.). War aus Sicht des Schuldners die Vereinbarung einer geringen Gegenleistung aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt, so ging er – trotz Kenntnis von der rechnerischen Unausgeglichenheit – von einem angemessenen Leistungsaustausch aus. 323 In diese Richtung auch Thole, Gläubigerschutz, S. 454 f.: Teilweise Unentgeltlichkeit liege jedenfalls vor, wenn schon auf Seiten des Insolvenzschuldners die Wertlosigkeit der gegnerischen Leistung bekannt war. Ebenfalls nun auch Ganter, NZI 2015, S. 249 (256 ff.); in dieselbe Richtung auch ders./Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 32: Der Erwerb einer wertlosen Forderung sei unentgeltlich, wenn dem Schuldner die Wertlosigkeit bekannt sei. Wohl auch RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (416) 321

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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mit durch, wenn der Schuldner dem Begünstigten vorspiegelt, er halte die beiden Leistungen für ausgeglichen, obwohl ihm tatsächlich bewusst war, dass die versprochene Gegenleistung den Wert seiner eigenen Leistung nicht erreicht. Bsp.: Als die Studentin S sich in dem Laden des reichen Kunsthändlers K umsieht, findet sie großen Gefallen an einer Zeichnung, die einen Verkehrswert von 3.000 Euro besitzt. K findet S sympathisch und spiegelt ihr daher vor, es handele sich bei dem Bild um einen sehr guten Druck; sie könne es für 300 Euro erwerben. S nimmt das Angebot in dem festen Glauben an, tatsächlich nur eine Kopie zu erwerben.

Dass der Begünstigte das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht kannte und auch nicht erkennen konnte, schadet nicht.324 Die subjektiven Voraussetzungen auf Empfängerseite treten im Rahmen des § 134 InsO hinter den subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite zurück. Es genügt, dass der Schuldner dem Empfänger auf Kosten der Masse einen Sondervorteil zuwendete, den ein wirtschaftlich denkender Schuldner nicht gewährt hätte. Dass der Empfänger dies nicht erkennen konnte, lässt das Fehlverhalten des Schuldners nicht entfallen. Das Kriterium der subjektiven Äquivalenz erfährt im Rahmen des § 134 InsO somit eine Modifikation: Entscheidend ist, ob der Schuldner das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zutreffend einschätzt. Dass in der rechtsgeschäftlichen Abrede der Parteien ein anderes Äquivalenzermessen zum Ausdruck kam, steht dem nicht entgegen. Nach dem schenkungsrechtlichen Maßstab der subjektiven Äquivalenz würde in diesem Fall eine teilweise Unentgeltlichkeit ausscheiden, weil der innere Vorbehalt des Schuldners unbeachtlich wäre. Im Rahmen des § 134 InsO kann hingegen der einseitige Wille des Schuldners die teilweise Unentgeltlichkeit der Zuwendung begründen. (2) Keine Anwendung des § 134 InsO bei Irrtum des Schuldners über die Wertrelation Nicht gerechtfertigt ist die Anwendung des § 134 InsO hingegen, wenn sich (auch) der Schuldner über die Wertrelation von Leistung und Gegenleistung irrte. In diesem Fall fehlt es an dem anfechtungsbegründenden Schuldnerfehl-

zu einer wertlosen Forderung als Gegenleistung: Wenn der Zessionar (= Gemeinschuldner) die Wertlosigkeit kenne, dann könne er nicht im Zweifel darüber sein, dass er ein wirkliches Entgelt für die Leistung nicht erhalten habe; diesem Urteil zustimmend Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (198). 324 I.E. ebenso RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (416); Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 99; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Gerhardt, KTS 2004, S. 195 (198); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22; Thole, Gläubigerschutz, S. 454; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13. A.A. diejenigen Stimmen, die zumindest ein gemeinsames Bewusstsein der Parteien über die teilweise Unentgeltlichkeit fordern, vgl. S. 353 in Fn. 277.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

verhalten: Geht der Schuldner davon aus, der Empfänger erbringe eine ausgleichende Gegenleistung, so verhält er sich marktkonform. Ihm kann nicht vorgeworfen werden, kein höheres Entgelt gefordert zu haben, weil die vereinbarte Gegenleistung die Zuwendung aus seiner Sicht vollständig abgelten sollte. Die Mindestbedingungen einer funktionierenden Haftungsordnung werden durch ein solches Verhalten nicht gefährdet.325 Man kann sich nun lediglich die Frage stellen, ob § 134 InsO trotz fehlendem Schuldnerfehlverhalten ausnahmsweise doch zur Anwendung gebracht werden kann, wenn die Gegenleistung objektiv vollkommen wertlos ist. In diesem Fall wird das Befriedigungsinteresse der Gläubiger besonders empfindlich berührt, weil der Schuldnerleistung wirtschaftlich gesehen kein Gegenwert gegenübersteht. Der Anfechtungsgegner hingegen erlangt durch die Schuldnerleistung einen reinen Vorteil, denn seine Gegenleistung war wertlos. Gegen die Anwendung der Unentgeltlichkeitsanfechtung auf diese Fallkonstellationen spricht jedoch, dass keine der verwandten Normen des allgemeinen Zivilrechts bei einem – unvermeidbaren – Irrtum des Zuwendenden über die Wertrelation die teilweise Unentgeltlichkeit bejaht: Selbst die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen befürworten die Unentgeltlichkeit der Verfügung grundsätzlich326 nur dann, wenn der Verfügende das Missverhältnis bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen.327 War der Irrtum unvermeidbar, kann die Verfügung somit selbst im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB nicht als unentgeltlich qualifiziert werden. Die Gläubiger können im Rahmen des § 134 InsO jedoch nicht weitergehenden Schutz erfahren als der (Nach-)Erbe im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB.328 Denn anders als der Vorerbe bzw. Testamentsvollstrecker ist der Schuldner seinen Gläubigern nicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung seines Vermögens verpflichtet. Er ist nicht gehalten, die Werthaltigkeit der Gegenleistung im Interesse seiner Gläubiger umfassend zu überprüfen.329 Vielmehr gehört es zum allgemeinen Geschäftsrisiko der Gläubiger, dass ihr Schuldner Austauschgeschäfte tätigt, die sich im Nachhinein als wirtschaftlich nachteilig 325

Daher kann beispielsweise die Unterschätzung der eigenen Rechte bei einer Abfindung nicht als teilweise unentgeltliche Leistung eingeordnet werden, auch wenn der Arbeitgeber des Schuldners von dessen Irrtum wusste, vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. 326 Zur Ausnahme bei rechtsgrundlosen Verfügungen siehe oben S. 120 f. 327 Siehe oben S. 120 mit Fn. 318. 328 Vgl. dazu, dass die erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen weitaus gewichtigere Interessen schützen als die Anfechtung gem. § 134 InsO, bereits oben S. 100 f. 329 Fraglich ist daher, ob im Rahmen des § 134 InsO schon das leichtfertige Nichterkennen eines unausgeglichenen Geschäfts genügt [so RG, Urt. v. 25.11.1940 – VIII 484/39, RGZ 165, 223 (225)]. Grundsätzlich wird dies zu verneinen sein, weil den Schuldner – im Vergleich zum Vorerben – eben keine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung seines Vermögens trifft. Es muss daher der Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten gelten (vgl. § 277 BGB).

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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erweisen. Ein Anfechtungsrecht gem. § 134 InsO kann ein solches Verhalten nicht begründen. Befand sich der Schuldner also im Irrtum über den Wert der Gegenleistung, muss die Unentgeltlichkeitsanfechtung ausscheiden, selbst wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand.330 Im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz gewährt § 132 InsO den Gläubigern Schutz. Außerhalb der Krise aber ist die Anfechtung gem. §§ 133 Abs. 1, 134 InsO stets an die Kenntnis des Schuldners von dem Missverhältnis geknüpft. dd) Ergebnis Auch im Rahmen des § 134 InsO gilt der Maßstab der subjektiven Äquivalenz. Die anfechtungsspezifische Besonderheit liegt darin, dass das Äquivalenzermessen des Schuldners im Vordergrund steht. Entscheidend ist, ob Leistung und Gegenleistung aus seiner Sicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Schuldners und die Vorstellungen des Begünstigten treten dahinter in ihrer Bedeutung zurück. Allein die objektive Wertlosigkeit der Gegenleistung löst daher noch nicht automatisch die Anfechtung gem. § 134 InsO aus. Vielmehr muss der Anfechtende nachweisen, dass zumindest dem Schuldner die Wertlosigkeit bekannt war. Ausgangspunkt dafür ist die Kausalabsprache zwischen den Parteien: Standen danach Leistung und Gegenleistung in einem groben Missverhältnis zueinander, so spricht eine tatsächliche Vermutung für die Vereinbarung einer teilweise unentgeltlichen Leistung. Gelingt es dem Anfechtungsgegner nun aber, diese Vermutung zu widerlegen, so greift die Anfechtung nur durch, wenn dem Anfechtenden seinerseits der Nachweis gelingt, dass dem Schuldner das Missverhältnis bewusst war und er dem Begünstigten die Ausgeglichenheit lediglich vorspiegelte. b) Die Behandlung teilweise unentgeltlicher Leistungen auf Rechtsfolgenseite aa) Ist die Zuwendung des Schuldners nach diesen Grundsätzen teilweise unentgeltlich, so erstreckt sich die Anfechtung gem. § 134 InsO nur auf den unentgeltlichen Teil.331 Im allgemeinen Zivilrecht wurde früher zwar rege disku-

330 So nun auch Ganter, NZI 2015, S. 249 (256 f.); ders./Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 26 a.E. A.A. die herrschende Meinung, die die subjektiven Vorstellungen einer oder beider Parteien außerhalb des objektiven Bewertungsspielraums für unbeachtlich hält, dazu oben S. 24 f. 331 Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 54; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 16; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.93; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 197; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl.,

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tiert, in welchem Umfang gemischte Schenkungen den Vorschriften über unentgeltliche Zuwendungen unterstehen.332 Einige wollten die Zuwendung insgesamt und kumulativ allen Normen unterstellen, die für die verschiedenen Vertragstypen gelten (sog. Einheitstheorie), und bei kollidierenden Normen den von den Parteien überwiegend gewollte Vertragszweck über die interessengerechte Norm entscheiden lassen.333 Andere hielten es für vorzugswürdig, die Zuwendung auf die verschiedenen Vertragstypen aufzuteilen und auf jeden Teil die für ihn geltenden Normen anzuwenden (sog. Trennungstheorie).334 Heute herrscht die sog. ‚Zweckwürdigungstheorie’ vor, die eine an den Bedürfnissen der jeweiligen Rechtsfrage und den Interessen der Beteiligten orientierte Lösung befürwortet.335 Da die Anfechtung stark in die Rechte des Anfechtungsgegners eingreift, wäre es unangemessen, mit der Einheitstheorie die gesamte Zuwendung für anfechtbar zu erklären. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung bezieht sich daher nur auf den unentgeltlichen Teil der Zuwendung. Der entgeltliche Teil ist der Anfechtung entzogen, sofern nicht andere Anfechtungsgründe greifen.336 bb) Der Anfechtende kann daher nur den unentgeltlichen Teil der entgeltgemischten Zuwendung im Wege der Anfechtung herausverlangen. Unproblematisch gestaltet sich dies bei teilbaren Leistungen: Der Anfechtungsgegner hat

§ 134 Rn. 14; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 214. Auch RG, Urt. v. 18.03.1910 – VII 279/09, LZ 1910, Sp. 558 (559): Hier handelt es sich um eine mit einem entgeltlichen Geschäft verbundene unentgeltliche Zuwendung, und dass bei einer solchen die Anfechtung, soweit Freigebigkeit in Betracht kommt, zuzulassen ist, ist anerkannt. Anders hingegen Thole, Gläubigerschutz, S. 455, der die Anfechtung nur bei einem teilbaren Geschäft auf den unentgeltlichen Teil beschränken möchte; bei einem unteilbaren Geschäft unterliege hingegen das gesamte Geschäft der Anfechtung, wenn die Freigebigkeit den Hauptzweck des Rechtsgeschäfts darstelle. 332 Der historische Gesetzgeber brachte lediglich zum Ausdruck, dass er die gemischte Schenkung für zulässig hielt, machte aber keine Vorgaben für ihre rechtsfolgenseitige Behandlung, vgl. Motive BGB, Bd. II, S. 287, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 159. Vgl. auch Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 36. 333 So insbes. W. Müller, JherJb 48 (1904), S. 209 (223 ff.); daran anschließend Regelsberger, JherJb 48 (1904), S. 453 (462). 334 Vgl. RG, Urt. v. 27.06.1935 – IV 28/35, RGZ 148, 236 (240); Weirauch, Gruchot 48 (1904), S. 229 (244 f.). 335 Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 47; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 13; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 39 mwN; Sefrin, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 516 Rn. 61; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 14. 336 Breutigam, in: BerlKomm, InsO, 51. Erg.-Lfg., Nov. 2014, § 134 Rn. 5; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 16; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 214.

II. Anforderungen an die ausgleichende Gegenleistung

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hier den unentgeltlichen Teil der Leistung den Gläubigern zu ihrer Befriedigung zur Verfügung zu stellen.337 Bei einer unteilbaren Leistung hingegen ist die isolierte Rückgewähr des anfechtbaren Teils nicht möglich. Entweder muss der gesamte Leistungsgegenstand – und damit auch der entgeltlich erworbene Teil – an die Gläubiger herausgegeben werden, oder der Leistungsgegenstand verbleibt im vollen Umfang beim Begünstigten und er hat Wertersatz in Höhe des anfechtbaren Teils zu zahlen. (1) Da sich die Anfechtungsbefugnis der Gläubiger auf den unentgeltlichen Teil der Leistung beschränkt, können sie vom Anfechtungsgegner grundsätzlich nur Wertersatz in Höhe des überschießenden Teils der Leistung fordern.338 Die Möglichkeit zur Rückforderung des gesamten Leistungsgegenstands würde ihre Berechtigung übersteigen und den Anfechtungsgegner unangemessen benachteiligen: Dieser hat einen Teil der Leistung entgeltlich und damit anfechtungsfest erworben. Seine Rechte in Bezug auf den entgeltlichen Teil der Leistung dürfen nicht angetastet werden. Auch wenn die Gläubigergesamtheit ein Interesse an der Rückforderung des Zuwendungsgegenstands haben mag, muss dieses Interesse hinter den schutzwürdigen Interessen des Anfechtungsgegners zurückstehen. Die Gläubiger sind auf ihren Wertersatzanspruch verwiesen.339 Die Wertersatzpflicht kann den Anfechtungsgegner allerdings unter Umständen stärker belasten als der Verlust des Anfechtungsgegenstands selbst, etwa weil er nicht über ausreichend liquides Vermögen verfügt, um den Wertersatzanspruch zu erfüllen. Ihm steht es daher frei, anstelle des Wertersatzes den Anfechtungsgegenstand zur Masse zurück zu gewähren.340 Denn dem Insolvenzverwalter steht kein originärer Anspruch auf Wertersatz zu, sondern die 337

Breutigam, in: BerlKomm, InsO, 51. Erg.-Lfg., Nov. 2014, § 134 Rn. 5; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 262; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 42; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 20; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 14; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 215. 338 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14. A.A. [die Schuldnerleistung muss bei Unteilbarkeit stets im Ganzen wieder herausgegeben werden]: Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 262 f.; Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 25; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 18; auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 42, allerdings soll der Anfechtungsgegner die Herausgabe durch Zahlung anteiligen Wertersatzes abwenden können; ebenso Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 54; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 20; Schillig, MittBayNot 2002, S. 347 (354). 339 So auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 215. Zu § 528 BGB vgl. Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 528 Rn. 39 mwN. 340 Im Ansatz daher zutreffend von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 215, der dem Anfechtungsgegner allerdings stets – auch bei überwiegend unentgeltlichem Charakter – ein

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Rechtsfolge des § 143 InsO liegt in erster Linie in der Rückgewähr des Anfechtungsgegenstands.341 Dem Anfechtungsgegner ist dann seine Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zu erstatten. Den Beschränkungen des § 144 Abs. 2 InsO unterliegt er dabei nicht, da die Gegenleistung auf den unanfechtbaren Teil der Leistung bezogen ist und daher nicht unter § 144 InsO fällt.342 Die Forderung ist also auch dann eine Masseschuld, wenn die Gegenleistung nicht mehr unterscheidbar in der Masse vorhanden oder die Masse nicht mehr bereichert ist.343 (2) Der Insolvenzverwalter hat demnach keine Möglichkeit, den Zuwendungsgegenstand gegen den Willen des Anfechtungsgegners in vollem Umfang zur Masse zu ziehen. Zweifel weckt dieses Ergebnis, wenn die vereinbarte Gegenleistung nur einen Bruchteil des Werts der Schuldnerleistung erreicht. Denn hat die Masse ein besonderes Interesse an der gegenständlichen Rückführung des Zuwendungsgegenstands – etwa weil dadurch auseinandergerissene Vermögenswerte wieder zusammengeführt werden oder weil der Gegenstand zur Unternehmensfortführung unerlässlich ist –, würde die Möglichkeit der wirtschaftlich sinnvollen Anreicherung der Masse durch ein bloß geringfügiges Entgelt vereitelt.344 Dem Insolvenzverwalter ist daher ausnahmsweise die Rückforderung der gesamten Leistung zu gestatten, wenn der unentgeltliche Charakter der Zuwendung eindeutig überwiegt.345 Überwiegt hingegen der entgeltliche Charakter, Wahlrecht einräumen möchte; ebenso auch Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 54; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 262 f.; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 42. Für ein Wahlrecht stets, aber auch nur dann, wenn der Gegenstand für die Masse nur wertmäßig von Interesse ist Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15. Für § 528 BGB vgl. auch Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 528 Rn. 40 („umgekehrte Ersetzungsbefugnis“). 341 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34. 342 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 262; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29; Schillig, MittBayNot 2002, S. 347 (354); kritisch anscheinend Eckardt, ZInsO 2004, S. 888 (896). 343 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 262. 344 Vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29. 345 I.E. ebenso Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Flöther, DZWiR 2002, S. 171 (172); Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 14; ders., Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 212 (bei Überwiegen des unentgeltlichen Charakters des Geschäfts oder besonderem Interesse der Gläubiger an der Gegenleistung). Ebenso auch die herrschende Meinung im Schenkungsrecht zu § 531 Abs. 2 BGB, vgl. BGH, Urt. v. 07.04.1989 – V ZR 252/87, BGHZ 107, 156 (158 f.); BGH, Urt. v. 02.10.1987 – V ZR 85/86, NJW-RR 1988, 584 (585); BGH, Urt. v. 23.05.1959 – V ZR 140/58, BGHZ 30, 120 (123); Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 16 (bei doppeltem Wert der Leistung im Vergleich zur Gegenleistung); ebenso auch Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 15; zu § 2287 BGB auch BGH, Urt. v. 27.11.1952 – IV ZR 146/52, NJW

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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bleibt es dabei, dass der Rückgewähranspruch nur auf Wertersatz gerichtet ist und allein der Anfechtungsgegner die Wahl hat, Wertersatz zu leisten oder den Gegenstand zurückzuerstatten.346 III. Die Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass die materielle Zuwendung des Schuldners entgeltlich ist, wenn ihr nach dem Inhalt des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts ein wirksam verknüpftes, selbstständiges Entgegenkommen des Empfängers gegenübersteht, das zumindest der Schuldner als gleichwertig einschätzt. Fehlt es hingegen an einer kausalvertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien oder sieht die Parteivereinbarung kein eigenes Zugeständnis des Empfängers vor, ist die Leistung unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit der Zuwendung ist von der altruistischen Gesinnung des Schuldners – der Freigebigkeit – zu trennen. Der Wille zur Freigebigkeit bedeutet, dass der Schuldner uneigennützig, ohne Verfolgung eigener wirtschaftlicher oder immaterieller Vorteile handelt. Er geht nicht notwendig mit dem Willen des Schuldners zur Unentgeltlichkeit einher.347 So handelt der Schuldner zwar mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit, aber nicht freigebig, wenn er sich zu der Zuwendung sittlich verpflichtet fühlt oder einer familiären Fürsorgepflicht nachkommen möchte. In diesem Fall beruht der Ausschluss der Freigebigkeit auf persönlichen Gründen des Schuldners. Die eigennützige Motivation kann sich aber auch daraus ergeben, dass der Schuldner mit seiner Zuwendung wirtschaftliche Motive verfolgt, die nicht in dem Erlangen einer Gegenleistung bestehen. So kann er die Zuwendung mit dem Ziel vornehmen, durch sie wirtschaftliche Vorteile von dritter Seite zu erzielen. Entgeltlich wird die Zuwendung dadurch nicht, solange der vom Schuldner erstrebte Vorteil nicht die Qualität einer Gegenleistung im oben skizzierten Sinne aufweist. Vielmehr bleibt die Leistung objektiv und subjektiv unentgeltlich, denn ihr steht keine Gegenleistung des Empfängers gegenüber, wovon der Schuldner auch Kenntnis hat.348 1953, 501 f. Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 54 befürwortet die Herausgabepflicht schon bei jedem „sachlich gerechtfertigten Interesse“ des Insolvenzverwalters. 346 Vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 34; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 29. Auf Rechtsfolgenseite kann dem Hauptzweck des Geschäfts somit Bedeutung zukommen, wenn der Insolvenzverwalter ein Interesse daran hat, trotz teilweise entgeltlicher Leistung den Leistungsgegenstand selbst zur Masse zu ziehen. I.E. ähnlich Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15: „Ist der Gegenstand für die Masse nur wertmäßig von Interesse, genügt es, wenn die Wertdifferenz in die Masse gezahlt wird“, allerdings unabhängig vom Hauptcharakter des Geschäfts. 347 Vgl. zur Differenzierung zwischen dem Willen zur Bereicherung, zur Unentgeltlichkeit und zur schenkweisen Freigebigkeit Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 79. Zu dieser Differenzierung im Erbschaftssteuerrecht vgl. auch oben S. 123 ff. 348 Vgl. nur Poelzig, JZ 2012, S. 425 f.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Im Schenkungsrecht wird rege diskutiert, welche Rechtsfolgen insbesondere der Ausschluss der Freigebigkeit aus persönlichen Gründen nach sich zieht. Da die Schenkung den Prototyp der unentgeltlichen Zuwendungen darstellt,349 muss sich auch § 134 InsO dieser Frage stellen. Dies gilt umso mehr, als sich auch im Anfechtungsrecht die Aussage findet, die Unentgeltlichkeitsanfechtung diene dazu, freigebige Zuwendungen des Schuldners rückgängig zu machen.350 Es ist daher zu untersuchen, welche Auswirkungen der fehlende Wille des Schuldners zur Freigebigkeit auf die Unentgeltlichkeitsanfechtung hat. Dafür ist zunächst die Rechtslage im Schenkungsrecht darzustellen (1.), bevor unter Berücksichtigung der im ersten Teil der Arbeit entwickelten Grundlagen die Bedeutung des Wegfalls der Freigebigkeit aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen für die Unentgeltlichkeitsanfechtung erarbeitet wird (2.). 1. Die Rechtslage im Schenkungsrecht Im Schenkungsrecht ist bis heute nicht geklärt, ob die Schenkung neben der Einigung über die Unentgeltlichkeit als zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Verfolgung eines altruistischen, schenkungsspezifischen Freigebigkeitszwecks durch den Schenker verlangt.351 a) Das gemeine Recht ging im Anschluss an das römische Recht davon aus, die Absicht des Schenkers zur einseitigen Bereicherung – der animus donandi – sei notwendiger Bestandteil des Schenkungstatbestands.352 Der Schenker müsse aus Wohlwollen oder freier Gunst gegenüber dem Empfänger handeln. Savigny und Windscheid ließen es jedoch genügen, wenn der Schenker wenigstens zunächst die Bereicherung des Empfängers beabsichtigte; dahinter konnten noch weitere, egoistische Zwecke stehen.353

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Siehe dazu oben S. 140 f. Vgl. BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 (2507) in Rn. 13: „Denn nur der Empfänger einer freigebigen Zuwendung ist nach § 134 InsO weniger schutzwürdig“; BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423); BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (243); LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); Brandner, in: FS Merz, S. 3 (13); Büttner, InsVZ 2010, S. 323; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 2; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 5. 351 Vgl. dazu Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 79 ff. 352 Meyerfeld, Schenkungen, Bd. 1, § 1 Ziff. 2, S. 1; Puchta, Pandekten, 9. Aufl., § 68, S. 106; Savigny, System, Bd. 4, § 152, S. 77 ff.; Unger, System, Bd. 2, 5. Aufl., § 95 Ziff. 4, S. 194 f.; Windscheid, Lehrbuch, Bd. 2, 3. Aufl., § 365, S. 343 mit Fn. 4. Vgl. auch Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 94, S. 296. 353 Savigny, System, Bd. 4, § 153, S. 86 f.; Windscheid, Lehrbuch, Bd. 2, 3. Aufl., § 365, S. 344 mit Fn. 4. 350

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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Der Gesetzgeber des BGB entschied sich hingegen bewusst gegen die Implementierung altruistischer Absichten in den Schenkungstatbestand.354 In der schenkungsrechtlichen Literatur ist man sich heute daher einig, dass eine subjektive Bereicherungsabsicht für § 516 BGB nicht erforderlich ist.355 Es schade nicht, wenn der Schenker aus egoistischen Motiven handelt und die Zuwendung mit dem Fernziel vornimmt, im Ergebnis sein eigenes Vermögen zu vermehren.356 Notwendig sei lediglich der Wille, überhaupt etwas zuzuwenden. b) Fest steht damit, dass die eigennützige Motivation im Schenkungsrecht unerheblich ist, wenn sie nur einseitig vom Schenker angestrebt wird und der andere Teil von ihr keine Kenntnis hat. Die Situation ändert sich jedoch, wenn sich die Parteien übereinstimmend über den Ausschluss der Freigebigkeit einigen. Dann bewegt sich der eigennützige Zweck der Zuwendung nicht mehr auf der Ebene eines unbeachtlichen, einseitigen Motivs, sondern wird Teil des zwischen den Parteien vereinbarten, rechtlich relevanten Vertragszwecks. Eine ‚Einigung über die Unentgeltlichkeit’ liegt in diesem Fall trotz Ausschluss der Freigebigkeit zwar vor. Allerdings sind sich die Parteien zugleich darüber einig, dass der Altruismus des Schenkers nicht den Hauptzweck der Zuwendung bilden soll, sondern sein Eigennutz im Vordergrund steht. Ob auch eine solche Zuwendung unter den Schenkungstatbestand fällt, geht aus den Gesetzesmaterialien nicht hervor. Der Wortlaut des § 516 Abs. 1 BGB fordert lediglich die Einigung über die Unentgeltlichkeit und nicht über einen schenkungsspezifischen Freigebigkeitszweck. Allerdings nehmen einige Vorschriften des Schenkungsrechts erkennbar auf die Tatsache Bezug, dass der Schenker altruistisch handelt: Sowohl die Widerrufs- und Rückforderungsmöglichkeiten des Schenkers gem. §§ 528, 530 BGB als auch die Haftungsprivilegien der §§ 521–524, 2385 Abs. 2 BGB lassen sich aus dem Gedanken heraus erklären, dass dem zum eigenen Nachteil handelnden Schenker die eigene Freigebigkeit nicht zum Verhängnis werden soll und er einen angemessenen

354 Vgl. Protokolle II, S. 1616, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 737. Zu der Entwicklung dieser gesetzgeberischen Entscheidung vgl. oben S. 75 mit Fn. 110. 355 RG, Urt. v. 18.02.1919 – 411/18 III, RGZ 94, 322; RG, Urt. v. 21.03.1916 – VII 9/16, WarnR 1916, Nr. 132, S. 211 (212); RG, Urt. v. 22.11.1909 – Rep. VI 437/08, RGZ 72, 188 (189); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 27; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 11; Mansel, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 516 Rn. 7; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 516 Rn. 6. 356 Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 11. Vgl. auch RG, Urt. v. 03.03.1928 – V 320/27, RGZ 120, 253 (256); RG, Urt. v. 07.02.1919 – VII 329/18, JW 1919, 378 (379); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 27; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (99): „Aus wirtschaftlichen wie unwirtschaftlichen Zwecken, aus berechnender Spekulation so gut wie aus selbstloser Barmherzigkeit kann unentgeltlich geleistet werden.“

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

Dank vom Empfänger erwarten darf.357 Andererseits zeigen aber Vorschriften wie § 534 BGB, dass unter den Schenkungsbegriff auch unentgeltliche Zuwendungen fallen, die nicht in erster Linie altruistisch motiviert sind, sondern mit denen der Schenkende einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen will. Lediglich die Rückforderung und der Widerruf und damit die auf den Altruismus abstellenden Privilegien des Schenkers sind in diesen Fällen ausgeschlossen. c) Angesichts dieser unklaren Rechtslage sind die Meinungen im schenkungsrechtlichen Schrifttum geteilt. Für einige fehlt es an einem Wesensmerkmal der Schenkung, wenn die Parteien übereinstimmend vereinbaren, dass die unentgeltliche Zuwendung eigennützig motiviert sein soll.358 Rechtsgrund der Zuwendung sei in diesem Fall eine unentgeltliche Causa sui generis, die mangels des typusprägenden Merkmals der altruistischen Freigebigkeit ein aliud zur Schenkungscausa bilde.359 § 534 BGB betreffe ausschließlich Fälle, in denen eine Einigung der Parteien über den Charakter der Zuwendung als Pflichtbzw. Anstandsschenkung fehle. Die Voraussetzungen des § 516 BGB lägen in diesem Fall vor, da die Parteien die Freigebigkeit nicht übereinstimmend ausgeschlossen haben. Das objektive Bestehen der sittlichen Verpflichtung rechtfertige es aber gleichwohl, trotz Vorliegens einer Schenkung die Rückforderung und den Widerruf auszuschließen. Sind sich die Parteien hingegen über

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Zu den Haftungsprivilegien Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 3. Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 82 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Besonderer Teil, Bd. II, TeilBd. 1, 13. Aufl., § 47 II, S. 201; Poelzig, JZ 2012, S. 425 (429). 358 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 82 ff.; Poelzig, JZ 2012, S. 425 (428 f.). Vgl. auch W. Jaeger, DNotZ 1991, S. 431 (440); Krawielicki, Grundlagen, S. 238. 359 So Poelzig, JZ 2012, S. 425 (430). Vgl. auch Eckert, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 516 Rn. 61; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 83; Siber, JherJb 70 (1921), S. 223 (275 f.). Ebenso die herrschende Meinung, die unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten als atypisches Rechtsgeschäft sui generis bezeichnet und bei der Abgrenzung zur Schenkung entscheidend darauf abstellt, ob die Zuwendung nach dem Willen der Parteien „unentgeltlich im Sinne echter Freigiebigkeit erfolgt und nicht an die Erwartung des Fortbestehens der Ehe geknüpft, sondern zur freien Verfügung des Empfängers geleistet wird“; so BGH, Urt. v. 09.07.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277 (3278) in Rn. 15. Für die Ausstattung des Kindes i.S.d. § 1624 Abs. 1 BGB als familienrechtliche, von der Schenkung zu unterscheidende Causa sui generis: OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.04.2011 – 6 U 137/09, FamRZ 2012, 901 (902); W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 72, 81 ff.; Friederici, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 11. Aufl., § 1624 Rn. 1; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl., § 56 Rn. 7; Götz, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1624 Rn. 2; Hilbig-Lugani, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 1624 Rn. 1; Jakob, AcP 207 (2007), S. 198 (200); v. Sachsen Gessaphe, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 1624 Rn. 1. Für sittliche Pflichten allgemein auch Prag, Sittliche Pflichten, S. 16 ff.

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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die Leistung zur Erfüllung einer sittlichen Pflicht einig, handele es sich mangels Freigebigkeit gar nicht um eine Schenkung und der Rückgriff auf § 534 BGB sei nicht notwendig.360 Für die Gegenansicht stellt der vereinbarte Ausschluss der Freigebigkeit den Schenkungscharakter der Zuwendung hingegen nicht in Frage.361 Eine Schenkung liege stets vor, wenn sich die Parteien gem. § 516 BGB über die Unentgeltlichkeit geeinigt haben. Nach dem Vorbild des § 534 BGB sollen bei einer übereinstimmend eigennützig gewollten Schenkung lediglich die den altruistischen Schenker privilegierenden Vorschriften keine Anwendung finden.362 2. Die Bedeutung der Freigebigkeit für die Anfechtung gem. § 134 InsO Im Schenkungsrecht vermag somit nur der übereinstimmend vereinbarte Ausschluss der Freigebigkeit den Schenkungscharakter der Zuwendung in Frage zu stellen. Die innere Motivation des Schenkers ist rechtsgeschäftlich irrelevant und schließt die Anwendung des § 516 BGB daher auch nach denjenigen Stimmen nicht aus, die die Freigebigkeit zu den Wesensmerkmalen der Schenkung zählen. Im Rahmen des § 134 InsO ist die Situation jedoch anders: Entscheidend für die Unentgeltlichkeit ist hier nicht die rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den Parteien, sondern die subjektiven Voraussetzungen konzentrieren sich ganz auf die Person des Schuldners.363 Maßgeblich ist, ob sein Verhalten die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage stellt. Misst man der Freigebigkeit auch im Rahmen des § 134 InsO Bedeutung bei, so stünde nicht nur der übereinstimmend vereinbarte Ausschluss der Freigebigkeit der Anfechtung entgegen, sondern die Anwendung des § 134 InsO würde stets ausscheiden, wenn der Schuldner mit der Zuwendung eigennützige Zwecke verfolgte. Fraglich ist nun, ob dieser Freigebigkeitswille im Rahmen des § 134 InsO erforderlich ist. Als im Jahr 1877 mit § 25 KO die Vorgängernorm des heutigen § 134 InsO geschaffen wurde, erforderte die Schenkung nach überwiegender Ansicht noch 360

So Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 87; Siber, JherJb 70 (1921), S. 223 (277). Vgl. etwa Gierke, Dt. Privatrecht, Bd. 3, § 191 VII 2, S. 433; Seif, FamRZ 2000, S. 1193 (1195). Für unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten als Schenkungen i.S.d. § 516 BGB: Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 73 ff.; Schotten, NJW 1990, S. 2841 (2847); Seif, FamRZ 2000, S. 1193 (1194). Für die Ausstattung des Kindes (§ 1624 BGB) als Schenkung, für die lediglich die Schenkungsregeln ausgeschlossen werden: RG, Urt. v. 26.01.1916 – 357/15 IV, JW 1916, 588 (589); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl., § 56 Rn. 7; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (128). Für Leistungen zur Erfüllung sittlicher Pflichten: RG, Urt. v. 30.09.1929 – 800/28 IV, JW 1929, 3496 f.; RG, Urt. v. 03.03.1928 – V 320/27, RGZ 120, 253 (255); OLG Dresden, Urt. v. 14.12.1908 – 10 235/08, LZ 1910, Sp. 243 (244); W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 79; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (127) mit Fn. 1; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 75 II 10, S. 172. 362 Vgl. Gierke, Dt. Privatrecht, Bd. 3, § 191 VII 2, S. 433. 363 Siehe oben S. 142 ff. 361

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

einen schenkungsspezifischen animus donandi des Zuwendenden. Indem der Konkursgesetzgeber in den Materialien zu § 25 KO 1877 zur Auslegung des Begriffs der ‚unentgeltlichen Verfügung’ auf die Schenkung im allgemeinen Zivilrecht verwies, nahm er somit auch den schenkungsspezifischen Freigebigkeitswillen des Schuldners in Bezug. Allerdings entschied sich der Gesetzgeber für einen dynamischen Verweis auf das allgemeine Zivilrecht: Änderte sich das dortige Schenkungsverständnis, so hatte dies grundsätzlich auch Auswirkungen auf das Verständnis der ‚unentgeltlichen Verfügung’ im anfechtungsrechtlichen Sinne. Da heute der schenkungsspezifische animus donandi für eine Schenkung i.S.d. § 516 BGB nicht mehr erforderlich ist, dürfte ihm auch im Rahmen des § 134 InsO keine Bedeutung mehr zukommen. Der weit gefasste Wortlaut des § 134 InsO, der lediglich auf die Unentgeltlichkeit der Leistung abstellt, lässt für diese Anpassung jedenfalls genug Raum. Denn an dem unentgeltlichen Charakter der Zuwendung ändert der fehlende Freigebigkeitswille nichts: Der Schuldner weiß, dass er den anderen Teil ohne Gegenleistung bereichert, und möchte dies auch. Gegen eine Berücksichtigung des Freigebigkeitswillens spricht auch, dass der Streit um die Bedeutung der Freigebigkeit im Schenkungsrecht allein auf Erwägungen im Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem beruht.364 Die besonderen Privilegien des Schenkungsrechts, die dem Schenker im Verhältnis zum Beschenkten einen besonderen Schutz bieten, erscheinen bei eigennützig motivierten Zuwendungen nicht gerechtfertigt. Bei der Anfechtung geht es jedoch um das Verhältnis zwischen den anfechtenden Gläubigern und dem Begünstigten, auf das diese Wertungsgesichtspunkte nicht übertragbar sind.365 Die Gläubigerinteressen sind unabhängig davon betroffen, welche Motivation der Schuldner mit der Zuwendung verfolgte.366 Aus diesen Gründen verzichten selbst diejenigen Stimmen, die die Freigebigkeit zu den Wesensmerkmalen des Schenkungstatbestands zählen, im Anwendungsbereich von drittschützenden Normen auf dieses Merkmal.367 Der übereinstimmende Ausschluss der Freigebigkeit soll sogar im Rahmen von Normen, die ausdrücklich auf Schenkungen i.S.d. § 516 BGB abstellen (z.B. § 2325 BGB), nicht schaden, sofern durch den

364 Vgl. OLG Celle, Urt. v. 17.10.1989 – 20 U 25/89, NJW 1990, 720 f. (zu unbenannten Zuwendungen im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.); LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782) [zu Ausstattungen gem. § 1624 BGB]; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 387 f. (zur Ausstattung). 365 Vgl. BGH, Urt. v. 13.03.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (68 f.); Münder, in: AltKomm, BGB, Bd. 5, § 1624 Rn. 4; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 210 (zur Ausstattung). Vgl. auch BGH, Urt. v. 23.09.1999 – X ZR 114/96, BGHZ 142, 300 (303) [zu unbenannten Zuwendungen im Rahmen des § 822 BGB]. 366 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 88. 367 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 447.

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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Ausschluss des Schenkungscharakters Drittinteressen beeinträchtigt werden.368 Dann kann für § 134 InsO, der lediglich eine unentgeltliche Leistung fordert, nichts anderes gelten. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch einen Blick auf die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts: Sie sind sich einig, dass auch der übereinstimmend vereinbarte Ausschluss der Freigebigkeit ihrer Anwendbarkeit nicht entgegensteht.369 Selbst im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, der ausdrücklich auf eine freigebige Zuwendung abstellt, ist der Wille zur schenkweisen Zuwendung nicht erforderlich.370 Schließlich gebietet auch die teleologische Verankerung des § 134 InsO in einem Schuldnerfehlverhalten keine abweichende Beurteilung. Ist die Zuwendung nicht vom Willen des Schuldners zur Freigebigkeit getragen, so weiß er gleichwohl, dass er den anderen Teil einseitig bereichert. Dieses Wissen genügt, um dem Schuldner sein Verhalten zum Vorwurf machen zu können. Dass es für den Schuldner persönliche Gründe geben mag, die ihn dazu veranlassten, kein Entgelt zu fordern, lässt den Vorwurf des Schuldnerfehlverhaltens nicht entfallen. Seine persönlichen Motive können bei der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung eine Rolle spielen,371 doch sie berechtigen ihn nicht dazu, auf jede Gegenleistung zu verzichten. Fehlt es vollständig an einer Gegenleistung des Begünstigten und ist sich der Schuldner dieses Umstands bewusst, so stellt sein Verhalten die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung in Frage, auch wenn seine Zuwendung nicht von reinem Altruismus, sondern von eigennützigen Motiven getragen war. a) Wegfall der Freigebigkeit aus persönlich-moralischen Gründen Aus diesen Gründen wird die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Schuldner seine Zuwendung aus moralischen, familiären oder sonstigen persönlichen Gründen für geboten erachtete.372 In diesen Fällen besteht sogar eine besonders hohe Missbrauchsgefahr, da sittlich gebotene Zuwendungen in aller Regel an nahestehende Personen erbracht werden.373 Der Schuldner würde geradezu herausgefordert, in wirtschaftlich angespannten Zeiten Vermögensgegenstände auf seine nahen Angehörigen zu übertragen, wenn er sie auf diese Weise dem Gläubigerzugriff entziehen könnte. 368 Die der Zuwendung zugrunde liegende unentgeltliche Causa sui generis sei in diesen Fällen der tatbestandlich geforderten Schenkung gleichzustellen, vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 88 f., 447. 369 Siehe oben S. 106 ff., 130. 370 Siehe oben S. 124 mit Fn. 346. 371 Siehe oben S. 359 ff. 372 OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1992 – 27 U 235/91, ZIP 1992, 1755 (1757); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9. 373 Vgl. auch de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 34; Malitz, ZInsO 2005, S. 783.

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aa) Unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten, die ohne unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft getätigt werden, sind daher als unentgeltliche Leistungen anfechtbar.374 Ihnen steht in der Regel keine konkrete Gegenleistung des begünstigten Ehepartners gegenüber, und darüber sind sich die Parteien auch einig.375 Insbesondere die ‚Führung des Haushalts’ oder die ‚Betreuung der Kinder’ sind keine gegenleistungstauglichen Zugeständnisse des nicht berufstätigen Ehegatten, weil sie von den Pflichten der ehelichen Lebensgemeinschaft gedeckt sind (vgl. § 1360 S. 2 BGB) und nicht dem individuellen Interesse des berufstätigen Ehegatten gewidmet werden.376 Dass der übereinstimmend vereinbarte Zweck der Zuwendung in familiären Fürsorgepflichten besteht, mag den schenkungsspezifischen Freigebigkeitszweck verdrängen und daher die auf der altruistischen Gesinnung des Schenkers aufbauenden Privilegien entfallen lassen. Der Anfechtung steht der Ausschluss der Freigebigkeit jedoch nicht entgegen, weil er

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BGH, Urt. v. 21.01.1999 – IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033; OLG Stuttgart, Urt. v. 14.05.2002 – 1 U 1/02, NZI 2002, 495; OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1992 – 27 U 235/91, ZIP 1992, 1755 (1757); OLG Celle, Urt. v. 17.10.1989 – 20 U 25/89, NJW 1990, 720 (zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F.); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 57; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 21; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 25; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 138; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 34; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 19; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 23; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 14; ders., in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 17; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 36; Kollhosser, NJW 1994, S. 2313 (2316); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 31; Sandweg, NJW 1989, S. 1965 (1973 f.); Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G27; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 183 f.; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/ Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 34; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 209. A.A. Morhard, NJW 1987, S. 1734 (1736 f.). 375 So zutreffend Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 85; Gebel, DStZ 1993, S. 451 (455 f.); Meincke, NJW 1995, S. 2769 f.; Poelzig, JZ 2012, S. 425 (426); Sandweg, NJW 1989, S. 1965 (1966 f.); Seif, FamRZ 2000, S. 1193 (1194 f.). Zumindest die objektive Unentgeltlichkeit der unbenannten Zuwendungen bejaht der BGH im Urt. v. 23.09.1999 – X ZR 114/96, BGHZ 142, 300 (303); BGH, Urt. v. 27.11.1991 – IV ZR 164/90, BGHZ 116, 167 (170); ebenso auch W. Jaeger, DNotZ 1991, S. 431 (439). Anders (für objektive Entgeltlichkeit) noch BGH, Urt. v. 07.01.1972 – IV ZR 231/69, NJW 1972, 580; Morhard, NJW 1987, S. 1734. 376 I.E. ebenso Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 57; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 21; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 23; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 36; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 31; Seif, FamRZ 2000, S. 1193 (1194); von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 210. A.A. Bosch, FamRZ 1978, S. 400; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 142.

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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die Unentgeltlichkeit der Zuwendung unberührt lässt.377 Auf die im Innenverhältnis streitige Frage, ob es sich um eine echte Schenkung i.S.d. § 516 BGB oder um eine Causa sui generis handelt, kommt es für § 134 InsO nicht an.378 Entgeltlich ist eine Leistung zwischen Ehegatten nur dann, wenn ihr eine konkrete Gegenleistung des anderen Teils gegenübersteht. Soll die Zuwendung etwa der nachträglichen Abgeltung der Mitarbeit des einen Ehegatten Geschäft des anderen dienen, so ist diese Vergütung der zunächst unentgeltlich geleisteten Dienste entsprechend der allgemeinen Grundsätze379 als entgeltliche Leistung der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen.380 Entgeltneutral wiederum ist die Zahlung des geschuldeten Unterhalts, da es sich hierbei um die Erfüllung einer gesetzlichen Verbindlichkeit handelt.381 bb) Auch die dem Kind gewährte angemessene Ausstattung i.S.d. § 1624 BGB ist eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO.382 Weder sind die El-

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Vgl. auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 36: „die (…) Erwartung, die eheliche Lebensgemeinschaft zu fördern, begründet kein Entgelt.“ 378 So auch Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 21; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 138; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 23; Rogge/ Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 31. 379 Zur Möglichkeit der nachträglichen entgeltlichen Vergütung bereits geleisteter Dienste siebe bereits oben S. 343 ff. 380 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 21; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 141; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 23; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 36; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 31; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 209 f. 381 Vgl. i.E. auch Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 21 („nicht unentgeltlich“); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 138 („entgeltlich“); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 36 („entgeltlich“); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 31 („entgeltlich“). 382 LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 f. (zu § 4 Abs. 1 AnfG); Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 58; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 147; Götz, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1624 Rn. 2; Haymann, JherJb 56 (1910), S. 86 (128); Hilbig-Lugani, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 1624 Rn. 4; Jakob, AcP 207 (2007), S. 198 (212 f.); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 37; Kienemund, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.04.2016, § 1624 Rn. 23; Malitz, ZInsO 2005, S. 783 f.; Münder, in: AltKomm, BGB, Bd. 5, § 1624 Rn. 4; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 33; Sailer, NotBZ 2002, S. 81 (83); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 184 f.; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 210; v. Sachsen Gessaphe, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 1624 Rn. 16. A.A. Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 22; Döll, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 1624 Rn. 12; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl., § 56 Rn. 7 (sofern die Ausstattung einer sittlichen Pflicht entspricht); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 62; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 180; Huber, AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 23; Kemper, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 1624 Rn. 3; Schillig, MittBayNot 2002, S. 347 (351); Strätz, in: Soergel, BGB, Bd. 8, 12. Aufl., § 1624 Rn. 5; Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 32 Rn. 12.

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tern zu der Ausstattung gesetzlich verpflichtet383 – was ihre Entgeltneutralität begründen würde – noch steht ihr im Regelfall ein ausgleichendes Entgegenkommen des Kindes gegenüber. Getragen ist die Ausstattung zwar von der elterlichen Fürsorge und damit nicht von einem schenkungsspezifischen Freigebigkeitszweck.384 Der Anfechtung gem. § 134 InsO steht dies jedoch nicht entgegen, denn Eltern und Kind sind sich gleichwohl einig darüber, dass das Kind durch die Ausstattung von seinen Eltern einseitig bereichert wird.385 Etwas anderes gilt lediglich, wenn die Ausstattung als Ausgleich für eine langjährige, gesetzlich nicht geschuldete Mitarbeit im elterlichen Betrieb gewährt wird.386 Entgeltneutral und damit der Anfechtung entzogen ist wiederum der gesetzlich geschuldete Ausbildungsunterhalt i.S.d. § 1610 Abs. 2 BGB.387 cc) Nicht anders zu bewerten sind auch sonstige388 Leistungen zur Erfüllung sittlicher Pflichten i.S.d. §§ 534, 814 Alt. 2 BGB. Die moralisch empfundene 383 Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Ausstattung, vgl. LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782) [zu § 4 Abs. 1 AnfG]; Götz, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1624 Rn. 1; Hilbig-Lugani, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 1624 Rn. 1, 3; Kemper, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 1624 Rn. 1. 384 Enders, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 1624 Rn. 3; Jakob, AcP 207 (2007), S. 198 (200). 385 Ist die Ausstattung von geringem Wert, kann sie aber gem. § 134 Abs. 2 InsO anfechtungsfrei sein, vgl. Jakob, AcP 207 (2007), S. 198 (212); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 46; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 211; v. Sachsen Gessaphe, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 1624 Rn. 16. 386 BGH, Urt. v. 11.06.1965 – VI ZR 282/63, FamRZ 1965, 430 (431) [zu § 516 BGB]; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 22; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 147; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 37; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 33; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 211. 387 Vgl. Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 37; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 33 („entgeltlich“). 388 Ob der Ausstattung die Erfüllung einer sittlichen Pflicht zugrunde liegt, ist umstritten. Der Intention des Gesetzgebers lag diese Vorstellung zugrunde (Motive BGB, Bd. IV, S. 718, abgedruckt bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 4, S. 380). Teilweise wird § 1624 BGB daher im Anschluss an die Gesetzesbegründung als vertypter Fall einer sittlichen Verpflichtung eingeordnet (vgl. Döll, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 1624 Rn. 12; Schulze, Naturalobligation, S. 176). Sittliche Pflichten zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie sich nicht für alle Zeiten gültig bestimmen lassen, sondern dem gesellschaftlichen Wandel unterliegen (vgl. Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 19). Angesichts der Verpflichtung zum Ausbildungsunterhalt (§ 1610 S. 2 BGB) und der Abschaffung des Aussteuer [§ 1620 BGB i.d.F. v. 1.01.1900, abgeschafft durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.06.1957, BGBl. I, S. 609 (624)] ist eine sittliche Pflicht zur angemessenen Kindesausstattung in der heutigen Zeit höchst zweifelhaft; so auch LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782) [zu § 4 Abs. 1 AnfG]; Jakob, AcP 207 (2007), S. 198 (205) mwN zum Streitstand. Zunehmend wird daher der hinter der Ausstattung stehende Gedanke als bloße „sittliche Idee“ verstanden, vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl., § 56 Rn. 7 mwN zum Streitstand; Jakob, AcP 207 (2007), S. 198 (206). Für

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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Verpflichtung zur Zuwendung mag die altruistische Gesinnung des Schuldners entfallen lassen, da es ihm in erster Linie darauf ankommt, sich von der moralischen Belastung zu befreien. Eine Gegenleistung liegt darin jedoch nicht.389 Sofern die Entgeltlichkeit derartiger Leistungen teilweise aus dem Gedanken heraus gerechtfertigt wird, der Leistende empfinde die sittliche Pflicht als echte Rechtspflicht und die Gegenleistung liege darin, dass er von der moralisch empfundenen Verbindlichkeit befreit werde,390 so geht dies schon deshalb fehl, weil es auch bei der Erfüllung einer echten Rechtspflicht nicht auf das Freiwerden von der Verbindlichkeit, sondern auf die Vereinbarung einer Gegenleistung ankommt.391 Genau an einer solchen vereinbarten Gegenleistung fehlt es jedoch. Darin liegt auch der Unterschied zwischen der Leistung auf eine sittliche Verpflichtung und der Leistung zur Erfüllung einer Naturalobligation: Zwar erfolgt die Leistung in beiden Fällen freiwillig392 und auch der auf die Naturalobligation Leistende wird sich aus moralischen Gründen zur Erfüllung entschieden haben.393 Die Entgeltlichkeit der Leistung auf eine Naturalobligation folgt jedoch nicht aus dem Freiwerden von dieser sittlich empfundenen Belastung, sondern kann nur durch ein entgeltliches Grundgeschäft begründet

§ 134 InsO ist diese Frage irrelevant, weil auch die sittliche Verpflichtung an der Anfechtbarkeit der Zuwendung nichts ändern würde und die Ausstattung somit auch dann unentgeltlich i.S.d. § 134 InsO wäre, wenn die Eltern zu ihr sittlich verpflichtet wären. A.A. [Ausschluss der Anfechtbarkeit der Ausstattung wegen sittlicher Verpflichtung der Eltern]: Döll, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 1624 Rn. 12; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl., § 56 Rn. 7. 389 I.E. ebenfalls für Unentgeltlichkeit RG, Urt. v. 30.09.1929 – IV 800/28, RGZ 125, 380 (383 f.) [zu § 516 BGB]; RG, Urt. v. 03.03.1928 – V 320/27, RGZ 120, 253 (255); OLG Dresden, Urt. v. 14.12.1908 – 10 235/08, LZ 1910, Sp. 243 (244); W. Beck, Unentgeltlichkeit, S. 78 f.; Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 50; Enneccerus/Lehmann, Lehrbuch, Bd. 2, 15. Aufl., § 120, S. 489 [zu § 516 BGB]; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 62; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b; Migsch, AcP 173 (1973), S. 46 (51); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22. A.A. BFH, Urt. v. 31.05.1983 – VII R 7/81, BFHE 138, 416 (420); RG, Urt. v. 21.04.1917 – V 384/16, JW 1917, 710 (711); RG, Urt. v. 03.05.1913 – VI 51/13, JW 1913, 855; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 47; Prag, Sittliche Pflichten, S. 31 f. 390 BFH, Urt. v. 31.05.1983 – VII R 7/81, BFHE 138, 416 (420); Jaeger, LZ 1910, Sp. 244 (245); Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 47. Vgl. auch Krawielicki, Grundlagen, S. 238. 391 Siehe oben S. 247 ff. 392 Zur Freiwilligkeit der Leistung auf eine sittliche Pflicht vgl. oben S. 188: Die Freiwilligkeit wird nur durch einen rechtlichen, nicht durch einen moralischen Zwang aufgehoben. 393 Auf Erfüllungsebene lassen sich sittliche Pflichten und Naturalobligationen nicht unterscheiden (so auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 70; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 45 f.) – allerdings kommt es für die Bestimmung des Entgeltcharakters nicht auf die Erfüllungsebene, sondern auf das Grundgeschäft an.

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

werden, das eine echte Gegenleistung des anderen Teils vorsieht.394 Ein solches entgeltliches Grundgeschäft gibt es bei der Leistung auf eine sittliche Verpflichtung in aller Regel nicht. Leistungen zur Erfüllung einer sittlichen Pflicht, denen keine Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht, sind daher gem. § 134 InsO anfechtbar.395 Weisen sie allerdings einen geringen Wert auf, sind sie als gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk gem. § 134 Abs. 2 InsO von der Anfechtung ausgenommen.396 dd) ‚Persönlich’ motiviert sind auch Zuwendungen einer Stiftung an ihren Destinatär. Die Stiftung kommt mit der Begünstigung des Destinatärs ihrem wesenseigenen Stiftungszweck nach. Sie handelt daher nicht freigebig, sondern zur Verwirklichung ihrer eigenen Daseinsberechtigung. Ob die Leistung an den Destinatär entgeltlich oder unentgeltlich ist, richtet sich danach, ob die Zuwendung von einem konkreten Zugeständnis des Destinatärs abhängt, das dieser dem Interesse der Stiftung widmet, oder ob die Stiftung lediglich – wie regelmäßig der Fall – die im eigenen Interesse vorgenommene Tätigkeit des Destinatärs fördert. Steht der Zuwendung keine konkrete Gegenleistung des Destinatärs gegenüber, ist sie als unentgeltliche Leistung anfechtbar.397 394 Der Verweis auf die Entgeltlichkeit der Erfüllung von Naturalobligationen zur Herleitung der Entgeltlichkeit von Leistungen zur Erfüllung einer sittlichen Pflicht greift daher nicht; so aber Jaeger, LZ 1910, Sp. 244 (245). 395 OLG Dresden, Urt. v. 14.12.1908 – 10 235/08, LZ 1910, Sp. 243 (244); LG Tübingen, Urt. v. 24.05.2005 – 1 O 2/05, ZInsO 2005, 781 (782 f.) (zu § 4 Abs. 1 AnfG); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 50; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 211. A.A. BFH, Urt. v. 31.05.1983 – VII R 7/81, BFHE 138, 416 (420); R. Schmidt, Befolgung sittlicher Pflichten, in: Reichsgerichtspraxis, Bd. 2, S. 25 (38). Widersprüchlich Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 in Rn. 14 (Anfechtbarkeit entfällt, wenn der Schuldner zur Erfüllung einer Anstandspflicht leisten wollte) und in Rn. 62 (Freistellung von der Anfechtbarkeit wegen Erfüllung einer sittlichen Pflicht oder einer Anstandspflicht setze stets voraus, dass der Umfang der Zuwendung gering sei i.S.d. § 134 Abs. 2 InsO). 396 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 32; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 62; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 46. Anders Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 161: Nur Anstandsschenkungen fallen unter § 134 Abs. 2 InsO, nicht aber Schenkungen auf eine sittliche Pflicht; ebenso Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 77 a.E. 397 Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 116; Fritsche, in: Werner/Saenger (Hrsg.), Die Stiftung, Rn. 822; Hirte, in: FS Werner, S. 222 (231); Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 90; Poelzig, JZ 2012, S. 425 (433); Roth/Knof, KTS 2009, S. 163 (194); Weitemeyer, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 85 Rn. 33. Für analoge Anwendung des § 134 InsO Jakob, ZSt 2005, S. 99 (105 f.). Teilweise werden Stiftungsleistungen sogar als Schenkung qualifiziert, vgl. Hof, in: Richter/Campenhausen/Seifart, StiftungsR-Hdb., 4. Aufl., § 7 Rn. 168; Muscheler, NJW 2010, S. 341 (342 ff.); ders., WM 2003, S. 2213 (2216, 2221); ders., AcP 203 (2003), S. 469 (479); Werner, in: Erman, BGB, Bd. 1, 14. Aufl., § 85 Rn. 6. Dagegen aber BGH, Urt. v. 07.10.2009 – Xa ZR 8/08, NJW 2010, 234 (235 f.) in Rn. 12 ff.; Backert, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 85 Rdn. 6;

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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b) Wegfall der Freigebigkeit aus wirtschaftlichen Gründen Schwieriger ist die Situation zu beurteilen, wenn die altruistische Gesinnung aufgrund eines wirtschaftlichen Eigeninteresses des Schuldners entfällt. Die Leistung des Schuldners ist in diesen Fällen auf das Erlangen eines mittelbaren wirtschaftlichen Vorteils gerichtet, der jedoch nicht auf eine Gegenleistung des Empfängers zurückzuführen ist (sog. externer wirtschaftlicher Vorteil). Sagt etwa ein Unternehmer einer Sportmannschaft eine Prämie i.H.v. 10.000 Euro unter der Bedingung zu, dass sie die Meisterschaft gewinnt und daraufhin positiv in den Medien über sein Unternehmen berichtet wird, so werden seine wirtschaftlichen Interessen durch die Zuwendung durchaus gefördert.398 Vermietet ein Apotheker die über seiner Apotheke liegenden Räume unentgeltlich an einen selbstständigen Arzt und erhebt dabei zur Geschäftsgrundlage, im folgenden Jahr 15% mehr Umsatz in der Apotheke zu machen, so kann ihm diese Entscheidung wirtschaftlich nutzen. Der Schuldner hat in diesen Fällen den endgültigen Bestand seiner Zuwendung von dem Eintritt des wirtschaftlichen Vorteils rechtlich abhängig gemacht. Entgeltlich wird seine Zuwendung dadurch nicht, weil der Vorteilserwerb nicht auf ein dem Schuldner gewidmetes Tätigwerden des Begünstigten zurückzuführen ist. Da sich der Schuldner aber gegen den kompensationslosen Verlust seiner Zuwendung abgesichert hat, kann man sich die Frage stellen, ob der mit der Leistung wirksam verknüpfte, mittelbare Vorteil die fehlende Gegenleistung ersetzen kann. aa) Das Schenkungsrecht scheint diese Frage zu bejahen. Wurde der externe wirtschaftliche Vorteil als Bedingung oder Geschäftsgrundlage der Schuldnerzuwendung in die Rechtsgrundabrede internalisiert, soll der Schenkungscharakter entfallen, da die Abrede nun von dem gegenseitigen Streben nach eigenen Vorteilen geprägt ist.399 Ein Zuwendender, der eigene wirtschaftliche Vorteile davonträgt, bedarf nicht des besonderen Schutzes der schenkungsrechtlichen Vorschriften. Die insolvenzrechtliche Rechtsprechung hat sich bislang noch nicht abschließend zur Bedeutung externer wirtschaftlicher Vorteile positioniert. Fest steht, dass einseitige Vorstellungen des Schuldners über mögliche wirtschaftliche Vorteile, die in keiner rechtlichen Abhängigkeit zu seiner Leistung stehen, die Entgeltlichkeit der Zuwendung nicht begründen können.400 Welche Auswirkungen aber externe wirtschaftliche Vorteile haben, die mit der Schuldnerleistung rechtlich wirksam verknüpft sind, bleibt offen. Hirte, in: FS Werner, S. 222 (231); Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 85 Rn. 39; Jakob, Schutz der Stiftung, S. 180 ff.; Poelzig, JZ 2012, S. 425 (427); Roth/Knof, KTS 2009, S. 163 (194); Weitemeyer, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 85 Rn. 33. 398 Zur fehlenden Gegenleistungstauglichkeit in diesem Beispiel siehe oben S. 302 f. 399 So jedenfalls Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 62 ff. 400 So BGH, Urt. v. 13.03.2008 – IX ZR 117/07, NZI 2008, 369 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379 (1381); BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (104); OLG Jena, Urt. v. 12.01.2010 – 5 U 404/09, BeckRS 2011,

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Kapitel 2: Die Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO

bb) Die besseren Gründe sprechen dafür, die Anwendung des § 134 InsO auch dann nicht auszuschließen, wenn die Schuldnerzuwendung wirksam mit einem externen wirtschaftlichen Vorteils verknüpft war. Zwar hat sich der Schuldner in diesem Fall gegen den kompensationslosen Verlust der Zuwendung abgesichert: Bleibt der Erwerb des externen wirtschaftlichen Vorteils aus, kann er seine Zuwendung zumindest gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB zurückfordern. Das Schuldnerfehlverhalten mag durch diese Entscheidung abgeschwächt werden, doch entfallen ist es dadurch nicht. Der externe wirtschaftliche Vorteil ist lediglich ein Substitut, das den wirtschaftlichen Nachteil der unentgeltlichen Zuwendung mildert. Er ändert aber nichts daran, dass ein wirtschaftlich denkender Schuldner gleichwohl vom Begünstigten eine Gegenleistung gefordert hätte: So kann dem Schuldner im Apotheken-Beispiel durchaus zum Vorwurf gemacht werden, vollständig auf den zu erwartenden – und sicher erwirtschafteten! – Mietpreis verzichtet zu haben. Sein wirtschaftliches Interesse daran, durch die Arztpraxis mehr Kunden zu bekommen, hätte er bei der Höhe des Mietpreises berücksichtigen können.401 Den vollständigen Verzicht auf jede Gegenleistung rechtfertigt der Erwerb des externen wirtschaftlichen Vorteils jedoch nicht. In der Zuwendung verwirklicht sich somit trotz der Verknüpfung mit einem externen wirtschaftlichen Vorteil ein Schuldnerfehlverhalten. Es besteht daher kein Grund, die Unentgeltlichkeitsanfechtung teleologisch zu reduzieren und den Begünstigten von der Anfechtung freizustellen. Der Anfechtungsgegner ist nicht schutzwürdig, denn aus seiner Sicht ist die unentgeltliche Zuwendung eine reine Belohnung.402 Hat die Schuldnerzuwendung zu einer Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 InsO geführt, gibt es daher keinen Anlass, den Gläubigern den Zugriff auf diese einseitige Bereicherung des Zuwendungsempfängers zu versagen.

