Die Abstraktheit der Vollmacht: Zur mangelnden Begründbarkeit eines bürgerlichrechtlichen Lehrsatzes [1 ed.] 9783428553969, 9783428153961

Die Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht gilt im deutschen Bürgerlichen Recht als abstrakt von dem

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Die Abstraktheit der Vollmacht: Zur mangelnden Begründbarkeit eines bürgerlichrechtlichen Lehrsatzes [1 ed.]
 9783428553969, 9783428153961

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 487

Die Abstraktheit der Vollmacht Zur mangelnden Begründbarkeit eines bürgerlichrechtlichen Lehrsatzes

Von

Ruth Doerner

Duncker & Humblot · Berlin

RUTH DOERNER

Die Abstraktheit der Vollmacht

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 487

Die Abstraktheit der Vollmacht Zur mangelnden Begründbarkeit eines bürgerlichrechtlichen Lehrsatzes

Von

Ruth Doerner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

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© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15396-1 (Print) ISBN 978-3-428-55396-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85396-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wäre nicht ohne vielfältige Unterstützung erschienen. An erster Stelle danke ich herzlich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thomas Lobinger, für die immerwährende Diskussionsbereitschaft und den steten Ansporn, neue Fragen zu stellen und sich mit gefundenen Lösungen nicht zu schnell zufriedenzugeben. Herrn Prof. Dr. Christian Hattenhauer danke ich für die rasche Erstattung des Zweitgutachtens. Großer Dank gebührt der Studienstiftung des Deutschen Volkes, die mich während Studium und Promotion begleitet und auf vielfältige Art und Weise gefördert hat. „Promovieren mit Kind“ ist für die Studienstiftung eine Selbstverständlichkeit. So hatte ich das Glück, dass unsere Lebenssituation als Familie stets berücksichtigt und mir die Teilnahme an Sommerakademien und Workshops – auch zusammen mit meinem kleinen Sohn – ermöglicht wurde. Die Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung, Hamburg, hat die Drucklegung dieser Arbeit großzügig gefördert – vielen Dank. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Daniela Emde und Dr. Sören Wollin sowie bei meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen Dr. Hanna Olbrich, Prof. Dr. Felix Hartmann und Prof. Dr. Jan Felix Hoffmann für Anregungen und Kritik in unterschiedlichen Phasen der Entstehung dieser Arbeit. Meiner Mutter danke ich von Herzen für die Korrekturarbeiten – sie hat jede Zeile dieser Arbeit mehrfach gelesen. Mein Mann, Dr. Achim Doerner, hat mir stets den Rücken freigehalten und mich darin bestärkt, diese Arbeit fertig zu stellen. Ohne seine großartige Unterstützung wäre dies nicht gelungen – Danke! Darmstadt, im Juli 2018

Ruth Doerner

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Zum Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Präzisierung der Fragestellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 27 Kapitel 1

Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes im Stellvertretungsrecht 

30

A. Mandat und Vollmacht in Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts vor Laband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband . . . . . . . . . . 47 C. Die Rezeption der Thesen Labands  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 D. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 E. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Kapitel 2

Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht 

73

A. Der Vollmachtsbegriff des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB  . . . . 78 C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips . . . . 108 D. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Kapitel 3

Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz 

150

A. Die reine Innenvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Die Außenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Überprüfung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 D. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

10 Inhaltsübersicht Kapitel 4

Die handelsrechtlichen Vollmachten 

229

A. Die Prokura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 B. Die Handlungsvollmacht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 C. Die Vollmacht des Ladenangestellten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 D. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . 258 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Sach- und Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Die Abstraktheit der Vollmacht in der „Schrottimmobilien“Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Die Normen des Stellvertretungsrechts als Beleg für die Abstraktheit der Vollmacht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Zum Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Die nationale Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Die europäische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Präzisierung der Fragestellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . 27 Kapitel 1

Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes im Stellvertretungsrecht 

A. Mandat und Vollmacht in Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts vor Laband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Stand von Wissenschaft und Gesetzgebung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Gesetzgebung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anerkennung der direkten Stellvertretung in der Wissenschaft . . . II. Die Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis bei Zeiller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Trennung von Mandat und Vollmacht bei Brinz . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Trennung von Mandat und Vollmacht bei Jhering . . . . . . . . . . . . . 4. Die Schaffung der Prokura im ADHGB von 1861 . . . . . . . . . . . . . . . .

30

32 32 33 36 40 40 41 42 43

B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband . . . . . . 47 I. Die Argumentation Labands  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Die Selbstständigkeit der handelsrechtlichen Vollmachten mit gesetzlich festgelegtem Umfang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Die Selbstständigkeit der Vollmachten mit frei bestimmbarem Inhalt . 50 3. Die Entstehung der Vollmacht durch Bevollmächtigungsvertrag . . . . . 51 II. Die Ergebnisse Labands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Laband als „Kind seiner Zeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

12 Inhaltsverzeichnis C. Die Rezeption der Thesen Labands  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insbesondere: Das Verhältnis der beiden Rechtsgeschäfte ­Bevollmächtigung und Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Weiterführung bei Hupka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 60 63

D. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Trennung von Vollmacht und Grundgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abstraktheit der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Begründung des Teilentwurfs von Gebhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beratungen der 1. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beratungen der 2. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interpretation der Materialien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 64 65 67 68 68 70

56 56 57

E. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Kapitel 2

Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht 

73

A. Der Vollmachtsbegriff des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Eine isolierte Betrachtung der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Die Vollmacht als Mittel zum Zweck der Durchführung des Grund­ verhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche und äußere Abstraktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gesetzlichen Grundlagen der Abstraktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Funktion der Abstraktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Durchbrechungen des Abstraktionsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedingungszusammenhang, § 158 BGB, und Geschäftseinheit, § 139 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehleridentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Erlöschen der Vollmacht gemäß § 168 BGB . . . . . . . . . . . . . . d) Der Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Missbrauchsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Überschreitung interner Weisungen . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Abschluss eines nachteiligen Rechtsgeschäfts . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 79 80 80 83 84 87 87 90 91 92 93 94 94 97 99

Inhaltsverzeichnis13 5. Das Abstraktionsprinzip in der Zusammenschau mit anderen ­Rechtsinstituten und -prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abstraktion und Numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abstraktion und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Insbesondere: Abstraktion und Gutglaubensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100 100 103 105 107

C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips  108 I. Die Innenvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Entstehung und Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. Änderung der Interessenlage: Die zeitliche Dimension der Abstraktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5. Die Kundgabe der Innenvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6. Fazit: Die Abstraktheit als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Die Außenvollmacht   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Das Verhältnis zu dem Grundgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 d) Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Kritik an dem herrschenden Konzept der Außenvollmacht . . . . . . . . . 128 a) Die Außenvollmacht und der personenbezogene Vollmachts­ begriff des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Die Funktion der Außenvollmacht im Stellvertretungsrecht  . . . . . 132 c) Die Außenvollmacht in anderen europäischen Privatrechts­ ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Österreich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 cc) Frankreich und Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Die isolierte Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Die bewusste Erteilung einer Vollmacht ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . 141 a) Gefälligkeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Die vorsorglich erteilte (General-)Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Die Empfangsbevollmächtigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 d) Die Bevollmächtigung eines Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Die Erteilung einer Vollmacht in der irrigen Annahme eines ­wirksamen Grundverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 D. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

14 Inhaltsverzeichnis Kapitel 3

Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz 

150

A. Die reine Innenvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Die Innenvollmacht in Abhängigkeit zu dem Grundverhältnis . . . . . . . . . 152 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Umfang und Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Entbehrlichkeit der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Der Schutz des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Die Schutzbedürftigkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Die Haftung des falsus procurators nach § 179 BGB . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Die Haftung des Geschäftsherrn bei Vertretung ohne Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Der Schutz des Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Identifizierung des Haftungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Die Bevollmächtigung eines Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Die Bevollmächtigung durch einen Minderjährigen . . . . . . . . 168 cc) Der Dissens bezüglich des Grundgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) Die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts aus sonstigen ­Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Die Beendigung des Grundgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Die Änderung der vollmachtsrelevanten Interessen des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Begrenzung des Haftungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Der Grund der Haftung aus § 179 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Die falsus-procurator-Haftung als Tatbestand der Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Die falsus-procurator-Haftung als Haftung für die Nicht­ erfüllung eines eigenen Leistungsversprechens . . . . . . . . . . . . 174 b) Die Voraussetzungen der Haftung aus § 179 BGB . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Die Fragwürdigkeit der Verschuldensunabhängigkeit der Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Die teleologische Reduktion des § 179 Abs. 2 BGB . . . . . . . . 177 c) Der Schutz des Dritten bei einer verschuldensabhängigen falsus-procurator-Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 178 d) Der Regress des Vertreters gegenüber dem Geschäftsherrn . . . . . . 179 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Inhaltsverzeichnis15 B. Die Außenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Außenerklärung als Basis eines stellvertretungsrechtlichen ­Verkehrsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Verankerung der Außenerklärung in den §§ 170 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsscheinlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das rechtsgeschäftliche Erklärungsmodell Flumes  . . . . . . . . . . . . c) Die Kundgabe als rechtsgeschäftliche Risikoübernahme nach Lobinger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die ausdrückliche Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Auslegung der Erklärung des Geschäftsherrn als Angebot  . . . b) Die Annahme durch den Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Anfechtbarkeit der Außenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Widerruf der Außenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die konkludente Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das fahrlässige Verhalten des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Vollmachtsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konsequenzen für das Verhältnis der Außenerklärung zu dem Grundverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unabhängigkeit von dem Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Begrenzung der Risikoübernahme durch das Erfordernis der Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Anknüpfungspunkt für den guten Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Redlichkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Kenntnis des Dritten von Mängeln des Grundgeschäfts . . . . . d) Die Entbehrlichkeit der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Wahlrecht des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183 184 184 185 186 187 191 191 192 193 193 194 196 200 201 204 204 205 207 207 208 211 212 213 216

C. Überprüfung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 D. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Kapitel 4

Die handelsrechtlichen Vollmachten 

A. Die Prokura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Fixierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229 230 230 230 232

16 Inhaltsverzeichnis II. Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Entstehung und Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 B. Die Handlungsvollmacht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Genese von § 54 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 54 HGB im System der handelsrechtlichen Vollmachten . . . . . . . . . . . . III. Die Handlungsvollmacht in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die schlüssige Bevollmächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Stellung nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zum Telos von § 54 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240 241 243 244 244 246 247 248 250

C. Die Vollmacht des Ladenangestellten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Redlichkeit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Anfechtbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

251 254 255 255

D. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . 258 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Sach- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Einleitung A. Der Ausgangspunkt Vollmacht ist nach § 166 Abs. 2 S. 1 BGB die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Sie ist sowohl von dem Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem als auch von dem Rechtsgeschäft zu trennen, das der Bevollmächtigte (im Folgenden: der Stellvertreter) im Namen des Vollmachtgebers (im Folgenden: der Geschäftsherr) mit einem Dritten abschließt1. Man unterscheidet damit zwischen drei Rechtsgeschäften: der Bevollmächtigung als einseitigem Rechtsgeschäft, durch das der Stellvertreter Vertretungsmacht erhält, dem vertraglich begründeten Grundverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter und dem Vertretergeschäft, das der Stellvertreter mit dem Dritten im Namen des Geschäftsherrn abschließt. Die Vollmacht gilt darüber hinaus als abstrakt von dem Grundgeschäft2. Hiermit ist gemeint, dass im Fall der Unwirksamkeit des Grundgeschäfts die Vollmacht hiervon unberührt bleibt. Mängel des einen Rechtsgeschäfts sollen nicht auf das andere durchschlagen und der Umfang der Vollmacht kann weiter sein als die aus dem Grundverhältnis resultierende Handlungsbefugnis des Vertreters. Der Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht ist jedoch in der Literatur nicht unumstritten (siehe hierzu unter B.). Auch der Bundesgerichtshof hat sich jedenfalls hinsichtlich der reinen Innenvollmacht noch nicht abschließend dazu geäußert, ob die Vollmacht abstrakt ist3. In der jüngeren Vergan1  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1460 und 1480; Flume, Rechtsgeschäft, § 50 1, S. 839 f. und § 52 1, S. 859; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 25 und 27; Soergel/ Leptien, Vor § 164 Rn. 16; Staudinger/Schilken, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 33; Wolf/ Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 2 ff. 2  OLG Hamm, NJW 1992, 1174, 1175; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1487; Brox/ Walker, Allgemeiner Teil, Rn. 551; Handkommentar BGB/Dörner, § 167 Rn. 8; Palandt/Ellenberger, Einf v § 164 Rn. 2; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1238; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 25 f.; Leipold, BGB I, § 24 Rn. 16; Soergel/Leptien, Vor § 164 Rn. 39; Erman/G.Maier-Reimer, Vor § 164 Rn. 6; Jauernig/Mansel, § 167 Rn. 1; Staudinger/Martinek, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rn. 36 f.; Stadler, Allgemeiner Teil, § 30 Rn. 16; Staudinger/Schilken, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 33; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 21 ff.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 7; anders aber in jüngerer Zeit Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81 ff. 3  Siehe hierzu bereits Ganter, WM 2001, S. 195.

18 Einleitung

genheit hat das oberste bundesdeutsche Gericht in Zivilsachen jedoch gleich mehrfach den Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht stillschweigend durchbrochen (siehe hierzu unter I.). Das BGB selbst wiederum gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundverhältnis (siehe hierzu unter II.)

I. Die Abstraktheit der Vollmacht in der „Schrottimmobilien“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Die angesprochenen Urteile werden gemeinhin unter dem Schlagwort der Schrottimmobilien-Fälle4 subsumiert. Hierbei ging es vereinfacht dargestellt um den Kauf von Grund- oder Wohnungseigentum und die dazu gehörige Finanzierung. Die Käufer wurden jeweils durch eine Treuhandgesellschaft vertreten, die diese nicht nur umfassend beriet, sondern sowohl den Kauf als auch die Aufnahme des hierfür erforderlichen Darlehens im Namen der Käufer besorgte. Die Kaufobjekte stellten sich im Nachhinein als wertlos heraus. In den hieraus entstehenden Rechtsstreitigkeiten wurde unter anderem die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung und damit des durch die Treuhandgesellschaft abgeschlossenen Darlehensvertrags in Frage gestellt. Das gemeinsame Muster der Fälle soll anhand des folgenden Falles verdeutlicht werden, der im weiteren Verlauf der Arbeit noch mehrfach zur Veranschaulichung herangezogen wird: Beispielsfall 1 (Ausgangssachverhalt angelehnt an BGH, WM 2003, 1064): Die klagende Bank (im Folgenden: die Bank) verlangt von dem Beklagten (im Folgenden: der Geschäftsherr) die Rückzahlung eines Darlehens, das sie ihm zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung gewährt hat. Der Geschäftsherr hatte zuvor mit einer Treuhandgesellschaft (im Folgenden: die Vertreterin) einen umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrag zum Erwerb einer Eigentumswohnung geschlossen und dieser eine Vollmacht zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und Maßnahmen, die für den Eigentumserwerb erforderlich oder zweckdienlich erschienen, erteilt. Die Vertreterin schloss daraufhin namens des Geschäftsherrn mit einem Bauträger einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung ab und nahm zur Finanzierung des Kaufpreises bei der Bank ein Darlehen auf. Nachdem der Geschäftsherr das Darlehen zunächst bedient hatte, stellte er die Zahlung der Tilgungsraten nach einiger Zeit ein. Die Bank kündigte daraufhin den Darlehensvertrag fristlos. 4  OLG Frankfurt, Urteil vom 01. September 2010 – 23 U 164/09 –, juris; Mülbert/ Hoger, WM 2004, S. 2281 (in der Überschrift); Schmidt-Lademann, LMK 2005, S. 33.



A. Der Ausgangspunkt19 Variante 1: Der Geschäftsbesorgungsvertrag wurde nicht notariell beurkundet. Variante 2: Sowohl der Geschäftsbesorgungsvertrag als auch die Vollmacht wurden notariell beurkundet. Variante 3: Die Vertreterin legte der Bank vor Abschluss des Darlehensvertrags eine Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde vor. Variante 4: Die Vertreterin nahm bei der Bank zunächst nur einen Zwischenkredit auf. Die Bank wies den Geschäftsherrn schriftlich auf die Eröffnung eines Darlehenskontos durch die Vertreterin hin, erhielt hierauf jedoch keine Antwort. Später wurde der endgültige Darlehensvertrag durch die Vertreterin namens des Geschäftsherrn abgeschlossen und von der Bank vereinbarungsgemäß erfüllt (vgl. die Entscheidungen BGH, WM 2003, 1064 und BGH, NJW 2005, 2985).

In mehreren älteren Entscheidungen, denen die Variante 1 nachgebildet wurde, ging das Gericht von der Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags gemäß § 125 S. 1 BGB mangels Einhaltung der Formvorschrift des § 313 S. 1 BGB a. F. (§ 311 b Abs. 1 S. 1 BGB n. F.) aus5. Nach dem Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht bleibt dies ohne Folgen für die Vollmacht. Der Bundesgerichtshof erklärte die Vollmacht dennoch für nichtig und begründete dies mit der Anwendbarkeit des § 139 BGB. Das Gericht knüpfte damit an eine ständige Rechtsprechung an, der zufolge die Vollmacht mit dem Grundgeschäft nach dem Willen der Parteien zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB verbunden werden kann6. Damit wird aber der Grundsatz der Abstraktheit hinsichtlich der Wirksamkeit der Vollmacht im Ergebnis aufgehoben. Inzwischen geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in einem solchen Fall der Geschäftsbesorgungsvertrag einschließlich der darin enthaltenen Vollmacht wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG7 i. V. m. § 134 BGB nichtig ist8. Auch in Variante 2 wären danach die Vollmacht wie das Grundverhältnis nichtig. Das Gericht nimmt 5  BGHZ 102, 60, 62; BGH, NJW 1997, 312, 313; NJW 2002, 2325, 2326. Der Treuhandvertrag war beurkundungsbedürftig, weil er mit einem von den Beteiligten beabsichtigten Grundstückserwerb eine rechtliche Einheit bilden sollte. Zur Formbedürftigkeit siehe Palandt/Grüneberg, § 311b Rn. 18. 6  RGZ 81, 49, 51 f.; 94, 273, 275; 97, 273, 275; BGHZ 50, 8, 13; 102, 60, 62; 110, 363, 369; BGH, NJW 1980, 41, 43; NJW 1988, 697, 698; NJW 1990, 1721, 1723; siehe hierzu auch Ganther, WM 2001, 195 m. w. N. 7  Das Rechtsberatungsgesetz ist am 30. Juni 2008 außer Kraft getreten gemäß Art. 20 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2840, 2860) und wurde durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ersetzt. Nach heutiger Rechtslage wäre ein entsprechender Geschäftsbesorgungsvertrag nichtig gemäß § 134 BGB i. V. m. § 3 RDG. 8  BGH, WM 2001, 2260, 2262 f.; WM 2003, 247, 249; WM 2003, 918, 920; WM 2003, 1064, 1065; NJW 2004, 2736, 2737; NJW 2005, 664, 665; NJW 2005, 2985,

20 Einleitung

hier eine Fehleridentität an (freilich ohne diese so zu benennen). Offen bleiben kann damit die Frage, ob die Vollmacht und der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 139 BGB zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbunden sind, wie es die Berufungsgerichte noch vielfach angenommen hatten9. Im Ergebnis wird jedoch dasselbe erreicht, nämlich die Nichtigkeit der Vollmacht. Das ist an sich nicht problematisch, denn eine Fehleridentität stellt als solche keine Durchbrechung des Abstraktionsgrundsatzes dar. Der angebliche Verstoß der Vollmacht gegen das Rechtsberatungsgesetz ist jedoch zumindest insofern zweifelhaft, als sich das in Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG normierte Verbot gegen den Rechtsberater richtete, die Vollmacht jedoch auf der einseitigen Bevollmächtigungserklärung des Vertragspartners des Rechtsberaters beruht10. Der Bundesgerichtshof stützt seine Ansicht unter anderem auf das Argument, dass die Bevollmächtigung fester Bestandteil der von dem Treuhänder einseitig vorgegebenen Vertragsbedingungen sei11 und knüpft damit jedenfalls mittelbar doch wieder an die Argumentation zu § 139 BGB an. Insbesondere aber spreche der von dem Rechtsberatungsgesetz intendierte Schutz des Rechtssuchenden vor unsachgemäßer Beratung und Vertretung für eine Ausweitung der Nichtigkeitsfolge auch auf die Vollmacht12. Das Gericht stellt damit eine Gesamtbetrachtung von Grundgeschäft und Bevollmächtigung an. Mit dieser erkennbar ergebnisorientierten Argumentation wird der durch das Abstraktionsprinzip hergestellte Schutz der Bank als Drittem zugunsten des Schutzes des Geschäftsherrn ausgehebelt. Die Art und Weise, wie der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen nonchalant über die Abstraktheit der Vollmacht hinweg geht, wirft gleich mehrere Fragen auf. So handelt es sich bei der Aussage, dass der Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht der Anwendung von § 139 BGB und der Annahme einer Fehleridentität in dem Verhältnis Vollmacht – Grundgeschäft entgegensteht, bislang nur um eine Hypothese, die es zu verifizieren gilt. Sofern es sich hierbei tatsächlich um Durchbrechungen der Abstraktheit der Vollmacht handelt, stellt sich die Frage, zu welchem Zweck diese dann aufrechterhalten wird und ob sie nicht vielmehr entbehrlich ist. Die aufgeworfenen Zweifel können letztlich jedoch nur dann zufriedenstellend aufge2986; NJW 2006, 1952; ZIP 2007, 16, 17; NJW-RR 2009, 254, 257; NJW 2012, 3424, 3425; zur Nichtigkeit des Treuhandvertrags bereits BGHZ 145, 265, 269 ff. 9  Siehe die Hinweise auf die nicht veröffentlichten Urteile der Vorinstanzen in den Entscheidungen BGH, WM 2003, 918, 919 und BGH, WM 2003, 1064, 1065. 10  Edelmann, DB 2001, S. 687, 688; Ganter, WM 2002, S. 195; Sommer, NotBZ 2001, S. 28, 29. 11  BGH, WM 2003, 918, 920; WM 2003, 1064, 1065. 12  BGH, WM 2003, 247, 249; WM 2003, 918, 920; BGHZ 161, 15, 23; BGH, NJW 2005, 2985, 2986.



A. Der Ausgangspunkt21

löst werden, wenn über die Funktion und Wirkungsweise der Abstraktheit der Vollmacht Klarheit besteht.

II. Die Normen des Stellvertretungsrechts als Beleg für die Abstraktheit der Vollmacht? Vertreter der Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Grundverhältnis machen diese seit jeher an § 167 Abs. 1 BGB fest13. Danach erteilt der Geschäftsherr die Vollmacht durch eine einseitige Willenserklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten. Die Bevollmächtigung ist folglich ein eigenes, von dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zu trennendes Rechtsverhältnis. Indes wird keine Aussage darüber getroffen, wie sich beide Rechtsgeschäfte zueinander verhalten. Die Vorschrift normiert das Trennungs-, nicht auch das Abstraktionsprinzip. § 168 S. 2 und 3 BGB werden ebenfalls als Ausdruck der Abstraktheit der Vollmacht verstanden14. In der Tat folgt hieraus, dass die Vollmacht trotz Fortbestehens des Grundverhältnisses erlöschen kann. Allerdings ist die jederzeitige Widerrufbarkeit der Vollmacht nur eine logische Konsequenz ihrer Funktion als Bindeglied zwischen dem rechtsgeschäftlichen Willen des Geschäftsherrn und der Verpflichtung desselben15. Will der Geschäftsherr durch den Stellvertreter nicht mehr vertreten werden, muss er dies für die Zukunft jederzeit wirksam unterbinden können und zwar unabhängig von einer Weitergeltung des Grundverhältnisses wie beispielsweise einem Arbeitsvertrag. Als Beleg für die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht wird darüber hinaus § 165 BGB herangezogen16. Die Vorschrift sieht vor, dass ein in der Geschäftsfähigkeit Beschränkter, gemäß § 106 BGB ein Minderjähriger, als Stellvertreter rechtsgeschäftlich handeln kann. Hieraus wird geschlossen, dass die Bevollmächtigung von dem Auftrag unabhängig sein muss, da der Auftrag wiederum als nicht lediglich vorteilhaftes Geschäft dem Zustimmungserfordernis des § 107 BGB unterliegt, während die Bevollmächtigung selbst als einseitiges, dem Minderjährigen nicht zum Nachteil gereichendes Rechtsgeschäft unabhängig von einer Einwilli13  Crome, System, §  104, S.  460; Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S. 229; Soergel/Leptien, Vor § 164 Rn. 40; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 164 Rn. 101. 14  Crome, System, § 104, S. 460 f.; Staudinger / Schilken, Vorbem. zu §§ 164  ff. Rn. 34. 15  Flume, Rechtsgeschäft, § 51 2, S. 845. 16  Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 26; Wolf / Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn.  8; a. A. Frotz, Verkehrsschutz, S. 330; Medicus / Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 949.

22 Einleitung

gung des gesetzlichen Vertreters wirksam ist, § 131 Abs. 2 S. 2 BGB. Dieser Schluss ist indes nicht zwingend, folgt doch aus § 165 BGB zunächst nur, dass auch ein Minderjähriger als Stellvertreter im Sinne der §§ 164 ff. BGB fungieren kann17, während eine Stellvertretung durch Geschäftsunfähige ausgeschlossen wird18. Die Vorschrift enthält dagegen keine Aussage darüber, ob im Fall der Unwirksamkeit des Auftrags wegen fehlender Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Vollmacht dennoch Bestand haben soll. Auch die Materialien zu § 165 BGB lassen einen solchen Schluss nicht zu. Als Begründung der Regelung wird lediglich angeführt, dass eine Beschränkung in der Geschäftsfähigkeit des Vertreters nicht schade, da sich der Zweck der Beschränkung allein auf die eigenen Angelegenheiten des Betroffenen beziehe19. Die Vorschrift ist insoweit vor dem Hintergrund der übergeordneten Diskussion um die Zulässigkeit der direkten Stellvertretung und der damit verbundenen Frage zu verstehen, ob im Hinblick auf Wirksamkeitshindernisse die Person des Vertreters oder die des Vertretenen maßgeblich ist20. Dagegen steht die Regelung des § 168 S. 1 BGB, wonach sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis richtet, der Annahme der Abstraktheit entgegen21. Denn die Vorschrift bringt die Vollmacht jedenfalls hinsichtlich ihres Erlöschens22 unmissverständlich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu dem ihr zugehörigen Grundverhältnis23. Endet dieses, erlischt damit in der Regel auch die Vollmacht. Zu Recht wird daher die Frage aufgeworfen, warum die Vollmacht in ihrem Erlöschen, nicht aber in ihrer Entstehung von dem Grundverhältnis abhängig sein soll24. 17  Zur Problematik der Vorschrift hinsichtlich der Bindungswirkung des durch den Minderjährigen abgeschlossenen Vertretergeschäfts: Hoffmann, JZ 2012, S. 1156, 1158. 18  Thomale, Leistung, S. 73, sieht § 165 BGB insofern als Schutznorm zugunsten des Vertretenen an. 19  Motive I, S. 227 (Mugdan I, S. 478). 20  Siehe auch Motive I, S. 226 f. (Mugdan I, S. 477 f.). 21  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81, 84. Jedenfalls einen Widerspruch/eine Durchbrechung bejahend: Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1487; Hupka, Vollmacht, S. 162; Großkommentar HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 39. Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 9 sehen in § 168 S. 1 eine Relativierung des Abstraktionsprinzips. A. A. Schreindorfer, Verbraucherschutz, S. 141, nach dem sich in § 168 Satz 1 BGB das Abstraktionsprinzip niedergeschlagen habe, da die Norm ansonsten entbehrlich sei. 22  Gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit der Vorschrift auf das Verhältnis von Vollmacht und Grundverhältnis insgesamt Lieder, Jus 2014, S. 393, 395; Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 202. 23  Siehe hierzu im Einzelnen unten in Kapitel 2 unter B. II. 4. c). 24  Großkommentar HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 39.



B. Zum Stand der Diskussion23

Die Abstraktheit der Vollmacht kann somit – im Gegensatz zu der Trennung zwischen Vollmacht und Grundgeschäft – den Stellvertretungsregeln des BGB nicht zweifelsfrei entnommen werden.

B. Zum Stand der Diskussion I. Die nationale Perspektive Die Diskussion um die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Recht wurde Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts mit Vehemenz geführt25; sie hat seitdem aber deutlich an Bedeutung verloren. Insbesondere in der Ausbildungs- aber auch in der Kommentarliteratur stellt man die Abstraktheit der Vollmacht heute überwiegend als integralen Bestandteil der deutschen Stellvertretungsdogmatik dar26. Ihr werden dabei allgemein zwei Funktionen zugesprochen: der Schutz des Vertreters und der Schutz des Dritten27. Zum einen soll der Bevollmächtigte vor einer Haftung aus § 179 BGB wegen solcher Mängel geschützt werden, die aus dem Innenverhältnis zum Vollmachtgeber resultieren28. Zum anderen soll der Dritte in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertragsschlusses mit dem Vollmachtgeber geschützt und nicht mit den Interna des Grundverhältnisses belastet werden29. Dieser Schutz erstrecke sich reflexartig auch auf die Parteien des Grundverhältnisses, die damit keine Einmischung von außen in ihr Innenverhältnis befürchten müssten30. Auch die Kritiker der Abstraktheit der Vollmacht erkennen ein Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs an. Sie halten den Abstraktionsgrundsatz jedoch nicht für das geeignete Mittel, um den im Stellvertretungsrecht erforderlichen Verkehrsschutz herzustellen31. 25  Curtius, AcP 58 (1875), S. 69, S. 78 ff.; Dniestrzanski, Aufträge, S.  87 ff., 107 ff.; Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S. 229 f.; Hupka, Vollmacht, S.  155 ff.; Kipp, ZHR 57 (1906), S. 214 ff.; Leonhard, Allgemeiner Teil, § 78, S. 313 f.; Mitteis, Stellvertretung, S.  183 ff.; Rosenberg, Stellvertretung, § 23, S. 753 ff.; Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 9 ff.; Wellspacher, Vertrauen, S. 79 ff.; sowie die Nachweise unten in Kapitel 1 unter C. 26  Siehe hierzu die Nachweise in Fn. 2. 27  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1487; Soergel/Leptien, Vor § 164 Rn. 40; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 164 Rn. 101. 28  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1487; Knoche, JA 1991, S. 281, 282. 29  Petersen, Jura 2004, S. 829, 831; v.Tuhr, Allgemeiner Teil, § 85, S. 386; siehe auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 184, S. 1137, die die Abstraktheit der Vollmacht u. a. mit dem Argument stützen, ansonsten „hätte es der Einführung von schärfer ausgeprägten Schutzbestimmungen für gutgläubige Dritte bedurft“. 30  Soergel/Leptien, Vor § 164 Rn. 40; Lüderitz, JuS 1967, S. 765, 767. 31  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S.  81, 88; Frotz, Verkehrsschutz, S.  330 ff.; Pawlowski, JZ 1996, S. 125, 127; Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 13 ff.