06872; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 21, 32; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 23; R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (319); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 19; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 169 f.; Thole, Gläubigerschutz, S. 450; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13. A.A. [jedes wirtschaftliche Interesse schließt die Unentgeltlichkeit aus] Frankfurt, 23.10.1992 – 24 U 164/91, OLGR Frankfurt 1993, 61 (63); LG Wiesbaden, Urt. v. 09.04.1990 – 1 S 484/89, ZIP 1990, 596 (597); LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192); OLG Maier, VuR 2007, S. 347 (349). 401 Zur Berücksichtigung externer wirtschaftlicher Vorteile innerhalb des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung vgl. S. 359 ff. 402 In diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 14 (zur Tilgung einer fremden Schuld). Vgl. auch BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1283) in Rn. 14: „Das eigene wirtschaftliche Interesse des Schuldners an der Zuwendung für den Dritten kann deshalb allenfalls ein Indiz für die Entgeltlichkeit sein.“

III. Bedeutung der Freigebigkeit der Zuwendung

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3. Ergebnis Für die Anfechtung gem. § 134 InsO spielt es keine Rolle, ob die Zuwendung von einer altruistischen Gesinnung getragen war oder der Schuldner mit ihr eigennützige Zwecke verfolgte. Fehlt es an einer Gegenleistung, schadet es nicht, wenn sich der Schuldner aus persönlichen Gründen zu der Zuwendung sittlich verpflichtet fühlte oder mit ihr besondere persönliche Zwecke verfolgte. Ebenso wenig steht es der Anfechtung entgegen, wenn der Schuldner den Bestand seiner Zuwendung mit externen wirtschaftlichen Vorteilen verknüpft hat und die Zuwendung damit seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen diente. Die persönlichen und wirtschaftlichen Motive des Schuldners können bei der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung berücksichtigt werden. Eine vollständig fehlende Gegenleistung können sie jedoch nicht ersetzen.

Kapitel 3 K a p ite l 3 :

Überblick über die Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen der Unentgeltlichkeitsanfechtung

Teil C: Überblick über Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

§ 134 InsO enthält zwei zentrale Tatbestandsmerkmale: Zum einen das Merkmal der Leistung, das nicht nur die anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO bezeichnet, sondern auch das Erfordernis einer materiellen Zuwendung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner festlegt. Zum anderen das Merkmal der Unentgeltlichkeit, das die Unabhängigkeit der materiellen Zuwendung von einer Gegenleistung des Begünstigten beschreibt. I. Leistung des Schuldners I. Leistung des Schuldners

1) Eine Anfechtung gem. § 134 InsO kommt nur in Betracht, wenn sich zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner eine materielle Zuwendung vollzieht. Der Schuldner muss sich in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht bewusst dazu entschieden haben, dem Empfänger einen materiellen Vermögensvorteil zu verschaffen. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, stellt sich für ihn überhaupt die Frage nach einem Entgelt und die Grundbedingungen für das anfechtungsbegründende Schuldnerfehlverhalten und die daran anknüpfende Prüfung der Unentgeltlichkeit liegen vor. Die materielle Zuwendung setzt zunächst voraus, dass der Schuldner dem Begünstigten oder einem Dritten nicht bereits zu der Zuwendung verpflichtet ist: Nur wenn es ihm freisteht, sich freiwillig für oder gegen die Zuwendung zu entscheiden, kommt für ihn die Vereinbarung einer Gegenleistung in Betracht. Die materielle Zuwendung muss zudem eine Bereicherung auf Empfängerseite auslösen: Nur wenn dem Empfänger ein vermögenswerter Vorteil verschafft wird, der der Befriedigung seiner eigenen Interessen dient und nicht umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße wieder aufgezehrt wird, kann von ihm eine Gegenleistung erwartet werden. An einer materiellen Zuwendung fehlt es daher, wenn der Begünstigte lediglich irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil erhält, der jedoch nicht die Qualität eines ausgleichsbedürftigen Vermögensvorteils erreicht. Ebenso kommt eine Anfechtung nicht in Betracht, wenn der Begünstigte lediglich als Durchgangsperson fungiert und den erhaltenen Vermögenswert an einen Dritten weiterleiten soll. Dasselbe gilt, wenn der erhaltene Vermögenswert umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße, wie etwa dem Verlust der Forderung infolge der Erfüllungswirkung des § 362 BGB, wieder aufgezehrt wird.

I. Leistung des Schuldners

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In subjektiver Hinsicht setzt die materielle Zuwendung voraus, dass der Schuldner die Begünstigung bewusst und gewollt veranlasst hat. Alle objektiven Merkmale der materiellen Zuwendung müssen von seinem subjektiven Willen begleitet werden. Geht er hingegen davon aus, der Leistungsempfänger erhalte keinen materiellen Vermögensvorteil, scheidet die Anfechtung diesem gegenüber aus. Als Anfechtungsgegner kommt somit nur derjenige in Betracht, den der Schuldner nach seinem Willen materiell begünstigen wollte. Die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite treten demgegenüber in den Hintergrund. Er muss lediglich erkennen können, überhaupt von irgendjemandem bewusst begünstigt worden zu sein. Sein Irrtum über die Qualität des empfangenen Vorteils oder über die Person des Zuwendenden stellt den Erfolg der Anfechtung hingegen nicht in Frage. Kein Wesensmerkmal der materiellen Zuwendung ist hingegen, dass sie von einer materiellen Causa begleitet wird, die sie wirtschaftlich erläutert. Zu den materiellen Zuwendungen zählen daher auch causalose Rechtsakte, die keines Rechtsgrundes bedürfen. Angefochten werden kann daher etwa die Dereliktion, sofern sie mit dem Willen erfolgt, einem anderen die Aneignung zu ermöglichen, das bewusste Verjährenlassen einer Forderung oder die Vornahme oder das Unterlassen von Prozesshandlungen mit dem Willen, dem Prozessgegner dadurch einen materiellen Vermögensvorteil zu verschaffen. 2) Die Anfechtung gem. § 134 InsO richtet sich nicht nur gegen die materielle Zuwendung in ihrer Gesamtheit, sondern gegen jede Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO, die einen unentgeltlichen materiellen Zuwendungserfolg verwirklicht oder fördert. Auch die Erfüllung oder Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit kann daher selbstständig gem. § 134 InsO angefochten werden, sofern sie der Abwicklung einer unentgeltlichen materiellen Zuwendungsbeziehung dient. Anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO ist in diesem Fall die Sicherungs- oder Erfüllungshandlung selbst: Sie muss gläubigerbenachteiligend wirken und der Vier-Jahres-Zeitraum des § 134 InsO berechnet sich ab dem Eintritt ihrer Wirkungen. Die Verpflichtungsbegründung hingegen kommt als Gegenstand der Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht in Betracht, weil sie niemals gläubigerbenachteiligend wirkt. Die selbstständige Anfechtbarkeit der Abwicklungsgeschäfte ändert nichts daran, dass allein die materielle Zuwendung, in deren Abwicklung die Hilfsgeschäfte eingebunden sind, den Bezugspunkt für die Prüfung der Unentgeltlichkeit bildet: Nicht die Erfüllung oder Sicherung ist ausgleichsbedürftig, sondern allein die materielle Zuwendung, deren Verwirklichung sie dient. Eine eigenständige Entgeltbewertung der Abwicklungsgeschäfte ist nicht möglich.

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Kapitel 3: Überblick über Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

II. Unentgeltlichkeit II. Unentgeltlichkeit

Der materiellen Zuwendung des Schuldners darf keine ausgleichende Gegenleistung des Empfängers gegenüberstehen. Berücksichtigt werden nur Gegenleistungen, die zwischen den Parteien kausalvertraglich vereinbart wurden. § 134 InsO liegt damit ein weites Verständnis der Unentgeltlichkeit zugrunde: Fehlt es an einer Kausalvereinbarung zwischen den Parteien oder ist diese unwirksam, ist die Zuwendung notwendig objektiv unentgeltlich. Die objektive Unentgeltlichkeit muss allerdings von den subjektiven Vorstellungen des Schuldners gedeckt sein. Nur wenn ihm die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung bewusst war, kommt eine Anfechtung gem. § 134 InsO in Betracht. Die Vorstellungen des Empfängers spielen demgegenüber keine Rolle. Besteht zwischen den Parteien eine Kausalvereinbarung, so richtet sich der Entgeltcharakter der Zuwendung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts. Eine taugliche Gegenleistung setzt ein selbstständiges Tätigwerden des Begünstigten voraus, das dieser den Interessen des Schuldners widmet und das für ihn ein echtes Zugeständnis darstellt. Es genügt nicht, wenn die Schuldnerzuwendung lediglich als Belohnung für den Eintritt eines Ereignisses gewährt wird, auf das der Begünstigte nicht hingewirkt hat. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Begünstigte ohnehin schon dem Schuldner oder einem Dritten zu dem Tätigwerden verpflichtet war oder es in erster Linie seinen eigenen Interessen dient. Auch die Vereinbarung einer Auflage i.S.d. § 525 BGB stellt die Unentgeltlichkeit nicht in Frage, weil sie der Schuldnerleistung nicht als selbstständiges Zugeständnis gegenübertritt. Nicht erforderlich ist, dass die Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners fließt. Auch die vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbrachte Gegenleistung kann die Unentgeltlichkeit ausschließen, solange der Begünstigte sie den Interessen des Schuldners widmet. Ebenso wenig ist notwendig, dass die Gegenleistung dem Schuldner einen wirtschaftlichen oder vermögenswerten Vorteil gewährt. Ausgeschlossen aus dem Kreis der entgelttauglichen Gegenleistungen sind lediglich Zugeständnisse aus dem persönlichen Bereich, die sich der Bewertung durch einen Dritten von vornherein entziehen. Hier greift die anfechtungsspezifische objektiv-normative Grenze der Entgelttauglichkeit. Leistung und Gegenleistung müssen in einer Weise miteinander verknüpft sein, dass der endgültige Bestand der Schuldnerleistung von dem Erbringen der Gegenleistung rechtlich abhängt. Die Verknüpfung kann dabei synallagmatisch, konditional und rechtlich kausal ausgestaltet sein. Wurden zwei Zuwendungen ohne Rücksicht aufeinander bereits erbracht, so können sie nicht nachträglich in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gesetzt werden. Anders ist dies, wenn die Parteien die Gegenleistung schon bei der Erstzuwendung als möglich ins Auge gefasst haben (sog. ‚offene Causa’): Wird diese Gegenleistung im Nachhinein vom Begünstigten freiwillig erbracht, so tritt sie mit der Erstleistung in ein entgeltliches Austauschverhältnis und die ursprüngliche

III. Rechtsfolgen der Anfechtung gem. § 134 InsO

387

unentgeltliche Zuwendung wird entgeltlich. Die nachträgliche Vergütung von Diensten ist daher entgeltlich, wenn die Parteien eine – ggf. zusätzliche – Entlohnung von vornherein für möglich hielten. Leistung und Gegenleistung müssen sich als gleichwertige Zugeständnisse gegenübertreten. Wie im Schenkungsrecht gilt auch im Rahmen des § 134 InsO der Maßstab der subjektiven Äquivalenz: Entscheidend ist, ob die Parteien die beiden Leistungen als gleichwertig ansahen. Das objektive Werteverhältnis ist hingegen nicht ausschlaggebend. Allerdings genügt es für § 134 InsO in Abweichung zum Schenkungsrecht, dass sich nur der Schuldner über die Unausgeglichenheit bewusst war. Eine Anfechtung als teilweise unentgeltliche Leistung ist daher auch dann möglich, wenn sich der Begünstigte über den Wert der Leistungen irrte. Unterlag hingegen auch der Schuldner einem Irrtum über das Wertverhältnis der ausgetauschten Leistungen, scheidet die Anfechtung auch dann aus, wenn sich die Gegenleistung bei objektiver Betrachtungsweise als vollkommen wertlos erweist. Liegt eine teilweise unentgeltliche Leistung vor, so kann der Insolvenzverwalter nur Wertersatz fordern, wenn die Schuldnerzuwendung unteilbar war. Dem Anfechtungsgegner steht es jedoch offen, anstelle des Wertersatzes die gesamte Zuwendung zurück zu gewähren und im Gegenzug seine Gegenleistung zurück zu erhalten. Nur wenn der unentgeltliche Charakter der Zuwendung eindeutig überwiegt, kann der Insolvenzverwalter auch gegen den Willen des Schuldners den Zuwendungsgegenstand insgesamt herausverlangen. Für § 134 InsO spielt es keine Rolle, ob die Zuwendung von einer altruistischen Gesinnung getragen war oder der Schuldner mit ihr eigennützige Zwecke verfolgte. Fehlt es an einer tauglichen Gegenleistung, schadet es daher nicht, wenn der Schuldner mit der Zuwendung einer sittlichen Pflicht nachkommt oder es sich um eine unbenannte Zuwendung zwischen Ehegatten handelt. Ebenso wenig steht es der Anfechtung entgegen, dass der Schuldner den Bestand seiner Zuwendung mit externen wirtschaftlichen Vorteilen verknüpft hat und die Zuwendung damit seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen diente: Die wirtschaftlichen Interessen des Schuldners können eine vollständig fehlende Gegenleistung des Begünstigten nicht ersetzen. III. Die Rechtsfolgen der Anfechtung gem. § 134 InsO III. Rechtsfolgen der Anfechtung gem. § 134 InsO

Liegen die Voraussetzungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung vor, können die Gläubiger außerhalb der Insolvenz gem. § 11 AnfG in den anfechtbar weggegebenen Gegenstand vollstrecken und der Insolvenzverwalter kann ihn innerhalb der Insolvenz gem. § 143 Abs. 1 S. 1 InsO zur Masse fordern. § 143 Abs. 2 InsO sieht allerdings ein Privileg für den gutgläubigen Empfänger einer unentgeltlichen Leistung vor: Er haftet wie ein gewöhnlicher Bereicherungsschuldner nur mit der noch vorhandenen Bereicherung, § 143 Abs. 2 S. 1 InsO.

388

Kapitel 3: Überblick über Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

Gewährt der Anfechtungsgegner gem. § 143 InsO eine Leistung zurück, die er vom Schuldner als Erfüllungsleistung erhalten hat, so lebt seine Forderung gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder auf und kann – nachrangig, § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO – zur Tabelle angemeldet werden. Dies gilt auch, wenn die Forderung innerhalb der Vier-Jahres-Frist begründet wurde: Zwar zählt die Verpflichtungsbegründung zu den anfechtbaren Rechtshandlungen i.S.d. § 134 InsO, doch wirkt sie nicht gläubigerbenachteiligend.1 Ist genug Masse vorhanden, um auch die nachrangigen Gläubiger des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO teilweise zu befriedigen, sind allerdings die Forderungen der Gläubiger, die den Anspruch auf die unentgeltliche Leistung außerhalb der Vier-Jahres-Frist erworben haben, vor den Forderungen der übrigen Gläubigern zu erfüllen.2 Schwierig gestalten sich die Rechtsfolgen bei einer unentgeltlichen Zuwendung im Wege der Handschenkung gem. § 516 Abs. 1 BGB. Die Handschenkung ist ein reiner Rechtsgrund, der keine Schenkungsforderung entstehen lässt.3 Wird sie angefochten, gibt es keinen Anspruch, der gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder aufleben und den der Beschenkte zur Tabelle anmelden könnte. Ähnliche Probleme bereitet die Leistung auf eine wegen Formverstoßes unwirksame Forderung, deren Formmangel durch das Bewirken der versprochenen Leistung geheilt wird, vgl. § 518 Abs. 2 BGB: Auch bei ihr stellt sich die Frage, ob das Aufleben der Forderung auch dann gerechtfertigt ist, wenn im Zeitpunkt der Leistung keine (wirksame) Forderung bestand.4 Die Formvorschriften sollen den Zuwendenden vor übereilten Entscheidungen bewahren. Mit dem Bewirken der Leistung wird dem Zuwendenden die Reichweite seiner Entscheidung jedoch bewusst, der Formmangel wird geheilt. Diese Heilung wird durch die Anfechtung nicht wieder in Frage gestellt. Mit dem Bewirken der Leistung wurde der Schutzzweck der Formvorschrift endgültig erfüllt. Der Gläubiger kann daher seine vor Bewirken der Leistung aufgrund des Formmangels unwirksame Forderung gem. § 144 Abs. 1 InsO zur Tabelle anmelden, wenn die Leistung gem. § 143 InsO angefochten wurde.5 Nichts anderes darf für den Begünstigten einer Handschenkung gelten: Seine Rechtsposition darf nicht davon abhängen, ob zunächst ein (formnichtiges) Schenkungsversprechen abgegeben wurde, das dann zeitnah erfüllt wurde, 1

Siehe oben S. 237 f. Haben Gläubiger A und B ihre Schenkungsforderungen außerhalb der Vier-Jahres-Frist erworben, so sind sie zunächst voll aus der Masse zu befriedigen, bevor Schenkungsgläubiger C, der innerhalb der letzten vier Jahre vor Antragsstellung seine Forderung erworben hat, befriedigt wird. Vgl. zu diesem Gedanken auch bereits oben S. 238 mit Fn. 295. 3 Dazu oben S. 35 mit Fn. 88. 4 Zu dem ähnlich gelagerten Problem bei der Anfechtung einer bewusst rechtsgrundlosen Leistung (§ 814 Alt. 1 BGB) vgl. unten S. 426 mit Fn. 152. 5 Anders wohl Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 144 Rn. 3c: Nur „Ansprüche auf die Erfüllung von Schenkungsversprechen – sofern sie nur wirksam begründet wurden (§ 518 BGB)“ leben wieder auf. 2

III. Rechtsfolgen der Anfechtung gem. § 134 InsO

389

oder ob die Schenkung ohne Begründung einer Forderung unmittelbar vollzogen wurde. Wird die Handschenkung angefochten, so ist dem Beschenkten als Ausgleich für die Rückgewähr des Schenkungsgegenstands eine Schenkungsforderung zuzusprechen, um ihm die Möglichkeit einer (nachrangigen) Befriedigung zu gewähren. Die Grundlage für diese Rechtsposition – eine wirksame Rechtsgrundabrede zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner – besteht. Dementsprechend kann auch der Empfänger einer Handschenkung eine Schenkungsforderung gem. § 144 Abs. 1 InsO nachrangig zur Tabelle anmelden.

Teil C T e il C:

Anwendung auf aktuelle Problemkonstellationen

Im letzten Teil der Arbeit soll das entwickelte Modell seine Überzeugungskraft an zwei aktuell viel diskutierten Fallgruppen beweisen: Der (bewusst) rechtsgrundlosen Leistung des Schuldners und der Leistung zur Tilgung und Sicherung einer fremden Schuld.1 Im ersten Teil der Arbeit ist bereits deutlich geworden, dass die verschiedenen Ansätze zur Auslegung des § 134 InsO in diesen Fallkonstellationen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Bei der Prüfung der Anfechtbarkeit irrtümlich und bewusst rechtsgrundloser Leistungen stehen in erster Linie die Anforderungen an die Unentgeltlichkeit im Fokus, während bei den Leistungen zur Tilgung und Sicherung fremder Schulden die Bedeutung des Leistungsbegriffs in den Vordergrund rückt. Aus diesem Grund erscheinen diese beiden Fallkonstellationen bestens geeignet, um die Tauglichkeit des entwickelten Modells zur Lösung komplexer Probleme im Zusammenhang mit § 134 InsO auf den Prüfstand zu stellen.

1

Vgl. zu diesen Fallgruppen bereits oben S. 1 ff. Auch Thole, KTS 2011, S. 219 ff. greift diese Fallgruppen als aktuelle Problemstellungen der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gem. § 134 InsO heraus.

Kapitel 1 K a p ite l 1 :

Die Anfechtbarkeit rechtsgrundloser Leistungen des Schuldners gem. § 134 InsO

Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

Die Anfechtbarkeit rechtsgrundloser Leistungen ist in den letzten Jahren durch die Insolvenz der Phoenix Kapitaldienst GmbH in den Fokus gerückt. Ihr betrügerisches Anlagesystem mit fast 30.000 geschädigten Anlegern und über 500 Mio. Euro Anlagekapital ging als einer der größten Fälle von Kapitalanlagebetrug in die Geschichte ein.1 Phoenix bot ihren Kunden die Möglichkeit, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie stellte jährliche Renditen in Höhe von 8,7 % bis 14,07 % in Aussicht. Tatsächlich erwirtschaftete die Gesellschaft jahrelang erhebliche Verluste. Um dies zu verschleiern, wurden den Anlegern Kontoauszüge zugeleitet, auf denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zum Teil, später gar nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete Phoenix im Sinne eines ‚Schneeballsystems’ für Ausund Rückzahlungen an Altkunden. Nach dem Tod ihres Gründers brach das verdeckte Schneeballsystem der Phoenix zusammen. Der Insolvenzverwalter versuchte daraufhin, die ausbezahlten Scheingewinne im Wege der Anfechtung zur Masse zu ziehen, um die übrigen Geschädigten nicht vollkommen leer ausgehen zu lassen. Seitdem beschäftigt die Frage nach der Anfechtbarkeit der bewusst rechtsgrundlos gewährten Scheingewinne die Rechtsprechung2 und 1

Dahl/Thomas, GWR 2011, 317243; Römermann, NZG 2009, S. 1261; Tetzlaff, ZInsO 2009, S. 369. 2 BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 ff.; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 221/07, BeckRS 2009, 10598; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 198/07, BeckRS 2009, 10967; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 197/07, BeckRS 2009, 10597; BGH, Urt. v. 25.06.2009 – IX ZR 157/08, BeckRS 2009, 19758; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 ff.; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 160/09, NZI 2010, 565 ff.; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJW-RR 2010, 1637 ff.; BGH, Urt. v. 09.12.2010 − IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 ff.; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 ff.; BGH, Urt. v. 10.02.2011 – IX ZR 18/10, NZI 2011, 324 ff.; BGH, Urt. v. 22.09.2011 – IX ZR 209/10, NZI 2011, 976 ff.; BGH, Urt. v. 29.03.2012 – IX ZR 207/10, NJW-RR 2012, 2195 ff.; BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NZI 2013, 841 ff. Dies sind lediglich die (höchstrichterlichen) Urteile, die sich mit Anfechtungsansprüchen des Verwalters auseinandersetzen. Darüber hinaus wirft der Zusammenbruch von Phoenix noch zahlreiche weitere Rechtsfragen auf, die die Gerichte intensiv beschäftigt haben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei hier beispielhaft hingewiesen auf: Die Urteile im Zusammenhang mit

Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

393

Literatur.3 Viele aktuelle Urteile haben dabei spezielle, aus der Anlagestruktur der Phoenix und der Verflechtung der zahlreichen Rechtsbeziehungen resultierende Problemkonstellationen zum Gegenstand, die hier keiner vertieften Erörterung bedürfen.4 Der Phoenix-Fall ist aber vor allem deshalb von Interesse, weil Teile der Literatur aus den Urteilen des BGH die Schlussfolgerung ziehen,

Entschädigungsansprüchen der Phoenix-Anleger nach dem EAEG: BGH, Urt. v. 23.11.2010 − XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 ff.; BGH, Urt. v. 20.09.2011 – XI ZR 434/10, ZIP 2011, 2187 ff; BGH, Urt. v. 20.09.2011 – XI ZR 436/10, GWR 2012, 17; BGH, Urt. v. 20.09.2011 – XI ZR 435/10, GWR 2012, 17; BGH, Urt. v. 25.10.2011 − XI ZR 67/11, NJWRR 2012, 41 ff.; BGH, Urt. v. 20.03.2012 – XI ZR 377/11, BeckRS 2012, 08664. Zum (nicht bestehenden) Aussonderungsrecht der Anleger an ihrem verbliebenen Restguthaben BGH, Urteil v. 10.02.2011 – IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317 ff. Zu Schadensersatzansprüchen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft siehe BGH, Urt. v. 07.05.2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 ff. Zur Haftung des Abschlussprüfers siehe BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – III ZR 307/07, NJW 2009, 512 ff. Zur Versagung der Bestätigung des vom Insolvenzverwalter der Phoenix vorgeschlagenen Insolvenzplans siehe BGH, Beschl. v. 05.02.2009 – IX ZB 230/07, NZI 2009, 230 ff. Zur strafrechtlichen Dimension siehe LG Frankfurt, Urt. v. 12.09.2006 – 5/26 KLs 7570 JS 210600/05 WI (dazu Basak, BB 2007, S. 897 ff.). Zu Schadensersatzansprüchen der Anleger gegen die Bank von Phoenix siehe BGH, Urt. v. 22.06.2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 ff. 3 Umfassend von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Köln 2010; Heim, Schenkungsanfechtung, Baden-Baden 2011. Weiterhin: Baumert, ZIP 2010, S. 212 ff.; ders., NZI 2011, S. 967 ff.; ders./Schmitt, NZI 2012, S. 394 ff.; Bitter/Heim, ZIP 2010, S. 1569 ff.; dies., ZInsO 2011, S. 483 ff.; Dahl/Thomas, GWR 2011, 317243; Keller/Tetzlaff, ZInsO 2009, S. 2228 ff.; R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 ff.; Riesenkampff/Schuba, NJW 2010, S. 571 ff.; Römermann, NZG 2009, S. 1261 ff.; Thole, KTS 2011, S. 219 (233 ff.). 4 Viele Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit Auszahlungen auf die Einlage, die ohne Zweifel als entgeltlich zu qualifizieren sind [vgl. BGH, Urt. v. 29.03.2012 – IX ZR 207/10, NJW-RR 2012, 2195 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 10.02.2011 – IX ZR 18/10, NZI 2011, 324 (325) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 09.12.2010 − IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJW-RR 2010, 1637 (1638) in Rn. 9 ff.] und damit der Unentgeltlichkeitsanfechtung entzogen sind: Zum Problem der Höhe des Einlagenrückzahlungsanspruchs der Anleger vgl. BGH, Urt. v. 10.04.2014 – IX ZR 176/13, NZI 2014, 608 ff; BGH, Urt. v. 10.02.2011 – IX ZR 18/10, NZI 2011, 324 (325) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 09.12.2010 – IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 (1733) in Rn. 13 und die Kritik von Baumert, NZI 2011, S. 967 (968 f.); ders./Schmitt, NZI 2012, S. 394 (401); Bitter/Heim, ZInsO 2011, S. 483 (485); von Wilmowsky, Schneeballsysteme, S. 44 ff. Zur Frage der Abgrenzung von Zahlungen „auf Scheingewinne“ und „auf die Einlage“ (= Auslegung der Leistungszweckbestimmung) vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2011 – IX ZR 18/10, NZI 2011, 324 (325) in Rn. 10 ff. sowie die Kritik von Baumert/Schmitt, NZI 2012, S. 394 (400); Bitter/Heim, ZIP 2010, S. 1569 (1572); Riesenkampff/Schuba, NJW 2010, S. 571 (575); von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 30 ff., Rn. 57 f. Zur Bedeutung der Umbuchung von Scheingewinnen vgl. BGH, Urt. v. 29.03.2012 – IX ZR 207/10, NJW 2012, 2195 ff.; Piekenbrock/Brüseke, LMK 2012, 210826. Zur Anfechtbarkeit von Folgeprovisionen für Handelsvertreter siehe BGH, Urt. v. 22.09.2011 – IX ZR 209/10, NZI 2011, 976 (977) in Rn. 13 ff.; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 11 ff.

394

Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

die Rechtsprechung habe nunmehr die generelle Gleichstellung von rechtsgrundlosen und unentgeltlichen Leistungen im Anfechtungsrecht vollzogen.5 Die Phoenix-Urteile bieten somit Anlass, dem Verhältnis von rechtsgrundlosen und unentgeltlichen Leistungen im Anwendungsbereich des § 134 InsO nachzugehen. Das entwickelte Modell muss eine Antwort darauf geben, ob alle rechtsgrundlosen Leistungen den unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 InsO gleichzustellen sind oder ob eine Differenzierung geboten ist. Ausgangspunkt sollen dabei die irrtümlich rechtsgrundlosen Leistungen des Schuldners sein, wie sie das Bereicherungsrecht klassischerweise vor Augen hat (I.). Anschließend wird der Sonderfall der bewusst rechtsgrundlosen Leistung des Schuldners untersucht, der im Phoenix-Fall bei der Auszahlung der Scheingewinne relevant wurde (II.). I. Die Beurteilung irrtümlich rechtsgrundloser Schuldnerleistungen I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

Im Regelfall erbringt der Schuldner eine rechtsgrundlose Leistung in der irrtümlichen Vorstellung, die Leistung werde durch einen wirksamen Rechtsgrund gerechtfertigt. In diesem Fall kann er das Geleistete gem. § 812 BGB vom Empfänger zurückfordern. Seine Gläubiger können diesen Rückforderungsanspruch außerhalb der Insolvenz pfänden, nach Insolvenzeröffnung kann ihn der Verwalter zugunsten aller Gläubiger verwirklichen. Auf die Anfechtung sind die Gläubiger daher regelmäßig nicht angewiesen. Über den Bereicherungsanspruch können sie die rechtsgrundlose Leistung zurückfordern. Gleichwohl gibt es Fallgestaltungen, in denen die Anfechtbarkeit irrtümlich rechtsgrundloser Leistungen neben dem Bereicherungsanspruch eigenständige Bedeutung besitzt.6 So beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des Rückgewähranspruchs aus § 134 InsO, der alle unentgeltlichen Leistungen der letzten vier Jahre vor Antragsstellung erfasst, erst mit Ende des Jahres, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Verwalter Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Anspruchsentstehung hatte, §§ 146 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 195, 199 BGB. Die rechtsgrundlose Leistung kann somit gem. § 134 InsO über sieben Jahre nach ihrer Vornahme einredefrei zurückgefordert werden, während der Bereicherungsanspruch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nicht mehr durchsetzbar ist. Die neue Anspruchsqualität des Anfechtungsanspruchs wird auch dann relevant, wenn dem Bereicherungsanspruch aufrechenbare Gegenforderungen

5 Bartels, Insolvenzanfechtung, S. 309; Baumert, NZI 2010, S. 946 (947); ders., NZI 2011, S. 967 f.; ders./Schmitt, NZI 2012, S. 394 (400); Bitter/Heim, ZIP 2010, S. 1569 (1571 mit Fn. 21); dies., ZInsO 2011, S. 483 (484); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 121; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 99, 155; Römermann, NZG 2009, S. 1261 (1262). 6 Vgl. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 149.

I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

395

gegenüberstehen: Anders als der Bereicherungsanspruch ist der Anfechtungsanspruch nicht in das Rechtsverhältnis zwischen Anfechtungsgegner und Schuldner eingegliedert. Während der Bereicherungsschuldner den Bereicherungsanspruch auch nach Insolvenzeröffnung durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung zum Erlöschen bringen kann (vgl. § 94 InsO), ist ihm diese Möglichkeit gegenüber dem Anfechtungsanspruch verwehrt.7 Besondere Bedeutung entfaltet der Anfechtungsanspruch schließlich auch in der Insolvenz des Bereicherungsschuldners: Während der Bereicherungsanspruch lediglich als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden kann, gewährt der Anfechtungsanspruch ein Aussonderungsrecht an dem rechtsgrundlos geleisteten Gegenstand, wenn dieser noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist.8 Die praktische Relevanz der Anfechtung irrtümlich rechtsgrundloser Leistung ist angesichts des parallel bestehenden Bereicherungsanspruchs somit zwar begrenzt, aber nicht vollständig von der Hand zu weisen.9 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Das Verhältnis der irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung zur Anfechtung gem. § 134 InsO wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. a) Ein Teil der Literatur vertritt den Standpunkt, rechtsgrundlose und unentgeltliche Leistungen i.S.d. § 134 InsO könnten nicht generell gleichgestellt

7

Die herrschende Meinung führt das Scheitern der Aufrechnung mit dem Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters auf § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurück, da der Anfechtungsanspruch erst als Folge der Insolvenzeröffnung und somit nach dieser entstehe, vgl. nur BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NZI 2013, 841 (844) in Rn. 30; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (105) [zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 KO]; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 143 Rn. 109. Dies setzt allerdings voraus, dass der Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters mit der Insolvenzeröffnung originär neu geschaffen wird. Dies ist insbesondere bei Tatbeständen der allgemeinen Insolvenzanfechtung fraglich, bei denen man auch vertreten kann, dass sie bereits mit der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung entstehen und mit Insolvenzeröffnung lediglich auf den Verwalter übergehen (so Henckel, in: Jaeger, InsO, § 143 Rn. 103; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 296 ff.). Doch auch wenn man diese Ansicht vertritt, scheitert die Möglichkeit der Aufrechnung mit dem Anfechtungsanspruch jedenfalls an der Gegenseitigkeit der Forderungen (so von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 234 ff.) oder am Sinn und Zweck der Aufrechnungsverbote (so Henckel, in: Jaeger, InsO, § 143 Rn. 185). 8 Vgl. nur BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (358 ff.). 9 Ebenso Heim, Schenkungsanfechtung, S. 160 ff. Eine praktische Relevanz hingegen vollständig anzweifelnd, da Bereicherungs- und Anfechtungsrecht zu identischen Rechtsfolgen führen: Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 391; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 13; ders., ZIP 1990, S. 137 (138) [zur KO]; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 51; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 16.

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

werden.10 Irrtümliche Leistungen auf eine Nichtschuld sollen nicht in den Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung fallen.11 Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Schuldner das Bestehen einer entgeltlichen Verpflichtung für seine Leistung annahm.12 Der Insolvenzverwalter sei dann auf den bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB verwiesen.13 Nur wenn der Schuldner irrtümlich von einer Verpflichtung zu einer unentgeltlichen Leistung ausging, sei die Anfechtung in Betracht zu ziehen.14

10 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 390; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 12 f.; ders., ZIP 1990, S. 137 (138); Nerlich, in: Nerlich/ Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 34; C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (248); Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G42a; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 153 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 458; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 118 ff.; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 214; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 16, 22. Insoweit auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 48 („die rechtsgrundlose Leistung nicht allgemein der unentgeltlichen gleichzustellen“), die aber gleichwohl auch die unbewusst rechtsgrundlose Leistung für unentgeltlich halten. Widersprüchlich Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 in Rn. 19 einerseits [„rechtsgrundlose Leistung (…) anfechtbar] und in Rn. 64, 176 andererseits [„zutreffend ist (…), dass derjenige, der auf eine nicht bestehende, aber entgeltlich gewollte Schuld Leistungen erbringt, nicht deshalb unentgeltlich verfügt, weil die Schuld nicht besteht“; entgeltlich sei „die Bezahlung oder Besicherung einer Nichtschuld, wenn der Schuldner eine Zahlungsoder Besicherungsverpflichtung angenommen hat“]. Ebenfalls widersprüchlich Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 in Rn. 15a einerseits [„wird (…) vollständig ohne Rechtsgrund geleistet (…), liegt Unentgeltlichkeit vor, sodass eine Anfechtung nach § 134 möglich ist“] und in Rn. 22 andererseits [„demgegenüber ist die Erfüllung eines entgeltlich begründeten, unerkannt unwirksamen Vertrags durch den Schuldner nicht unentgeltlich“]. 11 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 445; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 12 f., 20; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 34; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G42a; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 214. 12 So Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Zeuner, in: Leonhardt/ Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 16; ders., Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 214, 220. In diese Richtung auch Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 46; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 11. Einschränkend Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 158, die Entgeltlichkeit in diesen Fällen nur annimmt, wenn die Gegenleistung tatsächlich erbracht wurde. 13 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 445; Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138); ders., in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 12 f.; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 51; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 214, 220; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 16, 22. 14 Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 11. In diese Richtung auch Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 46; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 160. Ebenso i.E. für § 816 Abs. 1 S. 2 BGB auch Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007,

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Dieses Ergebnis entspricht denjenigen Modellen, die die anfechtungsrechtliche Unentgeltlichkeit (auch) an subjektive Elemente knüpfen. Für die Vertreter des subjektiv-schuldnerbezogenen Anfechtungsmodells scheitert § 134 InsO daran, dass der irrtümlich rechtsgrundlos leistende Schuldner keine Kenntnis von der Unentgeltlichkeit hatte, wenn er davon ausging, auf ein wirksames entgeltliches Rechtsgeschäft zu leisten.15 Da es damit zugleich am übereinstimmenden Bewusstsein der Parteien über die Unentgeltlichkeit fehlt, muss auch die subjektive Sichtweise die Anwendung des § 134 InsO ablehnen. Gingen die Parteien aber davon aus, der Schuldner leiste auf ein unentgeltliches Kausalgeschäft, ist ihr übereinstimmendes Bewusstsein auf eine unentgeltliche Leistung gerichtet und § 134 InsO ist anwendbar.16 Für die rechtsgeschäftliche Sichtweise fehlt es bei der rechtsgrundlosen Leistung hingegen bereits am grundlegenden Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Unentgeltlichkeit: Einem wirksamen materiellen Kausalgeschäft. Eine Leistung sine causa kann denknotwendig keine Leistung donandi causa sein.17 Rechtsgrundlosigkeit und Unentgeltlichkeit schließen sich damit gegenseitig aus.18 Gleichwohl lässt die rechtsgeschäftliche Sichtweise nicht unberücksichtigt, dass rechtsgrundlose Leistungen auf eine – wenngleich unwirksame – materielle Causa bezogen sein können. Sie differenziert daher danach, ob eine materielle Causa generell fehlt oder ob lediglich ihre Vereinbarung unwirksam war.19 Fehle es vollkommen an einer materiellen Causa, wurde also zwischen den Parteien keinerlei Willensübereinstimmung über den Geschäftszweck erreicht, sei die Leistung entgeltneutral.20 Haben die Parteien hingegen eine – wenngleich rechtlich nicht verbindliche – Willensübereinstimmung über den Zweck der Leistung erzielt, so könne diese als Grundlage zur Bestimmung des Entgeltcharakters der darauf erfolgenden Leistungen herangezogen wer-

§ 812 Rn. 28. A.A. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 390 f.: Auch bei der Erfüllung einer Nichtschuld, die unentgeltlich begründet werden sollte, sei der Insolvenzverwalter auf § 812 BGB verwiesen; § 134 InsO bringe demgegenüber keinen Vorteil; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 13; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 16. 15 Thole, Gläubigerschutz, S. 458; ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13. In diese Richtung auch Hess, WuB VI B. § 32 Nr. 1 KO, 2.91: Es komme für die Frage nach der Unentgeltlichkeit auf den wirklichen Willen des Insolvenzschuldners an. 16 Grundsätzlich ebenso Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 390 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 13, die aber keine Notwendigkeit für die Anfechtung in diesen Fällen erkennen, da der Bereicherungsanspruch denselben Schutz gewähre. 17 Schon im römischen Recht standen der Erwerb donandi causa im Sinne der Unentgeltlichkeitsanfechtung und der Erwerb sine causa oder ex iniusta causa im Sinne der Kondiktion einander ausschließend gegenüber, vgl. Gaugler, Die paulianische Anfechtung, Bd. 1, S. 23 18 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 206. 19 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 206 f.; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 49 ff. 20 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 206; Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen, S. 51 f.

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den. Diente die rechtsgrundlose Leistung der Verwirklichung eines unentgeltlichen materiellen Geschäftszwecks, sind die Voraussetzungen des § 134 InsO somit erfüllt.21 War der übereinstimmende Wille der Parteien hingegen auf eine entgeltliche Leistung gerichtet, scheidet § 134 InsO aus.22 b) Demgegenüber mehren sich in letzter Zeit Stimmen in der Literatur, die sich für eine generelle Gleichstellung von rechtsgrundlosen und unentgeltlichen Leistungen im Rahmen des § 134 InsO aussprechen.23 Habe der Schuldner ohne Rechtsgrund geleistet, lasse sich kein wirksam verknüpfter Gegenwert finden, der die Entgeltlichkeit begründen könne.24 Die Leistung sei daher objektiv unentgeltlich. Die Anfechtung dürfe nun nicht an den abweichenden subjektiven Vorstellungen der Parteien scheitern, denn diese allein schaffen noch kein Entgelt.25 Da die Haftungsmasse geschmälert werde, müsse die irrtümlich rechtsgrundlose Leistung des Schuldners zur Anfechtung gem. § 134 InsO berechtigen.26 Auch sei es nicht gerechtfertigt, den Empfänger einer rechtsgrundlosen Leistung besser zu stellen als den Empfänger einer auf einem wirksamen unentgeltlichen Rechtsgrund beruhenden Leistung.27 Der unentgeltliche Rechtsgrund mag zwar schwach ausgestaltet sein, doch erscheine der unentgeltlich, aber rechtsbeständig Erwerbende immer noch schützenswerter als derjenige, der ohne jeden Rechtsgrund erwirbt.

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Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 206 f. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 207. 23 Baumert, NZI 2010, S. 946 (947); ders., ZIP 2010, S. 212; ders./Schmitt, NZI 2012, S. 394 (400); Bitter/Heim, ZIP 2010, S. 1569 (1971); Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 6; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 155; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b, 22, 26; R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (320); Römermann, NZG 2009, S. 1261 (1262); i.E. auch Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 24. Wohl auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.02.2013 – 6 Sa 451/11, ZInsO 2013, 1263 (1266): „Bei Zahlungen auf eine Nichtschuld fehlt es an der Entgeltlichkeit der Leistung.“ Offenlassend, aber tendenziell ebenso auch Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (280 ff.), der keinen Grund für eine Differenzierung zwischen bewusster und unbewusster Zahlung auf eine Nichtschuld sieht. Ebenso im Bereich des allgemeinen Zivilrechts von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 II, S. 141 f. 24 R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (320). Teilweise wird der Bereicherungsanspruch als ausgleichender Gegenwert angesehen [von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 119 ff.; vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 11.03.1999 – 5 U 1160/98, NZI 2000, 84 (85)]. Dagegen Heim, Schenkungsanfechtung, S. 152. Vgl. dazu auch unten S. 402. 25 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 189 f.; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 17b; grundsätzlich auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 48, die aber bei tatsächlich erfolgtem Leistungsaustausch auf Grundlage des unerkannt nichtigen Vertrags die Anfechtung gem. § 134 InsO nicht durchgreifen lassen wollen. Grundsätzlich zur Unbeachtlichkeit subjektiver Vorstellungen der Parteien bei gänzlich fehlendem Gegenwert nach der herrschenden Meinung siehe oben S. 25. 26 Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 22, 26. 27 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 157 ff. 22

I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

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c) Der BGH hat sich bislang noch nicht klar zu der Frage positioniert, ob irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen den Tatbestand des § 134 InsO erfüllen oder nicht.28 Ein Teil der Literatur möchte seinen Ausführungen im PhoenixFall ein inzidentes Bekenntnis zur Gleichstellung von unentgeltlichen und rechtsgrundlosen Leistungen entnehmen.29 Der BGH vertrat dort die Ansicht, der Anleger könne auch dann keineswegs mit dem Bereicherungsanspruch des Schuldners aus den Scheingewinnzahlungen aufrechnen, wenn dieser nicht an § 814 Alt. 1 BGB scheitern würde. Denn auch in diesem Fall habe der Anleger die Möglichkeit der Aufrechnung dadurch erhalten, „dass er durch eine unentgeltliche und damit nach § 134 InsO anfechtbare Leistung der Schuldnerin zugleich auch Schuldner eines Bereicherungsanspruchs geworden wäre.“30 Die Aufrechnung sei daher wegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam. Versteht man diese Aussage so, dass der BGH § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 134 InsO für einschlägig hält, wenn die Aufrechnungslage durch eine nicht die Voraussetzungen des § 814 Alt. 1 BGB erfüllende Leistung des Schuldners hergestellt worden ist, so scheint er in der Tat implizit davon auszugehen, die irrtümlich rechtsgrundlose Leistung falle unter den Tatbestand des § 134 InsO. Dagegen spricht jedoch, dass sich der BGH mit einem solchen inzidenten Bekenntnis in Widerspruch zur Rechtsprechung des Reichsgerichts setzen würde. Dieses hielt die Unentgeltlichkeitsanfechtung für ausgeschlossen, wenn der Leistende irrtümlich davon ausging, dass ein Rechtsgrund für seine Leistung besteht.31 Der BGH griff die Rechtsprechung des Reichsgerichts in anderen Urteilen auf.32 Hätte er sich nun in einem obiter dictum zur generellen Anfechtbarkeit irrtümlich rechtsgrundloser Leistungen bekennen wollen, wäre eine 28 Die Äußerungen des BGH in aktuellen Urteilen sind widersprüchlich: Im Beschl. v. 09.10.2014 – IX ZR 294/13, ZInsO 2015, 305 (306) in Rn. 3 stellte der BGH fest, eine Leistung sei „nicht unentgeltlich, wenn der Schuldner zu der Leistung verpflichtet gewesen ist oder er wenigstens eine solche Verpflichtung angenommen hätte.“ Danach scheinen irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen nicht unter § 134 InsO zu fallen. Diese Äußerung erfolgte allerdings lediglich in einem Beschluss zur Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde und beinhaltete keine Auseinandersetzung mit dem Streitstand. Im Urt. v. 05.03.2015 – IX ZR 133/14, NJW 2015, 1672 zur Unentgeltlichkeit einer Zahlung bei qualifiziertem Rangrücktritt nahm der BGH in Rn. 49 hingegen an, bei einer Zahlung auf eine Nichtschuld fehle es, „selbst wenn einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch § 814 BGB entgegensteht, an der Entgeltlichkeit der Leistung.“ In dieser Entscheidung ging er somit von der grundsätzlichen Unentgeltlichkeit aller rechtsgrundlosen Leistungen aus und ließ die Frage, ob dem Schuldner die Rechtsgrundlosigkeit seiner Leistung bewusst war, daher offen. 29 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 194. 30 BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (143) in Rn. 13. 31 RG, Urt. v. 13.06.2914 – VII. 133/14, Gruchot 59 (1915), 521 (522). 32 BGH, Urt. v. 13.03.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 (66): Eine Verfügung sei nicht unentgeltlich, wenn der Schuldner hierzu verpflichtet war oder wenigstens eine solche Verpflichtung angenommen hatte. Ebenso auch OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1992 – 27 U 235/91, ZIP 1992, 1755 (1756 f.).

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

ausführliche Auseinandersetzung mit der Ansicht des Reichsgerichts und der abweichenden Meinung in der Literatur zu erwarten gewesen.33 Die Äußerungen des BGH in aktuellen Urteilen sind widersprüchlich: In einem Beschluss aus dem Jahr 2014 stellte er in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts noch fest, § 134 InsO sei nicht einschlägig wenn der Schuldner eine Verpflichtung zur Leistung angenommen hatte.34 In einem Urteil aus dem Jahr 2015 hingegen sah der die Zahlung einer Schuldnerin, die sich einem qualifizierten Rangrücktritt unterworfen hatte, schon allein deshalb als unentgeltlich an, weil sie infolge des aus dem Rangrücktritt folgenden Zahlungsverbot rechtsgrundlos erfolgte.35 Ob die Schuldnerin die Zahlung in Kenntnis dieses Zahlungsverbots und damit bewusst rechtsgrundlos geleistet hatte, ließ der BGH offen. Hier ging er also anscheinend von der Unentgeltlichkeit auch irrtümlich rechtsgrundloser Leistungen aus, ohne jedoch ein Wort zu dem Streitstand zu verlieren. Eine abschließende höchstrichterliche Stellungnahme zur Anfechtbarkeit irrtümlich rechtsgrundloser Leistungen steht somit noch aus. Die Instanzenrechtsprechung ist in dieser Frage gespalten: Während das OLG Koblenz die Anfechtung gem. § 134 InsO ablehnte,36 hatte das LG Köln keine Probleme damit, die irrtümlich rechtsgrundlose Leistung ohne weiteres unter § 134 InsO zu subsumieren.37 2. Stellungnahme Der Blick auf Rechtsprechung und Literatur vermittelt zur Frage der Anfechtbarkeit irrtümlich rechtsgrundloser Leistungen kein eindeutiges Bild. Interessant ist daher, zu welchem Ergebnis die Subsumtion dieser Fallkonstellation unter das hier entwickelte Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung gelangt und ob dieses Ergebnis auch aus Wertungsgesichtspunkten überzeugt.

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Näher liegt es daher, dass der BGH in dem von ihm gebildeten Vergleichsfall eine Aufrechnung mit dem Bereicherungsanspruch des Schuldners auch dann gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO für ausgeschlossen hielt, wenn dieser zwar bewusst rechtsgrundlos geleistet hat, aber das Anspruchshindernis des § 814 Alt. 1 BGB nicht existieren würde. 34 BGH, Beschl. v. 09.10.2014 – IX ZR 294/13, ZInsO 2015, 305 (306) in Rn. 3. 35 BGH, Urt. v. 05.03.2015 – IX ZR 133/14, NJW 2015, 1672 in Rn. 49. 36 OLG Koblenz, Urt. v. 11.03.1999 – 5 U 1160/98, NZI 2000, 84 (85) [noch zur KO]. 37 LG Köln, Urt. v. 19.01.2006 – 5 O 289/05, ZInsO 2006, 165 (166).

I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

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a) Subsumtion der irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung unter das entwickelte Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung aa) Den Befürwortern der Gleichstellung von Rechtsgrundlosigkeit und Unentgeltlichkeit ist darin zuzustimmen, dass die rechtsgrundlose Leistung die objektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit erfüllt.38 Anders als der enge, rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsbegriff der §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB39 ist die Unentgeltlichkeit in § 134 InsO nicht notwendig an das Bestehen einer wirksamen materiellen Causa geknüpft.40 Objektiv unentgeltlich ist die Leistung des Schuldners vielmehr immer dann, wenn sie nicht mit einer kausalvertraglich vereinbarten Gegenleistung des Empfängers verknüpft ist.41 Rechtsgrundlose Leistungen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass ihnen kein wirksames Kausalgeschäft zugrunde liegt.42 Selbst wenn beide Parteien ihre Leistungen nun mit Rücksicht auf das vermeintlich wirksame Kausalverhältnis austauschen, ändert dies nichts daran, dass ihre Leistungen rechtlich nicht als Leistung und Gegenleistung miteinander verknüpft sind.43 Einer rechtsgrund38 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 155; auch Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138 ff.). Ebenso im Bereich des allgemeinen Zivilrechts von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 II, S. 141 f. Für „objektive Unentgeltlichkeit“ einer (bewusst) rechtsgrundlosen Leistung auch BGH, Urt. v. 29.03.2012 – IX ZR 207/10, NJW-RR 2012, 2195 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 10.02.2011 – IX ZR 18/10, NZI 2011, 324 (325) in Rn. 8; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 09.12.2010 − IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 160/09, NZI 2010, 565 (567) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJW-RR 2010, 1637 (1638) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 25.06.2009 – IX ZR 157/08, BeckRS 2009, 19758 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 198/07, BeckRS 2009, 10967 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 221/07, BeckRS 2009, 10598 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140) in Rn. 6; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 ff.; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 55/90, WM 1991, 331 ff.; OLG München, Urt. v. 04.08.2009 – 5 U 2971/09, NZI 2009, 808 (809). 39 Da die Unentgeltlichkeit hier objektiv „eng“ verstanden wird, kann man im Anwendungsbereich dieser Normen nur über eine analoge Anwendung auf rechtsgrundlose Leistungen nachdenken, vgl. dazu obrn S. 112. 40 Siehe oben S. 287. 41 Siehe oben S. 289 f. 42 Entweder die erbrachte Leistung ist – wie bei den Scheingewinnen – von dem grundsätzlich wirksamen Kausalgeschäft nicht gedeckt: Dann besteht zwar eine wirksame Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, doch die rechtsgrundlose Leistung ist nicht Teil des vereinbarten Synallagmas. Oder das zugrundeliegende Kausalgeschäft ist unwirksam, sodass es an jeder wirksamen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung fehlt. 43 Vgl. auch Heim, Schenkungsanfechtung, S. 148; i.E. ebenso von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 119. Anders hingegen Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 48, die in diesem Fall von einer konditionalen Verknüpfung ausgehen; dies widerspricht aber ihrer vorher vertretenen These, dass für die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung eine (konkludente) Parteiabsprache notwendig ist, vgl. Rn. 19 f.

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

losen Leistung steht somit niemals eine wirksam vereinbarte Gegenleistung gegenüber.44 Die Unentgeltlichkeit kann allerdings ausnahmsweise auch aufgrund eines entgeltäquivalenten Ausgleichsanspruchs entfallen.45 Ein solcher könnte in dem Bereicherungsanspruch liegen, den der Schuldner mit Erbringen der rechtsgrundlosen Leistung erwirbt. Der Bereicherungsanspruch ist jedoch nicht darauf gerichtet, dem rechtsgrundlos Leistenden einen angemessenen Ausgleich für seine Leistung zu bieten, sondern er berechtigt ihn gerade zur Rückforderung eben dieser Leistung. Der Bereicherungsanspruch hat also keine Ausgleichs-, sondern eine Abschöpfungsfunktion. Schon deshalb scheidet er als Gegenleistungsäquivalent aus. Entgeltäquivalenten Charakter hat ein Ausgleichsanspruch zudem nur, wenn die Parteien ohne das gesetzliche Eingreifen des Ausgleichsanspruchs das dort vorgesehene Entgegenkommen des Empfängers rechtsgeschäftlich vereinbart hätten und zumindest der Schuldner im Zeitpunkt seiner Leistung Kenntnis von dem Erwerb dieses Ausgleichsanspruchs hatte. Bei der irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung gehen die Parteien jedoch von der Rechtsbeständigkeit der Leistung aus. Einen Bereicherungsausgleich nehmen sie nicht in den Blick. Der Bereicherungsanspruch erfüllt daher nicht die Voraussetzungen eines entgeltäquivalenten Ausgleichsanspruchs. Ist er voll werthaltig, mag er die Gläubigerbenachteiligung entfallen lassen46 – die Entgeltlichkeit der irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung begründet er aber nicht.47 44 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 148. Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 206. Zu demselben Ergebnis gelangt man auch, wenn man die Gegenleistung auf Erfüllungsebene im Erlöschen der Forderung sieht: Da bei einer rechtsgrundlosen Leistung keine Forderung besteht, die erlöschen kann, fehlt es auch nach diesem Ansatz stets an einem die Unentgeltlichkeit ausschließenden Entgelt; so die Begründung von Siemon, BB 1991, S. 81 (84). 45 Siehe oben S. 290. 46 Gegen einen Wegfall der Gläubigerbenachteiligung spricht, dass schon jede Erschwerung des Gläubigerzugriffs für die Gläubigerbenachteiligung genügt. Erwirbt der Schuldner im Gegenzug für die anfechtbare Rechtshandlung einen Rückforderungsanspruch, entfällt die Gläubigerbenachteiligung daher nur, wenn der Rückforderungsanspruch zweifellos begründet und durchsetzbar ist (vgl. Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G25). Dies ist bei dem Bereicherungsanspruch – insbesondere mit Blick auf § 818 III BGB – zweifelhaft. Es spricht daher mehr dafür, dass der Erwerb des Bereicherungsanspruchs auch die Gläubigerbenachteiligung nicht entfallen lässt; so auch Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G46; vgl. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 149. 47 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 206, 390: Kondiktionsanspruch ist schlichter actus contrarius, der nicht als Gegenleistung eingestuft werden kann; Haymann, JherJb 77 (1927), S. 188 (249); Heim, Schenkungsanfechtung, S. 152; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 150; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 II, S. 142. A.A. OLG Koblenz, Urt. v. 11.03.1999 – 5 U 1160/98, NZI 2000, 84 (85); von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 119 ff.: Er hält nicht das unwirksame Kausalverhältnis, sondern das infolge der rechtsgrundlosen Leistung

I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

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bb) Die Unentgeltlichkeit der Leistung i.S.d. § 134 InsO erschöpft sich jedoch nicht in ihrer objektiven Komponente, sondern muss von einer entsprechenden subjektiven Zweckrichtung des Schuldners begleitet werden. Die Analyse der historischen, systematischen und teleologischen Wurzeln des § 134 InsO hat ergeben, dass eine rein objektive Auslegung der Unentgeltlichkeitsanfechtung, wie sie der These von der Gleichstellung rechtsgrundloser und unentgeltlicher Leistungen zugrunde liegt, nicht überzeugen kann. Das Bewusstsein des Schuldners, dem Anfechtungsgegner eine einseitig bereichernde Zuwendung zu machen, ist unentbehrliche Voraussetzung der Unentgeltlichkeitsanfechtung.48 Dieses Bewusstsein fehlt, wenn der Schuldner irrtümlich davon ausgeht, einen entgeltlichen Geschäftszweck zu verwirklichen. Bei einer solchen Leistung kann keine Rede davon sein, dass der Schuldner die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung gefährdet. Rechtsgrundlose Leistungen gehören zum allgemeinen Risiko des Wirtschaftsverkehrs. Jede Leistung des Schuldners ist mit der Gefahr der Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Kausalgeschäfts verbunden. Die irrtümlich rechtsgrundlose Leistung ist daher nicht Ausdruck eines Schuldnerfehlverhaltens.49 Somit erfüllt sie nicht die teleologischen Grundvoraussetzungen des § 134 InsO, die den Eingriff der Gläubiger in die Rechtsstellung des Anfechtungsgegners überhaupt erst rechtfertigen. cc) Rechtsgrundlose und unentgeltliche Leistungen sind somit auch im Rahmen des § 134 InsO zwei unterschiedliche Kategorien, die sich grundsätzlich gegenseitig ausschließen. Der Grund dafür liegt allerdings nicht auf objektiver Ebene – insbesondere nicht im formalen Kriterium des Fehlens einer wirksamen materiellen Causa –, sondern auf subjektiver Ebene: Der den rechtsgrundlosen Leistungen grundsätzlich50 immanente Irrtum des Schuldners über die

entstehende gesetzliche Bereicherungsschuldverhältnis für den maßgeblichen Bezugspunkt bei der Suche nach der ausgleichenden Gegenleistung (dagegen zu Recht Heim, Schenkungsanfechtung, S. 147). 48 Siehe oben S. 216 f., S. 292 f. 49 Thole, Gläubigerschutz, S. 458; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 134. Vgl. auch Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138): Nur Leistungen in Kenntnis der Nichtschuld seien unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes „anstößig“. A.A. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 165 mit dem Argument, es entspreche nicht dem hypothetischen Willen der Gläubiger, dass ihr Schuldner rechtsgrundlose Leistungen erbringe. Dieses Argument kann schon deshalb nicht überzeugen, weil es grundsätzlich dem Interesse der Gläubiger entspricht, dass ihr Schuldner ordnungsgemäß am Wirtschaftsleben teilnimmt. Dabei besteht jedoch immer die Gefahr unerkannt unwirksamer Verträge und damit rechtsgrundloser Leistungen. Dieses Risiko nehmen die Gläubiger in Kauf. Verwirklicht sich dieses Risiko, kann dies nicht dazu führen, dass die rechtsgrundlose Leistung nun den Interessen der Gläubiger zuwiderläuft. 50 Zu dem Sonderfall der bewusst rechtsgrundlosen Leistungen siehe sogleich S. 411 ff.

404

Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

Rechtsgrundlosigkeit seiner Leistung51 führt dazu, dass die subjektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schuldner irrtümlich annahm, auf ein unentgeltliches Kausalgeschäft zu leisten: Dann hatte er den Willen und das Bewusstsein, den Empfänger einseitig zu bereichern. Zwar schlug dieser Leistungszweck fehl, weil der unentgeltliche Rechtsgrund tatsächlich nicht bestand. Allerdings verwirklichte der Schuldner stattdessen – irrtümlich – eine andere objektiv unentgeltliche Zuwendung. Es kann nun nicht schaden, dass der Wille des Schuldners auf eine rechtsbeständige, unentgeltliche Leistung gerichtet war, er tatsächlich aber eine rechtsgrundlose und aus diesem Grund unentgeltliche Leistung erbrachte. Auch wenn der Bezugspunkt der Unentgeltlichkeit ein anderer ist, verwirklicht sich in der Zuwendung ein Schuldnerfehlverhalten. Die Anfechtung greift daher durch, ohne dass es dafür – wie nach der rechtsgeschäftlichen Ansicht52 – einer erweiternden oder analogen Anwendung bedarf. b) Überzeugungskraft des gefundenen Ergebnisses Es kann auch im Ergebnis überzeugen, irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen vom Anwendungsbereich des § 134 InsO auszuschließen. Die Argumente der Gegenmeinung für eine Gleichstellung von rechtsgrundlosen und unentgeltlichen Leistungen greifen nicht durch. Vielmehr spricht die Ausgestaltung des Anfechtungsrechts dafür, das Bereicherungsrecht grundsätzlich als Spezialinstitut zur Abwicklung gescheiterter Kausalbeziehungen anzusehen und nicht durch eine stets konkurrierende Anfechtung in den Schatten zu stellen.53 51

Vgl. Mayer-Maly, in: FS Lange, S. 293 (296 f.); Piekenbrock, in: Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S. 51 (68); Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 814 Rn. 2. Früher war der Irrtum noch Tatbestandsvoraussetzung, vgl. dazu Piekenbrock, ebd., S. 51 (67 f.). 52 So wird im Rahmen des § 816 Alt. 1 S. 2 BGB, dem das enge, rechtsgeschäftliche Unentgeltlichkeitsverständnis zugrunde liegt, bei einer rechtsgrundlosen Leistung zur Verwirklichung eines unentgeltlichen Geschäftszwecks die Norm analog angewendet, vgl. Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 812 Rn. 28. 53 Kein zwingendes Argument gegen die Gleichsetzung von Rechtsgrundlosigkeit und Unentgeltlichkeit ist hingegen die Existenz des § 131 InsO, der sich ausdrücklich auch auf Fallkonstellationen bezieht, in denen der Insolvenzgläubiger die Leistung „nicht zu beanspruchen“ hat (so aber Thole, Gläubigerschutz, S. 458; in dieselbe Richtung auch Schäfer, in: Kummer/ Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G42a). Anders als aus Sicht von Thole erschöpft sich der Anwendungsbereich dieser Fallgruppe nicht in rechtsgrundlosen Leistungen. Vielmehr erfasst sie insbesondere auch Leistungen, auf die der Gläubiger zwar einen Anspruch hat, der aber nicht durchsetzbar ist oder dem ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht entgegengehalten werden kann (vgl. Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 131 Rn. 4). Dazu gehört die Leistung auf eine verjährte Forderung, die Erfüllung einer Naturalobligation oder die Leistung auf einen formunwirksamen Vertrag, die zur Heilung des Formmangels führt (de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 131 Rn. 4; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 131 Rn. 4; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 131 Rn. 16). All diese Leistungen sind gerade nicht gem. § 134

I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

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aa) Die Interessen der Gläubiger geben keine Veranlassung, die Unentgeltlichkeitsanfechtung trotz mangelndem Schuldnerfehlverhalten auf irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen zu erstrecken. Zwar wird im Rahmen der erbrechtlichen Verfügungsbeschränkungen die Anwendung auf irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen gerade mit dem Argument bejaht, der Nachlass werde durch das Fehlen einer wirksam verknüpften Gegenleistung so erheblich beeinträchtigt, dass es auf das eigentlich erforderliche subjektive Element auf Seiten des Verfügenden nicht mehr ankommen könne.54 Jedoch werden im Rahmen der §§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB weitaus gewichtigere Interessen geschützt als im Rahmen des § 134 InsO: Es geht um den Bestandsschutz des Vermögens des (Nach-)Erben, der Verfügungen des Vorerben bzw. des Testamentsvollstreckers grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss.55 Diese besonders ausgeprägte Schutzbedürftigkeit besteht im Anfechtungsrecht nicht.56 Vielmehr ist das Schutzbedürfnis der Gläubiger bei irrtümlich rechtsgrundlosen Leistungen des Schuldners sehr gering. Denn anders als bei sonstigen, objektiv unentgeltlichen Leistungen fließt dem Schuldnervermögen bei rechtsgrundlosen Leistungen immerhin ein Bereicherungsanspruch zu, der vom Verwalter durchgesetzt bzw. außerhalb der Insolvenz von dem benachteiligten Gläubiger gepfändet werden kann.57 Dieser Bereicherungsanspruch mag zwar Einwendungen ausgesetzt sein, doch vermag dies allein eine besondere Schutzwürdigkeit der Gläubiger, nicht zu begründen. Bei Leistungen auf einen unwirksamen Austauschvertrag kommt hinzu, dass oftmals auch die vermeintlich geschuldete Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt sein wird. Auch wenn diese Leistung keine wirksam verknüpfte Gegenleistung darstellt, wird das Schuldnervermögen gleichwohl um diesen Wert bereichert. Die Gläubiger sind daher im Vergleich zu sonstigen unentgeltlichen Leistungen nur vermindert schutzwürdig. bb) Der Verweis darauf, der Empfänger einer rechtsgrundlosen Leistung dürfe nicht besser stehen als der Empfänger einer unentgeltlichen, rechtsbeständigen Leistung, kann nicht überzeugen. Anfechtungstatbestände greifen in die Rechtsposition des Anfechtungsgegners ein. Daher erscheint eine Erweiterung des § 134 InsO mit dem Argument, der rechtsgrundlos Erwerbende müsse genauso schlecht gestellt werden wie der unentgeltlich Erwerbende, schon im Ausgangspunkt bedenklich: Ein Erst-Recht-Schluss zum Nachteil des Anfech-

InsO anfechtbar, sodass für § 131 InsO in der Fallvariante „nicht zu beanspruchen“ durchaus ein eigenständiger Anwendungsbereich besteht, vgl. auch LG Köln, Urt. v. 19.01.2006 – 5 O 289/05, ZInsO 2006, 165 (166); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 150. 54 Vgl. oben S. 121 mit Fn. 325. 55 Vgl. dazu oben S. 97 ff. 56 Vgl. oben S. 100. 57 Vgl. auch von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 124.