24 Einleitung

So lehnt Frotz die Abstraktheit der Vollmacht als Mittel des Verkehrsschutzes ab: Während bei der reinen Innenvollmacht mangels eines Kundgebungsaktes ein vertretungsrechtlicher Verkehrsschutz nicht in Betracht komme32, könne man den gebotenen Schutz des Adressaten der kundgegebenen Innenvollmacht und der Außenvollmacht mit den allgemeinen Regeln, insbesondere über die Unanwendbarkeit des § 139 BGB, erreichen33. Müller-Freienfels weist darauf hin, dass die Abstraktheit der Vollmacht auch den bösgläubigen Dritten, der von der internen Einschränkung der Vertretungsmacht weiß, schützt und insofern einen überschießenden Verkehrsschutz gewährleistet34. Er greift damit einen Kritikpunkt auf, der das Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht bereits seit den Anfängen der Debatte im 19. Jahrhundert begleitet35. Zuletzt hat Beuthien in einem Beitrag aus dem Jahr 2000 die Frage gestellt, ob „im Stellvertretungsrecht ein Abstraktionsprinzip“ gilt und die Frage im Ergebnis verneint36. Im Innenverhältnis bildeten Auftrag und Vollmacht regelmäßig eine funktionale Geschäftseinheit, die der Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Auftrag im Entstehen und Erlöschen entgegenstehe37. Die Abstraktheit der Vollmacht sei damit konstruktiv zu weit gehend. Es reiche aus, die Vollmacht als „rechtlich eigenständige Zuständigkeit“38 innerhalb des Auftragsvertrags zu verstehen. In ihrem Umfang kann die Vertretungsmacht damit auch nach der Theorie Beuthiens von der Geschäftsbesorgungspflicht abweichen, so dass eine Korrektur durch die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht erforderlich bleibt39. Hinsichtlich des Entstehens und Erlöschens der Vollmacht will Beuthien den erforderlichen Verkehrsschutz mittels der §§ 170 ff. BGB herstellen. Diese versteht er als Tatbestände der Rechtsscheinhaftung, basierend auf der Kundgabe der Vollmacht, die ein „Verhandlungs- und Vollmachtsvertrauen“40 schafften. Damit sieht sich das Konzept Beuthiens jedoch der Kritik ausgesetzt, die an der Lehre von der Rechtsscheinhaftung im Stellvertretungsrecht insgesamt geübt wird41. 32  Frotz,

Verkehrsschutz, S. 330. Verkehrsschutz, S. 334. 34  Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 171. 35  Siehe hierzu unten in Kapitel 1 unter A. II. 4. sowie unter C. I. 36  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81 ff. 37  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 86. 38  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 100. 39  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 100. 40  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 98. 41  Flume, Rechtsgeschäft, § 49 2, S. 825 ff.; Frotz, Verkehrsschutz, S. 279; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 237 ff. Weniger grundsätzlich, aber dennoch mit kritischem Blick auch Münchener Kommentar HGB/Krebs, § 54 Rn. 4 f. 33  Frotz,



B. Zum Stand der Diskussion25

Den Kritikern ist gemein, dass sie deutlicher als die herrschende Meinung zwischen Innen- und Außenvollmacht unterscheiden. Besonders deutlich wird dies bei Medicus / Petersen, welche die Geltung des Abstraktionsprinzips allein für die reine Innenvollmacht, also für eine Innenvollmacht, die nicht nach außen mitgeteilt wurde, anzweifeln. Sowohl der Regelung des § 168 S. 1 BGB als auch dem typischen Parteiwillen entspreche es eher, die Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft im Erlöschen auf das Entstehen der Vollmacht auszuweiten42. Die Kritik an der herrschenden Meinung teilt auch Joost. Mittels der Abstraktheit werde die Vollmacht in ihrem Entstehen von dem Grundverhältnis abgekoppelt und damit der Verkehr geschützt, gleichzeitig aber dieser Schutz dem Verkehr durch die Regelung des § 168 S. 1 BGB hinsichtlich des Erlöschens der Vollmacht versagt. Dieser Widerspruch sei indes „nicht zu rechtfertigen“43. Jedenfalls für die Innenvollmacht will Joost daher eine Geschäftseinheit im Sinne von § 139 BGB zwischen Vollmacht und Grundgeschäft anerkennen44. Flume wiederum spricht von einem „eigenartigen Abhängigkeitsverhältnis“45 der Vollmacht von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis46. Dabei sei zwischen der internen und der externen Vollmacht (Innen- und Außenvollmacht) zu unterscheiden. Für die Innenvollmacht entfalte die Trennung vom Grundgeschäft keine besondere Bedeutung. In der Regel liege Fehleridentität vor. Außerdem werde der Inhalt der Innenvollmacht regelmäßig durch das zugrunde liegende Rechtsverhältnis bestimmt, so dass rechtliches Können und rechtliches Dürfen nur selten voneinander abwichen. Dagegen misst Flume dem Abstraktionsprinzip für die Außenvollmacht mehr Bedeutung zu. Allerdings sei auch diese „in eigentümlicher Weise mit dem Innenverhältnis (…) verknüpft“47, so zum Beispiel durch die Regelung des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Angesicht der immer wieder aufflackernden, jedoch meist in Ansätzen verharrenden Kritik an dem Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht und der zahlreichen Durchbrechungen desselben in der Praxis muss es verwundern, dass bislang eine umfassende Untersuchung dieses Grundsatzes in der jüngeren stellvertretungsrechtlichen Literatur fehlt. Diese Lücke will die vorliegende Arbeit schließen. Ihre Aufgabe besteht auch darin, das „eigenartige Abhängigkeitsverhältnis“ zwischen Vollmacht und Grundgeschäft zu 42  Medicus/Petersen,

Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 949. HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 39. 44  Großkommentar HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 40 unter Verweis auf Frotz, Verkehrsschutz, S. 331. 45  Flume, Rechtsgeschäft, § 50 1, S. 841. 46  Siehe zum Folgenden: Flume, Rechtsgeschäft, § 50 1 und 2, S. 841 ff. 47  Flume, Rechtsgeschäft, § 50 3, S. 843. 43  Großkommentar

26 Einleitung

präzisieren und herauszustellen, worin genau diese Abhängigkeit besteht. Die Untersuchung der Funktion und der Wirkungsweise des Abstraktionsprinzips im Stellvertretungsrecht erfolgt dabei getrennt jeweils für die Innen- und die Außenvollmacht.

II. Die europäische Perspektive Auch mit Blick auf Europa kann die Frage nach der Abstraktheit der Vollmacht keinesfalls als geklärt gelten. Die bisherigen Modellgesetze widmen sich der Frage nach dem Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundverhältnis nur am Rande. Die Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (Principles of European Contract Law, PECL) und der Gemeinsame Referenzrahmen für das Europäische Privatrecht (Draft Common Frame of Reference, DCFR) trennen zwischen der Vollmacht im Außenverhältnis und dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter. Laut Kommentar zu Art 3:101 PECL gehen die Verfasser jedoch davon aus, dass die Vollmacht nicht völlig losgelöst von dem Innenverhältnis besteht, sondern von diesem beeinflusst wird. Im DCFR sind die Regeln zur Stellvertretung (representation) und die Vorschriften zum Auftrag (mandate) in zwei unterschiedlichen Kapiteln enthalten; im Gegensatz zu den PECL fehlt hier ein Hinweis auf das Verhältnis von Innen- und Außenverhältnis. In dem jüngsten Kommissionsvorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht48 ist das Stellvertretungsrecht erst gar nicht erfasst49. Jedenfalls in der bundesdeutschen Diskussion hat diese Lücke zu erheblicher Kritik geführt50 – eine gesamteuropäische Kodifikation des Stellvertretungsrechts, und sei es auch als optionales Instrument, erscheint daher nicht völlig fern liegend. Wie das Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundgeschäft dabei im Einzelnen gefasst wird, kann nach heutigem Stand nicht als geklärt gelten. Dass sich die bisherigen Modellgesetze diesbezüglich eher bedeckt halten, hat seinen guten Grund: Die nationalen Rechtsordnungen innerhalb Europas beantworten diese Frage uneinheitlich51. Die Unterschiede beginnen bereits bei der Heraustrennung der Vollmacht aus dem Auftrag (historisch: dem Mandat). Während einige europäische Mitgliedsstaaten (u. a. Italien, Griechenland und die Niederlande) nach deutschem Vorbild zwischen Vollmacht und Auftrag trennen und 48  KOM(2011)

635 endg. hierzu den Erwägungsgrund 27 des Verordnungsentwurfs. 50  Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, S. 269, 271  f.; Herresthal in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Entwurf, S. 85, 95  ff.; Jansen, ZEuP 2012, S. 741, 752 ff.; Kleinschmidt, RabelsZ 75 (2011), S. 497, 512 f.; Looschelders, AcP 212 (2012), S. 581, 585; Stadler, AcP 212 (2012), S. 473, 498. 51  Siehe zu Folgendem die Anmerkungen zu Art. 3:101 PECL und die Notes zu Art. II-6:101 DCFR. 49  Siehe



C. Präzisierung der Fragestellung und Gang der Untersuchung 27

zum Teil auch abstrahieren, fassen die Kodifikationen anderer Mitgliedsstaaten (u. a. Spanien und – bis 2016 – auch Frankreich) Vollmacht und Auftrag weiterhin zusammen. Die Literatur hat indes auch hier die Trennung entwickelt; die Abstraktion wird jedoch nur in Ansätzen durchgeführt52. Sowohl die nationale als auch die europäische Perspektive geben damit Anlass, den Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht auf den Prüfstand zu stellen.

C. Präzisierung der Fragestellung und Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, den Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht auf seine Funktion und Wirkungsweise hin zu untersuchen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob der im Stellvertretungsrecht erforderliche Verkehrsschutz der Abstraktheit der Vollmacht bedarf oder ob dieser nicht vielmehr in sich schlüssiger durch den Gutglaubensschutz gewährleistet werden kann. Letztendlich wird es dabei auch darauf ankommen, welches System weniger Durchbrechungen unterworfen ist53. Die Untersuchung beschränkt sich – wie der Titel bereits nahe legt – auf die Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht. Die gesetzliche und die organschaftliche Vertretung werden nicht behandelt. Das Gesetz legt fest, wann die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters entsteht, erlischt und welche Rechtsgeschäfte sie erfasst. Sie steht damit in keiner Beziehung zu einem zwischen den Parteien im Hinblick auf die Fremdgeschäftsführung geschlossenen Rechtsverhältnis. Die Frage nach der Abstraktheit stellt sich daher nicht. Die organschaftliche Vertretung wiederum unterscheidet sich sowohl von der gesetzlichen Vertretung als auch von der Vertretung durch einen Bevollmächtigten dadurch, dass die juristische Person ausschließlich durch ihrer Organe handeln kann. Es geht, um mit K. Schmidt zu sprechen, im Unterschied zu der Vertretung durch einen Bevollmächtigten nicht um Drittzurechnung, sondern um Eigenzurechnung54. Die Vertretungsmacht folgt kraft Gesetz aus der Stellung als Organ; eines gesonderten rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigungsaktes bedarf es nicht. Ihr Umfang im Außenverhältnis ist gesetzlich umschrieben und unbeschränkbar, während man die Geschäftsführungsbefugnis des Vertretungsorgans im Innenverhältnis grundsätzlich ein52  Note I 1 zu Art. II-6:101 DCFR; siehe für die Entwicklung in Frankreich: Hübner/Constantinesco, Französisches Recht, S. 171; Kleinschmidt, ZEuP 2001, S. 697, 700 f.; Müller-Freienfels, Einheit und Vielfalt, S. 266. 53  Für die Paralleldiskussion zum sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip Stadler, Abstraktion, S. 2 und S. 82 ff. 54  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I, S. 248.

28 Einleitung

schränken kann55. Darin gleicht die Vertretungsmacht des Organs zwar der Prokura, sie steht aber anders als die rechtgeschäftlich erteilten Vollmachten nicht in einem „Abhängigkeitsverhältnis“56 zu dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter. Darüber hinaus macht es bereits die Auseinandersetzung mit der Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilter Vertretungsmacht erforderlich, das Stellvertretungsrecht in seinen verschiedensten Facetten – einschließlich der so genannten Rechtsscheinvollmachten, der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht und der falsus-procurator-Haftung – mit einzubeziehen. Die Beschränkung auf die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht dient daher nicht zuletzt auch der Konzentration und der inhaltlichen Stringenz der Arbeit. Mit dem Ziel einer ersten Annäherung an die Fragestellung beleuchtet das erste Kapitel die Entwicklung des Abstraktionsgedankens im Stellvertretungsrecht aus rechtshistorischer Perspektive. Es wird sich zeigen, dass die Erkenntnisse aus der historischen Betrachtung im darauf folgenden dogmatischen Teil der Arbeit in mehrfacher Hinsicht dem besseren Verständnis der untersuchten Normen dienen können; Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik werden insofern als sich ergänzende Disziplinen verstanden. Ein Vergleich mit dem sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip soll dabei helfen, ein vertieftes Verständnis von der Funktion der Abstraktheit und ihrer Wirkungsweise gerade auch im Wechselspiel mit anderen Rechtsgrundsätzen zu schaffen. Auf dieser Grundlage untersucht das zweite Kapitel eingehend die Bedeutung des Abstraktionsgrundsatzes für die Innen- und die Außenvollmacht. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, wie sich die Abstraktheit der Vollmacht jeweils konkret auswirkt, welchen Zwecken sie dient und ob sie vor diesem Hintergrund gerechtfertigt erscheint. Der Abrundung des Bildes dienen Überlegungen zu der isolierten Vollmacht. Dabei wird sich zeigen, dass die Abstraktheit der Vollmacht hinsichtlich der Innenvollmacht eine sehr geringe, hinsichtlich der Außenvollmacht dagegen eine erhebliche Rolle spielt. Allerdings erweisen sich die Außenvollmacht selbst wie auch die Abstraktheit der Außenvollmacht als zwei Wege, den im Stellvertretungsrecht erforderlichen Verkehrsschutz herzustellen. Daneben tritt der Schutz durch §§ 171–173 BGB. Insgesamt bietet der stellvertretungsrechtliche Verkehrsschutz damit ein verworrenes, zum Teil in sich widersprüchliches Bild. Der Verdacht, dass die Abstraktheit der Vollmacht möglicherweise entbehrlich sein könnte, wird hierdurch jedenfalls erhärtet. In einem Gedankenexperiment wird daher im dritten Teil der Arbeit ein Gegenmodell zu der Abstraktheit der Vollmacht entworfen und auf seine 55  §§ 82

AktG, 37 GmbHG, 27 GenG. Rechtsgeschäft, § 50 1, S. 841.

56  Flume,



C. Präzisierung der Fragestellung und Gang der Untersuchung 29

Tauglichkeit hin untersucht. Dieses Modell beruht auf der Anerkennung der Außenerklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters als rechtsgeschäftliche Zusicherung gegenüber dem gutgläubigen Dritten. Der im Stellvertretungsrecht erforderliche Verkehrsschutz wird damit einheitlich mittels des Gutglaubensschutzregimes der §§ 170 ff. BGB hergestellt und anders als die Abstraktheit der Vollmacht privatautonom legitimiert. Im vierten Teil setzt sich die Arbeit mit den handelsrechtlichen Vollmachten auseinander. Hier schließt sich gleichsam der Kreis, der im historischen Teil seinen Anfang nimmt. Denn im Handelsrecht wurde der Gedanke der Abstraktheit der Vollmacht maßgeblich entwickelt und von hier aus in das Bürgerliche Recht übertragen. Die zentrale Frage dieses letzten Kapitels lautet daher, ob sich die für die einfache bürgerlich-rechtliche Vollmacht gewonnenen Erkenntnisse auf die Prokura, die Handlungsvollmacht und die Vollmacht des Ladenangestellten übertragen lassen, so dass ein kohärentes Verständnis von der Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilter Vertretungsmacht entsteht.

Kapitel 1

Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes im Stellvertretungsrecht Die Vollmacht wurde nicht seit jeher als abstrakt von dem Grundgeschäft gedacht. Die Abstraktion der Vollmacht ist vielmehr ein Produkt der Rechtswissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie wurde, um mit den Worten Dölles zu sprechen, von Paul Laband „entdeckt“57, der zumindest als erster deutscher Rechtswissenschaftler58 ausdrücklich die These von der rechtlichen Unabhängigkeit der Vollmacht vom Grundgeschäft vertrat59. Vor dem Erscheinen des Aufsatzes Labands im Jahr 1866 war dem Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft keine große Aufmerksamkeit zugekommen. Die Begriffe Mandat und Vollmacht wurden vielmehr synonym gebraucht oder doch jedenfalls als zwei Seiten eines Verhältnisses aufgefasst60. Der Trennung von Mandat und Stellvertretung ging im 19. Jahrhundert die Anerkennung der direkten Stellvertretung voraus. Das römisch-kanonische Recht kannte nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit eines rechtlichen Handelns für Dritte61. Im Grundsatz galt „alteri stipulari nemo potest“62 – frei übersetzt: Niemand kann sich für einen anderen etwas versprechen lassen. Die damit verbundene grundsätzliche Ablehnung der direkten Stellvertretung im Rechtsverkehr wurde in ihrem Kern durch das gesamte Mittelalter hindurch tradiert und beanspruchte bis in das 17. Jahrhundert hinein Geltung63. 57  Dölle,

Juristische Entdeckungen, B 3 f. Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 160 ff., findet sich der Hinweis, dass bereits vor dem Erscheinen von Labands Aufsatz der Däne A.S. Orsted und der Holländer G. Diephuis beide eine weitreichende Trennung von Vollmacht und Auftrag vertreten haben; dies wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt. 59  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 203 ff., vgl. hierzu auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 184, S. 1136, Fn. 38; Flume, Rechtsgeschäft, § 50 1, S. 840; Staudinger/Schilken, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 12; HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 164– 181 Rn. 6. 60  Müller-Freienfels, Abstraktion, S.  157 f. 61  Bauer, Entwicklung, S.  2  ff.; Buchka, Stellvertretung, S.  1  ff.; HKK-BGB/ Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 3. 62  Ulpian, Digesten 45,1,38,17, vgl. auch Buchka, Stellvertretung, S. 1. 63  Zwar haben bereits die Juristen der eleganten Jurisprudenz sowie des Usus modernus pandectarum vielfach Ausnahmen von dem Grundsatz des alteri stipulari nemo potest zugelassen und diesem ein gegenläufiges Gewohnheitsrecht entgegenge58  Bei



Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes31

Erst das Vernunftrecht der Neuzeit brach mit der Bindung an das römische Recht64. Namentlich Hugo Grotius und Christian Wolff begründeten eine allgemeine Lehre von der Stellvertretung als Teil einer auf dem Gedanken der Maßgeblichkeit des Willens und der Willenserklärung fußenden Vertragslehre65. Beide gingen davon aus, dass ein Vertrag, den der Vertreter im Namen eines Dritten abschließt, den Dritten unmittelbar bindet66. Die direkte Stellvertretung wurde allerdings nicht als eigenständiges Rechtsinstitut, sondern vielmehr weiterhin als Teil des Mandats begriffen67. Mit der wissenschaftlichen Anerkennung der direkten Vertretung im rechtsgeschäftlichen Verkehr wurde auf rechtstheoretischer Ebene nachvollzogen, was in Wirtschaft und Handel bereits Realität war. Denn die im hohen Mittelalter einsetzende Entstehung von Großgewerben, der zunehmende Fernhandel sowie die Bildung von Fernhandelsgesellschaften erforderten den Einsatz von Stellvertretern68. Von dieser tatsächlichen Entwicklung getragen ging die direkte Stellvertretung in das Gewohnheitsrecht des 17. Jahrhunderts ein69. In den Kodifikationen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts wurde die direkte Stellvertretung – als Teil des Mandats – auch im geschriebenen Recht anerkannt. Mit der Historischen Rechtsschule rührte sich im 19. Jahrhundert ein letztes Mal Widerstand gegen diese Anerkennung70. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte sich die Theorie der direkten Stellvertretung endgültig durchsetzen. Bis dahin war die wissenschaftliche Diskussion maßgeblich von der Frage geprägt, wie ein rechtsgeschäftliches Handeln für Dritte mit der herrschenden Vorstellung vereinbar sei, dass jede rechtsgeschäftliche Obligation auf dem subjektiven halten; beides geschah jedoch immer ausgehend von und in Auseinandersetzung mit dem römischen Recht; vgl. hierzu Buchka, Stellvertretung, S. 151 ff.; Mitteis, Stellvertretung, S. 79; Müller, Direkte Stellvertretung, S. 118; Schlosser, Privatrechtsgeschichte, Grundzüge, § 13 Rn. 68. 64  Bauer, Entwicklung, S. 49 ff.; Müller, Direkte Stellvertretung, S. 124 ff.; MüllerFreienfels, Abstraktion, S.  146 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 275. 65  Grotius, Buch II, Kapitel XI, XVIII 2; Chr. Wolff, §§ 426, 553; siehe hierzu auch HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 3. 66  Grotius, Buch II, Kapitel XI, XVIII 2; Chr. Wolff, §§ 426, 553; siehe hierzu auch Coing, Privatrecht, § 83, S. 429; Dniestrzanski, Aufträge, S. 19; Müller, Direkte Stellvertretung, S. 130. 67  Dölle, Juristische Entdeckungen, B4. 68  Coing, Privatrecht I, § 83, S. 424  f.; Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 144; HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 3. 69  Dietz, Entwicklung, S. 18  ff.; Dölle, Juristische Entdeckungen, B 4; Mitteis, Stellvertretung, S. 78. 70  Mühlenbruch, Cession, § 12, S. 111 ff.; Puchta, Pandekten, § 273, S. 419 f. und § 275, S. 422 f.; Vangerow, Pandekten, § 608, S. 294; siehe hierzu auch Müller, Direkte Stellvertretung, S. 155; Müller-Freienfels, Einheit und Vielfalt, S. 10.

32

Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

Willen des Verpflichteten basiert71. Erst im Verlauf dieser Auseinandersetzung über die Stellvertretung im 19. Jahrhundert entwickelte sich überhaupt ein eigenständiger Begriff der „Vollmacht“. Das römisch-kanonische Recht kannte dagegen einen vom Mandat verschiedenen Begriff der Vollmacht nicht72. Laband konnte mithin an eine weitgehend gefestigte Akzeptanz der direkten Stellvertretung in der Wissenschaft sowie an die Kodifikation derselben im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch anknüpfen. Für die hier behandelte Frage nach der Abstraktheit der Vollmacht ist die historische Entwicklung des Stellvertretungsrechts insoweit von Interesse, als sie dem Verständnis der Thesen Labands von der rechtlichen Unabhängigkeit der Vollmacht vom Grundgeschäft dienen kann. Im Folgenden soll daher in drei Schritten untersucht werden, welche Entwicklungen in der Rechtswissenschaft Labands Arbeit unmittelbar vorausgegangen waren, wie Laband selbst die rechtliche Unabhängigkeit der Vollmacht begründete und inwieweit seine Thesen in Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Eingang gefunden haben. Dabei wird weder die Geschichte des Stellvertretungsrechts insgesamt noch die gesamte historische Entwicklung hin zu der gedanklichen Trennung von Vollmacht und Grundgeschäft dargestellt, da hierzu bereits Arbeiten existieren73. Vielmehr soll der Fokus darauf gerichtet werden, wie sich die These von der Abstraktheit der Vollmacht als Folge der Anerkennung der Trennung beider Rechtsgeschäfte entwickelt hat.

A. Mandat und Vollmacht in Rechtswissenschaft und Gesetzgebungdes 19. Jahrhunderts vor Laband I. Zum Stand von Wissenschaft und Gesetzgebung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte für die Frage nach dem Verhältnis der Vollmacht zu dem ihr zugrunde liegenden Grundverhältnis noch keine neue Erkenntnis. Allenfalls deutete sich die spätere Trennung in einzel71  Kuntze, Obligation, S. 264; Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 184; Puchta, Pandekten, § 273, S. 419 ff.; Vangerow, Pandekten, § 608, S. 294 m.w.N.; vgl. auch Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 152. 72  Curtius, AcP 58 (1875), S. 69, 79; Windscheid, Pandekten1, § 74, Anm. 1. 73  Albrecht, Vollmacht und Auftrag, S. 32 ff.; Grenzebach, Rechtsvereinheitlichung, S.  27 ff.; Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 156 ff. Zur Geschichte der direkten Stellvertretung vgl. Buchka, Stellvertretung, S. 1 ff. sowie die Arbeiten von Bauer, Entwicklung, passim und Müller, Direkte Stellvertretung, passim.



A. Mandat und Vollmacht in Rechtswissenschaft und Gesetzgebung33

nen Vorschriften der naturrechtlich geprägten Kodifikationen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts an. Das preußische allgemeine Landrecht von 1794, der französische Code Civil von 1804 und das österreichische ABGB von 1811 kannten die direkte Stellvertretung bei Rechtsgeschäften, wenn sie diese auch noch gemeinsam mit dem Mandat regelten (siehe hierzu unten unter A.I.1). Die wissenschaftliche Diskussion, die mit dem Erscheinen von Buchkas Werk über „Die Lehre von der Stellvertretung bei Eingehung von Verträgen“ von 1852 einsetzte74 und sich im Kern mit dem Wesen der direkten Stellvertretung befasste, legte aber den Grundstein für die Herausbildung eines vom Mandat getrennten Begriffs der Vertretung (siehe hierzu unten unter A.I.2). In den Fokus der Wissenschaft rückte die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (siehe hierzu unten unter A.II). 1. Die Gesetzgebung Ungeachtet der wissenschaftlichen Debatte um das Wesen der direkten Stellvertretung war dieses Institut bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in allen bedeutenden Zivilrechtskodifikationen anerkannt. Hier sollen nur drei Gesetzeswerke, das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (ALR), der französische Code Civil von 1804 (Code Civil) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (ABGB) in den Blick genommen werden. Alle drei Kodifikationen regeln die Stellvertretung zusammen mit dem Mandat und trennen nicht zwischen Vollmacht und Mandat75. Vielmehr werden beide Begriffe häufig synonym verwendet76. Die zentrale Rechtsfolge der Stellvertretung ist in allen drei Gesetzeswerken die unmittelbare Bindung des Geschäftsherrn77. Das älteste der drei hier herangezogenen Gesetzeswerke, das ALR, regelt die Stellvertretung im dreizehnten Titel des ersten Teils „Von Erwerbung des Eigenthums der Sachen und Rechte durch einen Dritten“ und dort im ersten Abschnitt „Von Vollmachtsaufträgen“. Die maßgeblichen Vorschriften zur 74  Dniestrzanski,

Aufträge, S. 26; Zimmermann, Negotiorum Gestio, S. 7. hierzu eingehend: Albrecht, Vollmacht, S.  47 ff.; Bauer, Entwicklung, S.  70 ff.; Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 30  ff.; Everding, Stellvertretung, S.  30 ff. 76  Insgesamt ist die Terminologie eine andere als heute, so dass nicht ohne weiteres von dem Gebrauch einzelner Begriffe auf ein bestimmtes Verständnis der Materie geschlossen werden kann. Im Folgenden wird zur Erleichterung des Verständnisses dort, wo es nicht auf den Wortlaut der historischen Vorschriften ankommt, die heutige Terminologie verwendet, also von Geschäftsherr, Stellvertreter und Drittem sowie von dem Vertretergeschäft gesprochen. 77  Vgl. ALR § 85 I 13; Code Civil, Art. 1998 I, ABGB § 1017. 75  Siehe

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

Anerkennung und Begriffsbestimmung sind in den ersten Paragraphen des Abschnitts enthalten: „§ 1: Sachen und Rechte können auch durch Handlungen eines Dritten erworben werden. § 5: Die Willenserklärung, wodurch Einer dem Andern das Recht ertheilt, ein Geschäft für ihn und statt seiner zu betreiben, wird Auftrag oder Vollmacht genannt.“ § 6: Wird der Auftrag angenommen, so ist unter beyden Theilen ein Vertrag vorhanden.“

Der Code Civil regelt die Stellvertretung in Art. 1984: „(1) Le mandat ou procuration est un acte par lequel une personne donne à une autre le pouvoir de faire quelque chose pour le mandant et en se nom. (2) Le contrat ne se forme que par l’acceptation du mandataire.“78

Im ABGB ist die Stellvertretung im 22. Hauptstück enthalten, das „Von der Bevollmächtigung und anderen Arten der Geschäftsführung“ handelt. Eine Begriffsbestimmung enthält § 1002: „Der Vertrag, wodurch jemand ein ihm aufgetragenes Geschäft im Nahmen des Anderen zur Besorgung übernimmt, heißt Bevollmächtigungsvertrag.“

Die zitierten Normen machen deutlich, dass jedenfalls terminologisch nicht zwischen Vollmacht und Auftrag unterschieden wurde. Während ALR und Code Civil diese Begriffe synonym verwenden, fasst das ABGB beide zu einem einzigen Begriff des „Bevollmächtigungsvertrags“ zusammen. In den jeweils auf die zitierten Normen folgenden Vorschriften werden die Rechte und Pflichten, die aus dem zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter geschlossenen Vertrag für beide Parteien resultieren, näher bestimmt, wobei aus heutiger Sicht Stellvertretungsregeln und Auftragsrecht miteinander vermischt werden. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass Geschäftsherr und Stellvertreter einen Vertrag schließen, mit dem der Stellvertreter sowohl dazu verpflichtet wird, bestimmte Geschäfte des Geschäftsherrn für diesen zu übernehmen, als auch zugleich die Rechtsmacht erhält, den Geschäftsherrn rechtsgeschäftlich zu binden. Alle drei Kodifikationen fassen somit Vollmacht und Mandat zu einer Einheit zusammen79. Der Gleichlauf von Bevollmächtigung und Auftrag erfasst jeweils sowohl die Entstehung und das Erlöschen80. Das gilt grundsätzlich auch für den Umfang von Vollmacht und Auftrag, wobei insoweit jedenfalls im ALR und im ABGB mit den Instituten 78  In der deutschen Fassung des badischen Landrechts von 1810: „(1) Der Auftrag oder die Bevollmächtigung ist eine Handlung, wodurch jemand eine andere Person ermächtigt, etwas für Ihn, den Gewalt-Geber, und in seinem Nahmen zu thun. (2) Der Vertrag wird nur durch die Annahme des Gewalthabers geschlossen.“ 79  Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 30 ff. 80  Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 44 (zum ALR) und S. 56 ff. (zum Code Civil); Everding, Stellvertretung, S. 30 (zum ALR), S. 36 (zum Code Civil).



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der „geheimen Instruktion“81 bzw. der „geheimen Vollmacht“82 bereits eine Unterscheidung von Innen- und Außenverhältnis erkennbar wird83. So ordnet ALR § 93 I 13 an: „Ist eine besondere Instruktion in der Vollmacht84 nicht erwähnt; oder deren Vorzeigung verboten so ist die Sache zwischen dem Machtgeber und dem Dritten bloß nach dem Inhalte der Vollmacht zu beurtheilen.“

Die Parallelvorschrift im ABGB, § 1017 a. E., lautet: „Die dem Gewalthaber erteilte geheime Vollmacht85 hat auf die Rechte des Dritten keinen Einfluss.“

Beide Normen gehen offensichtlich davon aus, dass der Geschäftsherr seinem Stellvertreter bestimmte Weisungen erteilen kann, die inhaltlich über die Vollmacht hinausgehen oder diese begrenzen. Dies wird hinsichtlich des Dritten dann als problematisch und daher regelungsbedürftig angesehen, wenn der Dritte von den internen Weisungen keine Kenntnis hat. Für den Fall der Nichtbeachtung der Weisungen sehen sowohl das ALR als auch das ABGB daher vor, dass der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten in dem Umfang berechtigt und verpflichtet wird, in dem die dem Dritten bekannte Vollmacht bestand. Die interne, dem Dritten unbekannte Weisung hat auf das abgeschlossene Vertretergeschäft mithin keinen Einfluss. Damit wird im Ausgangspunkt als Problem erkannt, dass im Rechtsverkehr auf der einen Seite ein Bedürfnis des Geschäftsherrn bestehen kann, seinem Stellvertreter Weisungen zu erteilen oder mit diesem Absprachen zu treffen, die das abzuschließende Vertretergeschäft betreffen, die er jedoch dem Dritten nicht kundtun möchte und auf der anderen Seite ein Dritter nicht mit dem Stellvertreter kontrahieren wird, wenn er damit rechnen muss, dass sich das Vertretergeschäft auf Grund interner, ihm unbekannter Weisungen im Nachhinein als unwirksam herausstellt. Als Lösung wurde eine Regelung gefunden, die 81  ALR

§ 93 I 13. § 1017 a. E. 83  Der Code Civil enthält diesbezüglich keine Vorschrift; Wissenschaft und Rechtsprechung in Frankreich entwickelten jedoch die Lehre von der „instruction secrète“, die im Kern das Gleiche aussagt, was im ALR und im ABGB durch die im Folgenden dargestellten Vorschriften gesetzlich geregelt wurde. Vgl. hierzu Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 73 ff. 84  Der Begriff der Vollmacht meint hier die zugehörige Vollmachtsurkunde; beide Begriffe wurden lange Zeit synonym verwendet, so zum Beispiel von Ladenburg, ZHR 11 (1868), S. 72, 91 et passim. Eine andauernde Gleichsetzung im nichtjuristischen Sprachgebrauch diagnostiziert Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1454. 85  Die Vollmacht wird in § 1005 ABGB als Urkunde über den Bevollmächtigungsvertrag definiert; der Begriff wird jedoch darüber hinaus im Gesetzestext auch für die Absprache zwischen Machthaber und Machtgeber verwendet, wie z. B. aus der Unterscheidung zwischen „offener“ und „geheimer“ Vollmacht in § 1017 ABGB deutlich wird. 82  ABGB

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

im Ausgangspunkt mit dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip des geltenden Rechts übereinstimmt: Der Geschäftsherr kann intern den Umfang der Stellvertretungsbefugnis beschränken, ohne dies nach außen kundtun zu müssen86. Eine solche Beschränkung im Innenverhältnis wirkt sich jedoch nicht auf das Verhältnis zu dem Dritten im Außenverhältnis aus. Sowohl das ALR als auch das ABGB lassen das Außenverhältnis jedoch nur soweit unangetastet, als der Dritte nichts von der abweichenden Weisung im Innenverhältnis weiß bzw. im Fall des ALR diese nicht kennen muss87. Von der Einheit zwischen Vollmacht und Mandat wird mithin nur ausnahmsweise zugunsten des gutgläubigen Dritten abgewichen88. Beide Regelungen schützen folglich (nur) den gutgläubigen Dritten und sollen damit die Stellvertretung verkehrsfähig machen. Denn als praktische Folge der genannten Regelungen durfte sich der gutgläubige Dritte darauf verlassen, dass der Geschäftsherr in jedem Fall in dem Umfang berechtigt und verpflichtet wurde, in dem die dem Dritten bekannte Vollmacht bestand. Die ersten Ansätze einer Trennung zwischen Vollmacht und Auftrag waren demnach dem Gedanken des Verkehrs- und Drittschutzes geschuldet. 2. Die Anerkennung der direkten Stellvertretung in der Wissenschaft Zum Gegenstand einer breiten wissenschaftlichen Debatte wurde das Recht der Stellvertretung erst etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts89. Die Historische Rechtsschule bedeutete für das Institut der Stellvertretung aus heutiger Sicht zunächst einen Rückschritt. Man wandte sich wieder den römisch-rechtlichen Quellen zu und verneinte daran anknüpfend und entgegen der naturrechtlichen Lehren die Möglichkeit einer direkten Stellvertretung im Rechtsverkehr90. Diese Ansicht wurde jedoch nicht von allen Juristen, auch 86  Im geltenden Recht wird in diesen Fällen regelmäßig eine Beschränkung des Grundgeschäfts, nicht der Vollmacht angenommen. 87  Vgl. ALR § 91 i. V. m. § 93 I 13: Der Dritte hatte das Recht, das Vorzeigen der Vollmacht(surkunde) zu verlangen; machte er von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch, konnte er sich im Fall eines weisungswidrigen Handelns des Stellvertreters nur an diesen, nicht aber an den Geschäftsherrn halten. A. A. Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 42, der aus ALR § 97 I 13 schließt, dass nach dem ALR positive Kenntnis zur Bösgläubigkeit erforderlich gewesen sei. 88  Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 40 ff. 89  Vgl. ausführlich zu der wissenschaftlichen Kontroverse um die direkte Stellvertretung im 19. Jahrhundert: Bauer, Entwicklung, S. 90 ff.; Mitteis, Stellvertretung, S. 84 ff.; sowie die Dissertationen von Everding, Stellvertretung und Dietz, Entwicklung. 90  Mühlenbruch, Cession, § 12, S. 111 ff.; Puchta, Pandekten, § 273, S. 419 f. und § 275, S. 422 f.; Vangerow, Pandekten, § 608, S. 294 m. w. N.; siehe hierzu auch



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nicht von allen Vertretern der Historischen Schule, geteilt. Wohl auch angesichts der Praxis, die von dem Institut der Stellvertretung breiten Gebrauch machte, versuchte man, dieses Institut theoretisch zu erfassen91 und mit den herrschenden Vorstellungen von der Obligation und ihren Entstehungsgründen in Einklang zu bringen92. Daraus entstand eine lebhafte Kontroverse um das Wesen der Stellvertretung. Kern der Auseinandersetzung war die Frage, wie die direkte Stellvertretung mit dem Grundsatz vereinbar sei, dass eine vertragliche Bindungswirkung nur aufgrund eines entsprechenden Willens entstehen könne und damit an den Urheber des Willens geknüpft sei. In anderen Worten wurde darum gerungen, „ob eine Obligation sofort in einer nicht am Vertrag beteiligten Person zur Entstehung gelangen könne“93. Daraus folgte wiederum die Frage, wessen Person, die des Geschäftsherrn oder die des Stellvertreters, hinsichtlich von Wirksamkeitsvoraussetzungen des Vertrags und etwaiger Willensmängel maßgeblich sei94. Im Wesentlichen existierten drei Meinungen, wobei auch innerhalb der einer Meinung zugeordneten Stimmen in Einzelfragen Unterschiede bestanden95. Die erste Gruppe vertrat die so genannte „Zessionstheorie“, die von Mühlenbruch96 begründet wurde und der sich u. a. Puchta97, Vangerow98 und Bähr99 anschlossen. Danach sollte ausschließlich der Vertreter Partei des Vertrags werden und der Geschäftsherr nur „durch eine Zession, zu der jener (der Vertreter) verpflichtet ist und die sofort als geschehen angenommen werden kann“100 in die Rechte und Pflichten des Vertrags eintreten. Dagegen wandte sich namentlich Savigny mit der von ihm begründeten „Geschäftsherrentheorie“. Danach sollte der Vertreter gleich einem Boten nur als Willensorgan des Geschäftsherrn fungieren101. Savigny kommt in dieser Debatte das Verdienst zu, das Institut der Stellvertretung erstens einer einheitlichen, systemaBauer, Entwicklung, S. 90; Dietz, Entwicklung, S. 24; Everding, Stellvertretung, S. 38; Müller, Direkte Stellvertretung, S. 155; Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 152. 91  Savigny, Obligationenrecht II, § 54, S. 23. 92  Kuntze, Obligation, S. 264; Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 184; Mühlenbruch, Cession, § 12, S. 115 f.; Puchta, Pandekten, § 273, S. 419 ff.; Vangerow, Pandekten, § 608, S. 294 m.w.N. 93  Kuntze, Obligation, S. 264. 94  Mitteis, Stellvertretung, S. 83 f. 95  Mitteis, Stellvertretung, S. 81; vgl. für eine ausführliche Darstellung und Auseinandersetzung mit den vertretenen Ansichten: Hellmann, Stellvertretung, S. 1 ff. 96  Mühlenbruch, Cession, § 37, S. 403 und §§ 9 ff. 97  Puchta, Pandekten, § 275, S. 423. 98  Vangerow, Pandekten, § 608, S. 294 f. 99  Bähr, Jahrbücher Bd. 6, S. 131, 286 ff. 100  Puchta, Vorlesungen, Band II, § 275, S. 116. 101  Savigny, Obligationenrecht II § 57, S. 59 und System III § 113, S. 90.