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

tungsgegners wird dem Charakter der Anfechtungstatbestände als Ausnahmeregelungen nur schwer gerecht. Der Erst-Recht-Schluss kann aber auch inhaltlich nicht überzeugen. Denn anders als beim unentgeltlichen Erwerb hat der Empfänger im Vertrauen auf den unwirksamen Vertrag oftmals eine eigene Gegenleistung erbracht. Er ist daher schutzwürdiger als der offen unentgeltliche Erwerber.58 Wenn Heim ergänzend auf den insolvenzrechtlichen Grundsatz verweist, der Anfechtungsgegner dürfe bei Unwirksamkeit des Vertrags nicht besser stehen als bei dessen Wirksamkeit,59 so rechtfertigt dies allein die Anfechtung bei einem unwirksamen unentgeltlichen Vertrag. Die Vergleichsgrundlage bei einem unwirksamen entgeltlichen Vertrag ist hingegen der wirksame entgeltliche Vertrag, und bei diesem wäre eine Anfechtung nicht möglich. Auch darf nicht vergessen werden, dass die Anfechtung von Leistungen auf einen unwirksamen entgeltlichen Vertrag nicht nur den Empfänger schlechter stellt als bei Wirksamkeit des Vertrags, sondern auch den Gläubigern des Bereicherungsgläubigers einen ungerechtfertigten Sondervorteil verschafft: Die Anfechtung gibt ihnen in der Insolvenz die Möglichkeit, eine Vorleistung, die ihr Schuldner irrtümlich rechtsgrundlos auf einen unwirksamen gegenseitigen Vertrag erbracht hat, auszusondern, während die Vorleistung bei Wirksamkeit des Vertrags verloren gewesen wäre. cc) Auch der Blick auf die verwandten Normen des bürgerlichen Rechts gebietet keine Gleichstellung von rechtsgrundlosen und unentgeltlichen Leistungen. Im Rahmen des § 988 BGB hat die Rechtsprechung diese Gleichstellung zwar vollzogen.60 Jedoch ist § 988 BGB als einziger der verwandten Tatbestände des bürgerlichen Rechts nicht notwendig an ein subjektives Kriterium geknüpft.61 § 134 InsO erfordert hingegen wesensnotwendig ein subjektives Element auf Schuldnerseite. Auch hat der Große Senat in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1940 zu § 988 BGB ausdrücklich klargestellt, dass dieses Ergebnis auf das Anfechtungsrecht nicht übertragbar ist.62 Aus der Gleichstellung von rechtsgrundlosem und unentgeltlichem Besitzerwerb lässt sich daher für § 134 InsO nichts ableiten. In den übrigen verwandten Normen des bürgerlichen Rechts findet eine Gleichstellung von irrtümlich rechtsgrundlosen und unentgeltlichen Zuwendungen hingegen nicht statt. Im Rahmen des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB hat der BGH zwar eine analoge Anwendung für einen Sonderfall befürwortet,63 doch 58

Aus genau diesem Grund begegnet auch die analoge Anwendung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB auf rechtsgrundlose Leistungen erheblicher Kritik, vgl. dazu bereits oben S. 112. 59 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 157 f., 193. 60 Vgl. oben S. 116. 61 Vgl. oben S. 116, 129. 62 RG, Urt. v. 30.01.1940 – GSZ 3/38, RGZ 163, 348 (359). 63 BGH, Urt. v. 12.07.1962 – VII ZR 28/61, BGHZ 37, 363 (368 ff.). Relativierend bereits BGH, Urt. v. 25.04. 1967 – VII ZR 1/65, BGHZ 47, 393 (395 f.).

I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

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begegnet er im Schrifttum damit erheblicher Kritik.64 Auch muss berücksichtigt werden, dass die Rechtsposition der Gläubiger bei der Anfechtung erheblich hinter der Rechtsposition des von § 816 Abs. 1 S. 2 BGB geschützten früheren Berechtigten zurückbleibt.65 Mag die Schutzwürdigkeit des früheren Berechtigten daher in einem Sonderfall die analoge Anwendung auf eine rechtsgrundlose Leistung rechtfertigen, so lässt sich dieses Ergebnis noch lange nicht auf § 134 InsO übertragen. Im Rahmen des § 822 BGB, der der Unentgeltlichkeitsanfechtung am nächsten kommt, wird eine analoge Anwendung auf rechtsgrundlose Zuwendungen nicht erwogen.66 Auch im Erbschaftssteuerrecht und im österreichischen Anfechtungsrecht findet eine Erstreckung der Vorschriften auf rechtsgrundlose Zuwendungen nicht statt.67 dd) Schließlich spricht die Ausgestaltung der anfechtungsrechtlichen Rechtsfolgen dafür, dem Bereicherungsrecht grundsätzlich die Rückabwicklung fehlgeschlagener Kausalbeziehungen zu überantworten und ihm nicht stets einen konkurrierenden Anfechtungsanspruch zur Seite zu stellen.68 Wäre jede rechtsgrundlose Leistung unentgeltlich, würde der Bereicherungsanspruch des Leistenden stets von einem Anfechtungsanspruch seiner Gläubiger flankiert, sofern die allgemeine Voraussetzung der Gläubigerbenachteiligung erfüllt ist. Dass das Anfechtungsrecht auf diese Rechtsfolge nicht ausgerichtet ist, zeigen die Schwierigkeiten, die die Koordinierung der beiden Ansprüche mit sich bringt. So muss der Anfechtungsgegner die rechtsgrundlose Leistung selbstverständlich nicht doppelt nach Anfechtungs- und Bereicherungsrecht zurückgewähren. Zurückgegriffen werden muss daher auf die analoge Anwendung des § 422 Abs. 1 S. 1 BGB, der eigentlich auf Erfüllungsleistungen im Gesamtschuldverhältnis zugeschnitten ist.69 Die Befriedigung des Bereicherungsanspruchs kann den Anfechtungsanspruch gem. § 422 Abs. 1 S. 1 BGB aber nur dann zum Erlöschen bringen, wenn diese Art der Erfüllung auch im

64

Siehe oben S. 112 mit Fn. 275. Vgl. S. 101. 66 Siehe oben S. 114 mit Fn. 286. 67 Siehe oben S. 123, 128. 68 C. Paulus, ZInsO 1999, S. 242 (248) hält einen systematischen Vorrang des Bereicherungsrechts vor dem Anfechtungsrecht sogar zwingend für geboten, da sonst das Abstraktionsprinzip für Zwecke missbraucht werde, die § 134 InsO nicht verwirklichen soll: Das Anfechtungsrecht sei nicht dazu da, Vermögensminderungen rückgängig zu machen, die an den „Widerhaken jenes kunstvollen Konstrukts unseres Vermögensrecht hängen geblieben sind.“ Die Anwendung des § 134 InsO auf alle rechtsgrundlosen Leistungen mit Verweis auf den Bereicherungsanspruch verneint auch Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138) [zur KO]; ders., in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 13. 69 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 264; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 101b a.E. Vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 14.01.2004 – 8 U 32/03, ZInsO 2004, 442 (443), das eine Lösung über § 242 BGB favorisiert. 65

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

Hinblick auf den Anfechtungsanspruch zulässig ist.70 Rechnet der Anfechtungsgegner gegen den Bereicherungsanspruch mit einer Insolvenzforderung auf, bliebe der Anfechtungsanspruch somit bestehen.71 Was nun mit der Insolvenzforderung passiert, die der Anfechtungsgegner zur Befriedigung des Bereicherungsanspruchs aufgeopfert hat, bleibt offen. Die Koordinierungsschwierigkeiten setzen sich bei dem Schicksal der vom Anfechtungsgegner seinerseits auf den unwirksamen Vertrag erbrachten Gegenleistung fort. Da sie nicht wirksam mit der Schuldnerleistung verknüpft ist, ist sie keine echte Gegenleistung i.S.d. § 144 Abs. 2 InsO. Auch diese Norm müsste analog angewendet werden. Allerdings betrifft sie Verpflichtungsgeschäfte, die mit dem Vorwurf der Anfechtbarkeit belastet sind. Ihr geht es daher nicht darum, das – mit der Anfechtbarkeit belastete – vertragliche Synallagma zu wahren, sondern eine ungerechtfertigte Bereicherung der Masse zu verhindern. Der Vorwurf der Anfechtbarkeit trifft unwirksame, entgeltliche Kausalgeschäfte hingegen in aller Regel nicht. Die unterschiedliche anfechtungsrechtliche Interessenlage zwischen anfechtbaren und unwirksamen Kausalverträgen wirft daher Zweifel auf, ob die Rechtsfolgen des § 144 Abs. 2 InsO den Interessen des anderen Teils tatsächlich gerecht werden. All diese Fragen lassen sich zwar lösen, doch machen sie deutlich, dass das Anfechtungsrecht nicht darauf ausgerichtet ist, rechtsgrundlose Leistungen rückabzuwickeln. Im Einzelfall mag die anfechtungsrechtliche Rückgewähr neben dem Bereicherungsrecht einschlägig sein. Die Koordinierungsschwierigkeiten sprechen aber dagegen, jede rechtsgrundlose Leistung der konkurrierenden anfechtungsrechtlichen Rückgewähr zu unterstellen. c) Der Sonderfall der irrtümlich rechtsgrundlosen, aber sittlich gebotenen Leistung gem. § 814 Alt. 2 BGB Einen Sonderfall stellt die irrtümlich rechtsgrundlose Leistung dar, mit der der Schuldner – unbewusst – einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht nachkommt.72 Die Rückforderung einer solchen Leistung ist trotz des Irrtums des Schuldners über die Rechtsgrundlosigkeit gem.

70

Heim, Schenkungsanfechtung, S. 264 f. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 264 f. 72 Hat der Leistende hingegen positive Kenntnis vom Nichtbestehen der Schuld, greift § 814 Alt. 1 BGB vorrangig ein, vgl. KG, Urt. v. 18.12.2001 – 18 UF 35/01, FamRZ 2002, 1357 (1359); RG, Urt. v. 06.12.1911 – Rep. V 221/11, RGZ 78, 71 (78); Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 16; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 814 Rn. 8; Stadler, in: Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., § 814 Rn. 8; a.A. Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 814 Rn. 17. Der Kondiktionsausschluss des § 814 Alt. 2 BGB bezieht sich somit ausschließlich auf irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen, die einer sittlichen Verpflichtung des Leistenden entsprechen. 71

I. Irrtümlich rechtsgrundlose Schuldnerleistungen

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§ 814 Alt. 2 BGB ausgeschlossen.73 Denn hat der Leistende einen der Sittlichkeit entsprechenden Zustand hergestellt, soll nicht zugelassen werden, dass er ihn mit rechtlichen Mitteln wieder rückgängig macht.74 Dabei gilt ein objektiver Maßstab: Es ist irrelevant, ob sich der Leistende der sittlichen Verpflichtung bewusst war oder nicht.75 Entscheidend ist allein, dass die sittliche Pflicht objektiv bestand. Für die Gläubiger stellt sich nun die Frage, ob eine solche rechtsgrundlose, aber durch die sittliche Pflicht in ihrem Bestand gerechtfertigte Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar ist. Die objektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit liegen vor: Das vom Schuldner in den Blick genommene Kausalverhältnis existiert nicht und kann daher auch keine Gegenleistung bereithalten. Die Erfüllung einer sittlichen Pflicht allein stellt keine Gegenleistung des Empfängers dar. Selten gegeben sein werden allerdings die subjektiven Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit. Sie liegen nur vor, wenn der Schuldner auf eine unerkannt unwirksame, unentgeltlich begründete Verbindlichkeit leisten wollte. Ging er hingegen davon aus, er leiste auf eine entgeltlich begründete oder gesetzliche Verbindlichkeit, fehlt es an seinem Willen zur unentgeltlichen Bereicherung des Empfängers und die Anfechtung scheidet aus. Die irrtümlich rechtsgrundlose, aber sittlich gebotene Leistung des Schuldners wird der Masse nun zwar kompensationslos entzogen, doch ist dieser Verlust nicht auf ein Fehlverhalten des Schuldners zurückzuführen. Die Gefahr von erheblichen Masseschmälerungen zulasten der Gläubiger begründet dieses Ergebnis allerdings nicht. Zum einen wird der Tatbestand des § 814 Alt. 2 BGB durch das objektive Bestehen einer sittlichen Pflicht oder Anstandsrücksicht begrenzt. Auf das Moralempfinden der konkret Beteiligten

73 Teilweise wird das Bestehen der sittlichen Pflicht nicht als bloßer Kondiktionsausschluss, sondern als echter Erwerbsgrund angesehen, vgl. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 5 I 2, S. 90; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 16; Schulze, Naturalobligation, S. 446; Siber, JherJb 70 (1921), S. 223 (275). Dagegen spricht jedoch der allgemein anerkannte Vorrang des § 814 Alt. 1 BGB vor § 814 Alt. 2 BGB (siehe dazu soeben Fn. 72): Wäre die sittliche Pflicht ein echter Erwerbsgrund, müsste § 814 Alt. 2 BGB konsequenterweise Vorrang vor der ersten Alternative haben. Der objektive Rechtsgrund der sittlichen Pflicht müsste stärker wirken als der bloße Kondiktionsausschluss aufgrund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (zur Rechtsnatur des § 814 Alt. 1 BGB siehe unten S. 414). Die Systematik des § 814 BGB spricht daher gegen die Einordnung der sittlichen Pflicht als echter Behaltensgrund. Beide Alternativen des § 814 BGB statuieren einen bloßen Kondiktionsausschluss, der die rechtsgrundlose Leistung materiell noch nicht rechtfertigt. 74 Prot. BGB, Bd. II, S. 695; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 17. 75 KG, Urt. v. 18.12.2001 – 18 UF 35/01, FamRZ 2002, 1357 (1359); Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 16.

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

kommt es nicht an.76 Sie können die Zuwendung somit nicht allein mit der Behauptung der Anfechtung entziehen, aus ihrer Sicht sei die Leistung sittlich geboten. Sittliche Verpflichtungen oder Anstandsrücksichten werden zudem nur noch selten angenommen.77 Hinzu kommt, dass der bloße Rechtsirrtum den Bereicherungswillen des Schuldners nicht entfallen lässt.78 Es genügt daher nicht, wenn der Schuldner vorbringt, er sei irrtümlich von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung gegenüber verarmten Angehörigen ausgegangen.79 Vielmehr müssen für einen solchen Irrtum nachvollziehbare Gründe erkennbar sein – ansonsten ist dem Schuldner die Kenntnis der fehlenden Verpflichtung und damit das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit zu unterstellen. Und schließlich ist zu beachten, dass die Anfechtung in aller Regel ohnehin keine großen Erfolgsaussichten hätte: Da sittliche Verpflichtungen meist gegenüber verarmten Verwandten bestehen, wird die Zuwendung in den meisten Fällen bereits verbraucht sein.80 Die Begünstigten könnten sich gem. § 143 Abs. 2 InsO auf Entreicherung berufen und der Anfechtungsanspruch ginge ins Leere. 3. Ergebnis Irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen des Schuldners sind grundsätzlich nicht gem. § 134 InsO anfechtbar. Der Irrtum des Schuldners lässt die subjektiven Anforderungen der Unentgeltlichkeitsanfechtung entfallen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schuldner auf ein unwirksames, aber unentgeltlich begründetes Kausalverhältnis leistet. Dann ist seine Leistung trotz Irrtum über die Rechtsgrundlosigkeit gem. § 134 InsO anfechtbar, weil sie gleichwohl von dem Willen des Schuldners zur einseitigen Bereicherung des Empfängers getragen ist.

76

Prütting, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 11. Aufl., § 814 Rn. 8; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 6 II, S. 193; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 814 Rn. 17; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 814 Rn. 13. 77 Vgl. Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 18; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 814 Rn. 18: „an Bedeutung offensichtlich verloren“; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 814 Rn. 14: kaum praktische Bedeutung. 78 Vgl. oben S. 148 f. 79 Unterhaltsleistungen oder Unterhaltsversprechen an Verwandte in der irrigen Annahme des Bestehens einer gesetzlichen Unterhaltspflicht bilden den Hauptanwendungsfall der sittlichen Pflichten, vgl. Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 20; Schulze, in: Schulze/Dörner, BGB, 8. Aufl., § 814 Rn. 5; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 814 Rn. 14. 80 Vgl. Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 814 Rn. 14.

II. Bewusst rechtsgrundlose Leistungen

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II. Der Sonderfall der bewusst rechtsgrundlosen Leistung gem. § 814 Alt. 1 BGB II. Bewusst rechtsgrundlose Leistungen

Im Phoenix-Fall kehrte die Insolvenzschuldnerin die vermeintlichen Gewinne aus den Anlagegeschäften nicht in der irrtümlichen Vorstellung aus, den Anlegern zu diesen Leistungen verpflichtet zu sein, sondern war sich darüber bewusst, eine rechtsgrundlose Leistung zu erbringen. Auf diese Weise wollte sie ihr Schneeballsystem aufrechterhalten und die Anleger zu weiteren Investitionen motivieren. Bei einer Leistung in Kenntnis der Nichtschuld steht dem Bereicherungsanspruch des Leistenden die Kondiktionssperre des § 814 Alt. 1 BGB entgegen. Diese ist Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (‚venire contra factum proprium’).81 Wer bewusst auf eine Nichtschuld leistet, will in Wahrheit nicht die vermeintliche Verbindlichkeit tilgen, sondern schenkungshalber oder jedenfalls ohne Entgelt leisten.82 Zu diesem Verhalten setzt sich der Leistende in Widerspruch, wenn er die Leistung später vom Empfänger bereicherungsrechtlich zurückfordert.83 Er hat sich des kondiktionsrechtlichen Schutzes 81

BGH, Urt. v. 13.02.2008 – VIII ZR 208/07, NJW 2008, 1878 (1879) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 18.01.1979 – VII ZR 165/78, BGHZ 73, 202 (205); Buck-Heeb, in: Erman, BGB, Bd. 2, 14. Aufl., § 814 Rn. 1; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 207, 391; Kohte, BB 1988, S. 633 (634 f.); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., § 7 I 3, S. 54; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 68 III 1 a, S. 160; Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 2; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 6 I 1, S. 183; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 814 Rn. 2; Trabzadah, Ausschluss der Kondiktion, S. 35; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 814 Rn. 1. Kritisch Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 65 ff. 82 So schon Windscheid, Pandekten, Bd. 2/2, § 426 Nr. 3 mit Fn. 13. Vgl. auch Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 142 2 b, S. 424; Heim, Schenkungsanfechtung, S. 146; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 13; ders., ZIP 1990, S. 137 (138); Kleinschmidt, Verzicht, S. 373; Krawielicki, Grundlagen, S. 237; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G20; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 67 f.; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. II/2, § 74 II, S. 141, § 75 I, S. 154; Wacke, AcP 191 (1991), S. 1 (8). Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 207: Wer bewusst auf eine Nichtschuld leiste, handele nicht causa solvendi, sondern verfolge einen anderen Zweck. Trabzadah, Ausschluss der Kondiktion, S. 31 f. weist zu Recht darauf hin, dass die Erfüllung der Nichtschuld nicht notwendigerweise auf einer freigebigen Schenkungsabsicht beruhen muss: Der Leistende kann auch aus Furcht vor einem Prozess, aus Kulanz, zur Beibehaltung guter Geschäftsbeziehung oder – wie im Phoenix-Fall – zur Aufrechterhaltung eines betrügerischen Schneeballsystems zahlen. Die freigebige Absicht des Schuldners ist für § 134 InsO aber auch gar nicht erforderlich, vgl. S. 373 ff. 83 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 68 III 1 a, S. 161 sehen das widersprüchliche Verhalten darin, dass der Leistende sich durch seine Leistung in Kenntnis der Nichtschuld einer einfachen Möglichkeit des Selbstschutzes begeben habe; zu diesem Verhalten setze er sich in Widerspruch, wenn er anschließend die teure Ressource des Rechtsschutzes in Anspruch nehme. Würde man diesem Ansatz folgen, müsste jedoch auch einem Kläger, der bewusst auf die Möglichkeit der Aufrechnung verzichtet und anschließend

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

begeben, denn sein tatsächlicher Wille, ohne Entgelt zu leisten, hat sich erfolgreich verwirklicht. Der bewusst rechtsgrundlos leistende Schuldner kann seinen Bereicherungsanspruch somit wegen § 814 Alt. 1 BGB nicht mehr erfolgreich verwirklichen. Den Kondiktionsausschluss muss sich auch der Insolvenzverwalter entgegenhalten lassen, da er lediglich in die Rechtsstellung des Schuldners eintritt und sich daher denselben Einwendungen ausgesetzt sieht wie dieser.84 Die Anfechtung bietet daher die einzige Möglichkeit, das vom Schuldner bewusst rechtsgrundlos Weggegebene zugunsten der Gläubiger wieder zur Masse zu ziehen. Im Gegensatz zu den irrtümlich rechtsgrundlosen Leistungen haben die Gläubigern nun also ein großes Interesse daran, die Leistung anfechten zu können. 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur a) Der BGH hat sich seit jeher dafür ausgesprochen, bewusst rechtsgrundlose Leistungen des Schuldners dem Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung zu unterstellen.85 Auch die Literatur steht überwiegend auf diesem Standpunkt.86 Unterschiede ergeben sich lediglich in der Begründung, die je nach

seinen Anspruch einklagt, der Weg zu den Gerichten versperrt sein. Der Widerspruch liegt somit nicht in dem Verzicht auf Rechtsschutz, sondern in der Verwirklichung des vom Leistenden verfolgten und erreichten Unentgeltlichkeitszwecks. 84 BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (144) in Rn. 15 mwN; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (100 f.); Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138); Hess, WuB VI B. § 32 Nr. 1 KO, 2.91; Riesenkampff/Schuba, NJW 2010, S. 571 (572); Römermann, NZG 2009, S. 1261 (1262); von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 72. 85 BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 ff.; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 55/90, WM 1991, 331 ff.; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140) in Rn. 6; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 221/07, BeckRS 2009, 10598 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 198/07, BeckRS 2009, 10967 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 25.06.2009 – IX ZR 157/08, BeckRS 2009, 19758 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 160/09, NZI 2010, 565 (567) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, NJW-RR 2010, 1637 (1638) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 09.12.2010 − IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 in Rn. 6; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 10.02.2011 – IX ZR 18/10, NZI 2011, 324 (325) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 29.03.2012 – IX ZR 207/10, NJW-RR 2012, 2195 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NZI 2013, 841 (843) in Rn. 21; BAG, Urt. v. 18.09.2014 – 6 AZR 145/13, ZIP 2014, 2519 in Rn. 21; OLG München, Urt. v. 04.08.2009 – 5 U 2971/09, NZI 2009, 808 (809); LG Köln, Urt. v. 19.01.2006 – 5 O 289/05, ZInsO 2006, 165 (166). 86 de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 17 (zur Anfechtbarkeit von Scheingewinnen im Schneeballsystem); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 47; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 32; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 19; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (280); Heim, Schenkungsanfechtung, S. 146 f.; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 20; Rogge/ Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 22; Schäfer, in: Kummer/

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dem zugrundeliegenden Grundverständnis vom Tatbestand des § 134 InsO differiert. Für die rein objektive Sichtweise ist es unerheblich, ob es sich um eine irrtümlich oder bewusst rechtsgrundlose Leistung handelt: Wie jede andere rechtsgrundlose Leistung ist auch die Leistung in Kenntnis der Nichtschuld gem. § 134 InsO anfechtbar.87 Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Masse nun wegen § 814 Alt. 1 BGB kein werthaltiger Bereicherungsanspruch zugute kommt, sodass stets eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt.88 Zu demselben Ergebnis gelangen auch diejenigen Stimmen, die die Unentgeltlichkeit von einem einseitigen Freigebigkeitswillen des Schuldners abhängig machen.89 Denn die Leistung in Kenntnis der Nichtschuld ist von dem Bewusstsein des Schuldners getragen, ohne Entgelt zu leisten, sodass die subjektive Voraussetzung des § 134 InsO – anders als bei der irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung – nun erfüllt ist. b) Anders stellt sich die Situation hingegen für den subjektiven Ansatz dar, der nicht allein auf den Willen des Schuldners abstellt, sondern auch die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit für den Anfechtungsgegner90 oder sogar den Nachweis eines übereinstimmenden Bewusstseins beider Parteien von der Unentgeltlichkeit fordert.91 Diese Anforderung ist bei § 814 Alt. 1 BGB regelmäßig nicht erfüllt: Der Empfänger wird auf die Tilgungszweckbestimmung des Leistenden vertrauen und davon ausgehen, dass die getilgte Verbindlichkeit besteht. Die Anfechtung scheitert daher an dem erforderlichen subjektiven Element auf Empfängerseite.92 Henckel erwägt lediglich, die subjektiven Anfor-

Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G20; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 7; Thole, Gläubigerschutz, S. 457 („gesicherte“ Erkenntnis); Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 214; ders., in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 16. 87 Heim, Schenkungsanfechtung, S. 146 ff. 88 Zur objektiven Unentgeltlichkeit gelangen daher auch diejenigen Stimmen, die in dem Bereicherungsanspruch einen ausgleichenden Gegenwert sehen, vgl. von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 129. 89 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 458. 90 So die österreichische Rechtsprechung, vgl. dazu oben S. 127 f. Im Phoenix-Fall bejahte der OGH jedoch gleichwohl die Anfechtbarkeit der Auszahlung der Scheingewinne gem. § 29 öKO a.F., da die Gewinnversprechungen der Phoenix jeden durchschnittlich verständigen Adressaten auf den ersten Blick hätten misstrauisch machen müssen; daher sei trotz der irreführenden Angaben der Phoenix von der Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit auszugehen, vgl. OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 244/09t, veröffentlicht im RIS; OGH, Urt. v. 28.04.2010 – 3 Ob 240/09d, ÖBA 2010, 530 (532); OGH, Urt. v. 24.03.2010 – 3 Ob 239/09g, SZ 2010, Nr. 24, Bd. 1, S. 148 (160 f.). Ebenfalls für Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit im Fall des § 814 Alt. 1 BGB Pape, EWiR 1990, S. 389; Sundermann, WuB VI B. § 32 Nr. 1 KO, 1.91. 91 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20; ders., ZIP 1990, S. 137 (141). 92 Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20; ders., ZIP 1990, S. 137 (141).

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derungen in bestimmten Konstellationen der bewusst rechtsgrundlosen Leistung aus Wertungsgesichtspunkten einzuschränken.93 Im Phoenix-Fall spreche jedoch nichts dafür, da der Empfänger hier aufgrund der geleisteten Einlage eine Vermögenseinbuße erlitten habe und daher schutzwürdig sei.94 c) Ebenso wenig lässt sich die Anfechtbarkeit der bewusst rechtsgrundlosen Leistung nach dem rechtsgeschäftlichen Modell begründen. Dieses knüpft die Unentgeltlichkeit an die Existenz einer materiellen Causa. Die bewusst rechtsgrundlose Leistung könnte somit nur unter § 134 InsO fallen, wenn der Kondiktionsausschluss des § 814 Alt. 1 BGB einen rechtsgeschäftlich begründeten, materiellen Rechtsgrund darstellt. Die Rechtsnatur des § 814 Alt. 1 BGB wird nicht einheitlich beurteilt. Einige messen der Leistung in Kenntnis der Nichtschuld durchaus rechtsgeschäftliche Bedeutung bei: Die Rechtsfolge des § 814 Alt. 1 BGB sei als Sonderfall des Verzichts auf die Kondiktion bzw. als Schuldanerkenntnis des Leistenden zu charakterisieren.95 Die Leistung sei somit durch einen einseitig geschaffenen, rechtsgeschäftlichen Rechtsgrund gerechtfertigt.96 Andere sehen in § 814 Alt. 1 BGB einen gesetzlichen Behaltensgrund.97 Nach diesen beiden Ansichten wäre die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld im Rahmen des § 812 BGB bereits auf Tatbestandsebene im Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit zu prüfen, deren Voraussetzungen der Bereicherungsgläubiger zu beweisen hat.98 Ausweislich der Motive zu § 814 Alt. 1 BGB wollte der Gesetzgeber jedoch dem Empfänger die Beweislast für die Kenntnis des Leistenden aufbürden.99 Er gestaltete § 814 Alt. 1 BGB daher als eigenständiges, neben die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen der condictio indebiti tretendes 93 Vgl. Henckel, ZIP 1990, S. 137 (141) [zu dem nahezu identisch gelagerten Fall BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 ff.]: auf die Vorstellungen des Empfängers könne es nicht ankommen, wenn ein Kausalgeschäft überhaupt nicht geschlossen worden oder nichtig sei und keine Gegenleistung nicht erbracht wurde; ebenso ders., in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. 94 Vgl. Henckel, ZIP 1990, S. 137 (141) [zu dem nahezu identisch gelagerten Fall BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 ff.]. 95 In diese Richtung Kaehler, Bereicherungsrecht, S. 187 f.; D. König, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 43 f. 96 Überzeugend gegen das rechtsgeschäftliche Verständnis Kohte, BB 1988, S. 633 (634), der es für unangemessen hält, wenn man „§ 814 BGB vertraglich überhöht bzw. mit stillschweigenden Willenserklärungen befrachtet“, und Trabzadah, Ausschluss der Kondiktion, S. 31 ff. 97 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 207; Krawielicki, Grundlagen, S. 161. 98 Vgl. zur Beweislast des Gläubigers für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung nur BGH, Urt. v. 06.10.1994 – III ZR 165/93, NJW-RR 1995, 130 (131); Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 812 Rn. 92. 99 Motive BGB, S. 833, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 465. Ebenso die ganz herrschende Meinung, vgl. nur BGH, Urt. v. 17.10.2002 – III ZR 58/02, NJW 2002, 3772 (3773); Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 12.

II. Bewusst rechtsgrundlose Leistungen

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Merkmal aus und klärte damit zugleich die im gemeinen Recht lange umstrittene Frage, ob die Kondiktion tatbestandlich einen Irrtum des Schuldners über seine Leistungspflicht voraussetzt oder nicht: Der Irrtum des Schuldners über die Leistungspflicht gehört nach der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktion nicht mehr zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs, sondern schließt lediglich die Kondiktion aus, wenn dem Leistungsempfänger der Nachweis der Kenntnis von der Nichtschuld gelingt.100 Vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, aus § 814 Alt. 1 BGB einen rechtsgeschäftlichen Rechtsgrund oder eine gesetzliche Behaltensberechtigung herauszulesen.101 § 814 Alt. 1 BGB ist eine bloße Kondiktionssperre, die keinen materiellen Rechtsgrund zum Behaltendürfen schafft,102 sondern dem Leistenden lediglich die Möglichkeit nimmt, das rechtsgrundlos Geleistete vom Empfänger zurückzufordern.103 § 814 Alt. 1 BGB bildet somit keine rechtsgeschäftliche materielle Causa.104 Der rechtsgeschäftlichen Ansicht fehlt damit der Anknüpfungspunkt für die Unentgeltlichkeit, sodass die Anwendung des § 134 InsO grundsätzlich ausscheidet.105 Fischer spricht sich allerdings für eine analoge Anwendung aus, wenn der Schuldner bei der bewusst rechtsgrundlosen Leistung mit Schenkungswillen gehandelt habe.106 Verfolge er hingegen eigennützige Ziele – wie bei der Ausschüttung von Scheingewinnen – sei eine analoge Anwendung des § 134 InsO nicht angezeigt.107 d) Folgt man dem Ansatz der herrschenden Meinung und ermöglicht dem Insolvenzverwalter über §§ 143, 134 InsO die Rückforderung des rechtsgrundlos Geleisteten, stellt sich die Frage, ob der Anfechtungsanspruch auf Rechtsfolgenseite dem Bereicherungsanspruch angeglichen werden sollte. Einig ist man sich zunächst, dass § 814 Alt. 1 BGB nicht auf den Anfechtungsanspruch

100 So auch Kohte, BB 1988, S. 633 (634); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 6 I 1, S. 184 f. 101 Ebenso mit Verweis auf den Willen des Gesetzgebers Kohte, BB 1988, S. 633 (634 f.). 102 Gewährt der Empfänger das rechtsgrundlos Geleistete freiwillig an den Bereicherungsgläubiger zurück, so kann er diese Rückgewähr nicht seinerseits als rechtsgrundlose Leistung zurückfordern, da § 814 Alt. 1 BGB eben keine materielle Behaltensberechtigung erzeugt (so auch Trabzadah, Ausschluss der Kondiktion, S. 37 f.). 103 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 5 I 3, S. 91; Kleinschmidt, Verzicht, S. 376; Schwab, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 814 Rn. 1; Trabzadah, Ausschluss der Kondiktion, S. 37; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 126. 104 Vgl. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 207. Zu weitgehend daher Henckel, ZIP 1990, S. 137 (138), der meint, der Behaltensgrund für den Bereicherungsschuldner sei im Fall des § 814 Alt. 1 BGB eine „unausgesprochene, nicht vereinbarte unentgeltliche Causa“. 105 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 392. Auch das Schenkungsrecht hält die Anwendung der §§ 516 ff. BGB nur für möglich, wenn einverständlich auf eine nicht bestehende Schuld gezahlt wird, vgl. Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 42. 106 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 446. 107 Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 392, 446.

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zu übertragen ist.108 Denn der Anfechtungsanspruch ist ein originärer gesetzlicher Anspruch und § 143 Abs. 2 InsO verweist nur auf § 818 BGB, nicht hingegen auf die bereicherungsrechtlichen Kondiktionsausschlussgründe. Man kann allerdings überlegen, ob dem Empfänger der bewusst rechtsgrundlosen Leistung ausnahmsweise109 die Aufrechnung mit eigenen vorinsolvenzlichen Forderungen gestattet werden sollte. Im Jahr 1990 hatte der BGH diese Frage aus Billigkeitsgründen bejaht.110 Ohne § 814 Alt. 1 BGB hätten sich die Gegenforderung des Anfechtungsgegners und der Bereicherungsanspruch des Schuldners aufrechenbar gegenüber gestanden. Mit dem vertrauensschützenden Normzweck des § 814 Alt. 1 BGB sei es nicht zu vereinbaren, dass der Kondiktionsausschluss dem Empfänger die Möglichkeit zur Aufrechnung nehme und ihm auf diese Weise zum Nachteil gereiche. Zur Vermeidung eines Normwiderspruchs sei der Anfechtungsgegner daher so zu stellen, als habe er aufrechnen können. Im Phoenix-Fall wäre die Rückgewähr der Scheingewinne damit in der Regel nicht möglich, denn die Anleger könnten ihre (Schadensersatz- oder Bereicherungs-)Ansprüche auf Rückzahlung des angelegten Geldes111 mit dem Bereicherungsanspruch des Schuldners verrechnen. Der BGH ist dieser Einschätzung in den Phoenix-Urteilen entgegengetreten. Der Wertungswiderspruch bestehe unter Geltung der InsO nicht mehr, da der neu eingeführte § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Aufrechnung mit vorinsolvenzlich begründeten Ansprüchen nunmehr auch dann verbiete, wenn der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe.112 Sei die Hauptforderung des Insolvenzschuldners 108

BGH, Urt. v. 25.06.2009 – IX ZR 157/08, BeckRS 2009, 19758 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 198/07, BeckRS 2009, 10967 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 221/07, BeckRS 2009, 10598 in Rn.8; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (143 f.) in Rn. 14 f.; Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 6 Rn. 46; de Bra, LMK 2009, 276978; Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 392; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (283); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 13; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 45; Thole, KTS 2011, S. 219 (234 f.); ders., Gläubigerschutz, S. 457. Auch der BGH ging in dem Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 ff. nicht davon aus, § 814 Alt. 1 BGB sei generell auf den Anfechtungsanspruch zu übertragen, sondern führe lediglich dazu, dass dem Anfechtungsgegner die Möglichkeit zur Aufrechnung gewährt werden müsse (ebenso versteht dies auch Thole, Gläubigerschutz, S. 457: Die Anwendung des § 814 Alt. 1 BGB auf den Anfechtungsanspruch sei ein verbreitetes Missverständnis im Schrifttum). 109 Zum grundsätzlichen Ausschluss der Aufrechnung gegen den Anfechtungsanspruch vgl. oben S. 395 mit Fn. 7. 110 BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (105 f.). Dem auch unter Geltung der InsO zustimmend OLG Jena, Urt. v. 11.03.2008 – 5 U 551/07, ZIP 2008, 1887 (1888); OLG Frankfurt, Urt. v. 31.10.2007 – 19 U 58/07, NZI 2008, 100 (101); LG Weiden, Urt. v. 17.10.2007 – 5 S 52/07, BeckRS 2011, 06891. 111 Vgl. dazu von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 215 ff. 112 BGH, Urt. v. 25.06.2009 – IX ZR 157/08, BeckRS 2009, 19758 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 221/07, BeckRS 2009, 10598 in Rn.7; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX

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durch eine bewusst rechtsgrundlose Leistung und damit durch eine gem. § 134 InsO anfechtbare Rechtshandlung entstanden, wäre die Aufrechnung mit diesem Anspruch auch ohne die Existenz des § 814 Alt. 1 BGB nicht möglich, weil ihr nun das Aufrechnungsverbot gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenstehe.113 Daher bestehe kein Grund, dem Leistungsempfänger ausnahmsweise die Aufrechnung gegen den Anfechtungsanspruch zu ermöglichen. 2. Stellungnahme Die herrschende Meinung sieht bei bewusst rechtsgrundlosen Leistungen ein Bedürfnis, die Unentgeltlichkeitsanfechtung zuzulassen. Das hier entwickelte Modell zur Auslegung des § 134 InsO muss nun beweisen, dass es auch diese Fallkonstellation überzeugend zu lösen vermag (a). Anschließend sind die offenen Fragen auf Rechtsfolgenseite zu klären (b), (c). a) Die bewusste Leistung auf eine Nichtschuld als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO aa) Nach dem hier entwickelten Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung erfüllt die Leistung des Schuldners in Kenntnis der Nichtschuld die Voraussetzungen des § 134 InsO. Da es an jeder wirksamen Verknüpfung mit einer tauglichen Gegenleistung fehlt, ist sie ebenso objektiv unentgeltlich wie die irrtümlich rechtsgrundlose Leistung. Allerdings sind bei der bewusst rechtsgrundlosen Leistung auch die subjektiven Anforderungen auf Schuldnerseite erfüllt.114 Ein Schuldner, der bewusst auf eine Forderung leistet, die tatsächlich gar nicht besteht, gefährdet die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungs-

ZR 198/07, BeckRS 2009, 10967 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (141 ff.) in Rn. 8 ff.; Baumert, FD-InsR 2009, 274450; R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (322); Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 19. 113 BGH, Urt. v. 25.06.2009 – IX ZR 157/08, BeckRS 2009, 19758 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 221/07, BeckRS 2009, 10598 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 198/07, BeckRS 2009, 10967 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (142 f.) in Rn. 12 f.; Baumert, FD-InsR 2009, 274450; R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (322); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 37a; Runkel/ Schmidt, EWiR 2009, S. 419 (420); Zeuner, DZWiR 2009, S. 252 f. 114 Vollkommen parallel laufen der Anwendungsbereich des § 814 Alt. 1 BGB und des § 134 InsO allerdings nicht, da § 814 Alt. 1 BGB höhere subjektive Anforderungen an den bewusst rechtsgrundlos leistenden Schuldner stellt als § 134 InsO: So schließt bei § 814 Alt. 1 BGB jeder Rechtsirrtum die Kenntnis von der Nichtschuld aus [vgl. Kohte, BB 1988, S. 633 (635)], während es für § 134 InsO genügt, wenn der Schuldner Kenntnis von allen die Rechtsgrundlosigkeit begründenden Umständen hat, und ein bloßer Rechtsirrtum den subjektiven Anforderungen in seiner Person nicht entgegensteht (vgl. dazu oben S. 148 f.). Jedenfalls sind die Voraussetzungen des § 134 InsO aber stets erfüllt, wenn eine Leistung in Kenntnis der Nichtschuld i.S.d. § 814 Alt. 1 BGB vorliegt.

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ordnung. In seinem Verhalten spiegelt sich das Bewusstsein wider, ohne Entgelt leisten und den anderen Teil einseitig bereichern zu wollen. Selbst wenn er sich über die Rechtsfolgen des § 814 Alt. 1 BGB irrte und davon ausging, die Leistung später erfolgreich vom Empfänger zurückfordern zu können, liegt darin lediglich ein unbeachtlicher Rechtsirrtum. Denn dem Schuldner sind alle Umstände bekannt, die seine unentgeltliche Leistung begründen. Auf Seiten des Empfängers ist den subjektiven Anforderungen hingegen bereits genüge getan, wenn er erkennen konnte, überhaupt eine Leistung zu erhalten.115 Davon ist bei der bewusst rechtsgrundlosen Leistung auszugehen. Sein Vertrauen darauf, Empfänger einer rechtsbeständigen, entgeltlichen Leistung zu sein, wird hingegen nicht geschützt. Dies gilt auch dann, wenn der Irrtum durch die irreführende Tilgungszweckbestimmung des Schuldners bewusst hervorgerufen wurde.116 Der rein vorteilhafte Erwerb, den der Empfänger allein aufgrund des Schuldnerfehlverhaltens verbuchen kann, lässt die Anfechtung gerechtfertigt erscheinen.117 Ergänzender Schutz wird dem gutgläubigen Empfänger auf Rechtsfolgenseite über § 143 Abs. 2 InsO gewährt. Die bewusst rechtsgrundlose Auszahlung der Scheingewinne im Schneeballsystem der Phoenix GmbH ist demnach als unentgeltliche Leistung anfechtbar.118 Die Unentgeltlichkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Auszahlungen der Phoenix ermöglichten, ihr betrügerisches System aufrecht zu er-

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Siehe oben S. 220 ff. BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10, NZI 2013, 841 (843) in Rn. 21; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.12.2010 – IX ZR 199/10, NZI 2011, 107 in Rn. 10; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (140) in Rn. 6; LG Weiden, Urt. v. 17.10.2007 – 5 S 52/07, BeckRS 2011, 06891; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 45; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 10; Gerhardt, ZIP 1991, S. 273 (280 f.); Huber, AnfG, 11. Aufl., § 4 Rn. 21; ders., in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 14; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 13; ders., Gläubigerschutz, S. 457 f.; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 143 ff. 117 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 457. 118 Zur Rechtsprechung siehe die Nachweise auf S. 412 in Fn. 85, die sich sämtlich auf die Anfechtbarkeit von Scheingewinnauszahlungen beziehen. Aus der Literatur Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 129; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 37; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 15, 17; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 20; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 24a; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 7; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 19a; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 7; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/ Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G43; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 78 ff.; Siemon, BB 1991, S. 81 (84). A.A. [Entgeltlichkeit der Scheingewinnauszahlungen wegen Einbindung in den entgeltlichen Anlagevertrag] OLG Köln, Urt. v. 21.02.1990 – 16 U 105/89, ZIP 1990, 461 ff.; LG Köln, Urt. v. 29.08.1989 – 3 O 99/89, ZIP 1990, 191 (192 f.); Pape, EWiR 1990, S. 389 (390); Servatius, WuB VI A. § 134 InsO, 2.11; Sundermann, WuB VI B. § 32 Nr. 1 KO, 1.91. 116

II. Bewusst rechtsgrundlose Leistungen

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halten und dadurch weitere Betrugsopfer zu finden bzw. die Anleger zu weiteren Einlagen zu veranlassen.119 Denn diese erhofften wirtschaftlichen Vorteile bilden keine Gegenleistung der Anleger, sondern sind bloße Motive der Phoenix für die Auszahlung der Scheingewinne. Da § 134 InsO keine freigebige Absicht des Schuldners voraussetzt,120 schadet es nicht, dass die Phoenix mit den Auszahlungen keine altruistischen Ziele verfolgte, sondern von eigennützigen Motiven geleitet war.121 bb) Gegenstand der Anfechtung ist die rechtsgrundlose Leistung selbst und nicht lediglich der Verlust des bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruchs durch § 814 Alt. 1 BGB.122 Denn der Vorwurf des Schuldnerfehlverhaltens richtet sich nicht dagegen, dass der Schuldner rechtsgrundlos geleistet, aber auf den Rückforderungsanspruch ‚verzichtet’ hat, sondern bereits gegen die Leistung selbst: Ein wirtschaftlich handelnder Schuldner, der die Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Haftungsordnung respektiert, wird auf bekannterweise nicht bestehende Verbindlichkeiten keinerlei Leistung erbringen.123 Die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen dieses Schuldnerfehlverhaltens sollen mit der Anfechtung beseitigt werden, und dies ist – im Vergleich zur Situation ohne Schuldnerfehlverhalten – die Leistung selbst und nicht bloß der Verlust des Bereicherungsanspruchs. Darüber hinaus ist auch bei einer sonstigen unentgeltlichen Leistung die anfechtbare Rechtshandlung nicht in dem Verzicht auf die Gegenleistung, sondern in der einseitigen Bereicherung des Begünstigten zu sehen. § 134 InsO zielt nicht darauf, einen Ausgleich für die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung zu erzeugen, indem eine Gegenleistung geschaffen oder ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch (wieder-)begründet wird, sondern es sollen die Wirkungen der unentgeltlichen Leistung selbst rückgängig gemacht werden. Die Anfechtung führt somit nicht dazu, dass die Masse so zu stellen ist, als greife § 814 Alt. 1 BGB nicht ein, und dem Insolvenzverwalter somit ermöglicht wird, den Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger wieder durchzusetzen.124 Vielmehr kann der Insolvenzverwalter die bewusst rechtsgrundlose Leistung originär anfechtungsrechtlich zurückfordern. Der Rückgewähranspruch folgt demnach aus § 143 Abs. 2 InsO, und nicht aus § 812 BGB.125 119

Ebenso BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (104); R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (320). 120 Siehe oben S. 373 ff. 121 Ebenso auch Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 20. 122 So aber von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 128. Dagegen Thole, KTS 2011, S. 219 (233) in Fn. 58. 123 A.A. von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 134: Nicht die rechtsgrundlose Leistung sei das, was man dem Schuldner vorwerfen könne, sondern die Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit. 124 So die Rechtsfolge des Modells von von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 152 ff. 125 So aber von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 258 ff.

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

b) Zulassung einer Aufrechnung gegen den Anfechtungsanspruch? Die Anfechtung greift somit durch und erzeugt einen originären Anfechtungsanspruch, gegen den der Anfechtungsgegner grundsätzlich nicht mit eigenen, vorinsolvenzlich begründenden Forderungen aufrechnen kann. Für die geschädigten Anleger im Phoenix-Fall bedeutet dies, dass sie die ausbezahlten Scheingewinne in voller Höhe in die Insolvenzmasse zahlen müssen und ihre eigenen Schadensersatzforderungen, die ihnen aufgrund des betrügerischen Geschäftsmodells der Phoenix zustehen, nur zur Tabelle anmelden können. Bsp.: Anleger A hat sich mit einer Einlage in Höhe von 300.000 Euro an dem Geschäftsmodell der Phoenix beteiligt. Insgesamt wurden ihm Scheingewinne in Höhe von 100.000 Euro ausbezahlt. Diese Summe hat er in voller Höhe in die Masse zu erstatten. Seine Einlage ist aufgrund des Schneeballsystems hingegen verloren. Den daraus resultierenden Schadensersatzanspruch kann A nur zur Tabelle anmelden.

Dieses Ergebnis hat in der Rechtsprechung des BGH die Frage aufgeworfen, ob den Anlegern aus Wertungsgesichtspunkten die Aufrechnung gleichwohl ermöglicht werden sollte. aa) Stellungnahme zur Argumentation des BGH Aus Sicht des BGH hat sich der Wertungswiderspruch, der im Jahr 1990 die Möglichkeit zur Aufrechnung noch geboten erscheinen ließ, nach Einführung der InsO erledigt, weil die Aufrechnung nun auch ohne die Existenz des § 814 Alt. 1 BGB nicht möglich wäre. Die Argumentation des BGH baut auf zwei Prämissen auf: Zum einen soll § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine Änderung der Rechtslage gegenüber der Konkursordnung bewirkt haben (1). Zum anderen soll die Aufrechnung gegen einen durch eine unentgeltliche Leistung begründeten Bereicherungsanspruch an § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO scheitern (2). (1) Keine Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO wurde im Zuge der Insolvenzrechtsreform als neues Aufrechnungsverbot in den Katalog des § 96 InsO aufgenommen. Die Vorgängervorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 3 KO setzte noch voraus, dass zuerst die Forderung gegen den späteren Gemeinschuldner und erst anschließend seine eigene Forderung entstanden war.126 Der Insolvenzrechtsgesetzgeber war hingegen der Ansicht, das Vertrauen des Gläubigers auf den Bestand der Aufrechnungslage sei generell nicht schutzwürdig, wenn die Voraussetzungen der Aufrechnung vor Verfahrenseröffnung in anfechtbarer Weise herbeigeführt wurden.127 Unabhängig von der Reihenfolge des Entstehens der Forderungen soll 126 127

Uhlenbruck, in: Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 55 Rn. 16. RegE, Begr. zu § 108, BT-Drs. 12/2442, S. 141.

II. Bewusst rechtsgrundlose Leistungen

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dem Gläubiger in diesen Fällen die Aufrechnung stets verwehrt sein. Wurde die Aufrechnung schon vor der Insolvenzeröffnung erklärt, wird sie mit der Insolvenzeröffnung ipso iure rückwirkend unwirksam.128 Diesem Regelungsgedanken lässt sich nicht entnehmen, dass Aufrechnungen, die unter Geltung der KO noch insolvenzfest waren, im Anwendungsbereich der InsO nun erstmals angegriffen werden können.129 Vielmehr war die Anfechtbarkeit der Herstellung einer Aufrechnungslage auch schon unter Geltung der KO anerkannt.130 Hatte der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zur Aufrechnung in anfechtbarer Weise erlangt, konnte die mittels der Aufrechnungserklärung bewirkte Befriedigung des Insolvenzgläubigers durch eine Anfechtungserklärung des Insolvenzverwalters vernichtet werden.131 Die Angriffsmöglichkeiten waren dabei keineswegs auf die Tatbestände der Deckungsanfechtung beschränkt.132 Mit der Einführung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO inkorporierte der Gesetzgeber die bereits vorher bestehenden Anfechtungsmöglichkeiten in die Aufrechnungsverbote133 und bewirkte damit, dass der Verwalter die Anfechtung nun nicht mehr geltend machen machen muss, sondern die Aufrechnung schlichtweg keine Wirkung mehr entfaltet.134 Die aufgerechnete Hauptforderung kann ohne weiteres für die Masse geltend machen werden. Es ging dem Gesetzgeber bei der Einführung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO somit nicht darum, Aufrechnungslagen, die unter der KO insolvenzfest bestanden, mittels des Aufrechnungsverbots die Wirksamkeit zu nehmen. Vielmehr wollte er die bisherige Rechtsprechung des BGH kodifizieren135 und die Anfechtbarkeit der Aufrechnung zu einer automatischen Unwirksamkeit ausbauen.136 Eine Aufrechnung, die nach neuem Recht an § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.V.m. § 134 InsO scheitert, wäre somit nach altem Recht gem. § 32 Nr. 1 KO anfechtbar gewesen.137 Denn § 32 Nr. 1 KO ging ohne inhaltliche Änderungen in § 134 InsO auf, und § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO verweist schlicht auf das Anfechtungsrecht, ohne einen über die allgemeinen Anfechtungstatbestände hinausgehenden Anknüpfungspunkt für die Anfechtung zu schaffen. Die Einführung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hat somit keine Änderung der Rechtslage in der Weise 128

RegE, Begr. zu § 108, BT-Drs. 12/2442, S. 141. So auch de Bra, LMK 2009, 276978; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 295 ff. 130 Vgl. nur BGH, Urt. v. 02.02.1972 – VIII ZR 152/70, BGHZ 58, 108 (113 f.). 131 BGH, Urt. v. 02.02.1972 – VIII ZR 152/70, BGHZ 58, 108 (113 f.). 132 So aber die Einschätzung von BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 (141 f.) in Rn. 9. Dagegen de Bra, LMK 2009, 276978. 133 Vgl. Windel, in: Jaeger, InsO, § 96 Rn. 45 ff. 134 Vgl. de Bra, LMK 2009, 276978. Vgl. auch Adolphsen, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 45 Rn. 99. 135 So auch de Bra, LMK 2009, 276978. 136 de Bra, LMK 2009, 276978; von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 296. 137 So auch de Bra, LMK 2009, 276978. 129

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

geschaffen, dass Aufrechnungslagen, die unter der KO insolvenzfest bestanden, nunmehr an dem Aufrechnungsverbot scheitern. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob die Herstellung der Aufrechnungslage gem. § 134 InsO bzw. § 32 Nr. 1 KO anfechtbar ist, wenn der Anfechtungsgegner durch eine unentgeltliche Leistung des Schuldners etwas zur Masse schuldig geworden ist. Im Jahr 1990 lehnte der BGH dies ab, im Jahr 2008 hingegen hielt er § 134 InsO für einschlägig. (2) Anforderungen an die Herstellung einer Aufrechnungslage gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 134 InsO Grundsätzlich ist anerkannt, dass die Aufrechnungslage i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch dadurch anfechtbar hergestellt werden kann, dass der Gläubiger selbst etwas zur Masse schuldig wird.138 Es ist also im Grundsatz möglich, dass der Anleger im Phoenix-Fall die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise dadurch erlangt, dass an ihn eine rechtsgrundlose Leistung bewirkt und er somit einem Bereicherungsanspruch ausgesetzt wird. Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen dies auch für § 134 InsO gilt. Die Möglichkeit zur Aufrechnung gewährt dem Aufrechnungsberechtigten eine Sicherheit für seine Forderung gegen den Aufrechnungsgegner. Sie entspricht funktionell der Pfändung der gegen sich selbst gerichteten Forderung zur Sicherung der eigenen Gegenforderung.139 Diese Art der Sicherheit wird auch im Insolvenzverfahren anerkannt, § 94 InsO. Die Rechtsstellung des Aufrechnungsberechtigten gleicht daher im Grundsatz derjenigen eines Absonderungsberechtigten i.S.d. §§ 49 ff. InsO. Anders als dieser ist der Aufrechnungsberechtigte nicht auf die Durchsetzung seiner gesicherten Forderung im Verfahren nach den §§ 49 ff., 166 ff. InsO angewiesen, sondern kann sie durch Erklärung der Aufrechnung selbst verwirklichen (Selbstexekution).140 Die Grenzen, die § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO der Verwirklichung des Sicherungsrechts setzt, sind jedoch im Grundsatz mit denjenigen vergleichbar, denen sich auch die Inhaber eines Absonderungsrechts ausgesetzt sehen: Ebenso wie ein absonderungsberechtigter Gläubiger keine vorrangige Befriedigung verlangen kann, wenn der Erhalt der Sicherheit vom Insolvenzverwalter gem. §§ 130 ff. InsO angefochten wird, kann sich auch derjenige Gläubiger nicht durch Erklärung der Aufrechnung volle Befriedigung für seine Forderung verschaffen, der die Aufrechnungsmöglichkeit in anfechtbarer Weise erhalten hat.

138

Vgl. nur Windel, in: Jaeger, InsO, § 96 Rn. 48. Vgl. nur Bötticher, in: FS Schima, S. 95 ff.; Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, Vorbem zu §§ 387 ff. Rn. 6 mwN. 140 Zum Begriff der „Selbstexekution“ durch Aufrechnung vgl. bereits Motive BGB, S. 11, abgedr. bei Mugdan, Materialien BGB, Bd. 2, S. 62. 139

II. Bewusst rechtsgrundlose Leistungen

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Versteht man die Aufrechnungsmöglichkeit somit als Sicherheit für die Schadensersatzforderung des Anlegers gegen die Phoenix, muss sich die Anfechtbarkeit ihres Erwerbs nach den allgemeinen Grundsätzen über die Anfechtbarkeit der Sicherung einer eigenen Forderung richten.141 Hat der Anleger die Möglichkeit zur Aufrechnung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag erworben, ist an die §§ 130, 131, 132 InsO zu denken. Spiegelt die Herstellung der Aufrechnungslage eine vorsätzliche Benachteiligung der Phoenix gegenüber ihren Gläubigern wider und hatte der Anleger davon Kenntnis, kann die Aufrechnungslage über § 133 Abs. 1 InsO beseitigt werden. Ob die Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit als unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO anzusehen ist, richtet sich hingegen nach dem Entgeltcharakter des Kausalgeschäfts, dem die zu sichernde Forderung entspringt. Nur wenn durch die Herstellung der Aufrechnungslage eine unentgeltliche Forderung des Gläubigers besichert wird, kann die Sicherungswirkung über § 134 InsO beseitigt werden. Wird hingegen eine entgeltlich begründete Forderung abgesichert, so scheidet eine Anfechtung der Aufrechnungslage gem. § 134 InsO aus. Durch die Herstellung der Aufrechnungslage erhält der Anleger eine Sicherheit für seine Schadensersatzforderung. Diese resultiert nicht aus einer unentgeltlichen Kausalbeziehung. Damit ist aber auch die Sicherheit für diese Forderung nicht als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechtbar. Gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 134 InsO in anfechtbarer Weise hergestellt wäre die Aufrechnungslage nur, wenn die Gegenforderung unentgeltlich begründet wurde. Daher scheidet eine Unwirksamkeit der Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 134 InsO im Phoenix-Fall aus. Eine andere Bewertung rechtfertigt sich auch nicht deshalb, weil sich mit der Erklärung der Aufrechnung nicht nur das Sicherungsrecht des aufrechnenden Gläubigers verwirklicht, sondern zugleich auch die Forderung gegen den Anfechtungsgegner erfüllt wird.142 Dieser erhält auf diese Weise zwar die Möglichkeit, seiner Verpflichtung gegenüber der Masse durch Aufgabe einer wertlosen Insolvenzforderung nachzukommen. Darin liegt jedoch nichts anderes als die Rechtsfolge der Sicherungswirkung der Aufrechnung. Hätte der Gläubiger zur Sicherung seiner Forderung den gegen sich selbst gerichteten Bereicherungsanspruch gepfändet und zur Einziehung überweisen lassen, wäre die Forderung kraft Konfusion erloschen und die Masse hätte ebenfalls hinnehmen müssen, dass ihnen die werthaltige Forderung entgeht. Die mit der Aufrechnung einhergehende Erfüllungswirkung ist damit kein Sondervorteil des Gläubigers, der bei der Aufrechnung eine andere Beurteilung rechtfertigen würde als bei sonstigen Befriedigungen eines Gläubigers aus einem Sicherungsrecht.

141 142

Dazu oben S. 260 ff. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 162.

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

Die Herstellung einer Aufrechnungslage wird somit nicht dadurch zu einer gem. § 134 InsO anfechtbaren Leistung, dass die Hauptforderung des Schuldners durch eine unentgeltliche Leistung begründet wurde. Diese Erkenntnis wird der Grund dafür sein, warum der BGH im Jahr 1990 nur eine Anfechtung der Aufrechnungslage nach den §§ 30, 31 KO in Betracht zog, nicht hingegen nach § 32 KO. An den Grundsätzen zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit hat sich durch Einführung der InsO nichts geändert. Im Phoenix-Fall waren die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 134 InsO daher nicht erfüllt.143 bb) Kein Grund zur Gleichstellung des Anfechtungsgegners mit einem üblichen Bereicherungsschuldner Die Begründung des BGH im Phoenix-Urteil, mit der er den Anlegern die Möglichkeit zur Aufrechnung verwehrte, ist somit verfehlt.144 Durch die Einführung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist keine Änderung der Rechtslage eingetreten, die die Argumentation des BGH aus dem Jahr 1990 in Frage stellen würde. Der Anfechtungsgegner könnte auch nach der aktuellen Gesetzeslage seine Insolvenzforderungen gegen den Bereicherungsanspruch des Schuldners aufrechnen, wenn § 814 Alt. 1 BGB nicht existieren würde. Eine andere Frage ist jedoch, ob diese Erkenntnis tatsächlich einen Wertungswiderspruch erzeugt, der dazu zwingt, dem Anfechtungsgegner entgegen der klaren Regelung der §§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, 55 Abs. 1 Nr. 1 KO ausnahmsweise die Aufrechnung mit dem Anfechtungsanspruch zu ermöglichen. Zu beachten ist dabei zunächst, dass nicht die Existenz des § 814 Alt. 1 BGB dem Leistungsempfänger die Möglichkeit der Aufrechnung verwehrt, sondern die Anfechtbarkeit seines Erwerbs: Selbst wenn § 814 Alt. 1 BGB nicht existieren würde und der Leistungsempfänger vor der Insolvenzeröffnung mit dem Bereicherungsanspruch des Schuldners aufgerechnet hätte, wäre die bewusst rechtsgrundlose Leistung gleichwohl gem. § 134 InsO anfechtbar. Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch würde nicht infolge der Aufrechnung erlöschen, weil § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO diese Art der Befriedigung verbietet. Nicht die Existenz des § 814 Alt. 1 BGB wirkt sich somit zum Nachteil des Leistungsempfängers aus,145 sondern die Tatsache, dass bewusst rechtsgrundlose Leistungen gem. § 134 InsO anfechtbar sind. Möglich ist diese Anfechtung nur deshalb, weil das Vertrauen des Empfängers auf den rechtsbeständigen Empfang einer entgeltlichen Leistung im Rahmen des § 134 InsO nicht geschützt wird. Dann aber erscheint es inkonsequent, diese Grundentscheidung auf Rechtsfolgenseite wieder in Frage zu stellen. Denn § 814 Alt. 1 BGB ist 143

A.A. de Bra, LMK 2009, 276978. Ebenso de Bra, LMK 2009, 276978; Keller/Tetzlaff, ZInsO 2009, S. 2228 (2229); von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 291 ff. Kritisch auch Tetzlaff, GWR 2009, 286224; Thole, KTS 2011, S. 219 (236): „Zirkelschluss“. 145 So aber BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 (106). 144

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kein besonderer Vertrauenstatbestand zugunsten des Empfängers, sondern Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens des Leistenden.146 Der Empfänger wird nicht privilegiert, weil er besonders schutzwürdig wäre, sondern weil der Leistende schutzunwürdig ist. Entscheidet man sich auf Tatbestandsebene gegen den Vertrauensschutz des Empfängers, ist § 814 Alt. 1 BGB nicht geeignet, diesen auf Rechtsfolgenseite wieder herzustellen. Bekennt man sich zur Anfechtbarkeit bewusst rechtsgrundloser Leistungen, weil der Empfänger keinen Vertrauensschutz genießt, gibt es keinen Grund, ihn besser zu stellen als die sonstigen Empfänger einer unentgeltlichen Leistung.147 Es gehört nun einmal zu den Rechtsfolgen des anfechtbar begründeten Erwerbs, dass ein originärer Anfechtungsanspruch entsteht, der den Rückforderungsanspruch aus der Rechtsbeziehung zwischen Anfechtungsgegner und Schuldner herauslöst. Auch der Schenkungsempfänger mag sich fragen, warum er schlechter steht als jemand, der vom Schuldner irrtümlich ohne jeden Rechtsgrund erworben hat.148 Gleichwohl wird er nicht dem Empfänger einer irrtümlich rechtsgrundlosen Leistung gleichgestellt. Daher hat auch der Empfänger einer anfechtbaren, da bewusst rechtsgrundlosen Leistung keinen Anspruch, so gestellt zu werden wie ein anderer Rückgewährschuldner, dessen Erwerb nicht die Anfechtungsvoraussetzungen erfüllt. cc) Zwischenergebnis Es besteht somit kein Anlass, dem Empfänger einer bewusst rechtsgrundlosen Leistung die Möglichkeit der Aufrechnung zu gewähren. Die Wertungsentscheidung, die der BGH im Jahr 1990 getroffen hat, ist verfehlt.149 Der BGH hat sie daher im Jahr 2008 zu Recht korrigiert. Er hätte sich allerdings klar dazu bekennen sollen, dass er seine Entscheidung neu überdacht hat, anstatt sich auf eine vermeintliche Änderung der Rechtslage zu berufen: Geändert hat sich nicht die Rechtslage, sondern die Auffassung des BGH.150

146 Vgl. dazu, dass der Vertrauensschutz nicht der tragende Gedanke hinter § 814 Alt. 1 BGB ist Larenz/Canaris, Schuldrecht BT, Bd. II, TeilBd. 2, 13. Aufl., § 68 III 1 a; Trabzadah, Ausschluss der Kondiktion, S. 33 f.; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 814 Rn. 10. Anders BGH, Urt. v. 18.01.1979 – VII ZR 165/78, BGHZ 73, 202 (206). 147 I.E. ebenso Bork, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, § 134 Rn. 46; de Bra, LMK 2009, 276978. 148 Vgl. zu diesem Gedanken auch Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 46. 149 Ebenso Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 45; Keller/Tetzlaff, ZInsO 2009, S. 2228 (2229); Thole, KTS 2011, S. 219 (236); Zeuner, DZWiR 2009, S. 252 (253). 150 de Bra, LMK 2009, 276978; Keller/Tetzlaff, ZInsO 2009, S. 2228 (2229); von Wilmowsky, Schneeballsysteme, Rn. 299. Vgl. auch Römermann, NZG 2009, S. 1261 (1262 f.).

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Kapitel 1: Rechtsgrundlose Leistungen

3. Fazit Im Ergebnis ist der Phoenix-Rechtsprechung somit zu folgen. Die Scheingewinnauszahlungen sind als bewusst rechtsgrundlose Leistungen des Schuldners anfechtbar. Ausschlaggebend dafür ist der in der Leistung zum Ausdruck gekommene einseitige Bereicherungswille der Phoenix gegenüber ihren Anlegern. Damit treten auch die harten Rechtsfolgen des originären Anfechtungsanspruchs ein: Die Anleger müssen die rechtsgrundlos ausgezahlten Scheingewinne an die Masse zurückzahlen, ohne mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen zu können. Ihren Einlagenrückzahlungsanspruch können sie auch nicht mit dem Anfechtungsanspruch saldieren, denn die Einlage steht in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis zu den Scheingewinnen.151 Den angeblichen Gewinnauszahlungsanspruch können die Anleger nicht als entgeltliche Forderung zur Tabelle anmelden, da dieser nicht wirksam bestand und daher auch nicht über § 144 Abs. 1 InsO wieder aufleben kann.152

151 Vgl. BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 (2126) in Rn. 7 ff.; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 20; Kirchhof, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 143 Rn. 104; Thole, KTS 2011, S. 219 (236). A.A. OLG München, Urt. v. 04.08.2009 – 5 U 2971/09, NZI 2009, 808 (809). Zur Frage der Anwendung der Saldotheorie im Rahmen des § 143 Abs. 2 InsO vgl. Heim, Schenkungsanfechtung, S. 268 f. 152 Vgl. R. Paulus, ZInsO 2010, S. 315 (316 ff.). Allerdings spricht viel dafür, dass die Anleger – vergleichbar mit den Empfängern einer Handschenkung (dazu oben S. 388) – eine unentgeltliche Forderung i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO geltend machen können, wenn genug Masse vorhanden ist, um alle Insolvenzforderungen zu befriedigen. Vgl. dazu Piekenbrock, in: Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S. 51 (79).

Kapitel 2 K a p ite l 2 :

Die Unentgeltlichkeitsanfechtung bei der Tilgung und Sicherung fremder Verbindlichkeiten

Teil B: Tilgung und Sicherung fremder Verbindlichkeiten

Den letzten Prüfstein für die Überzeugungskraft des entwickelten Modells der Unentgeltlichkeitsanfechtung bilden die Fälle der Tilgung und der Sicherung fremder Verbindlichkeiten. Diese beiden Konstellationen verbindet, dass ein außenstehender Dritter in die Abwicklung eines fremden Kausalverhältnisses involviert ist: Während sich der Dritte bei der Tilgung einer fremden Schuld auf Veranlassung des Forderungsschuldners oder aus eigenem Antrieb in den Erfüllungsvorgang einmischt, wird er bei der Sicherung einer fremden Schuld von den Vertragsparteien bewusst zur Absicherung ihres Schuldverhältnisses herangezogen. Durch die Einbeziehung des Dritten wird der sichere Boden der ausschließlich zwischen zwei Personen bestehenden Rechtsbeziehung verlassen. Im Anfechtungsrecht wirft dies zahlreiche neue Fragen auf: Es ist zu klären, zwischen welchen Personen nun die Anfechtungsbeziehungen verlaufen und welche Anfechtungsgründe in den jeweiligen Rechtsbeziehungen einschlägig sind. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Anfechtung in Mehrpersonenkonstellationen die Rechtsprechung und Literatur intensiv beschäftigt.1 Für den Gegenstand dieser Arbeit ist sie von besonderer Relevanz, weil die herrschende Meinung der Unentgeltlichkeitsanfechtung in diesen Fallgestaltungen eine ganz zentrale Bedeutung zuweist: Sie soll den Gläubigern des zahlenden Dritten einen Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger ermöglichen, der sonst nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 133 InsO möglich wäre. Ob dieser Direktdurchgriff vor dem Hintergrund des hier entwickelten Modells zu überzeugen vermag, ist im Folgenden zu untersuchen. Die Prüfung gliedert sich in die beiden Problemkomplexe der Tilgung und der Besicherung fremder Verbindlichkeiten. Innerhalb der Darstellung zur Tilgung einer fremden Schuld wird der befriedigte Gläubiger als ‚Forderungsgläubiger’, der durch

1 Vgl. nur die Dissertationen von Burchard, Die Insolvenzanfechtung im Dreieck, 2009, und Neyses, Die Insolvenzanfechtung in Mehrpersonenverhältnissen, 2012, sowie die umfangreiche Aufsatzliteratur in den folgenden Fußnoten. Aus der Rechtsprechung sind insbesondere zu nennen BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 ff.; BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 ff.; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 ff.; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 ff.

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die Zahlung von seiner Verbindlichkeit befreite Schuldner als ‚Forderungsschuldner’ und der außerhalb des Schuldverhältnisses stehende, zahlende Dritte als ‚Dritter’ bezeichnet. Bei der Sicherung einer fremden Schuld bleibt der Hauptschuldner terminologisch der ‚Forderungsschuldner’, während der Forderungsgläubiger nun als ‚Sicherungsnehmer’ und der Dritte als ‚Sicherungsgeber’ bezeichnet wird. I. Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten I. Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten

Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Anwendung des § 134 InsO im Fall der Tilgung einer fremden Schuld. Die hier gewonnenen Ergebnisse sind zugleich die Richtschnur für die anschließende Beurteilung der Anfechtungsmöglichkeiten bei der Sicherung einer fremden Schuld: Dort verpflichtet sich der Sicherungsgeber gerade zur Erfüllung der fremden Verbindlichkeit im Sicherungsfall. Angesichts dieser engen Verwandtschaft müssen die Anfechtungsmöglichkeiten in beiden Fällen in einem stimmigen Verhältnis zueinander stehen. Tilgt ein Dritter eine fremde Schuld, so lässt seine Zahlung die Forderung zwischen dem Forderungsschuldner und dem Gläubiger erlöschen. Der Dritte kann dabei in unterschiedlicher Art und Weise in die Abwicklung des fremden Schuldverhältnisses einbezogen werden: Einerseits kann ihn der Forderungsschuldner gem. § 278 Abs. 1 S. 2 BGB als Erfüllungsgehilfen einsetzen. Dann liegt eine eigene Leistung des Forderungsschuldners vor, bei der er sich lediglich der Hilfe des Dritten bedient.2 Die Verbindlichkeit erlischt gem. § 362 Abs. 1 BGB. Der Dritte wiederum leistet nicht an den Forderungsgläubiger, sondern ordnet sich der Leistungsbestimmung des Forderungsschuldners unter. Er hat keinen eigenen Fremdtilgungswillen, sondern vollzieht lediglich die Tilgungszweckbestimmung des Forderungsschuldners.3 Der Dritte kann die Leistung an den Gläubiger aber auch aus eigenem Antrieb für den Schuldner bewirken.4 Er erbringt dann eine eigene Leistung an 2 Die für die Person des Leistenden ausschlaggebende Tilgungszweckbestimmung wird entweder vom Forderungsschuldner formuliert und vom Dritten als Bote überbracht, vom Dritten als Stellvertreter im Namen des Forderungsschuldners formuliert oder vom Dritten eigenständig formuliert, aber dem Forderungsschuldner zugerechnet, vgl. Beuthien, JZ 1968, S. 323 (325). Die Fälle der nur zugerechneten Tilgungszweckbestimmung würde die enge Gegenansicht (vgl. sogleich Fn. 6 a.E.) hingegen unter § 267 BGB fassen, da der Dritte hier eine eigene Tilgungszweckbestimmung formuliert und damit eigentlich als Leistender auftritt. 3 Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 267 Rn. 7. Vgl. zur Bedeutung der Leistungszweckbestimmung für die Person des schuldrechtlich Leistenden auch oben S. 168 ff. 4 Vgl. zum Gegensatz der Leistung als Erfüllungsgehilfe und der Leistung aus eigenem Antrieb als Dritter i.S.d. § 267 BGB etwa Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 267 Rn. 5; Krüger, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 267 Rn. 10.

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den Forderungsgläubiger: Die Leistungszweckbestimmung stammt nun von ihm.5 Die fremde Schuld erlischt in diesem Fall gem. § 267 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Abgrenzung zwischen der eigenen Leistung des Dritten i.S.d. § 267 BGB und der Eigenleistung des Forderungsschuldners unter bloßer Zuhilfenahme des Dritten erfolgt danach, ob der Dritte erkennbar aus eigenem Antrieb, also unabhängig vom Willen und von einer Veranlassung des Forderungsschuldners, den fremden Gläubiger befriedigt hat.6 Entscheidend ist, wer aus Sicht eines objektiven Empfängers die Leistungszweckbestimmung abgegeben hat.7 Von wem die Leistungszweckbestimmung tatsächlich stammt oder wer für die Schuldtilgung eigenes Vermögen aufgewendet hat, ist demgegenüber nur nachrangig von Bedeutung.8 Hat der Dritte für die Befriedigung des fremden Gläubigers eigenes Vermögen eingesetzt,9 stellt sich für seine Gläubiger die Frage, ob und gegen wen sie Anfechtungsansprüche geltend machen können. In erster Linie werden sie sich an den Forderungsschuldner halten: Dieser wurde von seiner Verbindlichkeit befreit und kann daher einen materiellen Vermögensvorteil verbuchen.10 Kam 5

Vgl. Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 6. Aufl., § 13 Rn. 62. So Beuthien, JZ 1968, S. 323 (326); Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 267 Rn, 5, 8; Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (545). Vgl. auch Krüger, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 267 Rn. 9 f.; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 6. Aufl., § 13 Rn. 61. 7 BGH, Urt. v. 06.11.2008 – III ZR 120/08, NJW-RR 2009, 345 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 21.10.2004 – III ZR 38/04, NJW 2005, 60 f.; BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 71/76, BGHZ 72, 246 (249); Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 267 Rn. 8; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 12 I 3 b, S. 454; Schmidt-Kessel/Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 812 Rn. 149. Vgl. dazu auch oben S. 171. 8 Vgl. oben S. 169 ff. 9 Fehlt es auf Seiten des Dritten an dem Einsatz von eigenen Vermögenswerten, die seinen eigenen Interessen zu dienen bestimmt sind, so findet zwischen ihm und dem Forderungsgläubiger keine materielle Zuwendung statt und die Anwendung des § 134 InsO kommt von vornherein nicht in Betracht. Wurde dem Dritten etwa ein Vermögenswert in treuhandähnlicher Art und Weise vom Forderungsschuldner mit der Zweckbestimmung übertragen, ihn zur Befriedigung seiner Gläubiger zu verwenden, und leitet der Dritte diese – materiell (!) nie in sein Vermögen eingegliederten – Werte an die fremden Gläubiger weiter, so vollzieht sich zwischen ihm und den Gläubigern keine materielle Zuwendung. Vielmehr verläuft die materielle Zuwendungsbeziehung direkt zwischen dem Forderungsschuldner und den befriedigten Gläubigern (vgl. dazu auch oben S. 200 ff.). 10 Rechtsprechung und Literatur sehen den Forderungsschuldner daher auch als primären Gegner einer Anfechtung der Gläubiger des Dritten, vgl. nur BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 13; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJWRR 2006, 1136 (1137) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679; BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); FG Köln, Urt. v. 23.01.2007 – 1 K 334/02, ZInsO 2007, 718 (719); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, 6

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der Dritte mit der Tilgungsleistung einer eigenen Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner nach, kommt die Anfechtung gem. §§ 130, 131 InsO in Betracht.11 Wurde die Verpflichtung des Dritten unentgeltlich begründet, können seine Gläubiger die Anfechtung gem. § 134 InsO verfolgen.12 Befriedigte der Dritte den Forderungsgläubiger hingegen ohne eigene Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner, ist an eine Anfechtung wegen unmittelbarer Benachteiligung gem. § 132 InsO zu denken, falls der Regressanspruch gegen den Forderungsschuldner im Zeitpunkt der Drittbefriedigung bereits wertlos war.13 Nahm der Dritte die Schuldtilgung in Schenkungsabsicht vor (§ 685 BGB) oder verzichtete er auf seinen Regressanspruch, kommt hingegen die Anfechtung gem. § 134 InsO in Betracht.14 Gegenüber dem Forderungsschuldner sind die Gläubiger des Dritten somit umfassend zur Anfechtung befugt. Verspricht diese jedoch keinen Erfolg, weil kein Anfechtungsgrund einschlägig oder der Forderungsschuldner vermögenslos ist,15 stellt sich für die Gläubiger des Dritten die Frage, ob sie auch direkt auf den befriedigten Forderungsgläubiger durchgreifen können. Da dieser kein Insolvenzgläubiger des Dritten ist, scheidet eine Anfechtung gem. §§ 130, 131 InsO aus.16 Auch die Anfechtung wegen unmittelbarer Benachteiligung gem. InsO, § 134 Rn. 60; Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 88; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 121; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 64; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 9; Gundlach/Frenzel/ Schmidt, InVo 2004, S. 485 (487); Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 25; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25;. 11 Vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 89; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 150; Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1674); Höpfner, EWiR 2004, S. 771 (772); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (884). Die Tatsache, dass der Dritte an einen Dritten gezahlt hat, macht die Leistung nicht notwendig inkongruent, vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 89; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 150; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (884). 12 Vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 90; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 123 f.; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 65; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 108; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 212; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (884). 13 Vgl. dazu und zu den Voraussetzungen dieser Anfechtung Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 121 f., 144, 269 ff. Im Fall der Eigenverpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner wird die Anfechtung gem. § 132 InsO durch die Tatbestände der Deckungsanfechtung verdrängt, vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 89; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 150. 14 BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (100); Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 278; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 110. 15 Vgl. zu weiteren Motiven für einen Direktdurchgriff Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 112. 16 BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NJW-RR 2004, 983 f.; OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904 (905); Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 92; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 114, 278; Henckel, ZIP 2004,

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§ 132 InsO findet keine Anwendung.17 Ein Direktdurchgriff mit Hilfe der Vorsatzanfechtung ist zwar möglich,18 erfordert allerdings den schwer zu erbringenden Nachweis der hohen subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO. Aussichtsreich erscheint damit oftmals allein die Unent-geltlichkeitsanfechtung: Würde sie den Gläubigern des Dritten den Direkt-durchgriff ermöglichen, stünde diesen als potentieller Anfechtungsgegner neben dem Forderungsschuldner auch der Forderungsgläubiger zur Verfügung. Es ist daher zu fragen, unter welchen Voraussetzungen die Gläubiger des Dritten gem. § 134 InsO direkt auf den befriedigten Forderungsgläubiger durchgreifen können. Dazu ist zunächst ein Überblick über die von der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien zu geben (1.).19 Die dort erzielten Ergebnisse begegnen erheblichen Bedenken (2.). In der Literatur und der Instanzenrechtsprechung haben sich daher kritische Stimmen entwickelt, die auf ihre Überzeugungskraft zu untersuchen sind (3.). Anschließend wird auf Grundlage des entwickelten Modells ein eigener Alternativvorschlag unterbreitet (4.).

S. 1671 f.; Huber, NZI 2004, S. 375 (376); ders., in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 13; ders., ZInsO 2010, S. 977; Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 130 Rn. 19; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (883). Noch offengelassen von BGH, Urt. v. 21.05.1980 – VIII ZR 40/79, NJW 1980, 1961 (1962). Mit einer Anwendung der §§ 130, 131 InsO sympathisieren hingegen Gundlach/Frenzel/Schmidt, InVo 2004, S. 485 (487 f.). 17 In Anweisungsfällen ist dies unstreitig, vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 93; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 114 f.; Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1673); Huber, ZInsO 2010, S. 977 (978). Offengelassen von OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904 (905); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (883). Unter welchen Umständen § 132 InsO im Fall der eigenmächtigen Drittleistung Anwendung findet, ist bislang noch nicht geklärt: Offengelassen von BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NJW-RR 2004, 983 (984); ausschließend Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 95; befürwortend Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 281 f. 18 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904 (905); Bartels, WuB VI C. § 32 KO, 1.05; Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 96 ff.; Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1674); Huber, NZI 2004, S. 375 (376); ders., ZInsO 2010, S. 977 (978); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (883). Mit Einschränkung auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 117 ff., 282. 19 Der Großteil der Literatur hat sich der BGH-Rechtsprechung unreflektiert angeschlossen und beschränkt sich auf eine Wiedergabe der dort aufgestellten Grundsätze (so auch die Einschätzung von Thole, Gläubigerschutz, S. 460), vgl. Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 10, 17 f.; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 18; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 9 ff.; Huber, in: Graf-Schlikker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 4, 13; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 19; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 12; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 15 und die Nachweise in den folgenden Fußnoten.

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1. Die Grundsätze der herrschenden Meinung Die herrschende Meinung im Anfechtungsrecht hält einen Durchgriff auf den Forderungsgläubiger gem. § 134 InsO grundsätzlich für möglich. Ob der Dritte dabei als bloßer Erfüllungsgehilfe des Forderungsschuldners oder als selbstständig leistender Dritter i.S.d. § 267 BGB tätig geworden sei, spiele keine Rolle – entscheidend sei einzig, dass er eigenes Vermögen eingesetzt und damit durch seine Rechtshandlung die Befriedigungsaussichten seiner Gläubiger verschlechtert habe. Einen systematischen Ausschluss, der die Anfechtungsoptionen auf den Forderungsschuldner oder den Forderungsgläubiger beschränken würde, gibt es somit nicht. Die Anfechtung ist gegenüber jedem möglich, für den die Tilgungsleistung unentgeltlich ist.20 a) Die maßgebliche Perspektive zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit Über den Erfolg der Anfechtung entscheidet somit allein, ob die Tilgungsleistung im Verhältnis zwischen dem Forderungsgläubiger und dem Dritten unentgeltlich ist.21 Ein Kausalverhältnis, auf das für die Entgeltfrage zurückgegriffen werden könnte, existiert aber zwischen Forderungsgläubiger und Drittem nicht. Die Unentgeltlichkeit kann daher nur anhand eines objektiven Vermögensvergleichs vor und nach der Tilgungsleistung bestimmt werden. Da mehrere Personen in den Zuwendungsvorgang eingebunden sind, wird die Frage relevant, ob für diesen Vermögensvergleich die Perspektive des Schuldnervermögens und/oder die Perspektive des Vermögens des befriedigten Forderungsgläubigers maßgeblich ist.22 aa) Die Ansicht der Rechtsprechung zu dieser Frage hat sich im Laufe der Zeit geändert. Im ersten Urteil zur Tilgung einer fremden Schuld nahm das Reichsgericht noch ausschließlich die Schuldnerperspektive ein. Der Erfolg der Anfechtung sollte sich allein danach richten, ob dem Vermögen des Dritten ein ausgleichender Gegenwert zugeflossen sei oder nicht.23 Ein solcher Gegenwert konnte in dem Freiwerden von einer eigenen Verbindlichkeit,24 aber auch im 20

Vgl. Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 60, 61; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 57, 63; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b. 21 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 61; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 110. Vgl. auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 57. 22 Dazu siehe bereits oben S. 19 ff. 23 RG, Urt. v. 27.11.1883 – Rep. II 268/83, RGZ 10, 86 (87). 24 RG, Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (7); RG, Urt. v. 17.01.1902 – Rep. VII 366/01, RGZ 50, 134 (137); RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (415); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (300); OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218); OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541).

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Erwerb eines werthaltigen25 Regressanspruchs gegen den Forderungsschuldner liegen.26 Die Unentgeltlichkeitsanfechtung war somit nur dann erfolgreich, wenn der Dritte weder dem Forderungsschuldner noch einem anderen zu der Leistung verpflichtet war und auch keinen sonstigen ausgleichenden Gegenwert – etwa in Form eines werthaltigen Regressanspruchs – erhielt.27 Irrelevant war demgegenüber, ob der Forderungsgläubiger infolge der Tilgungsleistung eine eigene Vermögenseinbuße erlitt: Dass er durch die Tilgungsleistung eine (möglicherweise werthaltige) Forderung gegen den Forderungsschuldner verliert, konnte lediglich auf Rechtsfolgenseite bei der Entreicherung berücksichtigt werden.28 bb) Während das Reichsgericht in den folgenden Urteilen offen ließ, ob diese Auffassung den Interessen des Forderungsgläubigers tatsächlich gerecht wird,29 stellte der BGH im Jahr 1964 klar, dass der Durchgriff auf den Forderungsgläubiger nur dann möglich sein soll, wenn die Tilgungsleistung sowohl aus der Perspektive des Dritten als auch aus der Perspektive des Forderungsgläubigers unentgeltlich war.30 Die Unentgeltlichkeit setzte sich also aus einer 25

Ein wertloser Regressanspruch kann die Vermögenseinbuße hingegen nicht ausgleichen, vgl. RG, Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (8); RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (416); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (301); OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2001 – 9 U 88/00, NZI 2002, 112 (113); OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218); OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541). 26 RG, Urt. v. 17.01.1902 – Rep. VII 366/01, RGZ 50, 134 (135); RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (415); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (301). 27 Vgl. RG, Urt. v. 27.11.1883 – Rep. II 268/83, RGZ 10, 86 (87); RG, Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (8); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (300); BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679 (1680). Vgl. auch BGH, Urt. v. 16.06.1994 – IX ZR 94/93, NJW 1994, 2893 (2895); OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2001 – 9 U 88/00, NZI 2002, 112 (113); OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218); OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 25. 28 RG, Urt. v. 27.11.1883 – Rep. II 268/83, RGZ 10, 86 (88). 29 So im Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (8): In dem zugrundeliegenden Fall war die getilgte Forderung wertlos, sodass jedenfalls keine ausgleichende Vermögenseinbuße des Gläubigers vorlag und das Reichsgericht die Frage daher offenlassen konnte. Weiterhin nur auf die Schuldnerperspektive abstellend RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (415 f.), allerdings war auch hier eine Bereicherung des Empfängers gegeben und die Frage daher nicht erheblich. 30 BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (300 ff.); BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679 (1680); OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2001 – 9 U 88/00, NZI 2002, 112 (113 f.); OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218 f.); OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 f.;

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

kombinierten Prüfung des Vermögenssaldos beim Dritten und beim Forderungsgläubiger zusammen: Nur wenn die Tilgungsleistung für beide unentgeltlich war, griff die Anfechtung gegen den Forderungsgläubiger durch. cc) Im Jahr 2005 vollzog der BGH einen erneuten Paradigmenwechsel: Seitdem soll ausschließlich die Empfängerperspektive über den Erfolg der Anfechtung entscheiden.31 Es soll nunmehr unerheblich sein, ob das Vermögen des Dritten einen äquivalenten Ausgleich erfahren habe – ausschlaggebend sei allein, ob der Forderungsgläubiger seinerseits eine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hatte oder nicht.32 Hat dieser für die Befriedigung durch den Dritten nichts aufwenden müssen, greift die Anfechtung gem. § 134 InsO somit auch dann durch, wenn der Dritte einen – im Zeitpunkt der Tilgungsleistung werthaltigen – Regressanspruch erworben hat33 oder dem Forderungsschuldner oder einem sonstigen Dritten zu der Leistung verpflichtet war und durch die Tilgungsleistung von dieser Verbindlichkeit befreit wurde.34 Denn ein von dritter Seite erbrachter Vermögensausgleich beim Dritten mache den befriedigten Forderungsgläubiger noch nicht schutzwürdig. OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541). Sich nach wie vor für diesen Prüfungsmaßstab aussprechend Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885). I.E. ebenfalls, aber unreflektiert an die alte Rechtsprechung anknüpfend Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 17. 31 Zu diesem – von Literatur und Rechtsprechung meist nicht so deutlich erkannten – grundlegenden Kurswechsel auch Bitter, Zahlungsmittler im Insolvenzanfechtungsrecht, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (82). 32 So deutlich erstmals BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (99), allerdings bezogen auf eine Anfechtung gegenüber dem Forderungsschuldner, der zusammen mit dem Dritten für die Forderung haftete. Daran anschließend, auch im Verhältnis zum Forderungsgläubiger dann BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (279 ff.); BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) Rn. 10; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 13, 18; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJWRR 2008, 1628 in Rn. 11; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 in Rn. 6 (zur Sicherung einer fremden Schuld); BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 Rn. 8; BGH, Urt. v. 10.09.2015 – IX ZR 220/14, ZIP 2015, 2135 (2136) in Rn. 8; OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.01.2014 – 2– 08 O 93/13, ZInsO 2014, 965 (967); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 61; Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; Kirstein, EWiR 2011, S. 23 (24); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 110. 33 Vgl. BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 17. 34 BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (282); BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 17; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (232) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 16; OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); LG

I. Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten

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b) Bestimmung der Unentgeltlichkeit auf Seiten des Forderungsgläubigers aa) Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH kommt es somit allein darauf an, ob der Forderungsgläubiger für die Drittbefriedigung seiner Forderung eine Gegenleistung zu erbringen hatte oder nicht.35 Eine solche Gegenleistung soll insbesondere im Verlust der Forderung gegen den Forderungsschuldner liegen.36 Verliere der Forderungsgläubiger infolge der Drittleistung das Recht, die geschuldete Leistung von seinem Schuldner zu fordern, so erleide er ein Vermögensopfer, das der anfechtungsrechtlichen Inanspruchnahme aus § 134 InsO entgegenstehe. Anders sei dies jedoch, wenn die Forderung im Zeitpunkt der Befriedigung wegen Vermögenslosigkeit des Forderungsschuldners nicht mehr Frankfurt/M., Urt. v. 17.01.2014 – 2–08 O 93/13, ZInsO 2014, 965 (967); LG Stuttgart, Urt. v. 05.11.2013 – 16 O 556/12, ZInsO 2014, 406 (408); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 61, 63; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 73; Gehrlein, in: Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 12; Kirchhof, in: FS Fuchs, S. 97 (100 f.); Kirstein, EWiR 2011, S. 23 (24); Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 12. Auch BGH, Urt. v. 04.03.1999 – IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96 (101), allerdings im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Drittem. 35 BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (301 f.); OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218); OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31. 36 BGH, Urt. v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 (2209) in Rn. 6; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 13; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 13; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NJW-RR 2004, 983; BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679; BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302); OLG Koblenz, Urt. v. 17.03.2015 – 3 U 977/14, NZI 2015, 472 (473); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211); OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2001 – 9 U 88/00, NZI 2002, 112 (114); LG Köln, Urt. v. 22.10.2014 – 26 O 140/13, NZI 2015, 76; LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.01.2014 – 2–08 O 93/13, ZInsO 2014, 965 (967); FG Köln, Urt. v. 23.01.2007 – 1 K 334/02, ZInsO 2007, 718 (719). Aus der Literatur Busch/ Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 66; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 9; Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 25; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 13; ders., ZInsO 2010, S. 977 (978); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 12. Möglicherweise einschränkend Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31a, der darlegt, die Erfüllung einer entgeltlichen Forderung des Gläubigers durch einen Dritten sei entgeltlich, wenn dieser dadurch eine vollwertige eigene Forderung verliere; ob im Fall einer unentgeltlichen Forderung etwas anderes gilt, etwa stets Unentgeltlichkeit vorliegt, sagt Kayser nicht.

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

durchsetzbar und damit praktisch wertlos war.37 Dann habe der Forderungsgläubiger durch die Drittbefriedigung wirtschaftlich nichts verloren, was seinen Erwerb ausgleichen könne,38 und die Unentgeltlichkeitsanfechtung greife durch. Wirtschaftlich wertlos soll die Forderung aber nicht erst sein, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet oder zumindest ein entsprechender Antrag gestellt wurde.39 Vielmehr soll es genügen, wenn der Schuldner insolvenzreif war, also im Zeitpunkt der Zahlung die Voraussetzungen eines Insolvenzeröffnungsgrundes (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorlagen.40 Denn bereits mit dem Eintritt der materiellen 37 BGH, Beschl. v. 03.04.2014 – IX ZR 236/13, ZInsO 2014, 1057 in Rn. 5; BGH, Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 186/08, NZI 2010, 678 Rn. 7; BGH, Urt. v. 27.04.2010 – IX ZR 122/09, BeckRS 2010, 12570 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 Rn. 8; BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 13; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 14; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679 (1680); BGH, Urt. v. 15.04.1964 – VIII ZR 232/62, BGHZ 41, 298 (302); RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (416); RG, Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (8); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211); OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (541); OLG Rostock, Urt. v. 24.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218); OLG Stuttgart, Urt. v. 14.03.2001 – 9 U 88/00, NZI 2002, 112 (114); LG Köln, Urt. v. 22.10.2014 – 26 O 140/13, NZI 2015, 76; FG Köln, Urt. v. 23.01.2007 – 1 K 334/02, ZInsO 2007, 718 (719); Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 66; Holzapfel, Ehegattenschenkungen, S. 25 f.; Huber, NZI 2004, S. 375 (376); ders., in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 13; ders., ZInsO 2010, S. 977 (979); ders., in: Gottwald, InsRHdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 13; ders., NZI 2008, S. 149 (150); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9. 38 Vgl. nur BGH, Beschl. v. 03.04.2014 – IX ZR 236/13, ZInsO 2014, 1057 in Rn. 5; BGH, Urt. v. 18.04.2013 – IX ZR 90/10, NJW-RR 2013, 1203 in Rn. 6. 39 Vgl. Smid, Handbuch Insolvenzrecht, 6. Aufl., § 21 Rn. 22. 40 BGH, Urt. v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 (2209) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 18.04.2013 – IX ZR 90/10, NJW-RR 2013, 1203 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 186/08, NZI 2010, 678 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 Rn. 14; BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 Rn. 9; LG Köln, Urt. v. 22.10.2014 – 26 O 140/13, NZI 2015, 76 f.; LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.01.2014 – 2–08 O 93/13, ZInsO 2014, 965 (967); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 62; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9. Auf Zahlungsunfähigkeit des Forderungsschuldners im Zahlungszeitpunkt abstellend BGH, Beschl. v.

I. Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten

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Insolvenz habe die gemeinschaftliche Befriedigung aller (Insolvenz-)Gläubiger in dem dafür vorgesehenen Verfahren stattzufinden, sodass ein durchsetzbarer Anspruch des einzelnen Gläubigers auf Befriedigung aus der Masse ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bestehe.41 Der Forderungsgläubiger könne sich daher nicht darauf berufen, er sei ohne die Drittbefriedigung noch vom Schuldner befriedigt worden oder hätte sich im Wege der Einzelzwangsvollstreckung selbst Befriedigung verschaffen können: Eine solche Befriedigung verstieße gegen den Grundsatz der par conditio creditorum und sei daher ab Eintritt der materiellen Insolvenz nicht mehr gerechtfertigt, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der Deckungsanfechtung oder des § 88 InsO vorlagen.42 Werthaltig soll die getilgte Forderung allerdings trotz materieller Insolvenz des Forderungsschuldners ausnahmsweise dann sein, wenn dieser gegen den zahlenden Dritten einen werthaltigen Freistellungs- oder Regressanspruch hatte, auf den der Forderungsgläubiger anfechtungsfrei hätte zugreifen können.43 Sei hingegen auch der Dritte im Zeitpunkt der Erfüllung insolvenzreif, sei der Regressanspruch ebenfalls wertlos und könne die Werthaltigkeit der 03.04.2014 – IX ZR 236/13, ZInsO 2014, 1057 in Rn. 5; BGH, Urt. v. 27.04.2010 – IX ZR 122/09, BeckRS 2010, 12570 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJWRR 2010, 477 Rn. 8; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 15; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1138) in Rn. 15; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 9. Sogar die drohende Zahlungsunfähigkeit für ausreichend erachtet Huber, ZInsO 2010, S. 977 (978); ders., in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 13, sofern die wirtschaftliche Situation des Schuldners insgesamt auf die Wertlosigkeit der Forderung hindeute. Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 31a lässt nur die Überschuldung des Forderungsschuldners für den Nachweis der Wertlosigkeit genügen. 41 BGH, Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 186/08, NZI 2010, 678 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 Rn. 9. In BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231) in Rn. 9 stellte der BGH allerdings darauf ab, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Forderungsschuldners bereits beantragt war. 42 Vgl. BGH, Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 186/08, NZI 2010, 678 (679) in Rn. 8; Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 67. 43 BGH, Beschl. v. 03.04.2014 – IX ZR 236/13, ZInsO 2014, 1057 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 18.04.2013 – IX ZR 90/10, NJW-RR 2013, 1203 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 186/08, NZI 2010, 678 (679) in Rn. 9; BGH, Urt. v. 27.04.2010 – IX ZR 122/09, BeckRS 2010, 12570 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 f. in Rn. 11 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904 f.; Bork, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 134 Rn. 62; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 69; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 11; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9; auch ders., KTS 2011, S. 219 (232). In diese Richtung auch Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1674): Forderung ist werthaltig, wenn der Dritte sie aufgrund einer eigenen Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner tilgt. Wohl auch Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 13, der aber auf den Regressanspruch des Dritten gegen den Forderungsschuldner – und nicht umgekehrt – abstellt.

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getilgten Forderung nicht begründen.44 Die gleichwohl erfolgte, tatsächliche Erfüllung der Rückgriffsforderung durch die Tilgungsleistung des Dritten ändere daran nichts, da für die Werthaltigkeit nicht die tatsächliche Realisierung, sondern die Insolvenzreife ausschlaggebend sei.45 bb) Der Entgeltcharakter der Drittbefriedigung richtet sich aus Sicht des BGH somit ausschließlich nach der Werthaltigkeit der getilgten Forderung im Zeitpunkt der Tilgungsleistung. Unbeachtlich soll hingegen sein, ob das Kausalgeschäft, dem die getilgte Forderung entsprang, eine Gegenleistung des Forderungsgläubigers vorsah, die dieser bereits an den Forderungsschuldner erbracht hat.46 Denn die Qualifikation als Gegenleistung setze voraus, dass das Zugeständnis des Forderungsgläubigers gerade für die Drittbefriedigung gewährt werde. Dies sei bei einer bereits erbrachten Gegenleistung nicht der Fall. Etwas anderes gelte nur, wenn die Gegenleistung noch ausstand und der Forderungsgläubiger sie nun infolge der Drittzahlung tatsächlich noch an den Forderungsschuldner erbringt.47

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BGH, Urt. v. 27.04.2010 – IX ZR 122/09, BeckRS 2010, 12570 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 (146) Rn. 14; OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904 (905); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 69; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 11. 45 BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 (146) Rn. 14; OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904 (905); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 67. 46 BGH, Urt. v. 10.09.2015 – IX ZR 220/14, ZIP 2015, 2135 (2136) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 (2126) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 in Rn. 6 (zur Sicherung einer fremden Schuld); BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 13; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231 f.) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 13 (im Zusammenhang mit der Sicherung einer fremden Schuld); BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 6, 14; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281); OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; OLG Koblenz (3. ZS), Urt. v. 08.03.2005 – 3 U 984/04, ZIP 2005, 540 (542); LG Köln, Urt. v. 22.10.2014 – 26 O 140/13, NZI 2015, 76 (77); LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.01.2014 – 2–08 O 93/13, ZInsO 2014, 965 (968); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 62 f.; Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 74; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 12; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9. Anders noch Kirchhof, in: FS Fuchs, S. 97 (100), inzwischen aber aufgegeben. 47 BGH, Urt. v. 10.09.2015 – IX ZR 220/14, ZIP 2014, 2135 (2137) in Rn. 16; BGH, Urt. v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 (2210) in Rn. 12; BGH, Urt. v. 14.02.2013 – IX ZR 41/12, ZInsO 2013, 549 in Rn. 3; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 (2126) in Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 15 ff. [m. zust. Anm. Eisner, EWiR 2009, S. 29 (30), der das Ergebnis vor

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c) Ergebnis Nach der aktuellen Rechtsprechung der BGH ist der Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger immer möglich, wenn der Forderungsschuldner im Tilgungszeitpunkt bereits materiell insolvent war. Subjektiven Gesichtspunkten kommt demgegenüber keine Bedeutung zu: Eine Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit der Drittleistung soll ebenso wenig notwendig sein48 wie die Kenntnis des Forderungsgläubigers von der Wertlosigkeit seines Anspruchs.49 Auch einen Nachweis der Kenntnis des Dritten von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung fordert der BGH nicht.50 Sei die Forderung wert-

allem aus einer „Interessenabwägung“ anhand der Schutzwürdigkeit des Forderungsschuldners herleitet]; Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 18; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 74; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 13; Jungclaus, NZI 2008, S. 535 f. (im Verhältnis zum Forderungsschuldner entfällt auch die Gläubigerbenachteiligung, S. 536); Schmittmann/Zeeck, in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 12. Noch offenlassend im Hinblick auf Versicherungsschutz aus einer Kapitallebensversicherung OLG Köln, Urt. v. 14.11.2003 – 2 U 125/03, NZI 2004, 217 (218). 48 BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b. Offenlassend RG, Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (8 f.), da Einigung vorlag. 49 BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 12; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 8; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); OLG Koblenz, Urt. v. 17.03.2015 – 3 U 977/14, NZI 2015, 472 (473); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 17 (anders noch 5. Aufl.); Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 12; Gundlach/Frenzel, NZI 2005, S. 325; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 13; ders., in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 134 Rn. 13; ders., ZInsO 2010, S. 977 (978); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25. Auch bereits schon RG, Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (416); RG, Urt. v. 27.11.1883 – Rep. II 268/83, RGZ 10, 86 (87); offenlassend demgegenüber RG, Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (8 f.). Kritisch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 80, die den Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger nur dann für angemessen halten, wenn dieser in Kenntnis der Krise seines Vertragspartners die Drittleistung akzeptiert. 50 In den vom Reichsgericht entschiedenen Fällen war dem Dritten stets bewusst, dass er für die Leistung keine eigene Gegenleistung erhalten wird [so jedenfalls im Urt. v. 27.11.1883 – Rep. II 268/83, RGZ 10, 86 (87); Urt. v. 12.10.1896 – Rep. VI 74/96, RGZ 38, 6 (8); Urt. v. 06.06.1902 – Rep. VII 111/02, RGZ 51, 412 (416); auch im Urt. v. 17.01.1902 – Rep. VII 366/01, RGZ 50, 134 (135) stellte das Reichsgericht maßgeblich darauf ab, dass der Schuldner eine Regressforderung erwerben wollte, also nicht mit Unentgeltlichkeitswillen handelte]. Als positive Voraussetzung für den Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger wurde die Kenntnis des Dritten von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung allerdings nie geprüft. Generell für irrelevant hält sie Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 62. Auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 31b fordert keine Kenntnis des zahlenden Dritten von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung: Sofern er generell nicht

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los, fehle es objektiv an jedweder Gegenleistung, sodass es auf die subjektiven Vorstellungen nicht mehr ankommen könne.51 2. Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung Insbesondere nach dem Richtungswechsel des BGH im Jahr 2005 begegnen die von der Rechtsprechung und der herrschenden Literatur vertretenen Grundsätze schwerwiegenden Bedenken. a) Dogmatische Bedenken aa) Für den BGH hängt der Erfolg der Anfechtung entscheidend davon ab, dass der Forderungsschuldner im Zeitpunkt der Tilgungsleistung insolvenzreif war. Da der Forderungsgläubiger ab Eintritt der materiellen Insolvenz an den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gebunden sei, habe er die Erfüllung seiner Forderung nicht mehr beanspruchen dürfen. Daher sei seine Forderung als wertlos zu behandelt und die Tilgungsleistung des Dritten somit unentgeltlich. Die Bindung des Forderungsgläubigers an den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in einem fremden Insolvenzverfahren führt also dazu, dass ihn die Gläubiger des Dritten gem. § 134 InsO in Anspruch nehmen können. Eine Rechtfertigung für diese drittschützende Wirkung der par conditio creditorum gibt es nicht: Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung soll andere Insolvenzgläubiger davor schützen, dass sich ein Gläubiger Befriedigung verschafft, obwohl die Masse nicht mehr zur Befriedigung aller ausreicht.52 Warum er aber die Gläubiger eines Dritten davor bewahren soll, dass sich ihr Schuldner durch die Befriedigung eines fremden Gläubigers dem Insolvenzrisiko des Forderungsschuldners aussetzt, erklärt sich nicht.53 Der Dritte ist nicht in den Schutzbereich des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes einbezogen, aber seine Gläubiger sollen diesen Grundsatz zur Grundlage ihrer Anfechtung machen dürfen. Letztlich erhalten sie auf diese Weise ein Anfechtungsrecht, das sich auf originär deckungsanfechtungsrechtliche Gesichtspunkte im Verhältnis zwischen Forderungsgläubiger und Forderungsschuldner stützt.54 Mit mit einer Gegenleistung an sich rechne, müsse sich sein Wille nicht auf Umstände des Verhältnisses zwischen Forderungsgläubiger und Forderungsschuldner beziehen, also auf die Wertlosigkeit der Forderung und damit die Unentgeltlichkeitsfolge als solche. 51 BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281). Vgl. dazu oben S. 25. 52 Dazu oben S. 81 f. 53 So auch Michel/Geiger, EWiR 2010, S. 125 (126). 54 Dies räumt der BGH letztlich offen ein, wenn er in der Konkurrenz zwischen der Deckungsanfechtung der Gläubiger des Forderungsschuldners und der Unentgeltlichkeitsanfechtung der Gläubiger des Dritten ersterer mit der Begründung den Vorrang einräumt, dass die Unentgeltlichkeitsanfechtung in Umständen wurzele, aus denen die Deckungsanfechtung der Gläubiger des Forderungsschuldners resultiere, vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (240) in Rn. 38.

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dem Tatbestand des § 134 InsO und dem Begriff der Unentgeltlichkeit hat dies dogmatisch nichts zu tun. bb) Die These, die Befriedigung des Forderungsgläubigers sei ab Eintritt der materiellen Insolvenz unentgeltlich, erzeugt mit Blick auf die Grundsätze zur Tilgung eigener Schuld weitere dogmatische Bedenken: Die Tilgung einer eigenen Schuld im Stadium der materiellen Insolvenz kann nicht stets eine unentgeltliche Leistung sein, da sonst die Tatbestände der §§ 130, 131 InsO vollständig ausgehöhlt würden.55 Legt man aber die vom BGH entwickelten Maßstäbe an, ist die befriedigte Forderung in diesen Fällen genauso wertlos wie bei der Befriedigung durch den Dritten – die Erfüllungsleistung müsste damit eigentlich unentgeltlich sein.56 Behelfen kann sich der BGH nur über seinen ‚Perspektivwechsel’:57 So soll es im Zwei-Personen-Verhältnis auf die Perspektive des Schuldners ankommen, für den die Befreiung von einer Verbindlichkeit unabhängig von der materiellen Insolvenz wertvoll sei, während im Mehrpersonenverhältnis allein die Perspektive des Empfängers maßgeblich sei, für den der Verlust einer wertlosen Forderung keine gleichwertige Vermögenseinbuße bedeute. Überzeugen kann dieser Perspektivwechsel allerdings nicht.58 Letztlich zeigt er nur, dass der BGH durch seine eigenen Grundsätze gezwungen wird, bei der Befriedigung eigener und fremder Verbindlichkeiten unterschiedliche Maßstäbe anzulegen.59 b) Schlechterstellung des Forderungsgläubigers aa) Die Möglichkeit des Direktdurchgriffs stellt den Forderungsgläubiger zudem erheblich schlechter als die übrigen Gläubiger, die nach Eintritt der materiellen Insolvenz vom Forderungsschuldner selbst Befriedigung erhalten haben.60 Denn ihm wird neben dem gewöhnlichen Insolvenzrisiko des Forderungsschuldners zusätzlich das Risiko der Unentgeltlichkeitsanfechtung durch 55

Der BGH und ein Teil der Lehre tendieren daher zu einer Spezialität der §§ 130, 131 InsO gegenüber § 134 InsO, vgl. BGH, Urt. v. 15.03.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (245); RG, Urt. v. 7.10.1882, SeuffA 38 (1883), Nr. 296, S. 382 (383 f.); LG Köln, Urt. v. 19.01.2006 – 5 O 289/05, ZInsO 2006, 165 (166); Bähr, JR 1972, S. 469. Offengelassen von BGH, Urt. v. 12.07.1990 – IX ZR 245/89, BGHZ 112, 136 (139); BGH, Urt. v. 5.05.1976 – VIII ZR 281/76, WM 1976, 622 (623). 56 Vgl. Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (544); Wilk, NZI 2008, S. 407 (410). 57 Zum Perspektivwechsel oben S. 21 f. 58 Zur Kritik am Perspektivwechsel vgl. auch oben S. 327. 59 Kritik zu den unterschiedlichen Maßstäben in Zwei-Personenverhältnissen und bei der Erfüllung durch einen Dritten üben auch Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 101; Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2345); Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536 f.); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885). 60 Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (85); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 80; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885 f.); Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (543 f.).

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die Gläubiger des Dritten aufgebürdet.61 Nachteilig erweist sich dies vor allem mit Blick darauf, dass die Unentgeltlichkeitsanfechtung eine weitaus schärfere anfechtungsrechtliche Haftung mit sich bringt als die Deckungsanfechtung: Da die Anfechtung gem. § 134 InsO vier Jahre lang zurückgreift, kann er von den Gläubigern des Dritten selbst dann noch in Anspruch genommen werden, wenn ein Deckungsanfechtungsanspruch seines Forderungsschuldners bereits verjährt wäre, §§ 146 Abs. 1 InsO, 195 BGB. Auch greift die Deckungsanfechtung nur durch, wenn die engen zeitlichen und subjektiven Anforderungen der §§ 130, 131 InsO erfüllt sind, während die Unentgeltlichkeitsanfechtung von solchen einschränkenden Voraussetzungen befreit ist.62 So kann es dazu kommen, dass der drittbefriedigte Forderungsgläubiger seinen Erwerb an die Gläubiger des Dritten herausgeben muss, während andere Gläubiger, die zeitlich nach ihm vom Forderungsschuldner selbst befriedigt worden sind, noch anfechtungsfest erwerben konnten. Bsp.: Der Forderungsschuldner F ist seit langem überschuldet. Fünf Monate vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung weist er den Dritten an, an den Gläubiger X 5.000 Euro zu zahlen. Vier Monate vor Antragsstellung zahlt er selbst an den Gläubiger Y 20.000 Euro. X und Y haben keine Kenntnis von der Insolvenz des F. X müsste die 5.000 Euro gem. § 134 InsO an die Gläubiger des Dritten zurückerstatten, während Y anfechtungsfest erworben hätte, da die Zahlung an ihn außerhalb des Anfechtungszeitraums der §§ 130, 131 InsO erfolgte.

Diese Konsequenz erweist sich vor allem deshalb als unangemessen, weil sich der Forderungsgläubiger gegen die Drittbefriedigung nicht schützen kann: Er kann die Erfüllung seiner Forderung durch den Dritten nicht ablehnen, ohne sich damit in Annahmeverzug zu setzen, § 267 Abs. 2 BGB. Oft ist für ihn auf den ersten Blick zudem nicht einmal erkennbar, ob der Forderungsschuldner selbst oder ein Dritter geleistet hat.63 Auch hängt es in vielen Fällen allein vom Zufall ab, ob der Dritte dem Forderungsschuldner Geld zur Verfügung stellt, das dieser selbst an den Gläubiger zahlt, oder ob der Dritte den Gläubiger direkt

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Vgl. zum doppelten Anfechtungsrisiko auch die Kritik von Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1674); Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2346); Kayser, WM 2007, S. 1 (2); Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G70; Schulz/Schröder, DZWiR 2008, S. 419 (420); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (886); Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (543); Wilk, NZI 2008, S. 407 (410); Wittig, NZI 2005, S. 606 (607). 62 So auch die Kritik von de Bra, LMK 2005, 154691; Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2346 f.); Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536 f.); Schulz/Schröder, DZWiR 2008, S. 419 (420); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885 f.); Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (543 f.); Wilk, NZI 2008, S. 407 (411). 63 Vgl. Passarge, ZInsO 2005, S. 971 (973), der darauf hinweist, dass insbesondere bei Zahlungen durch Konzerngesellschaften, die oft einen ähnlichen Namen führen, der i.d.R. auf Kontoauszügen verkürzt wiedergegeben wird, die Drittzahlung nur schwer zu identifizieren ist.

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befriedigt.64 Der Forderungsgläubiger wird also unvorhersehbaren Anfechtungsrisiken ausgesetzt, auf die er keinen Einfluss hat und vor denen er sich nicht schützen kann.65 Er stünde besser, hätte der Dritte nicht an ihn geleistet und ihm damit nicht die Möglichkeit genommen, innerhalb des – möglicherweise über Jahre anhaltenden66 – Stadiums der materiellen Insolvenz noch anfechtungsfest Befriedigung von seinem Forderungsschuldner zu erhalten. bb) Dieses Ergebnis offenbart auch eine weitere dogmatische Ungereimtheit: Es wurde bereits für bedenklich gehalten, die Unentgeltlichkeitsanfechtung der Gläubiger des Dritten auf den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu stützen. Im Vergleich zu den übrigen, noch vom Forderungsschuldner selbst befriedigten Gläubigern zeigt sich nun, dass der drittbefriedigte Gläubiger sogar in stärkerem Maße als diese an die par conditio creditorum gebunden ist. Während alle anderen Gläubiger auch nach Eintritt der materiellen Insolvenz noch insolvenzfest Befriedigung vom Schuldner erhalten können, auch wenn der Schuldner zu diesem Zeitpunkt nicht mehr einzelne Gläubiger bevorzugen darf, muss der drittbefriedigte Gläubiger sich an dem Maßstab einer idealisierten Haftungsverwirklichung messen lassen. Sein Anspruch wird als wertlos behandelt, weil seine Befriedigung nicht mehr vom rechtlichen Dürfen gedeckt ist, auch wenn das tatsächliche rechtliche Können einen anfechtungsfesten Erwerb zugelassen hätte. Einen rechtfertigenden Grund für diese Wertung gibt es nicht, denn die Tatbestände der Deckungsanfechtung bringen klar zum Ausdruck, dass die materielle Insolvenz allein noch nicht Grund genug ist, dem Gläubiger seinen Vorteil mit Verweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu nehmen. Diese besondere Pflichtenstellung tritt nur bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO ein. c) Rein zufallsabhängige Besserstellung der Gläubiger des Dritten nach der neuen Rechtsprechungslinie des BGH Weitere Friktionen ruft die neue Rechtsprechungslinie des BGH auf, die der Eigenverpflichtung des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner keine Bedeutung mehr beimisst. Sie ermöglicht den Gläubigern des Dritten einen Direktdurchgriff auch in klassischen Anweisungsfällen, in denen der Dritte dem Forderungsschuldner zu der Leistung verpflichtet war, sie aber auf dessen Anweisung hin nicht an ihn, sondern an den Forderungsgläubiger erbringt. Bsp.: D ist S zur Zahlung von 10.000 Euro verpflichtet. S wiederum schuldet G noch 10.000 Euro. S weist D an, die 10.000 Euro nicht an ihn, sondern direkt an G zu zahlen.

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Vgl. auch Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (86). Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (85); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (886); Wiester/ Kranz, NZI 2012, S. 541 (543); Wittig, NZI 2005, S. 606 (607). Kritisch auch Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2346). 66 Vgl. dazu das Beispiel von Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (544). 65

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Die Gläubiger des Dritten werden auf diese Weise ungerechtfertigt und im Regelfall rein zufallsabhängig besser gestellt.67 Denn hätte der Dritte – wie vorgesehen – an den Forderungsschuldner gezahlt und dieser das Erworbene an seinen Gläubiger weitergeleitet, könnten die Gläubiger des Dritten nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 145 Abs. 2 InsO beim Forderungsgläubiger Rückgriff nehmen. Nur weil der Dritte auf Anweisung des Forderungsschuldners den abgekürzten Zahlungsweg nahm, können seine Gläubiger den Forderungsgläubiger in Anspruch nehmen, sofern die getilgte Forderung im Leistungszeitpunkt wertlos war. Ihre Anfechtungsmöglichkeiten werden durch reines Glück vervielfältigt und ihr Durchgriff auf den Forderungsgläubiger von den Voraussetzungen des § 145 InsO befreit.68 War S im Beispiel im Zeitpunkt der Zahlung bereits materiell insolvent, so können die Gläubiger des D die Zahlung an G gem. § 134 InsO anfechten, wenn D in den nächsten vier Jahren in Vermögensverfall gerät. Hätte D – wie vorgesehen – direkt an S gezahlt und S anschließend das Geld an G weitergeleitet, so wäre ein Direktdurchgriff auf G nur unter den Voraussetzungen des § 145 InsO möglich.

Der BGH versucht diese Konsequenz dadurch zu entschärfen, dass er die Wertlosigkeit der getilgten Forderung verneint, wenn der Forderungsschuldner einen werthaltigen Anspruch gegen den Dritten hatte, auf den der Forderungsgläubiger anfechtungsfest hätte zugreifen können. Über den Umweg der Werthaltigkeit der getilgten Forderung wird somit der Direktdurchgriff ausgeschlossen, wenn der Dritte mit der Leistung eine eigene, noch werthaltige Verbindlichkeit gegenüber dem Forderungsschuldner erfüllt. Da D dem S im Beispiel zur Zahlung von 10.000 Euro verpflichtet war, wäre nach Ansicht des BGH in diesem Fall ein Direktdurchgriff ausgeschlossen, weil G – hypothetisch – die Forderung des S gegen D hätte pfänden und sich dadurch anfechtungsfest Befriedigung verschaffen können. Seine Forderung gegen S soll angesichts dieser Pfändungsmöglichkeit nicht wertlos sein, obwohl S im Zeitpunkt der Zahlung bereits materiell insolvent war.

Die an die Werthaltigkeit anknüpfende Argumentation kann die Besserstellung der Gläubiger des Dritten freilich nicht umfassend vermeiden, weil nicht jede Befriedigung eines Insolvenzgläubigers im Stadium der materiellen Insolvenz anfechtbar ist. Fehlt es an den subjektiven oder zeitlichen Voraussetzungen der §§ 130, 131, 132, 133 InsO, könnten die Gläubiger des Dritten die Deckungsleistung ihres Schuldners gegenüber dem Forderungsschuldner nicht anfech-

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So zutreffend auch Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (886). Eine Umgehung der Voraussetzungen des § 145 InsO sieht auch de Bra, LMK 2005, 154691. Und auch Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2345) können nicht nachvollziehen, warum die Anweisungssituation anders behandelt werden darf als der Durchgangserwerb. 68

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ten. Die Anweisungssituation eröffnet ihnen damit eine Anfechtungsmöglichkeit, die ihnen bei der eigentlich vorgesehen Leistung an den Forderungsschuldner niemals zur Verfügung gestanden hätte.69 Auch der konstruktive Weg, den der BGH zur Begrenzung des Direktdurchgriffs wählt, kann nicht überzeugen. Er begründet den Ausschluss des § 134 InsO damit, dass die getilgte Forderung angesichts der hypothetischen Pfändbarkeit des Anspruchs des Forderungsschuldners gegen den Dritten nicht wertlos sei. In vorherigen Entscheidungen stellte er jedoch ausdrücklich fest, dass die Werthaltigkeit der getilgten Forderung nach Eintritt der materiellen Insolvenz nicht davon abhängig sei, ob sich der Gläubiger im Wege der Einzelzwangsvollstreckung noch Befriedigung für seine Forderung hätte verschaffen können, da die Vollstreckung ab Eintritt der materiellen Insolvenz nicht mehr gerechtfertigt sei.70 Warum dann die hypothetische Pfändbarkeit des Anspruchs des Forderungsschuldners gegen den Dritten die Forderung werthaltig macht, erklärt sich nicht: Für die Werthaltigkeit der Gläubigerforderung macht es keinen Unterschied, ob sich der Anspruch der Forderungsschuldners, den der Forderungsgläubiger anfechtungsfest hätte pfänden können, gegen den zahlenden Dritten oder einen sonstigen Dritten richtet.71 d) Entstehung einer unbefriedigenden Konkurrenzsituation durch die neue Rechtsprechungslinie des BGH Durch die Einbeziehung klassischer Anweisungsfälle erzeugt die neue Rechtsprechung des BGH zudem eine unbefriedigende Konkurrenzsituation zwischen den Anfechtungsansprüchen der Gläubiger des Forderungsschuldners und des Dritten.72 Hat der Forderungsschuldner den Dritten zur Zahlung an den Forderungsgläubiger angewiesen, können seine Gläubiger den Forderungsgläubiger im Wege der Deckungsanfechtung in Anspruch nehmen.73 Da gleichzeitig auch die Unentgeltlichkeitsanfechtung der Gläubiger des Dritten durchgreifen soll, falls der Forderungsschuldner im Zeitpunkt der Zahlung bereits materiell insolvent war, sieht sich der Forderungsgläubiger bei gleichzeitigem

69 Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (886). Vgl. auch von Mettenheim, ZInsO 2008, S. 110: „ein Fall der wundersamen Geldvermehrung“. 70 Vgl. BGH, Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 186/08, NZI 2010, 678 (679) in Rn. 8; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 67. 71 Zweifelnd auch D. Schulz, WuB VI A. § 134 InsO, 3.10. 72 So auch Geiger, NZI 2014, S. 585 (592); Michel/ders., EWiR 2010, S. 125 (126): erhebliche praktische Schwierigkeiten. Kritisch auch Bork, ZIP 2008, S. 1041 (1048); de Bra, LMK 2005, 154691. 73 Vgl. dazu nur BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (236 ff.) in Rn. 24 ff.; Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 68 ff. mwN.

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Vermögensverfall von Forderungsschuldner und Drittem74 somit zwei konkurrierenden Anfechtungsansprüchen ausgesetzt. Seine doppelte Inanspruchnahme scheidet freilich aus, da die Anfechtungsansprüche auf denselben Anfechtungsgegenstand gerichtet sind und eine doppelte Ersatzpflicht den Anfechtungsgegner unbillig sanktionieren würde.75 In der Konkurrenz der beiden Anfechtungsansprüche gibt der BGH der Deckungsanfechtung des Forderungsschuldners den Vorrang.76 Da die Unentgeltlichkeitsanfechtung ihre Berechtigung aus der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Forderung und damit aus einem im Deckungsverhältnis ruhenden Umstand ziehe, müsse sie hinter der unmittelbar an das Deckungsverhältnis anknüpfenden Deckungsanfechtung zurücktreten.77 Die Anfechtung gem. § 134 InsO werde allerdings nur verdrängt, wenn die Deckungsanfechtung rechtzeitig geltend gemacht wird und ihre Voraussetzungen tatsächlich vorliegen.78 Scheitere sie hingegen oder werde der Anfechtungsanspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Prozess um die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht geltend gemacht, stehe der Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers durch die Gläubiger des Dritten nichts im Wege.79 Mit diesem Lösungsweg provoziert der BGH einen Wettlauf der Insolvenzverwalter: Die Gläubiger des Dritten müssen darauf hoffen, dass der Insolvenzverwalter des Forderungsschuldners von der Drittzahlung möglichst lange nichts erfährt. Der Anfechtungsgegner kann sich nach eigenem Belieben dazu

74 In der Literatur ist hier meist von Doppelinsolvenz die Rede. Das Konkurrenzproblem stellt sich jedoch nicht erst, wenn der zahlende Dritte insolvent geworden ist. Vielmehr genügt, dass seine Gläubiger keine Befriedigung mehr erlangen können, da die Unentgeltlichkeitsanfechtung dann über § 4 AnfG eröffnet ist. Über das Vermögen des Forderungsschuldners muss hingegen stets ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sein, da eine Deckungsanfechtung sonst nicht in Betracht kommt und damit keine Konkurrenzsituation entsteht. 75 BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (238) in Rn. 29. Vgl. auch schon BGH, Urt. v. 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284 (289). 76 BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 12; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (239 f.) in Rn. 34 ff.; Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212 (1213); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 81; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 129 Rn. 31; ders., ZInsO 2010, S. 977 (980); ders., NZI 2008, S. 149 (150); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., § 134 Rn. G9; Smid, Handbuch Insolvenzrecht, 6. Aufl., § 21 Rn. 20. 77 BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 12; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (240) in Rn. 38. 78 BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 13; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 129 Rn. 31; ders., NZI 2008, S. 149 (150 f.). 79 BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 13; Huber, ZInsO 2010, S. 977 (981); ders., NZI 2008, S. 149 (151); Meller-Hannich, LMK 2008, 253749.

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entscheiden, ob er den Insolvenzverwalter seines Forderungsschuldners informiert oder nicht. Auch die prozessualen Konsequenzen dieser Lösung muten befremdlich an: Macht der Insolvenzverwalter des Forderungsschuldners während des Prozesses über die Unentgeltlichkeitsanfechtung die Deckungsanfechtung geltend, muss das mit der Anfechtung gem. § 134 InsO betraute Gericht inzident prüfen, ob die Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO vorliegen. Der Anfechtungsgegner muss nun darlegen und beweisen, dass der Forderungsschuldner gegen ihn einen Anfechtungsanspruch hat, während der Insolvenzverwalter des Dritten dies in Abrede stellen müsste.80 Eine stimmige Koordination der konkurrierenden Anfechtungsrechte erreicht der BGH mit seiner Konkurrenzlösung nicht. 3. Abweichende Lösungsvorschläge in der Literatur Angesichts dieser Bedenken überrascht es nicht, dass insbesondere die neue Linie des BGH in der Instanzenrechtsprechung und der Literatur vielen kritischen Stimmen begegnet.81 Die Korrekturvorschläge setzen dabei auf verschiedenen Ebenen an: Einige Kritiker ziehen den Grundansatz des BGH zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit in Zweifel und wollen dort abweichende Maßstäbe anlegen (a). Zunehmend mehr Stimmen setzen jedoch nicht erst auf Ebene der Unentgeltlichkeit an, sondern hinterfragen bereits die grundlegende Prämisse der herrschenden Meinung, die Anfechtung gegenüber jedem zuzulassen, der kein ausgleichendes Entgelt erbringe (b). Sie sprechen sich dafür aus, bei der Bestimmung des Anfechtungsgegners strengere Maßstäbe anzulegen. Jungclaus wiederum versucht, die Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung durch eine teleologische Reduktion des § 134 InsO zu beseitigen (c).

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Vgl. zu dieser Beweislast des Leistungsempfängers Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 88; Schäfer, in: Kummer/Schäfer/Wagner, InsAnfechtung, 2. Aufl., Rn. G9. Ebenfalls kritisch zu diesen Konsequenzen Thole, KTS 2011, S. 219 (232); ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 2 a.E. 81 Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (81 ff.); Blum, WuB VI A. § 134 InsO 2.08: „dogmatisch angreifbare – Rechtsprechung zur Schenkungsanfechtung in Dreiecksverhältnissen“; de Bra, LMK 2005, 154691: „Unbehagen an dieser Rechtsprechung des BGH“; Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2344): „führt zu Verwerfungen und Wertungswidersprüchen“; Geiger, NZI 2014, S. 585 (592): „dogmatische Sackgasse“; Lütcke, ZIP 2014, S. 1769 ff.; Michel/Geiger, EWiR 2010, S. 125 f.; Schäfer, ZInsO 2014, S. 973 (981 ff.); Schulz/Schröder, DZWiR 2008, S. 419 (420): „dogmatischen Schwäche der Rechtsprechung des BGH zur Schenkungsanfechtung im Dreiecksverhältnis“; Spahlinger/Maske, BB 2008, S. 414 : „inhaltlich und dogmatisch zweifelhaft“; von Mettenheim, ZInsO 2008, S. 110 f.; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885): „falsche Ergebnisse“; Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 ff.: „unvorhersehbare Anfechtungsrisiken“; Wilk, NZI 2008, S. 407 ff.: „erhebliche Wertungswidersprüche“.