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

tischen Betrachtung unterzogen102 und zweitens die Stellvertretung als Instrument der Privatautonomie des Geschäftsherrn erklärt zu haben103. Seine Geschäftsherrentheorie konnte sich dennoch nicht durchsetzen. Dies tat vielmehr die so genante „Repräsentationstheorie“, die u. a. von Buchka104, Windscheid105, Unger106 sowie Brinz107, Jhering108 und Laband109 vertreten wurde. Als juristisch allein Handelnder wurde danach der Stellvertreter angesehen, die Rechtswirkungen des Vertrags sollten aber unmittelbar oder kraft einer Fiktion in der Person des Geschäftsherrn entstehen110. Damit begründeten die Vertreter der Repräsentationstheorie die Lehre von der direkten Stellvertretung. Mit der Trennung zwischen Ursache und Wirkung, zwischen Handelndem und Verpflichtetem des Vertrags, legten sie aber auch den Grundstein für die Herausbildung der Vollmacht als ein vom Auftrag zu unterscheidendes Rechtsgeschäft111. Denn durch diese Aufspaltung unterscheidet sich die Repräsentationstheorie maßgeblich von den beiden zuerst genannten Theorien, die – anders als die Repräsentationstheorie – Schwierigkeiten haben, den unmittelbaren Eintritt der Bindungswirkung beim Geschäftsherrn zu begründen. Nach der Zessionstheorie wird der Vertreter als Handelnder selbst auch Vertragspartei; erst mittels eines weiteren notwendigen Aktes geht die Forderung auf den Geschäftsherrn über, der zudem aus dem Mandatsverhältnis zu dem Vertreter verpflichtet ist, die von letzterem übernommenen Verbindlichkeiten gegenüber dem Dritten zu erfüllen112. Sowohl hinsichtlich der Willensbildung und -erklärung als auch für die Wirkungen des Vertrags ist daher die Person des Vertreters maßgeblich. Umgekehrt verhält es sich bei der Geschäftsherrentheorie: Hier ist der Geschäftsherr von vornherein Willensträger und juristisch Handelnder, ihn treffen daher bereits nach den allgemeinen Regeln die Wirkungen des Vertrags und auf seine Per102  Everding, Stellvertretung, S.  51; Mitteis, Stellvertretung, S. 80; Monhaupt, S. 65; Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 144. 103  Albrecht, Vollmacht, S. 59; Grenzebach, Rechtsvereinheitlichung, S.  29  ff.; Monhaupt, S. 72; Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 154 f.; HKK-BGB/Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 3. 104  Buchka, Stellvertretung, S. 206. 105  Windscheid, Pandekten1, § 313 Anm. 4. 106  Unger, Österreichisches Privatrecht, S. 129 ff., 136. 107  Brinz, Pandekten IV, § 577, S. 333 ff.; ders., krit. Bl. Nr. 2, S. 42. 108  Jhering, Geist des römischen Rechts, § 53, S. 166; ders., Jahrbuch 1 (1857), S. 273, 314. 109  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183 ff. 110  Buchka, Stellvertretung, S. 237; Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 186; Windscheid, Pandekten1–4, II, § 313 Anm. 4. 111  So auch Bauer, Entwicklung, S. 122  f. und Müller, Direkte Stellvertretung, S. 157. 112  Mühlenbruch, Cession, § 12, S. 112.



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son ist auch hinsichtlich der Willensbildung und der Willenserklärung abzustellen. Wie bei der Botenschaft stellt sich auch hier kein besonderes Problem hinsichtlich des Zustandekommens der Verpflichtung zwischen Geschäftsherrn und Drittem. Sowohl nach der Zessions- als auch nach der Geschäftsherrentheorie bedarf es damit keines zusätzlichen Elements zur Herstellung der Bindungswirkung zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten aufgrund des Tätigwerdens des Vertreters. Dagegen fallen bei der Repräsentationstheorie Vertragsschluss und Vertragswirkungen auseinander: Der Vertreter schließt den Vertrag, dessen Bindungswirkungen treten aber in der Person des Geschäftsherrn ein. Für die Voraussetzungen des Vertragsschlusses, insbesondere für etwaige Willensmängel und für die Kenntnis relevanter Umstände ist demnach die Person des Vertreters maßgeblich. Die Geschäftsfähigkeit, etwaige Formerfordernisse und die Einordnung des Geschäfts als Handelsgeschäft werden dagegen nach der Person des Geschäftsherrn beurteilt113. Insbesondere findet nach der Repräsentationstheorie die Willensbildung in der Person des Vertreters statt und nicht in der Person des Geschäftsherrn, der jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet wird. Dieses Auseinanderfallen von Wille und Obligation unterscheidet die Repräsentationstheorie nicht nur von den beiden anderen Theorien, sondern führt geradezu dazu, dass der Vollmacht eine eigenständige Funktion zuerkannt wird: „Für sie (die Repräsentationstheorie) welche das Rechtsgeschäft des Stellvertreters lediglich nach dessen Willen beurtheilt, wird natürlich die Vollmacht sofort ein außerhalb des Rechtsgeschäfts (des Vertretergeschäfts) stehender, rein einseitiger Act, der eigentlich nur entscheidet, dass die durch jenes Rechtsgeschäft in abstracto hergestellten Wirkungen nun auf die Person des Dominus auch wirklich projizirt werden sollen“114. Die Vollmacht wird somit zum Bindeglied zwischen der Privatautonomie des Geschäftsherrn und der ihn betreffenden vertraglichen Bindung115. Denn mit der Bevollmächtigung äußert der Vertretene den Willen, durch den von dem Vertreter in seinem Namen mit dem Dritten geschlossenen Vertrag gebunden zu werden. Der Vertreter bringt wiederum dadurch, dass er im Namen des Geschäftsherrn auftritt, gegenüber dem Dritten zu verstehen, dass er nicht selbst Vertragspartei werden, sondern den Geschäftsherrn binden will. Die Aufspaltung von Vertragsschluss und Vertragswirkung wird damit auf den Willen der Parteien zurückgeführt116. Damit begegnete man zum einen denjenigen Kritikern der direkten Stellvertretung, die diese mit dem Wesen der Obligation für unvereinbar hielten. Zum anderen bekam die Vollmacht dadurch eine eigenständige 113  Brinz,

Pandekten VI, S. 361 ff.; Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, S. 226 ff. Stellvertretung, S. 183. 115  Regelsberger, Pandekten, § 159, S. 582; Tietz, Vertretungsmacht, S. 330; Wendt, Pandekten, S. 123. 116  Windscheid, Pandekten1, § 313 Anm. 4. 114  Mitteis,

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

Funktion, die sie nicht nur von dem Vertretergeschäft, sondern auch von dem Auftrag abhebt. Diese Funktion besteht darin, im Verhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten zu bewirken, dass die Bindungswirkung unmittelbar zwischen diesen beiden als Parteien des Vertrags eintritt, obwohl dem Vertragsschluss unmittelbar keine eigene Willenserklärung des Geschäftsherrn zugrunde liegt. Hieraus wurde abgeleitet, dass die Vollmacht „nur in Beziehung auf das Ob ihrer Existenz von Bedeutung“ sei, während der Auftrag wiederum „für die Frage der Stellvertretung gleichgültig“ sein müsse117. Die Vollmacht erlangte mit der Funktion der Rückkoppelung an den Willen des Geschäftsherrn also in erster Linie Bedeutung für das Außenverhältnis. Die Repräsentationstheorie legte damit den Grundstein für die Trennung zwischen Vollmacht und Grundgeschäft und für die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis.

II. Die Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis Zunächst aber dominierte bis weit in das 19. Jahrhundert hinein im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen die Mandatstheorie, wonach die Vollmacht im Mandat mit enthalten ist118. Auf dem Boden dieser Theorie begann man jedoch Schritt für Schritt zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis zu unterscheiden. 1. Die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis bei Zeiller Die erste klare Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis wird Franz von Zeiller zugeschrieben119. Zeiller ist einer der Schöpfer des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) von 1811, das er darüber hinaus umfassend kommentierte120. In seinen Erläuterungen zu § 1017 ABGB trennt Zeiller zwischen dem Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherr („Machtgeber“) und Vertreter („Machthaber“) sowie dem Rechtsverhältnis, in dem beide zu dem Dritten („fremden Personen“) stehen121. 117  Mitteis,

Stellvertretung, S. 183 f. Stellvertretung, S. 237; Windscheid, Pandekten1, § 74 Rn. 1; siehe auch Coing, Privatrecht, Bd. II, § 91 S. 455 f. 119  Müller, Direkte Stellvertretung, S. 141 f.; Wesenberg/Wesener, Privatrechtsgeschichte, S. 148 (unter Verweis auf Müller). 120  Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, Bd. I – IV, 1811– 1813. 121  Zeiller, Commentar, § 1017, Anmerkung 1). 118  Buchka,



A. Mandat und Vollmacht in Rechtswissenschaft und Gesetzgebung41

Diese Trennung beruht auf dem in § 1017 ABGB a. E. kodifizierten Gedanken, dass Beschränkungen der Vollmacht, die nur Geschäftsherrn und Stellvertreter, nicht aber dem Dritten bekannt sind, keine Wirkung zu dessen Lasten zukommen. Das Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter beurteile sich nach den internen Absprachen, im Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem sei dagegen nur die so genannte öffentliche Vollmacht, d. h. die Vollmacht, so wie sie diesem kundgetan wird, maßgeblich122. Zeiller begründet dies mit der Maßgeblichkeit der Erklärung gegenüber einem geheimen Vorbehalt im Willen123. Er legt damit den Grundstein für die Überlegung, dass die Vollmacht im Außenverhältnis von dem Innenverhältnis zu trennen ist. Zeiller abstrahiert jedoch noch nicht von dem Sonderfall der „geheimen Vollmacht“ auf die Regel, dass die Vollmacht nur das Außenverhältnis, der Auftrag dagegen das Innenverhältnis betrifft. Beide, Vollmacht und Auftrag, bilden für ihn noch eine Einheit, was auch in dem Gebrauch des Begriffs des „Bevollmächtigungsvertrags“ deutlich wird. Hiervon abgesehen warf Zeiller jedoch eine Frage auf, die auch für die erst später vollzogene Trennung zwischen Vollmacht und Grundgeschäft relevant wurde, nämlich inwieweit eine Beschränkung des Auftrags die Vollmacht und damit das in Ausübung der Vollmacht getätigte Vertretergeschäft tangiert. Die Lösung, die Zeiller für dieses Problem anbot, „dass der Auftrag für die Stellvertretungsbefugnis irrelevant sei“124, wurde später als Argument für die Trennung angeführt. Verdeutlicht man sich die Begründung Zeillers für die Schaffung des § 1017 a. E. AGBG, nämlich die Maßgeblichkeit der Erklärung gegenüber dem geheimen Willensvorbehalt, liegt die bereits von Müller125 geäußerte Vermutung nahe, dass der Verkehrsschutz für Zeiller hier im Vordergrund gestanden haben dürfte. Eine klare Trennung zwischen Außen- und Innenverhältnis war damit jedoch noch nicht verbunden. 2. Die Trennung von Mandat und Vollmacht bei Brinz Bei Alois von Brinz klingt eine Unterscheidung zwischen Mandat und Vollmacht zwar an126, wird aber ebenfalls noch nicht weitergeführt zu einer Trennung der Vollmacht vom Mandat als einem selbständigen Rechtsgeschäft. Vielmehr ist nach Brinz die Vollmacht in dem Mandat mit enthalten, wenn es ihrer zur Ausführung des Geschäfts bedarf127. Die Unterscheidung, 122  Zeiller,

Commentar, § 1017, Anmerkung 1). Commentar, § 1017, Anmerkung 4). 124  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 206. 125  Müller, Direkte Stellvertretung, S. 142. 126  Brinz, Krit. Bl. Nr. 2, S. 7 f. 127  Brinz, Pandekten I, § 110, S. 467. 123  Zeiller,

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die Brinz trifft, beruht auf seinem weiten Verständnis des Begriffs der Stellvertretung, unter den er neben dem Mandat auch die Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) und die gesetzliche Vertretung juristischer Personen fasst128. Diesem weiten Verständnis entsprechend gibt es für Brinz die Stellvertretung auch unabhängig von einem Auftrag und das Mandat eignet sich mithin nicht für eine Bestimmung des Begriffs der Stellvertretung129. Nichtsdestotrotz legt Brinz damit einen weiteren Baustein für die spätere Trennung der Vollmacht vom Grundgeschäft: Er formuliert den Gedanken, dass die Stellvertretung nicht zwingend mit einem Mandat zusammenfällt. 3. Die Trennung von Mandat und Vollmacht bei Jhering Einen weiteren Schritt hin zu der Trennung zwischen der Vollmacht im Außen- und dem Auftrag im Innenverhältnis vollzieht Rudolf von Jhering. Er fordert eine klare begriffliche Trennung zwischen Mandat und Vollmacht. Dabei geht es ihm zunächst um die Unterscheidung der unmittelbaren (direkten) Stellvertretung von dem so genannten „Ersatzmann“ (der mittelbaren Stellvertretung). Beide Institute unterscheiden sich nach Jhering unter anderem dadurch, dass bei der unmittelbaren Stellvertretung das Geschäft im Namen des Geschäftsherrn getätigt und damit ein äußerer Tatbestand geschaffen wird, während der Ersatzmann seine Beziehung zum Geschäftsherrn nicht offen legen muss. Die Ursache für die von ihm gerügte Verwechslung und Vermischung beider Institute sieht Jhering in dem undifferenzierten Gebrauch der Begriffe Mandatar und Stellvertreter begründet: „Bei der mandirten Stellvertretung nämlich bezeichnet Mandatar und Mandat das relative Verhältnis zwischen diesen beiden Personen, die innere Seite des Verhältnisses, Stellvertreter und Prinzipal hingegen ihre Qualität dritten Personen gegenüber, ihren absoluten Charakter, die äußere Seite des Verhältnisses“130. Jhering scheidet damit ausdrücklich das Innenverhältnis in Gestalt des Mandats von dem Außenverhältnis als der eigentlichen Stellvertretung. Allerdings führt Jhering die erreichte Differenzierung nicht weiter zu einer Selbstständigkeit der Bevollmächtigung als eigenem Rechtsgeschäft131. Zwar geht er wie später auch Laband132 davon aus, dass es Mandatare ohne Vollmacht sowie Stellvertreter ohne Mandat geben könne. Die angeführten Beispiele für Letzteres beschränken sich aber auf Fälle außerhalb der gewillkürten Stell128  Brinz,

Krit. Bl. Nr. 2., S. 4. Krit. Bl. Nr. 2., S. 2. 130  Jhering, Jahrbuch 1 (1857), S. 273, 313. 131  Albrecht, Vollmacht, S. 56; Dölle, Juristische Entdeckungen, B3. 132  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 204 f. 129  Brinz,



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vertretung133. Hingegen sollen Vollmacht und Mandat, wenn sie zusammentreffen, doch wieder zwei – wenn auch völlig verschiedene – Seiten eines Verhältnisses darstellen134. Im Fall der gewillkürten Stellvertretung fallen die Mandatierung und die Bevollmächtigung nach Jhering in einem Rechtsgeschäft zusammen135. Jhering steht damit wie Brinz und Zeiller auf dem Boden der damals herrschenden Mandatstheorie, nach der die Vollmacht in dem Mandat enthalten ist. 4. Die Schaffung der Prokura im ADHGB von 1861 Einen weiteren Baustein für die später von Laband formulierte Trennung und Abstraktion der Vollmacht von dem ihr zugrunde liegenden Grundgeschäft lieferten die Arbeiten zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 (ADHGB)136. Der erste Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten von 1856 (Vorentwurf)137 trennt die Regelungen über die Prokura von dem Dienstverhältnis zwischen Faktor138 und Geschäftsherr („Prinzipal“). Bereits in einer Besprechung einer frühen Fassung des ersten Entwurfs139 hatte Goldschmidt eine klare Trennung zwischen der Prokura 133  Jhering,

Jahrbuch 1 (1857), S. 273, 313. Jahrbuch 1 (1857), S. 273, 313. 135  Albrecht, Vollmacht, S. 56; Dölle, Juristische Entdeckungen, B 4. 136  Hierzu ausführlich: Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 85 ff. Die maßgeblichen Vorarbeiten zum ADHGB wurden im damaligen Preußen geleistet. Bereits 1826 hatte man damit begonnen, Vorschriften für ein neues Handelsgesetzbuch auszuarbeiten. Als Anfang des Jahres 1856 Bayern im Deutschen Bund den Antrag stellte, eine Kommission zur Aufstellung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs einzusetzen, konnte man in Preußen auf diese Arbeiten zurückgreifen und in kürzester Zeit einen Entwurf für ein Handelsgesetzbuch vorlegen. Die erste Fassung des Entwurfs wurde noch im Jahr 1856 einer Sachverständigenkonferenz vorgelegt. Die überarbeiteten Vorschriften bildeten als Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten (Preußischer Entwurf) die Grundlage der Beratungen über ein Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, die vom 15. Januar 1857 bis zum 12. März 1861 überwiegend in Nürnberg stattfanden. 137  Abgedruckt bei Schubert, Entwurf 1856. 138  Als Faktor wird im preußischen Entwurf derjenige bezeichnet, der zur Führung der Handelsgeschäfte im Namen des Prinzipals beauftragt war. Erst im Laufe der Nürnberger Beratungen wurde der Begriff des Faktors durch den des Prokuristen ersetzt, vgl. Lutz, Protokolle, I. Teil (1858), S. 72 ff. 139  Die von Goldschmidt zitierten Vorschriften stimmen weitgehend, aber nicht gänzlich mit den Vorschriften des von Schubert veröffentlichten Entwurfs von 1856 überein. Dass Goldschmidt eine frühere Fassung des Entwurfs vorgelegen haben muss, folgt aus seinem Hinweis, dass der Entwurf „soeben von einer aus Juristen und Kaufleuten bestehenden Commission geprüft (wird)“, Goldschmidt, Krit. Z. f. d. ges. RW 4 (1857), S. 105, 108 f. 134  Jhering,

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

und dem Dienstverhältnis gefordert: „Wir verlangen, dass das Handelsgesetzbuch durchgreifend scheide zwischen den inneren Dienstverhältnissen der Handlungsgehülfen zum Prinzipal, welche der Entwurf an ganz verschiedener Stelle berührt (…) und denjenigen Beziehungen, welche deren etwaige Stellvertretungsbefugnis Dritten gegenüber vorbringt (…)“140. Goldschmidts Forderung entsprechend wurde das Vertretungsverhältnis aus dem Rechtsverhältnis, das mit der Stellung als Prokurist regelmäßig einherging, herausgelöst und hiervon unabhängig geregelt. Die Prokura entsteht und erlischt nach dem Vorentwurf unabhängig von dem Dienstverhältnis. Eine Unterscheidung zwischen Vollmacht und Auftrag als zwei voneinander unabhängige Rechtsgeschäfte ist damit jedoch nicht verbunden. Vielmehr wird die Prokura als „Auftrag des Faktors“ definiert, § 44 Vorentwurf. Gemäß § 48 Vorentwurf wird der Prinzipal dem Dritten durch ein Rechtsgeschäft verpflichtet, das der Faktor „innerhalb der Gränzen seines Auftrags“ schließt. Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht werden mithin gleichgesetzt141. Dies gilt auch für den endgültigen Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten von 1859 (Preußischer Entwurf)142, der den Nürnberger Beratungen zugrunde lag. Zwar ist die Definition der Prokura als Auftrag des Faktors aus § 44 Vorentwurf weggefallen; aus Art. 39 des Preußischen Entwurfs geht jedoch deutlich hervor, dass Auftrag und Prokura weiterhin als eins verstanden werden: „Wer von dem Eigenthümer einer Handelsniederlassung (Prinzipal) den Auftrag erhält, … ist Faktor (Handlungsvorsteher, Prokurist, Disponent).“

Eine Unterscheidung zwischen Auftrag und Vertretungsbefugnis des Prokuristen deutet sich allenfalls in den Vorschriften über die Beschränkbarkeit der Prokura an: Art. 43 des Preußischen Entwurfs lässt Beschränkungen der Prokura in weitem Umfang zu, sieht jedoch vor, dass diese in das Handelsregister einzutragen sind. Einem Dritten gegenüber kann sich der Geschäftsherr nur dann auf die Beschränkung berufen, wenn die Eintragung erfolgt ist oder wenn der Geschäftsherr beweisen kann, dass der Dritte hiervon Kenntnis hatte, Art. 44 des Preußischen Entwurfs. Eine Begrenzung des Umfangs der Prokura wirkt demnach grundsätzlich auch im Außenverhältnis, jedoch wird der gutgläubige Dritte geschützt. Hierin unterscheidet sich die Prokura des Entwurfs entscheidend von der Prokura des späteren ADHGB und des HGB, deren Umfang gesetzlich bestimmt und gegenüber Dritten unbeschränkbar ist, Art. 43 Abs. 1 ADHGB, § 50 Abs. 1 HGB.

140  Goldschmidt,

Krit. Z. f. d. ges. RW 4 (1857), S. 105, 130. auch Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 86. 142  Abgedruckt bei Schubert, Entwurf 1857. 141  So



A. Mandat und Vollmacht in Rechtswissenschaft und Gesetzgebung45

Diese wegweisende Neuerung brachten die Nürnberger Beratungen143 hervor. Die Prokura wurde in ihrem Umfang vollständig von dem ihr zugrunde liegenden Dienstverhältnis und etwaigen Instruktionen des Prinzipals gelöst, indem man ihren Inhalt gesetzlich festlegte und ihn der Disposition der Parteien entzog. Der Impuls zu dieser Neuerung ging maßgeblich von den großen Handelsstädten im Norden des Deutschen Bundes aus, die im Sinne eines verbesserten Verkehrsschutzes die Unbeschränkbarkeit der Prokura forderten144. Der Vertreter der freien Hansestadt Hamburg führte hierzu in der Sitzung vom 4. Februar 1857 aus, dass die Prokura anders auszugestalten sei, als andere Vollmachten: „Bedingungen, Restriktionen (und) Zeitbestimmungen können hierbei (gemeint ist die Prokura) nicht geduldet werden“145. Diese Forderung stützte er maßgeblich auf zwei Gründe, die freilich ineinander greifen: Erstens solle der Prokurist als „alter ego“ des Prinzipals, also in allen Belangen an dessen Stelle und wie dieser handeln können. Um dies zu ermöglichen, müsse die Prokura als unlimitierte Vollmacht ausgestaltet werden. Hierin scheint ein ganz praktisches Bedürfnis des zunehmend intensiver werdenden Handelsverkehrs zum Ausdruck zu kommen, nämlich die Möglichkeit, dass ein Prokurist auch in Abwesenheit des Prinzipals das Geschäft oder eine Zweigniederlassung ohne Einschränkungen führen kann146. Zweitens führt er als Argument für die Unbeschränkbarkeit den Verkehrsschutz an. Dies wird zum einen rein praktisch mit geringerem Aufwand begründet: Der genaue Umfang der Prokura müsse nicht mehr in das Handelsregister eingetragen und das Register zumindest diesbezüglich auch nicht mehr eingesehen werden, da allein aufgrund der Stellung als Prokurist für alle am Handelsverkehr Beteiligten dessen Befugnisse dann feststünden. Zum anderen geht es dem Vertreter Hamburgs aber auch um materiellen Drittschutz: So werde „die Zulassung von Restriktionen, die trotz erfolgter Eintragung in die Register dem Publikum namentlich in der Ferne nicht immer bekannt sein könnten, zu Täuschungen führen“147. Hier ist wohl der Schutz des gutgläubigen Dritten vor einer Enttäuschung seiner Erwartung eines wirksamen Vertragsschlusses gemeint. Der Vertreter Hamburgs plädiert daher für eine vollständige Loslösung der Vollmacht von dem Auftrag im Sinne einer Abs143  Vgl. für die Protokolle der Nürnberger ADHGB-Kommission: Lutz, Protokolle, sowie den von Schubert herausgegebene Nachdruck von 1984. 144  Bereits vor der Verabschiedung des ADHGB erließ die Stadt Bremen eine Verordnung „die Errichtung und Aufhebung von Handelsfirmen und Procuren betreffend“, in der die Prokura als unbeschränkbare Vollmacht ausgestaltet war, ZHR 4 (1861), S. 97 ff. Aus den Motiven zu der Verordnung geht hervor, dass hiermit den Bedürfnisses der Börse, also des Handelsverkehrs entsprochen werden sollte, ZHR 4 (1861), S. 97, 105. 145  Lutz, Protokolle, I. Teil (1858), S. 74. 146  Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S. 93. 147  Lutz, Protokolle, Teil I (1858), S. 74.

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

traktion. Sein Vorschlag für eine entsprechende Vorschrift enthält jedoch keinerlei Einschränkung für den Fall, dass der Dritte die interne Beschränkung der Prokura kennt148. Dem Antrag des Vertreters Hamburgs wurde in den folgenden Beratungen zugestimmt. Man einigte sich laut Protokoll ausdrücklich darauf, dass „Beschränkungen von Prokuren (…) für unstatthaft bezeichnet und dass da, wo sie gleichwohl vorgenommen würden, die Beschränkungen für nicht beigesetzt erachtet werden sollten, ohne dass dadurch auch Beschränkungen mit alleiniger Wirkung auf das Verhältnis des Prokurainhabers zum Prinzipal abgeschnitten wären“149. Damit war im Gegensatz zum Preußischen Entwurf eine klare Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis hinsichtlich des Umfangs der Vertretungsbefugnis vollzogen. Anweisungen des Geschäftsherrn an seinen Prokuristen, die die Prokura beschränkten, sprach man nicht jegliche Wirksamkeit ab, ihre Wirkung wurde nur auf das interne Verhältnis zwischen diesen beiden beschränkt. Es war also zu unterscheiden zwischen dem Innenverhältnis, in dem Beschränkungen möglich, und dem Außenverhältnis, in dem Beschränkungen der Prokura nicht möglich sein sollten. In terminologischer Hinsicht verwandte man die Begriffe Vollmacht und Auftrag zunächst noch weitgehend synonym; im Laufe der Beratungen wurde jedoch eine entsprechende Differenzierung eingeführt150. Im Ergebnis begründete man mit der Forderung nach einer Vollmacht, deren Inhalt gesetzlich festgelegt und der Disposition der Parteien entzogen ist, ein völlig neues, eigenständiges Institut151. Die Vertretung des Prinzipals durch den Prokuristen gegenüber Dritten wurde scharf getrennt von dem rein internen Dienstverhältnis zwischen Prinzipal und Prokurist. Die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis war damit im Stellvertretungsrecht des ADHGB bereits durchgeführt. Den Motor dieser Entwicklung bildete die Praxis. Diese begründete ihre Haltung maßgeblich mit den Bedürfnissen des Handelsverkehrs. Die Rechte des Prinzipals wurden dabei in den Hintergrund gedrängt. Die Verselbstständigung der Prokura war mithin als Verkehrsschutzinstrument gedacht, das allerdings speziell auf die Bedürfnisse des Handelsverkehrs zugeschnitten war und ausdrücklich auf die Prokura beschränkt werden sollte152. 148  Lutz,

Protokolle, Teil I (1858), S. 81. Protokolle, Teil I (1858), S. 86. 150  Koch, ADHGB, S. 304 f., Anm. 66 zu Art. 297. 151  Bergenthal, Allgemeines Landrecht, S.  85  ff., 88; Goldschmidt, Gutachten, S. 34.; Koch, ADHGB, S. 153, Anmerkung 62 zu Art. 41 ADHGB. 152  Vgl. die Forderung des Vertreters der freien Hansestadt Hamburg, dass die Prokura anders als andere Vollmachten ausgestaltet werden müsste, Lutz, Protokolle, Teil I (1858), S. 74. 149  Lutz,



B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband 47

Der Gutglaubensschutz als alternatives Verkehrsschutzinstrument wurde im Laufe der Nürnberger Beratungen über die Prokura ebenfalls thematisiert153, entsprechende Vorschläge konnten sich aber nicht durchsetzen. Den Ausgangspunkt dieser Vorschläge bildete die Feststellung, dass die Unbeschränkbarkeit der Prokura auch den bösgläubigen Dritten schütze. In einem Gutachten für das Land Baden über den Entwurf nach der zweiten Lesung stellte Goldschmidt fest: „Sodann könnte man leicht zu dem Glauben verurteilt werden, dass es dieser absoluten Vorschrift gegenüber auf das Wissen des dritten Kontrahenten um die Beschränkung nicht ankommen solle – ein exorbitanter Satz, welcher der bona fides geradezu entgegen träte“154. In zwei Erinnerungen schlugen Baden und Mecklenburg daher vor, eine Beschränkung der Prokura auf das Außenverhältnis durchschlagen zu lassen, wenn der Dritte hiervon Kenntnis hatte155. Die Vorschläge wurden in der Folgezeit jedoch nicht beraten. Auf eine Initiative Preußens hin, das ein Scheitern der Verhandlungen fürchtete, wurden zahlreiche Erinnerungen, so auch die Erinnerungen Badens und Mecklenburgs zu dem fraglichen Artikel 42 des Preußischen Entwurfs (in der Fassung nach der zweiten Lesung)156, ausgeschieden157 und die Beratungen auf die übrigen begrenzt158. Dennoch lässt sich festhalten, dass die Frage nach dem probaten Mittel des Verkehrschutzes die Dogmatik von der Abstraktheit der Vollmacht seit ihrer Geburtsstunde begleitet.