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a) Kritik am Maßstab zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit Ein Teil der Instanzenrechtsprechung und Literatur möchte den Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung dadurch begegnen, dass sie bei der Bestimmung der Unentgeltlichkeit in Mehrpersonenkonstellationen andere Maßstäbe anlegen. Zu diesen Stimmen zählt neben den schon bekannten schuldnerbezogenen und subjektiven Ansätzen82 auch die sog. Forderungslösung, die für die Bestimmung des Entgeltcharakters von Erfüllungsleistungen einen von der BGH-Rechtsprechung abweichenden Ansatz vertritt.83 aa) Die abweichenden Konzepte für die grundlegende Bestimmung der Unentgeltlichkeit Die verschiedenen Grundkonzepte zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO wurden bereits im ersten Teil der Arbeit ausführlich vorgestellt.84 In Mehrpersonenkonstellationen treten die Unterschiede zwischen diesen Ansätzen besonders deutlich hervor. (1) Innerhalb der objektiven Sichtweise, der auch der BGH folgt, gehen die Meinungen darüber auseinander, welche Perspektive für den objektiven Vermögensvergleich einzunehmen ist. Während sich der BGH in seiner neuen Rechtsprechung für die Empfängerperspektive entschieden hat, wollen andere – entsprechend der frühen Reichsgerichtsrechtsprechung – auch in Mehrpersonenkonstellationen ausschließlich die Schuldnerperspektive einnehmen.85 Entscheidend für die Anfechtung sei allein, ob das Vermögen des Dritten einen ausgleichenden Vermögenszufluss erfahren habe oder nicht.86 Damit werden zwar die Friktionen vermieden, die die neue Rechtsprechungslinie des BGH hervorgerufen hat: Da der Durchgriff auf den Forderungsgläubiger ausscheidet, wenn der Dritte dem Forderungsschuldner oder einem sonstigen Dritten zu der Leistung verpflichtet war oder einen werthaltigen87 Erstattungsanspruch erworben hat,88 werden die typischen Anweisungskonstellationen von dem Direktdurchgriff nicht erfasst. Auf der anderen Seite setzt diese Auffassung den Forderungsgläubiger aber auch dann der Anfechtung aus, wenn die getilgte 82

Dazu S. 28 ff. Dazu bereits oben S. 242 f. 84 Vgl. oben S. 16 ff. 85 Gundlach/Frenzel, EWiR 2004, S. 1187 (1188); dies., NZI 2005, S. 325; dies., NZI 2006, S. 400; dies./Schmidt, InVo 2004, S. 485 ff. 86 Gundlach/Frenzel, NZI 2005, S. 325; dies., NZI 2006, S. 400; dies./Schmidt, InVo 2004, S. 485. 87 Ein objektiv wertloser Erstattungsanspruch soll hingegen keine Entgeltlichkeit begründen, vgl. Gundlach/Frenzel/Schmidt, InVo 2004, S. 485 (486). 88 Gundlach/Frenzel/Schmidt, InVo 2004, S. 485 (486). Vgl. auch Gundlach/Frenzel, EWiR 2004, S. 1187 (1188). Diese Konsequenz zieht auch Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1674), der den Perspektivwechsel des BGH kritisiert. 83

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Forderung noch voll werthaltig war. Der Forderungsgläubiger wird damit noch schlechter gestellt als nach der Rechtsprechungslösung. Die Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung, die aus der Schlechterstellung des Forderungsgläubigers resultieren, werden also nicht ausgeräumt, sondern sogar verstärkt. Kaum anders ist die Situation, wenn man mit Wazlawik eine Rückkehr zur kombinierten Prüfung fordert, die der BGH bis zum Jahr 2005 verfolgte.89 Die durch die neue Rechtsprechung entstandenen Wertungswidersprüche werden zwar beseitigt, doch es bleibt dabei, dass der Forderungsgläubiger durch die Möglichkeit des Direktdurchgriffs schlechter steht als bei einer Befriedigung durch den Forderungsschuldner selbst. Auch die dogmatischen Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung werden nicht ausgeräumt. Über eine Änderung der eingenommenen Perspektive bei der Vornahme des objektiven Vermögensvergleichs lassen sich somit keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielen. (2) Die subjektiven Ansätze hingegen knüpfen die Unentgeltlichkeit nicht nur an objektive, sondern auch an subjektive Elemente. Die Tilgung einer fremden Schuld ist daher nicht bereits deshalb anfechtbar, weil die getilgte Schuld objektiv wertlos war.90 Zusätzlich ist ein gemeinsames Bewusstsein der Parteien über die Unentgeltlichkeit91 bzw. – nach der engeren, schenkungsrechtlich orientierten Doktrin – sogar eine kausalvertragliche Einigung der Parteien darüber erforderlich, dass der Dritte eine wertlose Forderung des Forderungsgläubiger erfüllt.92 Da eine solche Einigung kaum jemals vorliegt, kommt ein Direktdurchgriff auf den fremden Gläubiger nach diesen Ansichten nur in Ausnahmefällen in Betracht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die subjektiven Ansätze den Anwendungsbereich des § 134 InsO zu stark begrenzen.93 Da § 134 InsO auf einem Schuldnerfehlverhalten aufbaut, lässt die geringe Schutzwürdigkeit des rein lukrativen Erwerbs es zu, die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite herabzusetzen. Ein gemeinsames Bewusstsein bzw. eine vertragliche Einigung zwischen Forderungsgläubiger und Drittem über das Vorliegen einer unentgeltlichen Zuwendung ist für § 134 InsO nicht notwendig. bb) Die Forderungslösung (1) Während die schuldnerbezogene und die subjektive Sichtweise ein ganzheitliches Konzept zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit präsentieren, stellt 89

Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885 ff.). Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 25; Uhlenbruck, EWiR 1996, S. 181 (182). 91 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90. 92 Eine „Einigung“ fordern Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 25; Uhlenbruck, EWiR 1996, S. 181 (182). Für von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 213 müssen der Dritte und der Zahlungsempfänger ein eigenes Kausalverhältnis geschlossen haben. 93 Vgl. oben S. 135 ff. 90

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die sog. Forderungslösung lediglich besondere Grundsätze zur Beurteilung von Abwicklungsgeschäften auf.94 Der Entgeltcharakter einer Erfüllungsleistung soll sich danach richten, ob die abgewickelte Forderung entgeltlich oder unentgeltlich begründet wurde.95 Dies soll in gleicher Weise für die Erfüllung eigener und fremder Verbindlichkeiten gelten. Die Tilgung einer fremden Schuld ist danach entgeltlich, wenn ihr ein entgeltlicher Vertrag zwischen Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger zugrunde liegt.96 Unentgeltlich ist sie hingegen, wenn die getilgte Forderung einem unentgeltlichen Kausalgeschäft zwischen Forderungsschuldner und Gläubiger entstammt.97 Bsp.: S schuldet G 1.000 Euro aus einem Werkvertrag. Auf Anweisung des S zahlt der Dritte D die 1.000 Euro an G. Die Zahlung ist im Verhältnis zwischen D und G entgeltlich. Entstammt die Forderung hingegen einem Schenkungsvertrag, könnten die Gläubiger des D die Zahlung gegenüber G gem. § 134 InsO anfechten.

Der Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger scheidet danach stets aus, wenn die getilgte Forderung durch ein entgeltliches Kausalverhältnis zwischen Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger begründet wurde.98 Die kausalvertraglich geschuldete Gegenleistung soll die Tilgungsleistung auch im Verhältnis zum Dritten entgeltlich machen.99 Dies soll unabhängig davon gelten, ob die Gegenleistung bereits vor der Tilgung erbracht oder erst anschließend 94

Vgl. zu diesem Ansatz bereits oben S. 242 f. Zu den Vertretern dieser Ansicht (insbesondere in Zwei-Personen-Verhältnissen) vgl. oben S. 243 mit Fn. 316. 96 OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 103; i.E. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 121, die allerdings auf einen sog. „Verfügungszweck“ abstellt. Grundsätzlich ebenso auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14) und Prütting, KTS 2005, S. 253 (258); sie gehen allerdings davon aus, dass es auf den Entgeltcharakter des forderungsbegründenden Kausalgeschäfts nicht mehr ankommen könne, wenn die Forderung im Erfüllungszeitpunkt wirtschaftlich wertlos sei: Durch den Eintritt der Wertlosigkeit der Forderung sei der ursprünglich vereinbarte Austauschzweck gestört; tilge der Dritte nun diese fremde, wertlose Schuld, so erbringe er unabhängig von dem ursprünglich vereinbarten Austauschzweck eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO. Damit gelangt dieser Ansatz letztlich zu den gleichen Ergebnissen wie der BGH. 97 Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 104; Prütting, KTS 2005, S. 253 (258); i.E. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 121, die allerdings auf einen sog. „Verfügungszweck“ abstellt. Vgl. auch Kirchhof, in: FS Fuchs, S. 97 (101) [inzwischen aber aufgegeben]. 98 OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276); Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 102; Kirchhof, in: FS Fuchs, S. 97 (101) [inzwischen aber aufgegeben]. 99 OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276) (m. zust. Anm. Soehring, WuB VI A. § 134 InsO, 2.05); Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 102. Sympathisierend auch Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1674); Thole, KTS 2011, S. 219 (230); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (885). 95

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geleistet werde. Denn auch eine als Vorleistung erbrachte Gegenleistung stelle ein Vermögensopfer dar, das die Anwendung des § 134 InsO nicht gerechtfertigt erscheinen lasse.100 Auch auf den Wert der Forderung im Zeitpunkt der Zahlung soll es nicht ankommen.101 Denn der Dritte bezwecke auch bei Wertlosigkeit der getilgten Forderung die Entlohnung des Gläubigers für die im Vorfeld erbrachte Leistung und keine Freigebigkeit.102 (2) Der große Vorteil der Forderungslösung liegt darin, dass sie für die Tilgung eigener und fremder Schulden eine einfach verständliche und einheitliche Lösung bietet: Stets entscheidet der Charakter der getilgten Forderung über den Entgeltcharakter der Erfüllung. Die Forderung trägt diesen Entgeltcharakter in sich, unabhängig davon, wer sie letztlich erfüllt. Bei der Tilgung fremder Schulden hat sie für die Anfechtungsmöglichkeiten der Gläubiger des Dritten im Vergleich zur herrschenden Meinung in zweifacher Hinsicht Bedeutung: Einerseits ermöglicht sie stets den Direktdurchgriff, wenn die getilgte Forderung unentgeltlich begründet wurde. Insofern erweitert sie die Anfechtungsmöglichkeiten der Gläubiger des Dritten, denn der Verlust seiner werthaltigen, aber unentgeltlich begründeten Forderung schützt den Forderungsgläubiger nicht. Andererseits verwehrt sie stets den Zugriff auf den Forderungsgläubiger, wenn die getilgte Forderung entgeltlich begründet wurde: Der Forderungsgläubiger kann sich auch gegenüber den Gläubigern des Dritten auf die an den Forderungsschuldner erbrachte Gegenleistung berufen. In beiderlei Hinsicht können die Ergebnisse der Forderungslösung aber nicht überzeugen: (a) Zunächst mag es sympathisch erscheinen, den Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger stets zuzulassen, wenn die getilgte Forderung unentgeltlich begründet wurde.103 Er hat schließlich Befriedigung für eine Forderung erhalten, für deren Erwerb er nichts aufzuwenden hatte.104 Die teleologische Rechtfertigung des § 134 InsO liegt allerdings nicht allein in der geringen 100 OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276). Auch Thole, KTS 2011, S. 219 (229 f.) bemerkt kritisch, „wenn es der BGH wirklich ernst meinte mit seiner mehrfach geäußerten Auffassung, der Leistungsempfänger sei im Hinblick auf die Schenkungsanfechtung nicht schutzwürdig, wenn und weil er kein Vermögensopfer erbracht habe, dann dürften bereits erbrachte Gegenleistungen nicht unberücksichtigt bleiben.“ Auch Bartels, WuB VI C. § 32 KO, 1.05 bezweifelt die fehlende Schutzwürdigkeit des Gläubigers, wenn er vorgeleistet hat; in diese Richtung auch Thole, KTS 2011, S. 219 (230). 101 A.A. OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14) und Prütting, KTS 2005, S. 253 (258), vgl. S. 450 Fn. 96. 102 OLG Koblenz (5. ZS), Urt. v. 13.05.2004 – 5 U 1539/03, ZIP 2004, 1275 (1276). 103 Ob die Rechtsprechung die Tilgung einer fremden Schenkungsschuld als unentgeltliche Leistung des zahlenden Dritten qualifizieren würde, ist bislang offen geblieben. Es spricht allerdings viel dafür, denn schließlich sieht sie die Gegenleistung grundsätzlich im Verlust der Forderung und hat im Zwei-Personen-Verhältnis bereits gezeigt, dass sie den Verlust einer unentgeltlich begründeten Forderung nicht als taugliche Gegenleistung anerkennt (dazu oben S. 239 ff.). 104 Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 104.

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Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs, sondern in einem Fehlverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern.105 Ein solches Fehlverhalten des Dritten wird durch die Tilgung einer fremden Schenkungsschuld nicht automatisch begründet. Denn der Dritte verfolgt mit der Tilgungsleistung eigene, von dem in dem fremden Kausalverhältnis festgelegten Geschäftszweck völlig unabhängige Zwecke:106 Er mag die Schenkungsforderung erfüllen, um damit von einer eigenen Schuld gegenüber dem Schenker frei zu werden, anschließend beim Schenker Regress zu nehmen oder den Schenker seinerseits zu beschenken. Allein diese Zweckverfolgung des Dritten entscheidet aber darüber, ob ihm ein Schuldnerfehlverhalten vorzuwerfen ist oder nicht. Erfüllt er etwa durch die Zahlung an den fremden Gläubiger eine eigene, entgeltlich begründete Verbindlichkeit gegenüber dem Forderungsschuldner, so verwirklicht sich in dieser Tilgungsleistung kein Fehlverhalten. Ob die getilgte Forderung entgeltlich oder unentgeltlich begründet wurde, spielt dafür keine Rolle. Denn die Befriedigung der fremden Forderung dient dem Dritten lediglich als Mittel, um seine eigenen Leistungszwecke gegenüber dem Forderungsschuldner zu verwirklichen. Mit der teleologischen Rechtfertigung des § 134 InsO ist es daher nicht zu vereinbaren, die Anfechtung bei der Tilgung einer fremden, unentgeltlich begründeten Forderung stets zuzulassen.107 Denn für die Gläubiger des Dritten ist es ein reiner Glücksfall, wenn sie gem. § 134 InsO auf den Forderungsgläubiger zugreifen dürfen, nur weil die getilgte fremde Forderung aus einem unentgeltlichen Kausalverhältnis herrührte.108

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Dazu oben S. 102 ff. Darin liegt der Unterschied zwischen der Tilgung einer eigenen und einer fremden Schuld: Wurde die getilgte Forderung durch ein Kausalverhältnis zwischen den Parteien der Erfüllungsleistung begründet, so soll die Erfüllungsleistung den dort festgelegten materiellen Zuwendungszweck abwickeln (siehe oben S. 248 ff.). Für den Leistenden ist sie ein Schritt zur Verwirklichung des von ihm festgelegten materiellen Zuwendungserfolgs. Wird aber eine fremde Schuld getilgt, so macht sich der Drittleistende keineswegs den fremden materiellen Zuwendungserfolg zu eigen. Vielmehr verfolgt der Dritte mit der Tilgungsleistung eigene Zwecke, die mit der im Grundgeschäft festgelegten Zwecksetzung nichts zu tun haben müssen. Der materielle Zuwendungszweck ist an die Parteien des Kausalverhältnisses gekoppelt und entfaltet keine Drittwirkung. 107 I.E. ebenso Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 298: Die Unentgeltlichkeit der Fremdschuld allein sei nicht geeignet, die Anfechtungsmöglichkeiten des Drittvermögens um den Tatbestand des § 134 InsO zu erweiteRn. 108 Schuldet etwa D dem F aus einem entgeltlichen Vertrag 10.000 Euro und weist F den D an, das Geld an G zu zahlen, dem er diese Summe aus einem Schenkungsvertrag schuldet, so könnten die Gläubiger des D gegenüber G gem. § 134 InsO anfechten, nur weil die getilgte Forderung unentgeltlich begründet wurde. Für die Gläubiger des D wäre dies ein Glücksfall und sie müssten hoffen, dass D seine Verbindlichkeiten stets auf diese Art und Weise tilgt: Denn hätte D die 10.000 Euro direkt an F gezahlt, so käme nur die Deckungs106

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Darüber hinaus ist es auch zu kurz gedacht, dem Schenkungsgläubiger generell jede Schutzwürdigkeit abzusprechen. Als Inhaber einer Schenkungsforderung ist er zwar dem Risiko einer Anfechtung durch die Gläubiger des Schenkers ausgesetzt. Durch die Tilgungsleistung des Dritten soll ihm nun aber zusätzlich dessen Insolvenzrisiko aufgebürdet werden, ohne dass er sich dagegen wehren könnte.109 Warum die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs es rechtfertigt, das Anfechtungsrisiko des Beschenkten bei – zufälliger – Zahlung durch den Dritten zu verdoppeln, erschließt sich nicht. Denn der drittbefriedigte Schenkungsgläubiger wird dadurch nicht nur schlechter gestellt als der entgeltliche Erwerber, sondern auch als derjenige Schenkungsgläubiger, der vom Schenker selbst befriedigt wurde.110 (b) Ebenso fragwürdig ist es, den Gläubiger einer entgeltlich begründeten Forderung stets vor dem Zugriff der Gläubiger des Dritten zu bewahren, nur weil er im Vorfeld eine Gegenleistung an den Forderungsschuldner erbracht hat. Wurde über das Vermögen des Forderungsschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Gläubiger nur noch Befriedigung in Höhe der Insolvenzquote verlangen. Seine bereits erbrachte Gegenleistung nützt ihm nichts: Er kann sie weder aus der Masse herausverlangen noch vorrangige Befriedigung fordern, da § 103 InsO bei Vorleistungen nicht einschlägig ist. Das durch die Vorleistung übernommene Insolvenzrisiko hat sich verwirklicht.111 Wird seine Insolvenzforderung nun nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Dritten erfüllt, so ist dies für den Forderungsgläubiger ein Glücksfall: Er erhält unverhofft volle Befriedigung für seine eigentlich wertlose Forderung.112 Warum die bereits verlorene Gegenleistung ihn nun im Verhältnis zu den Gläubigern des Dritten schutzwürdig macht, ist nicht nachvollziehbar: Der Dritte anfechtung in Betracht. Indem er nun aber – völlig zufällig! – einen Schenkungsvertrag erfüllt, kommt die Anfechtung gegenüber G in Betracht, sofern die Tilgungsleistung in den letzten vier Jahren erfolgt ist. 109 Vgl. Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 298. 110 Im Fall aus Fn. 108 werden nicht nur die Gläubiger des D ungerechtfertigt bevorteilt, sondern G wird mit dem doppelten Insolvenzrisiko des D und seines Forderungsschuldners belastet: Fechten die Gläubiger des D drei Jahre nach der Zahlung ihm gegenüber an, lebt seine Forderung gegen F zwar wieder auf. Eine Zahlung des F ist nun aber wieder vier Jahre lang der Anfechtung ausgesetzt. Obwohl sich F nicht gegen die Drittzahlung wehren konnte (vgl. § 267 Abs. 2 BGB), ist er nun nicht nur vier, sondern insgesamt bis zu acht Jahre der Anfechtung ausgesetzt. Dies ist durch seine Stellung als unentgeltlicher Erwerber nicht gerechtfertigt, denn auch der unentgeltliche Erwerb wird vier Jahre nach der Tilgung anfechtungsfest. 111 Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 63. Vgl. auch Gundlach/Frenzel, NZI 2006, S. 400 (401); dies./Schmidt, InVo 2004, S. 485 (487). 112 Vgl. auch BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 Rn. 8; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 13; OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904; Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 12.

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hat den Forderungsgläubiger von dem schon verwirklichten Insolvenzrisiko des Forderungsschuldners befreit. Dann erscheint es nicht unangemessen, diesem stattdessen das Insolvenzrisiko des Dritten aufzubürden.113 cc) Zwischenergebnis Auf Ebene der Unentgeltlichkeit können die Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung nicht ausgeräumt werden. Die an die Unentgeltlichkeit anknüpfenden Alternativkonzepte konnten nicht überzeugen. Die Bedenken gegen die abweichenden Ansätze zur Bestimmung der Unentgeltlichkeit haben sich auch im Fall der Tilgung fremder Schuld bestätigt. Die Forderungslösung wiederum entspricht mit ihrem Abstellen auf den Entgeltcharakter der Forderung weder den teleologischen Grundlagen des § 134 InsO noch führt sie zu wertungskonformen Ergebnissen. Gefragt werden muss daher, ob man zur Prüfung der Unentgeltlichkeit überhaupt gelangt, oder ob der fremde Gläubiger nicht bereits auf Leistungsebene als tauglicher Anfechtungsgegner ausscheidet. b) Kritik am einschränkungslosen Direktdurchgriff Ein zunehmender Teil der Literatur wendet sich gegen die Grundprämisse des BGH, den Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger stets zuzulassen, solange nur die Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit zwischen dem Forderungsgläubiger und dem Dritten vorliegen.114 Stattdessen lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Frage, ob der Forderungsgläubiger überhaupt als tauglicher Anfechtungsgegner in Betracht kommt. Erst wenn feststeht, dass zwischen Drittem und Forderungsgläubiger eine Anfechtungsbeziehung besteht, sei zu prüfen, ob die Leistung auch unentgeltlich erfolgt sei. Unter welchen Voraussetzungen eine Anfechtungsbeziehung zwischen Forderungsgläubiger und Drittem vorliegt, wird unterschiedlich beurteilt: Einige wollen den Durchgriff auf den Forderungsgläubiger daran knüpfen, dass der Dritte erkennbar als selbstständig Leistender i.S.d. § 267 BGB auftrat; wurde er vom Forderungsschuldner als bloßer Erfüllungsgehilfe eingesetzt, soll es an einer tauglichen Anfechtungsbeziehung fehlen (aa). Andere schlagen vor, sich an dem bereicherungsrechtlichen Grundsatz zur Abwicklung entlang der Kausalverhältnisse zu orientieren und demnach echte Anweisungsleistungen von dem Direktdurchgriff auszunehmen (bb). 113

BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 84/05, NJW-RR 2006, 1136 (1137) in Rn. 11; BGH, Urt. v. 30.03.2006 – IX ZR 54/05, BeckRS 2006, 04886 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (281 f.); Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 63. Diese Argumentation setzt freilich voraus, dass der Gläubiger tatsächlich keine Befriedigung mehr erwarten konnte. 114 Vgl. etwa Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (88); Prütting, KTS 2005, S. 253 (258 f.); Thole, KTS 2011, S. 219 (232); Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 ff.; Wilk, NZI 2008, S. 407 (412); Wittig, NZI 2005, S. 606 ff.

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aa) Direktdurchgriff nur bei echten Drittleistungen i.S.d. § 267 BGB Von Wiester und Kranz stammt der Vorschlag, die Anfechtungsbeziehungen an den schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen auszurichten. Eine Anfechtung gegenüber dem Forderungsgläubiger komme von vornherein nur in Betracht, wenn der Dritte diesem gegenüber als selbstständig leistender Dritter i.S.d. § 267 BGB aufgetreten sei.115 Unterstütze er hingegen nur als Stellvertreter oder Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) den Forderungsschuldner bei dessen eigener Leistung, scheide eine Anfechtung mangels tauglicher Anfechtungsbeziehung aus.116 Für den Erfolg der Anfechtung wäre also stets zu prüfen, ob es sich bei der Erfüllungsleistung des Dritten tatsächlich um eine echte Drittleistung i.S.d. § 267 BGB handelt.117 Der Anwendungsbereich des Direktdurchgriffs gem. § 134 InsO wäre damit äußerst begrenzt, denn eine (erkennbar) eigenmächtige Schuldtilgung i.S.d. § 267 BGB kommt in der Praxis sehr selten vor – schließlich muss der Dritte auf irgendeine Art und Weise Kenntnis vom Gläubiger des Schuldners und der Höhe der Schuld erlangt haben.118 Der Gläubiger – auf dessen Horizont es für die Abgrenzung entscheidend ankommt119 – darf daher in aller Regel davon ausgehen, dass der Dritte von seinem Schuldner zu der Leistung veranlasst worden ist und mit dessen Willen handelte. (1) Das Modell von Wiester und Kranz stellt somit zwar sicher, dass der Gläubiger nicht mehr völlig unerwartet mit der Anfechtungs konfrontiert wird: Nur wenn der zahlende Dritte erkennbar als selbstständig leistender Dritter

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Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (546). In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik von Thole, KTS 2011, S. 219 (231), der der Rechtsprechung vorhält, sie müsse eigentlich zwischen echten Drittleistungen i.S.d. § 267 BGB und Leistungen unter Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen abgrenzen. 116 Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (546). 117 Bislang prüft der BGH nicht, ob tatsächlich eine echte Drittleistung i.S.d. § 267 BGB vorliegt. Er nimmt zwar in seinen Urteilen regelmäßig auf § 267 BGB Bezug [vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 9/08, NZI 2010, 145 Rn. 8; BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 Rn. 9; BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 13; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, NJW 2008, 659 (660) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (231, 239) in Rn. 8, 34; BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (280); BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NJW-RR 2004, 983; OLG Hamm, Urt. v. 25.08.2010 – 8 U 129/09, NZI 2010, 904], doch lag in den meisten dieser Fälle tatsächlich keine echte Drittleistung i.S.d. § 267 BGB vor. Da es aus Sicht des BGH allerdings unerheblich ist, ob eine Drittleistung oder eine Anweisungsleistung vorliegt, kam es auf eine saubere Abgrenzung auch nicht an. 118 Lütcke, NZI 2011, S. 702 (705) geht davon aus, dass es in der Praxis immer Absprachen zwischen Drittem und Forderungsschuldner gegeben haben wird, denn dass der Dritte „von selbst oder quasi durch Zauberhand“ von den zur Schuldtilgung notwendigen Umständen erfahren habe, sei lebensfremd. 119 Vgl. oben S. 171 f.

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i.S.d. § 267 BGB auftrat, sieht sich der Forderungsgläubiger der Unentgeltlichkeitsanfechtung ausgesetzt. Vollständig ausgeräumt sind die Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung damit jedoch nicht: Zwar weiß der Forderungsgläubiger nun, dass er mit dem zusätzlichen Anfechtungsrisiko der Gläubiger des zahlenden Dritten belastet wird, doch wehren kann er sich dagegen wegen § 267 Abs. 2 BGB gleichwohl nicht. Es bleibt dabei, dass der Empfänger der Drittleistung schlechter steht als andere Gläubiger, die im Stadium der materiellen Insolvenz vom Forderungsschuldner selbst befriedigt worden sind. Warum die bloße Erkennbarkeit seines Schicksals dem Forderungsgläubiger die Schutzwürdigkeit nehmen soll, erschließt sich nicht.120 (2) Hinzu kommt, dass die nach diesem Ansatz nunmehr zentrale Abgrenzung zwischen Drittleistung i.S.d. § 267 BGB und Eigenleistung des Forderungsschuldners mithilfe eines Dritten sehr schwierig ist.121 Die Orientierung an den schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen schafft damit neue Abgrenzungsprobleme. An ihre Grenzen gelangt das Modell in Fällen, in denen weder eine eigene Leistungszweckbestimmung des Dritten noch des Forderungsschuldners vorliegt, weil der Dritte irrtümlich von einer Anweisung des Forderungsschuldners ausging und somit eine Zweckbestimmung ‚übermittelte’, die tatsächlich nie existierte. In diesem Fall liegt weder eine Leistung des Dritten noch des Forderungsschuldners vor.122 Das Bereicherungsrecht kann hier auf die Nichtleistungskondiktion zurückgreifen,123 aber die Unentgeltlichkeitsanfechtung würde mangels wirksamer schuldrechtlicher Leistung scheitern.

120 Anders Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (546): Bei § 267 BGB sei es gerechtfertigt, den Gläubiger dem zusätzlichen Anfechtungsrisiko des Dritten auszusetzen, da er in diesem Fall die ihm zustehende Leistung gerade nicht von seinem (bereits insolvenzreifen) Forderungsschuldner erhalten habe, sondern von einem Dritten; „dann – und nur dann – ist es auch angemessen, in diesem Verhältnis das Anfechtungsrisiko zu tragen, auch wenn der Leistungsempfänger nach § 267 II BGB keine Möglichkeit hatte, die Leistung zurückzuweisen.“ 121 So auch Thole, KTS 2011, S. 219 (231). Im allgemeinen Schuldrecht spielt sie keine Rolle, solange die Leistungsabwicklung fehlerfrei verläuft (vgl. Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 267 Rn. 13); erst wenn die getilgte Schuld nicht besteht, sind die Leistungsbeziehungen für die Rückabwicklung bedeutsam, doch werden sie hier von dem wertungsorientierten Leistungsbegriff des Bereicherungsrechts überlagert. 122 Vgl. Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 267 Rn. 37. 123 Hat der Forderungsschuldner die Leistung des Dritten zurechenbar veranlasst, wird aufgrund der bereicherungsrechtlichen Wertungen ausnahmsweise eine Leistung des Forderungsschuldners fingiert, obwohl die überbrachte Zweckbestimmung nie bestand und der „Anweisende“ den Dritten tatsächlich nicht als Erfüllungsgehilfen eingesetzt hat (vgl. Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 267 Rn. 37). Fehlt es an dieser zurechenbaren Veranlassung, ist ein Direktdurchgriff des Dritten auf den vermeintlichen Gläubiger möglich; ob es sich hierbei um eine Leistungs- oder eine Nichtleistungskondiktion handelt, hat der BGH im Urt. v. 16.06.1983 – VII ZR 370/82, BGHZ 87, 393 (398) offengelassen.

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(3) Gegen den Vorschlag von Wiester und Kranz spricht schließlich auch, dass sich der schuldrechtliche Leistungsbegriff für die Bestimmung der Anfechtungsbeziehungen im Rahmen des § 134 InsO als nicht geeignet erwiesen hat.124 Für den allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsbegriff kommt es allein darauf an, wer die Leistung seinem rechtsgeschäftlichen Willen unterordnet, also die Rechtsmacht besitzt, sie mit einer eigenen Leistungszweckbestimmung zu versehen. Der Forderungsschuldner ist also stets Leistender im schuldrechtlichen Sinne, wenn er den Dritten erfolgreich dazu veranlasst hat, an den Forderungsgläubiger zu zahlen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Zuwendung vollständig an seinem Vermögen vorbei vollzogen hat. Das Anfechtungsrecht aber erfordert notwendig eine Vermögensbetroffenheit des Leistenden.125 Fallen Vermögensbetroffenheit und Formulierung der Leistungszweckbestimmung auseinander, würde eine Anknüpfung der Anfechtungsbeziehungen an die schuldrechtliche Leistungsbeziehung dazu führen, dass der schuldrechtlich Leistende mangels Vermögensbetroffenheit nicht anfechten kann, während dem tatsächlich Vermögensbetroffenen die Anfechtung verschlossen ist, weil er nicht schuldrechtlich Leistender ist. Im Gegensatz zum Schuldrecht muss bei § 134 InsO die Vermögensbetroffenheit des Leistenden bei der Bestimmung der Anfechtungsbeziehung berücksichtigt werden.126 Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen im Anfechtungsrecht die Schuldnerperspektive und nicht – wie im Schuldrecht – die Empfängerperspektive ausschlaggebend sein muss.127 Käme es entscheidend darauf an, wen der Forderungsgläubiger als Leistenden angesehen hat, könnten Forderungsschuldner und Dritter den Direktdurchgriff dadurch aushebeln, dass sie dem Forderungsgläubiger gegenüber den Eindruck erwecken, der Forderungsschuldner habe die Leistung veranlasst. Allein das Vertrauen auf die Rechtsmacht des Forderungsschuldners, den Dritten zur Zahlung zu bewegen, würde den Forderungsgläubiger schützen. Er wiederum könnte dem Insolvenzverwalter des Dritten gegenüber behaupten, er sei von einer Leistung des Forderungsschuldners mittels des Dritten als Erfüllungsgehilfen ausgegangen, während er sich dem Forderungsschuldner gegenüber auf die Annahme einer Drittleistung i.S.d. § 267 BGB berufen könnte.128 Diesen 124

Siehe oben S. 174 ff. Vgl. dazu Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 18 ff. 126 Wiester/Kranz merken daher beiläufig an, ihre Grundsätze fänden nur bei der Anweisung „auf Schuld“ – also bei Vermögensbetroffenheit des Forderungsschuldners – und nicht bei der Anweisung „auf Kredit“ Anwendung, vgl. NZI 2012, S. 541 in Rn. 6. Dieser wichtige Aspekt wird durch das Abstellen auf die schuldrechtliche Abgrenzung zwischen Drittleistung i.S.d. § 267 BGB und Eigenleistung des Forderungsschuldners verschleiert. 127 Siehe oben S. 175 f. 128 Vgl. Branz, WuB VI B. § 30 Nr. 1 KO, 1.00 (gegen die Erkennbarkeit der Eigenleistung des Forderungsschuldners bei dessen Anfechtung): „Wie soll der Insolvenzverwalter den Einwand des von ihm als Anfechtungsschuldner in Anspruch genommenen vormaligen 125

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Manipulations- und Umgehungsmöglichkeiten wirkt die Anknüpfung an die Schuldnerperspektive entgegen. (4) Der Vorschlag von Wiester und Kranz kann daher nicht überzeugen.129 Der schuldrechtliche Leistungsbegriff lässt sich nicht auf die Unentgeltlichkeitsanfechtung übertragen. Auch die Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung werden durch die Beschränkung des Direktdurchgriffs auf echte Drittleistungen nur abgemildert, aber nicht endgültig ausgeräumt. bb) Ausklammerung echter Anweisungsfälle aus dem Direktdurchgriff Ein Teil der Literatur spricht sich dafür aus, echte Anweisungsfälle generell vom Direktdurchgriff gem. § 134 InsO auszuklammern.130 War der Dritte dem Forderungsschuldner zu der Zuwendung verpflichtet und erbrachte auf dessen Anweisung hin die geschuldete Leistung nicht an ihn, sondern an den Gläubiger, scheide die Anfechtung gegenüber dem Forderungsgläubiger aus. Gestützt werden soll dieses Ergebnis auf den bereicherungsrechtlichen Grundsatz der Rückabwicklung entlang der Kausalverhältnisse.131 Im Bereicherungsrecht ist man sich einig, dass die Kondiktion grundsätzlich nur zwischen den Parteien des jeweiligen Kausalverhältnisses zu erfolgen hat.132 Auf diese Weise wird dafür Sorge getragen, dass jeder Partei die Einwendungen und Einreden gegen ihren Vertragspartner erhalten bleiben und sie umgekehrt vor Einwendungen Dritter geschützt wird. Auch hat jede Partei nur das Insolvenzrisiko desjenigen zu tragen, den sie sich als Vertragspartner ausgesucht hat.133 Diese allgemeinen Grundsätze sollen auch im Anfechtungsrecht gelten, da die Wertungen beider Rechtsgebiete identisch seien.134

Gläubigers widerlegen können, der vorgibt, er habe die Leistung aus seiner Sicht vom reichen Onkel Dagobert des Schuldners als Dritten im Sinne von § 267 BGB erhalten.“ 129 I.E. ebenso Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 31. 130 Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (88); Prütting, KTS 2005, S. 253 (258 f.); Thole, KTS 2011, S. 219 (232); ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 10; Wilk, NZI 2008, S. 407 (412); Wittig, NZI 2005, S. 606 (608). 131 So Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (88); Wilk, NZI 2008, S. 407 (412); Wittig, NZI 2005, S. 606 (608). Anders hingegen Thole, KTS 2011, S. 219 (232), der die Ausklammerung echter Anweisungsfälle schlicht damit begründet, dass nur so angemessene Ergebnisse erzielt werden können. 132 Vgl. nur Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 6. Aufl., § 13 Rn. 4. 133 Grundlegend Canaris, in: FS Larenz, S. 799 (802 f.). Heute entspricht es der ganz herrschenden Meinung, dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung grundsätzlich diesen Wertungen folgt, vgl. nur Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 5 Rn. 12; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 6. Aufl., § 13 Rn. 4. 134 Wilk, NZI 2008, S. 407 (412); auch Bitter, in: Bankrechtstag 2013, S. 37 (88); Wittig, NZI 2005, S. 606 (608). Für eine Lösung der insolvenzrechtlichen Dreiecksproblematik entsprechend der bereicherungsrechtlichen Konstruktion auch Schulz/Schröder, DZWiR 2008, S. 419 (420). Auch Blum, WuB VI A. § 134 InsO 2.08 sieht „zahlreiche Parallelen“ zwischen

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Diesem Begründungsansatz liegt die These zugrunde, dass die Anfechtung entlang der Kausalverhältnisse nach bereicherungsrechtlichem Vorbild einen allgemeinen Grundsatz des Anfechtungsrechts bildet. Trifft dies zu, so wäre es in der Tat schwer nachzuvollziehen, warum dieser Grundsatz im Rahmen des § 134 InsO durchbrochen werden sollte. Es ist also zu prüfen, ob die bereicherungsrechtlichen Wertungen zur Rückabwicklung entlang der Kausalverhältnisse auch im Anfechtungsrecht generell Geltung beanspruchen. (1) Für diese These scheint ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2004 zu sprechen: Der 9. Senat stellte dort fest, auch im Anfechtungsrecht komme „eine Anfechtung grundsätzlich nur im jeweiligen Leistungsverhältnis in Betracht.“ Dies sei angemessen, „weil hierdurch die Risiken den Leistungsverhältnissen zugeordnet werden, auf die die Parteien Einfluß haben.“135 Auch werde auf diese Weise eine doppelte Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers vermieden, der sonst das Insolvenzrisiko sowohl seines Forderungsschuldners als auch des leistenden Dritten zu tragen habe.136 Allerdings bezogen sich diese Äußerungen auf die Frage, ob die Deckungsanfechtung auch gegenüber einem Nicht-Insolvenzgläubiger durchgreifen kann. Es ging also um die Erweiterung eines tatbestandlich nicht einschlägigen Anfechtungsgrundes. Aus den Ausführungen des BGH lässt sich hingegen nicht ableiten, dass die Anfechtung generell nur innerhalb der Leistungsverhältnisse zu erfolgen habe und eine tatbestandlich einschlägige Anfechtung daher scheitert, nur weil zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner keine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung besteht. (2) Zweifel an einer Übertragung der bereicherungsrechtlichen Wertungen auf das Anfechtungsrecht erweckt die Tatsache, dass sich der Interessenkonflikt in beiden Rechtsgebieten grundlegend unterscheidet. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Zahlung eines Dritten auf eine (nicht bestehende) fremde Schuld stehen sich in erster Linie die Interessen von Forderungsschuldner und zahlendem Dritten gegenüber: Der Forderungsschuldner möchte nicht in den Bereicherungsausgleich einbezogen werden, denn er wurde von keiner tatsächlich bestehenden, eigenen Verbindlichkeit befreit. Der Dritte aber würde sich gerne an den Forderungsschuldner halten, da er mit diesem in einer Rechtsbeziehung steht. Fraglich ist daher, ob dem Forderungsschuldner die Einbeziehung in die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zugemutet werden kann. Der Forderungsgläubiger hingegen hat die Leistung rechtsgrundlos erlangt und ist daher in jedem Fall zur Rückgabe verpflichtet. Für ihn stellt sich lediglich die Frage, an wen das Erlangte herauszugeben ist.

der bereicherungsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Rückabwicklung, „sowohl in der verwendeten Terminologie als auch bezüglich der zugrunde liegenden Wertungen.“ 135 BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NZI 2004, 374 (375). 136 BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NZI 2004, 374 (375).

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

Das Anfechtungsrecht steht demgegenüber vor der Aufgabe zu entscheiden, ob der Forderungsgläubiger überhaupt in Anspruch genommen werden kann. Ein Bedürfnis, den Forderungsschuldner aus dem Anfechtungsverhältnis herauszuhalten, besteht hingegen nicht: Denn anders als im Bereicherungsrecht war das Valutaverhältnis nicht mangelhaft, sodass er die Befreiung von der Verbindlichkeit erlangt hat. Der zu lösende Interessenkonflikt ist im Rahmen der anfechtungsrechtlichen und der bereicherungsrechtlichen Rückgewähr somit grundverschieden, weil es im Anfechtungsrecht um die Begründung der Anfechtbarkeit gegenüber dem Forderungsgläubiger geht, während seine Herausgabepflicht im Bereicherungsrecht feststeht und lediglich zu fragen ist, an wen er die Bereicherung herauszugeben hat.137 (3) Auch die dogmatischen Grundstrukturen der anfechtungsrechtlichen und der bereicherungsrechtlichen Rückgewähr sind nicht deckungsgleich. Die Versagung des Direktdurchgriffs auf den Gläubiger beruht im Bereicherungsrecht in erster Linie auf dem Vorrang der Leistungs- vor der Nichtleistungskondiktion, den das Anfechtungsrecht so nicht kennt.138 Einige Anfechtungstatbestände hingegen stützen sich auf besondere subjektive Voraussetzungen beim Anfechtungsgegner, die durch die Verpflichtung zur Rückgewähr ‚geahndet’ werden – dieser Gedanke ist wiederum dem Bereicherungsrecht wesensfremd.139 Den jeweiligen Rückgewährpflichten liegen somit ganz unterschiedliche Wertungen zugrunde.140 (4) Diese Gesichtspunkte sprechen dagegen, den bereicherungsrechtlichen Grundsatz zur Rückabwicklung entlang der Kausalverhältnisse auf das Anfechtungsrecht zu übertragen und eine Anfechtung generell nur innerhalb der bereicherungsrechtlichen Leistungsbeziehungen zuzulassen.141 Wem gegenüber die Anfechtung durchgreift, ist vielmehr anhand der Wertungen und Tatbestandvoraussetzungen des jeweiligen Anfechtungstatbestands zu ermitteln.142 Die Tatbestände der Deckungsanfechtung fordern die Stellung des Anfechtungsgegners als Insolvenzgläubiger und lassen eine Anfechtung daher nur 137 Auch Wilk erkennt zutreffend, dass sich der Blickwinkel im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts ändert, vgl. NZI 2008, S. 407 (411). 138 Vgl. auch Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 61; Wiester/ Kranz, NZI 2012, S. 541 (542). 139 Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 11. 140 So auch Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 70 ff. 141 Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 61 f.; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 134 Rn. 29; Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 70 ff.; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 102 ff. Vgl. auch Thole, KTS 2011, S. 219 (229); ders, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 8; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (887). Für „bedenklich“ hält die Übertragung der bereicherungsrechtlichen Wertungen auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 11. 142 Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 61 f. Vgl. auch Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 22.

I. Die Tilgung fremder Verbindlichkeiten

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gegenüber Gläubigern des Schuldners zu. Die Vorsatzanfechtung hingegen greift gegenüber jedem Begünstigten durch, in dessen Person die hohen subjektiven Anforderungen des § 133 InsO erfüllt sind. Im Rahmen des § 134 InsO wiederum geben die materiellen Zuwendungsbeziehungen den richtigen Anfechtungsgegner vor. Im Ergebnis mag man feststellen, dass die insolvenzrechtlichen Wertungen innerhalb eines Anfechtungstatbestands der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung entsprechen. Dass aber eine tatbestandlich gegebene Anfechtung scheitern soll, nur weil zwischen den Anfechtungsparteien keine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung besteht, lässt sich dogmatisch nicht überzeugend begründen.143 Darüber hinaus lassen sich mit der Ausklammerung von typischen Anweisungsfällen aus dem Anwendungsbereich des § 134 InsO nicht alle Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung ausräumen: Es bleibt dabei, dass die Begründung des Direktdurchgriffs in den übrigen Fällen dogmatischen Bedenken begegnet und den drittbefriedigten Gläubiger schlechter stellt als bei einer Befriedigung durch seinen Forderungsschuldner selbst. c) Teleologische Reduktion der Schenkungsanfechtung Jungclaus möchte den Bedenken gegen die Rechtsprechungslösung mit einer teleologischen Reduktion des § 134 InsO Rechnung tragen. Er folgt grundsätzlich der neuen Doktrin des BGH seit 2005, jedoch sollen die potentiellen Anfechtungsmöglichkeiten der Gläubiger des Forderungsschuldners eine negative Sperrwirkung gegenüber der Unentgeltlichkeitsanfechtung der Gläubiger des zahlenden Dritten entfalten:144 Der Durchgriff des Drittvermögens auf den Forderungsgläubiger scheidet danach aus, wenn dessen Erwerb bei einer hypothetischen Direktzahlung durch den Forderungsschuldner anfechtungsfest gewesen wäre.145 Sind etwa die Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO im Verhältnis zum Forderungsschuldner nicht erfüllt, weil es an der tatsächlichen Insolvenzeröffnung, den subjektiven Voraussetzungen oder an der Frist fehle, kommt eine anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers nicht in Betracht.146 In diesem Fall sei § 134 InsO teleologisch in der Weise zu reduzieren, dass des Verlust der Forderung gegen den Forderungsschuldner ungeachtet ihres wirtschaftlichen Wertes schon dann als vollwertig ausgleichendes Entgelt anzusehen ist, wenn die Forderung im Verhältnis zum Forderungsschuldner die Grundlage für einen anfechtungsfesten Erwerb

143

Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 61. Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536 f.). Dagegen ausdrücklich BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 10 ff. 145 Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536). 146 Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536). 144

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bilde.147 Nicht einschlägig sei die Sperrwirkung allerdings, wenn die Deckungsanfechtung allein an einem im Deckungsverhältnis wurzelnden Umstand scheitert, wie beispielsweise der mangelnden Vermögensbetroffenheit des Forderungsschuldners. In diesem Fall sei der Durchgriff gem. § 134 InsO möglich.148 Der BGH ist diesem Ansatz ausdrücklich entgegengetreten: Anfechtungsgründe seien getrennt auf ihre Begründetheit und Durchsetzbarkeit zu prüfen.149 Auch führe Jungclaus‘ Vorschlag zu einer unangemessenen Begünstigung des Anfechtungsgegners, der von einer Anfechtung auch dann freigestellt werde, wenn die Gläubiger wegen der vollständigen Vermögenslosigkeit des Forderungsschuldners keinen Antrag auf Insolvenzeröffnung stellen.150 Jungclaus´ Modell kann allerdings auf Wertungsebene überzeugen: Im Gegensatz zu allen anderen, bisher vorgestellten Alternativkonzepten stellt er sicher, dass der Forderungsgläubiger nicht schlechter gestellt wird als bei einer Befriedigung durch seinen Forderungsschuldner selbst. An der dogmatischen Konstruktion bestehen gleichwohl Zweifel. Zum einen erscheint es wenig überzeugend, die Unentgeltlichkeit zunächst im Sinne der Rechtsprechung ‚weit’ auszulegen, um sie anschließend aus Gründen des Empfängerschutzes wieder teleologisch zu reduzieren. Dieses Vorgehen deutet vielmehr darauf hin, dass die tatbestandliche Kontur des § 134 InsO von vornherein falsch umrissen ist. Zum anderen sind die Argumente des BGH nicht von der Hand zu weisen: Die Unentgeltlichkeitsanfechtung beruht auf einem Schuldnerfehlverhalten, während die Tatbestände der Deckungsanfechtung an den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung anknüpfen. Tatbestände der allgemeinen und der besonderen Insolvenzanfechtung stehen in freier Konkurrenz zueinander.151 Sind die Voraussetzungen des § 134 InsO tatsächlich erfüllt, lässt sich eine Sperrwirkung der fremden Deckungsanfechtung dogmatisch nicht sauber herleiten. d) Ergebnis Keiner der Alternativvorschläge der Literatur konnte abschließend überzeugen. Nur Jungclaus‘ Vorschlag vermeidet, dass der Forderungsgläubiger infolge der Drittbefriedigung schlechter gestellt wird als Gläubiger, die vom Forderungs-

147

Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536). Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (537). 149 BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 11. 150 BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 14 f. 151 Vgl. zur freien Konkurrenz des § 134 InsO mit den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung nur Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 13; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 6, 7; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 3, 4; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 3; Thole, Gläubigerschutz, S. 314 f. 148

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schuldner selbst befriedigt wurden. Die dogmatische Konstruktion, die Jungclaus wählt, begegnet jedoch erheblichen Zweifeln. Es ist daher zu fragen, ob das in dieser Arbeit entwickelte Konzept der Unentgeltlichkeitsanfechtung eine tragfähige Grundlage zur Lösung dieser Anfechtungsproblematik bietet. 4. Eigene Lösung Das hier entwickelte Modell fordert als Grundvoraussetzung der Anfechtung eine materielle Zuwendung des Schuldners an den Anfechtungsgegner. Ein Zugriff auf den Forderungsgläubiger kommt somit nur in Betracht, wenn der Dritte dem Forderungsgläubiger in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht bewusst einen materiellen Vermögensvorteil verschaffen wollte.152 Erst wenn eine solche Zuwendungsbeziehung festgestellt werden kann, stellt sich im Verhältnis zwischen Forderungsgläubiger und Drittem überhaupt die Frage nach einem Entgelt. Ist die Hürde der materiellen Zuwendung zwischen Forderungsgläubiger und Drittem genommen, bereitet die Prüfung der Unentgeltlichkeit hingegen keine Probleme mehr: Die Tilgungsleistung allein schafft kein Kausalverhältnis zwischen dem Forderungsgläubiger und dem Dritten. Damit fehlt die Grundlage für die Begründung einer Gegenleistung. Auch ein entgeltäquivalenter Ausgleichsanspruch entsteht zwischen ihnen nicht. Die materielle Zuwendung ist daher – sofern sie vorliegt – notwendig unentgeltlich.153 Der Fokus liegt also ganz auf der Prüfung der materiellen Zuwendungsbeziehungen: Sie entscheiden darüber, ob die Anfechtung gegenüber dem Forderungsgläubiger erfolgreich ist oder nicht. Die Unentgeltlichkeit steht dahinter in ihrer Bedeutung zurück. a) Die materiellen Zuwendungsbeziehungen bei der Tilgung einer fremden Schuld Zu klären ist somit, ob die Tilgung einer fremden Schuld eine materielle Zuwendungsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Forderungsgläubiger begründet. Die materielle Zuwendung ist sowohl an objektive als auch an subjektive Voraussetzungen geknüpft: In objektiver Hinsicht erfordert sie, dass der Zuwendende dem Begünstigten in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit einen materiellen Vermögensvorteil verschafft. In subjektiver

152

Zu den Anforderungen an die materielle Zuwendung vgl. im Einzelnen oben S. 178 ff. Vgl. auch Kayser, WM 2007, S. 1 (4): In Dreipersonenverhältnissen würden „die Anforderungen an die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen im Ergebnis erhöht, weil es an einer Abrede, aus der sich eine Gegenleistung ergeben könnte, fehlt. Ohne die vom BGH vorgenommene Korrektur wäre die Leistung des Außenstehenden und späteren Insolvenzschuldners stets unentgeltlich. Die durch das zusätzliche Merkmal bewirkte Einschränkung der Schenkungsanfechtung ist interessengerecht.“ 153

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Hinsicht setzt sie voraus, dass diese materielle Bereicherung von dem Willen und dem Bewusstsein des Zuwendenden gedeckt ist. Denn nur wenn der Zuwendende den objektiv Begünstigten auch als Empfänger seiner Zuwendung ansieht, stellt sich für ihn in diesem Verhältnis die Frage nach einem Entgelt.154 aa) Der materiell Begünstigte der Tilgungsleistung des Dritten In objektiver Hinsicht setzt die Anfechtung gegenüber dem Forderungsgläubiger somit voraus, dass dieser durch die Tilgungsleistung eine materielle Bereicherung erfährt. (1) Grundsatz: Der Forderungsschuldner als materiell Begünstigter der Drittleistung Tilgt ein Dritter eine fremde Schuld, so bringt er mit der Erfüllungsleistung den Anspruch des Forderungsgläubigers gegen den Forderungsschuldner zum Erlöschen, vgl. § 267 BGB bzw. §§ 362, 278 BGB. Der Forderungsgläubiger erhält somit zwar die geschuldete Leistung, verliert aber zugleich seine Forderung, mit der er sich die Leistung notfalls auch selbst hätte verschaffen können. Der mit der Tilgungsleistung verbundene Vorteil wird unmittelbar durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße wieder aufgezehrt.155 Im Verhältnis zwischen Forderungsgläubiger und Drittem stellt sich daher zu keiner Zeit die Frage nach einem Entgelt: Der Forderungsgläubiger wird dem Dritten für die Leistung kein eigenständiges Entgegenkommen gewähren, denn er erhält von ihm nur das, was er ohnehin von seinem Schuldner zu beanspruchen hatte.156 Eine eigenständige materielle Zuwendung, die einen Anknüpfungspunkt für ein Schuldnerfehlverhalten bilden könnte, begründet die Tilgungsleistung im Verhältnis zwischen Drittem und Forderungsgläubiger daher nicht. Der Dritte wickelt mit der Tilgungsleistung auch keinen vorher bereits in Gang gesetzten, eigenen materiellen Zuwendungserfolg ab.157 Vielmehr dient seine Leistung lediglich der Verwirklichung eines fremden materiellen Kausalverhältnisses. Die Tilgungsleistung kann daher auch nicht in einen zwischen den Parteien bereits begründeten, materiellen Zuwendungsvorgang eingebunden werden. Damit bleibt es im Verhältnis zwischen Forderungsgläubiger und Drittem bei der Verwirklichung des entgeltneutralen Erfüllungszwecks: Die Tilgungsleistung ist gegenüber dem Forderungsgläubiger weder entgeltlich 154

Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der materiellen Zuwendung ausführlich oben S. 178 ff. 155 Vgl. oben S. 205 f. 156 Das Erlöschen der Forderung lässt somit allein die Bereicherung entfallen, begründet aber keine „Gegenleistung“. So auch zutreffend Harke, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 516 Rn. 36. 157 Darin liegt der Unterschied zwischen der Tilgung einer eigenen und einer fremden Schuld. Vgl. zur Tilgung einer eigenen Schuld oben S. 248 f.

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noch unentgeltlich, sondern entgeltneutral, da es an einer materiellen Zuwendung des Dritten an den Forderungsgläubiger fehlt. Materiell Begünstigter der Drittleistung ist vielmehr der Forderungsschuldner.158 Er wird von seiner Verbindlichkeit frei und erfährt dadurch eine materielle Bereicherung. Damit stellt sich im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Drittem auch die Frage nach einem Entgelt: Der Dritte kann entscheiden, ob er für die Schuldbefreiung einen Ausgleich fordert oder ob er sie dem Forderungsschuldner unentgeltlich zuwendet. Als Gegner der Unentgeltlichkeitsanfechtung kommt bei der Tilgung einer fremden Schuld somit in aller Regel nur der Forderungsschuldner in Betracht.159 (2) Der Sonderfall der Tilgung einer fremden, wertlosen Verbindlichkeit Die Situation ändert sich jedoch, wenn der Dritte auf eine wertlose Forderung leistet. Die Drittleistung verschafft dem Forderungsgläubiger nun einen Vorteil, den er auf Grundlage seiner Forderung nicht mehr erhalten hätte. Ihr Verlust stellt daher keine Vermögenseinbuße dar, die den durch die Tilgungsleistung verschafften Vorteil unmittelbar wieder aufzehrt. Der Forderungsgläubiger wird in diesem Fall durch die Drittleistung materiell bereichert.160 Bsp.: Verspricht ein Dritter dem Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Forderungsschuldners, die Insolvenzforderung in voller Höhe zu befriedigen, so kann darin nichts anderes gesehen werden als eine (gemischte) Schenkung i.S.d. § 516 BGB.161

Ist die getilgte Forderung im Zeitpunkt der Zahlung also wertlos, weil sie dem Gläubiger keine Chance auf Befriedigung mehr verspricht, liegen ausnahms-

158 Vgl. auch Bartels, WuB VI C. § 32 KO, 1.05: der Dritte wolle stets an den Forderungsschuldner leisten; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 211: die Tilgung einer fremden Schuld sei „in der Regel eine Zuwendung an den Forderungsschuldner (…), nicht aber an den befriedigten Gläubiger.“ Zumindest auch, aber nicht nur einen Leistungswillen gegenüber dem Forderungsschuldner sieht Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 272 ff. 159 Vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.93, der den Forderungsschuldner ausnahmslos als tauglichen Anfechtungsgegner ansieht. 160 Auch im Schenkungsrecht ist die Zahlung auf eine uneinbringliche fremde Forderung als Anknüpfungspunkt für eine Schenkung des Zahlenden an den Gläubiger anerkannt, vgl. Gehrlein, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 516 Rn. 5; Harke, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 516 Rn. 37. A.A. Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 147 f. 161 Voraussetzung ist freilich, dass sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind, § 516 Abs. 1 BGB. Sie müssen daher wissen, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet worden ist. Auch darf der Dritte keine eigenen wirtschaftlichen Vorteile aus der Befriedigung des fremden Gläubigers ziehen, da dies den Schenkungscharakter entfallen lässt (siehe oben S. 370 ff.).

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weise die Voraussetzungen für eine materielle Zuwendung zwischen dem zahlenden Dritten und dem fremden Gläubiger vor.162 (a) Die Voraussetzungen für eine vollständige Wertlosigkeit der Forderung Diese Sondersituation setzt allerdings voraus, dass eine Befriedigung des Forderungsgläubigers im Zeitpunkt der Drittleistung nachweislich ausgeschlossen war.163 Das Forderungsrecht darf nicht mehr sein als eine leere Hülle, aus der sich keine Chance mehr auf volle Befriedigung durch den Forderungsschuldner ergibt. Solange diese Chance noch besteht, scheidet die Möglichkeit einer eigenständigen Bereicherung des Forderungsgläubigers durch die Tilgungsleistung des Dritten aus.164 (aa) Wertlos ist die Forderung danach, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen wurde. Dann steht nachweislich fest, dass aktuell keine Hoffnung mehr auf volle Befriedigung durch den Forderungsschuldner besteht. Der Wertlosigkeit der Forderung steht auch nicht entgegen, dass der Gläubiger im Insolvenzverfahren immerhin noch Aussicht auf eine quotalen Befriedigung hat.165 Denn steht dem Gläubiger nur noch eine Insolvenzforderung zu, so ist

162 A.A. Bartels, WuB VI C. § 32 KO, 1.05: der Dritte wolle bei der Tilgung einer fremden Schuld stets an den Forderungsschuldner leisten; daran ändere auch die Uneinbringlichkeit der getilgten Forderung nichts. 163 Vgl. auch OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211) m. zust. Anm. Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212. 164 Denn der Wert der Forderung schwankt nicht mit den Vermögensverhältnissen des Schuldners: Die tatsächliche Befriedigung des Gläubigers durch seinen Schuldner ist in vollem Umfang eine entgeltliche Leistung, auch wenn das Vermögen des Schuldners nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht (siehe oben S. 253). Eine eigenständige Bereicherung wird erst dann bewirkt, wenn diese Option ausgeschlossen ist, weil der Gläubiger nun tatsächlich nicht mehr volle Befriedigung fordern darf und sich der Wert seiner Forderung auf eine anteilige Befriedigung am Schuldnervermögen reduziert. Solange hingegen noch die Möglichkeit auf eine volle Befriedigung besteht, kann die tatsächliche volle Befriedigung keine eigenständige Bereicherung auslösen. Auf den konkreten Wert der erloschenen Forderung kommt es hingegen nicht an, sondern ausschließlich auf die Frage, ob der Gläubiger vom Forderungsschuldner tatsächlich noch befriedigt worden wäre oder nicht. 165 So auch BGH, Urt. v. 17.10.2013 – IX ZR 10/13, ZIP 2013, 2208 (2209) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 17.06.2010 – IX ZR 186/08, NZI 2010, 678 in Rn. 7; BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (488) in Rn. 9; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 62; Gehrlein, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, AnwKomm InsR, 2. Aufl., § 134 Rn. 10; Huber, ZInsO 2010, S. 977 (981); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25. Noch offenlassend BGH, Urt. v. 05.06.2008 – IX ZR 163/07, NJW-RR 2008, 1628 (1629) in Rn. 14. Kritisch hingegen Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 309; Gundlach/ Frenzel, NZI 2006, S. 400 (401); Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536); Kayser, WM 2007, S. 1 (8); Schäfer, ZInsO 2014, S. 973 (976); Schulz/Schröder, DZWiR 2008, S. 419 (420);

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das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Forderungsschuldner endgültig gestört und die Chance auf die eigentlich vorgesehene, volle Befriedigung durch den Schuldner ausgeschlossen.166 Ebenso, wie die Tilgung vor Insolvenzeröffnung nicht deshalb teilweise unentgeltlich ist, weil die Chancen auf Befriedigung vermindert sind,167 macht die Insolvenzquote die Befriedigung nicht teilweise entgeltlich, weil der Gläubiger noch eine Quote erhalten kann. Entscheidend ist einzig, ob nach den tatsächlichen Umständen noch Aussicht auf volle Befriedigung durch den Forderungsschuldner und damit auf die kausalvertraglich vorgesehene Abwicklung der Zuwendungsbeziehung besteht. Fehlt es daran, begründet die Tilgungsleistung eine eigenständige Bereicherung des Forderungsgläubigers.168 Die Quote hat für den Gläubiger nur insoweit Bedeutung, als er im Verhältnis zum Dritten Entreicherung gem. § 143 Abs. 2 S. 1 InsO geltend machen kann, wenn er aufgrund der langen Frist des § 134 InsO keine Möglichkeit mehr hatte, seine Forderung zur Tabelle anzumelden, und ihm daher die Quote entgangen ist.169 (bb) Oftmals erfolgt die Insolvenzeröffnung zu einem Zeitpunkt, in dem der Insolvenzschuldner seine Zahlungen bereits seit längerer Zeit eingestellt hatte und der Forderungsgläubiger daher schon im Vorfeld der Insolvenz nicht mehr mit einer Befriedigung rechnen konnte. Wird er nun von einem Dritten befriedigt, kann die Situation nicht anders behandelt werden als nach der formellen Insolvenzeröffnung: Ist bei letzterer die Verwirklichung der Forderung aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, so ist sie es nach Zahlungseinstellung des Schuldners aus tatsächlichen Gründen. Können die Gläubiger des Dritten nach-

Thole, KTS 2011, S. 219 (230 f.); ders., in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9; Wilk, NZI 2008, S. 407 (410). 166 Anders ist dies nur, wenn sich ausnahmsweise während des Verfahrens herausstellt, dass der Schuldner doch über ausreichend Vermögen verfügt und somit alle Forderungen voll befriedigt werden können. Dann ist die Forderung als voll werthaltig zu behandeln und der Durchgriff der Gläubiger des Dritten auf den Forderungsgläubiger scheidet aus. Sie können ihre Ansprüche nun gegenüber dem Forderungsschuldner verwirklichen. 167 Siehe dazu oben S. 253 ff. 168 Die vollständige Vermögenslosigkeit des Schuldners, die selbst eine quotale Befriedigung des Gläubigers ausschließt, ist für die Wertlosigkeit der Forderung daher nicht zu fordeRn. Zu hohe Anforderungen stellt daher Wittig, NZI 2005, S. 606 (608). 169 Die Voraussetzungen für die Entreicherung – also die Höhe seiner entgangenen Quote – hat der Gläubiger selbst darzulegen und zu beweisen. Durch diese Beweislastanforderung steht er im Ergebnis zwar schlechter als diejenigen Gläubiger, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Forderungsschuldners gar keine Befriedigung mehr erhalten haben und nun problemlos an der Quote partizipieren können. Unbillig erscheint dieser Nachteil jedoch nicht [so aber Wilk, NZI 2008, S. 407 (410)]: Denn im Vergleich zu den unbefriedigten Gläubigern hat der befriedigte Gläubiger durch die Drittleistung immerhin die Chance einer vollen Befriedigung erhalten. Als Ausgleich dafür darf ihm der Nachweis seiner entgangenen Quote aufgebürdet werden.