B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband Paul Laband war der erste, der die Vollmacht allgemein – also nicht beschränkt auf eine bestimmte Art der Vollmacht wie die Prokura – ausdrücklich als selbstständiges, von dem ihr zugrunde liegenden Auftrag getrenntes Rechtsgeschäft bezeichnete. In seinem 1866 erschienenen Aufsatz „Die 153  Goldschmidt,

Gutachten, S. 37; Schliemann, Bemerkungen, S. 36. Gutachten, S. 37. 155  Vgl. die Erinnerungen Badens, Nr. 59, und Mecklenburgs, Nr. 62, in Lutz, Protokolle, Teil IX (1861), S. 14. 156  „Der Umfang der Prokura (Art. 41) kann nicht beschränkt werden. Insbesondere kann dieselbe nicht unter der Beschränkung ertheilt werden, dass sie nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften gelte, oder dass sie nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden solle. Die Beschränkung, welche dieser Vorschrift zuwider einer Prokura beigefügt wird, hat gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung“. 157  Vgl. die Auflistung aller ausgeschiedenen Erinnerungen bei Schubert, Protokolle, Bd. 11 (Beilagenband), S. 94. 158  Schubert, Protokolle, Bd. 1, S. XIV. 154  Goldschmidt,

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

Stellvertretung bei dem Abschluß von Rechtsgeschäften nach dem allg. Deutsch. Handelsgesetzbuch“ entwickelte er ausgehend von den Normen des ADHGB die These, Vollmacht und Auftrag seien „zwei ganz verschiedene Rechtsgeschäfte, die andere Voraussetzungen, einen anderen Inhalt und andere Wirkungen haben“159. Dabei bezog Laband in seine Überlegungen die Normen des ADHGB ein, beschränkte seine These aber keinesfalls auf die handelsrechtlichen Vollmachten. Gleich zu Beginn seines Aufsatzes erklärte er, Gegenstand desselben sei „die Feststellung der dogmatischen Fundamente der Lehre (von der Stellvertretung)“160. Die Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen Auftrag und Vollmacht bezeichnete er als „juristische Notwendigkeit“161, die er maßgeblich darauf stützte, dass es den Auftrag ohne die Vollmacht, wie auch die Vollmacht ohne einen Auftrag gebe162. Daraus leitete Laband ab, Entstehung und Erlöschen163 der Vollmacht sowie ihr Umfang164 seien von dem Grundverhältnis unabhängig. Der Sprachgebrauch von der „abstrakten“ Vollmacht wurde erst während der – überwiegend wohlwollenden – Diskussion der Thesen Labands in der juristischen Literatur geprägt165.

I. Die Argumentation Labands Laband beschränkt sich nicht auf das Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundverhältnis, sondern befasst sich mit dem Institut der Stellvertretung insgesamt. Seine zentrale These lautet, dass die Vollmacht ein selbstständiges, von dem Mandat streng zu trennendes und von diesem hinsichtlich seiner Entstehung, seines Umfangs und seiner Wirkung unabhängiges Rechtsverhältnis begründet, welches ein rechtliches Können im Gegensatz zu dem rechtlichen Dürfen vermittelt. Diese These stellt er in Zusammenhang mit einer aus seiner Sicht allgemeinen Entwicklung des modernen Rechtsverkehrs: Danach werde zwischen der formellen Verkehrslegitimation auf der einen und der materiellen Berechtigung auf der anderen Seite unterschieden, wobei erstere die letztere ersetzen soll: „An die Stelle der Berechtigung tritt die Legitimation“166.

159  Laband,

ZHR 10 (1866), S. 183, 208. ZHR 10 (1866), S. 183. 161  Laband, ZHR 10 (1866), S. 208. 162  Laband, ZHR 10 (1866), S. 204 ff. 163  Laband, ZHR 10 (1866), S. 206. 164  Laband, ZHR 10 (1866), S. 230. 165  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81, 84; Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 192. 166  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 241. 160  Laband,



B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband 49

1. Die Selbstständigkeit der handelsrechtlichen Vollmachten mit gesetzlich festgelegtem Umfang Im Einzelnen geht Laband von dem bereits von Brinz und Jhering formulierten Gedanken aus, dass es Aufträge ohne Vollmacht und Vollmachten ohne Auftrag gebe. Folglich könnten Vollmacht und Auftrag zusammentreffen, müssten dies aber nicht notwendigerweise167. Als Beispiel für den ersten Fall eines Auftrags ohne Vollmacht nennt Laband Konstellationen der indirekten Stellvertretung wie die Kommission oder das Speditionsgeschäft. Für den zweiten Fall der Vollmacht ohne Auftrag zieht Laband diejenigen handelsrechtlichen Vollmachten des ADHGB heran, die in ihrem Umfang gesetzlich festgelegt und im Außenverhältnis nicht beschränkbar sind, namentlich die Prokura und die Vertretungsmacht des AG-Vorstands und des OHGGesellschafters168. Aus der gesetzlichen Regelung leitet er ab, dass der Umfang dieser Vollmachten von einem etwaigen Auftrag unabhängig sei. Der Auftrag sei mithin für die Stellvertretungsbefugnis irrelevant169. Hiermit bewegt sich Laband in den Bahnen der Beratungen zum ADHGB; in einem Punkt betritt er aber Neuland. Der Gesetzgeber des ADHGB ging davon aus, dass der Prinzipal dem Prokuristen im Innenverhältnis Weisungen erteilen kann, die den Umfang der Prokura selbst – jedoch ohne Wirkung im Außenverhältnis – einschränken. Jedenfalls findet sich weder im ADHGB noch in den Materialien hierzu die von Laband nun ausdrücklich getroffene Differenzierung. Danach sollen die Weisungen des Prinzipals nur auf der Ebene des Auftrags wirken, die Prokura aber in ihrem Umfang davon im Innen- wie im Außenverhältnis unberührt bleiben. Laband führt damit die im ADHGB bereits getroffene Unterscheidung zwischen der Stellvertretung im Außenverhältnis und dem Auftrag im Innenverhältnis zwischen Prinzipal und Stellvertreter weiter, indem er die Prokura ganz dem Außenverhältnis zuordnet. Die zu diesem Ergebnis führende Argumentation fußt jedoch maßgeblich auf der Besonderheit der Prokura. Laband selbst stellt dies treffend fest: „In den bisher betrachteten Fällen hat der Stellvertreter eine Vollmacht, deren Umfang gesetzlich fixiert ist und im Interesse der Verkehrssicherheit unveränderlich ist; man könnte daher diese Fälle als im Interesse des Verkehrs sanktionierte Ausnahmen von der Regel betrachten, dass jede Vollmacht auf einem Auftrag beruhe und in ihrem Umfange von dem Auftrage bestimmt werde“170.

167  Laband,

ZHR Folgenden 169  Laband, ZHR 170  Laband, ZHR 168  Im

10 (1866), S. 183, 204. wird stellvertretend jeweils nur von der Prokura die Rede sein. 10 (1866), S. 183, 206. 10 (1866), 204.

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

2. Die Selbstständigkeit der Vollmachten mit frei bestimmbarem Inhalt In einem zweiten Schritt weitet Laband seine Argumentation auf Vollmachten aus, deren Umfang frei bestimmbar ist. Als Beispiel zieht er die Handlungsvollmacht nach Art. 47 ADHGB heran. Auch hier könne der konkrete Auftrag enger gefasst sein als die Vollmacht. Der Handlungsbevollmächtigte sei in diesem Fall nicht „nur zur Vertretung des Prinzipals hinsichtlich derjenigen Geschäfte befugt, deren Ausführung ihm aufgetragen worden ist“171, sondern hinsichtlich aller Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte mit sich bringt, Art. 47 alin. 1 ADHGB. Anderslautende Aufträge seien nur „Instructionen, deren Nichtbefolgung der Bevollmächtigte dem Prinzipal gegenüber zu verantworten hat, die aber dem Dritten nicht entgegen gehalten werden können“172. Das ergibt sich freilich nicht unmittelbar aus den Normen des ADHGB. Laband untermauert seine These daher zum einen mit der Systematik des Gesetzes: Gemäß Art. 52 ADHGB handele es sich um eine befugte Stellvertretung, wenn der Handlungsbevollmächtigte gemäß der Vollmacht handelt; hat er seine Vollmacht überschritten, handele es sich dagegen gemäß Art. 55 ADHGB um eine unbefugte Stellvertretung173. Daraus gehe hervor, dass es für die Frage nach der Befugnis zur Vertretung nicht auf den Auftrag, sondern allein auf die Vollmacht ankomme. Laband sieht sich in diesem Normverständnis durch mehrere Gerichtsentscheidungen bestätigt. Bereits 1863 hatte das Dresdner Appelationsgericht Art. 55 ADHGB im Hinblick auf die Handlungsvollmacht dahingehend ausgelegt, „die Überschreitung der Vollmacht (sei) nicht auf das Zuwiderhandeln gegen etwaige spezielle Aufträge in Bezug auf den Abschluß der innerhalb der ertheilten generellen Vollmacht liegenden Geschäfte zu beziehen, sondern auf die Vornahme von Handlungen, welche außerhalb der präsumtiven Vollmacht, also solcher Geschäfte oder Rechtshandlungen sich bewegen, welche die Ausführung derartiger wie die übertragenen Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt“174. In ei171  Laband,

ZHR 10 (1866), S. 207 ZHR 10 (1866), S. 207. 173  Art. 52 alin. 1 ADHGB lautet: „Durch das Rechtsgeschäft, welches ein Prokurist oder ein Handlungsbevollmächtigter gemäß der Prokura oder der Vollmacht im Namen des Prinzipals schließt, wird der Letztere dem Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet.“ Art. 55 alin. 1 ADHGB lautet: „Wer ein Handelsgeschäft als Prokurist oder als Handlungsbevollmächtigter schließt, ohne Prokura oder Handlungsvollmacht erhalten zu haben, ingleichen ein Handlungsbevollmächtigter, welcher bei Abschluß eines Geschäfts seine Vollmacht überschreitet, ist dem Dritten persönlich nach Handelsrecht verhaftet; der Dritte kann nach seiner Wahl ihn auf Schadensersatz oder Erfüllung belangen.“ 174  DAG zu Dresden, Entscheidung v. 5. November 1863, ZHR Bd. 8 (1865), 567 f. 172  Laband,



B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband 51

nem Urteil aus demselben Jahr hatte das Stadtgericht Berlin entschieden, es sei für die Wirksamkeit der im Namen des Prinzipals abgeschlossenen Geschäfte eines Handlungsreisenden nicht erforderlich, dass dieser ausdrücklich zum Abschluss dieser Geschäfte beauftragt wurde. Es reiche vielmehr aus, wenn sich aus den Umständen ergebe, dass er zur Vertretung des Prinzipals befugt sei175. Zum anderen argumentiert Laband mit dem Zweck der Vollmachtserteilung aus der Sicht des Prinzipals: Dieser bestehe „oft gerade darin, dass der Bevollmächtigte selbstständig die Geschäfte besorgt, ohne dass der Prinzipal ihn durch bestimmte Aufträge zu dirigieren braucht“176. Damit verwischt Laband jedoch einen entscheidenden Einwand gegen seine These: Denn mit der Unbeachtlichkeit aller „Instructionen“ des Prinzipals für die Vollmacht wird die Privatautonomie des Prinzipals zugunsten des Verkehrs eingeschränkt. Zwar mag Labands Behauptung, der Prinzipal wünsche sich in der Regel einen selbstständig agierenden Vertreter, wenn er einen Handlungsbevollmächtigten ernennt, regelmäßig zutreffen. Das kann aber nicht erklären, warum der Handlungsbevollmächtigte im Außenverhältnis nicht an interne Weisungen des Prinzipals gebunden sein soll. Dem Interesse des Prinzipals entspricht dies jedenfalls auf den ersten Blick gesehen nicht. Auf diesen nahe liegenden Einwand geht Laband nicht ein, sondern erweitert seine These sogar auch auf die einfache privatrechtliche Vollmacht: Der Auftrag könne jeweils enger gefasst sein als die Vollmacht. Die über den Auftrag hinausgehende Vollmacht sei dann eine „Vollmacht ohne Auftrag“177. Am Ende dieser Argumentationskette zieht Laband folgende zentrale Schlussfolgerung: „Aus den vorstehenden Erörterungen ergiebt es sich, daß es Mandate ohne Vollmacht, Vollmachten ohne Mandate giebt, daß endlich Vollmacht und Mandat auch zusammenfallen und völlig congruent sein können. Sonach ist eine scharfe Trennung dieser beiden Begriffe eine juristische Nothwendigkeit. Es sind zwei ganz verschiedene Rechtsgeschäfte, die andere Voraussetzungen, einen anderen Inhalt und andere Wirkungen haben“178. 3. Die Entstehung der Vollmacht durch Bevollmächtigungsvertrag Die strikte Trennung zwischen Vollmacht und Auftrag führt Laband auch in den folgenden Kapiteln seines Aufsatzes konsequent weiter. Im Unterschied zu der Regelung in § 167 Abs. 1 BGB geht er allerdings davon aus, dass der gewillkürten Stellvertretung ein Bevollmächtigungsvertrag zu175  Stadtgericht

605.

176  Laband,

zu Berlin, Entscheidung v. 22. Januar 1863, ZHR Bd. 7 (1864),

ZHR 10 (1866), S. 183, 207. ZHR 10 (1866), S. 183, 208. 178  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 208. 177  Laband,

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

grunde liegt179, die Vollmacht also nicht durch einseitiges, sondern durch ein zweiseitiges Rechtsgeschäft entsteht. Mit dem Bevollmächtigungsvertrag einigten sich Prinzipal und Bevollmächtigter darauf, dass das Vertretergeschäft seiner Wirkung nach als Rechtsgeschäft des Prinzipals angesehen werden soll. Einen Bevollmächtigungsvertrag fordert Laband aber noch aus einem anderen Grund: Mit der Loslösung der Vollmacht von dem Auftrag bedürfe es auch eines eigenständigen Rechtsgeschäfts, durch welches die Vollmacht erteilt werde180. Laband führt seine These hier weiter, ohne jedoch den Schritt zu einer einseitigen Vollmachtserteilung zu gehen, obwohl dies nach den Vorschriften des ADHGB näher gelegen hätte als die Forderung nach einem Bevollmächtigungsvertrag. Der Bevollmächtigungsvertrag hat in der Theorie Labands die Funktion, die immer noch als erklärungsbedürftig empfundene Trennung zwischen der Person des Vertragsschließenden und der Person des aus dem Vertrag Verpflichteten auf den Willen der Parteien zurückzuführen.

II. Die Ergebnisse Labands Damit hat Laband bis heute weitgehend anerkannte Prinzipien formuliert: Vollmacht und Auftrag sind zwei verschiedene Rechtsgeschäfte – Trennungsprinzip –, die voneinander rechtlich unabhängig sind – Abstraktionsprinzip. Methodisch erreicht Laband dieses Ergebnis durch eine Verallgemeinerung handelsrechtlicher Regeln und deren Einführung in das allgemeine Zivilrecht. Ausgehend von den Vorschriften des ADHGB formuliert er einen Gedanken, der in diesen Vorschriften und ihrem Entstehungsprozess bereits angelegt war – den Gedanken der Trennung zwischen Vollmacht und Grundgeschäft – und führt diesen zu der generellen Vorstellung von der Vollmacht als selbstständigem Rechtsverhältnis fort. Die gesetzlichen Regelungen macht er zur Basis seiner Überlegungen, ohne diese Regelungen in Frage zu stellen. Auf die in der Literatur erhobenen Einwände gegen die Regelung der Prokura im ADHGB181 geht er mit keinem Wort ein. Im Zentrum seiner Argumentation steht die verselbstständigte Vollmacht, die ein rechtliches „Können“ vermittelt, das streng von dem „Dürfen“ im Sinne einer materiellen Berechtigung getrennt wird182. Dieses „Dürfen“ wird von Laband ebenso beiseite gelassen wie die Frage nach dem „richtigen“ im Sinne eines „gerechten“ Ergebnisses im Wege einer Abwägung der beteiligten Interessen. Der Schutz des Gutgläubigen findet bei Laband nur am Rande in Bezug auf Art. 47 ADHGB, 179  Laband,

ZHR 10 (1866), S. 208. ZHR 10 (1866), S. 209. 181  Goldschmidt, Gutachten, S. 37; Schliemann, Bemerkungen, S. 35 ff. 182  Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 185. 180  Laband,



B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband 53

die Vorläufernorm des heutigen § 54 HGB, Erwähnung183. Den in der Literatur bereits formulierten Einwand, dass mit der Verselbstständigung und der Unbeschränkbarkeit der Prokura auch der Bösgläubige geschützt werde, berücksichtigt er nicht. Zur Unterstützung seiner These von der Notwendigkeit einer scharfen Trennung zwischen Vollmacht und Auftrag stellt Laband diese im letzten Abschnitt seines Aufsatzes als für das „moderne Verkehrsrecht“184 charakteristisch dar. Dieses charakteristische Element sieht Laband in der Ablösung der materiellen Berechtigung durch die formelle Legitimation. Das römische Recht habe nicht nur die direkte Stellvertretung nicht anerkannt, sondern auch da, wo eine Vertretung im Rechtsverkehr praktisch möglich war, zur Herstellung des Vertretungserfolgs immer eine materielle Befugnis des Vertreters gefordert. Die Trennung der Vollmacht von dem Grundverhältnis biete dagegen die Möglichkeit, die materielle Berechtigung durch eine „selbstständige Verkehrslegitimation“185 in Gestalt der Vollmacht zu ersetzen. Der Eintritt der Vertretungswirkung werde rein formal an das Vorliegen der Vollmacht geknüpft, ohne dass es darauf ankäme, was im Innenverhältnis vereinbart ist, oder ob der Stellvertreter im Interesse des Prinzipals handelt. Laband formuliert damit den Gedanken von der Vollmacht als einem rechtlichen Können unabhängig von einem Dürfen186. In der Herausbildung einer selbstständigen Verkehrslegitimation sieht er zudem eine Errungenschaft der damals jüngeren Rechtsentwicklung, die für die Entstehung mehrerer Rechtsinstitute eine entscheidende Rolle gespielt habe. Sie bilde die Grundlage für das Recht der Inhaber- und Ordrepapiere sowie für den richtigen Begriff des Indossaments187. Weitere Anwendungsfälle seien im Sachenrecht die Einführung des Grund- und Hypothekenbuchs sowie die Vorschriften der Art. 306 und 307 ADHGB188. Aus den genannten Beispielen folgert Laband für die gesamte Privatrechtsordnung: „An die Stelle der Berechtigung tritt die Legitimation“189.

183  Laband,

ZHR 10 (1866), S. 183, 222. ZHR 10 (1866), S. 240. 185  Laband, ZHR 10 (1866), S. 240. 186  Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 184. 187  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 240 f. 188  Die genannten Vorschriften betreffen den gutgläubigen Mobiliarerwerb von einem Kaufmann sowie den gutgläubigen Erwerb von Inhaberpapieren von jedermann. 189  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 241. 184  Laband,

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

III. Laband als „Kind seiner Zeit“ Sowohl im Hinblick auf die Methode als auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausführungen war Laband ein „Kind seiner Zeit“: Die Methode, mit der Laband seine Thesen entwickelt, ist streng an Begriffen orientiert und baut auf formal-logischen Schritten auf190. Laband selbst beschreibt seine Vorgehensweise im Vorwort eines späteren Werkes auf dem Gebiet des Staatsrechts wie folgt: „Die wissenschaftliche Aufgabe der Dogmatik eines bestimmten positiven Rechts liegt aber in der Konstruktion der Rechtsinstitute, in der Zurückführung der einzelnen Rechtssätze auf allgemeinere Begriffe und andererseits der aus diesen Begriffen sich ergebenden Folgerungen“191. Diese Grundüberzeugung von der Methode der Rechtswissenschaft hat der spätere Staatsrechtler Laband in seinem Aufsatz über „Die Stellvertretung bei dem Abschluß von Rechtsgeschäften nach dem allgem. Deutsch. Handelsgesetzbuch“ bereits umgesetzt. Ausgehend von den speziellen Regelungen im ADHGB zur Prokura und zur Handlungsvollmacht entwickelt er im Wege der Induktion und Abstraktion ein allgemeines Prinzip, die Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Mandat. Aus diesem allgemeinen Prinzip zieht er wiederum im Wege der Deduktion Schlussfolgerungen für die Interpretation und Anwendung der Normen des gesamten Stellvertretungsrechts. Schließlich ordnet er seine These einem grundlegenden Prinzip, der Verkehrslegitimation, zu. Mit dieser strengen Orientierung an Begriffen und formal-logischen Argumenten gehört Laband zu dem Kreis der Juristen seiner Zeit, deren Methode vielfach als „Begriffsjurisprudenz“192 bezeichnet und kritisiert worden ist. Entsprechend dem Gesetzespositivismus des 19. Jahrhunderts macht Laband die gesetzlichen Regelungen des ADHGB zur Grundlage seiner Stellvertretungslehre. Die für die Prokura durch das ADHGB eingeführte Unbeachtlichkeit von internen Aufträgen und Weisungen weitet er auf die Vollmacht generell aus. Zwar wirft Laband selbst die Frage auf, ob es sich bei der Ausgestaltung der Prokura im ADHGB nicht um eine Ausnahme im Interesse der Verkehrssicherheit handele193. Er kommt jedoch zu dem Schluss, dass Aufträge des Prinzipals auch im Übrigen bloße Instruktionen seien, „deren Nichtbefolgung der Bevollmächtigte dem Prinzipal gegenüber zu verantworten“ habe, die aber „dem Dritten nicht entgegengehalten werden“ könnten194. Zu diesem 190  Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 174; Sinzheimer, Klassiker, S. 149 ff.; Wilhelm, Methodenlehre, S. 7 ff. 191  Laband, Staatsrecht, S. XI. 192  Siehe allgemein zur sog. „Begriffsjurisprudenz“: Larenz, Methodenlehre, S.  19 ff.; Schröder, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. I, S.  500 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 433 ff. 193  Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 206. 194  Laband, ZHR 10 (1866), S. 207.



B. Die „Entdeckung“ der Abstraktheit der Vollmacht durch Laband 55

Ergebnis gelangt Laband in erster Linie auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung der Handlungsvollmacht und daraus abgeleiteter logischer Schlussfolgerungen. Die Interessen des Prinzipals treten dabei in den Hintergrund; ihr Schutz wird ausschließlich dem Verhältnis zwischen Prinzipal und Bevollmächtigtem zugeordnet. Sonderinteressen, wie der Schutz Minderjähriger, bleiben dabei unberücksichtigt. Inhaltlich führt die Verselbstständigung der Vollmacht die differenzierende Denkweise der Repräsentationstheorie weiter195. Diese hatte den Vertragsschluss durch den Vertreter von dem Eintritt der vertraglichen Bindung in der Person des Vertretenen getrennt und damit eine erste grundlegende Unterscheidung in das Vertretungsrecht eingeführt. Damit einher ging die Herausbildung einer besonderen Funktion der Bevollmächtigung als Bindeglied zwischen Vertretenem und vertraglicher Bindung. Laband führt die Differenzierung im Stellvertretungsrecht weiter und erklärt die Vollmacht zu einem von dem Auftrag vollständig losgelösten, eigenen Rechtsverhältnis. Dabei bewegt er sich von anderen Vertretern der Repräsentationstheorie jedoch insofern weg, als die Privatautonomie der Parteien in seinen Ausführungen nur eine untergeordnete Rolle spielt196. Mit einer Vollmachtstheorie, die vielmehr den Verkehrsschutz in den Blick nimmt und den Begriff der Legitimation in das Zentrum rückt, nimmt Laband Teil an der von der Rechtswissenschaft zu dieser Zeit insgesamt vorangetriebenen Herausbildung eines Verkehrsrechtes197. Und auch die Schlussfolgerung vom Handelsrecht auf das allgemeine Zivilrecht entspricht einer allgemeinen Tendenz dieser Zeit, die dahin ging, das Zivilrecht zu „kommerzialisieren“, also die Rechtsordnung mehr und mehr nach den Bedürfnissen des (Handels-)Verkehrs auszurichten198. Dem entspricht die einseitige Behandlung Labands der gewillkürten Stellvertretung im Vermögensrecht. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die überwiegend positive Rezeption verstehen, die Labands Thesen in der rechtswissenschaftlichen Literatur seiner Zeit erfahren hat: Sie erscheinen als konsequente Fortführung der Entwicklung des Stellvertretungsrechts im Geiste ihrer Zeit.

195  Schreindorfer,

Verbraucherschutz, S. 142. insofern Müller-Freienfels, Abstraktion, S. 183. 197  Zu dieser Entwicklung siehe Wellspacher, Vertrauen, Einleitung, S. VII ff. 198  Müller-Freienfels, Abstraktion, S.  174 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 442. 196  Kritisch

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

C. Die Rezeption der Thesen Labands Die Thesen Labands von der Vollmacht als einem von dem Grundgeschäft unabhängigen Rechtsgeschäft stießen auf ein breites Echo. Die Diskussion, die sich an das Erscheinen der Abhandlung Labands 1866 anschloss, fiel mit der Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusammen und prägte erkennbar die in den zugänglichen Materialien niedergelegten Überlegungen der Gesetzesverfasser. Die Auseinandersetzung um das richtige Verständnis von dem Wesen der Vollmacht und ihrem Verhältnis zum Auftrag endete aber nicht mit dem Inkrafttreten des BGB, sondern wurde auch im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts unvermindert fortgesetzt.

I. Die Kritik Die Kritiker der Labandschen Thesen vertraten mehrheitlich weiterhin die Auffassung, dass Vollmacht und Auftrag zwei Seiten eines Rechtsverhältnisses darstellen199. Als Argument führten sie unter anderem den Befund an, dass den am Rechtsverkehr Beteiligten die Unterscheidung zwischen Vollmacht und Auftrag nicht bewusst sei und diese mit der Erteilung des Auftrags in der Regel auch eine Bevollmächtigung intendierten, ohne dies ausdrücklich zu erklären200. Zudem stützten sie sich auf die Normen des ADHGB, die Vollmacht und Auftrag gerade nicht trennten, sondern vielmehr nur zwischen Innen- und Außenverhältnis des Mandats unterschieden201. Laband verkenne, dass es sich in den Fällen, in denen die Vollmacht ihrem Umfang nach unabhängig von dem Mandat ausgestaltet sei, um Ausnahmen zum Schutz des Verkehrs handele202. Mit der Abstraktheit der Vollmacht werde dagegen ein überschießender Verkehrsschutz geschaffen, der auch den bösgläubigen Dritten mit einschließt203. Zudem werde der Wille des Geschäftsherrn als des durch das Vertretergeschäft Gebundenen und damit das für den Privatrechtsverkehr fundamentale Prinzip der Privatautonomie nicht hinreichend berücksichtigt204. Der Kritik war kein Erfolg beschieden. Die Mehrheit der Stellungnahmen schloss sich der These Labands von der Eigenständigkeit der Vollmacht als 199  Curtius, AcP 58 (1875), S. 69, 85; Dniestrzanski, Aufträge, S. 114; Schlossmann, Stellvertretung, S. 270. 200  Dniestrzanski, Aufträge, S. 108; Schlossmann, Stellvertretung, S. 273 f. 201  Curtius, AcP 58 (1875), S. 69, 85; Dniestrzanski, Aufträge, S.  88 ff. 202  Dniestrzanski, Aufträge, S. 90; Schlossmann, Stellvertretung, S. 264. 203  Wellspacher, Vertrauen, S. 80. 204  Dniestrzanski, Aufträge, S. 86.



C. Die Rezeption der Thesen Labands 57

einem von dem Auftrag zu unterscheidenden Rechtsgeschäft an205. Die Vollmachtserteilung könne mit dem Abschluss des Auftragsvertrags zusammenfallen, dies sei aber für die Vollmacht „nicht wesentlich“206. Die Trennung zwischen Vollmacht und Grundgeschäft in Abkehr von der alten Mandatstheorie und die damit verbundene Einordnung der Bevollmächtigung als eigenständiges Rechtsgeschäft wurde damit zur herrschenden Meinung.

II. Die Fortentwicklung Darüber hinaus wurden Labands Thesen unter anderem insofern fortentwickelt, als man die Bevollmächtigung nicht als Vertrag, sondern als einseitiges Rechtsgeschäft auffasste207. Die Vollmacht beruhe allein auf dem Willen des Machthabers. Eine Annahmeerklärung des Bevollmächtigten bedürfe es für die wirksame Vollmachtserteilung daher nicht, eine solche sei vielmehr dem Bereich des Auftragsverhältnisses zuzuordnen208. Die Vorstellung von der Vollmacht als einseitigem Rechtsgeschäft war eine konsequente Weiterführung der Repräsentationstheorie, als sie der Funktion der Vollmacht als Bindeglied zwischen dem Willen des Vollmachtgebers und der aus dem Vertretergeschäft erwachsenden Obligation entspricht209. Darüber hinaus wurde mit der Einordnung der Bevollmächtigung als einseitigem Rechtsgeschäft aber auch die Abgrenzung zum Auftragsvertrag weiter verschärft. Jedenfalls die Entstehung der Vollmacht erforderte nun im Gegensatz zum Auftragsvertrag keine zwei übereinstimmenden Willenserklärungen mehr, sondern lediglich den Zugang der Willenserklärung des Bevollmächtigenden. Die zwingende Begrenzung der Bevollmächtigung auf einen einseitigen Akt bestreitet in der heutigen Diskussion Beuthien, der die Abstraktheit der Vollmacht ablehnt und diese wieder als Bestandteil des Grundverhältnisses ansehen will210. 205  Crome, System, § 104, S. 459; Dernburg, Pandekten, S. 272; Hupka, Vollmacht, S. 12 ff. et passim; Ladenburg, ZHR 11 (1868), S. 72; Lenel, Jehrings Jahrbücher 36 (1898), S. 1, 13 ff.; Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S. 228; Windscheid, Pandekten (ab der 3. Auflage), § 74 Fn. 1; Zimmermann, Negotiorum Gestio, S. 88. Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 9, bezeichnet Labands Lehre entsprechend als „herrschende Lehre“; Wellspacher, Vertrauen, S. 79, spricht von der „neueren Doktrin“. 206  Dernburg, Pandekten, S. 272. 207  Dernburg, Pandekten, S. 272; Hupka, Vollmacht, S.  85 ff.; Lenel, Jherings Jahrbücher 36 (1896), S. 1, 15; Regelsberger, Krit. Vierteljahresschrift 11 (1869), S. 361, 369. 208  Regelsberger, Krit. Vierteljahresschrift 11 (1896), S. 361, 369. 209  Mit ähnlichem Begründungsansatz, wenn auch nicht auf dem Boden der Repräsentationstheorie für die Bevollmächtigung als einseitigen Akt: Hellmann, Stellvertretung, S.  109 ff. 210  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81, 88 ff.

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

Mit der Abkehr von dem Labandschen Verständnis der Vollmachtserteilung als Vertrag zwischen Bevollmächtigendem und Vertreter trat zudem die Fragestellung in den Raum, ob die einseitige Vollmachtserteilung ausschließlich gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder auch gegenüber Dritten erklärt werden könne. Damit war die Idee der „Außenvollmacht“ geboren. Die Spitze der Auseinandersetzung um den richtigen Adressaten der Bevollmächtigungserklärung bildete die Ansicht Lenels, dem zufolge die Bevollmächtigung als einseitiges Rechtsgeschäft ausschließlich gegenüber dem Dritten erfolgen könne211. Diese Konzeption der Vollmacht erfolgte nicht um ihrer selbst willen, sondern bildete in der Vollmachtstheorie Lenels den Grund für die Unabhängigkeit des Vollmachtsumfangs von internen Absprachen zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem: Da die Bevollmächtigung gegenüber dem Dritten vorzunehmen sei, könnten interne Absprachen die Vollmacht nicht einschränken212. Anhand der Argumentation wird deutlich, dass die von Laband postulierte strenge Unabhängigkeit von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis für die reine Innenvollmacht Lenel nicht voll zu überzeugen vermochte. Dessen Ansicht konnte sich in der Diskussion jedoch nicht durchsetzen. Zwar lehnten viele die Erteilung der Vollmacht gegenüber einem Dritten nicht explizit ab; die ganz überwiegende Meinung ging aber davon aus, dass die Vollmacht – als einseitiges Rechtsgeschäft – jedenfalls auch gegenüber dem zu Bevollmächtigenden erklärt werden könne213. In der Logik der Argumentation Lenels hätte es gelegen, dann aber zwischen der Innen- und Außenbevollmächtigung bezüglich der Frage der Unabhängigkeit von dem Grundgeschäft zu unterscheiden. Eine solche Differenzierung wurde aber nicht getroffen.