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weisen, dass der Forderungsgläubiger vom Schuldner selbst nicht mehr befriedigt worden wäre und der Dritte ihm gleichwohl Befriedigung verschaffte, greift § 134 InsO somit auch dann ein, wenn die Tilgungsleistung vor der formellen Verfahrenseröffnung vollzogen wurde. Ausschlaggebend für die Frage, ob der Forderungsgläubiger schon vor Verfahrenseröffnung nicht mehr mit der Befriedigung seiner Forderung rechnen konnte, ist das tatsächliche Zahlungsverhalten des Forderungsschuldners.170 Nur wenn er im Anschluss an die Drittzahlung keine Tilgungsleistungen mehr vorgenommen oder zumindest keine mit dem Forderungsgläubiger vergleichbaren Gläubiger mehr befriedigt hat, kann darauf geschlossen werden, dass der Gläubiger ohne die Drittzahlung leer ausgegangen wäre. Der Forderungsschuldner muss also im Zeitpunkt der Zahlung seine Geschäftstätigkeit bereits eingestellt oder jedenfalls andere Gläubiger mit entsprechenden Forderungen nicht mehr bedient haben. Die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Forderungsschuldners geben über die Befriedigungschancen hingegen keinen Aufschluss.171 Die Zahlungsunfähigkeit ist schon deshalb ungeeignet, weil sie zeitpunktbezogen ist und kurze Zeit später wieder entfallen kann.172 Zudem ist es bei einem Schuldner, der nicht mehr alle fälligen Forderungen bezahlen kann, nicht ausgeschlossen, dass er einen Teil der fälligen Forderungen noch begleicht. Auch rechnerisch überschuldete Schuldner tätigen oft bis zuletzt Zahlungen in erheblichem Umfang, sodass der Gläubiger bei einem entsprechenden Zahlungsverhalten des Schuldners auch in diesem Fall noch Aussicht auf Befriedigung haben kann.173 (cc) Die Forderung ist auch dann nicht vollkommen wertlos, wenn der Gläubiger zwar nicht mehr mit einer freiwilligen Zahlung seines Schuldners rechnen konnte, aber die Möglichkeit hatte, seine Forderung auf andere Art und Weise zu verwirklichen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Forderung durch einen Dritten gesichert war174 oder der Gläubiger die Forderung durch Aufrechnung175 oder durch Vollstreckung in sonstige Vermögensgüter des Schuldners

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Vgl. auch OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211) m. zust. Anm. Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212. 171 So auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 309; Gundlach/Frenzel, NZI 2006, S. 400 (401); Kayser, WM 2007, S. 1 (8); Michel/Geiger, EWiR 2010, S. 125 (126). Vgl. auch Wilk, NZI 2008, S. 407 (410), der darauf hinweist, dass auch notleidende Forderungen marktfähig sind und somit einen Gegenwert besitzen. 172 OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211) m. zust. Anm. Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212; Wittig, NZI 2005, S. 606 (608). 173 Michel/Geiger, EWiR 2010, S. 125 (126). 174 So auch BGH, Urt. v. 15.09.2014 – II ZR 442/13, ZInsO 2015, 1216 (1219) in Rn. 27; BGH, Beschl.. v. 03.04.2014 – IX ZR 236/13, NZI 2014, 564 (565) in Rn. 5 f.; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 71. 175 Vgl. BGH, Urt. v. 18.04.2013 – IX ZR 90/10, NJW-RR 2013, 1203 in Rn. 8; BGH,

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erfolgreich hätte verwirklichen können.176 Die rein hypothetische Möglichkeit der Vollstreckung genügt freilich nicht. Vielmehr muss der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gehabt und die Vollstreckung angekündigt bzw. erste Schritte in diese Richtung unternommen haben, von deren Weiterverfolgung er dann aufgrund der Drittbefriedigung absah. (dd) An der Wertlosigkeit der Forderung fehlt es auch dann, wenn sie einem gegenseitigen Vertrag entsprang und der Gläubiger nicht vorgeleistet hat.177 Denn wäre anstelle der Drittleistung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet worden, hätte der Verwalter die Leistung des Forderungsgläubigers keinesfalls zur Masse ziehen und ihn mit seiner Gegenforderung auf die Anmeldung zur Tabelle verweisen können. Durch das Erfüllungsverlangen des Verwalters (§ 103 Abs. 1 InsO) wäre sein Anspruch vielmehr zur Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO aufgewertet worden und damit gem. § 53 InsO vorweg zu befriedigen gewesen. Das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Forderungsschuldner war im Zeitpunkt der Drittleistung also nicht in der Weise gestört, dass der Gläubiger mit seiner Forderung ausgefallen wäre und keine Befriedigung mehr vom Schuldner hätte erlangen können, obwohl er selbst an ihn geleistet hatte. Ein solcher Anspruch ist daher unabhängig von der Insolvenz des Forderungsschuldners werthaltig. (ee) Die Forderung ist schließlich auch dann nicht wertlos, wenn sie einem Dauerschuldverhältnis entspringt und ihre Nichtbefriedigung die Voraussetzung dafür bildet, dass der vorleistungspflichtige Gläubiger künftige Leistungen aus dem Dauerschuldverhältnis verweigern oder dieses kündigen kann.178

Beschl. v. 03.04.2014 – IX ZR 236/13, NZI 2014, 564 (565) in Rn. 6; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 70. 176 So auch OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211) m. zust. Anm. Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212. 177 So auch Schulz/Schröder, DZWiR 2008, S. 419 (420). I.E. ebenso die herrschende Meinung, wenn sie die „Unentgeltlichkeit“ ausschließt, sofern der Forderungsgläubiger seine kausalvertraglich geschuldete Leistung infolge der Zahlung tatsächlich noch an den Forderungsschuldner erbringt, vgl. S. 438 Fn. 47. Die Tatsache, dass der Gläubiger die geschuldete Leistung tatsächlich an den Forderungsschuldner erbringt, ist allerdings irrelevant: Die getilgte Forderung war nicht wertlos, sodass es auf alles Weitere nicht ankommt. Der Forderungsschuldner bzw. sein Insolvenzverwalter durften die Gegenleistung einfordern, die Gläubiger des Forderungsschuldners den Anspruch auf die Gegenleistung pfänden – das genügt. 178 Ebenso LG Stuttgart, Urt. v. 05.11.2013 – 16 O 556/12, ZInsO 2014, 406 (409); vgl. auch Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 9, für den die Leistung „entgeltlich“ ist, wenn der Empfänger für den Erhalt der Drittzahlung weitere Leistungen ausreicht und diese unmittelbar mit dem Erhalt verknüpft sind; noch weitergehender Lütcke, ZIP 2014, S. 1769 (1772 ff.). A.A. LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.01.2014 – 2–08 O 93/13, ZInsO 2014, 965, 968 ff.; wohl auch LG Köln, Urt. v. 22.10.2014 – 26 O 140/13, NZI 2015, 76 (77) [in

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

Wird die Forderung nun erfüllt, wird der Gläubiger zu einer erneuten Vorleistung verpflichtet, die er sonst hätte verweigern können.179 Der Wert der befriedigten Forderung ergibt sich somit aus ihrer unmittelbaren Wirkung auf die künftige Vorleistungspflicht des Gläubigers. Nicht ausreichend ist es hingegen, dass sich der Gläubiger aufgrund der Befriedigung seiner Forderung rein tatsächlich zum Abschluss weiterer Verträge mit dem Forderungsschuldner einlässt, weil er von dessen Liquidität ausgeht.180 Nur wenn die Altforderung ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der sonst zwingend zu erfüllenden Neuverbindlichkeit oder eine Kündigung des laufenden Vertrags eröffnet, ist sie als werthaltig zu qualifizieren. (b) Zwischenergebnis In objektiver Hinsicht ist ein Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger somit möglich, wenn die getilgte Forderung vollkommen wertlos war. Dies folgt allerdings nicht daraus, dass die getilgte Forderung nun keine gleichwertige ‚Gegenleistung’ für die Tilgungsleistung mehr bildet, sondern dass der Forderungsgläubiger nur im Fall der Befriedigung für eine eigentlich wertlose Forderung materiell bereichert wird.181 Nur in diesem Fall stellt sich für die Parteien überhaupt die Frage nach einem Entgelt. Bei der Prüfung der Wertlosigkeit der Forderung sind jedoch weitaus strengere Maßstäbe anzulegen als nach der Rechtsprechung des BGH.182 Es muss dem zu entscheidenden Fall konnte die Gläubigerin die weitere Leistung hingegen nicht verweigern, da der Vertrag ein solches Recht nicht vorsah]. 179 Ähnliche Erwägungen gelten auch für die Frage, ob das „Stehenlassen“ eines Kredits eine Gegenleistung für die Bestellung einer Drittsicherheit darstellt, vgl. unten S. 507 ff. Auch dort schließt das Stehenlassen der Kreditlinie die Anfechtung nach hier vertretener Ansicht nur aus, wenn der Kreditgeber den Kredit konkret hätte kündigen können und davon aufgrund der Bestellung der Drittsicherheit absieht. Zur Parallele zwischen dem Stehenlassen eines Kredits und der Schuldtilgung innerhalb eines Dauerschuldverhältnisses vgl. auch LG Frankfurt/M., Urt. v. 17.01.2014 – 2–08 O 93/13, ZInsO 2014, 965 (968 ff.). 180 Im Phoenix-Fall (vgl. dazu oben S. 411 ff.) konnte daher nicht damit argumentiert werden, die Anleger seien durch die Auszahlung der Scheingewinne zu weiteren Einzahlungen veranlasst worden und daher scheide die Unentgeltlichkeit der Auszahlung aus: Eine solche rein tatsächliche, nicht rechtliche Verknüpfung zwischen einer Zahlung und einer anschließenden, freiwilligen Vermögensverfügung des Anfechtungsgegners ist anfechtungsrechtlich unbeachtlich. 181 So auch Harke, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Beck-OGK, BGB, Stand: 01.07.2016, § 516 Rn. 36. 182 Kritisch bzgl. der geringen Anforderungen des BGH an die Wertlosigkeit auch OLG Koblenz (2. ZS), Urt. v. 11.09.2008 – 2 U 900/07, ZInsO 2008, 1210 (1211) m. zust. Anm. Busch/Fensch, ZInsO 2008, S. 1212 f.; Gundlach/Frenzel, NZI 2006, S. 400 (401); Kayser, WM 2007, S. 1 (8); Michel/Geiger, EWiR 2010, S. 125 (126); Thole, KTS 2011, S. 219 (231): Der BGH setze vorschnell Insolvenzreife und Wertlosigkeit völlig gleich; Wittig, NZI 2005, S. 606 (607 f.). Auch Kirchhof, in: MüKo, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 31a.

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feststehen, dass der Forderungsschuldner im Zeitpunkt der Drittzahlung keine mit dem Forderungsgläubiger vergleichbaren Gläubiger mehr befriedigte. Der bloße Eintritt der materiellen Insolvenz lässt darauf keine Rückschlüsse zu. Der Nachweis der Wertlosigkeit stellt den Anfechtenden somit vor hohe Darlegungs- und Beweislastanforderungen.183 Der Forderungsgläubiger wiederum kann sich erfolgreich entlasten, wenn er nachweist, dass er ohne die Drittzahlung sofort in das Vermögen des Forderungsschuldners hätte vollstrecken oder auf anderem Wege hätte Befriedigung erlangen können. Zudem ist die Forderung niemals wertlos, wenn sie einem gegenseitigen Vertrag entsprang und der Gläubiger nicht vorgeleistet hat. bb) Die subjektiven Anforderungen an die materielle Zuwendungsbeziehung Gelingt es dem Anfechtenden, die Wertlosigkeit der Forderung nachzuweisen, so liegen lediglich die objektiven Voraussetzungen der materiellen Zuwendung vor. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Dritte den Forderungsgläubiger auch als materiell Begünstigten der Zuwendung angesehen hat. Denn die Frage nach einem Entgelt stellt sich für ihn nur gegenüber demjenigen, dem die Zuwendung aus seiner Sicht zugutekommen soll.184 (1) Kenntnis des Dritten von der Wertlosigkeit der Forderung Grundsätzlich wird der Dritte den Forderungsschuldner als materiell Begünstigten der Zuwendung ansehen. Denn dieser wurde von seiner Verbindlichkeit befreit und hat daher einen Vermögenswert erhalten. Eine materielle Begünstigung des Forderungsgläubigers wird der Dritte nur in Betracht ziehen, wenn er wusste, dass die getilgte Forderung wertlos war. Ging er hingegen davon aus, der Forderungsgläubiger habe gegenüber dem Forderungsschuldner noch Aussicht auf Befriedigung, so gab es für ihn keinen Anlass, von dem Forderungsgläubiger ein eigenständiges Entgelt zu fordern, da dieser aus seiner Sicht gar nicht materiell bereichert wurde. Ein Schuldnerfehlverhalten ist dem Dritten dann im Verhältnis zum Forderungsgläubiger nicht vorzuwerfen. Die Frage nach einem Entgelt stellt sich für ihn vielmehr lediglich im Verhältnis zum Forderungsschuldner, sodass sich seine Gläubiger an diesen zu halten haben. Die Unentgeltlichkeitsanfechtung gegenüber dem Forderungsgläubiger ist somit nur möglich, wenn der Dritte Kenntnis von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung hatte. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Dritte und der 183

So auch Wittig, NZI 2005, S. 606 (608). Im Grundsatz ebenso auch das österreichische Recht: Nach dem Willen des zahlenden Dritten muss der Zweck der Zuwendung eine Freigebigkeit gewesen sein, vgl. OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (474). Zu eng hingegen Bartels, WuB VI C. § 32 KO, 1.05, der davon ausgeht, der Dritte wolle auch bei Uneinbringlichkeit der getilgten Forderung immer an den Forderungsschuldner leisten. 184

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

Forderungsgläubiger sich über die Tilgung einer wertlosen Schuld einig waren oder dem Forderungsgläubiger die Wertlosigkeit seiner Forderung bekannt war.185 Da sich die Unentgeltlichkeitsanfechtung ganz auf die subjektiven Elemente auf Schuldnerseite konzentriert, genügt es, wenn der Anfechtungsgegner erkennen kann, überhaupt eine Leistung zu erhalten – Kenntnis von der Person des Zuwendenden muss er nicht haben.186 Daher schadet es nicht, wenn der Forderungsgläubiger seine Forderung für werthaltig hielt und es ihm daher gar nicht in den Sinn kam, von dem Dritten materiell begünstigt zu werden. Die Kenntnis des Dritten von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung hat der Anfechtende nachzuweisen. In aller Regel wird dieser Nachweis jedoch gelingen. Bei der Tilgung einer fremden Schuld steht der zahlende Dritte typischerweise in einem besonderen – wirtschaftlichen oder familiären – Näheverhältnis zum Forderungsschuldner. Daher wird ihm die extrem angespannte Vermögenssituation des Forderungsschuldners, die es nicht mehr erwarten ließ, dass der Forderungsgläubiger noch befriedigt werden würde, in der Mehrzahl der Fälle bekannt gewesen sein. Bei eng konzernverbundenen Unternehmen ist zu vermuten, dass den verbundenen Gesellschaften die Vermögenssituation der jeweils anderen Gesellschaft bekannt ist.187 Nichts anderes kann für andere nahestehende Personen i.S.d. § 138 InsO gelten, da auch sie in aller Regel vom Forderungsschuldner über das Ausmaß der finanziellen Notlage in Kenntnis gesetzt worden sind. (2) Auswahl des Forderungsgläubigers als materiell Begünstigten der Zuwendung Hatte der Dritte von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung Kenntnis, so bedeutet dies jedoch nur, dass nunmehr neben dem Forderungsschuldner auch der Dritte als materiell Begünstigter der Tilgungsleistung in Betracht kommt. Da sich der Wert der materiellen Zuwendung nicht vervielfachen kann, kann aus Sicht des Dritten jedoch nur entweder der Forderungsschuldner oder der Forderungsgläubiger materieller Zuwendungsempfänger sein. Kommen mehrere Personen als materiell Begünstigte in Betracht, so entscheidet die subjektive Willensrichtung des Schuldners darüber, wer durch die Zuwendung begünstigt wird.188 Wem gegenüber die Anfechtung durchgreift, hängt somit davon ab, ob die aus der Tilgungsleistung fließende Bereicherung aus Sicht des Dritten beim Forderungsgläubiger oder – trotz Wertlosigkeit der getilgten Forderung – gleichwohl beim Forderungsschuldner ankommen soll. 185

Ebenso auch die herrschende Meinung, vgl. oben S. 439 mit Fn. 48, 49. Siehe oben S. 220 ff. 187 Offengelassen vom OGH, Urt. v. 29.05.2008 – 2 Ob 225/07p, SZ 2008, Nr. 74, Bd. 1, S. 461 (474). 188 Vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.90; Prütting, KTS 2005, S. 253 (258 f.). Vgl. zu § 516 BGB auch Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 11. 186

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Tilgt der Dritte die fremde Schuld in dem Wissen, dass die getilgte Forderung wertlos ist, so wird er grundsätzlich den Forderungsgläubiger als materiell Begünstigten seiner Zuwendung ansehen. Denn hätte er die aus der Tilgungsleistung fließende Bereicherung189 dem Forderungsschuldner zuwenden wollen, hätte er die Zuwendung direkt an diesen erbracht. Anders kann dies jedoch sein, wenn er vor der Tilgungsleistung eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, unbedingt in das Vermögen des Forderungsschuldners leisten zu wollen, und diese Zuwendung auf Weisung des Forderungsschuldners durch Befriedigung des Gläubigers ausführt (a).190 Eine materielle Begünstigung des Forderungsgläubigers wird dem Dritten auch dann nicht in den Sinn kommen, wenn er dem Forderungsschuldner gegenüber zu der Leistung wirksam verpflichtet war: Er möchte sich nun lediglich von seiner eigenen Verbindlichkeit befreien und nicht den fremden Gläubiger materiell begünstigen (b). (a) Hat der Dritte vor der Tilgungsleistung unmissverständlich deutlich gemacht, unbedingt in das Vermögen des Forderungsschuldners leisten zu wollen, und erbringt er diese Zuwendung nun allein aufgrund einer Weisung des Forderungsschuldners nicht in dessen Vermögen, sondern in das Vermögen des Forderungsgläubiger, so ist der Wille des Dritten zu keiner Zeit auf eine materielle Bereicherung des Gläubigers gerichtet. Materiell Begünstigter seiner Zuwendung soll vielmehr ausschließlich der Forderungsschuldner sein.191 Dieser macht von dem in Aussicht gestellten Vermögenszuwachs umgehend Gebrauch, indem er ihn zur Befriedigung seines Gläubigers verwendet. Für den Dritten ist die Tilgungsleistung lediglich das Mittel zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungszwecks, den er gegenüber dem Forderungsschuldner verfolgt. Ob die getilgte Forderung wertlos war oder nicht, spielt für ihn keine Rolle.192 Denn hätte er die Weisung nicht erhalten, hätte er den Gegenstand in das Vermögen des Forderungsschuldners geleistet. Bsp. 1: Der reiche Onkel O weiß, dass sein Neffe N in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten steckt und die Befriedigung seiner Gläubiger schon eingestellt hat. Er verspricht ihm daher formlos die schenkweise Zuwendung von 10.000 Euro. Ob N damit vor der Insolvenzeröffnung noch eine Kreuzfahrt unternimmt oder bestimmte Gläubiger befriedigt, ist

189 Für die Bestimmung des Empfängers der materiellen Zuwendung kommt es allein auf diese, aus der Tilgungsleistung fließende Bereicherung an. Unbeachtlich ist, dass der Dritte dem Forderungsschuldner stets die mit der Tilgungsleistung mittelbar verbundenen Vorteile – etwa das Absehen des Gläubigers von einem Insolvenzantrag – verschafft. Diese wirtschaftlichen Vorteile erreichen nicht die Qualität eines materiellen Vermögensvorteils und sind daher nicht Gegenstand der ausgleichsbedürftigen materiellen Zuwendung. 190 Zu dieser Konstellation der „umleitenden Anweisung“ vgl. auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 43. 191 Sehr ähnlich auch Prütting, KTS 2005, S. 253 (258 f.): Will der Dritte dem Forderungsschuldner mit der Tilgungsleistung ganz bewusst unentgeltlich eine Zuwendung machen, können die Gläubiger des Dritten nur gegenüber dem Forderungsschuldner anfechten. 192 So auch Prütting, KTS 2005, S. 253 (258 f.).

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dem O gleichgültig. N weist O an, 5.000 Euro an das Finanzamt zu überweisen, das bereits mit einem Insolvenzantrag gedroht hat. Die übrigen 5.000 Euro überweist O auf das Konto des N. In diesem Fall steht fest, dass O die 10.000 Euro in jedem Fall in das Vermögen des N übertragen wollte, unabhängig davon, ob die Forderung des Finanzamtes bestand oder nicht und ob sie werthaltig war oder nicht. Es liegt daher eine materielle Zuwendung des O an N und nicht an das Finanzamt vor.

Diese Fälle bilden jedoch die Ausnahme. In aller Regel kann dem Dritten, der ohne wirksame Verpflichtung in Kenntnis der Zahlungseinstellung den Gläubiger des Forderungsschuldners befriedigt, nicht unterstellt werden, er habe den Vermögenswert in jedem Fall in das Vermögen des Forderungsschuldners überführen wollen.193 Vielmehr wird der Dritte den Forderungsschuldner in aller Regel nur von seiner Verbindlichkeit gegenüber diesem speziellen Gläubiger befreien wollen, etwa weil dieser mit der Stellung eines Insolvenzantrags drohte oder der Dritte mit ihm in geschäftlicher Beziehung stand. Dann liegt eine materielle Zuwendung des Dritten an den Gläubiger vor, die bei endgültiger Zahlungseinstellung des Forderungsschuldners anfechtbar ist. Bsp.: S kann die Sozialversicherungsbeiträge für seine Angestellten nicht mehr bezahlen. Seine Eltern zahlen die Beiträge an die Krankenkasse, um ihren Sohn vor einem Strafverfahren gem. § 266a StGB zu schützen. Den Eltern kam es in diesem Fall nicht darauf an, das Vermögen ihres Sohnes anzureichern, sondern sie wollen ihn von der Forderung der Krankenkasse befreien. Bestünden die Ansprüche der Krankenkasse nicht, kann nicht unterstellt werden, die Eltern hätten den Betrag dann stattdessen in das Vermögen des S gezahlt.194

(b) Die bisherigen Überlegungen gingen davon aus, dass sich der Dritte im Zeitpunkt der Tilgungsleistung frei entscheiden konnte, ob er den Forderungsschuldner oder den Dritten materiell begünstigen möchte. Meist wird der Dritte den fremden Gläubiger allerdings nur deshalb befriedigen, weil er dem Forderungsschuldner zu der Leistung materiell verpflichtet war. In diesem Fall steht es ihm nicht mehr frei, zu entscheiden, ob er den fremden Gläubiger befriedigt oder nicht.195 Mit der Tilgungsleistung kommt er lediglich seine Verpflichtung im Verhältnis zum Forderungsschuldner nach. Eine materielle Zuwendung

193 Zu weit geht daher das OLG Hamburg, Beschl. v. 8.02.2006 – 1 W 1/06, juris, nach dessen Ansicht „im Zweifel anzunehmen sei, dass der Dritte das Geld dem Schuldner zuwenden will, damit dieser seine Schuld bezahlen kann.“ Hat der Dritte einen solchen Willen nicht geäußert und tilgt lediglich die fremde Schuld, so möchte er dem Gläubiger im Zweifel nur die Schuldtilgung durch Befriedigung dieses speziellen Gläubigers zuwenden, nicht aber seinem Vermögen den Zuwendungsgegenstand einverleiben. Dem Dritten zu unterstellen, er habe dem Forderungsschuldner den Vermögenswert selbst zuwenden wollen, beeinträchtigt in erheblicher Weise die Privatautonomie des Dritten (so auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 232). 194 Zu weitgehend Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 38 ff., die auch in diesem Fall eine umleitende Anweisung annimmt. 195 Zur Freiwilligkeit als Merkmal der materiellen Zuwendung vgl. oben S. 187 ff.

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zwischen Forderungsgläubiger und Drittem kommt daher nicht Betracht. Materiell Begünstigter der Drittleistung ist vielmehr stets der Forderungsschuldner, dem der Dritte im Innenverhältnis zu der Zuwendung materiell verpflichtet ist.196 Daran ändert sich nichts, wenn der Dritte Kenntnis davon hat, dass der Forderungsschuldner seine Zahlungen bereits eingestellt hat und die befriedigte Forderung daher wertlos ist. Denn auf seine Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner hat die Vermögenslosigkeit keinen Einfluss: Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet, kann der Verwalter die geschuldete Leistung zur Masse fordern. Die Gestaltungsfreiheit des Dritten wird durch die Insolvenz des Forderungsschuldners nicht wiederhergestellt: Er ist diesem nach wie vor zu der Leistung verpflichtet. (aa) In den klassischen Anweisungsfällen197 scheidet ein Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger daher unabhängig von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung aus, weil materiell Begünstigter der Drittleistung in diesen Fällen der Forderungsschuldner und nicht der Forderungsgläubiger ist. Die Situation kann nicht anders bewertet werden, als habe der Dritte an den Forderungsschuldner geleistet und dieser dann den Gläubiger befriedigt.198 Die Unentgeltlichkeitsanfechtung ist also nur entlang der Kausalverhältnisse möglich. Dies ergibt sich jedoch nicht aus der Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze, sondern aus den Wertungen des § 134 InsO: Die subjektiven Voraussetzungen der materiellen Zuwendung liegen allein im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Drittem vor. (bb) Nichts anderes gilt, wenn sich der Dritte im Innenverhältnis gegenüber dem Forderungsschuldner dazu verpflichtet hatte, endgültig für die Befriedigung des Gläubigers einzustehen (sog. Erfüllungsübernahme). Auch in diesem Fall leistet er mit der Befriedigung des fremden Gläubigers materiell an seinen eigenen Gläubiger, den Forderungsschuldner. Ob die getilgte Forderung wert-

196 Ebenso Prütting, KTS 2005, S. 253 (258 f.). Vgl. auch Wiester/Kranz, NZI 2012, S. 541 (544): Besteht schon eine Kausalbeziehung im Verhältnis zum Forderungsschuldner, ist die Annahme einer gleichzeitigen unentgeltlichen Leistung an den Dritten eine lebensfremde Fiktion. Insoweit auch Bartels, WuB VI C. § 32 KO, 1.05. 197 Zu dem Begriff siehe oben S. 458. 198 Vgl. grds. auch BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NZI 2004, 374 (375): „Leistet der Gemeinschuldner [hier: Dritter] auf Grund eines Anspruchs oder einer Weisung des Schuldners, stellt sich dies im Verhältnis der Beteiligten als eine Leistung des Gemeinschuldners [hier: Dritten] an den Schuldner dar, der hierdurch von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit wird. Es liegen in diesen Fällen zwei Leistungsverhältnisse vor, nämlich zwischen Gemeinschuldner [hier: Drittem] und Schuldner einerseits und zwischen Schuldner und Gläubiger andererseits.“; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (237) in Rn. 25: „Mittelbare Zuwendungen sind so zu behandeln, als habe der Angewiesene [hier: Dritter] an den Anweisenden [hier: Forderungsschuldner] geleistet und dieser sodann seinen Gläubiger befriedigt.“

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haltig oder aufgrund der Zahlungseinstellung des Forderungsschuldners wertlos war, spielt für ihn auch hier keine Rolle. Denn wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet, wandelt sich die Verpflichtung zur Erfüllungsübernahme in einen in voller Höhe an die Insolvenzmasse zu leistenden Geldanspruch.199 Der Verwalter kann vom Dritten also Zahlung des vollen Betrags zur Masse und nicht lediglich Freistellung in Höhe der Quote verlangen, die auf die im Innenverhältnis übernommene Forderung entfällt. Die Wertlosigkeit der getilgten Forderung ändert an der Verpflichtung aus der Erfüllungsübernahme somit nichts. Eine materielle Zuwendung an den Forderungsgläubiger kommt dem Dritten daher nicht in den Sinn, da seine Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner weiterhin voll besteht. (cc) Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn zwischen dem Forderungsschuldner und dem Dritten ein bloßes Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis bestand, das auch eine Pflicht zur Befriedigung von Gläubigern vorsah. Ein solches Rechtsverhältnis deckt eine materielle Zuwendung in das Vermögen des Forderungsschuldners nicht ab. Vielmehr kann der Beauftragte bzw. Geschäftsführer vom Auftraggeber Vorschuss für seine Ausgaben verlangen. Stellt ihm der Forderungsschuldner diesen Vorschuss zur Verfügung, liegt ein treuhandähnliches Verhältnis vor und der Dritte verfolgt keinen eigenen materiellen Zuwendungszweck. Wendet er hingegen eigenes Vermögen auf, um (vorübergehend) für die Schuld des Forderungsschuldners einzustehen, so kann er im Zeitpunkt der Leistung diesen Vermögensbestandteil frei einem materiellen Zuwendungszweck widmen. Denn hätte er den Dritten nicht befriedigt, so hätte der Forderungsschuldner von ihm keine Zahlung verlangen können. Nur wenn die kausalvertraglichen Bindungen vorgeben, dass der Dritte die Zuwendung ohnehin erbringen muss, steht der Forderungsschuldner als materiell Begünstigter fest. (3) Zwischenergebnis In subjektiver Hinsicht erfordert die materielle Zuwendung, dass der Dritte von der Wertlosigkeit der Forderung Kenntnis hatte und den Forderungsgläubiger als materiell Begünstigten seiner Zuwendung ausgewählt hat. Ging der Dritte davon aus, die getilgte Forderung sei werthaltig, scheidet der anfechtungsrechtliche Durchgriff auf den Forderungsgläubiger somit aus. Nicht anders ist es, wenn der Dritte dem Forderungsschuldner im Innenverhältnis zur Leistung materiell verpflichtet war oder klar zum Ausdruck brachte, den Vermögenswert

199

BGH, Urt. v. 07.06.2001 – IX ZR 195/00, NJW-RR 2001, 1490 (1491); BGH, Urt. v. 16.09.1993 – IX ZR 255/92, NJW 1994, 49 (50); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 36 Rn. 39; Jagmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 329 Rn. 21. Anders ist dies, wenn der Forderungsgläubiger eine eigene Forderung gegen den Dritten hat, vgl. BGH, Beschl. v. 08.10.2009 – IX ZR 173/08, BeckRS 2009, 28202.

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eigentlich sicher in das Vermögen des Forderungsschuldners übertragen zu wollen und nur auf dessen Anweisung hin an den Forderungsgläubiger leistete. cc) Ergebnis Der anfechtungsrechtliche Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger gem. § 134 InsO ist nur unter engen Voraussetzungen möglich: In objektiver Hinsicht muss die Forderung im Tilgungszeitpunkt wertlos gewesen sein, d.h. für den Forderungsgläubiger darf keine Aussicht mehr bestanden haben, sie noch erfolgreich gegenüber seinem Schuldner verwirklichen zu können. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Dritte im Zeitpunkt der Zahlung Kenntnis von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung hatte und den Forderungsgläubiger auch als materiell Begünstigten der Zuwendung ausgewählt hat. Diese Voraussetzungen werden nur selten vorliegen. Die praktische Bedeutung des Direktdurchgriffs auf den Forderungsgläubiger ist daher gering. Ausgeräumt sind dafür aber die Bedenken, die das Modell der Rechtsprechung ausgelöst hat: Die Unentgeltlichkeitsanfechtung stützt sich nicht mehr auf deckungsanfechtungsrechtliche Gedanken im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger. Denn der Eintritt der materiellen Insolvenz hat für die Wertlosigkeit der Forderung keine Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Befriedigung durch den Forderungsschuldner nachweislich ausgeschlossen war. Damit kann sich der Forderungsgläubiger auch nicht mehr darauf berufen, er stehe nun schlechter als im Falle einer Eigenbefriedigung durch seinen Schuldner. Diese Alternative bestand für ihn nicht mehr – das Insolvenzrisiko seines Forderungsschuldners hat sich verwirklicht. Er wird daher nicht schlechter gestellt als andere Gläubiger, die noch vom Forderungsschuldner befriedigt worden sind: Denn diese hätten im Zeitpunkt der Drittbefriedigung vom Schuldner nichts mehr erhalten. Der Forderungsgläubiger erhält einen Sondervorteil, der es angemessen erscheinen lässt, ihm das Insolvenzrisiko des Dritten aufzubürden.200 Auch die Widersprüche zur Anfechtung im Fall der Tilgung einer eigenen Schuld nach Eintritt der materiellen Insolvenz fallen weg: Solange der Forderungsschuldner die Schuld noch selbst erfüllen kann, ist die getilgte Forderung nicht wertlos. Erst wenn diese Möglichkeit ausgeschlossen ist und der Forderungsgläubiger nun von einem Dritten befriedigt wird, tritt eine materielle Bereicherung ein. Zu einer Konkurrenzsituation zwischen Anfechtungsrechten der Gläubiger des Dritten und der Gläubiger des Forderungsschuldners kann es ebenfalls nicht mehr kommen, da der Direktdurchgriff in Anweisungskonstellationen mangels Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 134 InsO ausscheidet. 200 I.E. auch BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (479) in Rn. 16.

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b) Der Zugriff der Gläubiger des Dritten auf den Forderungsgläubiger in der Doppelinsolvenz Die Subsumtion der Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO hat ergeben, dass eine Anfechtung der Gläubiger des Dritten gegenüber dem Forderungsgläubiger nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Nur wenn eine Befriedigung durch den Forderungsschuldner endgültig ausgeschlossen ist und der Dritte in Kenntnis der vollständigen Wertlosigkeit der getilgten Forderung an den fremden Gläubiger leistet, kann dieser im Wege des anfechtungsrechtlichen Direktdurchgriffs in Anspruch genommen werden. In allen anderen Fällen bleibt den Gläubigern des Dritten nur der Zugriff auf den Forderungsschuldner. Ist dieser aber vollständig vermögenslos oder über sein Vermögen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet, verspricht dieser Zugriff nur wenig Erfolg. Ärgern wird dies die Gläubiger vor allem dann, wenn der Forderungsgläubiger gleichzeitig aus reinem Glück von einer Anfechtung verschont bleibt. Dazu kann es kommen, wenn die Gläubiger des Forderungsschuldners eigentlich gem. §§ 130, 131 InsO zur Anfechtung berechtigt wären,201 aber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Forderungsschuldners mangels Masse abgewiesen wird oder der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch nicht geltend macht. Ebenfalls Glück hat der Forderungsgläubiger, wenn die Anfechtung der Gläubiger des Forderungsschuldners nur deshalb scheitert, weil das Vermögen des Forderungsschuldners durch die Drittleistung nicht negativ betroffen wurde und es daher auf seiner Seite an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt.202 Hätte der Forderungsgläubiger – wie vorgesehen – Befriedigung vom Forderungsschuldner selbst erhalten, hätte er die Deckungsleistung herausgeben müssen – nur weil der Dritte an ihn geleistet hat, greift diese Anfechtung nicht durch. Der Forderungsgläubiger wird also rein zufällig von seiner anfechtungsrechtlichen Herausgabepflicht befreit, während die Gläubiger des Dritten mit ihren eben aus dieser Tilgungsleistung erwachsenden Ersatzansprüchen gegen den Forderungsschuldner ausfallen. Auf diesen Überlegungen fußen letztlich die Grundsätze des BGH zum Direktdurchgriff gem. § 134 InsO im Fall der Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld. Den Gläubigern des Dritten soll aus Billigkeitsgründen gestattet werden, den Erwerb des Forderungsgläubigers abzuschöpfen, wenn dieser angesichts der bereits eingetretenen materiellen Insolvenz des Forderungsschuldners mit dem Risiko der Anfechtung belastet war und sich dieses Risiko nun rein zufällig nicht realisiert hat. Der Forderungsgläubiger erscheint nicht

201

Vgl. dazu sogleich S. 480 f. Dies ist etwa der Fall, wenn der Dritte dem Forderungsschuldner nicht zu der Leistung verpflichtet war und ihm die Schuldbefreiung freigebig und ohne Regressabsicht zugewendet hat, vgl. Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 230 f.; Lütcke, NZI 2011, S. 702 (706). 202

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schutzwürdig, denn er hat volle Deckung erhalten, die er nach Eintritt der materiellen Insolvenz eigentlich nicht mehr zu beanspruchen hatte. Die Gläubiger des Dritten hingegen sind schutzbedürftig, denn die Tilgungsleistung ist aus dem haftenden Vermögen ihres Schuldners ausgeschieden, ohne dass ihnen ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen den Forderungsschuldner zufloss. Das hier entwickelte Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung schließt diese Lücke nicht. Der Direktdurchgriff gegen den Forderungsgläubiger greift erst ein, wenn eine Befriedigung durch den Forderungsschuldner nicht mehr in Betracht kam. Bestand hingegen noch die Aussicht, dass der Gläubiger von dem Forderungsschuldner befriedigt wird, scheidet § 134 InsO auch dann aus, wenn diese Deckung anfechtbar gewesen wäre. Dasselbe gilt, wenn die Forderung zwar vollständig wertlos war, aber der Dritte davon keine Kenntnis hatte, oder der Dritte dem Forderungsschuldner im Innenverhältnis zu der Leistung verpflichtet war. Zu fragen ist nun, ob diese Lücke die Überzeugungskraft des hier entwickelten Modells in Frage stellt. Dafür ist zunächst zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers durch die Gläubiger des Dritten aus Billigkeitsgründen tatsächlich angezeigt erscheint (aa). Anschließend ist zu fragen, ob die Unentgeltlichkeitsanfechtung überhaupt den richtigen Ansatzpunkt zur Verwirklichung dieser Billigkeitserwägungen bildet, oder ob es nicht vielmehr um die Frage geht, ob die Gläubiger des Dritten die Wirkungen ihres eigenen Anfechtungsrechts gegenüber dem Forderungsschuldner auf den Forderungsgläubiger erstrecken können (bb). aa) Voraussetzungen für den Direktdurchgriff auf den Gläubiger Aus Sicht der Rechtsprechung erscheint die anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers immer dann geboten, wenn dieser im Stadium der materiellen Insolvenz des Forderungsschuldners vom Dritten befriedigt wurde. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Forderungsgläubiger durch diese weite Auslegung ungerechtfertigt benachteiligt wird.203 Die Drittbefriedigung, gegen die er sich wegen § 267 Abs. 2 BGB nicht wehren kann, darf ihn nicht schlechter stellen als die eigentlich vorgesehene Befriedigung durch seinen Schuldner. Eine anfechtungsrechtliche Herausgabepflicht erscheint daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Forderungsgläubiger bei einer hypothetischen Befriedigung durch seinen Forderungsschuldner der Anfechtung ausgesetzt gewesen wäre (1). Die von der Rechtsprechung praktizierte Linie bewirkt aber nicht nur eine Schlechterstellung des Forderungsgläubigers, sondern die Gläubiger des Dritten erhalten auch einen ungerechtfertigten Vorteil, wenn das Verhalten ihres 203

Siehe oben S. 441 ff.

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Schuldners eigentlich gar nicht anfechtbar wäre.204 Die Gläubiger des Dritten sind daher nur schutzwürdig, wenn das Verhalten ihres Schuldners die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt (2). (1) Anfechtbarkeit bei hypothetischer Eigenleistung des Forderungsschuldners Der Forderungsgläubiger darf nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er bei der vorgesehenen und auch primär zu beanspruchenden Befriedigung durch den Forderungsschuldner einer Anfechtung ausgesetzt gewesen wäre. Im Verhältnis zwischen ihm und dem Forderungsschuldner müssen also – unterstellt, der Forderungsschuldner hätte selbst geleistet – alle Voraussetzungen eines Anfechtungsgrundes vorliegen. Für die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung ist erforderlich, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsschuldners eröffnet worden ist. Wurde kein Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt oder dieser mangels Masse abgewiesen, scheidet ein auf die §§ 130–132 InsO gestützter Direktdurchgriff aus, da der Forderungsgläubiger bei einer persönlichen Befriedigung durch seinen Forderungsschuldner anfechtungsfest erworben hätte.205 Dasselbe gilt, wenn die Drittbefriedigung außerhalb der Anfechtungsfristen erfolgte oder die subjektiven Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO nicht vorliegen.206 Eine auf § 134 InsO, § 4 AnfG gestützte Anfechtung kommt hingegen auch unabhängig von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Betracht, sofern die getilgte Forderung unentgeltlich begründet wurde. Bsp.: Hat der Forderungsgläubiger von dem Dritten Befriedigung für eine unentgeltlich begründete Forderung erhalten oder wurde die Deckung innerhalb der letzten drei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Forderungsschuldners gewährt und liegen auch die sonstigen Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO vor, so erscheint der Direktdurchgriff gegenüber dem Forderungsgläubiger gerechtfertigt.

204

Siehe oben S. 443 ff. Ebenso Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536 f.). Der Einwand des BGH, der Forderungsgläubiger werde unangemessen begünstigt, wenn die Gläubiger des Forderungsschuldners wegen vermuteter Vermögenslosigkeit von einem Insolvenzantrag absehen [vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 14 f.], greift nicht durch: Der Dritte ist selbst Gläubiger des Forderungsschuldners. In der Insolvenz kann daher der Insolvenzverwalter des Dritten einen Antrag auf Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Forderungsschuldners stellen, wenn ein Insolvenzeröffnungsgrund vorliegt. Scheitert die Insolvenzeröffnung hingegen an vollständiger Massearmut, ist der Forderungsgläubiger geschützt, denn bei einer Befriedigung durch seinen Schuldner selbst müsste er das Erlangte ebenfalls nicht herausgeben. Von einer ungerechtfertigten Besserstellung kann daher keine Rede sein. 206 Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536). 205

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Erfüllt die Deckungsleistung die Voraussetzungen keines Anfechtungstatbestands, ist ein Zugriff auf den Forderungsgläubiger hingegen nicht angezeigt.207 Er hat anfechtungsfest erworben und dieser Vorteil darf ihm nicht genommen werden, nur weil er von einem Dritten befriedigt wurde.208 Geprüft werden muss die Anfechtbarkeit allerdings stets auf Grundlage einer hypothetischen Eigenleistung des Forderungsschuldners. Daher schadet es nicht, wenn die tatsächliche Anfechtung der Gläubiger des Forderungsschuldners an Gründen scheitert, die gerade auf der Einschaltung des Dritten in den Befriedigungsvorgang beruhen. Dazu zählen insbesondere die mangelnde Vermögensbetroffenheit des Forderungsschuldners und die damit einhergehende fehlende Benachteiligung seiner Gläubiger,209 aber auch das Erfordernis der schuldnereigenen Leistung im Rahmen der §§ 134 InsO, 4 AnfG. Berücksichtigt werden darf allerdings weiterhin, dass der Forderungsgläubiger tatsächlich von einem Dritten die Deckung erlangt hat. Hatte er auf die Drittbefriedigung keinen Anspruch, richtet sich die Prüfung der Anfechtung daher nach § 131 InsO und nicht nach § 130 InsO. Denn das Abstellen auf die hypothetische Eigenleistung des Schuldners ändert nichts daran, dass der Gläubiger tatsächlich eine Leistung erhalten hat, die er so von seinem Schuldner nicht zu beanspruchen hatte. (2) Anfechtungsrecht der Gläubiger des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner (a) Aus Sicht der Gläubiger des Dritten erscheint ein Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten ihres Schuldners die Voraussetzungen einer Anfechtung gegenüber dem Forderungsschuldner erfüllt. Die Befriedigung des Forderungsgläubigers muss also im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Drittem der Anfechtung unterliegen. War der Dritte dem Forderungsschuldner zu der Leistung verpflichtet und wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, so kommt eine Anfechtung gem. §§ 130, 131 InsO in Betracht.210 Hat der Dritte die fremde Schuld hingegen in Regressabsicht getilgt, aber war die Regressforderung im 207

I.E. ebenso Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536 f.). Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen, so stehen die Chancen gut, dass der Schuldner schon im Zeitpunkt der Drittzahlung seine Geschäftstätigkeit eingestellt hatte. In diesem Fall greift die Anfechtung gem. § 134 InsO gegenüber dem Forderungsgläubiger durch, sofern der Dritte – wie ebenfalls regelmäßig der Fall – von der Vermögenssituation des Forderungsschuldners Kenntnis hatte, vgl. dazu oben S. 463 ff. 209 Ebenso Jungclaus, NZI 2008, S. 535 (536 f.). 210 Vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 89; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 150; Henckel, ZIP 2004, S. 1671 (1674); Höpfner, EWiR 2004, S. 771 (772); Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (884). Die Tatsache, dass der Dritte an einen Dritten gezahlt hat, macht die Leistung nicht notwendig inkongruent, vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 89; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 150; Wazlawik, NZI 2010, S. 881 (884). 208

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Tilgungszeitpunkt bereits wertlos, so ist § 132 InsO einschlägig.211 Außerhalb wie innerhalb der Insolvenz ist eine Anfechtung gem. § 134 InsO, § 4 AnfG möglich, wenn die Verpflichtung des Dritten unentgeltlich begründet wurde oder er den Forderungsschuldner in Schenkungsabsicht von dessen Verbindlichkeit befreit bzw. auf seinen Regressanspruch verzichtet hat.212 Hat der Dritte die fremde Schuld hingegen in Regressabsicht getilgt, scheidet die Unentgeltlichkeitsanfechtung grundsätzlich aus. Die Regressforderung ist ein entgeltäquivalenter Ausgleichsanspruch, der die Unentgeltlichkeit der Schuldtilgung beseitigt.213 Fragen kann man sich nur, ob die Regressforderung auch dann ein ausgleichendes Entgeltäquivalent darstellt, wenn sie von vornherein wertlos war.214 Dies richtet sich nach den subjektiven Vorstellungen des Dritten: Ist ihm bewusst, dass die Regressforderung wertlos ist, so liegen die Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit vor.215 Rechnet er hingegen damit, beim Forderungsschuldner erfolgreich Regress nehmen zu können, so ist seine Leistung entgeltlich.216 Seine Gläubiger sind dann auf die Anfechtung gem. § 132 InsO verwiesen. (b) Erfüllt das Verhalten des Dritten hingegen nicht die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands gegenüber dem Forderungsschuldner, scheidet ein Direktdurchgriff auf den Forderungsgläubiger aus. Insbesondere lässt sich der Direktdurchgriff nicht allein auf die Tatsache stützen, dass der Dritte infolge der Tilgungsleistung einen Regressanspruch erworben hat, der sich angesichts der Vermögenslosigkeit des Forderungsschuldners als wertlos erweist.

211

Vgl. dazu Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 121 f., 144, 269 ff. Siehe oben S. 430 f. mit Fn. 12, 14. 213 Vgl. zum Ausschluss der Unentgeltlichkeit durch einen entgeltäquivalenten Ausgleichsanspruch oben S. 290 f. I.E. ebenso, aber mit der Begründung, dass angesichts des Gläubigertausches keine Leistung des Dritten an den Forderungsschuldner vorliege, Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 65. 214 Diese Frage wird relevant, wenn die Tilgungsleistung mehr als drei Monate vor Antragsstellung erfolgte oder kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und daher die Anfechtung gem. § 132 InsO ausscheidet. 215 Nicht notwendig ist hingegen eine Einigung [so aber Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 90; Uhlenbruck, EWiR 1996, S. 181 (182)] oder ein gemeinsames Bewusstsein der Parteien (so aber Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 25) über die Tatsache, dass der Dritte beim Forderungsschuldner mit seinem Regress ausfallen wird. Da der Forderungsschuldner über seine eigene Vermögenssituation allerdings mindestens ebenso gut informiert sein wird wie der Dritte, wird das gemeinsame Bewusstsein über die Unentgeltlichkeit stets vorliegen. 216 A.A. [objektive Wertlosigkeit der Regressforderung genügt für Unentgeltlichkeit]: OLG Rostock, Urt. v. 14.11.2003 – 3 U 111/03, ZInsO 2004, 555 (556); Bork, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 60; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 208 ff.; Smid, Handbuch Insolvenzrecht, 6. Aufl., § 21 Rn. 10; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 15. 212

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Zwar wird das Vermögen des Dritten nun geschmälert, während der Forderungsgläubiger die Zahlung endgültig behalten darf, obwohl er sie bei einer persönlichen Befriedigung seines Forderungsschuldners im Wege der Anfechtung hätte herausgeben müssen. Diesem Interessenkonflikt wohnt jedoch keine anfechtungsspezifische Komponente inne. Vielmehr wird sich auch der Dritte selbst – völlig unabhängig von einem finanziellen Engpass – die Frage stellen, ob er auf den befriedigten Gläubiger zugreifen kann, wenn er mit seiner Regressforderung ausfällt und der Forderungsgläubiger aus reinem Glück noch eine Deckung erhalten hat, die bei einer Befriedigung durch den Forderungsschuldner anfechtbar wäre. Bsp.: D hat auf Bitten des S dessen Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger G befriedigt. Da S der D vorspiegelte, nur in einem kurzfristigen finanziellen Engpass zu sein, ging diese fest davon aus, in Kürze bei S Regress nehmen zu können. Tatsächlich wird nur einen Monat später das Insolvenzverfahren über das Vermögen des S eröffnet. D wird sich nun ärgern, denn sie fällt mit ihrem Regressanspruch aus, während G volle Befriedigung erhielt, obwohl eine Befriedigung durch S selbst gem. § 131 InsO anfechtbar gewesen wäre.

Die allgemeinen zivilrechtlichen Wertungen erteilen diesem Verlangen des Dritten eine Absage: So findet etwa der Durchgriff gem. § 822 BGB keine Anwendung, wenn der Bereicherungsanspruch wegen Vermögenslosigkeit des Bereicherungsschuldners faktisch nicht mehr durchsetzbar ist.217 Nichts anderes kann dann aber auch für den Dritten gelten, dessen Regressanspruch gegen den Forderungsschuldner wertlos ist, während der Forderungsgläubiger anfechtbar erworben hat: Seine aus tatsächlichen Gründen wertlose Regressforderung allein berechtigt ihn nicht, auf den befriedigten Forderungsgläubiger Rückgriff zu nehmen. Für seine Gläubiger kann nichts anderes gelten, denn sie können mangels anfechtungsbegründenden Verhaltens ihres Schuldners keine anfechtungsrechtlichen Sonderrechte geltend machen. bb) Rechtliche Einordnung (1) Der Zugriff auf den Forderungsgläubiger setzt demnach voraus, dass sowohl im Verhältnis zwischen Drittem und Forderungsschuldner als auch zwischen Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger die Voraussetzungen einer Anfechtung gegeben sind. Würde sich der Forderungsgläubiger bei hypothetischer Befriedigung durch seinen Schuldner einer Anfechtung ausgesetzt 217

BGH, Urt. v. 03.12.1998 – III ZR 288/96, NJW 1999, 1026 (1028); Bockholdt, Haftung gemäß § 822 BGB, S. 255 ff.; Kornblum, JuS 1970, S. 437 (441 f.); Lorenz, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 822 Rn. 11 [mit Sympathie für eine andere Lösung de lege ferenda]; Martinek, in: Juris-PK, BGB, Bd. 2, 7. Aufl., § 822 Rn. 6; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 VI, S. 366 f.; Sprau, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 822 Rn. 7; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 822 Rn 10. A.A. Knütel, NJW 1989, S. 2504 (2509); Schilken, JR 1989, S. 363 (365 f.); Tommaso/Weinbrenner, Jura 2004, S. 649 (656) [für analoge Anwendung des § 822 BGB].

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sehen und steht den Gläubigern des Dritten ein Anfechtungsrecht gegen den Forderungsschuldner zu, das sie nur noch zur Tabelle anmelden können, so erscheint es recht und billig, den Gläubigern den Zugriff auf den Forderungsgläubiger zu gestatten. Grundlage dieser Billigkeitserwägung ist damit eine Anfechtungskette: Es geht darum, ob die Gläubiger des Dritten aufgrund ihres eigenen (wertlosen) Anfechtungsrechts gegenüber dem Forderungsschuldner den (hypothetischen) Anfechtungsanspruch im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger geltend machen können. Mit der Anfechtung gem. § 134 InsO haben diese Überlegungen nichts zu tun: Fraglich ist nicht, ob den Gläubigern im Verhältnis zum Forderungsgläubiger ein eigenes Anfechtungsrecht zusteht, sondern ob sie sich das im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger begründete, fremde Anfechtungsrecht zunutze machen können. Indem die Rechtsprechung diese Fallgestaltung gleichwohl unter § 134 InsO subsumiert, trägt sie nicht nur sachfremde Gedanken der Deckungsanfechtung in die Auslegung der Unentgeltlichkeitsanfechtung hinein, sondern verwässert auch die eigentlich klar umrissenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO. Überzeugender erscheint es daher, diese Billigkeitserwägungen vom Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung zu lösen und auf die Bahnen zu lenken, in die sie gehören: Es geht darum, den Gläubigern des Dritten eine Möglichkeit zu eröffnen, auf Grundlage ihres eigenen Anfechtungsrechts gegen den Forderungsschuldner dessen Anfechtungsanspruch gegen den befriedigten Gläubiger durchzusetzen. Hierbei handelt es sich nicht um die Begründung eines originären Anfechtungsanspruchs gegen den Forderungsgläubiger, sondern um die rechtsfolgenseitigen Wirkungen des Anfechtungsanspruchs, der den Gläubigern des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner zusteht. (2) Fraglich ist nun, auf welche rechtliche Grundlage diese aus Billigkeit gewährte Möglichkeit zur Geltendmachung des fremden Anfechtungsrechts gestützt werden kann. Von Brinkmann stammt der Vorschlag, den Zugriff auf den Forderungsgläubiger auf die Aussonderungskraft des Anfechtungsanspruchs zwischen Drittem und Forderungsschuldner zu stützen: Stehe den Gläubigern des Forderungsschuldners ein Anfechtungsanspruch gegen den Forderungsgläubiger zu, so habe der Schuldner bei genauem Hinsehen nicht die Befreiung von der Verbindlichkeit, sondern den Anfechtungsanspruch erlangt.218 Diesen Anfechtungsanspruch könnten die Gläubiger des Dritten kraft

218 So Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 107; im Anschluss daran Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 124 f.

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ihres eigenen Anfechtungsrechts gegenüber dem Forderungsschuldner aussondern219 und auf diese Weise direkt Rückgewähr der Leistung vom Forderungsgläubiger fordern.220 Ob der Durchgriff auf den Forderungsgläubiger tatsächlich unmittelbar aus § 47 InsO abgeleitet werden kann, ist allerdings zweifelhaft. Denn der Anfechtungsanspruch gegen den Forderungsschuldner richtet sich nicht auf einen konkreten Vermögensgegenstand, sondern von vornherein nur auf Wertersatz. In einem solchen Fall wird ein anfechtungsrechtliches Aussonderungsrecht jedoch abgelehnt.221 Auch deckt Brinkmanns Vorschlag nicht alle Durchgriffskonstellationen ab: Die anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers ist auch dann angezeigt, wenn dem Forderungsschuldner zwar tatsächlich kein Anfechtungsrecht zusteht – etwa weil es an der Gläubigerbenachteiligung fehlt –, der Forderungsgläubiger aber bei einer hypothetischen Direktzahlung durch seinen Schuldner einer solchen Anfechtung ausgesetzt gewesen wäre. In diesem Fall existiert kein Anfechtungsanspruch, der von den Gläubigern des Dritten gepfändet werden könnte. Vielmehr findet der Direktdurchgriff auf Grundlage eines nur hypothetischen Anfechtungsrechts statt. Da die Durchsetzung eines fremden Anfechtungsrechts in §§ 129 ff. InsO nicht vorgesehen ist, kann der Durchgriff der Gläubiger nur auf eine richterliche Rechtsfortbildung gestützt werden. de Bra schlägt de lege ferenda eine Aufnahme dieser Fallkonstellation in den Katalog des § 145 Abs. 2 InsO vor.222 Die systematische Verortung der Problematik im § 145 InsO ist überzeugend, weil es auch hier um die Erstreckung eines Anfechtungsanspruchs auf einen

219 Zur Aussonderungskraft des Anfechtungsanspruchs vgl. Biehl, KTS 1999, S. 313 (320 f.); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 143 Rn. 72; G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (336 ff.), die hinsichtlich der Wirkungen des Anfechtungsanspruchs der haftungsrechtlichen Theorie folgen (dazu näher unten S. 487 in Fn. 228). Das Aussonderungsrecht befürwortet aus Wertungsgesichtspunkten auch der BGH im Urteil v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (358 ff.), der eigentlich der schuldrechtlichen Theorie anhängt (vgl. S. 487 in Fn. 228). Vgl. allerdings auch bereits den Hinweis auf die „haftungsrechtliche Unwirksamkeit“ in BGH, Urt. v. 20.06.1996 – IX ZR 314/95, ZIP 1996, 1475 (1476). 220 So Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 107; im Anschluss daran Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 125. Auch Spahlinger/Maske, BB 2008, S. 414 (415) sprechen an, es sei klärungsbedürftig, inwieweit die von den Gläubigern des Forderungsschuldners in die Masse zurückgeholten Beträge tatsächlich bei diesem verbleiben oder ob der Anfechtungsanspruch der Gläubiger des Dritten diese berechtigen könne, die vom Forderungsgläubiger an den Forderungsschuldner geleisteten Beträge oder gar bereits den Anfechtungsanspruch der Gläubiger des Forderungsschuldners auszusondern. 221 Vgl. Reischl, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rn. 576. 222 de Bra, LMK 2005, 154691.

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Dritten geht.223 Die Parallele zur Anfechtung gegenüber dem Rechtsnachfolger liegt zumindest in den Anweisungsfällen224 darin, dass sie anfechtungsrechtlich so behandelt werden, als habe der Dritte an den Forderungsschuldner und dieser an den Forderungsgläubiger geleistet.225 Da es sich gleichwohl nicht um einen echten Fall der Rechtsnachfolge handelt,226 erscheint es sachgerechter, den anfechtungsrechtlichen Direktdurchgriff in einem Absatz 3 des § 145 InsO gesetzlich zu regeln. Bis dahin fehlt es an einer gesetzlichen Verankerung und es ist auf die richerliche Rechtsfortbildung zurückzugreifen. (3) Liegen die Voraussetzungen einer Anfechtungskette vor, so können also die Gläubiger des Dritten das – nur hypothetisch oder tatsächlich bestehende – Anfechtungsrecht des Forderungsschuldners gegen den Forderungsgläubiger geltend machen. Der Forderungsgläubiger steht somit niemals mehreren konkurrierenden Anfechtungsansprüchen gegenüber. Vielmehr ist er ausschließlich dem (hypothetischen) Anfechtungsanspruch der Gläubiger seines Forderungsschuldners ausgesetzt, der lediglich auch von den Gläubigern des Dritten geltend gemacht werden kann. Ein eigenes Anfechtungsrecht der Gläubiger des Dritten gegen ihn besteht nicht. Gewährt er das anfechtbar Erlangte zurück, so erlischt der gegen ihn bestehende Anfechtungsanspruch, sodass ein nochmaliger Zugriff auf ihn von vornherein unbegründet wäre. Bsp.: Nach der Rechtsprechungslösung sieht sich der Forderungsgläubiger nicht nur der Deckungsanfechtung der Gläubiger des Forderungsschuldners, sondern auch einer eigenständigen Unentgeltlichkeitsanfechtung der Gläubiger des Dritten ausgesetzt. Die Erfüllung eines Anfechtungsanspruchs bringt den anderen Anspruch nicht automatisch zum Erlöschen,

223

§ 145 InsO begründet keinen neuen Anfechtungsanspruch gegenüber dem Rechtsnachfolger, sondern dehnt nur die gegenüber dem Rechtsvorgänger als begründet vorausgesetzte Anfechtbarkeit auf den Rechtsnachfolger aus (vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap, 17 Rn. 6; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 120). 224 Zum Begriff siehe oben S. 458. 225 Vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2004 – IX ZR 473/00, NZI 2004, 374 (375): „Leistet der Gemeinschuldner [hier: Dritter] auf Grund eines Anspruchs oder einer Weisung des Schuldners, stellt sich dies im Verhältnis der Beteiligten als eine Leistung des Gemeinschuldners [hier: Dritten] an den Schuldner dar, der hierdurch von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit wird. Es liegen in diesen Fällen zwei Leistungsverhältnisse vor, nämlich zwischen Gemeinschuldner [hier: Drittem] und Schuldner einerseits und zwischen Schuldner und Gläubiger andererseits.“; BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (237) in Rn. 25: „Mittelbare Zuwendungen sind so zu behandeln, als habe der Angewiesene [hier: Dritter] an den Anweisenden [hier: Forderungsschuldner] geleistet und dieser sodann seinen Gläubiger befriedigt.“ Auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 58. 226 Die Rechtsnachfolge i.S.d. § 145 Abs. 2 InsO setzt einen abgeleiteten Erwerb vom Anfechtungsgegner voraus. Bei der Tilgung einer fremden Schuld konnte von dem Forderungsschuldner aber zu keiner Zeit gegenständliche Rückgewähr des Vermögensgegenstands gefordert werden, weil dieser direkt an den Gläubiger ausgekehrt wurde. Daher gilt der Forderungsgläubiger nicht als Rechtsnachfolger des Forderungsschuldners i.S.d. § 145 Abs. 2 InsO (vgl. nur Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 120 f.).

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weil die Anfechtungsansprüche auf selbstständigen Grundlagen beruhen. Nach dem hier vertretenen Modell machen die Gläubiger des Dritten lediglich den fremden Deckungsanfechtungsanspruch geltend. Es existiert gegenüber dem Gläubiger somit nur ein einziger Anfechtungsanspruch, sodass er von vornherein nur einmalig zur Rückgewähr verpflichtet ist. Haben die Gläubiger des Dritten den Deckungsanfechtungsanspruch durchgesetzt, so können die Gläubiger des Forderungsschuldners nicht (erneut) auf ihn Zugriff nehmen. Denn ihr Anfechtungsanspruch wurde bereits von den Gläubigern des Dritten verwirklicht und ist nun erloschen.