III. Insbesondere: Das Verhältnis der beiden Rechtsgeschäfte Bevollmächtigung und Auftrag Während die Trennung von Vollmacht und Grundgeschäft als zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsgeschäfte nach dem Erscheinen von Labands Aufsatz schnell Anerkennung fand, blieb das genaue Verhältnis beider Rechtsgeschäfte zueinander auch nach dem Inkrafttreten des BGB weiterhin umstritten214. Bei dem Versuch, dieses begrifflich zu erfassen, bildete sich 211  Lenel,

Jherings Jahrbücher 36 (1896), S. 1, 15. Jherings Jahrbücher 36 (1896), S. 1, S. 23 ff. 213  Brinz, Pandekten IV, § 582, S. 377; Dernburg, Pandekten6, Bd. 1,1, § 119, S. 276; Hellmann, Stellvertretung, S. 113; Hupka, Vollmacht, S.  95 ff.; Mitteis, Stellvertretung, S.  185 ff.; Windscheid, Pandekten6, § 74, S. 212; Zimmermann, Negotiorum Gestio, S. 89 Fn. 107b; Zitelmann, Rechtsgeschäfte, S. 86. Siehe hierzu auch Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 253. 214  Die Abstraktheit der Vollmacht im Sinne Labands befürworteten u. a. Crome, System, § 104, S. 459 f.; Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S. 228 ff.; Hupka, 212  Lenel,



C. Die Rezeption der Thesen Labands 59

der Sprachgebrauch von der Abstraktheit der Vollmacht heraus215. Ladenburg beschrieb die Vollmacht als „unabhängig von ihrer causa“216. In diesem Sinne bezeichneten auch Enneccerus und Lehmann die Vollmacht als abstraktes Rechtsgeschäft mit der Begründung, diese nehme den Grund, auf dem sie beruhe, nicht in sich auf217. Sie verglichen die Vollmacht mit dem dinglichen Verfügungsgeschäft, das seine causa im Gegensatz zu den kausalen Geschäften nicht in sich trägt. So verstanden erfuhr die Verwendung des Gegensatzpaares „abstraktes und kausales Rechtsgeschäft“ im Zusammenhang mit der Vollmacht jedoch deutliche Kritik218. Die Unterscheidung zwischen abstrakten und kausalen Rechtsgeschäften sei dem Bereich der Vermögenszuwendungen vorbehalten, da sie von der Zweckbestimmung von Vermögenszuwendungen ausgehe219. Hupka schränkte die Bedeutung dieser Terminologie dagegen vorsichtiger ein: Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass die Entstehung der Vollmacht nicht von dem Bestand eines zugrunde liegenden Kausalgeschäfts abhänge220. Als Schlagwort für die Unabhängigkeit der Vollmacht von ihrem Grundgeschäft wurde die „Abstraktheit der Vollmacht“ akzeptiert221 und setzte sich im Ergebnis durch222. Unter denjenigen, die ein abstraktes Vollmachtsverständnis nicht grundsätzlich ablehnten, war die Vorstellung verbreitet, das Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft hänge entscheidend von dem Willen der Parteien ab, die hierüber frei disponieren könnten. Uneinigkeit herrschte in der Frage, ob die Vollmacht grundsätzlich von dem Grundverhältnis abhängig – kausal – sei und nur die Parteien mittels ausdrücklicher Erklärung die Vollmacht ausnahmsweise unabhängig – abstrakt – gestalten könnten223 oder ob umgeVollmacht, S. 155 ff. et passim; Regelsberger, Krit.Vierteljahresschrift 11 (1869), S. 361, 367. Gegen die rechtliche Unabhängigkeit der Vollmacht wandten sich u. a. Curtius, S.  79 ff.; Schlossmann, Stellvertretung, S. 262 ff.; Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, S. 4 et passim; Wellspacher, Vertrauen, S. 80. 215  Crome, System, §  104, S. 460; Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S.  229 f.; Planck, BGB, § 167 Erl. 3, S. 443. Siehe auch Müller-Freienfels, Abstraktheit, S.  192 f. 216  Ladenburg, ZHR 11 (1868), S. 72. 217  Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S. 229. 218  Crome, System § 104, S. 460; Erk, Vorträge, S. 122 f., 184; Rosenberg, Stellvertretung, § 23, S. 754 ff.; Zitelmann, Recht, S. 121. 219  Erk, Vorträge, S. 122 f.; Planck’s Kommentar zum BGB4, § 167 Erl. 3, S. 443; Rosenberg, Stellvertretung, § 23, S. 754. 220  Hupka, Vollmacht, S. 157. 221  Planck’s Kommentar zum BGB4, § 167 Erl. 3, S. 443. 222  Staudinger/Schilken, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 33 m.w.N; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 164 Rn. 74. In Bezug auf die Prokura: Wieland, Handelsrecht, § 31, S. 385. 223  Planck, BGB, § 167 Erl. 3, 293 f., Rosenberg, Stellvertretung, § 23, S. 765 ff. für die reine Innenvollmacht.

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

kehrt die Vollmacht grundsätzlich von dem Grundverhältnis unabhängig sei, aber mit ihm von den Parteien mittels einer Bedingung verbunden werden könne224. Damit wurde die Abstraktheit der Vollmacht jedoch im Kern von ihrer ursprünglichen Funktion, dem Verkehrsschutz, entfremdet. Denn ein Instrument, das zur Disposition der Parteien steht, ist nicht geeignet, den Verkehr wirksam zu schützen. Die Frage, ob die Vollmacht grundsätzlich abstrakt sei und nur ausnahmsweise abstrakt ausgestaltet werden könne oder umgekehrt, entpuppt sich damit als Marginalisierung der Debatte, die dem Kern des Problems nicht gerecht wird. Der Gedanke des Verkehrsschutzes spielte in der historischen Debatte jedoch insofern eine gewichtige Rolle, als die Abstraktheit der Vollmacht insbesondere im Hinblick auf die nach außen erklärte Bevollmächtigung diskutiert und verfochten wurde225. Offensichtlich entfalteten Labands Thesen diesbezüglich eine besondere Überzeugungskraft, obwohl Laband, der noch einen Bevollmächtigungsvertrag zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter vorausgesetzt hatte, der Gedanke einer Außenbevollmächtigung fremd war.

IV. Die Weiterführung bei Hupka Namentlich Hupka als Befürworter der Thesen Labands befasste sich eingehender mit der Frage nach dem Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft. In seinem 1900 erschienenen Werk über die Vollmacht entwirft er eine umfassende Dogmatik derselben. Nach Hupka ist die Bevollmächtigung ein sowohl gegenüber dem Grundgeschäft als auch gegenüber dem Vertretergeschäft selbständiger Rechtsakt226. Im Gegensatz zu seinem akademischen Lehrer Mitteis sah Hupka allein den Stellvertreter als den Träger des auf den unmittelbaren Abschluss des Vertretergeschäfts gerichteten rechtsgeschäftlichen Willens an227. Der rechtsgeschäftliche Wille des Vollmachtgebers manifestiere sich dagegen in der Vollmachtserteilung228. Sie tangiere damit lediglich dessen Interessen, indem sie dem Vertreter die Macht einräumt, über die Rechtssphäre des ersteren zu disponieren. Da die Bevollmächtigung damit 224  Enneccerus, Allgemeiner Teil, § 171, S. 457; vgl. auch Kipp, ZHR 57 (1906), S. 214, 215, der für maßgeblich erachtet, ob die Vollmacht zusammen mit dem Grundgeschäft oder von diesem losgelöst erteilt werde. In ersterem Fall sei die Abhängigkeit die Regel, in letzterem Fall dagegen die Unabhängigkeit; ein abweichender Parteiwille soll aber jeweils beachtlich sein. 225  Endemann, Bürgerliches Recht, S. 405 f.; Gebhard, S. 171 (Schubert, Vorentwürfe AT, S. 191); Lenel, Jherings Jahrbücher 36 (1896), S. 1, 24; Leonhard, Allgemeiner Teil, § 78, S. 320 ff. 226  Mitteis, Stellvertretung, S. 110 et passim. 227  Hupka, Vollmacht, S. 29 ff., 39. 228  Hupka, Vollmacht, S. 32, 106.



C. Die Rezeption der Thesen Labands 61

weder gegenüber dem zu Bevollmächtigenden noch gegenüber dem Dritten eine unmittelbare Rechtsbeziehung bewirke und weder dem einen, noch dem anderen daraus eine Verpflichtung oder ein Recht erwachse, sei die Bevollmächtigung erstens ein einseitiger Rechtsakt und könne zweitens sowohl gegenüber dem zu Bevollmächtigenden als auch gegenüber dem Dritten erteilt werden229. Die Vollmacht entsteht danach losgelöst von dem Grundgeschäft. Auch für den Umfang und das Erlöschen der Vollmacht ist das Grundgeschäft nach Hupka ohne Relevanz230. Insgesamt sollen Einwendungen aus dem internen Verhältnis zwischen Grundgeschäft und Prinzipal dem Dritten nicht entgegengehalten werden können231. Dies will Hupka grundsätzlich auch dann aufrechterhalten, wenn dem Dritten ein der Vollmachtsausübung entgegenstehender Mangel des Grundgeschäfts bekannt war. Allerdings macht er hier eine Einschränkung für die Fälle der Evidenz und der Kollusion, die heute als Varianten des Missbrauchs der Vertretungsmacht anerkannt sind232. Als einen der „wichtigsten Punkte des ganzen Vollmachtsrechts“233 stellt Hupka die Frage in den Raum, welche Tragweite einschränkende Erklärungen haben, die der Vertretene nur dem Bevollmächtigten, nicht auch dem Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber abgibt. Zur Beantwortung dieser Frage unterscheidet Hupka zwischen zwei Fallgestaltungen, die wir heute als Innenvollmacht auf der einen Seite und Außenvollmacht sowie kundgegebene Innenvollmacht auf der anderen Seite bezeichnen: Im ersten Fall richtet der Prinzipal seine Bevollmächtigungserklärung ausschließlich an den zu Bevollmächtigenden und setzt auch weder den Dritten noch die Öffentlichkeit hierüber in Kenntnis. Im zweiten Fall234 erklärt der Prinzipal gegenüber dem Dritten oder gegenüber der Öffentlichkeit, dass er einen anderen bevollmächtige oder bevollmächtigt habe. Beschränkungen des Vollmachtsumfangs, die der Prinzipal ausschließlich gegenüber dem Bevollmächtigten äußert, wirken sich nach Hupka jeweils unterschiedlich aus235. Im Grundsatz geht er 229  Hupka,

Vollmacht, S. 88 f. und S. 106 f. Vollmacht, S. 161 f. und 187 f. 231  Hupka, Vollmacht, S.  187 f. 232  Hupka, Vollmacht, S. 188. 233  Hupka, Vollmacht, S. 199. 234  Hierunter fasst Hupka sowohl die Fälle der sog. Außenvollmacht als auch der kundgegebenen Innenvollmacht; behandelt beide jedoch einheitlich. 235  Hupka, Vollmacht, S. 200 ff. Zu einem ähnlichen Ergebnis, freilich mit abweichender Begründung gelangt auch Leonhard. Er unterscheidet zwischen der „normalen“ Vollmacht, deren Umfang vom Grundgeschäft abhänge und der „bevorzugten“ Vollmacht (Außenvollmacht und kundgegebene Innenvollmacht), bei denen ein besonderer Schutz des gutgläubigen Dritten gegen interne Beschränkungen/den Fortfall der Vollmacht erforderlich sei, Leonhard, Allgemeiner Teil, § 78, S. 318 und 320 ff. 230  Hupka,

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

davon aus, dass Erklärungen des Prinzipals an den Bevollmächtigten geeignet sind, die Vollmacht zu modifizieren. Im ersten Fall, der ausschließlich gegenüber dem zu Bevollmächtigenden geäußerten Bevollmächtigung, müsse der Dritte die internen Beschränkungen der Vollmacht gegen sich gelten lassen, unabhängig davon, ob er hiervon Kenntnis gehabt habe oder hätte haben müssen. Denn der Dritte, der sich allein auf die Äußerungen des Bevollmächtigten verlasse, müsse auch das Risiko tragen, dass dieser eine weitere Vertretungsmacht behaupte als ihm zustehe. Im zweiten Fall, der Kundgabe des Bevollmächtigungswillens nach außen, differenziert Hupka dagegen zwischen zwei Fallgestaltungen: Nach der Willensrichtung des Prinzipals sei zu unterscheiden, ob die Beschränkung die Vollmacht oder das Grundverhältnis betreffe, ob es sich also um eine Einschränkung des Vollmachtsumfangs handele oder um eine rein interne Instruktion zur Ausübung der Vollmacht. Beschränkungen des Grundverhältnisses seien für den Dritten gänzlich irrelevant. Auch eine positive Kenntnis des Dritten von einer Einschränkung des Auftrags im Innenverhältnis hindere nicht die Wirksamkeit eines innerhalb des Vollmachtsumfangs, aber außerhalb der internen Beschränkung liegenden Vertretergeschäfts. Beschränkungen der Vollmacht selbst sollen dagegen – wie bei der Innenvollmacht – grundsätzlich auch gegenüber dem Dritten wirken. Allerdings soll der Dritte, der die Beschränkung weder kannte noch kennen musste, auf die Vollmacht in dem ihm mitgeteilten Umfang vertrauen dürfen. Die interne Beschränkung der Vollmacht kann danach in diesem Fall dem Dritten nicht entgegengesetzt werden. Damit bildet Hupka bezogen auf die nach außen erklärte oder kundgegebene Vollmacht die Dogmatik der Abstraktheit der Vollmacht in ihrem heute verstandenen Sinn vollständig ab. Deutlicher als Laband unterscheidet er zwischen einer Beschränkung des Auftrags und einer Beschränkung der Vollmacht. Hinsichtlich der Begrenzung der Vollmacht führt er den Gedanken des Gutglaubensschutzes ein, der bei Laband fehlt und heute über eine analoge Anwendung der §§ 171 ff. BGB verwirklicht wird236. Hinsichtlich der reinen Innenvollmacht weist er indes dem Dritten das Risiko zu, dass aufgrund interner Absprachen die Vertretungsmacht des Vertreters weniger weit geht, als von diesem behauptet. Hupka wird dabei erkennbar von dem Ziel geleitet, die Interessen des Prinzipals und die des Verkehrs in Ausgleich zu bringen. Dennoch kann die Lösung Hupkas aus zwei Gründen nicht befriedigen: Zum einen basiert sie auf der in tatsächlicher Hinsicht nur schwer durchführbaren Abgrenzung zwischen Begrenzungen des Auftrags und Begrenzungen des Vollmachtumfangs. Zum anderen erscheint es jedenfalls erklärungsbedürftig, warum dem Dritten seine Kenntnis von Beschränkungen 236  Soergel/Leptien, § 173 Rn. 2; Erman/G.Maier-Reimer, § 173 Rn. 2; Staudinger/ Schilken, § 173 Rn. 6; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 173 Rn. 2.



D. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch63

des Auftrags nicht schaden soll, während die Kenntnis von Beschränkungen der Vollmacht seine Bösgläubigkeit begründet237. In beiden Fällen steht der Wille des Prinzipals einem über die Beschränkung hinausgehenden Vertretergeschäft entgegen, während es dem Dritten jeweils bekannt ist, dass die auf die Erteilung oder Kundgabe der Vollmacht gerichtete Erklärung dem Willen des Prinzipals nicht vollständig entspricht. Der Grund, den Hupka für die Beachtlichkeit der Kenntnis des Dritten von der Beschränkung der Vollmacht anführt – dass derjenige, der sich auf eine Willenserklärung verlässt, von der er positiv weiß, dass sie den Willen des Erklärenden nicht richtig oder nicht vollständig zum Ausdruck bringt, bösgläubig und damit nicht schutzwürdig sei238 – greift vielmehr auch im Fall der Kenntnis von der Beschränkung des Auftrags.

V. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass infolge des Erscheinens von Labands Abhandlung die Trennung zwischen Vollmacht und Grundgeschäft innerhalb kurzer Zeit zur gefestigten Erkenntnis wurde. Der Schritt zur Abstraktion im Sinne einer rechtlichen Unabhängigkeit der Vollmacht war dann zwar nicht mehr groß, begegnete aber weitaus größeren Zweifeln. Sie wurde insbesondere in Bezug auf die erst im gedanklichen Entstehungsprozess begriffene Figur der Außenvollmacht diskutiert und verfochten. Labands These von der strikten Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft entfaltete offensichtlich hinsichtlich solcher Fallkonstellationen die größte Überzeugungskraft, in denen der Geschäftsherr nach außen gegenüber dem Dritten eine Erklärung über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters abgegeben hat.

D. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch I. Die Trennung von Vollmacht und Grundgeschäft Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in den Materialien zum BGB wider: Die Trennung zwischen Vollmacht und Auftrag wird als solche nicht mehr in Frage gestellt. Der Verfasser des Teilentwurfs zum Allgemeinen Teil239, Gebhard, betonte bereits, die Eigenständigkeit der Bevollmächtigung als ein vom Auftrag zu unterscheidendes Rechtsgeschäft sei in der Wissenschaft 237  Siehe

hierzu auch unten in Kapitel 2 unter C. I. 2. Vollmacht, S. 220. 239  Abgedruckt bei Schubert, Vorentwürfe Allgemeiner Teil 1 und 2. 238  Hupka,

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Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

allgemein anerkannt und müsse folglich im Rahmen der Gesetzgebung berücksichtigt werden240. Freilich begnügte er sich nicht mit diesem Hinweis, sondern machte es sich zur Aufgabe zu überprüfen, ob die Vermischung von Vollmacht und Auftrag, wie sie in bereits bestehenden Gesetzen vorkomme, einen inneren Grund habe. Im Ergebnis wird dies in der Entwurfsbegründung verneint: Vollmacht und Auftrag seien nicht identisch, sondern stünden zumindest in den Fällen, in denen der Auftrag auf die Vornahme von Rechtsgeschäften in fremden Namen lautet, zueinander in einem Zweck-Mittel-Verhältnis241. Der Teilentwurf zum Stellvertretungsrecht basiert mithin auf der Trennung von Vollmacht und Auftrag. Sowohl die 1. als auch die 2. Kommission betonten im Rahmen ihrer Beratungen ebenfalls die Trennung von Vollmacht und Grundgeschäft, ohne hieran Zweifel anzumelden242. In den Motiven zum ersten Entwurf wird die Trennung zwischen Vollmacht und Auftrag im Kern wie zuvor von Laband mit dem Argument begründet, dass Auftrag und Vollmacht keine begriffsnotwendige Einheit bildeten, sondern der Auftrag ohne Vollmacht und die Vollmacht ohne zugrunde liegenden Auftrag möglich seien243. Die Trennung von Vollmacht und Grundgeschäft und die Selbstständigkeit der Bevollmächtigung als eigenständigem Rechtsgeschäft wurde entsprechend unmissverständlich in § 167 Abs. 1 BGB kodifiziert, wonach die Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten erteilt wird. Allein hieraus folgt jedoch nicht, dass die Vollmacht zwingend abstrakt ausgestaltet ist244. Denn das Verhältnis der beiden Rechtsgeschäfte Vollmacht und Grundgeschäft wird von der Regelung nicht erfasst.

II. Die Abstraktheit der Vollmacht Hinsichtlich der Frage der Abstraktheit der Vollmacht von dem Grundgeschäft lässt sich den Materialien zum BGB keine eindeutige Aussage entnehmen. Die Motive zum ersten Entwurf sprechen auf den ersten Blick für ein abstraktes Vollmachtsverständnis. Vollmacht und Auftrag werden darin als zwei selbstständige Rechtsgeschäfte beschrieben, die in ihrer Wirksamkeit und ihrem Umfang voneinander abweichen können: „Es ist auch sehr wohl möglich, dass der Auftrag gültig, die Vollmacht dagegen (…) nichtig ist. 240  Gebhard,

S. 166 (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 186). S. 170 (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 190). 242  Protokolle I, S. 251 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 892); Protokolle II, S. 299 (Mugdan I, S. 742). 243  Motive I, S. 229 (Mugdan I, S. 479). 244  So auch Frotz, Verkehrsschutz, S. 330; a.  A. LG Düsseldorf, RPfleger 1985, 358. 241  Gebhard,



D. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch65

Ebenso kann die Vollmacht allgemein lauten, aber die Art und Weise, wie der Bevollmächtigte sich ihrer bedienen soll, besonders festgesetzt, der Auftrag mithin beschränkt sein“245. Ein Blick in die Begründung des Teilentwurfs zum Allgemeinen Teil von Gebhard zeigt jedoch, dass dieser Schluss vorschnell wäre. Die zitierte Ausführung finden sich dort fast wörtlich wieder246. Der Teilentwurf basiert auf der Trennung zwischen Vollmacht und Auftrag; er erschließt sich aber nicht ohne weiteres im Hinblick auf die Frage nach dem Verhältnis beider Rechtsgeschäfte zueinander247. Im Zentrum der Debatte, die sich zu dieser Frage im Rahmen der Beratungen entspann248, stehen die §§ 115 und 117 des Teilentwurfs (TE-AllgT)249 als Vorläufernormen der späteren §§ 168 und 170 ff. BGB. 1. Die Begründung des Teilentwurfs von Gebhard Gemäß § 115 TE-AllgT soll der rechtliche Bestand der Vollmacht von dem Bestand des Grundverhältnisses abhängen. Dem liegt angesichts des Wortlauts der Vorschrift offensichtlich die Vorstellung des Verhältnisses von Vollmacht und Auftrag als Mittel und Zweck zugrunde: Die Vollmacht als Mittel zur Erfüllung des Zwecks „Durchführung des Auftrags“ entbehrt danach ihrer Funktion, wenn ihr Zweck in Gestalt des Auftrags wegfällt. Entsprechend macht auch das Zustandekommen einer Vollmacht wenig Sinn, solange es am Abschluss eines Auftragsvertrags und damit dem Zweck fehlt. Gebhard geht daher davon aus, dass der Vollmachtgeber die Erteilung der Vollmacht regelmäßig auf die Annahme des auf den Abschluss des Auftragsvertrags gerichteten Angebots bedinge; meint aber, dass dies keiner ausdrücklichen Erwähnung im Gesetz bedürfe250. Den Fortbestand der Vollmacht möchte er dagegen mit § 115 TE-AllgT ausdrücklich an das Schicksal des Grundver245  Motive

I, S. 229 (Mugdan I, S. 479). S. 170 f. (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 190 f). 247  Siehe hierzu sogleich im Text. 248  Protokolle I, S. 228 ff. und S. 249 ff. (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 880 f. und S.  891 f.). 249  § 115 TE-AllgT: „Der rechtliche Bestand der Vollmacht hängt ab von dem Bestande desjenigen Rechtsverhältnisses, zu dessen Zwecke die Vollmacht ertheilt worden ist, insonderheit der Geschäftsführung vermöge Auftrags.“ § 117 TE-AllgT: „Hat der Vollmachtgeber die Bevollmächtigung dritten Personen durch besondere Mittheilung, durch öffentliche Bekanntmachung oder durch Ausrüstung des Bevollmächtigten mit einer Vollmachtsurkunde kundgegeben und diese Kundgebung nicht in entsprechender Weise zurückgenommen, so ist Dritten gegenüber eine Erlöschung der Vollmacht nur insoweit von Wirkung, als sie bei der Verhandlung mit dem Bevollmächtigten dieselbe kannten oder kennen mussten.“ Vgl. Schubert, Vorentwürfe AT 1, S. 21. 250  Gebhard, S. 171 (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 191). 246  Gebhard,

66

Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

hältnisses koppeln251. Sowohl in der Entstehung als auch im Erlöschen steht die Vollmacht nach Gebhards Konzept mithin in einer Abhängigkeit vom Grundverhältnis, dies jedenfalls dann, wenn das Grundverhältnis in einem Auftrag zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts in fremdem Namen besteht252. Allerdings verkennt Gebhard auch nicht, dass die Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundverhältnis im Erlöschen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für den Dritten führen kann. Wurde die Erteilung der Vollmacht dem Dritten kundgegeben, erkennt Gebhard ein schützenswertes Interesse des Dritten an der Aufrechterhaltung der Vollmacht unabhängig von dem Schicksal des internen Auftragsverhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten an253. Der als notwendig erkannte Schutz wird jedoch nicht im Wege der Abstraktheit, sondern mittels des Gutglaubensschutzes gewährleistet: § 117 TE-AllgT zielt als Vorläufernorm der §§ 170 ff. BGB auf den Schutz des gutgläubigen Dritten, der von der Bevollmächtigung durch Verlautbarung des Geschäftsherrn Kenntnis erlangt hat. Hiermit sah Gebhard den Dritten vor den Gefahren aus dem Grundverhältnis offensichtlich aber auch als ausreichend geschützt an. Das zusätzliche Instrument der Abstraktheit der Vollmacht forderte er nicht ein. Vielmehr kommt Gebhard im Ergebnis zu dem Schluss, dass „die Wirkung der Bevollmächtigung (…), so lange ihre Ertheilung nicht nach außen gekehrt und Dritten kundbar gemacht ist, von ihrer Kausa abhängig (bleibe)“. Die Vollmacht sei mithin „doch kein abstraktes Rechtsgeschäft“254. Jedenfalls die reine Innenvollmacht sieht Gebhard damit als abhängig von dem Grundverhältnis an. Eine Außenbevollmächtigung kennt der Teilentwurf nicht. Eine Modifizierung der grundsätzlichen Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft nimmt Gebhard aber für den Fall vor, dass die im Innenverhältnis erteilte Vollmacht nach außen mitgeteilt wurde. Innen- und Außenverhältnis werden in diesem Fall getrennt betrachtet. Allerdings soll der damit bewirkte Schutz im Konzept Gebhards nur dem gutgläubigen Dritten entgegenkommen; dieser wird in seinem Vertrauen auf das Bestehen der Vollmacht geschützt. Auch die nach außen verlautbarte Vollmacht ist damit nicht im eigentlichen Sinne abstrakt von dem Grundverhältnis. Der als notwendige erkannte Verkehrsschutz wird allein mittels des Gutglaubensschutzes gewährleistet.

251  Gebhard,

S. 172 ff. (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 192 ff.). auch Gebhard, S. 172 (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 192). 253  Gebhard, S. 171 und S. 174  ff. (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 191 und S.  194 ff.). 254  Gebhard, S. 171 (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 191). 252  Siehe



D. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch67

2. Die Beratungen der 1. Kommission Im Rahmen der Beratungen der 1. Kommission war umstritten, ob eine Regelung über das Erlöschen der Vollmacht in Abhängigkeit von dem Grundverhältnis überhaupt notwendig sei255. In einer ersten Beratung wurde hierzu die Meinung vertreten, die von Gebhard vorgeschlagene Vorschrift sei entbehrlich. Denn die Vollmacht selbst verweise – ausdrücklich oder stillschweigend – auf das ihr zugrunde liegende Grundgeschäft, das dadurch auch für die Dauer der Vollmacht maßgeblich werde. Handele es sich bei dem Grundgeschäft um einen Auftrag, so ergebe sich damit von selbst, dass die Vollmacht mit dem Auftrag erlösche256. Eine Regelung wurde von einer Mehrheit der Kommissionsmitglieder dennoch für erforderlich gehalten, und zwar im Hinblick auf die nach außen verlautbarte Vollmacht257. Zwar sei die Dauer der Vollmacht gegenüber dem Bevollmächtigten notwendig auf die Dauer des Grundverhältnisses als „materieller causa“258 der Vollmacht beschränkt. Dies müsse auch gegenüber dem Dritten gelten, solange die Vollmachtserteilung nur gegenüber dem Bevollmächtigten erfolgt sei und sich der Dritte auf dessen Behauptung, mit Vollmacht zu handeln, verlasse. Anders sei dies jedoch im Fall einer nach außen kundgegebenen Vollmacht. Wenn der Vollmachtgeber dem Dritten gegenüber die Vollmacht kundgebe, ohne hierbei einschränkend auf das Grundverhältnis Bezug zu nehmen, handele es sich gegenüber dem Dritten um eine „abstrakte Vollmacht“259. Ein der Vollmacht immanenter Hinweis auf das Grundverhältnis und eine daraus folgende Beschränkung der Vollmacht hinsichtlich ihrer Dauer könne dann nicht mehr angenommen werden. Für diesen Fall sei ein gesetzlicher Verweis auf die Regelungen zum Auftrag mithin erforderlich, um dennoch den Gleichlauf von Grundverhältnis und Vollmacht im Erlöschen, z. B. im Fall des Todes des Geschäftsherrn, sicherzustellen. Die gesetzliche Anordnung wurde demnach ausschließlich für die nach außen kundgegebene Vollmacht für erforderlich gehalten. Wie bereits in der Begründung Gebhards ging man dagegen im Ausgangspunkt für die reine Innenvollmacht selbstverständlich von einer Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundverhältnis aus. Für die Innenvollmacht wirkt § 168 S. 1 BGB danach rein deklaratorisch. Das entschei-

255  Protokolle

I, S. 229 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 881). I, S. 229 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 881). 257  Protokolle I, S. 250 f. (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 891 f.). 258  Protokolle I, S. 249 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 891). 259  Protokolle I, S. 250 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 891). Die These Schreindorfers, Verbraucherschutz, S. 141, in § 168 BGB habe sich das Abstraktionsprinzip niedergeschlagen, da die Norm ansonsten entbehrlich sei, kann mithin allenfalls für die Außenvollmacht zutreffen. 256  Protokolle

68

Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

dende Moment für die Annahme einer abstrakten Vollmacht war im Rahmen der Beratungen der 1. Kommission die Vollmachtskundgabe nach außen. 3. Die Beratungen der 2. Kommission Die 2. Kommission wollte indes von einem Verweis auf die Erlöschensgründe des Auftrags absehen. Im Gegensatz zu der Wortwahl der 1. Kommission wurde hier zur Begründung angeführt, dass „die Vollmacht kein abstraktes Rechtsgeschäft sei, sondern sich stets an ein anderes Rechtsgeschäft anlehne und mit dessen Existenz stehe und falle, eine solche Verweisung auch geeignet sei, die im Entwurf sonst durchgeführte Trennung von Vollmacht und Auftrag zu verdunkeln“260. Diese Begründung erscheint indes widersprüchlich und lässt jedenfalls nur vermuten, dass die Kommission der Ansicht folgte, dass der Bestand der Vollmacht kraft ihres Wesens immer an den Bestand des jeweiligen Grundgeschäfts geknüpft und eine entsprechende Regelung mithin entbehrlich sei261. Die 2. Kommission billigte schließlich einen Antrag, nach dem sich nicht das Erlöschen als solches, wohl aber die Widerruflichkeit der Vollmacht nach dem der Erteilung der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsgeschäft richten sollte262. Erst in der Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktionskommission findet sich die bis heute gültige Formulierung: „Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Ertheilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis“263. Damit entspricht die Norm dem Teilentwurf Gebhards, der bereits von einer Abhängigkeit der Vollmacht in ihrem Bestand von ihrem Grundverhältnis ausging. Mit der Regelung des § 168 S. 1 BGB sollte erreicht werden, dass die Vollmacht auch dann auf die Dauer des Grundverhältnisses beschränkt bleibt, wenn sie einem Dritten kundgegeben wurde. Anlass für die entsprechende Kodifizierung waren also die Fälle der Verlautbarung der Vollmacht nach außen. 4. Interpretation der Materialien Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Materialien zum BGB keine eindeutige Aussage über das Verhältnis von Vollmacht und Auftrag treffen264. Die Verwendung des Begriffes „abstrakt“ durch den Verfasser des Teilentwurfs sowie die beiden Kommissionen lässt vielmehr vermuten, dass 260  Protokolle 261  Ähnlich

II, S. 299 (Mugdan I, S. 742). Hupka, Vollmacht, S. 162 Fn. 1; Rosenberg, Stellvertretung, § 23,

S. 762. 262  Protokolle II, S. 296 ff. (Mugdan I, S. 741 f.). 263  EI-VorlZust § 119 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 938). 264  Erk, Vorträge, S. 184, spricht von einem „offenen Streitpunkt“.



D. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch69

der Debatte kein gemeinsames Vorverständnis dieses Begriffes im Hinblick auf das Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft zugrunde lag. Das von Hupka als zentral erkannte Problem eines von der Vollmachtserklärung abweichenden Auftrags aufgrund interner Instruktionen war – soweit aus den Materialien ersichtlich – nicht Gegenstand der Beratungen. Die Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Grundverhältnis wurde vor allem im Hinblick auf die nach außen erklärte Vollmacht diskutiert. Die Bezugnahme der Motive auf den Teilentwurf von Gebhard sowie die klare Aussage der 2. Kommission, die Vollmacht sei kein abstraktes Rechtsgeschäft, zeigen hingegen deutlich, dass hinsichtlich der reinen Innenvollmacht ein kausales Verständnis vorherrschte. Freilich hat dieses abgesehen von der Regelung des § 168 BGB keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Die Vertreter eines abstrakten Vollmachtsverständnisses fühlten sich daher an die Auffassung der 2. Kommission nicht gebunden265. Dass dem BGB kein kausales Verständnis der Vollmacht zugrunde liegen könnte, versuchten sie zudem an dem Umstand festzumachen, dass es hierfür an entsprechenden Vorschriften über den Schutz des gutgläubigen Dritten fehle266. Diese Feststellung ist indes nicht zutreffend, wie insbesondere die Regelungen der §§ 170 ff. BGB zeigen. Im Teilentwurf Gebhards wurde der als notwendig erkannte Schutz des Dritten über den Gutglaubensschutz hergestellt, der jedoch eine Außenerklärung über die Vollmacht seitens des Geschäftsherrn voraussetzt. Von dieser Grundentscheidung wurde auch im Rahmen der Beratungen nicht abgewichen. Den Kritikern zuzugeben ist allerdings, dass sich der im BGB ausdrücklich normierte Gutglaubensschutz als ergänzungsbedürftig erwiesen hat. So erfassen die §§ 170–173 BGB ihrem Wortlaut nach nur den Fall des Erlöschens der Vollmacht. Rechtsprechung und Lehre sind sich indes einig, dass die Vorschriften analog auch dann anzuwenden sind, wenn die Vollmacht im Innenverhältnis erst gar nicht entstanden ist oder in ihrem Umfang enger gefasst ist, als nach außen verlautet wurde267. Zudem wurden in Ergänzung zu den §§ 170 ff. BGB die Rechtsfiguren der Duldungs- und Anscheinsvollmacht entwickelt268. 265  Hupka,

Vollmacht, S. 162. Bürgerliches Recht, S. 230. Aus der aktuellen Literatur so auch Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 203. 267  BGH NJW 1985, 730; NJW 2000, 2270, 2271; 2001, 3774, 3775; Palandt/Ellenberger, § 173 Rn. 1; Larenz/Wolf, § 48 Rn. 14; Soergel/Leptien, § 173 Rn. 2; Erman/G.Maier-Reimer, § 173 Rn. 2; Jauernig/Mansel, §§ 170–173 Rn. 9; BeckOK BGB/Schäfer, § 171 Rn. 3; Staudinger/Schilken, § 173 Rn. 6 f.; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 173 Rn. 2. 268  BGH, NJW 1956, 1673, 1674; NJW 1962, 1003; NJW 1981, 1727, 1728 f.; NJW 1998, 1854, 1855; NJW 1991, 1225 f.; NJW 2002, 2325, 2327; NJW 2003, 2091, 2092; NJW 2005, 2985, 2987; Bienert, Anscheinsvollmacht, passim; Canaris, Vertrauenshaftung, zur Duldungsvollmacht S. 39 ff. und S. 494 ff., zur Anscheinsvoll266  Enneccerus/Lehmann,

70

Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

Trotz dieser (vermeintlichen) Ergänzungsbedürftigkeit nimmt der an eine Außenerklärung über die Vollmacht anknüpfende Gutglaubensschutz als Verkehrsschutzinstrument im Stellvertretungsrecht des BGB eine tragende Rolle ein. Dagegen kann den Protokollen der Beratungen nicht entnommen werden, dass die Abstraktheit der Vollmacht als allgemein anerkanntes Prinzip der Schaffung des Stellvertretungsrechts zugrunde lag. Vielmehr fehlte es den Redaktoren des BGB hinsichtlich des im Stellvertretungsrecht notwendigen Verkehrsschutzes an einem systematischen Grundkonzept269. Die Aussagen in den Materialien, die von der Abstraktheit der Vollmacht sprechen, beziehen sich zudem ausschließlich auf die nach außen erklärte oder kundgegebene Vollmacht.

III. Zwischenergebnis Labands Thesen sind damit zu einem wesentlichen Teil – hinsichtlich der Trennung zwischen Vollmacht und Grundgeschäft und der Anerkennung der Vollmacht als selbstständigem Rechtsgeschäft – in das BGB eingeflossen. Die These der vollständigen Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft begegnete während der Beratungen zum BGB noch erheblichen Zweifeln, setzte sich aber nach Inkrafttreten des BGB mittels Rechtsprechung und Lehre ebenfalls durch. Über das BGB und die hierzu entwickelte Dogmatik, welche mehrfach als Vorbild für nachfolgende Kodifikationsprojekte gedient haben, sind Trennung und Abstraktion der Vollmacht vom Grundgeschäft auch in die Rechtsordnungen anderer Länder eingegangen270.

E. Zusammenfassung und Fazit Die Abstraktheit der Vollmacht ist ein Produkt der Rechtswissenschaft des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Die Anerkennung der gewillkürten Stellvertretung sowie deren dogmatische Erfassung durch die Repräsentationstheorie bildeten die Grundlage für die Entwicklung eines selbstständigen Vollmachtsbegriffes. In diesem Zusammenhang wurde die eigene, von dem Mandat verschiedene Funktion der Vollmacht als Bindeglied zwischen dem Willen des Geschäftsherrn und dessen rechtsgeschäftlimacht S. 48 ff., S. 146 ff., S. 191 ff. und S. 246 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 184 S. 1133 f.; Frotz, Verkehrsschutz, S.  271 ff.; Merkt, AcP 204 (2004), S.  638 ff.; Peters, AcP 179 (1979), S. 214 ff.; Seeler, Archiv für Bürgerliches Recht 28 (1906), S. 1 ff.; siehe auch Staudinger/Schilken, §  167 Rn.  28 ff. m. w. N. 269  Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 107. 270  Müller-Freienfels, Einheit und Vielfalt, S. 244 f., Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 32 II, S. 431 f.



E. Zusammenfassung und Fazit71

cher Bindung durch das Vertretergeschäft entfaltet. Den Anstoß, darüber hinaus über das Verhältnis von Mandat und Vollmacht nachzudenken, gab in erster Linie die Praxis, die mit ihren Forderungen nach einem verbesserten Verkehrsschutz maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung der Regeln der Prokura im ADHGB nahm. In Auseinandersetzung mit diesen neu geschaffenen Regelungen war es als erster Laband, der die Vollmacht vollständig aus dem Mandatsbegriff herauslöste und sie als eigenständiges Rechtsgeschäft betrachtete. Darüber hinaus erklärte er die Vollmacht als in ihrer Entstehung, ihrem Umfang und ihrem Erlöschen von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäft unabhängig. Diese in der nachfolgenden Debatte als Abstraktheit bezeichnete vollständige Unabhängigkeit der Vollmacht von ihrem Grundgeschäft war jedoch nicht unumstritten. Die Kritik entzündete sich unter anderem an der Feststellung, dass hierdurch auch der bösgläubige Dritte geschützt werde. Labands Thesen haben sich im Ergebnis dennoch durchgesetzt. Hierfür mag mit ausschlaggebend gewesen sein, dass die klare begriffliche wie inhaltliche Trennung, die logische Herleitung und die Betonung des Verkehrsschutzes vor dem Schutz des Einzelnen dem Geist der Zeit entsprachen. Die Debatte um das Wesen der Vollmacht und ihr Verhältnis zum Grundgeschäft fiel zeitlich mit den Vorarbeiten zum BGB zusammen. Die Trennung der Vollmacht von dem Grundgeschäft als eigenständiges Rechtsgeschäft wurde fester Bestandteil des Stellvertretungsrechts des BGB. Dagegen lässt sich weder dem Gesetz noch den Materialien eine eindeutige Antwort auf die Frage entnehmen, in welchem Verhältnis die Vollmacht zu dem Grundgeschäft steht. Der historische Gesetzgeber hat sie nicht entschieden. Aus den Materialien geht jedoch hervor, dass die Frage nach dem Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft eng verbunden war mit der Gewährleistung des als notwendig erkannten Schutzes des Dritten im Fall einer Verlautbarung der Bevollmächtigung durch den Geschäftsherrn nach außen. Jedenfalls für die reine Innenvollmacht spricht daher wenig für ein abstraktes Vollmachtsverständnis. Für den Fall der nach außen erklärten Vollmacht entfaltet die These von der Abstraktheit dagegen bereits mehr Plausibilität, schützt sie doch hier offenkundig den Dritten, der aufgrund einer entsprechenden Erklärung des Geschäftsherrn von dem Vorliegen von Vertretungsmacht ausgeht. Dem Schutz des Dritten dienen indes auch die Anerkennung der Außenvollmacht sowie das Regime der §§ 170 ff. BGB. Jeweils geht es letztlich darum, wer in dem Drei-Personen-Verhältnis der Stellvertretung das Risiko eines Mangels der Vollmacht tragen muss und damit letztlich auch um die Praktikabilität des Instituts der direkten Stellvertretung im Rechtsverkehr insgesamt. Die Verfasser des BGB entwickelten hierzu in erster Linie ein Gutglaubensschutzsystem. Daneben wurde die Abstraktheit der Vollmacht durch Rechtsprechung und Lehre an das BGB herangetragen, so dass beide Ver-

72

Kap. 1: Die historischen Grundlagen des Abstraktionsgrundsatzes

kehrsschutzinstrumente im Stellvertretungsrecht des BGB nebeneinander zur Anwendung gelangen. Dagegen spielte der Schutz des Vertreters in der historischen Debatte keine Rolle. Die Abstraktheit der Vollmacht ist aus rechtshistorischer Perspektive in erster Linie ein Instrument zum Schutz des Verkehrs. Darüber hinaus ist sie das Ergebnis des Versuchs, das Wesen der Vollmacht im Zusammenhang des jungen Rechtsinstituts der Stellvertretung zu erfassen.

Kapitel 2

Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht A. Der Vollmachtsbegriff des BGB I. Eine isolierte Betrachtung der Vollmacht Das BGB enthält eine Legaldefinition der Vollmacht, sie ist die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht, § 166 Abs. 2 S. 1 BGB. Gemäß § 167 Abs. 1 BGB entsteht die Vollmacht durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des zu vertretenden Geschäftsherrn. Die Erteilung der Vollmacht liegt damit allein im Ermessen desjenigen, der durch das Vertretergeschäft gebunden wird. Dies folgt zwingend aus der Funktion der Vollmacht. Historisch betrachtet wurde ein eigenständiger Vollmachtsbegriff überhaupt erst im Zusammenhang mit der Etablierung der direkten Stellvertretung im Sinne der Repräsentationstheorie entwickelt271. Die Vollmacht bildet danach die in einer auf dem Prinzip der Privatautonomie aufbauenden Privatrechtsordnung erforderliche Verbindung zwischen dem rechtsgeschäftlichen Willen des Vollmachtgebers und der ihn treffenden rechtsgeschäftlichen Bindung272. Nach § 164 Abs. 1 BGB kommt das Vertretergeschäft nur dann wirksam zustande, wenn der Vertreter innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht handelt. Das Gesetz sieht die Vertretungsmacht und damit auch die Vollmacht mithin in Verbindung mit einer Person, der sie zugeordnet ist. Dieser Person verleiht sie die Möglichkeit, Rechtsgeschäfte mit direkter Wirkung für und gegen den Vertretenen abzuschließen. Die Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht ist also mit der Person des Vertreters verknüpft, man könnte sie als eine Art „Eigenschaft“ oder „Befähigung“ des Vertreters bezeichnen273. 271  Siehe

hierzu oben in Kapitel 1 unter A. I. 2. Stellvertretung, S. 182, bezeichnet den Bevollmächtigungswillen des Geschäftsherrn entsprechend als „conditio sine qua non für die Rechtswirkung der Stellvertretung“. 273  Großkommentar HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 16; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 242. 272  Mitteis,

74 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Beide Aspekte, derjenige der Verknüpfung zwischen dem Willen und der rechtsgeschäftlichen Bindung des Geschäftsherrn sowie der Befähigung des Vertreters, kommen in dem Begriff der „Legitimation“ zum Ausdruck, der häufig zum Zwecke der Charakterisierung der Vollmacht gebraucht wird274. Die Vollmacht legitimiert den Eintritt der Bindungswirkung bei dem Vertretenen und ist damit Zurechnungsgrund275. Der Begriff der Legitimation ist jedoch insofern unglücklich gewählt, als hiermit auch die Berechtigung zu einem bestimmten Handeln zum Ausdruck gebracht wird276. Die Berechtigung des Bevollmächtigten, Rechtsgeschäfte im Namen des Vollmachtgebers abzuschließen, folgt als Kehrseite einer entsprechenden Verpflichtung aber aus dem Innenverhältnis, welches regelt, was der Vertreter „darf“277. Die Vollmacht umschreibt demgegenüber das „Können“ im Außenverhältnis. Zutreffender erscheint insofern der oben bereits genannte Begriff der „Befähigung“. Beide Komponenten der Vollmacht als Befähigung des Bevollmächtigten und als Zurechnungsgrund des Vertreterhandelns versucht MüllerFreienfels mit der Bezeichnung der Vollmacht als „sekundäre Zuständigkeit“278 zu verbinden. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff der „Zuständigkeit“ verwendet, um auszudrücken, dass einer bestimmten Person eine bestimmte Aufgabe, ggf. in Verbindung mit der hierfür erforderlichen Handlungsmacht zukommt. Im öffentlichen Recht legt die Zuständigkeit fest, welcher Organisationsträger zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe berechtigt und verpflichtet ist279. Nach der Begriffsbestimmung Müller-Freienfels’ enthält der Begriff der Zuständigkeit die beiden Komponenten des „Könnens“ des Berechtigten und der „Gebundenheit“ des Verpflichteten280. In der Bezeichnung als „sekundäre Zuständigkeit“ soll darüber hinaus zum Ausdruck kommen, dass der Vertreter eine Zuständigkeit im Rechtsverkehr wahrnimmt, die an erster Stelle dem Geschäftsherrn selbst zukommt. Der Vertreter wird für den Geschäftsherrn – wenn auch nicht ausschließlich – zuständig281. 274  Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 1, S. 784; Hupka, Vollmacht, S. 390; Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 240; Staudinger/Schilken, Vorbem zu §§ 164 ff. Rn. 17; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 180. 275  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1425. 276  Duden, Das Fremdwörterbuch, S. 594. In diesem Sinne auch Endemann, Bürgerliches Recht, S. 402. 277  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1481; Brox/Walker, Allgemeiner Teil, Rn.  549 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 7. 278  Müller-Freienfels, Vertretung, S. 65 ff.; ähnlich Münchener Kommentar BGB6/ Schramm, § 164 Rn. 68. 279  Bull/Mehde, Verwaltungsrecht, § 10/3 Rn. 386; Maurer, Verwaltungsrecht, § 21 Rn.  44 ff. 280  Müller-Freienfels, Vertretung, S.  67 f. 281  Müller-Freienfels, Vertretung, S. 89.



A. Der Vollmachtsbegriff des BGB75

Dagegen ist die Vollmacht nicht als Macht im Sinne von „Herrschaftsmacht“ des Vertreters über den Vertretenen zu verstehen282. Denn zum einen unterliegen ihr Umfang und ihre Dauer dem Willen des Vollmachtgebers. Allein aufgrund des Willens des Vollmachtgebers, der sich in der Bevollmächtigung manifestiert, kann die Vertretungswirkung eintreten283. Zum anderen verliert dieser durch die Vollmachtserteilung nicht die Möglichkeit, selbst rechtsgeschäftlich tätig zu werden284. Aus Sicht des Geschäftsherrn dient die Vollmacht gerade nicht dazu, seinen Aktionsradius zu begrenzen, sondern soll diesen vielmehr erweitern. Sie ermöglicht dem Vertreter das rechtsgeschäftliche Handeln mit Wirkung für und gegen den Geschäftsherrn, wobei die Interessen des Letzteren verwirklicht werden sollen. Die Vollmacht ist also eine personenbezogene Befähigung und rechtfertigt die unmittelbare Bindung des Geschäftsherrn durch das rechtsgeschäftliche Handeln des Vertreters. Sie ist damit notwendiger Bestandteil der direkten Stellvertretung. In dieser Hinsicht ist die Vollmacht vergleichbar mit der Einwilligung als vorherige Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft im Sinne der §§ 182 ff. BGB. In beiden Fällen geht es im Kern um die Rechtfertigung unmittelbar drittwirksamen Handelns. Die Ähnlichkeit beider Rechtsinstitute führte wiederholt zu der These, die Vollmacht sei ein Unterfall der Einwilligung285. Insbesondere die Vorschrift des § 177 Abs. 1 BGB, wonach die nachträgliche Zustimmung des angeblich Vertretenen die fehlende Bevollmächtigung des falsus procurators ersetzt, gab hierzu Anlass. Abgesehen von § 177 Abs. 1 stellt das BGB jedoch keine Verbindung zwischen Vollmacht und Einwilligung her. Die systematische Trennung beider Rechtsinstitute in zwei Titel des 3. Abschnitts des Allgemeinen Teils spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber Vollmacht und Einwilligung gedanklich trennte. Das wird auch anhand der Motive deutlich, die von einer „engen Verwandtschaft“ zwischen Vollmacht und Einwilligung, nicht aber von ein und demselben Rechtsinstitut sprechen286. Insbesondere unterscheiden sich Vollmacht und Einwilligung nach dem objektiven Gesetzeszweck in ihrer Funktion und ih282  Als

S. 13.

„Machtverhältnis“ bezeichnet die Vollmacht Bienert, Anscheinsvollmacht,

283  Rosenberg,

Stellvertretung, § 3, S. 117 f. WM 1971, 956, 957; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1454; Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 5, S. 792; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 936; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 9. 285  Rosenberg, Stellvertretung, S. 127 ff.; Wolf, Allgemeiner Teil, § 13, S. 449; Zitelmann, Rechtsgeschäfte, S.  86. Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 117 f., ordnet die Vollmacht ebenfalls als Zustimmungstatbestand ein, betont aber die Wesensverschiedenheit der Vollmacht gegenüber den in §§ 182 ff. BGB erfassten Zustimmungserklärungen. 286  Motive I, S. 246 (Mugdan I, 489). 284  BGH,

76 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

rem Bezugspunkt voneinander. Die Einwilligung erfolgt im Unterschied zu der Erteilung von Vertretungsmacht geschäfts- und nicht personenbezogen287. Zwar kann auch eine Spezialvollmacht auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft gerichtet sein, sie wird dennoch dem zu Bevollmächtigenden erteilt288. Die Bevollmächtigung zeitigt eine eigene Rechtsfolge, nämlich das Entstehen von Vertretungsmacht (die freilich erst im Hinblick auf das Vertretergeschäft tatsächlich relevant wird), während die Genehmigung allein dazu dient, dem zu genehmigenden Geschäft zur Wirksamkeit zu verhelfen und damit mit diesem einen „Gesamttatbestand“289 bildet. Darüber hinaus unterscheiden sich Einwilligung und Vollmacht dadurch, dass die Einwilligung zu einem fremden Rechtsgeschäft erteilt wird. Dieses Rechtsgeschäft betrifft zwar die Rechte oder rechtlichen Interessen des Einwilligenden, berechtigt und verpflichtet ihn selbst jedoch nicht unmittelbar. Der Handelnde schließt das Rechtsgeschäft, welches der Einwilligung bedarf, in eigenem Interesse ab, während der Stellvertreter im Namen und im Interesse des Vertretenen agiert290. Die Vollmacht stellt damit nach der Konzeption des BGB keine Sonderform der Einwilligung dar; es handelt sich vielmehr um zwei unterschiedliche, wenn auch wesensähnliche Rechtsinstitute. Die Vollmacht passt darüber hinaus nicht in eine der bestehenden Kategorien wie die der Zuwendung291 oder der Gestaltungsrechte292. Sie ist vielmehr ein eigenständiges Rechtsinstitut. Die Vollmacht ist nach dem Gesetz rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht und kommt demjenigen zu, dem sie erteilt wurde. Insoweit ist sie eine Befähigung des Vertreters. Sie legitimiert die rechtsgeschäftliche Bindung des Vertretenen durch das Handeln des Vertreters und ist damit auch Zurechnungsgrund. Beide Komponenten lassen sich zusammenfassen in dem Begriff der Zuständigkeit, in der dop287  Für die Vollmacht als personenbezogenes, da machterteilendes Rechtsgeschäft in Abgrenzung zu der geschäftsbezogenen Zustimmungserklärung: Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S.  250. A. A. Rosenberg, Stellvertretung, S. 127 ff., der die Vollmacht als Zustimmung zu dem Ergebnis des Vertreterhandelns auffasst. 288  Nach Lobinger, in: FS Hoyningen-Huene, S. 271, 288, soll jedenfalls eine rein geschäftsbezogene Außenbevollmächtigung als „antizipierte Genehmigung“ denkbar sein. Überzeugender erscheint indes, eine solche geschäftsbezogene Erklärung als Einwilligung anzusehen, da es hier des bei der Vollmacht nach § 164 Abs. 1 BGB erforderlichen Personenbezugs nicht bedarf. 289  Müller-Freienfels, Vertretung, S. 202, der freilich auch einen Gesamttatbestand zwischen Vollmacht und Vertretergeschäft annimmt. 290  Frotz, Verkehrsschutz, S. 359. 291  Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 4; Stadler, Abstraktion, S. 7 Fn. 3. 292  So aber Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 184, S. 1129; für die Ermächtigung: Doris, Ermächtigung, S. 175 ff.; mit Einschränkung auch BGB-RGRK/ Steffen, § 167 Rn. 1; wie hier: Müller-Freienfels, Vertretung, S. 44; Staudinger/Schilken, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 16; Münchener Kommentar/Schubert, § 164 Rn. 180.



A. Der Vollmachtsbegriff des BGB77

pelten Bedeutung als „Können“ des Bevollmächtigten und „Gebundenheit“ des Vollmachtgebers.

II. Die Vollmacht als Mittel zum Zweck der Durchführung des Grundverhältnisses Betrachtet man das Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundverhältnis losgelöst von der Frage nach der Abstraktheit, stellt man fest, dass das Gesetz selbst beide Rechtsgeschäfte in einen Zusammenhang stellt und zwar in § 168 S. 1 BGB. Danach bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis293. Die Vorschrift macht zunächst deutlich, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Erteilung der Vollmacht auf einem anderen Rechtsgeschäft aufbaut. Dies vorausgesetzt, scheint § 168 S. 1 BGB jedoch eine bloße Selbstverständlichkeit zu regeln. Denn wird eine Vollmacht in Bezug auf einen Auftrag oder ein Dienstverhältnis erteilt, so wird es in aller Regel auch der Vorstellung der Parteien entsprechen, dass die Vollmacht mit Beendigung dieses Auftrags oder Dienstverhältnisses ebenfalls erlischt. Niemand würde je auf die Idee kommen, dass ein Angestellter, dem als Verkäufer eine auf den Verkauf begrenzte Vollmacht erteilt wurde, auch nach dem Wirksamwerden der Kündigung noch zur Vertretung seines Arbeitgebers befugt sein könnte. Und auch der Angestellte wird die Bevollmächtigungserklärung so verstehen, dass sie nur für die Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Bestand haben soll. Denn die Vollmacht wird nicht etwa völlig ohne Zusammenhang zu dem Grundverhältnis erteilt. Sie ist vielmehr das Mittel, das zu dem Zweck der Erfüllung der Pflicht des Bevollmächtigten aus dem Grundverhältnis erteilt wird294. Besteht das Grundverhältnis in einem Auftrag, im Namen des Auftraggebers ein Rechtsgeschäft zu tätigen, ist hierfür eine Vollmacht erforderlich, sofern der Auftragnehmer nicht dem Haftungsrisiko eines Vertreters ohne Vertretungsmacht ausgesetzt sein will. Dasselbe gilt für ein Dienstverhältnis oder eine Geschäftsbesorgung, die den Abschluss von Rechtsgeschäften im Namen des Prinzipals beinhalten. Auf der einen Seite hat also der Auftragnehmer oder Angestellte ein erhebliches Interesse daran, bevollmächtigt zu werden, um seinen Pflichten aus dem Grundverhältnis nachkommen zu könne, ohne ein Haftungsrisiko einzugehen. Auf der anderen Seite hat aber auch der Geschäftsherr ein Interesse daran, seinen Auftragnehmer oder 293  Siehe zu den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten unten in Kapitel 2 unter B. II. 4. c). 294  Frotz, Verkehrsschutz, S. 329; Lieder, JuS 2014, S. 393, 394; Schnurrenberger, Vollmacht und Grundverhältnis, S. 123. Flume, Rechtsgeschäft, § 50 2, S. 841, spricht etwas nebulös von der „Natur der Sache“, meint aber im Kern wohl das Gleiche.

78 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Angestellten in die Lage zu versetzen, ihn im Rechtsverkehr wirksam vertreten zu können, damit er seine aus dem Grundverhältnis folgenden Pflichten erfüllen kann. Ist die Erreichung des Zwecks „Erfüllung der Pflichten aus dem Grundverhältnis“ hingegen nicht mehr möglich, weil der Zweck erfüllt wurde – so bei der Erledigung eines Spezialauftrags – oder weggefallen ist – z. B. durch Kündigung des Dienstverhältnisses – ist das Mittel „zwecklos“, seine Aufrechterhaltung ergibt keinen Sinn. Das Mittel erlischt vielmehr mit dem Fortfall des Zwecks. Jedenfalls für die reine Innenvollmacht nimmt § 168 S. 1 BGB mithin vorweg, was die Auslegung der Bevollmächtigungserklärung hinsichtlich der Dauer der Vollmacht mangels ausdrücklicher Bestimmungen ergeben würde. Entsprechend wurde § 168 S. 1 BGB im Hinblick auf die nach außen erklärte Vollmacht in das Gesetz aufgenommen295. Trotz der Verlautbarung nach außen besteht zwar im Innenverhältnis weiterhin der natürliche Zusammenhang zwischen Vollmacht und Grundverhältnis; im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten ist er aber ein Stück weit aufgehoben, da der Zusammenhang mit einem irgendwie gearteten Grundverhältnis für den Dritten zwar offensichtlich sein mag, er aber in das Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter regelmäßig keinen Einblick hat. Durch die Anerkennung der Außenvollmacht im Sinne von § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB wird die Mittel-Zweck-Relation zwischen Vollmacht und Grundverhältnis daher verschleiert.

B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB Im ersten Teil dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Vollmacht im Laufe der Entstehungsgeschichte der direkten Stellvertretung in mehreren Schritten von dem Mandat abgelöst wurde, bis man die Bevollmächtigung als ein gegenüber dem Grundverhältnis eigenständiges Rechtsgeschäft betrachtete. In einem weiteren Schritt erklärte man das Verhältnis der beiden Rechtsgeschäfte Bevollmächtigung und Grundverhältnis als rechtlich voneinander unabhängig, als abstrakt. Beides ist voneinander zu unterscheiden, wir sprechen von dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Das Begriffspaar ist im deutschen Zivilrecht in erster Linie aus dem Sachenrecht bekannt. Im Folgenden soll daher das stellvertretungsrechtliche Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Vergleich zu dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip beim Mobiliarerwerb genauer beleuchtet werden.

295  Siehe

hierzu bereits oben in Kapitel 1 unter D. II. 2.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 79

I. Das Trennungsprinzip Das Fundament des sachenrechtlichen Trennungs- und Abstraktionsprinzips bildet Savignys Lehre vom dinglichen Vertrag296. Danach bedarf es für die Übertragung von Eigentum – zusätzlich zu der Besitzverschaffung – einer entsprechenden Willensübereinstimmung der Parteien297. Diese auf die Eigentumsübertragung gerichtete Einigung, von Savigny als dinglicher Vertrag bezeichnet298, ist von der zugrunde liegenden Obligation vollkommen unabhängig, es ist folglich für die Eigentumsübertragung als solche unerheblich, ob sie z. B. in Erfüllung eines Kaufvertrags oder schenkungshalber erfolgt299. Diese Unabhängigkeit von der zugrunde liegenden Obligation setzt jedoch voraus, dass es sich bei dem dinglichen Vertrag um ein eigenständiges Rechtsgeschäft handelt. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind mithin voneinander zu trennen. Dagegen wird nach dem etwa im französischen Recht vorherrschenden „Einheitsprinzip“ nicht zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft unterschieden; beide verschmelzen in einer einzigen Einigung300. Im Stellvertretungsrecht bildet historisch betrachtet die Heraustrennung der Vollmacht aus dem römisch-rechtlichen Mandat den Ausgangspunkt des Trennungsprinzips301. Diese Trennung beruht auf den unterschiedlichen Funktionen von Vollmacht und Grundverhältnis: Die Vollmacht ermächtigt den Bevollmächtigten, den Vollmachtgeber rechtsgeschäftlich zu binden und beschreibt damit ein rechtliches Können des Bevollmächtigten im Außenverhältnis zu Dritten. Dagegen regelt das Grundverhältnis, in welchem Umfang der Bevollmächtigte gegenüber dem Vollmachtgeber berechtigt und verpflichtet ist, für diesen rechtsgeschäftlich zu handeln und bestimmt damit das rechtliche Dürfen des Bevollmächtigten im Innenverhältnis. Als Folge der Trennung ist die Vollmacht nicht mehr an den Auftrag gebunden; ihr kann vielmehr jeder auf die Vornahme von Rechtsgeschäften für einen anderen gerichtete schuldrechtliche Vertrag zugrunde liegen, z. B. auch ein Geschäftsbesorgungsvertrag oder ein Dienstverhältnis. Die Vollmacht kann zudem 296  Huber, Festschrift Canaris, S. 471  ff.; Staudinger-Eckpfeiler/Seiler, Sachenrecht – Allgemeine Lehren, Rn. 48 ff.; Stadler, Abstraktion, S.  46 ff. 297  Savigny, Obligationenrecht, S. 256 f. 298  Savigny, Obligationenrecht, S. 257, Anmerkung m. 299  Savigny, Obligationenrecht, S. 256 ff. 300  Jauernig, JuS 1994, S. 721. Zum französischen Recht, das jedenfalls im Ausgangspunkt dem Einheitsprinzip folgt, Stadler, Abstraktion, S.  28 ff. 301  Siehe hierzu ausführlich im 1. Kapitel dieser Arbeit. Der alten Mandatstheorie folgt bis heute der französische Code Civil, Art 1984. In der französischen Rechtsprechung und Lehre wird dagegen zwischen Vollmacht und Mandat unterschieden; vgl. hierzu Kleinschmidt, ZEuP 2011, 697, 700 f.; Müller-Freienfels, Einheit und Vielfalt, S. 266.

80 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

theoretisch auch isoliert, also ohne jedes Grundverhältnis, erteilt werden302. Zu ihrer Entstehung bedarf es eines eigenen Rechtsgeschäfts, der Bevollmächtigung. Getrennt im eigentlichen Wortsinn des Trennungsprinzips sind die beiden Rechtsgeschäfte Bevollmächtigung und Grundverhältnis. Darüber hinaus beschreibt der Terminus im Stellvertretungsrecht aber auch die Herauslösung der Vollmacht aus dem Mandat. Im BGB hat die Trennung zwischen Vollmacht und Auftrag durch die systematische Verortung der Vorschriften über die Stellvertretung im Allgemeinen Teil sowie in der Regelung des § 167 Abs. 1 BGB Ausdruck gefunden. Danach wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erteilt. Hiermit bringt das Gesetz klar zum Ausdruck, dass es sich bei der Bevollmächtigung um ein eigenständiges Rechtsgeschäft als Entstehungsgrund der Vollmacht handelt. Die Trennung zwischen Mandat und Vollmacht, wie sie rechtshistorisch auf dem Boden der Repräsentationstheorie entwickelt wurde, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht angezweifelt, sondern vielmehr als fester Bestandteil des deutschen Stellvertretungsrechts vorausgesetzt werden. Der Fokus liegt auf dem Verhältnis der beiden Rechtsgeschäfte Bevollmächtigung und Auftrag und damit auf der Frage nach der Abstraktheit der Vollmacht.

II. Das Abstraktionsprinzip 1. Inhaltliche und äußere Abstraktheit Wenn in sachenrechtlichen Zusammenhängen von Trennungs- und Abstraktionsprinzip gesprochen wird, ist in der Regel die äußere Abstraktion gemeint303. In diesem Sinne baut das Abstraktionsprinzip auf der Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auf und bezeichnet die Unabhängigkeit der Wirksamkeit der Verfügung von dem Bestand sowie etwaigen Mängeln des Verpflichtungsgeschäftes. Davon zu unterscheiden ist die so genannte „inhaltliche Abstraktheit“ von Verfügungsgeschäften. Sie bildet das Gegenstück zu der Kausalität von Schuldverträgen. Diese bedürfen in der Regel304 für ihr Zustandekommen einer Einigung über das „Warum“ 302  Die praktische Relevanz der isolierten Vollmacht ist freilich gering, siehe hierzu unten in Kapitel 2 unter C. III. 303  Münchener Kommentar BGB/Gaier, Einleitung zu Buch 3 – Sachenrecht, Rn. 16; Staudinger-Eckpfeiler/Seiler, Sachenrecht – Allgemeine Lehren, Rn. 48; Stadler, Abstraktion, S. 7; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 2; Wieling, Sachenrecht, S. 12; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 26. 304  Es gibt auch abstrakte Verpflichtungsgeschäfte, so das abstrakte Schuldversprechen (§ 780 BGB), das abstrakte Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und die Annahme einer Anweisung (§ 784 BGB).



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 81

der Zuwendung. Sie tragen mithin ihre Causa in sich. Dagegen wurde aus dem Tatbestand inhaltlich abstrakter Zuwendungsgeschäfte die Einigung über den Zweck der Zuwendung herausgetrennt. Inhaltlich abstrakte Rechtsgeschäfte sind damit von einer Causa unabhängig; im Gegensatz zu kausalen Zuwendungsgeschäften tragen sie ihren Rechtsgrund nicht in sich305. Sie bedürfen daher keiner Einigung über das „Warum“ der Zuwendung, sondern sind auch ohne eine solche Einigung wirksam306. Äußere und inhaltliche Abstraktheit gehen bei Zuwendungen miteinander einher; abstrakte Zuwendungen sind sowohl äußerlich als auch inhaltlich abstrakt307. So ist z. B. die Übereignung insofern inhaltlich abstrakt, als für ihre Wirksamkeit lediglich erforderlich ist, dass sich die Parteien darüber einigen, dass das Eigentum übergehen soll. Ein Dissens in der Frage, ob das Eigentum schenkungs- oder kaufeshalber übergehen soll, ändert nichts an der Wirksamkeit der Übereignung. Die Übereignung ist aber auch äußerlich abstrakt, denn ob der von den Parteien hiermit angestrebte Zweck, z. B. die Erfüllung einer Schuld aus einem Kaufvertrag, damit erreicht wird oder nicht, z. B. weil der Kaufvertrag von Anfang an nichtig war und damit die Schuld nie bestand, ist für die Wirksamkeit der Übereignung ebenfalls irrelevant308. Im Stellvertretungsrecht herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Vollmacht von dem Grundverhältnis „abstrakt“ sei309; gemeint ist die äußere Abstraktheit. Wiederum gilt, dass sich der aus dem Sachenrecht entlehnte Begriff der Abstraktheit auf Rechtsgeschäfte bezieht und damit nur das Verhältnis zwischen Bevollmächtigung und Grundgeschäft betrifft. Danach ist das einseitige, empfangsbedürftige Rechtsgeschäft der Bevollmächtigung als Entstehungsgrund der Vollmacht unabhängig von dem wirksamen Bestehen eines Grundverhältnisses. Der Sprachgebrauch von der „Abstraktheit der Vollmacht“ erfasst auch darüber hinausgehende Komponenten310. Mängel des Grundverhältnisses, wie zum Beispiel seine Anfechtbarkeit, schlagen nicht auf die 305  Bauer/Stürner, Sachenrecht, § 5 IV Rn. 41; Jauernig/Berger, Vor § 854 Rn. 13; Jahr, AcP 168 (1968), S. 9, 14 ff.; Jauernig, JuS 1994, S. 721, 722; Lieder, JuS 2014, S. 393; in diesem Sinne differenzierend, jedoch ohne die hier verwendete Begrifflichkeit von der äußeren und inhaltlichen Abstraktheit: Leonhard, Allgemeiner Teil, S. 265; anders dagegen Huber, Festschrift Canaris, S. 471, 474, der unter inhaltlicher Abstraktheit das Trennungsprinzip versteht. 306  Erk, Vorträge, S.  122 f.; Jahr, AcP 168 (1968), S. 9, 16; Lehmann, Allgemeiner Teil, § 25 III 2 b, S. 152; v. Tuhr, Allgemeiner Teil, § 73, S. 103. Stadler, Abstraktion, S. 13, spricht in diesem Zusammenhang von der „Zweckneutralität“ abstrakter Geschäfte. 307  Jahr, AcP 168 (1968), S. 9, 16. Jauernig, JuS 1994, S. 721, 722 fasst beides unter dem Begriff „Abstraktionsprinzip“ zusammen. 308  Freilich ist das Eigentum in diesem Fall kondizierbar. 309  Siehe hierzu die Nachweise in Fn. 2. 310  Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 147 f.