Ein Konkurrenzverhältnis entsteht nun jedoch intern zwischen den Gläubigern des Dritten und den Gläubigern des Forderungsschuldners, wenn das Anfechtungsrecht des Forderungsschuldners gegenüber dem Forderungsgläubiger nicht nur hypothetisch, sondern tatsächlich besteht. Dann stellt sich die Frage, welcher Haftungsmasse der Vorrang gebührt. Diese Frage ist zugunsten der Gläubiger des Dritten zu beantworten.227 Diese leiten ihr Bedürfnis zum Durchgriff auf den Forderungsgläubiger aus einem Anfechtungsanspruch gegen den Forderungsschuldner ab. Unabhängig davon, welche Rechtsnatur man dem Anfechtungsanspruch zuerkennt,228 ist allgemein anerkannt, dass ihm in der Insol227

Für einen Vorzug der Gläubiger des Dritten, wenn sowohl der Dritte als auch der Forderungsschuldner im Zeitpunkt der Zahlung insolvenzreif waren, auch von Mettenheim, ZInsO 2008, S. 110 f. Tendenziell ebenso Bork, ZIP 2008, S. 1041 (1048). I.E. auch Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap, 17 Rn. 107, wenn er die Aussonderung des Anfechtungsanspruchs befürwortet (dazu soeben). Anders hingegen der BGH und die herrschende Meinung (vgl. auch S. 446 mit Fn. 76): Sie halten die Gläubiger des Forderungsschuldners für schutzbedürftig, da der Gegenstand letztlich aus seinem Vermögen stamme und nur vom Dritten weitergeleitet werde [vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 182/08, NJW-RR 2010, 477 (478) in Rn. 12; Huber, in: Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 129 Rn. 31; ders, ZInsO 2010, S. 977 (980)]. Im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger ist dies zwar insoweit richtig, als der Dritte hier nur als Leistungsmittler tätig wird und somit eine mittelbare Zuwendung des Forderungsschuldners an den Gläubiger vorliegt, die einer unmittelbaren Leistung gleichgestellt wird. Allerdings hat der Dritte vorher das Zugewendete in das Vermögen des Forderungsschuldners übertragen – bei der umleitenden Anweisung liegen ja gerade zwei Zuwendungsverhältnisse vor. Die Aussage des BGH wäre nur richtig, wenn der Dritte tatsächlich keine eigenen Vermögenswerte eingesetzt, sondern ausschließlich von dem Forderungsschuldner zur Verfügung gestellte Werte an den Gläubiger weitergeleitet hätte. Dann liegt aber ein Fall der uneigennützigen Treuhänderschaft vor, bei dem die Anfechtung von vornherein nicht in Betracht kommt. Hat der Dritte aber eigenes Vermögen eingesetzt, treffen die Erwägungen des BGH nicht mehr zu. 228 Nach der schuldrechtlichen Theorie beschränken sich die Anfechtungswirkungen auf den schuldrechtlichen Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO; die gläubigerbenachteiligenden Rechtswirkungen sind im Wege der Durchsetzung dieses Wiederherstellungsanspruchs zu beseitigen [dafür BGH, Urt. v. 11.01.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990 (992); BGH, Urt. v. 5.02.1987 – IX ZR 161/85, BGHZ 100, 36 (42); Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd. 2, 12. Aufl., Rn. 18.19; Hess/Weis, Anfechtungsrecht, 2. Aufl., § 143 Rn. 62; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 5]. Für die überzeugende, haftungsrechtliche Theorie bewirkt die Anfechtung unmittelbar die Aufhebung der haftungsmäßigen Beeinträchtigung der Gläubiger; die von

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venz des Anfechtungsgegners Aussonderungskraft zukommt.229 Der anfechtbar erlangte Vorteil bleibt haftungsrechtlich dem Vermögen des Schuldners zugeordnet. Dann aber erscheint es nur sachgerecht, den Gläubigern des Dritten den anfechtbar zugewendete Vorteil als Haftungsmasse zur Verfügung zu stellen. In dieselbe Richtung deutet auch die Regelung des § 145 Abs. 2 InsO: Die Norm lässt einen Durchgriff auf den Rechtsnachfolger zu, wenn gegenüber dem Rechtsvorgänger angefochten werden kann. Liegt eine unentgeltliche Weitergabe gem. § 145 Abs. 2 Nr. 3 InsO vor, steht fest, dass auch die Gläubiger des Rechtsvorgängers gem. § 134 InsO anfechten können. Dennoch lässt § 145 Abs. 2 InsO den Rückgriff des Anfechtenden auf den Rechtsvorgänger unbeschränkt zu. Auf mögliche Anfechtungsrechte der Gläubiger des Rechtsvorgängers müssen die Anfechtungsberechtigten keine Rücksicht nehmen. Den Gläubigern des Dritten steht daher in der Konkurrenz zu den Gläubigern des Forderungsschuldners der Vorrang zu. Hat der Forderungsgläubiger das anfechtbar Erlangte gem. § 378 BGB hinterlegt, können die Gläubiger des Dritten Herausgabe des hinterlegten Betrags verlangen, wenn sie ihr eigenes Anfechtungsrecht gegenüber dem Forderungsschuldner nachweisen. Ihre Vorzugsstellung entfaltet allerdings keine Sperrwirkung in Bezug auf die Anfechtung der Gläubiger des Forderungsschuldners. Machen diese ihr Anfechtungsrecht gegenüber dem Forderungsgläubiger geltend und gewährt dieser das anfechtbar Erlangte zurück, so ist der Direktdurchgriff der Gläubiger des Dritten nicht mehr möglich: Das Anfechtungsrecht gegen den Forderungsgläubiger ist erloschen. Der Direktdurchgriff ist lediglich eine zusätzliche Möglichkeit für die Gläubiger des Dritten, Befriedigung für ihren gegen den Forderungsschuldner gerichteten Anfechtungsanspruch zu erhalten. Ist diese zusätzliche Möglichkeit weggefallen, sind sie wieder auf die Anfechtung gegenüber dem Forderungsschuldner verwiesen. c) Ergebnis Tilgt ein Dritter eine fremde Schuld, so können seine Gläubiger die Zahlung direkt gegenüber dem Forderungsgläubiger gem. § 134 InsO anfechten, wenn der Anfechtung betroffene Rechtshandlung wird haftungsrechtlich unwirksam, ohne dass es hierfür der Durchsetzung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Wiederherstellung der Haftung bedarf [dafür Biehl, KTS 1999, S. 313 (321); de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 129 Rn. 9; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 262 ff., 293; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.14 f.; G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (294 ff.); Wacke, ZZP 83 (1970), S. 418 (434)]. Der Gesetzgeber hat den Streit um die dogmatische Einordnung der Anfechtung bewusst offengelassen, vgl. Begr. zu § 144 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 157. 229 Für die haftungsrechtliche Theorie ist diese Konsequenz selbstverständlich, vgl. Biehl, KTS 1999, S. 313 (320 f.); de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 129 Rn. 9; G. Paulus, AcP 155 (1956), S. 277 (336 ff.). Das Aussonderungsrecht befürwortet aus Wertungsgesichtspunkten auch der BGH im Urteil v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350 (358 ff.), der eigentlich der schuldrechtlichen Theorie anhängt (vgl. soeben Fn. 228).

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(1.) die getilgte Forderung im Zeitpunkt der Tilgungsleistung keinen Wert mehr hatte, weil vom Forderungsschuldner keine Zahlung mehr erwartet werden konnte, der Dritte (2.) von diesen Umständen Kenntnis hatte und er (3.) weder dem Forderungsschuldner noch einem sonstigen Dritten zu der Leistung verpflichtet war. Liegen diese strengen Voraussetzungen nicht vor, steht den Gläubigern des Dritten kein eigenes Anfechtungsrecht gegenüber dem Forderungsgläubiger zu. Ist die Drittzahlung allerdings unter Umständen erfolgt, die den Forderungsgläubiger einer Anfechtung seines Forderungsschuldners aussetzen würden, so dürfen die Gläubiger des Dritten diesen (potentiellen) Anfechtungsanspruch des Forderungsschuldners gegenüber dem Forderungsgläubiger geltend machen. Dies folgt jedoch nicht aus einer Anwendung des § 134 InsO im Verhältnis zwischen Forderungsgläubiger und Drittem, sondern hierbei handelt es sich um eine Wirkungserstreckung des Anfechtungsrechts der Gläubiger des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner. Mit der Unentgeltlichkeitsanfechtung hat diese, auf Rechtsfolgenseite zu verortende Erwägung nichts zu tun. Die Gläubiger des Dritten haben kein eigenes Anfechtungsrecht aus § 134 InsO, sondern sie sind aufgrund einer richterlichen Rechtsfortbildung zur Geltendmachung eines fremden Anfechtungsrechts befugt. Die Berechtigung dazu gibt ihnen im Verhältnis zum Forderungsschuldner ihr Anfechtungsanspruch gegen diesen, im Verhältnis zum Forderungsgläubiger dessen geringe Schutzwürdigkeit aufgrund der Anfechtbarkeit seines Erwerbs. Aus Sicht des Forderungsgläubigers machen also nur die Gläubiger eines Dritten das Anfechtungsrecht des Forderungsschuldners geltend. II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten

Die bisher behandelten Fallkonstellationen zeichneten sich dadurch aus, dass der Forderungsgläubiger von einem Dritten Befriedigung für seine eigentlich bereits wertlose Forderung erhält, ohne dass er diese Art der Befriedigung von dem Dritten zu beanspruchen hatte. Dieses Glück ist im täglichen Wirtschaftsleben den wenigsten Gläubigern vergönnt. Aufmerksame Gläubiger versuchen daher, gegen den Ausfall ihres Forderungsschuldners Vorsorge zu treffen, indem sie sich eine Sicherheit einräumen lassen. Neben der Bestellung von Sicherheiten an Vermögensgegenständen des Forderungsschuldners ist es dabei besonders attraktiv, einen Dritten in die Haftung für die Forderung mit einzubeziehen. Dem Gläubiger eröffnet sich dadurch der Zugriff auf eine fremde Haftungsmasse, die vom Schicksal des Schuldnervermögens unabhängig ist. Fällt der Forderungsschuldner aus, steht dem Gläubiger immer noch das Drittvermögen zu seiner Befriedigung zur Verfügung. Mit einer solchen Sicherheit sorgt der Gläubiger somit genau für diejenige Situation vor, in der er in den bislang behandelten Fällen aus reinem Glück Befriedigung für seine eigentlich wertlose Forderung erhalten hat: Hat der Gläubiger keine Aussicht mehr, von

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seinem Schuldner noch befriedigt zu werden, entfaltet die Drittsicherheit ihre volle wirtschaftliche Bedeutung.230 So sehr der Zugriff auf die fremde Haftungsmasse dem Interesse des Forderungsgläubigers dient, so sehr läuft er den Interessen der Gläubiger des Dritten zuwider: Während sie bei der Tilgung einer fremden Schuld noch Aussicht auf eine werthaltige Regressforderung gegen den Forderungsschuldner haben, sichert ihr Schuldner den fremden Gläubiger nun bewusst für den Fall ab, dass der Forderungsschuldner endgültig ausfällt und damit auch nicht mehr erfolgreich in Regress genommen werden kann.231 Verwirklicht sich das Ausfallrisiko, darf der fremde Forderungsgläubiger auf Grundlage seiner Sicherheit das haftende Vermögen des Dritten schmälern – die Gläubiger des Dritten haben dahinter das Nachsehen. Aus ihrer Sicht besteht zum Fall der bewussten Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld kein Unterschied. Gleichwohl unterscheidet sich die Besicherung einer fremden Schuld in zwei entscheidenden Punkten von dieser Fallkonstellation: Zum einen gewährt der Dritte dem fremden Gläubiger die Sicherheit zu einem Zeitpunkt, in dem noch nicht feststeht, ob sich das Ausfallrisiko des Forderungsschuldners verwirklichen wird oder nicht. Ob der Dritte also tatsächlich für die fremde Forderung einstehen und dem Gläubiger für eine eigentlich wertlose Schuld Befriedigung verschaffen muss, ist – anders als bei der bewussten Tilgung einer solchen Schuld – im Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit noch unklar. Es handelt sich um einen Risikovertrag, der sich für den Dritten gut oder schlecht entwickeln kann: Erhält der Gläubiger – wie vorgesehen – Befriedigung vom Hauptschuldner, erlischt die Sicherheit oder kann vom Sicherungsgeber zurückgefordert werden, ohne dass sich für ihn wirtschaftliche Nachteile ergeben. Nur wenn der Forderungsschuldner tatsächlich ausfällt, verwirklicht sich das Risiko, das der Sicherungsgeber übernommen hat. Zum anderen ist es möglich, dass der Sicherungsnehmer bei der Bestellung der Sicherheit eigene Zugeständnisse macht, die ein ausgleichendes Äquivalent für die Bestellung bilden. Bei der Tilgung der fremden Schuld in Kenntnis der Wertlosigkeit der befriedigten Forderung ist dies ausgeschlossen, weil der Dritte und der Forderungsgläubiger in aller Regel nicht rechtsgeschäftlich miteinander in Kontakt treten. Auch steht bereits fest, dass die Forderung vollständig wertlos ist, sodass ein ausgleichendes Äquivalent die Höhe der Drittzahlung erreichen müsste. Bei der Bestellung der Drittsicherheit hingegen treten 230

Vgl. Bograkos, DZWiR 2009, S. 462 (463). Diese Situation muss – etwa bei Bestellung einer Garantie – nicht notwendig eintreten. Gleichwohl ist der endgültige Ausfall des Forderungsschuldners derjenige Fall, für den die Sicherheit bestellt wird und in der sie ihre volle wirtschaftliche Bedeutung entfaltet. Ist der Forderungsschuldner im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Sicherungsgebers noch solvent und kann daher von ihm erfolgreich in Regress genommen werden, ist die Bestellung der Sicherheit ein neutraler Vorgang, der keine Anfechtungsmöglichkeiten gem. § 134 InsO eröffnet. Vgl. dazu unten S. 511 ff. 231

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Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer rechtsgeschäftlich miteinander in Kontakt und das ausgleichende Äquivalent für die Sicherheit ist am Ausfallrisiko zu messen. Der Sicherheit kann daher durchaus eine ausgleichende Gegenleistung gegenübertreten. Diese Umstände sind bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Drittsicherheit als unentgeltliche Leistung anfechtbar ist, zu berücksichtigen. Die Anfechtungsmöglichkeiten müssen gerade auch im Vergleich zur Anfechtbarkeit der Tilgung einer fremden, wertlosen Schuld zu stimmigen Ergebnissen führen.232 Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Bestellung der Drittsicherheit (1.) und der tatsächlichen Befriedigung des Gläubigers durch den Sicherungsgeber im Sicherungsfall (2.). 1. Die Bestellung der Drittsicherheit als unentgeltliche Leistung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer Die Möglichkeit des Dritten, im Sicherungsfall auf das Vermögen des Sicherungsgebers zugreifen zu können, wird durch die Bestellung der Sicherheit eröffnet. Der Sicherheitsbestellung liegt eine Sicherungsabrede zugrunde. In ihr legen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer den Sicherungszweck fest und sie bildet den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Drittsicherheit.233 Auf dem Weg zum Abschluss der Sicherungsabrede und der Bestellung der Drittsicherheit lassen sich zwei Fallkonstellationen unterscheiden: Zum einen kann der Sicherungsnehmer rechtsgeschäftlich an den Sicherungsgeber herantreten und ihn um die Besicherung seiner Forderung bitten. Der Sicherungsgeber verpflichtet sich in diesem Fall direkt gegenüber dem Sicherungsnehmer zur Bestellung der Drittsicherheit. Ein typischer Anwendungsfall ist die Ausfuhrbürgschaft, bei der sich der Lieferant zur Sicherung seiner Kaufpreisforderung von einem Dritten eine Bürgschaft oder Garantie bestellen lässt und dafür eine angemessene Prämie bezahlt.234 Meist hingegen wird sich der Forderungsschuldner an den Dritten wenden und ihn um die Bestellung der Sicherheit bitten, die der Sicherungsnehmer von ihm zur Absicherung seines Kredits fordert. Der Sicherungsgeber verpflichtet sich in diesem Fall gegenüber dem Forderungsschuldner – entweder unentgeltlich oder gegen Zahlung einer Avalprovision – zur Bestellung der Sicherheit an den Dritten. Wird die Drittsicherheit bestellt, erfüllt der Sicherungsgeber damit seine Verpflichtung gegenüber dem 232

Zur strukturellen Verwandtschaft der Tilgung und Sicherung fremder Schuld vgl. auch Thole, Gläubigerschutz, S. 464. 233 Vgl. Rösler/Fischer, BKR 2006, S. 50 f.; für die Bürgschaft Habersack, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 765 Rn. 3. A.A. [Rechtsgrund der Bürgschaft liege im Verhältnis Bürge – Forderungsschuldner und Forderungsschuldner – Gläubiger]: Leitmeier, NZBau 2009, S. 676 ff. 234 Vgl. dazu umfassend Horn, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, Vorbem. zu §§ 765–778, Rn. 489 ff.

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Forderungsschuldner, der wiederum seiner Pflicht gegenüber dem Sicherungsnehmer nachkommt. Zu klären ist nun, unter welchen Voraussetzungen die Bestellung der Drittsicherheit in diesen beiden Fallkonstellationen anfechtbar ist. a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Unter welchen Voraussetzungen die Bestellung einer Drittsicherheit als unentgeltliche Leistung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer qualifiziert werden kann, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. aa) Der Standpunkt der Rechtsprechung (1) Für die Rechtsprechung hängt die Anfechtbarkeit der Bestellung der Drittsicherheit davon ab, ob die Sicherungsabrede eine äquivalente Gegenleistung des Sicherungsnehmers vorsah. Die Anforderungen an diese Gegenleistung haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Das Reichsgericht stellte noch allein auf den Standpunkt des Drittsicherungsgebers ab. Die Sicherung einer fremden Verbindlichkeit sei unentgeltlich, wenn kein Entgelt in das Vermögen des Sicherungsgebers gelangt sei.235 Als taugliches Entgelt akzeptierte es allerdings bereits jedes eigene wirtschaftliche Interesse des Sicherungsgebers an der Sicherungsbestellung.236 Die Drittsicherheit war somit stets entgeltlich, wenn das Vermögen des Sicherungsgebers zumindest wirtschaftlich von der Bestellung der Sicherheit profitierte. Der BGH nimmt demgegenüber auch die Perspektive des Sicherungsnehmers in den Blick. Die Grundvoraussetzung für die Entgeltlichkeit der Sicherungsbestellung sei, dass der Sicherungsnehmer im Einverständnis mit dem Sicherungsgeber für die Sicherheit eine eigene Gegenleistung erbringe.237 Das 235 RG, Urt. v. 10.03.1913 – VI 487/12, JW 1913, 608 (609). So zunächst auch BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679 (1680); LG Hamburg, Urt. v. 22.06.1992 – 415 O 211/91, ZIP 1992, 1251 (1252); LG Potsdam, Urt. v. 03.06.1997 – 33 O 88/97, ZIP 1997, 1383 (1384). Vgl. auch RG, Urt. v. 11.03.1905 – Rep. V 649/04, RGZ 60, 259 (265). 236 RG, Urt. v. 10.03.1913 – VI 487/12, JW 1913, 608 (609). Auch OLG Köln, Urt. v. 01.06.2004 – 2 U 19/04, WM 2005, 477; OLG Schleswig, Urt. v. 02.10.1981 – 11 U 160/80, WM 1982, 25 (28). 237 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 25; BGH, Urt. v. 06.12.2012 – IX ZR 105/12, NZI 2013, 81 (82) in Rn. 3; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 149/11, NJW-RR 2012, 1517 (1518) Rn. 21; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 in Rn. 6; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, NJW-RR 2009, 340 (341) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 10; BGH, Urt. v. 19.03.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592 (2599), insoweit nicht in BGHZ 138, 291 ff. abgedruckt (zu § 10 GesO); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2422); OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (506); OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2013 – I-12 U 114/12, ZIP 2014, 837 (838); OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14); OLG Brandenburg, Urt. v. 22.01.1998 – 8 U 47/97, InVo 1999, 230 (231).

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bloße wirtschaftliche Interesse des Sicherungsgebers an der Sicherheit schließe die Unentgeltlichkeit nicht aus, solange der Sicherungsnehmer dafür nicht selbst etwas aufgewendet habe.238 Sah die Sicherungsabrede allerdings eine Gegenleistung an einen Dritten vor, so soll diese auch aus Sicht des BGH nur gegenleistungstauglich sein, wenn der Sicherungsgeber ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dieser Gegenleistung habe.239 Entscheidend ist also nunmehr, dass der Sicherungsgeber eine Gegenleistung erbringt und dass der Dritte an dieser Gegenleistung ein wirtschaftliches Interesse hat. Zwischen konzerngesellschaften soll dieses wirtschaftliche Interesse in aller Regel vorliegen.240 Anders sei dies nur, wenn der Sicherungsgeber seine geschäftliche Tätigkeit bereits eingestellt habe.241 (2) Geändert hat sich die Auffassung der Rechtsprechung auch im Hinblick auf die Bedeutung der Verpflichtung des Sicherungsgebers zur Bestellung der Drittsicherheit. Früher kam die Unentgeltlichkeit der Sicherheitenbestellung nur in Betracht, wenn der Sicherungsgeber nicht aufgrund einer entgeltlich begründeten Verbindlichkeit zur Bestellung der Sicherheit gehalten war.242 Nach

238 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 25; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 149/11, NJW-RR 2012, 1517 (1519) Rn. 21; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 (2066) in Rn. 6; BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 14; OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (506); LG Essen, Urt. v. 08.02.2007 – 6 O 247/06, BeckRS 2009, 86810; Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 128 ff.; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 106; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 26; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 13; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 5; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 27; Thole, Gläubigerschutz, S. 474; Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 18. A.A. Wittig, NZI 2005, S. 606 (612); Nerlich, in: Nerlich/ Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 18. Kritisch auch Herrlich/Merkel, WM 2010, S. 2343 (2345); Kayser, WM 2007, S. 1 (8). 239 BGH, Urt. v. 19.03.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592 (2599), insoweit nicht in BGHZ 138, 291 ff. abgedruckt (zu § 10 GesO); OLG Köln, Urt. v. 24.01.2000 – 16 W 29/99, ZInsO 2000, 156 (157); so auch bereits RG, Urt. v. 11.03.1905 – Rep. V 649/04, RGZ 60, 259 (265). Ebenso Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 18; Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 8 (der sich für eine generelle Geltung dieses Grundsatzes ausspricht). Klar befürwortend auch Thole, Gläubigerschutz, S. 475 ff. A.A. Wittig, WuB VI B. § 32 Nr. 1 KO, 1.00. 240 BGH, Urt. v. 19.03.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592 (2599), insoweit nicht in BGHZ 138, 291 ff. abgedruckt (zu § 10 GesO). Ebenso Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 18; Wittig, NZI 2005, S. 606 (612); Zeuner, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 18. Einschränkend Hirte, ZInsO 2004, S. 1161 (1162). 241 OLG Köln, Urt. v. 24.01.2000 – 16 W 29/99, ZInsO 2000, 156 (157). 242 Vgl. BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.03.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592 (2599); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2422); BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679 (1680) [auf die Frage kam es in diesem Fall nicht entscheidend an, da zwischen

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dieser Definition würde die Anfechtung der Drittsicherheit auch dann ausscheiden, wenn sich der Sicherungsgeber gegenüber dem Forderungsschuldner entgeltlich zur Bestellung der Sicherheit verpflichtet hatte. In dem typischen Fall der Drittsicherungsbestellung243 käme die Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht in Betracht. In der neueren Rechtsprechung hingegen stellt der BGH klar, dass es für die Anfechtbarkeit gem. § 134 InsO nicht darauf ankomme, ob sich der Sicherungsgeber im Vorhinein zur Bestellung der Sicherheit verpflichtet habe oder nicht.244 Die Verpflichtung des Sicherungsgebers zur Bestellung der Sicherheit spielt also aus Sicht des BGH für die Anfechtung keine Rolle. bb) Abweichende Stellungnahmen in der Literatur In der insolvenzrechtlichen Literatur haben die vom BGH aufgestellten Grundsätze weitgehend Zustimmung gefunden.245 Es gibt jedoch auch grundlegend abweichende Ansätze. (1) Die Vertreter der Forderungslösung246 gehen auch im Rahmen der Sicherung einer fremden Schuld davon aus, dass sich die anfechtungsrechtliche Beurteilung nach der Entgeltnatur der gesicherten Forderung richte.247 Beruhe sie auf einem unentgeltlichen Kausalgeschäft zwischen Sicherungsnehmer und Forderungsschuldner, sei auch die Bestellung der Drittsicherheit unentgeltlich. der Forderungsschuldnerin und der Drittsicherungsgeberin lediglich ein Gewinnabführungsvertrag bestand, der die Drittsicherungsgeberin nach Ansicht des BGH nicht dazu verpflichtete, aus ihrer Vermögenssubstanz Verbindlichkeiten der Forderungsschuldnerin zu sichern]; OLG Köln, Urt. v. 01.06.2004 – 2 U 19/04, WM 2005, 477; OLG Köln, Urt. v. 24.01.2000 – 16 W 29/99, ZInsO 2000, 156; OLG Brandenburg, Urt. v. 22.01.1998 – 8 U 47/97, InVo 1999, 230; LG Essen, Urt. v. 08.02.2007 – 6 O 247/06, BeckRS 2009, 86810; LG Hamburg, Urt. v. 22.06.1992 – 415 O 211/91, ZIP 1992, 1251 (1252). 243 Siehe dazu oben S. 491 f. 244 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 26; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 (2066) in Rn. 6; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2013 – I-12 U 114/12, ZIP 2014, 837 (838). 245 Vgl. Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 18; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 104; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 213; grds. ebenso auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 137 f. Die Sicherungsbestellung allgemein für unentgeltlich haltend, wenn sie ohne rechtliche Verpflichtung und ohne Erlangung eines Gegenwertes erfolgt, Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 33; Leithaus, in: Andres/ Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 6; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 16; Zeuner, Anfechtung, 2. Aufl., Rn. 216; ders., in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 18. Ähnlich auch Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 27 sowie Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 177 ff., die sich insbesondere gegen die (alte) Auffassung der Rechtsprechung, die entscheidend auf das Bestehen einer Verpflichtung des Sicherungsgebers abstellte, wendet, vgl. S. 179 ff. 246 Dazu oben S. 242 ff., 449 ff. 247 Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 243 ff. Vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14).

II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten

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Entspringe die Forderung hingegen einem entgeltlichen Kausalgeschäft, werde die Drittsicherheit entgeltlich bestellt. (2) Andere wollen die Bestellung der Drittsicherheit nach denselben Grundsätzen beurteilen wie die Tilgung einer fremden Schuld.248 Da die Sicherung ein wesensgleiches Minus zu ihrer Tilgung darstelle, sei entscheidend, ob eine an Stelle der Sicherung tretende Tilgungsleistung als unentgeltlich zu qualifizieren wäre oder nicht.249 Nicht einig ist man sich allerdings über den maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung: Während die meisten darauf abstellen, ob die Forderung im Zeitpunkt der Sicherungsbestellung nichts mehr wert war und der Dritte in Kenntnis dieses Umstands die fremde Schuld absicherte,250 möchte Burchard den Entgeltcharakter der Sicherheit einer dynamischen Bewertung unterstellen: Die Sicherheitenbestellung werde unentgeltlich und damit anfechtbar, sobald die gesicherte Forderung wertlos geworden sei. Solange die Forderung noch werthaltig sei, sollen die Gläubiger die Sicherungsbestellung hingegen nicht angreifen können.251 (3) Häsemeyer lehnt eine Anfechtung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer hingegen generell ab.252 Der Sicherungsgeber erwerbe stets eine Regressforderung gegen den Forderungsschuldner, wenn er aus der Sicherheit in Anspruch genommen werde. Damit sei normativ vorgegeben, dass nur im Verhältnis zwischen Forderungsschuldner und Sicherungsgeber eine unentgeltliche Leistung in Betracht komme.253 Auch die Wertlosigkeit der Forderung – und die damit einhergehende Uneinbringlichkeit der Regressforderung des Sicherungsgebers – ändere nichts daran, dass kein Leistungsverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer vorliege.254

248 Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 133 ff.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 26. Auch Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 18. 249 Vgl. Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 135. 250 OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.1998 – 6 U 161/97, OLGR Karlsruhe 1998, 13 (14); Thole, Gläubigerschutz, S. 465. Ein gemeinsames Bewusstsein von Gläubiger und Sicherungsgeber darüber, dass der Hauptschuldner nicht zahlen kann, fordern Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 119 (bei nachträglicher Sicherheitsbestellung sei dieses Bewusstsein aber zu vermuten); Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 17, 18 (für den die Vereinbarung einer Gegenleistung aber auch bei übereinstimmend bekannter Wertlosigkeit der gesicherten Forderung noch die Entgeltlichkeit begründen kann); Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 26; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25 (zur Bürgschaft). 251 Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 133 ff., allerdings nur für den Schuldbeitritt; ob diese Maßstäbe auch bei dinglichen Sicherheiten zu gelten haben, zieht Burchard selbst in Zweifel, vgl. a.a.O., S. 133 mit Fn. 417. 252 Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 (421); ders., Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 21.92. 253 Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 (420 f.). 254 Häsemeyer, ZIP 1994, S. 418 (421).

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b) Eigene Stellungnahme Die Anfechtung gem. § 134 InsO setzt voraus, dass zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner eine materielle Zuwendungsbeziehung besteht. Eine Unentgeltlichkeitsanfechtung ist gegenüber dem Sicherungsnehmer daher nur möglich, wenn er durch die Drittsicherheit eine eigene materielle Zuwendung vom Sicherungsgeber erfährt. aa) Materielle Zuwendungsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer Zu klären ist somit, ob und gegenüber wem bei der Bestellung einer Drittsicherheit eine materielle Zuwendung stattfindet. Der Bezugspunkt der materiellen Zuwendung ist dabei – parallel zum Fall der Tilgung fremder Schuld – der Vorteil des Sicherungsgebers, bei Ausfall des Forderungsschuldners volle Befriedigung für seine eigentlich wertlose Forderung zu erhalten. Nicht Gegenstand der Betrachtung sind hingegen Vorteile, die dem Forderungsschuldner mittelbar dadurch zukommen, dass durch die Bestellung der Sicherheit die Voraussetzungen für die Ausschüttung oder Aufrechterhaltung eines Kredits eintreten. Ob diese aus dem Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis entstammende Vorteilsverschaffung ihrerseits eine materielle Zuwendung des Sicherungsgebers an den Forderungsschuldner darstellt, ist eine andere Frage, deren Beantwortung sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Anfechtung im Zwei-Personen-Verhältnis richtet. Bsp.: G fordert für die Ausschüttung eines Kredits in Höhe von 100.000 Euro an F eine Sicherheit. D lässt daraufhin auf Bitte des F eine Grundschuld an seinem Grundstück bestellen. Gegenstand der folgenden Untersuchung ist nun der materielle Zuwendungsvorgang, der sich verwirklicht, wenn F endgültig ausfällt und G aufgrund der Sicherheit für seine eigentlich wertlose Forderung Zahlung in Höhe von 100.000 Euro erhält. Nicht näher behandelt werden soll die Frage, ob sich mit der Bestellung der Sicherheit – zusätzlich – auch unmittelbar eine materielle Zuwendung von D an F vollzieht. Gegenstand dieser Zuwendung wäre die Geschäftsbesorgung des D gegenüber F. Ob für diese Geschäftsbesorgung ein Entgelt zu erwarten gewesen wäre, ist an den allgemeinen Grundsätzen zu messen.255 Wird die Anfechtung im konkreten Fall bejaht, ist sie auf Rückgewähr des Vorteils in Form einer ersparten angemessenen Avalprovision gerichtet.

Im Folgenden ist zunächst die Fallkonstellation zu untersuchen, in der der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer ohne vorherige Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner die Sicherheit bestellt (1). Anschließend ist zu fragen, ob die vorherige Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner die materiellen Zuwendungsbeziehungen verändert (2).

255

Dazu siehe oben S. 178 ff.

II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten

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(1) Zuwendungsbeziehungen bei direkter Sicherungsbestellung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer Tritt der Sicherungsnehmer mit dem Sicherungsgeber direkt in Kontakt und vereinbart mit diesem die Bestellung einer Drittsicherheit, kommt als materiell Begünstigter von vornherein nur der Sicherungsnehmer in Betracht: Er erhält durch die Sicherheit bei Ausfall des Forderungsschuldners Befriedigung für seine eigentlich wertlose Forderung. Fraglich ist jedoch, ob im Zeitpunkt der Bestellung der Drittsicherheit schon die Grundvoraussetzungen einer endgültig bereichernden, materiellen Zuwendung vorliegen. (a) Charakter als bedingte materielle Zuwendung Eine materielle Zuwendung setzt voraus, dass der Begünstigte einen dauerhaft bereichernden Vermögensvorteil vom anderen Teil erhält. Nur dann stellt sich für die Parteien die Frage nach einem Entgelt. Das wirtschaftliche Ziel der Sicherungsabrede besteht gerade in der Vorkehrung für den Fall, in dem die Tilgung einer fremden Schuld eine materielle Zuwendungsbeziehung zwischen Drittem und Gläubiger begründet: Der Befriedigung des Gläubigers für eine wegen Vermögenslosigkeit des Forderungsschuldners eigentlich wertlose Forderung. Tritt der Sicherungsfall256 ein, erhält der Sicherungsnehmer vom Sicherungsgeber einen eigenständigen, dauerhaften Vermögensvorteil und eine materielle Zuwendung liegt vor.257 Bei Abschluss des Sicherungsvertrags steht allerdings noch nicht fest, ob diese Bereicherung tatsächlich eintreten wird. Sie wird von den Parteien für möglich gehalten und ist der Grund, warum sie die Sicherheit vereinbaren. Bleibt der Sicherungsfall aber aus, weil der Forderungsschuldner seine Verbindlichkeit selbst erfüllt, so erlischt die Personalsicherheit bzw. wird die Sachsicherheit an den Sicherungsgeber zurückübertragen, ohne jemals praktisch relevant geworden zu sein. Eine dauerhafte Zuwendung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer hat nie stattgefunden. Das Gleiche gilt, wenn der Sicherungsgeber seine Sicherheit durch Zahlung an den Sicherungsnehmer ablöst, obwohl die gesicherte Forderung noch werthaltig war: Der Sicherungsnehmer verliert nun einen werthaltigen Anspruch gegen den Forderungsschuldner, sodass es an einer materiellen Bereicherung durch den Sicherungsgeber fehlt. Ob der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer tatsächlich

256 Als Sicherungsfall wird im Folgenden der endgültige Ausfall des Forderungsschuldners bezeichnet, also die Situation, bei der die Forderung gegen den Forderungsschuldner als wertlos bewertet würde. 257 Vgl. oben S. 465 ff.

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zu einer materiellen Zuwendung verpflichtet ist, steht somit erst fest, sobald der Hauptschuldner ausgefallen und der Sicherungsfall eingetreten ist.258 Da die Parteien im Zeitpunkt der Sicherungsabrede noch nicht wissen, welche dieser Fallvarianten eintreten wird, ist die Sicherungsabrede lediglich auf eine potentielle materielle Zuwendung gerichtet. Die Parteien sind sich einig, dass der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer bei Ausfall des Forderungsschuldners materiell bereichern soll. Die Sicherungsabrede enthält damit die Vereinbarung eines bedingten materiellen Zuwendungszwecks: Nur wenn die Bedingung eintritt, findet zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer eine materielle Zuwendung statt. (b) Anwendbarkeit des § 134 InsO auf bedingte materielle Zuwendungen Fraglich ist nun, ob die Unentgeltlichkeitsanfechtung auch die Vereinbarung einer bedingten materiellen Zuwendung erfasst. Das Schenkungsrecht verneint diese Frage und fordert einen unbedingten Bereicherungswillen.259 Die Drittbesicherung hat daher nur Schenkungscharakter, wenn die Inanspruchnahme des Sicherungsgebers bereits im Zeitpunkt der Sicherungsabrede feststeht.260 258 Vgl. im Grundsatz auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 133: Die Sicherung wirkt sich „erst dann im Sinne einer gesonderten und damit unentgeltlichen Zuwendung aus (…), wenn der (…) Schuldner mangels Leistungsvermögen ausfällt und die Inanspruchnahme des Dritten damit gewiss wird.“ 259 Vgl. auch Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 165, der darauf verweist, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststeht, ob es zu einer Bereicherung des Gläubigers auf Kosten des Bürgen kommen wird und ein unbedingter Bereicherungswille damit nicht besteht. 260 Dass die Sicherung einer fremden Schuld grundsätzlich eine Schenkung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer darstellen kann, war bereits vom BGB-Gesetzgeber anerkannt. Eine im ersten Entwurf zum BGB vorgesehene Regelung, nach der eine Schenkung mangels Bereicherung ausscheidet, wenn eine Sicherheit – auch von einem Dritten – geleistet wird (§ 439 E-BGB), wurde nicht in das Gesetz übernommen, da man bei der Sicherung einer fremden Schuld eine Schenkung für möglich hielt, wenn beispielsweise die gesicherte Forderung uneinbringlich war (Protokolle, Bd. II, S. 8; vgl. dazu Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 163). Heute ist überwiegend anerkannt, dass die Sicherung einer fremden Schuld eine Schenkung des Sicherungsgebers an den Gläubiger sein kann, wenn die Schuld im Zeitpunkt der Sicherung uneinbringlich war und sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit geeinigt haben [vgl. BGH, Urt. v. 11.01.1956 – IV ZR 178/55, BB 1956, 447; RG, Urt. v. 26.04.1917 – Rep. VI 37/17, RGZ 90, 177 (181) [zur Übernahme einer Bürgschaft]; Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 28; Horn, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rn. 156; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 11; zweifelnd Fischer, Unentgeltlichkeit, S. 165 f.; Habersack, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., § 765 Rn. 5 (für den Bereich der Bürgschaft); Schütz, JR 1964, S. 453]. Weitergehend hingegen Däubler, in: AltKomm, BGB, Bd. 3, § 516 Rn. 4, der in jeder Sicherung einer fremden Schuld eine (unbedingte!) Schenkung sieht, wenn sie ohne Entgelt erfolgt; schon die Existenz des Sicherungsrechts besitze einen wirtschaftlichen Wert, dessen Höhe je nach den Vermögensverhältnissen des Forderungsschuldners schwanke, sodass eine Bereicherung des Sicherungsgebers stets gegeben sei. Dabei übersieht Däubler jedoch, dass die Schenkung auch

II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten

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Diese Beschränkung lässt sich allerdings damit erklären, dass die besonderen schenkungsrechtlichen Schutzvorschriften für die Drittsicherheit nicht passen: Würde das Schenkungsrecht auch den bedingten Bereicherungszweck genügen lassen, wäre jeder Drittsicherungsvertrag notariell beurkundungsbedürftig gem. § 518 Abs. 1 BGB. Der Formmangel würde erst mit der tatsächlichen Befriedigung des Gläubigers, nicht bereits mit Bestellung der Sicherheit geheilt, da erst dann die in der Sicherheit enthaltene, bedingte Schenkung vollzogen wird. Dieses besonderen Schutzes bedarf der Sicherungsgeber angesichts der bloß bedingten materiellen Zuwendung nicht.261 Die Drittsicherheit ist daher nicht im Schenkungsrecht, sondern im Bürgschafts-, Grundschuld- und Hypothekenrecht geregelt. Bei § 134 InsO geht es jedoch nicht um die besondere Schutzwürdigkeit des Schenkers, sondern um die Interessen seiner Gläubiger. Auch das Bedürfnis der Abgrenzung zu verwandten Vertragstypen besteht nicht. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, ob der verschaffte Vorteil eine solche Intensität besitzt, dass vom Schuldner die Anforderung einer Gegenleistung hätte erwartet werden können. Dies ist bei einer bedingten materiellen Zuwendung der Fall. Sie ist kein ungewisser Vorteil, der keinen fassbaren Vermögenswert hat, sondern führt bei Bedingungseintritt zu einer echten materiellen Zuwendung. Daher wirft sie die Frage nach einem Entgelt ebenso auf wie eine unbedingte materielle Zuwendung. Die Bedingtheit des materiellen Zuwendungszwecks hat lediglich Auswirkungen auf das Äquivalenzgefüge der Abrede: Da die materielle Zuwendung nur bei Bedingungseintritt bewirkt werden muss, fällt die Gegenleistung des Sicherungsgebers entsprechend geringer aus. Sie muss lediglich dem Wert des Risikos entsprechen, nicht dem Wert der Zuwendung für den Fall, dass sich das Risiko verwirklicht. (c) Stellungnahme zu den Gegenansichten in der Literatur Die Sicherung einer fremden Schuld beinhaltet also eine (bedingte) materielle Zuwendung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer, die zwischen den Parteien die Frage nach einem Entgelt aufwirft und damit einer eigenständigen Entgeltbewertung zugänglich ist. Die Gegenansichten in der Literatur können daher nicht überzeugen. Entgegen Häsemeyers These besteht durchaus eine eine endgültige Entreicherung des Schuldners voraussetzt. Diese liegt erst dann vor, wenn die Beanspruchung des Sicherungsgebers sicher feststeht. 261 Hinzu kommt, dass der Aspekt der Freigebigkeit im Schenkungsrecht durchaus Berücksichtigung findet (siehe oben S. 370 ff.). In der Bestellung einer Sicherheit als Risikoabrede verwirklicht sich in der Regel aber keine reine Freigebigkeit des Sicherungsgebers: Dann könnte er dem Sicherungsgeber den Betrag auch direkt zuwenden. Vielmehr wird in der Regel irgendein Vorteil für den Forderungsschuldner erstrebt, der allerdings nicht mit einer Gegenleistung des Sicherungsgebers kongruent sein muss, z.B. der Abbau von Zahlungsdruck, die Verhinderung ständiger Nachfragen über die Kreditwürdigkeit etc.

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

Zuwendungsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer – diese ist lediglich durch den Sicherungsfall bedingt.262 Da die Parteien die Möglichkeit einer materiellen Zuwendung ins Auge fassen, überzeugt es auch nicht, die Anfechtbarkeit ausschließlich von der Werthaltigkeit der Forderung im Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit abhängig zu machen: War die Forderung im Zeitpunkt der Drittbesicherung uneinbringlich, steht lediglich fest, dass die Bestellung der Sicherheit nun von einem unbedingten materiellen Zuwendungswillen getragen ist. Anders als im Schenkungsrecht reicht für § 134 InsO jedoch auch der bedingte materielle Zuwendungswille aus. Ebenso wenig überzeugt es, mit der Forderungslösung den Entgeltcharakter der Drittsicherheit am Entgeltcharakter der gesicherten Forderung festzumachen.263 Besichert der Schuldner eine eigene Forderung, so wird diese Sicherheit zwar vom Entgeltcharakter des zugrundeliegenden Kausalgeschäfts durchdrungen.264 Der Grund dafür ist jedoch, dass zwischen Hauptschuldner und Gläubiger bereits eine materielle Kausalbeziehung besteht, in die die Sicherheit eingegliedert werden kann. Ein solcher materieller Geschäftszweck besteht zwischen Drittem und Gläubiger jedoch nicht. Mit der Sicherungsabrede legen sie erstmals einen eigenen materiellen Zuwendungszweck fest, der dem Geschäftszweck der fremden Kausalabrede nicht gleichen muss. Denn die in der Sicherungsabrede vorgesehene bedingte materielle Zuwendung geht über die zwischen Forderungsschuldner und Gläubiger vereinbarte Leistung hinaus. Gegenstand der Sicherungsabrede ist die Möglichkeit, dass der Sicherungsnehmer mit seiner Forderung ausfällt und nun vom Sicherungsgeber volle Befriedigung erhält. Die Drittbesicherung ist daher kein bloßes Hilfsgeschäft für die vom Forderungsschuldner geschuldete Erfüllung, sondern die Abrede über eine

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Häsemeyer verwechselt den Gegenstand der materiellen Zuwendung und die als Ausgleich für diese materielle Zuwendung vereinbarte Gegenleistung. Der Vorteil, der im Gegenzug zu der Verpflichtung zur bedingten materiellen Zuwendung des Sicherungsgebers gewährt wird, kommt im Regelfall dem Hauptschuldner zu: Er erhält einen Kredit oder sein Gläubiger verzichtet teilweise auf die Forderung. Dies ändert aber nichts daran, dass sich der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer gegenüber zu einer bedingten materiellen Zuwendung verpflichtet. Materiell Begünstigter dieser Zuwendung ist der Sicherungsnehmer. Hätte der Sicherungsgeber dem Forderungsschuldner diesen Wert zuwenden wollen, hätte er im Innenverhältnis die Schuld übernommen oder ihm den geschuldeten Betrag gleich unmittelbar zur Verfügung gestellt. Gegen Häsemeyers Argumentation auch Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 119; Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 128 f. 263 I.E. ebenso Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 129: „Klarzustellen ist (…), dass die Bewertung des Schuldbeitritts als möglicherweise unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO nicht davon abhängt, worauf die Fremdschuld gerichtet ist, der der Dritte beitritt.“ 264 Siehe oben S. 260 ff.

II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten

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eigenständige, bedingte materielle Zuwendung.265 Warum sich der Entgeltcharakter dieser eigenständigen materiellen Zuwendung nun zwingend nach dem Entgeltcharakter des fremden Kausalverhältnisses richten muss, ist nicht nachvollziehbar:266 Auch mit der Sicherung einer fremden entgeltlichen Schuld kann der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer die Haftung für den Ausfall des Forderungsschuldners unentgeltlich zuwenden. Daher überzeugt es nicht, dieselben Grundsätze anzulegen wie bei der Besicherung einer eigenen Schuld und den Entgeltcharakter der gesicherten Forderung auf die Drittbesicherung durchschlagen zu lassen.267 (2) Zuwendungsbeziehungen bei eigener Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Hauptschuldner Sind an der Sicherheitenbestellung nur der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer beteiligt, findet somit eine bedingte materielle Zuwendung statt. Fraglich ist, ob sich an dieser Bewertung etwas ändert, wenn sich der Sicherungsgeber gegenüber dem Forderungsschuldner bereits zur Bestellung der Sicherheit verpflichtet hatte. Bei der Tilgung einer fremden Schuld wurde gezeigt, dass sich die materiellen Zuwendungsbeziehungen in diesem Fall ändern: Nun ist der Forderungsschuldner materiell Begünstigter der Tilgungsleistung.268 In den typischen Anweisungsfällen ist daher ein Durchgriff auf den Forderungsgläubiger nicht möglich. Die Bestellung einer Drittsicherheit aufgrund einer eigenen Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner unterscheidet sich jedoch in einem zentralen Punkt von der Situation bei der Tilgung einer fremden Schuld: Tilgt ein Dritter auf Weisung des Forderungsschuldners dessen Verbindlichkeit und wird dadurch von seiner eigenen Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner frei, so existieren zwei grundsätzlich unabhängige Leistungspflichten mit jeweils identischem Inhalt. Sowohl der Forderungsschuldner als auch der Forderungsgläubiger können von ihrem Schuldner jeweils Zahlung an sich verlangen. Daher ist es ohne weiteres denkbar, dass der Dritte zunächst an den Forderungsschuldner zahlt und dieser wiederum an den Forderungsgläubiger

265

So auch der BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 9: Drittbesicherung ist kein Minus zur Erfüllung durch den Hauptschuldner, sondern ein Aliud. Ebenso Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a. 266 Etwas anderes gilt nur, wenn der Dritte in das fremde Kausalverhältnis mit eintritt, also nicht nur für die Forderung haftet, sondern selbst Vertragspartner wird. Dann macht sich der Beitretende den fremden materiellen Geschäftszweck zu eigen. Vgl. zur Abgrenzung dieser Konstellation vom reinen Schuldbeitritt Habersack, in: MüKo, BGB, 6. Aufl., Vorbem. § 765 – § 778 Rn. 10. 267 BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 9. 268 Vgl. oben S. 474 ff.

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

leistet. Dies ist bei der Bestellung einer Drittsicherheit anders: Der Forderungsschuldner ist dem Sicherungsnehmer von vornherein verpflichtet, ihm einen Dritten als Haftenden zu verschaffen. Der Forderungsschuldner kann die Verpflichtung also gar nicht selbst erfüllen. In gleicher Weise ist die Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Forderungsschuldner zu keiner Zeit darauf gerichtet, dem Forderungsschuldner eine Sicherheit zu verschaffen, die dieser dann an den Forderungsgläubiger weiterleitet. Leistungsinhalt ist vielmehr in beiden Rechtsverhältnissen die Bestellung einer Drittsicherheit durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer. Die Situation einer Leistungskette mit abgekürztem Zahlungsweg liegt somit gerade nicht vor. Die Verpflichtung zur Bestellung der Drittsicherheit ähnelt vielmehr den Fällen, in denen sich der Dritte gegenüber dem Forderungsschuldner im Innenverhältnis zur Tilgung der fremden Schuld im Wege eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses verpflichtet hat. In diesen Fällen liegt in der Zahlung an den Dritten keine materielle Zuwendung an den Forderungsschuldner, weil dieser zu keiner Zeit die Leistung an sich beanspruchen konnte.269 Ebenso liegt es bei der Bestellung der Drittsicherheit, nur dass der Sicherungsnehmer nach der Bestellung einen eigenen Anspruch gegen den Sicherungsgeber auf Zahlung erwirbt und die Geschäftsbesorgung während des Bestehens der Sicherheit zwischen Forderungsschuldner und Sicherungsgeber fortdauert. Die Grundsätze im Rahmen der Tilgung einer fremden Schuld bei (materieller) Eigenverpflichtung des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner lassen sich somit nicht auf Fälle übertragen, in denen sich der Sicherungsgeber gegenüber dem Forderungsschuldner zur Bestellung der Drittsicherheit verpflichtet hat. Die Bestellung der Drittsicherheit ist keine mittelbare Zuwendung des Sicherungsgebers an den Forderungsschuldner.270 Die Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Forderungsschuldner ändert somit nichts daran, dass die (bedingte) materielle Zuwendungsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer verläuft. Ob der Sicherungsgeber gegenüber dem Forderungsschuldner zur Bestellung der Sicherheit verpflichtet war, hat für die Anfechtung keine Bedeutung.271 bb) Der Entgeltcharakter der Drittsicherungsabrede In der Sicherungsabrede vereinbaren der Drittsicherungsgeber und der Sicherungsnehmer somit stets eine bedingte materielle Zuwendung, die durch die anschließende Bestellung der Sicherheit und – im Sicherungsfall – durch die 269

Vgl. oben S. 476 f. Vgl. auch Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 116 ff. 271 So i.E. auch BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 26; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 (2066) in Rn. 6; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2013 – I-12 U 114/12, ZIP 2014, 837 (838); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 104 a.E.; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 181. 270

II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten

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Befriedigung des Sicherungsnehmers aus der Sicherheit abgewickelt wird. Ob diese materielle Zuwendung entgeltlich oder unentgeltlich ist, hängt davon ab, ob die Sicherungsabrede eine äquivalente Gegenleistung vorsieht. Da bei Abschluss der Sicherungsabrede noch nicht feststeht, ob der Sicherungsgeber tatsächlich für die fremde Schuld einstehen muss, gilt ein besonderer Maßstab für die Äquivalenz (1). Auch den Unterschieden zwischen anfänglicher (2) und nachträglicher Besicherung (3) ist Rechnung zu tragen. (1) Maßstab für die Äquivalenz Die Drittsicherungsabrede ist ein Risikovertrag. Die Parteien treffen eine Vereinbarung in dem Wissen, dass die zukünftige Entwicklung der Ereignisse für beide jeweils positiv oder negativ verlaufen kann. Ähnlich wie beim Spieloder Wettvertrag272 ist eine solche Abrede entgeltlich, wenn beide Parteien sich die gleichen Chancen einräumen, aus der zukünftigen Entwicklung einen gleichwertigen Vorteil für sich oder einen Dritten ziehen zu können. Die Drittsicherungsabrede ist somit entgeltlich, wenn der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber oder einem Dritten einen Vorteil gewährt, der in einem angemessenen Verhältnis zur Übernahme des Ausfallrisikos des Forderungsschuldners steht. Die Chancen des Sicherungsgebers, dass er oder der Dritte den vom Sicherungsnehmer gewährten Vorteil erhalten, sich aber das Ausfallrisiko gar nicht verwirklicht, müssen genauso hoch sein wie die Chancen des Sicherungsnehmers, beim Ausfall seines Schuldners volle Befriedigung vom Dritten zu erhalten. Die gegenseitig gewährten Vorteile müssen unter Berücksichtigung dieser Chancen gleichwertig sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist der Abschluss der Sicherungsabrede. Denn sobald sich der Sicherungsgeber bindend zur Besicherung verpflichtet hat, obliegt die weitere Abwicklung nicht mehr seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit. Anschließend hat er keine Möglichkeit mehr, vom Sicherungsnehmer ein (höheres) Entgelt zu fordern. Burchards entgeltflexible Ausdeutung der Sicherungsabrede kann daher nicht überzeugen: Wird die Forderung wertlos, steht damit lediglich fest, dass sich das in der Sicherungsabrede übernommene Risiko verwirklicht hat – der bereits bei Abschluss des Sicherungsvertrags feststehende Entgeltcharakter wird dadurch jedoch nicht berührt. (2) Die Entgeltbewertung bei der anfänglichen Drittsicherheit Wird die Drittsicherheit in direktem Zusammenhang mit dem forderungsbegründenden Kausalgeschäft zwischen Forderungsschuldner und Sicherungsnehmer bestellt (sog. anfängliche Drittsicherheit), so trägt sie entgeltlichen 272

Zur Entgeltlichkeit des Spiel- oder Wettvertrags (§ 762 BGB) vgl. nur Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 134 Rn. 81; Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 31; Hess, Insolvenzrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 134 Rn. 174.

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Kapitel 2: Tilgung und Sicherung fremder Schuld

Charakter, wenn im Kausalvertrag eine ausgleichende Gegenleistung des Sicherungsnehmers vorgesehen ist.273 Die Drittsicherheit wird unmittelbar in das kausalvertragliche Äquivalenzverhältnis mit eingestellt und führt dazu, dass der Sicherungsnehmer seinem Vertragspartner die vereinbarte Leistung überhaupt oder zu besseren Konditionen gewährt. Wird etwa in einem Darlehensvertrag vereinbart, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch von einem Dritten gesichert werden soll, so stellt die Kreditvergabe an den Forderungsschuldner die Gegenleistung für die Drittsicherheit dar.274 Nicht erforderlich ist hingegen, dass dem Sicherungsgeber ein eigener Anspruch auf die Kreditgewährung an den Forderungsschuldner zusteht.275 Für die Entgeltlichkeit reicht jede rechtliche Verknüpfung aus, sodass es genügt, wenn das Darlehen Zug-um-Zug gegen Bestellung der Sicherheit ausbezahlt wird.276 Auf die Leistungsfähigkeit des Forderungsschuldners kommt es bei der anfänglichen Drittsicherheit nicht an. Auch die Drittbesicherung eines von vornherein wertlosen Darlehensrückzahlungsanspruchs ist daher entgeltlich, denn die Auskehrung des Darlehens an den Kreditnehmer ist ein so einschneidendes Entgegenkommen des Kreditgebers, dass es das vom Dritten übernommene Risiko – so hoch es auch sein mag – in jedem Fall ausgleicht. Dass der gesicherte Rückzahlungsanspruch von vornherein wertlos war und der Kreditgeber daher 273 Unentgeltlichkeit kommt lediglich in Betracht, wenn das Sicherungsinteresse des Empfängers überschritten wird; dann steht seine Absicherung in keinem ausgeglichenen Verhältnis zu seinem Entgegenkommen, vgl. Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 120; offengelassen von BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423). 274 BGH, Urt. v. 06.12.2012 – IX ZR 105/12, NZI 2013, 81 (82) in Rn. 4; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, NJW-RR 2009, 340 (341) in Rn. 14; BGH, Urt. v. 19.03.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592 (2599), insoweit nicht in BGHZ 138, 291 ff. abgedruckt (zu § 10 GesO); BGH, Urt. v. 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421 (2423); OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (507); OLG Köln, Urt. v. 24.01.2000 – 16 W 29/99, ZInsO 2000, 156 (157); OLG Brandenburg, Urt. v. 22.01.1998 – 8 U 47/97, InVo 1999, 230 (231). So auch schon BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VIII ZR 264/81, NJW 1983, 1679 (1680); BGH, Urt. v. 04.02.1954 – IV ZR 164/53, BGHZ 12, 232 (236 f.). Vgl. auch Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 118 f.; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 104; Ganter, WM 1998, S. 2081 (2084); ders., in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a; Henkel, NZI 2006, S. 526; ders., EWiR 2009, S. 487 (488); Runge, NZI 2013, S. 261 (262); Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 33a; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 185; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 29. Erg.-Lfg., § 134 Rn. 17; Wenner/Schuster, ZIP 2008, S. 1512 (1515); Wittig, NZI 2005, S. 606 (612). 275 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 24; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2013 – I-12 U 114/12, ZIP 2014, 837 (838); Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 104. 276 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 28; OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (507); OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2013 – I-12 U 114/12, ZIP 2014, 837 (838).

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in jedem Fall auf die Drittsicherheit zurückgreifen muss, ist lediglich im Verhältnis zwischen Drittsicherungsgeber und Hauptschuldner erheblich: Ist sich der Sicherungsgeber darüber bewusst, dass er wegen des bereits eingetretenen Vermögensverfalls für die Darlehensforderung des Hauptschuldners in jedem Fall einstehen muss, hat er diesem den Kreditbetrag materiell und unentgeltlich zugewendet und kann ihm gegenüber gem. § 134 InsO anfechten.277 Eine anfängliche Sicherheit liegt auch vor, wenn die Sicherheit zwar nicht bei Abschluss des Darlehensvertrags bestellt wird, aber bereits im Darlehensvertrag ein Anspruch auf Nachbesicherung begründet wird. Dabei genügt es auch, wenn der Anspruch auf künftige Nachbesicherung – wie in Ziff. 13 Abs. 2 AGB-Banken – allgemein gehalten und noch nicht auf eine bestimmte Sicherheit konkretisiert ist. Zwar mag die Nachbesicherung inkongruent i.S.d. § 131 InsO sein, da der Sicherungsnehmer die konkrete Sicherheit in dieser Form nicht zu beanspruchen hatte.278 Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Anspruch auf die künftige Nachbesicherung bereits das Äquivalenzverhältnis des Darlehensvertrags beeinflusst hat und der später bestellten Sicherheit daher entgeltlichen Charakter verleiht. (3) Die tauglichen Gegenleistungen bei der nachträglichen Drittsicherheit (a) Schwieriger gestaltet sich die Entgeltbewertung bei der nachträglichen Sicherung einer fremden Schuld. Nun muss die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners in das Äquivalenzverhältnis mit einbezogen werden.279 Entscheidend für die Höhe der Gegenleistung ist, wie die Parteien das Ausfallrisiko im Zeitpunkt der Sicherungsabrede einschätzen und welchen Wert das Entgegenkommen des Sicherungsnehmers hat.280 Je höher das Risiko des Ausfalls des 277 Wohl ähnlich Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 116. Abgesehen von dieser Sonderkonstellation scheidet eine Anfechtung der Gläubiger des Sicherungsgebers gegenüber dem Hauptschuldner hingegen in aller Regel aus. Der Sicherungsgeber verschafft dem Hauptschuldner zwar den Vorteil aus der Risikoübernahme – der Sicherungsvertrag gleicht insofern einem Vertrag zugunsten eines Dritten (vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 465). Allerdings erreicht dieser Vorteil nicht die Qualität einer (mittelbaren) materiellen Zuwendung. Zum fehlenden Schenkungscharakter des durch die entgeltliche Sicherungsbestellung gewährten Vorteils vgl. auch BGH, Urt. v. 17.12.1954 – V ZR 77/53, MDR 1955, 283 f. 278 Vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 131 Rn. 32; Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 47 Rn. 55. 279 Vgl. auch Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 127: Es komme auf die Darlehensbedingungen und die prognostizierte Entwicklung der Bonität des Darlehensschuldners an. I.E. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 137. 280 Gehen die Parteien von einem mittleren bis geringen Ausfallrisiko aus, so kann ein Teilerlass der Forderung i.H.v. 20 % eine taugliche Gegenleistung sein. Halten sie den Ausfall des Forderungsschuldners hingegen für wahrscheinlich, muss der Sicherungsnehmer ein weitaus höheres Zugeständnis machen.

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Forderungsschuldners ist, desto höhere Anforderungen müssen auch an die vom Sicherungsnehmer gewährte Gegenleistung gestellt werden. Nahezu ausgeschlossen ist die entgeltliche Nachbesicherung daher, wenn die Forderung im Zeitpunkt der Drittbesicherung bekanntermaßen wertlos war.281 Dann hat sich das vom Sicherungsgeber übernommene Ausfallrisiko bereits verwirklicht – ein ausgleichendes Äquivalent müsste ihn oder einen Dritten nahezu voll für den Ausfall entschädigen. Als taugliche Gegenleistung kommt bei der nachträglichen Drittbesicherung etwa die Gewährung eines zusätzlichen Kredits an den Sicherungsgeber, den Hauptschuldner oder einen Dritten in Betracht.282 Ob die Kreditgewähr die Übernahme des Ausfallsrisikos ausgleicht, richtet sich nach der Höhe des zusätzlich gewährten Kredits und der Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners.283 Auch der Teilerlass der gesicherten Forderung, eine Verbesserung der Kreditkonditionen oder eine an den Sicherungsgeber gezahlte, angemessene Provision können bei der nachträglichen Drittsicherheit ein taugliches Entgegenkommen begründen.284

281 BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 (2066) in Rn. 9 f.;BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 12; Grell/Schormair, NZI 2009, S. 625; Kayser, WM 2007, S. 1 (6); ders., in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 33a. So auch bereits RG, Urt. v. 11.03.1905 – Rep. V 649/04, RGZ 60, 259 (265). Stets für Unentgeltlichkeit in diesem Fall Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 194. 282 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 01.06.2004 – 2 U 19/04, WM 2005, 477; OLG Schleswig, Urt. v. 02.10.1981 – 11 U 160/80, WM 1982, 25 (28); RG, Urt. v. 11.03.1905 – Rep. V 649/04, RGZ 60, 259 (265): In der zugrunde liegenden Fallgestaltung wollte die Bank dem Sicherungsgeber nur unter der Bedingung einen Kredit gewähren, dass er die Schuld seines Vaters mit übernimmt; Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 127; Ganter, WM 1998, S. 2081 (2084); Wenner/Schuster, ZIP 2008, S. 1512 (1515). 283 Gewährt die Bank dem Sicherungsgeber einen Kredit i.H.v. 5.000 Euro, wenn er sich für die Forderung des schon seit Monaten im Verzug stehenden Hauptschuldners i.H.v. 250.000 Euro verbürgt, wird in der Kreditvergabe kein ausgleichendes Entgelt liegen. Anders wird dies sein, wenn die Bank die Kreditgewährung an den Sicherungsgeber i.H.v. 250.000 Euro davon abhängig macht, dass er sich für die fremde Schuld i.H.v. 5.000 Euro verbürgt. 284 Vgl. RG, Urt. v. 10.03.1913 – VI 487/12, LZ 1913, Sp. 562 (563) [Schuldbefreiung oder Stundung]; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 33a (Stundung oder Teilerlass); Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 243 (Teilerlass); vgl. auch RG, Urt. v. 16.04.1903 – Rep. VI 411/02, RGZ 54, 282 (284) [zu § 516 Abs. 1 BGB]: Teilerlass der hypothekarisch gesicherten Forderung und Stundung als ausgleichendes Entgelt für nachträgliche Drittsicherheit; für die Sicherung einer eigenen Schuld LG Köln, Urt. v. 12.11.1957 – 3 O 255/56, NJW 1958, 1296 (1297). Gesetzliche Ausgleichansprüche oder der Übergang der gesicherten Forderung auf den Sicherungsgeber stellen hingegen keine Gegenleistung des Sicherungsnehmers an den Dritten dar [so i.E. auch Hirte, ZInsO 2004, S. 1161 (1162); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; anders Dauernheim, in: FrankfKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 18]. Denn tritt der Sicherungsfall ein, so ist diese Ausgleichsforderung

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(b) Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob das Stehenlassen einer gekündigten oder kündbaren Kreditforderung eine taugliche Gegenleistung für die nachträgliche Drittsicherheit bildet. Fest steht, dass das Stehenlassen jedenfalls dann kein ausgleichendes Entgegenkommen ist, wenn die Forderung im Zeitpunkt der Drittbesicherung nicht mehr verwirklicht werden konnte.285 Denn dann wäre der Sicherungsgeber auch ohne das Stehenlassen ausgefallen. Der BGH spricht dem Stehenlassen aber auch dann jede Entgeltfunktion ab, wenn die Forderung im Zeitpunkt der Drittbesicherung noch werthaltig war und der Gläubiger sie aufgrund der Drittsicherheit nicht geltend machte:286 Durch das bloße Aufrechterhalten der Kreditlinie werde kein neuer Vermögenswert zugeführt, denn den in der Kreditsumme verkörperten Gegenwert habe der Kreditnehmer bereits bei der Kreditgewährung erhalten.287 Auch sei der Wert des Stehenlassens kaum zu erfassen, sodass der Wert der Gegenleistung nicht mit der erforderlichen Rechtssicherheit festgestellt werden könne.288 Die Zuführung eines neuen Vermögenswertes ist jedoch für die Entgeltlichkeit nicht wesensnotwendig:289 Auch der teilweise Forderungsverzicht oder die Anpassung der Kreditkonditionen können ein ausgleichendes Äquivalent bilden, obwohl auch hier kein neuer Vermögenswert zugeführt wird. Ebenso wenig schadet es, dass sich der Wert des Stehenlassens nicht objektiv ermitteln lässt: Für das Äquivalenzverhältnis kommt es ohnehin auf die subjektive Ein-

ohnehin wertlos und kann daher von den Parteien nicht als ausgleichender Gegenwert angesehen werden; bleibt der Sicherungsfall hingegen aus, fehlt es bereits an einer materiellen Bereicherung des Sicherungsnehmers und die Frage nach einem Entgelt stellt sich für die Parteien nicht. 285 Vgl. BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 12; Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 127; de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 29; Ede/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 105; Grell/Schormair, NZI 2009, S. 625 (627); Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 194; Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 95; Wenner/ Schuster, ZIP 2008, S. 1512 (1515). 286 BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 (260) in Rn. 31; BGH, Urt. v. 26.04.2012 – IX ZR 149/11, NJW-RR 2012, 1517 (1519) Rn. 21; BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 (2066) in Rn. 7 ff., 10 ff.; OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (507); LG Stuttgart, Urt. v. 05.11.2013 – 16 O 556/12, ZInsO 2014, 406 (409). Zustimmend Bograkos, DZWiR 2009, S. 462 f.; Gehrlein, ZInsO 2010, S. 1857 (1863 f.); Henkel, EWiR 2009, S. 487 (488); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 13; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 33a; Stiller, EWiR 2006, S. 663 (664); Thole, in: HeidelbKomm, InsO, 8. Aufl., § 134 Rn. 15. Zunächst offengelassen von BGH, Urt. v. 01.06.2006 – IX ZR 159/04, NJW-RR 2006, 1281 (1282) in Rn. 12; ebenso LG Essen, Urt. v. 08.02.2007 – 6 O 247/06, BeckRS 2009, 86810. 287 BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 (2066) in Rn. 12; OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (507); Henkel, EWiR 2009, S. 487 (488); Huber, in: Gottwald, InsR-Hdb., 5. Aufl., § 49 Rn. 13. 288 Henkel, EWiR 2009, S. 487 (488). 289 So auch Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 105.