82 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Vollmacht durch; wird das Grundverhältnis im Wege der Anfechtung beseitigt, bleibt die Vollmacht hiervon unberührt311. Darüber hinaus ist die Vollmacht in ihrem Umfang von dem Grundverhältnis losgelöst; die Vertretungsmacht im Außenverhältnis kann danach weiter gehen als der Auftrag oder die Weisung des Bevollmächtigten im Innenverhältnis. Historisch gesehen waren es gerade diese Konstellationen, die den Anstoß zur Entwicklung des Abstraktionsprinzips im Stellvertretungsrecht gaben312. Die Vollmacht ist daher im strengen Wortsinne nicht abstrakt, wohl aber losgelöst von dem Grundverhältnis. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Vollmacht nicht abstrakt, wohl aber nicht-akzessorisch ist313. Denn die äußere Abstraktion bildet nur eine Form der Unabhängigkeit im deutschen Recht. Dem Begriffspaar kausal / abstrakt steht das Begriffspaar akzessorisch / nicht-akzessorisch gegenüber. Beide bezeichnen eine Form der Abhängigkeit / Unabhängigkeit; sie sind jedoch nicht austauschbar. Während sich das Begriffspaar abstrakt / kausal auf Rechtsgeschäfte bezieht, bezeichnen die Begriffe Akzessorietät und NichtAkzessorietät das Verhältnis von Rechten zueinander, insbesondere im Bereich der Sicherungsrechte. Im Sachenrecht betrifft die Frage der Akzessorietät die Frage der Abhängigkeit des sichernden Rechts von dem zu sichernden Recht, während die Frage der Abstraktheit sich auf das Verhältnis von Verfügungsgeschäft und Kausalgeschäft bezieht. Da die Vollmacht kein subjektives Recht ist, passt jedoch die Begrifflichkeit der Akzessorietät nicht, um das Verhältnis der Vollmacht von dem Grundgeschäft zu beschreiben314. Es handelt sich gerade nicht um die Abhängigkeit eines Rechts von einem anderen. Um die behauptete Unabhängigkeit der Vollmacht von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäft zu bezeichnen, ist also der aus dem Sachenrecht entlehnte Begriff der Abstraktheit der richtige, auch wenn in den Details Unterschiede bestehen. Der Einfachheit und Klarheit wegen wird im Folgenden einheitlich von der „Abstraktheit der Vollmacht“ gesprochen, gemeint ist die Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft sowohl hinsichtlich ihres wirksamen Entstehens, als auch hinsichtlich ihres Umfangs. Dagegen ist der Begriff der inhaltlichen Abstraktheit im sachenrechtlichen Sinn auf die Vollmacht nicht anwendbar315. Die damit verbundene Unterscheidung zwischen abstrakten und kausalen Rechtsgeschäften, d. h. zwischen 311  Im Fall der Fehleridentität ist die Anfechtungserklärung so auszulegen, dass sie auch die Vollmacht erfasst; nicht die Nichtigkeit des Grundgeschäftes, sondern die Anfechtung der Vollmacht lässt in diesen Fällen die Vollmacht entfallen. 312  Siehe hierzu im Einzelnen oben in Kapitel 1 unter A. I. 1. und II. 313  So Zitelmann, Recht, S. 121. 314  So auch Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 147. 315  Von der inhaltlichen Abstraktheit der Vollmacht spricht indes Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 23; wie hier dagegen Stadler, Abstraktion, S. 14.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 83

Rechtsgeschäften, deren Tatbestand eine Zweckvereinbarung voraussetzt und solchen, die dies nicht erfordern, wurde ursprünglich für Zuwendungsgeschäfte entwickelt316. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass niemand völlig grundlos das Vermögen eines anderen mehrt und jede Zuwendung damit eine Causa hat. Der Unterschied besteht nun alleine darin, ob die Causa Bestandteil des Rechtsgeschäfts selbst ist oder außerhalb des Tatbestands der Zuwendung steht. Die Vollmacht ist indes kein Zuwendungsgeschäft317. Sie bewirkt keine Vermögensverschiebung, die einer Causa bedürfte. Bei Zuwendungen und dort insbesondere bei Verfügungen wird der Begriff der Causa zudem auch relevant hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung. Gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB hat derjenige, der an einen anderen etwas geleistet hat, einen Anspruch auf Herausgabe, wenn die Leistung ohne Rechtsgrund, also causalos, erfolgt. Auch insofern passt die Begrifflichkeit von der Causa im Sinne des Rechtsgrundes einer Leistung nicht zu der Vollmacht. Allerdings gilt auch für die Vollmacht, dass sie in aller Regel nicht ohne Grund erteilt wird, ihren Grund aber nicht in sich aufnimmt. Die Bevollmächtigung besagt allein, in welchem Umfang der Bevollmächtigte mit Vertretungsmacht ausgestattet wird, nicht aber, zu welchem Zweck die Vollmacht erteilt wird. Der Grund der Bevollmächtigung wird vielmehr regelmäßig aus dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft, z. B. einem Auftrag, folgen318, wobei es sich hierbei jedoch nicht um die bekannten Causae solvendi, donandi, credendi, etc. handelt. In diesem Sinne kann auch die Vollmacht als „inhaltlich abstrakt“ gelten319. Daraus folgen aber keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen. 2. Die gesetzlichen Grundlagen der Abstraktheit Weder die Vorschriften über den Mobiliarerwerb noch die §§ 164 ff. BGB ordnen das Abstraktionsprinzip explizit an. Hinsichtlich der Abstraktheit der dinglichen Übereignung von dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft lassen die Gesetzesmaterialien aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass den Vorschriften des BGB nicht nur das Trennungs-, sondern auch das Abstrak­ tionsprinzip zugrunde liegt320. Anders stellt sich die Situation dagegen im 316  Flume,

Rechtsgeschäft, § 12 I 1, S. 152 ff. § 167 Rn. 4; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 164 Rn. 104; Stadler, Abstraktion, S. 7 Fn. 3 318  Vgl. Protokolle I, S. 249 f. (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 891): Das Grundverhältnis wird hier als materielle causa der Vollmacht verstanden. 319  In diesem Sinne auch Larenz/Wolf, § 46 Rn. 138. 320  Motive III, S. 7 ff. (Mugdan III, S. 4 f.). Siehe hierzu ausführlich auch Stadler, Abstraktion, S.  52 ff. 317  Staudinger/Schilken,

84 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Stellvertretungsrecht dar. Wie oben gezeigt wurde321, kann weder den Normen des BGB noch den Materialien eine klare Entscheidung für das Abstraktionsprinzip entnommen werden. Die Normen des Stellvertretungsrechts stehen insofern einer Neuinterpretation und Neuordnung offen, ohne dass damit der Wille des historischen Gesetzgebers verletzt oder eine Gesetzesänderung notwendig würde. 3. Die Funktion der Abstraktheit Das Abstraktionsprinzip ist in erster Linie ein Instrument zum Schutz des Rechtsverkehrs322. Das gilt sowohl für den Mobiliarerwerb als auch für das Stellvertretungsrecht. Das Rechtsgeschäft, durch das die Legitimation in Form des Eigentums zu Lasten des bisherigen Eigentümers übertragen wird (Übereignung) und das Rechtsgeschäft, durch das die Legitimation zum Abschluss eines den Geschäftsherrn bindenden Rechtsgeschäfts vermittelt wird (Bevollmächtigung), werden unabhängig von dem jeweils zugrunde liegenden Grundgeschäft beurteilt. Im Zwei-Personen-Verhältnis bewirkt die Abstraktion Klarheit hinsichtlich der dinglichen Zuordnung der Sache, auch wenn gegebenenfalls ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübereignung besteht323. Der Stellvertreter wiederum kann sich sicher sein, aufgrund der Bevollmächtigungserklärung des Geschäftsherrn mit Vertretungsmacht zu handeln, auch wenn er Zweifel hinsichtlich seines Auftrags hat. Insofern schützt das Abstraktionsprinzip auch den Stellvertreter vor einer Haftung als falsus procurator aus § 179 BGB324. Hierbei handelt es sich jedoch um eine reine Reflexwirkung des mit der Abstraktheit hergestellten Verkehrsschutzes. Seine eigentlich verkehrsschützende Bedeutung erlangt das Abstraktionsprinzip erst im Drei-Personen-Verhältnis. Beim Mobiliarerwerb besteht ein solches Drei-Personen-Verhältnis immer dann, wenn die Sache weiterveräußert oder zum Vollstreckungsobjekt wird. In diesen Fällen bewirkt das Abstraktionsprinzip den Schutz des Zweiterwerbers und des Vollstreckungsgläubigers mittels einer von dem Grundverhältnis unabhängigen Zuordnung des 321  Siehe

oben in Kapitel 1 unter D. II. Sachenrecht – Allgemeine Lehren, Rn. 50; Stadler, Abstraktion, S.  728 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 8; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 28. Allein in Bezug auf das stellvertretungsrechtliche Abstraktionsprinzip so explizit auch Hellgardt/Majer, WM 2004, S. 2380, 2383. 323  Ausführlich zu der Bedeutung des sachenrechtlichen Abstraktionsprinzips inter partes Stadler, Abstraktion, S. 268 ff. und 326 ff. 324  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1487; Knoche, JA 1991, 281, 282; Soergel/Leptien, vor § 164 Rn. 40. Der Schutz des Vertreters vor der falsus-procurator Haftung verdankt seine Bedeutung allerdings dem fehlenden Verschuldenserfordernis in § 179 Abs. 2 BGB. Siehe hierzu unten in Kapitel 3 unter A. III. 2. b). 322  Staudinger-Eckpfeiler/Seiler,



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 85

Eigentums zum Ersterwerber325. Vermittels dieses Schutzes für den Dritten wird wiederum im Interesse der Allgemeinheit die Leichtigkeit des Warenverkehrs gewährleistet326. Die Abstraktheit im Sachenrecht steht also nicht allein im Zeichen des Vertrauensschutzes, sondern wird durch den Verkehrsschutz gerechtfertigt, wobei dieser freilich keinen Selbstzweck darstellt, sondern die willensbasierte Gestaltung der eigenen Rechtsverhältnisse durch die einzelnen Teilnehmer am Rechtsverkehr überhaupt möglich machen oder jedenfalls vereinfachen soll. In der Stellvertretungssituation liegt bereits von vornherein ein Drei-Personenverhältnis zwischen Geschäftsherrn, Stellvertreter und Drittem vor. Für das Zustandekommen des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Geschäftsherrn ist nach § 164 Abs. 1 BGB Voraussetzung, dass der Stellvertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt. Die Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht hat nach dem Abstraktionsprinzip im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten Bestand, auch wenn das Grundverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter mangelbehaftet sein sollte. Das Zusammenspiel von § 164 Abs. 1 BGB und dem Abstraktionsprinzip führt mithin dazu, dass sich der Dritte nicht mit dem Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter befassen muss. Das gilt insbesondere auch für den Umfang des Vertretergeschäfts. Denn so lange es von der Vollmacht gedeckt ist, kommt das Vertretergeschäft wirksam zustande, auch wenn der Stellvertreter den Umfang seines Auftrags überschreitet. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs werden folglich dadurch gewährleistet, dass der Dritte von dem Vorliegen von Vertretungsmacht ausgehen darf, ohne vorher eigene Nachforschungen hinsichtlich des Innenverhältnisses zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter anstrengen zu müssen. Dieser durch das Abstraktionsprinzip vermittelte Schutz besteht unabhängig davon, ob der Dritte weiß oder wissen muss, dass das Grundverhältnis nichtig, anfechtbar oder dem Umfang nach enger gefasst ist und das Vertretergeschäft dem Willen des Geschäftsherrn entgegensteht. Es handelt sich also um einen überschießenden Schutz, der auch den bösgläubigen Dritten erfasst. Die Abstraktheit der Vollmacht bewirkt wie die Abstraktheit des Verfügungsgeschäfts damit keinen Vertrauensschutz zugunsten des Vertragspartners, da es für den Eintritt der Schutzwirkung nicht auf die Gutgläubigkeit des Dritten ankommt. Der durch die Abstraktheit der Vollmacht bewirkte Schutz ist vielmehr Verkehrsschutz, der lediglich reflexartig dem Vertragspartner zugute kommt327. Damit wird nicht nur verhindert, dass sich der hierzu Stadler, Abstraktion, S.  353 ff. Abstraktion, S. 372. 327  Zum Unterschied zwischen Verkehrs- und Vertrauensschutz siehe auch Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 52 f. 325  Ausführlich 326  Stadler,

86 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Dritte mit dem Grundverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter befassen muss. Zudem wird ausgeschlossen, dass den Dritten bei Hinweisen auf etwaige Mängel des Grundgeschäfts oder eine inhaltliche Beschränkung desselben Nachforschungspflichten treffen, die wiederum zu einer Verzögerung des Abschlusses des Vertretergeschäfts führen und Kosten verursachen könnten. Von vornherein vermieden werden zudem gerichtliche Auseinandersetzungen über die Frage, ob der Dritte von den Mängeln oder der Einschränkung des Grundverhältnisses wusste oder hätte wissen müssen. Die Abstraktheit der Vollmacht dient also letztlich dem Verkehr, indem sie den Einsatz von Stellvertretern erleichtert. Der auf diese Weise hergestellte Verkehrsschutz soll jedoch nicht nur dem Dritten, sondern auch den Parteien des Grundverhältnisses zugute kommen, da diese damit keine Einmischung von außen in ihr Grundverhältnis fürchten müssten328. Hierbei dürfte es sich aber ebenfalls nur um einen Reflex handeln. Auf der anderen Seite bedeutet die abstrakte Ausgestaltung sowohl im Sachenrecht als auch im Stellvertretungsrecht eine Einschränkung der Privatautonomie der Parteien329. Denn mit der Unabhängigkeit der Verfügung und der Bevollmächtigung von dem zugrunde liegenden Grundgeschäft geht eine Loslösung von dem Zweck des abstrakten Geschäfts einher. Das Eigentum wird übertragen, um eine Verpflichtung zu erfüllen. Die Vollmacht wird erteilt, damit der Stellvertreter seinen Auftrag ausführen kann. Jeweils ist dieser Zweck für die Bewertung der Wirksamkeit und – im Fall der Bevollmächtigung – des Umfangs des abstrakten Geschäfts irrelevant. Der Veräußerer verliert also sein Eigentum, obwohl die Verpflichtung, die er mit der Übereignung erfüllen wollte, gar nicht bestand. Der Geschäftsherr wird durch das rechtsgeschäftliche Handeln seines Vertreters gebunden, auch wenn er im Innenverhältnis gegenüber seinem Vertreter Instruktionen erteilt hat, die dieser bei Abschluss des Vertretergeschäfts missachtet hat. Das Abstraktionsprinzip geht mithin im Sachenrecht zu Lasten des Veräußerers, im Stellvertretungsrecht zu Lasten des Geschäftsherrn. Dabei sollte jedoch nicht verkannt werden, dass das Abstraktionsprinzip im Sachenrecht den Parteien auch eine erhebliche Gestaltungsfreiheit eröffnet. Sie können z. B. das Grundgeschäft mit sofortiger Wirkung schließen, den Eigentumsübergang jedoch aufschiebend bedingen. Auch hat die Untersuchung Stadlers gezeigt, dass in kausalen Systemen die Tendenz besteht, das Grundgeschäft trotz eines Irrtums oder eines sonstigen Mangels aufrecht zu erhalten, um auch die dingliche Zuordnung zu bewahren330. Mit der Einschränkung der vor § 164 Rn. 40; Lüderitz, JuS 1967, S. 765, 767. das Sachenrecht vgl. Stadler, Abstraktion, S. 94, 179; für die Innenvollmacht vgl. Hartmann, ZGS 2005, S. 62, 64. 330  Stadler, Abstraktion, S. 156 ff. und S. 203. 328  Soergel/Leptien, 329  Für



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 87

Privatautonomie auf der einen Seite gehen im Sachenrecht also ein größerer Gestaltungsspielraum und die Berücksichtigung von Willensmängeln auf der anderen Seite einher. Damit stellt sich die Frage, ob dies auch für das Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht gilt. Eine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Parteien im Hinblick auf das Grundverhältnis wäre mit einer abhängigen Vollmacht jedenfalls nicht verbunden, sofern auch die Vollmacht in ihrem Umfang von den Parteien frei ausgestaltet werden kann331. Ein besonderes Bedürfnis danach, das Grundgeschäft sofort wirksam werden zu lassen, die Bevollmächtigung jedoch nur bedingt zu erteilen, ist nicht ersichtlich. Auch geht es im Stellvertretungsrecht anders als im Sachenrecht nicht unmittelbar um die Zuordnung von Gütern erga omnes, sondern um die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts inter partes. Zwar kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass in einem kausalen System die Tendenz bestehen könnte, Willensmängeln beim Grundgeschäft die Anerkennung zu versagen, um die Vollmacht und damit letztlich das Vertretergeschäft aufrecht zu erhalten. Dies kann aber nur die bereits ausgeübte Vollmacht betreffen. Der Dritte kann zudem in dem inter-partes-Verhältnis zu Geschäftsherrn und Stellvertreter möglicherweise auch anders effektiv geschützt werden, als durch eine Aufrechterhaltung der Vollmacht via einer Aufrechterhaltung des Grundgeschäfts. Wenn im Stellvertretungsrecht das Abstraktionsprinzip also nicht zu einer höheren Flexibilität und mehr Gestaltungsfreiheit der Parteien führt, so fragt sich, ob der damit bewirkte und zu Lasten der Privatautonomie gehende Verkehrsschutz überhaupt erforderlich ist. Überprüfenswert erscheint daher, ob das im Stellvertretungsrecht erforderliche Maß an Verkehrsschutz auch durch andere, den Willen des Geschäftsherrn in weiterem Umfang berücksichtigende Instrumente hergestellt werden könnte. 4. Die Durchbrechungen des Abstraktionsgrundsatzes Sowohl im Sachenrecht als auch im Stellvertretungsrecht ist das Abstraktionsprinzip Durchbrechungen unterworfen, deren Zulässigkeit im Einzelnen umstritten ist. a) Bedingungszusammenhang, § 158 BGB, und Geschäftseinheit, § 139 BGB Nach dem Abstraktionsprinzip folgen zwei getrennte Rechtsgeschäfte jeweils ihren eigenen Regeln, sie sind voneinander rechtlich unabhängig. Es stellt sich aber die Frage, ob die Parteien dieser Rechtsgeschäfte die Abs331  Zum

Sonderfall der Prokura siehe unten in Kapitel 2 unter B. II. 5. a).

88 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

traktheit überwinden können. In Betracht kommen zum einen die Schaffung eines Bedingungszusammenhangs gemäß § 158 Abs. 1 BGB und zum anderen die Zusammenfassung beider Rechtsgeschäfte zu einer Geschäftseinheit im Sinne von § 139 BGB. Sowohl im Sachenrecht als auch im Stellvertretungsrecht kann rein rechtstechnisch gesehen ein Bedingungszusammenhang zwischen dem abstrakten Rechtsgeschäft und dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis hergestellt werden: Der Veräußerer kann seine auf die dingliche Einigung gerichtete Willenserklärung unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass sein Vertragspartner in den Abschluss des Kausalgeschäfts einwilligt. Der Geschäftsherr wiederum kann die Bevollmächtigung aufschiebend bedingt auf die Annahme des Auftrags durch den Stellvertreter erklären. In beiden Fällen handelt es sich bei der Bedingung – die Abgabe einer bestimmten Willenserklärung durch den Vertragspartner – um ein zukünftiges, ungewisses Ereignis und damit um eine nach § 158 Abs. 1 BGB zulässige Bedingung332. Auch im Hinblick auf das Vertretergeschäft ist die Bevollmächtigung nicht als bedingungsfeindlich anzusehen. Wird eine Bevollmächtigung aufschiebend bedingt erklärt, betreffen Eintritt wie auch Nichteintritt der Bedingung im Fall der vorherigen Ausübung der bedingten Vollmacht zwar nicht allein Geschäftsherrn und Stellvertreter. Vielmehr wird unmittelbar auch der Rechtskreis des Dritten berührt, hängt doch das Zustandekommen des Vertretergeschäfts ebenfalls von der Wirksamkeit der Vollmacht ab. Insofern besteht hier eine Parallele zu den Gestaltungsgeschäften, die genau aus diesem Grund als bedingungsfeindlich gelten333. In der Regel wird aber die Ausübung der Vollmacht als konkludente Annahme des Auftrags verstanden werden müssen, so dass mit dem Abschluss des Vertretergeschäfts die Bedingung für die Wirksamkeit der Vollmacht eintritt. Andernfalls handelt der Vertreter bei Abschluss des Vertretergeschäfts als falsus procurator mit den Folgen des § 179 BGB. Mit der Bedingung der Verfügung bzw. der Bevollmächtigung auf das Zustandekommen des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses können sowohl der Veräußerer als auch der Geschäftsherr zwar nicht die Abstraktheit insgesamt überwinden, jedoch zumindest das Zustandekommen der dinglichen Einigung und die Wirksamkeit der Bevollmächtigung von dem Zustandekommen des zugrunde liegenden Kausal- bzw. Grundgeschäfts abhängig machen. Dagegen kann die Wirksamkeit des Kausal- bzw. Grundgeschäfts nicht zur Bedingung des abstrakten Geschäfts erklärt werden, denn hierbei 332  Für

das Sachenrecht: Stadler, Abstraktion, S.  86 ff. Vorbem zu §§ 158–163 Rn. 38 m. w. N.; Soergel/Wolf, § 158

333  Staudinger/Bork,

Rn. 43.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 89

handelt es sich nicht um ein zukünftiges, ungewisses Ereignis, so dass eine solche Bedingung unzulässig wäre334. Eine über den Bedingungszusammenhang hinausgehende Verknüpfung der beiden Rechtsgeschäfte ermöglicht – wiederum zunächst rein rechtstechnisch gesehen – § 139 BGB. Zwar erfasst die Norm ihrem Wortlaut nach nur das Verhältnis zweier Teile eines Rechtsgeschäfts, sie ist jedoch auch auf zwei selbstständige Rechtsgeschäfte anwendbar335. Liegt eine Geschäftseinheit vor, so ordnet § 139 BGB an, dass bei Nichtigkeit des einen Rechtsgeschäfts im Zweifel auch das andere Rechtsgeschäft nichtig ist. Im Stellvertretungsrecht führt die Annahme einer Geschäftseinheit nach § 139 BGB also dazu, dass bei Unwirksamkeit des Grundgeschäfts auch die Bevollmächtigung nichtig ist, es sei denn, der Geschäftsherr hätte die Vollmacht auch bei Kenntnis der Unwirksamkeit des Grundgeschäfts erteilt. Das Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof nehmen regelmäßig eine Geschäftseinheit zwischen Grundgeschäft und Bevollmächtigung an, wenn die strenge Durchführung der Abstraktheit zu einem vermeintlich unbilligen Ergebnis zu Lasten des Geschäftsherrn führen würde336. Rechtstechnisch ist eine Verknüpfung von abstraktem Geschäft und zugrunde liegendem Schuldverhältnis also sowohl mittels eines Bedingungszusammenhangs als auch mittels der Schaffung einer Geschäftseinheit möglich. In beiden Fällen wird jedoch im Ergebnis das Abstraktionsprinzip kraft Parteiwillens ausgeschaltet. Dem entgegen steht die Funktion des Abstraktionsprinzips als Verkehrsschutzinstrument337. Dieses beschneidet die Privatautonomie 334  Im Fall der subjektiven Ungewissheit der Parteien über die Wirksamkeit des Grundgeschäfts kommt lediglich die Vereinbarung einer unechten Bedingung (Rechtsbedingung) in Betracht, vgl. Lindemann, Durchbrechungen, S. 56 f.; Stadler, Abstraktion, S. 84. Für eine Gleichstellung der subjektiven mit der objektiven Unsicherheit: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 12. Hier ist jedoch Zurückhaltung geboten, will man § 158 BGB nicht uferlos ausdehnen. Undifferenziert für eine Anwendbarkeit des § 158 BGB auf Vollmacht und Grundgeschäft dagegen Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1240; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 3. 335  BGHZ 50, 8, 13; 102, 60, 62; Münchener Kommentar BGB/Busche, § 139 Rn. 19; BeckOK BGB/Wendtland, § 139 Rn. 8; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 Rn. 13. 336  RGZ 81, 49, 51 f.; 94, 273, 275; 97, 273, 275; BGHZ 50, 8, 13; 102, 60, 62; BGH, WM 1964, 182, 183; BGH, NJW 1988, 697, 698; NJW 1990, 1721, 1723; NJW 1997, 312, 313; WM 2002, 1273, 1274; offen gelassen in BGH, NJW 1985, 730; siehe hierzu aus der Literatur: Ganther, WM 2001, S. 195; Hartmann, ZGS 2005, S.  62 ff.; Lindemann, Durchbrechungen, S. 135 ff. sowie oben in der Einleitung unter A. I. 337  So für das sachenrechtliche Abstraktionsprinzip auch Cohn, AcP 135 (1932), S.  67, 86 ff.; Huber, Festschrift Canaris, S. 471, 476 f.; Stadler, Abstraktion, S. 89 und 94 f.

90 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

der an dem abstrakten Rechtsgeschäft beteiligten Parteien, um ein hohes Maß an Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Damit entzieht sich das Abstraktionsprinzip aber auch der Disposition der Parteien338. Denn der Schutz des Verkehrs und der damit reflexartig bewirkte Schutz des Dritten können, wenn sie wirksam sein sollen, nicht im Belieben der Parteien stehen. Andernfalls müsste der Rechtsverkehr jederzeit damit rechnen, dass das Schicksal des abstrakten Geschäfts eben doch ausdrücklich oder konkludent an das Kausal- oder Grundgeschäft geknüpft wurde. Rechtssicherheit bestünde insofern nicht und auch die angestrebte Leichtigkeit des Rechtsverkehrs wäre ersichtlich beeinträchtigt. Nimmt man das Abstraktionsprinzip ernst, darf es daher nicht den Parteien überlassen sein, darüber zu entscheiden, ob das an sich abstrakte Geschäft im konkreten Einzelfall doch mit dem Schicksal des Grundgeschäfts verknüpft ist339. Dementsprechend steht das Abstraktionsprinzip einer Anwendung von § 139 BGB auf Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft340 sowie auf Grundgeschäft und Vollmacht entgegen341. b) Fehleridentität Dagegen stellt die Annahme einer Fehleridentität keine echte Durchbrechung des Abstraktionsprinzips dar342. Denn wenn Bevollmächtigung bzw. dingliche Einigung auf der einen Seite und Grundgeschäft bzw. Kausalgeschäft auf der anderen Seite dem selben Fehler unterliegen, führt dies zwar im Ergebnis zu der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit beider Rechtsgeschäfte, jedoch folgen beide Rechtsgeschäfte weiterhin ihren „eigenen Regeln“ und bleiben in diesem Sinne unabhängig voneinander. Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit muss für jedes Rechtsgeschäft gesondert festgestellt werden. Hat V gegenüber G beispielsweise bewusst wahrheitswidrig behauptet, Kfz338  Hellgardt/Majer,

94 f.

WM 2004, S. 2380, 2383; Stadler, Abstraktion, S. 89 und

339  Anders Lieder, Jus 2014, S. 393, 396, nach dem das Abstraktionsprinzip gerade dadurch gekennzeichnet wird, dass es durch die Parteien privatautonom eingeschränkt werden kann. 340  Erman/A.Arnold, § 139 Rn. 14; Bauer/Stürner, Sachenrecht, § 5 Rn. 56; Flume, Rechtsgeschäft, § 32 2 a), S. 571; Soergel/Hefermehl, § 139 Rn. 20; Jauernig, JuS 1994, S. 721, 724; Prütting, Sachenrecht, § 4 Rn. 32; Staudinger/Roth, § 139 Rn. 54; Wieling, Sachenrecht, S. 15. A. A. Münchener Kommentar/Busche, § 139 Rn. 21. 341  Edelmann, DB 2001, S. 687, 688; Soergel/Herfermehl, § 139 Rn. 20; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1240; Großkommentar HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 37; Staudinger/Schilken, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 33 (mit einer Einschränkung für die reine Innenvollmacht). Dagegen eine Anwendbarkeit des § 139 BGB auf das Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft bejahend: Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81, 94. 342  Münchener Kommentar BGB/Gaier, Einleitung zu Buch 3 – Sachenrecht, Rn. 19.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 91

Meister mit einer besonderen Expertise auf dem Gebiet „Oldtimer“ zu sein und erteilt G dem V aus diesem Grund den Auftrag und die Vollmacht für ihn einen Oldtimer anzukaufen, kann G sowohl den Auftrag als auch die Bevollmächtigung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB anfechten. Eine Durchbrechung der Abstraktheit geht hiermit nicht einher. Dennoch ist auch hier im Hinblick auf das Abstraktionsprinzip Vorsicht geboten, da eine extensive Annahme einer Fehleridentität zwischen abstraktem Geschäft und Grundgeschäft im Ergebnis die Abstraktheit aushöhlen kann. Über die genannten Fälle von Durchbrechungen des Abstraktionsprinzips hinaus, die sowohl im Sachenrecht als auch im Stellvertretungsrecht eine Rolle spielen, wird die Abstraktheit der Vollmacht durch zwei weitere, auf das Stellvertretungsrecht beschränkte Erscheinungen in Frage gestellt. c) Das Erlöschen der Vollmacht gemäß § 168 BGB Mit der Regelung des § 168 S. 1 BGB setzt das Gesetz selbst die Vollmacht in Beziehung zu dem Grundverhältnis. Denn danach bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Vielerorts wird hierin eine Durchbrechung des Abstraktionsgrundsatzes im Stellvertretungsrecht gesehen343. Die Regelung ist indes alles andere als klar; lässt sie doch verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Berücksichtigt man die Entstehungsgeschichte der Vorschrift344, liegt es nahe, § 168 S. 1 BGB dahingehend zu verstehen, dass hinsichtlich des Erlöschens auf die Vollmacht die Vorschriften über das jeweilige Grundverhältnis Anwendung finden. Dies führt zu einem Gleichlauf von Vollmacht und Grundgeschäft, weil jeweils dieselben Regelungen zur Anwendung kommen. So gilt beispielsweise im Fall des Todes des Geschäftsherrn die Regelung des § 672 BGB nicht nur für den Auftrag, sondern gemäß § 168 S. 1 BGB auch für die Vollmacht. Beide erlöschen danach im Zweifel nicht. Nach anderer Auffassung soll sich die Dauer der Vollmacht aus der Vereinbarung der Parteien des Grundverhältnisses ergeben, welches daraufhin auszulegen sei, ob die Vollmacht auf die Dauer des Grundverhältnisses beschränkt ist345. Damit wird im Rahmen des § 168 S. 1 BGB wiederum der Grundgedanke des § 139 BGB fruchtbar gemacht, nach dem es von dem Willen der Parteien abhängt, ob im Fall der Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäftes auch der 343  Brox/Walker, Allgemeiner Teil, Rn. 551; Großkommentar HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 39; Knoche, JA 1991, S. 281, 286; Stadler, Allgemeiner Teil, § 30 Rn. 16. Nach Soergel/Leptien, § 168 Rn. 1 setzt § 168 S. 1 BGB im Hinblick auf die Abstraktheit der Vollmacht einen „irreführenden Akzent“. 344  Siehe hierzu oben in Kapitel 1 unter D. II. 345  Mock, Jus 2008, S. 391, 393.