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schätzung der Parteien von der Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners an, sodass ein objektiver Wertvergleich zwischen Sicherheit und Stehenlassen gar nicht angestellt werden muss. Richtig ist allerdings, dass das schlichte Aufrechterhalten einer Kreditlinie kein taugliches Zugeständnis des Sicherungsnehmers ist. Denn in dem Kreditvertrag ist das Ausfallrisiko des Kreditnehmers bereits eingepreist: Das Risiko für den Ausfall hat der Kreditgeber übernommen, im Gegenzug dafür erhält er einen entsprechenden (hohen) Zinssatz. Die Drittsicherheit ändert dieses Gefüge grundlegend, denn der Kreditgeber wird nun von dem Ausfallrisiko befreit. Diesem Vorteil steht kein ausgleichendes Entgegenkommen des Kreditgebers gegenüber, wenn er den Kredit nun unter denselben Konditionen aufrechterhält. Etwas anderes gilt jedoch, wenn im ursprünglichen Kreditvertrag das Ausfallsrisiko durch die Ergreifung bestimmter Maßnahmen abgesichert wurde und der Kreditgeber nun auf diese Maßnahmen im Gegenzug zur Bestellung der Drittsicherheit verzichtet. Eine solche absichernde Maßnahme ist etwa die Möglichkeit zur Kündigung des Kreditvertrags bei Anzeichen für einen Vermögensverfall des Kreditnehmers. Verzichtet der Kreditgeber nun auf diese Kündigung und lässt den Kredit weiterlaufen, so liegt darin ein ausgleichendes Zugeständnis für die Bestellung der Drittsicherheit.290 Es darf keinen Unterschied machen, ob der Kreditgeber kündigt, die Kreditsumme zurückfordert und anschließend einen neuen Kredit gegen Bestellung einer Drittsicherheit gewährt, oder ob er einen bereits ausgekehrten, aber fällig gestellten Kredit verlängert.291 Eine solche Differenzierung würde Kreditgeber dazu anhalten, die im Kreditvertrag vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten erbarmungslos auszuschöpfen, anstatt sich auf eine Vereinbarung mit dem Forderungsschuldner einzulassen und bei Bestellung einer Drittsicherheit von der Kündigung abzusehen.292

290 Für die Anerkennung des Stehenlassens einer werthaltigen Forderung als die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleistung auch OLG Schleswig, Urt. v. 02.10.1981 – 11 U 160/80, WM 1982, 25 (28); Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 127; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 105; Grell/Schormair, NZI 2009, S. 625 ff.; Kayser, WM 2007, S. 1 (7); Kirchhof, in: MüKo, AnfG, § 4 Rn. 46; Kreft, in: HeidelbKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 12 [anders nun die Folgeauflagen]; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S. 199; Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 244. Ebenso zu § 516 Abs. 1 BGB Schütz, JR 1964, S. 453: Aufrechterhalten des Kredits als Gegenleistung. Kritisch zur BGH-Rechtsprechung äußern sich auch Berger, ZIP 2010, S. 2078 (2081); Runge, NZI 2013, S. 261 (262). 291 So auch Grell/Schormair, NZI 2009, S. 625 (628); Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 97: Keine Schlechterstellung des bestehenden Kreditgebers im Vergleich zu Neukreditgebern. 292 Auch Grell/Schormair, NZI 2009, S. 625 (626) befürchten angesichts der Rechtsprechungslinie, dass Kreditgeber mehr denn je dazu neigen werden, ihre Kredite frühzeitig zu kündigen, sobald sich die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers verschlechtert.

II. Die Sicherung fremder Verbindlichkeiten

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Voraussetzung für die Entgelttauglichkeit des Stehenlassens ist allerdings, dass die Kündigungsmöglichkeit von vornherein im Kreditvertrag angelegt war, alle Voraussetzungen des Kündigungsrechts vorlagen und der Kreditgeber von der Kündigung nur deshalb absah, weil ihm die Drittsicherheit eingeräumt wurde. Der generelle Verweis auf eine theoretische Kündigung der Kreditlinie oder die bloß kurzfristige Stundung, bei der sich der Kreditgeber alle Möglichkeiten zur Rückforderung offenhält, genügen nicht, sondern der Kreditgeber muss ausdrücklich und endgültig auf die Kündigung verzichtet und den Kredit verlängert haben.293 Für all diese Umstände ist der Kreditgeber darlegungs- und beweispflichtig. (4) Zwischenergebnis Die anfängliche Drittbesicherung einer entgeltlichen Forderung ist somit stets entgeltlich, während es für den Entgeltcharakter der nachträglichen Drittbesicherung auf die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners und die Höhe des vom Sicherungsnehmer gewährten Entgegenkommens ankommt. Die Drittbesicherung einer unentgeltlichen Forderung ist hingegen in aller Regel unentgeltlich.294 Bei der anfänglichen Drittsicherheit folgt dies schon daraus, dass das Kausalverhältnis keine Gegenleistung vorsah. Und auch im Fall der nachträglichen Besicherung muss berücksichtigt werden, dass der Sicherungsnehmer für den Erwerb der Schenkungsforderung nichts aufwenden musste. Daher kann es nicht als echtes Zugeständnis gewertet werden, wenn er diese Forderung zum Teil erlässt, stundet oder stehenlässt. Vielmehr muss er dem Hauptschuldner oder dem Sicherungsgeber mit einer eigenen, konkreten Vermögensaufwendung entgegenkommen, wie etwa der Gewährung eines Kredits oder der Zahlung einer Provision an den Dritten im Gegenzug zur Sicherung der unentgeltlichen Forderung. c) Ergebnis Die Bestellung einer Drittsicherheit kann zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer als unentgeltliche Leistung anfechtbar sein. Der Sicherungsvertrag sieht eine bedingte materielle Zuwendung des Sicherungsgebers an den 293 So im Fall des OLG Schleswig, Urt. v. 02.10.1981 – 11 U 160/80, WM 1982, 25 (28): Der Sicherungsnehmer hatte im Gegenzug zur Sicherungsbestellung einen abgelaufenen Kredit verlängert und von der Kündigung des anderen Kredits abgesehen. Im Fall BGH, Urt. v. 07.05.2009 – IX ZR 71/08, NJW 2009, 2065 war der Kredit noch nicht gekündigt, vgl. Rn. 12: „Diese Rechtsprechung findet im Anwendungsbereich des § 134 Abs. 1 InsO ebenfalls Anwendung, wenn ein ungekündigter Kredit eines Drittschuldners nachträglich besichert wird, ohne dass dem eine vereinbarte Gegenleistung des Sicherungsnehmers gegenübersteht.“ 294 Ebenso Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a.

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Sicherungsnehmer vor und wirft damit die Frage nach einem Entgelt auf. Eine Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Forderungsschuldner zur Bestellung der Drittsicherheit ändert an der materiellen Zuwendungsbeziehung nichts. Ob die Bestellung der Sicherheit entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, richtet sich danach, ob ihr im Sicherungsvertrag ein ausgleichendes Entgegenkommen gegenübersteht. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit muss dem Charakter der Sicherungsabrede als Risikovertrag Rechnung getragen werden. Sah die Sicherungsabrede ein ausgleichendes Entgegenkommen des Sicherungsgebers vor, so ist die Sicherheit entgeltlich und damit der Anfechtung gem. § 134 InsO entzogen. Keine Rolle spielt, ob der Sicherungsgeber an dem Entgegenkommen des Sicherungsnehmers ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte.295 Denn eine vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbrachte Gegenleistung schließt die Unentgeltlichkeit unabhängig davon aus, ob das Vermögen des Schuldners von dieser Gegenleistung wirtschaftlich profitiert hat oder nicht.296 Steht der Bestellung der Drittsicherheit hingegen kein ausgleichendes Entgegenkommen des Sicherungsnehmers gegenüber, so liegt eine unentgeltliche Leistung vor. Auch daran ändert sich nichts, wenn der Sicherungsgeber ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Besicherung hatte.297 Das wirtschaftliche Interesse des Zuwendenden mag die Freigebigkeit der Zuwendung beseitigen, aber eine Gegenleistung des Begünstigten ersetzt es nicht.298 Nur wenn ein eigenes, mit der Leistung wirksam verknüpftes Zugeständnis des Sicherungsnehmers vorliegt, kann das eigene wirtschaftliche Interesse des Sicherungsgebers bei der Ausgeglichenheit der beiden Leistungen Berücksichtigung finden. Wurde die Drittsicherheit unentgeltlich bestellt, so können die Gläubiger des Sicherungsgebers die Sicherheit anfechten. Zwar wird durch die Bestellung der Sicherheit die bedingte materielle Zuwendung noch nicht endgültig verwirklicht, aber anfechtbar ist bereits jeder Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des materiellen Zuwendungserfolgs. Voraussetzung für die Anfechtung ist jedoch, dass die Gläubiger durch die Bestellung der Drittsicherheit benachteiligt werden. Bei der dinglichen Sicherheit ist dies stets der Fall,299 aber die

295 Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. 2, 4. Aufl., § 90 Rn. 180a; Henkel, NZI 2006, S. 526. 296 Siehe oben S. 316 ff. 297 So auch die herrschende Meinung, vgl. oben S. 493 Fn. 238. 298 Siehe oben S. 381 ff. 299 Vgl. nur Ganter, WM 1998, S. 2081 (2083); Kirchhof, in: MüKo, AnfG, § 1 Rn. 7; Neyses, Insolvenzanfechtung, S. 235. Die Benachteiligung entfällt auch nicht deshalb, weil der Dritte bereits mit der Bestellung der Sicherheit einen Befreiungsanspruch gegen den Forderungsschuldner aus § 426 Abs. 1 BGB, §§ 257, 670 i.V.m. 683, 675 BGB, § 775 BGB erwirbt; so aber Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 26, für den die Bestellung der Sicher-

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Bestellung einer Personalsicherheit wirkt nur im Ausnahmefall gläubigerbenachteiligend.300 Möchte der Sicherungsnehmer die Forderung aus der Personalsicherheit zur Insolvenztabelle anmelden, kann der Insolvenzverwalter sie aber als anfechtbar zurückweisen.301 2. Die Anfechtungsmöglichkeiten bei Befriedigung des Sicherungsnehmers durch den Sicherungsgeber a) Nimmt der Sicherungsnehmer den Sicherungsgeber aus der Sicherheit in Anspruch, so wird das Vermögen des Sicherungsgebers endgültig geschmälert. Seine Gläubiger haben daher ein großes Interesse daran, diese Befriedigungsleistung anzufechten. In der Literatur wird die Befriedigung des Sicherungsgebers teilweise den Regeln über die Tilgung fremder Schulden unterstellt: Die Anfechtbarkeit soll davon abhängen, ob die gesicherte Forderung im Zeitpunkt der Erfüllungsleistung wertlos war oder nicht.302 Die Gegenansicht bringt bei Personalsicherheiten hingegen die Grundsätze zur Erfüllung einer eigenen Schuld zur Anwendung: Die Befriedigung des Sicherungsnehmers durch den heit nicht gläubigerbenachteiligend ist, wenn die gesicherte Forderung im Zeitpunkt der Sicherheit werthaltig war, weil der Sicherungsgeber im Fall der Befriedigung des Gläubigers einen werthaltigen Regressanspruch erwirbt. 300 Außerhalb des Insolvenzverfahrens scheidet eine Gläubigerbenachteiligung durch die Bestellung einer Personalsicherheit stets aus, weil die bloße Vermehrung der Passivmasse die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger nicht beeinträchtigt (vgl. zu diesem Grundsatz oben S. 237 ff.; für die fehlende Gläubigerbenachteiligung im Fall Bürgschaft auch Kirchhof, in: MüKo, AnfG, § 4 Rn. 49). In der Insolvenz kann zwar auch die Erhöhung der Passivmasse gläubigerbenachteiligend wirken, doch gilt dies nicht, wenn die Forderung gem. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO nur nachrangig zu befriedigen ist (siehe oben S. 237 f.). Die Anfechtung einer unentgeltlich begründeten Bürgschaftsforderung scheitert daher an der mangelnden Gläubigerbenachteiligung [vgl. Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 17; zum Nachrang der unentgeltlich eingeräumten Bürgschaftsforderung vgl. Hirte, ZInsO 2004, S. 1161 (1163)]. Beim Schuldbeitritt hingegen kommt es auf den Entgeltcharakter der Beitrittsforderung an: Der Schuldbeitritt zu einer unentgeltlichen Forderung wirkt nicht gläubigerbenachteiligend, weil der Beitretende – unabhängig vom Entgeltcharakter des Beitritts selbst – nur Schuldner einer nachrangigen Forderung i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO wird (vgl. Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 129, 157, 162). Ist der Dritte aber einer entgeltlichen Forderung beigetreten, wird die Masse mit einer entgeltlichen Forderung i.S.d. § 38 InsO belastet (vgl. Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 126 f.) und der Schuldbeitritt kann gem. § 134 InsO angefochten werden, wenn er unentgeltlich erfolgte, vgl. OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2014 – 13 U 843/14, ZInsO 2015, 505 (506 f.). 301 Vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 143 Rn. 37. 302 Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 34. I. E. auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 133 ff. mit ihrer flexiblen Entgeltbewertung, vgl. dazu oben S. 495. Generell zu pauschal ist hingegen die Aussage, jede Zahlung des Bürgen an den Sicherungsnehmer sei entgeltlich, weil der Zahlungsempfänger eine – durch die Sicherung – werthaltige Forderung verliere [so aber Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 25; zu pauschal auch BGH, Urt. v. 03.03.2005 – IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276 (282)].

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Sicherungsgeber sei stets unentgeltlich, wenn auch die Bestellung der Sicherheit unentgeltlich erfolgt sei.303 Die letzte Ansicht kann schon deshalb nicht überzeugen, weil sie dazu führt, dass dem Sicherungsnehmer die Bestellung der Drittsicherheit zum Nachteil gereicht: Er muss die Leistung des Sicherungsgebers bis zu vier Jahre lang als unentgeltliche Leistung zurückgewähren, nur weil er für die Sicherheit keine Gegenleistung erbracht hat.304 Hätte er sich keine Sicherheit einräumen lassen und wäre von seinem Hauptschuldner befriedigt worden, wäre er dem Risiko der vierjährigen Anfechtbarkeit nicht ausgesetzt. Der Sicherungsnehmer würde für seine Voraussicht bestraft, während der vom Dritten freiwillig befriedigte Gläubiger nur unter den engen Voraussetzungen der Anfechtung bei Tilgung fremder Schulden herausgabepflichtig wäre. Bsp.: G1 hat sich zur Sicherung seiner entgeltlich begründeten Forderung gegen S unentgeltlich eine Bürgschaft des B einräumen lassen. Ein halbes Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des S wird G1 von B und der ungesicherte Gläubiger G2 von S befriedigt. G2 hat anfechtungsfest erworben, G1 hingegen muss bei Vermögensverfall des B die Bürgschaftssumme wieder herausgeben.

b) Die richtige Lösung hat an die Grundsätze anzuknüpfen, die für die Anfechtbarkeit der Bestellung der Drittsicherheit entwickelt wurden. Dort wurde festgestellt, dass die Sicherungsabrede eine bedingte materielle Zuwendung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer vorsieht.305 Ob die Bedingung für diese materielle Zuwendung eintritt, ist im Zeitpunkt der Sicherungsbestellung noch offen. Diese Frage entscheidet sich erst in dem Zeitpunkt, in dem die Sicherheit – etwa durch Befriedigung des Sicherungsnehmers – erlischt: Nun steht fest, ob der Sicherungsnehmer eine materielle Zuwendung erhält oder ob die Sicherheit erlischt, ohne ihren wahren wirtschaftlichen Wert zu realisieren. Wird der Sicherungsnehmer aus der Sicherheit befriedigt, ist also zunächst anhand der Vermögenssituation des Forderungsschuldners in diesem Zeitpunkt zu entscheiden, ob die Bedingung der materiellen Zuwendung eingetreten ist: Ist der Hauptschuldner ausgefallen und wäre die gesicherte Forderung damit eigentlich wertlos, so findet zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer eine materielle Zuwendung statt und die Grundvoraussetzung für die Unentgeltlichkeitsanfechtung liegt vor. War im Zeitpunkt der Zahlung hingegen noch 303 So Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 133 f.; Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 123 (zur Bürgschaft): Jede Zahlung des Bürgen sei anfechtbar, wenn die Bestellung der Bürgschaft unentgeltlich erfolgte; Hirte, ZInsO 2004, S. 1161 (1163) [ebenfalls zur Bürgschaft]; i.E. auch Schlinkmann, Unentgeltlichkeit, S. 144 f. 304 Oftmals wird die Anfechtung in diesem Fall zwar an der mangelnden Gläubigerbenachteiligung scheitern, aber hat der Regressanspruch gegen den Hauptschuldner an Wert verloren oder hat der Dritte auf diesen Anspruch verzichtet, wäre der Sicherungsnehmer der Anfechtung gem. § 134 InsO ausgesetzt. 305 Siehe oben S. 496 ff.

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mit einer Befriedigung durch den Forderungsschuldner selbst zu rechnen, vollzieht sich zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer mangels Bedingungseintritt keine materielle Zuwendung.306 Die Anfechtung gem. § 134 InsO kommt in diesem Fall nicht in Betracht. Steht aufgrund dieser Prüfung fest, dass eine materielle Zuwendung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer stattgefunden hat, so hängt die Anfechtbarkeit der Befriedigungsleistung davon ab, ob die Sicherungsabrede entgeltlich abgeschlossen wurde oder nicht. Sah die Sicherungsabrede ein eigenes Zugeständnis des Sicherungsnehmers vor, das im Zeitpunkt ihres Abschlusses ein gleichwertiges Äquivalent für das Einstandsrisiko des Sicherungsgebers bildete, so hat sich der Sicherungsnehmer erfolgreich für den Sicherungsfall abgesichert. Die vom Sicherungsgeber geleistete Befriedigung ist entgeltlich und damit der Anfechtung entzogen. Hat der Sicherungsnehmer die Drittsicherheit hingegen unentgeltlich erlangt, so greift die Anfechtung der Gläubiger des Sicherungsgebers durch.307 Nicht erforderlich ist dafür, dass der Sicherungsgeber im Zeitpunkt der Befriedigungsleistung Kenntnis von der Wertlosigkeit der Forderung hatte: Da die Parteien in der Sicherungsabrede diesen Fall antizipiert haben und sich bereits mit dem Eingehen der Verpflichtung zur Haftung im Sicherungsfall ein Schuldnerfehlverhalten verwirklicht, muss im Zeitpunkt der Verwirklichung der Sicherheit kein – erneutes – Schuldnerfehlverhalten nachgewiesen werden.

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Vgl. im Grundsatz auch Burchard, Insolvenzanfechtung, S. 133: Die Sicherung wirkt sich „erst dann im Sinne einer gesonderten und damit unentgeltlichen Zuwendung aus (…), wenn der (…) Schuldner mangels Leistungsvermögens ausfällt und die Inanspruchnahme des Dritten damit gewiss wird“; solange der Schuldner leistungsfähig bleibt, erhalte der Gläubiger aufgrund der Sicherheit keine gesonderte Leistung, sondern ein bloßes Wahlrecht, ohne dass dies bereits materielle Auswirkungen zeitigt. Burchard zieht aus dieser Erkenntnis aber Schlussfolgerungen für den Entgeltcharakter der Sicherungsbestellung, vgl. dazu oben S. 495. I.E. ähnlich auch BGH, Urt. v. 10.09.2015 – IX ZR 220/14, ZIP 2014, 2135 (2137) in Rn. 16, wenn er meint, das Vermögensopfer, das die infolge einer von einem Dritten gestellten Sicherheit geleisteten Zahlungen entgeltlich mache, könne auch darin liegen, dass die Zahlungen des Sicherungsgebers später die Forderung gegen den Forderungsschuldner erlöschen ließen, sofern die Forderung in diesem Zeitpunkt noch werthaltig war. 307 Voraussetzung für die anfechtungsrechtliche Inanspruchnahme des Drittsicherungsnehmers ist freilich stets, dass die Gläubiger des Sicherungsgebers durch die Befriedigung gem. § 129 InsO benachteiligt werden. Daran fehlt es, wenn die Bestellung der Drittsicherheit nicht mehr mit anfechtungsrechtlichen Mitteln angreifbar ist, etwa weil sie mehr als vier Jahre zurückliegt. Die Befriedigungschancen der Gläubiger des Sicherungsgebers werden in diesem Fall durch die Zahlung nicht verschlechtert, weil der Sicherungsnehmer als Inhaber eines anfechtungsfesten Absonderungsrechts ohnehin vorweg aus der Masse hätte befriedigt werden müssen, vgl. nur Bömmel, Insolvenzanfechtung, S. 135; Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 124.

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c) Voraussetzung für den Zugriff auf den Sicherungsnehmer ist freilich, dass der Sicherungsgeber ihm überhaupt eine Befriedigung aus der Sicherheit verschaffen will. Daran fehlt es, wenn der Sicherungsgeber gar nicht auf die Sicherheit, sondern auf die persönliche Forderung des Hauptschuldners zahlt.308 Dies wird stets der Fall sein, wenn er die persönliche Schuld im Innenverhältnis zum Hauptschuldner – vor oder nach Bestellung der Drittsicherheit – voll übernommen hat.309 In diesem Fall tilgt er die fremde Schuld und erbringt nicht lediglich eine Erfüllungsleistung auf Grundlage der Sicherheit. Seine Leistung an den Sicherungsnehmer ist nur darauf gerichtet, den Forderungsschuldner von seiner Verbindlichkeit zu befreien.310 Unabhängig von einer Wertlosigkeit der gesicherten Forderung und einer zusätzlichen eigenen Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger leistet der Sicherungsgeber daher materiell an den Forderungsschuldner und nicht an den Gläubiger.311 Es liegt ein klassischer Fall der Tilgung fremder Schuld zur Erfüllung einer eigenen materiellen Verpflichtung gegenüber dem Forderungsschuldner vor, bei der eine Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers von vornherein ausscheidet.312 Als Anfechtungsgegner kommt nur der Forderungsschuldner in Betracht. Ihm gegenüber greift die Anfechtung durch, wenn der Sicherungsgeber die Schuld im Innenverhältnis

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Vgl. auch Brinkmann, in: Bork, Hdb. InsolvenzanfechtungsR, Kap. 17 Rn. 125: „Zahlt (…) der dingliche Sicherungsgeber zur Abwendung der Vollstreckung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, tilgt er die besicherte Verbindlichkeit, mithin eine fremde Schuld. Insofern gelten die oben zur Tilgung fremder Schuld dargestellten Grundsätze.“ Zur grundsätzlichen Möglichkeit der Zahlung des Sicherungsgebers auf die persönliche Forderung oder auf die Sicherheit vgl. nur Rohe, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 39. Aufl., § 1192 Rn. 169 (zur Grundschuld). 309 Vgl. Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 1143 Rn. 5: „Zahlt der Eigentümer nicht in seiner Eigenschaft als Eigentümer, sondern für den Schuldner (zB wegen einer ihm obliegenden Befreiungspflicht, § 415 Abs 3), (…) erlischt die Forderung gemäß § 362.“ 310 Mit dem Erlöschen der persönlichen Forderung gehen auch die akzessorischen Sicherheiten unter, sodass der Sicherungsgeber in diesem Fall als Rechtsreflex seiner Zahlung auch von seiner eigenen Verbindlichkeit befreit wird. Bei nichtakzessorischen Sicherheiten kann er vom Sicherungsgeber Rückgewähr der Sicherheit fordeRn. 311 Hier wird deutlich, dass die Forderungsbeziehung, die im Bereicherungsrecht zu einer Leistungsbeziehung zwischen dem Forderungsinhaber und dem Leistenden führt, noch nicht bedeutet, dass zwischen den Parteien eine materielle Zuwendungsbeziehung besteht. Die Forderung ist eine Sicherheit, aber sie muss nicht stets Ausdruck eines materiellen Geschäftszwecks zwischen den Parteien sein. 312 Zur grundsätzlichen Gleichbehandlung der Tilgung einer fremden Schuld und der Zahlung des Bürgen an den Gläubiger auch Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 34 (zur Bürgschaft); Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 28; von Campe, Insolvenzanfechtung, S. 213.

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unentgeltlich übernommen313 oder auf seine Rückgriffsansprüche verzichtet hat.314 3. Ergebnis Die Anfechtbarkeit der Bestellung einer Drittsicherheit richtet sich danach, ob die Sicherungsabrede ein eigenes Zugeständnis des Sicherungsnehmers vorsieht, das einen angemessenen Ausgleich für das Einstandsrisiko des Sicherungsgebers bildet. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entgeltbewertung ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Sicherungsabrede: Entscheidend für die Angemessenheit der Gegenleistung ist, wie hoch der Sicherungsgeber in diesem Zeitpunkt das Risiko für sein Einstehen einschätzt. Hat der Sicherungsnehmer die Drittsicherheit unentgeltlich erlangt, so bedeutet dies noch nicht, dass jede Befriedigung durch den Sicherungsgeber als unentgeltliche Leistung anfechtbar ist. Vielmehr ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob sich zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer überhaupt eine materielle Zuwendung vollzogen hat. Nur wenn die gesicherte Forderung im Zeitpunkt der Befriedigung durch den Sicherungsgeber wertlos war, wird der Entgeltcharakter der Sicherungsabrede relevant. War der Hauptschuldner im Zeitpunkt der Befriedigungsleistung hingegen noch nicht endgültig ausgefallen, findet keine materielle Zuwendung statt und eine Inanspruchnahme des Sicherungsnehmers kommt nicht in Betracht. Die Gläubiger des Sicherungsgebers sind auf die Anfechtung gegenüber dem Forderungsschuldner verwiesen. Für die Anfechtung der Befriedigung des Sicherungsnehmers aus der Drittsicherheit gelten also zunächst die gleichen Anforderungen wie für die Inanspruchnahme des Forderungsgläubigers im Fall der Tilgung fremder Schuld: Nur wenn der Nachweis der völligen Wertlosigkeit gelingt, kommt ein Zugriff auf den Sicherungsnehmer in Betracht. In diesem Fall werden allerdings die zur Tilgung einer fremden Schuld aufgestellten Grundsätze durch die Siche-

313 Vgl. de Bra, in: Braun, InsO, 6. Aufl., § 134 Rn. 24; Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 134 Rn. 109; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, 5. Aufl., § 134 Rn. 26. Vgl. zum Schenkungscharakter der unentgeltlichen Schuldübernahme im Innenverhältnis BGH, Urt. v. 17.12.1954 – V ZR 77/53, MDR 1955, 283 (284); Chiusi, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 516 Rn. 28. 314 Vgl. nur Henckel, in: Jaeger, InsO, § 134 Rn. 26; Kayser, in: MüKo, InsO, 3. Aufl., § 134 Rn. 34. Zur Schenkung ebenso Schütz, JR 1964, S. 453 (454). Ohne die Einschränkung der späteren tatsächlichen Befriedigung: Horn, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rn. 156; Koch, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 11. Der BGH hingegen äußerte im Urt. v. 17.12.1954 – V ZR 77/53, MDR 1955, 283 (284) zumindest Zweifel an einer Schenkung beim Verzicht auf die Rückgriffsrechte vor der tatsächlichen Befriedigung des Gläubigers, da es dann immer noch möglich sei, dass der Gläubiger sich nicht an die bestellte Sicherheit halte, sondern den Hauptschuldner oder persönlichen Schuldner selbst mit Erfolg in Anspruch nimmt; dann wäre der Verzicht auf den Rückgriffsanspruch ohne Bedeutung.

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rungsabrede modifiziert: Sah die Sicherungsabrede ein äquivalentes Zugeständnis des Sicherungsnehmers vor, so hat er anfechtungsfest erworben, während ein ungesicherter Gläubiger seinen Erwerb nun gem. § 134 InsO herausgeben müsste. Die Drittsicherheit hat für den Sicherungsnehmer im Vergleich zum ungesicherten Gläubiger somit zwei Vorteile: Zum einen erhält einen Anspruch darauf, bei Ausfall des Hauptschuldners Befriedigung vom Dritten verlangen zu können. Er ist nicht darauf angewiesen, dass sich der Dritte nach Eintritt der Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners freiwillig zur Befriedigung bereit erklärt. Zum anderen ermöglicht ihm der Charakter der Sicherungsabrede als Risikovertrag, sich durch ein vergleichsweise geringes Zugeständnis von dem Anfechtungsrisiko der Gläubiger des Dritten zu befreien. Tritt der Sicherungsfall tatsächlich ein, so hat sich das Risiko der Sicherungsabrede zu seinen Gunsten verwirklicht: Er erhält anfechtungsfest Befriedigung für seine eigentlich wertlose Forderung, weil er sich durch die Bestellung der Sicherheit rechtzeitig gegen den Ausfall des Forderungsschuldners geschützt hat.

Fazit Fazit

Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, ein überzeugendes dogmatisches Konzept für die Auslegung des § 134 InsO zu entwickeln, das auch aktuellen Problemstellungen gerecht werden kann. Dieses Ziel wurde erreicht. Das teleologische Fundament der Unentgeltlichkeitsanfechtung liegt in einem Fehlverhalten des Schuldners: Ihm wird vorgeworfen, vom Begünstigten keine Gegenleistung gefordert zu haben, obwohl dies von einem wirtschaftlich denkenden Schuldner eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Ausgehend vom Schenkungstatbestand des § 516 Abs. 1 BGB konnten auf dieser Grundlage die Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO klar konturiert werden. Eine Anfechtung gem. § 134 InsO kommt nur in Betracht, wenn sich zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner eine materielle Zuwendung vollzieht. Der Schuldner muss sich in Ausübung seiner privatautonomen Gestaltungsmacht bewusst dazu entschieden haben, dem Empfänger einen materiellen Vermögensvorteil zu verschaffen. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, stellt sich für ihn überhaupt die Frage nach einem Entgelt und die Grundbedingungen für das anfechtungsbegründende Schuldnerfehlverhalten und die daran anknüpfende Prüfung der Unentgeltlichkeit liegen vor. Die materielle Zuwendung setzt zunächst voraus, dass der Schuldner dem Begünstigten oder einem Dritten nicht bereits zu der Zuwendung verpflichtet ist: Nur wenn es ihm freisteht, sich freiwillig für oder gegen die Zuwendung zu entscheiden, kommt für ihn die Vereinbarung einer Gegenleistung in Betracht. Die materielle Zuwendung muss zudem eine Bereicherung auf Empfängerseite auslösen: Nur wenn dem Empfänger ein vermögenswerter Vorteil verschafft wird, der der Befriedigung seiner eigenen Interessen dient und nicht umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße wieder aufgezehrt wird, kann von ihm eine Gegenleistung erwartet werden. An einer materiellen Zuwendung fehlt es daher, wenn der Begünstigte lediglich irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil erhält, der jedoch nicht die Qualität eines ausgleichsbedürftigen Vermögensvorteils erreicht. Ebenso kommt eine Anfechtung nicht in Betracht, wenn der Begünstigte lediglich als Durchgangsperson fungiert und den erhaltenen Vermögenswert an einen Dritten weiterleiten soll. Dasselbe gilt, wenn der erhaltene Vermögenswert umgehend durch eine ausgleichende Vermögenseinbuße, wie etwa dem Verlust der Forderung infolge der Erfüllungswirkung des § 362 BGB, wieder aufgezehrt wird.

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Fazit

In subjektiver Hinsicht setzt die materielle Zuwendung voraus, dass der Schuldner die Begünstigung bewusst und gewollt veranlasst hat. Alle objektiven Merkmale der materiellen Zuwendung müssen von seinem subjektiven Willen begleitet werden. Geht er hingegen davon aus, der Leistungsempfänger erhalte keinen materiellen Vermögensvorteil, scheidet die Anfechtung diesem gegenüber aus. Als Anfechtungsgegner kommt somit nur derjenige in Betracht, den der Schuldner nach seinem Willen materiell begünstigen wollte. Die subjektiven Anforderungen auf Empfängerseite treten demgegenüber in den Hintergrund. Er muss lediglich erkennen können, überhaupt von irgendjemandem bewusst begünstigt worden zu sein. Sein Irrtum über die Qualität des empfangenen Vorteils oder über die Person des Zuwendenden stellt den Erfolg der Anfechtung hingegen nicht in Frage. Kein Wesensmerkmal der materiellen Zuwendung ist hingegen, dass sie von einer materiellen Causa begleitet wird, die sie wirtschaftlich erläutert. Zu den materiellen Zuwendungen zählen daher auch causalose Rechtsakte, die keines Rechtsgrundes bedürfen. Angefochten werden kann daher etwa die Dereliktion, sofern sie mit dem Willen erfolgt, einem anderen die Aneignung zu ermöglichen, das bewusste Verjährenlassen einer Forderung oder die Vornahme oder das Unterlassen von Prozesshandlungen mit dem Willen, dem Prozessgegner dadurch einen materiellen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Anfechtung gem. § 134 InsO richtet sich nicht nur gegen die materielle Zuwendung in ihrer Gesamtheit, sondern gegen jede Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO, die einen unentgeltlichen materiellen Zuwendungserfolg verwirklicht oder fördert. Auch die Erfüllung oder Sicherung einer eigenen Verbindlichkeit kann daher selbstständig gem. § 134 InsO angefochten werden, sofern sie der Abwicklung einer unentgeltlichen materiellen Zuwendungsbeziehung dient. Anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO ist in diesem Fall die Sicherungs- oder Erfüllungshandlung selbst: Sie muss gläubigerbenachteiligend wirken und der Vier-Jahres-Zeitraum des § 134 InsO berechnet sich ab dem Eintritt ihrer Wirkungen. Die Verpflichtungsbegründung hingegen kommt als Gegenstand der Unentgeltlichkeitsanfechtung nicht in Betracht, weil sie niemals gläubigerbenachteiligend wirkt. Die selbstständige Anfechtbarkeit der Abwicklungsgeschäfte ändert nichts daran, dass allein die materielle Zuwendung, in deren Abwicklung die Hilfsgeschäfte eingebunden sind, den Bezugspunkt für die Prüfung der Unentgeltlichkeit bildet: Nicht die Erfüllung oder Sicherung ist ausgleichsbedürftig, sondern allein die materielle Zuwendung, deren Verwirklichung sie dient. Eine eigenständige Entgeltbewertung der Abwicklungsgeschäfte ist nicht möglich. Der materiellen Zuwendung des Schuldners darf keine ausgleichende Gegenleistung des Empfängers gegenüberstehen. Berücksichtigt werden nur Gegenleistungen, die zwischen den Parteien kausalvertraglich vereinbart wurden. § 134 InsO liegt damit ein weites Verständnis der Unentgeltlichkeit zugrunde:

Fazit

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Fehlt es an einer Kausalvereinbarung zwischen den Parteien oder ist diese unwirksam, ist die Zuwendung notwendig objektiv unentgeltlich. Die objektive Unentgeltlichkeit muss allerdings von den subjektiven Vorstellungen des Schuldners gedeckt sein. Nur wenn ihm die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung bewusst war, kommt eine Anfechtung gem. § 134 InsO in Betracht. Die Vorstellungen des Empfängers spielen demgegenüber keine Rolle. Besteht zwischen den Parteien eine Kausalvereinbarung, so richtet sich der Entgeltcharakter der Zuwendung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts. Eine taugliche Gegenleistung setzt ein selbstständiges Tätigwerden des Begünstigten voraus, das dieser den Interessen des Schuldners widmet und das für ihn ein echtes Zugeständnis darstellt. Es genügt nicht, wenn die Schuldnerzuwendung lediglich als Belohnung für den Eintritt eines Ereignisses gewährt wird, auf das der Begünstigte nicht hingewirkt hat. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Begünstigte ohnehin schon dem Schuldner oder einem Dritten zu dem Tätigwerden verpflichtet war oder es in erster Linie seinen eigenen Interessen dient. Auch die Vereinbarung einer Auflage i.S.d. § 525 BGB stellt die Unentgeltlichkeit nicht in Frage, weil sie der Schuldnerleistung nicht als selbstständiges Zugeständnis gegenübertritt. Nicht erforderlich ist, dass die Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners fließt. Auch die vereinbarungsgemäß an einen Dritten erbrachte Gegenleistung kann die Unentgeltlichkeit ausschließen, solange der Begünstigte sie den Interessen des Schuldners widmet. Ebenso wenig ist notwendig, dass die Gegenleistung dem Schuldner einen wirtschaftlichen oder vermögenswerten Vorteil gewährt. Ausgeschlossen aus dem Kreis der entgelttauglichen Gegenleistungen sind lediglich Zugeständnisse aus dem persönlichen Bereich, die sich der Bewertung durch einen Dritten von vornherein entziehen. Hier greift die anfechtungsspezifische objektiv-normative Grenze der Entgelttauglichkeit. Leistung und Gegenleistung müssen in einer Weise miteinander verknüpft sein, dass der endgültige Bestand der Schuldnerleistung von dem Erbringen der Gegenleistung rechtlich abhängt. Die Verknüpfung kann dabei synallagmatisch, konditional und rechtlich kausal ausgestaltet sein. Wurden zwei Zuwendungen ohne Rücksicht aufeinander bereits erbracht, so können sie nicht nachträglich in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gesetzt werden. Anders ist dies, wenn die Parteien die Gegenleistung schon bei der Erstzuwendung als möglich ins Auge gefasst haben (sog. ‚offene Causa’): Wird diese Gegenleistung im Nachhinein vom Begünstigten freiwillig erbracht, so tritt sie mit der Erstleistung in ein entgeltliches Austauschverhältnis und die ursprüngliche unentgeltliche Zuwendung wird entgeltlich. Die nachträgliche Vergütung von Diensten ist daher entgeltlich, wenn die Parteien eine – ggf. zusätzliche – Entlohnung von vornherein für möglich hielten. Leistung und Gegenleistung müssen sich als gleichwertige Zugeständnisse gegenübertreten. Wie im Schenkungsrecht gilt auch im Rahmen des § 134 InsO der Maßstab der subjektiven Äquivalenz: Entscheidend ist, ob die Parteien die

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beiden Leistungen als gleichwertig ansahen. Das objektive Werteverhältnis ist hingegen nicht ausschlaggebend. Allerdings genügt es für § 134 InsO in Abweichung zum Schenkungsrecht, dass sich nur der Schuldner über die Unausgeglichenheit bewusst war. Eine Anfechtung als teilweise unentgeltliche Leistung ist daher auch dann möglich, wenn sich der Begünstigte über den Wert der Leistungen irrte. Unterlag hingegen auch der Schuldner einem Irrtum über das Wertverhältnis der ausgetauschten Leistungen, scheidet die Anfechtung auch dann aus, wenn sich die Gegenleistung bei objektiver Betrachtungsweise als vollkommen wertlos erweist. Liegt eine teilweise unentgeltliche Leistung vor, so kann der Insolvenzverwalter nur Wertersatz fordern, wenn die Schuldnerzuwendung unteilbar war. Dem Anfechtungsgegner steht es jedoch offen, anstelle des Wertersatzes die gesamte Zuwendung zurück zu gewähren und im Gegenzug seine Gegenleistung zurück zu erhalten. Nur wenn der unentgeltliche Charakter der Zuwendung eindeutig überwiegt, kann der Insolvenzverwalter auch gegen den Willen des Schuldners den Zuwendungsgegenstand insgesamt herausverlangen. Für § 134 InsO spielt es keine Rolle, ob die Zuwendung von einer altruistischen Gesinnung getragen war oder der Schuldner mit ihr eigennützige Zwecke verfolgte. Fehlt es an einer tauglichen Gegenleistung, schadet es daher nicht, wenn der Schuldner mit der Zuwendung einer sittlichen Pflicht nachkommt oder es sich um eine unbenannte Zuwendung zwischen Ehegatten handelt. Ebenso wenig steht es der Anfechtung entgegen, dass der Schuldner den Bestand seiner Zuwendung mit externen wirtschaftlichen Vorteilen verknüpft hat und die Zuwendung damit seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen diente: Die wirtschaftlichen Interessen des Schuldners können eine vollständig fehlende Gegenleistung des Begünstigten nicht ersetzen. Mit diesem Modell der Unentgeltlichkeitsanfechtung konnten die aktuell diskutierten Problemkonstellationen angemessen gelöst werden. Rechtsgrundlose Leistungen des Schuldners können den unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 InsO nicht generell gleichgestellt werden. Da die Unentgeltlichkeitsanfechtung an ein Fehlverhalten des Schuldners anknüpft, kommt es darauf an, ob dieser die Rechtsgrundlosigkeit seiner Leistung kannte oder nicht. Irrtümlich rechtsgrundlose Leistungen können daher grundsätzlich nicht gem. § 134 InsO angefochten werden. Nur wenn der Schuldner i.S.d. § 814 Alt. 1 BGB in Kenntnis der Nichtschuld an den Begünstigten leistet, greift die Unentgeltlichkeitsanfechtung ein. Tilgt der Schuldner eine fremde Verbindlichkeit, steht seinen Gläubigern nur in seltenen Ausnahmefällen eine Anfechtung gem. § 134 InsO gegenüber dem Forderungsgläubiger zu. Sie müssen nachweisen, dass der Forderungsgläubiger vom Forderungsschuldner selbst nicht mehr befriedigt worden wäre und ihr Schuldner trotz Kenntnis von der Wertlosigkeit der getilgten Forderung freiwillig an den Forderungsgläubiger zahlte. Liegen diese Voraussetzungen

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nicht vor, sind die Gläubiger auf die Anfechtung gegenüber dem Forderungsschuldner verwiesen. Insbesondere steht den Gläubigern des zahlenden Dritten nicht schon deshalb ein eigenes Anfechtungsrecht gegenüber dem Forderungsgläubiger zu, weil der Forderungsschuldner im Zeitpunkt der Zahlung materiell insolvent war. Die typischen Fallkonstellationen, die die herrschende Meinung bei der Tilgung einer fremden Schuld unter § 134 InsO subsumiert, fallen damit nicht in den Anwendungsbereich der Unentgeltlichkeitsanfechtung. In diesen Fällen stellt sich vielmehr die Frage, ob den Gläubigern des Dritten auf Grundlage ihres eigenen – wertlosen – Anfechtungsrechts gegenüber dem Forderungsschuldner ein Zugriff auf den Forderungsgläubiger gestattet werden kann. Es geht nicht darum, auf Grundlage des § 134 InsO ein eigenes Anfechtungsrecht der Gläubiger des Dritten gegenüber dem Forderungsgläubiger zu begründen – die Durchgriffsproblematik hat mit dem Tatbestand der Unentgeltlichkeitsanfechtung nichts zu tun. Vielmehr ist im Rahmen des Anfechtungsrechts der Gläubiger des Dritten gegenüber dem Forderungsschuldner auf Rechtsfolgenseite zu klären, ob sich die Wirkungen dieses Anfechtungsanspruch auf einen Dritten – den Forderungsgläubiger – erstrecken lassen. Dies ist zu bejahen, wenn der Forderungsgläubiger im Fall einer Befriedigung durch den Forderungsschuldner anfechtbar erworben hätte. Diese Lösung vermeidet nicht nur die Abwertung des § 134 InsO in einen unscharf konturierten Billigkeitstatbestand, sondern trägt den Interessen aller Beteiligten angemessen Rechnung.

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Sachregister Abtretung 249 Abwicklungsgeschäfte 234 ff. actio Pauliana 59 ff. Allgemeine Gläubigeranfechtung 88 ff. Altruismus siehe Freigebigkeit Anfechtbare Rechtshandlung 229 ff. − Einzelleistung 232 ff. − Gesamtvorgang 231 f. Anfechtungsgegner − bei Tilgung fremder Schuld 454 ff., 472 ff. − Bestimmung des Anfechtungsgegners 146, 219 f. − Entreicherung 387 − Rechtsfolgen der Anfechtung 387 f. Anfechtungskette 478 ff. Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung siehe Äquivalenz animus donandi 60, 370 Anknüpfungspunkt der Anfechtung siehe Anfechtbare Rechtshandlung Annahme als Kind 186 Anrecht 33, 41 f., 246, 255 Anreizleistung 310 Anweisungsfälle 443 f., 458 ff., 474 ff. Äquivalenz 351 ff. − grobes Missverhältnis 359 f. − Irrtum des Begünstigten 362 − Irrtum des Schuldners 363 f. − objektive Äquivalenz 354 ff. − Rechtsfolgen bei gemischter Zuwendung 365 ff. − Scheingeschäft 360 − subjektive Äquivalenz 351, 358 ff. − Wertlosigkeit der Gegenleistung 364 f. − Zeitpunkt 297 f. Arbeitsverhältnis − Freistellung 200

− Gehaltserhöhung 345 − Gratifikationen 345 − offene Causa 345 ff. − Ruhegeld 345 − Weihnachtsgeld siehe dort − Zusatzvergütung 346 Auflage zur Einstellung des Strafverfahrens 184 f. Auflagenschenkung siehe Schenkung unter Auflage Aufrechnung − Anfechtbarkeit 269 ff. − mit Anfechtungsanspruch 416 f., 420 ff. − Rechtsnatur der Aufrechnung 422 Ausfuhrbürgschaft 491 Ausgleichsansprüche − entgeltäquivalenter Ausgleichsanspruch siehe dort − gesetzliche Ausgleichsansprüche 205 Auslobung 306 ff., 328, 330 Ausstattung des Kindes 377 Befriedigungsrecht 80 Belastung eines Grundstücks 204, 308, 312 Bereicherung − Abgrenzung zur Gegenleistung 196, 198, 289 − Bereicherungswille 217 − im bereicherungsrechtlichen Sinn 193 f. − im schenkungsrechtlichen Sinn 192 − substanzielle Bereicherung 197 − Treuhandverhältnis 196, 202 Bereicherungsrecht − Abwicklung entlang der Kausalverhältnisse 458 − Durchgriffshaftung gem. § 822 BGB 96 f., 113 f.

544 − erlangtes Etwas 193 f. − Kondiktionsausschluss gem. § 814 Alt. 1 BGB 411, 414 f. − Verfügung eines Nichtberechtigten 95 f., 110 ff. Besondere Insolvenzanfechtung 86 ff. Bestechungsgelder 331 Beteiligung des Schuldners 269 ff. Beurteilungsspielraum 24 f., 354 Bewährungsauflage 184 f. Bürgschaft − Ausfuhrbürgschaft 491 − Gläubigerbenachteiligung 510 Cash-Pool-Fall 1 f., 26, 45, 51 f. Causa − causalose Zuwendungen siehe dort − Definitionen 30 f. − materielle Causa siehe dort − offene Causa 340 ff. causalose Zuwendungen 174, 226, 282 − Prüfung der Unentgeltlichkeit 295 − Subjektive Anforderungen auf Empfängerseite 220 cessio legis 205 Darlehen 250 ff. − Abgrenzung zur Schenkung 193 − Gläubigerbenachteiligung 213 Dauerschuldverhältnis 199, 469 Deckungsanfechtung − Doppelinsolvenz 445 ff. − Teleologie 87 f. − Verhältnis zu § 134 InsO 254, 266 f. Dereliktion 136, 142, 220, 282 Dienstleistung − Bereicherung 197 − Gläubigerbenachteiligung 211 − nachträgliche Vergütung 336 ff., 343 ff. − Verzicht auf Vergütung 211 donatio 60 Doppelinsolvenz − Anfechtungskette 478 ff. − konkurrierende Anfechtungsansprüche 445 ff., 486 f. Drittbegünstigungsfälle 316 ff., 327 Drittleistung gem. § 267 BGB 429 − Abgrenzung zum Erfüllungsgehilfen 429

Sachregister − Bedeutung bei Tilgung fremder Schuld 455 ff. Drittleistung gem. § 267 BGB 177 Durchgriffshaftung gem. § 822 BGB − Normzweck 96 f. − Verständnis der Unentgeltlichkeit 113 f. Ehegatten − Ehescheidung 186 − Eheschließung 186 − Eheverträge 187 − unbenannte Zuwendungen 376 Einzelzwangsvollstreckung 81 Entgelt siehe Gegenleistung entgeltäquivalenter Ausgleichsanspruch 290, 402, 482 Entgelttauglichkeit 300, 315 ff. Entreicherung − im schenkungsrechtlichen Sinn 208 f. − Parallelen zur Gläubigerbenachteiligung 210 erbrechtliche Verfügungsbeschränkungen − Normzweck 97 ff. − rechtsgrundlose Verfügung 120 − Verständnis der Unentgeltlichkeit 118 ff. Erbverzicht 324 Erfüllung − Drittleistung gem. § 267 BGB siehe dort − Erfüllungstheorien 244 f. − Erfüllungswirkung als Gegenleistung 288 f. − Leistung erfüllungshalber 266 Erfüllungsgehilfe − Abgrenzung zur Drittleistung gem. § 267 BGB 429 Erfüllungsleistung 239 ff. − Abgrenzung zur Schenkung 193 − Bereicherung 205 − Forderungslösung 243 f. − gesetzliche Verbindlichkeiten siehe dort − in der materiellen Insolvenz 253 ff. − Leistung erfüllungshalber 266 − Naturalobligation 245 f., 254, 282 − rechtsgrundlose Leistung siehe dort − sittliche Pflicht 378 f., 408

Sachregister − verjährte Forderung 245 f., 254, 282, 298 − vor Fälligkeit 255 Erfüllungsübernahme 475 Ersitzung 142 Falschbezeichnung 296 Familienrecht − Annahme als Kind 186 − Ausbildungsunterhalt 378 − Ausstattung des Kindes 377 − Ehescheidung 186 − Eheschließung 186 − Eheverträge 187 − personenrechtliche Rechtsgeschäfte 186 − unbenannte Zuwendungen 376 − Unterhalt siehe dort Festhalten am Vertrag 199 Forderungsbegründung − Anfechtbarkeit 234 ff. − Gläubigerbenachteiligung 237 ff. − Sicherungswirkung 34, 227 Forderungslösung − bei Erfüllung eigener Schuld 243 f., 249 ff. − bei Sicherung fremder Schuld 494 − bei Tilgung fremder Schuld 449 ff. Freigebigkeit 369 ff. − im Schenkungssteuerrecht 123 f. Freiwilligkeit 187 f. Freundschaftspreis 361 Gebrauchsüberlassung 197 − Gläubigerbenachteiligung 212 Gegenleistung 299 ff. − Abgrenzung zur Auflage 312 f. − Abgrenzung zur Bereicherung 196, 198, 289 − Affektionsinteresse 361 − Äquivalenz siehe dort − Auslegung der Parteiabsprache 323 f. − Drittbegünstigungsfälle siehe dort − echtes Zugeständnis 304 ff. − entgeltäquivalenter Ausgleichsanspruch siehe dort − Entgelttauglichkeit 315 ff. − Erfüllungswirkung 288 f. − Fortführung bereits ausgeübter Tätigkeit 304 f.

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ideelle Vorteile 325 f. nachträgliche Vereinbarung 336 ff. objektive Wertlosigkeit 364 f. objektiv-normative Grenzen 300, 315 ff. − Regressanspruch 482 − Rückgriffsforderung 291 − Schuldübernahme siehe dort − Selbstständigkeit der Gegenleistung 311 − Stehenlassen einer Forderung 507 ff. − steuerliche Abzugsfähigkeit 302 − Tätigwerden 302 f. − Verknüpfung siehe dort − Widmung für Schuldnerinteressen 303 − wirtschaftliche Vorteile 361 gemischte Schenkung 351 ff. − Hofübergabevertrag 314 − Rechtsfolgen der Anfechtung 365 ff. Genehmigung 190, 200 Geschäftszweck − Arten von Geschäftszwecken 32 − materielle Causa siehe dort gesetzliche Verbindlichkeiten 177, 249 Gestaltungsrechte 137, 190, 199 Gewinn einer Meisterschaft 303 Gewinnzusage 236 Gläubigerbenachteiligung − Ablehnung eines Vertragsangebots 212 − Arbeitskraft des Schuldners 211 − Erwerbschancen 211 − Parallelen zur schenkungsrechtlichen Entreicherung 210 − personenrechtliches Rechtsgeschäft 186 − Verpflichtungsgeschäft 237 ff. Gläubigergleichbehandlung 81 − Bedeutung bei der Tilgung fremder Schuld 440 Grundgeschäft 32 Grundstücksschenkung − Auflage 312 − Übernahme dinglicher Lasten 308 − wertausschöpfende Belastung 309 güterrechtliche Verträge 187 − − − −

Haftungsordnung − allgemeine Haftungsordnung 81, 89

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Sachregister

− Gefährdung der Mindestvoraussetzungen 85, 103 ff. − insolvenzrechtliche Haftungsordnung 81, 88 Handgeschäft − Anfechtbarkeit 282 − Leistung im Sinne des Bereicherungsrechts 174 − materielle Zuwendung 226 − Rechtsfolgen der Anfechtung 388 f. − Rechtsnatur 35, 173 Handschenkung siehe Handgeschäft Heiratsvermittlung 349 Hilfsgeschäfte 33 ff. Hilfszwecke 34, 37, 43 Hofübergabevertrag 313

− Abgrenzung zur Leistung gem. § 134 InsO 174 ff. − Abgrenzung zur Zuwendung 180 − Definition 167 ff. − Leistungsempfänger 169 Leistung im schuldrechtlichen Sinn − Abgrenzung zur Leistung gem. § 134 InsO 173 − Definition 167 Leistungsempfänger siehe Anfechtungsgegner − im bereicherungsrechtlichen Sinn 169 Leistungsmittler siehe mittelbare Zuwendung Lösungsklausel 199

ideeller Vorteil − Bereicherung 199 − Gegenleistung 325 f. Irrtümer − Irrtum über Wertverhältnis 362 ff. − subjektive Voraussetzungen auf Empfängerseite siehe dort − subjektive Voraussetzungen auf Schuldnerseite siehe dort

materielle Causa 29, 30 ff., 135 ff. − Verhältnis zur materiellen Zuwendung 225, 233 materielle Zuwendung − bedingte materielle Zuwendung 497 ff. − Begriff 182 − bei Erfüllungsleistungen 247 f. − Bereicherung 189 ff. − Bereicherungswille 217 − Freiwilligkeit 188 f. − gestreckte Verwirklichung 204, 225 ff. − subjektive Anforderungen auf Empfängerseite 220 ff. − subjektive Anforderungen auf Schuldnerseite 216 ff. − Verhältnis zur materiellen Causa 233 mittelbare Zuwendung 146, 201, 215, 222 Mitwirkung des Schuldners 269 ff. moralische Pflicht siehe sittliche Pflicht

Kausalgeschäft siehe Grundgeschäft Kenntnis der Nichtschuld siehe rechtsgrundlose Leistung Kettenschenkung 203 Kondiktionsausschluss gem. § 814 Alt. 1 BGB 411, 414 f. Konkurrenzen − Deckungsanfechtung 266 f. − Doppelinsolvenz 445 ff. Leistung − Begriff 162 ff. − Funktion des Leistungsbegriffs 164 ff., 281 − im bereicherungsrechtlichen Sinn siehe dort − im schuldrechtlichen Sinn siehe dort − Leistungszweckbestimmung 168 ff. − materielle Zuwendung siehe dort − Schuldnerbeteiligung 269 ff. Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinn

Naturalobligation 245 f., 254, 282, 349, 379 Nießbrauch 312 Notverkauf 360 Novation 336 Nutzungsherausgabe gem. § 988 BGB − Normzweck 96 f. − Verständnis der Unentgeltlichkeit 115 ff.

Sachregister Objektives Auslegungsmodell 17 ff., 131 ff. Österreich 125 ff. Parteispende 305 personenrechtliches Rechtsgeschäft 186, 326 Perspektivwechsel 21, 328, 441 Pflichtteilsverzicht 320 ff., 324 Phoenix-Fall 1, 26, 45, 51 f., 392 ff., 411 ff., 416, 418, 426 Prioritätsprinzip 81, 267 f. Prozesshandlungen 283 Rechtsfolgen der Anfechtung 387 ff. Rechtsgeschäftliches Modell 28 ff., 135 ff. Rechtsgrund − bloßer Behaltensgrund siehe causalose Zuwendung − Rechtsgrundverständnis 36 ff. − reine Rechtsgrundabrede siehe dort − Verhältnis zur materiellen Causa 36 ff. rechtsgrundlose Leistung 392 ff. − bei § 816 Abs. 1 S. 2 BGB 112 − bei § 988 BGB 116 − bei §§ 2113, 2205 BGB 120 − bewusst rechtsgrundlose Leistung 137, 411 ff. − irrtümlich rechtsgrundlose Leistung 394 ff. − objektive Unentgeltlichkeit 401 f. − Prüfung der Unentgeltlichkeit 295 − sittliche Pflicht 408 − subjektive Unentgeltlichkeit 403 Rechtsmittelverzicht 142 Regressforderung 482 reine Rechtsgrundabrede 33, 255, 282, 297 remuneratorische Schenkung 335 Ruhegeld 345 Schadensersatzansprüche 237 Scheingeschäft 296, 360 Schenkung − Anfechtbarkeit der Schenkungsforderung 235 − Äquivalenz 351

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Bereicherung 192 Entreicherung 208 ff. Freigebigkeit 370 ff., 381 gemischte Schenkung siehe dort Kettenschenkung 203 remuneratorische Schenkung 335 Schenkung unter Auflage siehe dort Unentgeltlichkeit 109 f. verschleierte Schenkung 296 Verständnis in den Partikularrechtsordnungen 69 f. − Zuwendung 179 − Zweckschenkung siehe dort Schenkung unter Auflage 303, 311 ff. − Abgrenzung zur Gegenleistung 312 f. − Hofübergabevertrag 313 − Rechtsfolgen der Anfechtung 314 Schenkungssteuerrecht − Freigebigkeitswille 123 f. − Unentgeltlichkeit 122 ff. − Zuwendungsbegriff 121 f. Schenkungsversprechen − als Leistung 175 − Anfechtbarkeit 235 Schuldnerbeteiligung 269 ff. Schuldnerfehlverhalten 102 ff. Schuldübernahme − als Gegenleistung 309, 313 − bei Sicherung fremder Schuld 514 Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs 92, 94 ff. Sicherung einer eigenen Schuld 256 ff. − anfängliche Sicherheit 258 f. − materielle Zuwendung 261 f. − nachträgliche Sicherheit 258, 264 f. Sicherung fremder Schuld 489 ff. − anfängliche Drittsicherheit 503 f. − Anspruch auf Nachbesicherung 505 − Äquivalenz 503 − bei Schuldübernahme 514 − Gegenleistungen 506 − Gläubigerbenachteiligung 510 − materielle Zuwendung 496 ff. − nachträgliche Drittbesicherung 505 ff. − Perspektive 492 − Stehenlassen einer Forderung 507 ff. − unentgeltliche Forderung 509 f. − wirtschaftliches Interesse 492, 510 − − − − − − − − − −

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Sachregister

− Zeitpunkt der Entgeltbewertung 503 − Zuwendungsbeziehung 496 ff. Sittliche Pflicht 188, 378 f., 408 Spende 304, 305 Sponsoring 305 Stehenlassen einer Forderung 507 ff. Steuerrecht − freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 ErbStG 121 ff. − Steuerforderungen 183, 236 − steuerliche Abzugsfähigkeit 302 Stiftung − Spende an Forschungsstiftung 304 − Stiftungserrichtung 203, 235, 328 − Zuwendungen an Destinatär 204, 380 subjektive Voraussetzungen auf Empfängerseite 149 ff. − bei Tilgung fremder Schuld 471 − im österreichischen Recht 127 f. − Unentgeltlichkeit 293 f. − Zuwendungsvorgang 220 ff. subjektive Voraussetzungen auf Schuldnerseite 142 ff. − bei Tilgung fremder Schuld 471 − Beweiserleichterungen 147 f. − Beweislast 147, 218 − im österreichischen Recht 126 ff. − im Schenkungssteuerrecht 122 ff. − Nachweis 147, 218 f., 472 − Perspektive 145 f. − Subsumtionsirrtum 149 − Unentgeltlichkeit 146, 292 f. − Wille zur Freigebigkeit 146 − Zuwendungsvorgang 146, 216 Testamentsvollstrecker − Verfügungsbeschränkung 99 f. Tilgung einer eigenen Schuld siehe Erfüllungsleistung Tilgung fremder Schuld 428 ff. − Abgrenzung zur Schenkung 193 − Anfechtungskette 478 ff. − Anfechtungsmöglichkeiten ggü. Forderungsschuldner 429 f. − Anweisungsfälle siehe dort − Bereicherung 195 − bereicherungsrechtliche Wertungen 459 ff. − Dauerschuldverhältnis 469

Drittleistung gem. § 267 BGB 429 Erfüllungsgehilfe 428 Erfüllungsübernahme 475 Forderungslösung 449 ff. konzernverbundene Unternehmen 472 − materielle Zuwendung 463 ff. − Perspektive 432 ff., 448 f. − subjektive Voraussetzungen 219, 221, 439 f., 471 ff. − unentgeltlich begründete Forderung 250, 451 ff. − Wertlosigkeit der Forderung 435 ff., 465 ff. − Zuwendungsbeziehungen 463 ff. Treuhandverhältnis 196, 202 − − − − −

Übernahme der persönlichen Haftung 313 Übernahme dinglicher Lasten 308 Unbenannte Zuwendungen 376 Unbestellte Leistungen 137 Unentgeltlichkeit − Gegenleistung siehe dort − subjektive Voraussetzungen 291 ff. − teilweise Unentgeltlichkeit siehe Äquivalenz − Zeitpunkt 297 f. Unterhalt 186, 236, 308, 377 Unterlassen 218, 220 Unvollkommene Verbindlichkeit siehe Naturalobligation Verfügung − Abgrenzung zur Zuwendung 180 − Begriff 65, 75 Verfügung eines Nichtberechtigten − Normzweck des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB 95 f. − rechtsgrundlose Verfügung 112 − Verständnis der Unentgeltlichkeit 110 ff. Vergleich 356 ff. Vergütung von Diensten − nachträgliche Vergütung 336 ff., 343 ff. − offene Causa 340 ff. Verjährenlassen einer Forderung 142, 220, 283

Sachregister verjährte Forderung 245 ff., 254, 282, 298 Verkauf unter Wert 361 Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung 328 ff. − keine Erfolgskontrolle 331 ff. − konditionale Verknüpfung 330 − nachträgliche Verknüpfung 333 ff. − offene Causa 340 ff. − rechtlich kausale Verknüpfung 330 − rein tatsächlich-kausale Abhängigkeit 331 − synallagmatische Verknüpfung 329 Vermittelnde Auslegungskonzepte 46 ff. Verpflichtungsgeschäft − Anfechtbarkeit 234 ff. − bereicherungsrechtliche Leistung 175 − Gläubigerbenachteiligung 237 ff. − Rechtsnatur 35 − Zeitpunkt der Entgeltbewertung 298 Verteidigerhonorar 302 Vertrag zugunsten Dritter 319 Verzicht 220 − auf ein beschränkt dingliches Recht 136 − auf ein Gestaltungsrecht 190 − auf Vergütung 211 Vollmacht 200 Vorerbe − Verfügungsbeschränkung 97 f. Vorsatzanfechtung − Abgrenzung zu § 134 InsO 145 ff., 155 f. − Bestellung einer Sicherheit 268 − im römischen Recht 59 f. − Normzweck 105 − Schuldnerbeteiligung 269 ff. − Teleologie 90

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Vorteilsverschaffung 189 ff. vorweggenommene Erbfolge 314 Weihnachtsgeld 345, 348 Werbegeschenke 331 Wertlosigkeit der Gegenleistung 364 f. Wertlosigkeit der getilgten Forderung 466 ff. Wettvertrag 503 wirtschaftlicher Vorteil − Bereicherung 199 − Freigebigkeit 381 − Gegenleistung 361 Wohnrecht 308, 312 Zeitpunkt der Entgeltbewertung 297 f. Zession 205, 249 Zuwendung − Abgrenzung zur Leistung 180 − Abgrenzung zur Verfügung 180 − abstrakte Zuwendungen 36 − Bereicherung 189 f. − causalose Zuwendung siehe dort − Definitionen 181 − Entreicherung 207 ff. − Freiwilligkeit 187 − im schenkungsrechtlichen Sinn 179 − kausale Zuwendungen 36, 174 − materielle Zuwendung siehe dort − Qualität der Vorteilsverschaffung 189 ff. − Schenkungssteuerrecht 122 f. − subjektive Anforderungen 214 ff. − Zweckbindung 201 ff. Zwangsvollstreckung − Anfechtbarkeit 269 ff. − Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung 288 Zweckschenkung 203, 303