92 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

andere, von der Nichtigkeit an sich nicht betroffene Teil seine Gültigkeit verliert. Dahinter steht eine konsequente Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens. Denn oftmals haben die Parteien bei Abschluss des Rechtsgeschäfts ein „Gesamtpaket“ geschnürt, das sie so und nicht anders vereinbaren wollten. Stellt sich nun ein Teil dieses Gesamtpakets als unwirksam heraus, dann ließe es den Willen der Parteien völlig unberücksichtigt, würde die Rechtsordnung diese an dem verbleibenden Teil ihres Rechtsgeschäfts – den sie so gegebenenfalls nie abgeschlossen hätten – festhalten. Nimmt man die Zweck-Mittel-Relation zwischen Grundverhältnis und Vollmacht ernst, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Vollmacht nach dem Willen des Geschäftsherrn jedenfalls im Regelfall mit dem Grundverhältnis enden soll, da dieser die Vollmacht im Hinblick hierauf und gerade nicht isoliert erteilen wollte. Auch nach dieser zweiten Ansicht endet die Vollmacht mithin regelmäßig mit dem Ende des Grundverhältnisses. Beide Ansichten kommen damit zu demselben Ergebnis eines Gleichlaufs zwischen Vollmacht und Grundverhältnis im Erlöschen. Für die reine Innenvollmacht sah dies der historische Gesetzgeber als derart selbstverständlich an, dass während der Beratungen Stimmen laut wurden, die eine Regelung für überflüssig hielten346. Dass sie dennoch in das BGB aufgenommen wurde, war der Einsicht geschuldet, dass der natürliche Zusammenhang zwischen Vollmacht und Grundverhältnis dann nicht mehr ohne weiteres angenommen werden kann, wenn die Vollmacht seitens des Geschäftsherrn nach außen gegenüber Dritten erklärt wird. Für die reine Innenvollmacht kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass sie in ihrer Dauer auf den Bestand des Grundverhältnisses beschränkt und in dieser Hinsicht gerade nicht abstrakt von dem ihr zugrunde liegenden Schuldverhältnis ist. d) Der Missbrauch der Vertretungsmacht Eine weitere Besonderheit des Stellvertretungsrechts stellt die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht dar, die von Rechtsprechung und Lehre entwickelt wurde, um unerwünschten Folgen der Abstraktheit der Vollmacht entgegenzuwirken347. Nach dem Abstraktionsgrundsatz besteht die Vertretungsmacht des Stellvertreters im Außenverhältnis unabhängig von der 346  Protokolle

I, S. 229 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 881). 130, 142; 134, 67, 71 f.; 136, 356, 359; 145, 311, 315; BGHZ 50, 112, 113 ff.; BGH WM 1966, 491, 492; 1967, 658, 659 f.; 1981, 66, 67; NJW 1984, 1461, 1462; 1988, 3012, 3013; 1990, 384, 385; 1991, 1812, 1813; 1994, 2082, 2083; 1999, 2266, 2268; BGH, NJW 1966, 1911 (mit umfangreichen Nachweisen); 1989, 26, 27; 2000, 2896, 2897; NJW-RR 1989, 642; 2004, 247. Siehe aus der umfangreichen Literatur: Fischer, in: FS Schilling, S. 3 ff., S. 10; Schott, AcP 171 (1971), S. 385; Vedder, Missbrauch, passim, sowie die Nachweise bei Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 91 ff. 347  RGZ



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 93

Pflichtbindung im Innenverhältnis. Dieses Auseinanderfallen von rechtlichem Können und rechtlichem Dürfen kann dazu führen, dass der Geschäftsherr an ein Rechtsgeschäft gebunden wird, das sein Stellvertreter unter Missachtung der ihm im Innenverhältnis erteilten Weisungen und ohne Berücksichtigung der Interessen des Geschäftsherrn in dessen Namen geschlossen hat. Diese überschießende Rechtsmacht des Stellvertreters, der ein überschießender Verkehrsschutz entspricht, ist die unmittelbare Folge der Abstraktheit der Vollmacht348. Der Missbrauch der Vertretungsmacht wird im Unterschied zu deren Überschreiten dadurch gekennzeichnet, dass sich der Stellvertreter noch innerhalb der Grenzen seiner im Außenverhältnis bestehenden Vertretungsmacht bewegt. Der Geschäftsherr hat in einem solchen Fall zwar einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Stellvertreter wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Grundverhältnis aus § 280 Abs. 1 BGB sowie gegebenenfalls wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB. An das Vertretergeschäft mit dem Dritten bleibt er jedoch gebunden. Das Risiko einer Überschreitung des rechtlichen Dürfens im Rahmen des rechtlichen Könnens durch den Stellvertreter trägt damit allein der Geschäftsherr. Dies ist zunächst die Konsequenz des Abstraktionsgrundsatzes im Stellvertretungsrecht und wird grundsätzlich hingenommen349. Anderes soll jedoch dann gelten, wenn die „Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden“350. Unter dem Oberbegriff vom „Missbrauch der Vertretungsmacht“ werden verschiedene Fallgruppen erfasst: aa) Kollusion Die Grenze des rechtlich Tragbaren soll nach allgemeiner Meinung dann überschritten sein, wenn der Stellvertreter und der Dritte bei Abschluss des Vertretergeschäfts bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken351. Nicht nur die Vereinbarung über die Schädigung des Vertretenen, sondern auch das Vertretergeschäft selbst werden in einem solchen Fall als wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig angesehen352. 348  Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 208 ff., sieht hierin das wesentliche Merkmal abstrakter, nicht-akzessorischer Konstruktionen im Recht. 349  BGH, WM 1966, 491, 492; BGH NJW 1999, 2883; BGH NZG 2010, 1397, 1399; OLG Stuttgart NZG 1999, 1009, 1010; Palandt/Ellenberger, § 164 Rn. 13; Michalski/Arends, NZG 1999, 1011; BGB-RGRK/Steffen, § 167 Rn. 24. 350  Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 91. 351  RGZ 136, 359, 360; BGH NJW 1989, 26, 27; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1575; Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 3; Erman/G.Maier-Reimer, § 167 Rn. 71; Staudinger/ Schilken, § 167 Rn. 93; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 212; Bamberger/Roth/Valenthin, § 167 Rn. 47. 352  BGH, NJW 1989, 26; Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 3, S. 788; Jauernig/Mansel, § 164 Rn. 8; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, Rn. 966; BeckOK BGB/Schäfer,

94 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

bb) Sonstige Missbrauchsfälle Abgesehen von dem Fall des kollusiven Zusammenwirkens herrscht über Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht keine Einigkeit. In der Diskussion werden indes häufig verschiedene Konstellationen vermischt. Zu unterscheiden sind die Überschreitung interner Weisungen durch den Vertreter auf der einen und der Abschluss eines für den Vertretenen nachteiligen Geschäfts auf der anderen Seite353. (1) Die Überschreitung interner Weisungen Schließt der Vertreter ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten innerhalb seiner Vertretungsmacht, aber unter Überschreitung von Weisungen, die ihm der Geschäftsherr intern erteilt hat, wirkt sich die Abstraktheit der Vollmacht unmittelbar aus. Der Geschäftsherr ist an das weisungswidrige Vertretergeschäft grundsätzlich gebunden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird indes dort anerkannt, wo der Dritte die Weisungswidrigkeit des Vertretergeschäfts kannte. Die Einzelheiten eines Missbrauchs der Vertretungsmacht in dieser Ausprägung sind jedoch umstritten354. Allgemein wird angenommen, dass in einem solchen Fall das Vertretergeschäft keine Gültigkeit beanspruchen kann. Rechtsprechung und ein Teil der Lehre begründen dies damit, dass dem Dritten gemäß § 242 BGB die Berufung auf das Vertretergeschäft wegen treuwidrigen Verhaltens verwehrt sei355. Während die Rechtsprechung hier stehen bleibt356, bejaht ein Teil der Lehre aufbauend auf dem Treuwidrigkeitseinwand nach § 242 BGB die entsprechende Anwendung der §§ 177 ff. BGB357. Das Vertretergeschäft ist danach § 167 Rn. 47; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 100; Schott, AcP 171, S. 385, 389; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 212; NK-BGB/Stoffels, § 164 Rn. 85; für eine Anwendung der §§ 177 ff. BGB dagegen: Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1575. 353  So auch Drexl/Mentzel, Jura 2002, S. 289, 294; Fischer, in: FS Schilling, S. 3, 15 f. Ähnlich bereits Stoll, in: FS Lehmann, S. 115, 128. 354  Eine kurze Übersicht über die vertretenen Ansichten geben Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 49 Rn. 103; siehe hierzu auch Drexl/Mentzel, Jura 2002, S. 289, 292 ff.; Prölss, JuS 1985, S. 577, 578 ff. 355  BGH, NJW 1966, 1911; NJW-RR 2004, 247, 248; Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 40; Soergel/Leptien, § 177 Rn. 15; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 49 Rn. 103. 356  Eine Ausnahme bildet insofern die Entscheidung BGH, NJW 1999, 2266, 2268, in der die schwebende Unwirksamkeit des Vertretergeschäfts nach § 177 Abs. 1 BGB infolge eines Missbrauchs der Vertretungsmacht jedenfalls in Erwägung gezogen wird. 357  Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 41; Drexl/Mentzel, Jura 2002, S. 289, 293; Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 3, S. 789; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 68; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 224 f. Erstmals wohl Kipp, 50



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 95

schwebend unwirksam und der Vertretene kann es im Wege der Genehmigung an sich ziehen. Der Stellvertreter ist wiederum über § 179 Abs. 3 S. 1 BGB analog vor einer Haftung als falsus procurator geschützt. Verdeutlicht man sich den Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht als Ausgangspunkt der Missbrauchslehre, wird deutlich, dass eine analoge Anwendung der §§ 177 ff. BGB den in der Missbrauchsproblematik zum Tragen kommenden Wertungen am besten entspricht. Der Weg über § 242 BGB verschleiert indes den eigentlichen Grund für die Ungültigkeit des Vertretergeschäfts, die richtigerweise auf einer teleologische Reduktion des Abstraktionsgrundsatzes im Stellvertretungsrecht beruht358. Die Abstraktheit der Vollmacht bezweckt den Schutz des Rechtsverkehrs. Der Abschluss von Rechtsgeschäften mit Stellvertretern soll einfach und sicher gestaltet werden, indem die Vertretungsmacht des Stellvertreters von seinen Befugnissen im Innenverhältnis abgekoppelt wird. Der Dritte muss sich also nicht um das Grundverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter kümmern. Das beinhaltet auch, dass sich der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten nicht auf Weisungen berufen kann, die er seinem Stellvertreter intern erteilt hat. Hat der Dritte aber positive Kenntnis von den Weisungen und weiß daher, dass das Vertretergeschäft ihnen zuwiderläuft, ist er weder schutzbedürftig noch schutzwürdig359. Auch der Schutz des Rechtsverkehrs allgemein verlangt es in einem solchen Fall nicht, den Dritten dennoch zu schützen. Der durch die Abstraktheit der Vollmacht hergestellte Verkehrsschutz ist in einem solchen Fall daher nicht mehr zu rechtfertigen; seine Grenzen sind erreicht360. Denkt man aber die Abstraktheit der Vollmacht in diesen Fällen weg, schlagen die internen Weisungen unmittelbar auf das Außenverhältnis durch. Das konkrete Vertretergeschäft befindet sich dann außerhalb der Vertretungsmacht mit der Folge, dass die §§ 177 ff. BGB zur Anwendung gelangen. Im Ergebnis wird mit der Annahme eines Missbrauchs der Vertretungsmacht im Fall der positiven Kenntnis des Dritten von internen Weisungen die Abstraktheit der Vollmacht eingeschränkt. Die Einordnung des Missbrauchs der Vertretungsmacht als teleologische Reduktion der Abstraktheit der Vollmacht hat wiederum Folgen für die BeJahre Reichsgericht, S. 273, 287 f. Gegen eine analoge Anwendung der §§ 177 ff. BGB im Fall eines Missbrauchs der Vertretungsmacht dagegen Fischer, in: FS Schilling, S. 3, 13 f.; Vedder, JZ 2008, S. 1077, 1081 f. 358  Ähnlich Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 3, S. 789; Erman/G.Maier-Reimer, § 167 Rn. 73; Prölls, Jus 1985, S. 577 f.; NK-BGB/Stoffels, § 164 Rn. 88. In der Rechtsprechung zum Missbrauch der Vertretungsmacht wird die Abstraktheit der Vollmacht zwar nicht ausdrücklich genannt; aber stets als Ausgangspunkt für die Begründung der Missbrauchs-Lehre genommen; siehe nur BGH, NJW 1966, 1911. 359  Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1296 und 1298. 360  K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 66 ff.

96 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

stimmung der Voraussetzungen eines solchen Missbrauchs. Hinsichtlich der Frage, ob dem Dritten auch die rein fahrlässige Nichtkenntnis von internen Einschränkungen der Vertretungsbefugnis schadet, ist es hilfreich, die Folgen einer solchen Ausdehnung der Missbrauchsfälle in den Blick zu nehmen. Der Dritte würde damit mit Nachforschungspflichten belastet. Denn um auszuschließen, dass er fahrlässig handelt, müsste er jedem Hinweis auf eine möglicherweise im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter bestehende Einschränkung der Vertretungsbefugnis nachgehen. Damit würde der Hauptzweck der Abstraktheit der Vollmacht, nämlich die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs, nicht unerheblich beeinträchtigt. Nimmt man das Abstraktionsprinzip als Grundsatz im Stellvertretungsrecht ernst, steht dies der Ausweitung der Missbrauchsfälle auf die rein fahrlässige Nichtkenntnis des Dritten entgegen. Allerdings bringt die Beschränkung auf die positive Kenntnis des Dritten für die Praxis erhebliche Beweisschwierigkeiten mit sich361. Dem kann sinnvoll entgegengewirkt werden, indem man einen Missbrauch der Vertretungsmacht mit Flume auch dann annimmt, wenn dieser für den Dritten „evident“ ist, d. h. wenn ein verständiger Teilnehmer am Geschäftsverkehr ihn erkennen oder jedenfalls aufgrund des fragwürdigen Handelns des Vertreters von dem Geschäft Abstand nehmen würde362. Ein doloses Verhalten des Vertreters ist darüber hinaus nicht erforderlich363. Ein mögliches Verschulden ist vielmehr nur im Innenverhältnis gegenüber dem Geschäftsherrn für gegebenenfalls bestehende Schadensersatzansprüche relevant364. Im Außenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem lautet dagegen die entscheidende Frage, wann der durch die Abstraktheit der Vollmacht hergestellte Verkehrsschutz nicht mehr gerechtfertigt ist und an welcher Stelle damit die „Grenzen des Verkehrsschutzes“ erreicht 361  Bork,

Allgemeiner Teil, Rn. 1579. Rechtsgeschäft, § 45 II 3, S. 789 f.; ihm folgend: Larenz/Wolf, § 46 Rn. 142; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 967; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 76; siehe auch BGH, NJW 1994, 2082, 2083; BGH, NJW 1999, 2883. 363  So auch die herrschende Meinung: BGH, NJW 1988, 3012, 3013; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1582; Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 3; Frotz, Verkehrsschutz, S. 623; Hübner, in: FS Klingmüller, S. 173, 181; Erman/G.Maier-Reimer, § 167 Rn. 74; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 968; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 220; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 49 Rn. 106; a. A. Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 37; Soergel/Leptien, § 177 Rn. 17; Vedder, JZ 2008, S. 1077, 1078 f. Ein Bewusstsein des Vertreters von der Nachteiligkeit fordert die Rechtsprechung jedoch für einen relevanten Missbrauch der Prokura: BGH, NJW 1986, 1379, 1380; BGH, NJW 1990, 384, 385. 364  Anders BGH, WM 1976, 658, 659. Hier wird der Tatsache, dass der Vertreter vorsätzlich zum Nachteil des Geschäftsherrn gehandelt hat, Bedeutung im Hinblick auf die Frage eingeräumt, welche Anforderungen an einen Missbrauch der Vertretungsmacht auf Seiten des Dritten zu stellen sind. Ebenso Fischer, in: FS Schilling, S.  3, 16 f. 362  Flume,



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 97

sind365. Die Antwort auf diese Frage muss erkennbar bei dem Dritten ansetzen, auch wenn die Abstraktheit grundsätzlich den Rechtsverkehr schützt ohne Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Dritten. Denn in der konkreten Stellvertretungssituation repräsentiert der einzelne Dritte den Rechtsverkehr, ihm kommt der Schutz jedenfalls reflexartig zugute. Ob dagegen der Stellvertreter vorsätzlich oder lediglich fahrlässig den Rahmen seiner Vertretungsbefugnis überschreitet, ist dagegen für die Frage nach der Wirksamkeit des Vertretergeschäfts im Außenverhältnis irrelevant. Bei alldem muss eines auffallen: Die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht beschränkt den Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht, indem sie die konkrete Schutzwürdigkeit des Dritten in Frage stellt. Der überschießende Gehalt der Abstraktheit, der Schutz des bösgläubigen Dritten, wird damit zum Teil eingefangen. Dabei bedient man sich jedoch automatisch der Wertungsmaßstäbe des Gutglaubensschutzes: Ein Missbrauch der Vertretungsmacht wird bejaht bei positivem Wissen des Dritten und in der älteren Literatur auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Der Gedanke der Schutzwürdigkeit des Dritten im konkreten Einzelfall, der nach der Abstraktheit der Vollmacht gerade keine Rolle spielt, wird wieder für ausschlaggebend erachtet. Damit wird der Gutglaubensschutz gleichsam „durch die Hintertür“ dort wieder eingeführt, wo er in der Debatte um das richtige Verkehrsschutzinstrument im Stellvertretungsrecht zunächst gegen die Abstraktheit der Vollmacht verloren hatte. (2) Der Abschluss eines nachteiligen Rechtsgeschäfts Ein anders gelagerter Fall liegt vor, wenn der Stellvertreter zwar keine interne Weisung missachtet, das Vertretergeschäft aber nichtsdestotrotz für den Geschäftsherrn nachteilig ist366. Hierbei handelt es sich nicht bereits per se um ein spezifisches Problem der Stellvertretung, da auch der Geschäftsherr selbst ein für ihn objektiv nachteiliges Rechtsgeschäft abschließen kann, sei es bewusst oder unbewusst, weil er die Nachteiligkeit des Geschäfts im Moment des Abschlusses nicht erkennt367. Ein spezifisch stellvertretungsrechtliches Problem tritt mithin erst dort auf, wo das Vertretergeschäft im Zeitpunkt des Abschlusses den Interessen und dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn zuwiderläuft und dies dem Vertreter bei Abschluss des Rechtsgeschäfts bewusst ist368. Die Interessenwidrigkeit wird dabei regelmäßig mit einer objektiven Nachteiligkeit des Geschäfts einhergehen; dies ist 365  K.

Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 66. BGH, WM 1967, 658, 660. 367  Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 37; Drexel/Mentzel, Jura 2002, S. 289, 295. 368  Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 37; Vedder, Missbrauch, S. 39 ff. 366  Vgl.

98 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

indes nicht zwingend. Insbesondere sind Fälle vorstellbar, in denen sich der Stellvertreter jedenfalls dem Anschein nach noch im Rahmen von Vollmacht und Auftrag bewegt, das Geschäft aber den Interessen und dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn zuwiderläuft, ohne dass dies für den Dritten erkennbar sein muss. Geht man davon aus, dass der Stellvertreter aus dem Innenverhältnis dazu verpflichtet ist, auf die Interessen und den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn Rücksicht zu nehmen, stellt der Abschluss eines interessenwidrigen Geschäfts eine Pflichtverletzung dar369; der Stellvertreter hat dann die Grenzen seines Auftrags überschritten. Nach der herrschenden Lehre von der Vollmacht als abstrakte Legitimation bleibt diese hiervon jedoch unberührt; das Vertretergeschäft kommt somit ungeachtet der Interessenwidrigkeit zustande. Bejaht man im Fall des bewusst nachteiligen Handelns auch unabhängig von einer Weisungswidrigkeit hingegen einen Missbrauch der Vertretungsmacht, liegt also auch darin eine Durchbrechung der Abstraktheit. Anders als im obigen Fall des weisungswidrigen Handelns knüpft die Begründung hier jedoch nicht allein an der Schutzwürdigkeit des Dritten und dem Verkehrsschutz an, vielmehr steht der Missbrauch auf Seiten des Vertreters im Vordergrund370. Eine zusätzliche Schwierigkeit tritt auf, wenn sich die Interessenlage zwischen der Bevollmächtigung und dem Abschluss des Vertretergeschäfts ändert. Ein prominentes Beispiel bilden die Fälle einer transmortalen Vollmacht, wenn nach dem Tod des Erblassers der Stellvertreter ein den Interessen und dem mutmaßlichen Willen der Erben zuwiderlaufendes Vertretergeschäft abschließt. Ob es sich hierbei auch um Fälle eines Missbrauchs der Vertretungsmacht handelt, ist umstritten. Kristallisationspunkt des Streits ist die Frage, wessen Interessen der Vertreter verpflichtet ist, denen des Erben oder denen des Erblassers371. Geht man davon aus, dass der Vertreter nach Eintritt des Erbfalls den Interessen des Erben als „dominus negotii“ verpflichtet ist372, 369  Allerdings wird man für eine Pflichtverletzung fordern müssen, dass die Interessenwidrigkeit eine gewisse Intensität erlangt hat; so wird z. B. allein die etwas unglückliche Wahl zwischen mehreren ähnlich guten Möglichkeiten, die jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile aufweisen, hierfür nicht ausreichen. 370  Hier schlägt sich die zweite Schutzrichtung des Abstraktionsprinzips im Stellvertretungsrecht Bahn, nämlich der Schutz des Vertreters vor einer Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB. Dieser Schutz kann dann zurücktreten, wenn der Vertreter bewusst zum Nachteil des Stellvertreters handelt. 371  Für die Maßgeblichkeit des Erbenwillens: Flume, Rechtsgeschäft, § 51 5, S.  849 f.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, § 16 Rn. 399; Pawlowski, Allgemeiner Teil, Rn. 772; Schultz, NJW 1995, S. 3345, 3346. Für die Maßgeblichkeit des Erblasserwillens hingegen: BGHZ 127, 239, 244 f.; BGH, JZ 2009, 1073, 1074 mit Anmerkung Muscheler; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1269; Soergel/Leptien, § 168 Rn. 31; Bamberger/Roth/Valenthin, § 168 Rn. 12. 372  So Flume, Rechtsgeschäft, § 51 5, S. 849 f.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 99

stellt sich die Folgefrage, ob es sich hierbei um eine Pflichtbindung aus dem Innenverhältnis handelt oder ob nicht vielmehr die Vertretungsmacht selbst auf die interessengemäße Vertretung des Geschäftsherrn begrenzt ist. Je nachdem, wie man die Interessenwidrigkeit einordnet, fallen Innen- und Außenverhältnis nicht auseinander; es liegt kein Problem der Abstraktheit der Vollmacht in ihrer herkömmlich verstandenen Bedeutung vor. Diese Überlegungen führen an dieser Stelle der Arbeit jedoch zu weit weg von den hier behandelten Durchbrechungen der Abstraktheit der Vollmacht und werden daher später erneut aufgegriffen373. e) Zwischenergebnis Mittels des Grundsatzes der Abstraktheit soll ein möglichst hohes Verkehrsschutzniveau im Stellvertretungsrecht gewährleistet werden. Wie im Sachenrecht ignoriert das Abstraktionsprinzip jedoch den Willen der Parteien des Grundgeschäfts und kommt in erster Linie dem Dritten zugute. Der durch das Abstraktionsprinzip erreichte Verkehrsschutz ist insofern überschießend, als dadurch auch derjenige Dritte geschützt wird, der Einschränkungen oder Mängel des Grundverhältnisses positiv kennt. In dem Bestreben, diese negative Folge der Abstraktheit der Vollmacht in Extremfällen wieder einzufangen, haben Rechtsprechung und Lehre die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht entwickelt. Das Vertretergeschäft ist danach nichtig oder schwebend unwirksam, wenn der Stellvertreter im Rahmen seines rechtlichen Könnens sein rechtliches Dürfen überschreitet und der Dritte entweder kollusiv mit dem Stellvertreter zum Nachteil des Geschäftsherrn zusammenwirkt oder die Beschränkung der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis kennt. Im Ergebnis wird mit Hilfe der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht der Grundsatz der Abstraktheit hinsichtlich des Umfangs der Vollmacht durchbrochen. Darüber hinaus werden mit der Anwendung der §§ 139 und 158 BGB auf Vollmacht und Grundgeschäft weitere Durchbrechungen zugelassen. § 168 S. 1 BGB schreibt für das Erlöschen der Vollmacht eine grundsätzliche Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft fest. Die letzten drei genannten Durchbrechungen beziehen sich im Unterschied zu den Fällen des Missbrauchs der Vertretungsmacht nicht auf den Umfang der Vollmacht, sondern vielmehr auf ihre Wirksamkeit und ihren Bestand. Während beim Missbrauch der Vertretungsmacht der Schwerpunkt der Begründung auf der mangelnden Schutzwürdigkeit des bösgläubigen Dritten liegt, finden sowohl die Regelung des § 168 S. 1 BGB als auch die Anwendung von §§ 139 und 158 BGB ihre Rechtfertigung im Willen der Parteien des Grundgeschäfts. Der durch das Abstraktionsprinzip beschnittene Parteiwille 373  Siehe

hierzu unten in Kapitel 2 unter C. I. 4.

100 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

erlangt mit Hilfe der Durchbrechung an Bedeutung. Das Mittel-Zweck-Verhältnis, das aus Sicht des Geschäftsherrn zwischen Vollmacht und Grundverhältnis besteht, wird damit berücksichtigt. Das Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht hat sich damit als in hohem Maße korrekturbedürftig erwiesen. Es wird regelmäßig durchbrochen, um dem Willen der Parteien oder der mangelnden Schutzbedürftigkeit des Dritten Rechnung zu tragen. 5. Das Abstraktionsprinzip in der Zusammenschau mit anderen Rechtsinstituten und -prinzipien Bisher wurde das Abstraktionsprinzip für sich betrachtet. Das sachenrechtliche Abstraktionsprinzip steht jedoch in vielfältigen Wechselwirkungen mit anderen Rechtsinstituten und -prinzipien, namentlich mit dem Numerus clausus der Sachenrechte, der erga-omnes-Wirkung dinglicher Rechte und mit dem Publizitätsgrundsatz. Mit Blick auf das stellvertretungsrechtliche Abstraktionsprinzip wirft dies die Frage auf, ob diese oder vergleichbare Institute und Prinzipien auch im Zusammenhang mit der Vollmacht zum Tragen kommen. a) Abstraktion und Numerus clausus Ein Merkmal des deutschen Sachenrechts ist neben dem Abstraktionsprinzip der so genannte Numerus clausus der Sachenrechte374. Dingliche Rechte sind ihrer Art, ihrem Inhalt und ihrer Anzahl nach durch das Gesetz festgelegt; es besteht Typenzwang und Typenfixierung375. Der Numerus clausus der Sachenrechte bildet damit das Gegenstück zu der Vertragsfreiheit des Schuldrechts. Darin liegt auch bereits eine Funktion des Numerus clausus: Er ist ein Mittel, um die Eigenständigkeit des Sachenrechts gegenüber dem Schuldrecht zu gewährleisten376. In dieser Funktion ergänzen Numerus clausus und Abstraktionsprinzip einander, denn beide dienen der klaren Unterscheidung von schuldrechtlicher und sachenrechtlicher Ebene. Darüber hinaus hat der Numerus clausus der Sachenrechte eine verkehrsschützende Funktion377: Da den 374  Siehe hierzu im Einzelnen: Staudinger-Eckpfeiler/Seiler, Sachenrecht – Allgemeine Lehren, Rn. 37 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 15 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 13 ff. 375  BGH, NJW 1967, 1373 f.; Staudinger-Eckpfeiler/Seiler, Sachenrecht – Allgemeine Lehren, Rn. 37 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 16. 376  Stadler, Abstraktion, S. 111. 377  Stadler, Abstraktion, S. 112; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 2 Rn. 15; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 13.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 101

dinglichen Rechten Wirkung gegenüber jedermann zukommt (erga-omnesWirkung, Absolutheit der Sachenrechte378), erfordern es die Rechtssicherheit und die Verkehrsfähigkeit dinglicher Rechte, dass jedermann diese Rechte voneinander abgrenzen kann und dass über die Rechtsfolgen, die aus der Stellung als Rechtsinhaber folgen, Klarheit herrscht. In diesem Punkt überschneidet und ergänzt sich der Numerus clausus wiederum mit dem Abstraktionsgrundsatz und mit dem Publizitätsgrundsatz des Sachenrechts. Aufgrund des Typenzwangs und der Tyenfixierung können nur ganz bestimmte dingliche Rechte an Sachen bestehen. Die äußere Abstraktion bewirkt, dass Verfügungen über diese Rechte, also die Übertragung, die Aufhebung, die Inhaltsänderung und die Belastung, unabhängig von der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verpflichtung erfolgen. Das Publizitätsprinzip sorgt schließlich dafür, dass die Zuordnung dinglicher Rechte nach außen erkennbar ist. Der Numerus clausus geht damit der Abstraktheit voraus, indem einzelne Bestandteile eines Gesamttatbestandes zu einem Rechtsgeschäft stereotypen Inhalts ausgegliedert werden, welches wiederum von dem bestehen bleibenden Rest unabhängig ausgestaltet wird379. Der Numerus clausus der Sachenrechte ist darüber hinaus durch einen weiteren Aspekt eng mit dem Abstraktionsprinzip verknüpft. Würde man bei Beibehaltung des Numerus clausus das Abstraktionsprinzip aufheben, käme es zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit380. Denn wenn bereits der Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags die Verfügung bewirkt, sind die Parteien bereits auf dieser Ebene an die vorgegebenen Typen dinglicher Rechte gebunden. Neue Vertragsmodelle sind dann weit schwieriger zu begründen381. Die Abstraktheit bewahrt dagegen die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten auf schuldrechtlicher Ebene, ohne den sachenrechtlichen Numerus clausus anzugreifen. Im Stellvertretungsrecht kann man zwischen drei „Typen“ von Vertretungsmacht unterscheiden: der gesetzlichen, der organschaftlichen und der gewillkürten Vertretungsmacht. Bei der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht, der Vollmacht, kommt darüber hinaus ein Typenzwang bezüglich des Umfangs der Vertretungsmacht in Betracht. Das Bürgerliche Recht kennt keine dem Umfang nach typisierte Vollmacht. Dagegen existieren im Handelsrecht mehrere Vollmachts„typen“, die sich nach ihrem Umfang unterscheiden. Während dieser aber bei der Prokura gesetzlich festgelegt ist, enthalten §§ 54, 56 HGB für den Umfang der Handlungsvollmacht und der 378  Staudinger-Eckpfeiler/Seiler,

Sachenrecht – Allgemeine Lehren, Rn. 36. AcP 135 (1932), S. 67, 81. 380  Stadler, Abstraktion, S. 111. 381  Vgl. exemplarisch zum Eigentumsvorbehalt in Frankreich: Stadler, Abstraktion, S.  278 ff. 379  Cohn,

102 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Vollmacht des Ladenangestellten jeweils nur eine dispositive gesetzliche Regelung382. In allen drei Fällen ist der Umfang der Vollmacht damit vom Gesetz beschrieben; der Unterschied besteht darin, ob eine Abweichung möglich ist oder nicht. Die gesetzlich vorgesehenen Vollmachtstypen sind aber nicht abschließend383. Einen Typenzwang wie bei dinglichen Geschäften gibt es im Stellvertretungsrecht mithin nicht; wohl aber eine der Typenfixierung vergleichbare gesetzliche Festlegung des Vollmachtsumfangs bei der Prokura. Gemäß § 49 Abs. 1 HGB ist der Prokurist zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, ermächtigt. Unter dem Vorbehalt einer ausdrücklichen Ermächtigung stehen lediglich die Veräußerung und Belastung von Grundstücken, § 49 Abs. 2 HGB. Eine Beschränkung dieses Umfangs kann Dritten nicht entgegengehalten werden, § 50 Abs. 1 HGB384. Abweichende Vereinbarungen sind mithin nur im Innenverhältnis zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und seinem Prokuristen möglich; im Außenverhältnis sind Änderungen des Umfangs der Prokura dagegen ausgeschlossen. Die Prokura ist damit eine typisierte Vollmacht; besteht Prokura, steht auch fest, dass der Träger der Prokura den Inhaber des Handelsgeschäfts im Rahmen des § 49 HGB wirksam vertreten kann. Wie bei den dinglichen Rechten steht auch hier die gesetzliche Festlegung des Umfangs in engem Zusammenhang mit der Abstraktheit der Prokura. Das soll folgendes Gedankenspiel verdeutlichen: Angenommen, für die Prokura gelte nur das Trennungs-, nicht aber auch das Abstraktionsprinzip, wobei im Übrigen die Regelungen der §§ 49, 50 HGB bestehen blieben. Die Prokura wäre damit von dem Dienstverhältnis zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und seinem Prokuristen zu trennen. Die Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis müsste aber der Pflichtbindung im Innenverhältnis entsprechen. Da die Vertretungsbefugnis nach außen jedoch gesetzlich zwingend vorgegeben ist, wäre damit auch die Pflichtbindung des Prokuristen im Innenverhältnis der Disposition der Parteien entzogen. Etwaige Einschränkungen oder Präzisierungen blieben dann nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch im Innenverhältnis ohne rechtlich zwingende Wirkung. Das Handeln nach den Anwei382  Brox/Henssler, Handelsrecht, § 11 Rn. 213; Münchener Kommentar HGB/ Krebs, § 54 Rn. 3 ff.; a. A. (widerlegbare Vermutung): Bork, JA 1990, S. 249, 251 f.; Canaris, Handelsrecht, § 13 Rn. 2, 11; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 54 Rn. 3; Baumbach/Hopt, §  54 Rn.  9; Großkommentar HGB/Joost, § 54 Rn. 32; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 112; Oetker/Schubert, § 54 Rn. 2, 16. 383  Großkommentar HGB/Joost, Vor § 48 Rn. 5; a.  A. Münchener Kommentar HGB/Krebs, Vor § 48 Rn. 34, der von einem „(…) numerus clausus der Vollmachtsarten „aus dem Unternehmen heraus“(…)“ ausgeht. 384  §§ 49, 50 HGB entsprechen im Kern den Art. 42, 43 ADHGB.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 103

sungen und im Interesse des Prinzipals könnte allenfalls noch als Obliegenheit des Prokuristen angesehen werden. Dieser müsste bei Missachtung mit dem gemäß § 52 Abs. 1 HGB jederzeit möglichen Widerruf der Prokura und gegebenenfalls auch mit der Beendigung des Dienstverhältnisses rechnen. Dass dieses Ergebnis weder dem Interesse der Parteien noch der Intention des Gesetzes entspricht, ist offensichtlich. Der gesetzlich festgelegte Umfang der Prokura ist vielmehr mit der Abstraktheit notwendig verknüpft. Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Prokura. Wie bereits im ersten Kapitel dieser Arbeit dargestellt, wurde die Prokura in ihrer heutigen Fassung als Vollmacht mit gesetzlich festgelegtem Inhalt während der Beratungen zum ADHGB entwickelt. Sozusagen „in einem Atemzug“ mit der gesetzlichen Festlegung des Umfangs wurde die Prokura auch von dem ihr zugrunde liegenden Innenverhältnis geschieden385. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Abstraktion und Numerus clausus im Sachenrecht in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander stehen. Das gleiche gilt auch im Recht der Stellvertretung für den Spezialfall der Prokura. Aufgrund ihres gesetzlich zwingend festgelegten Inhalts ist die Prokura notwendig auch abstrakt zu denken, will man nicht die Vertragsfreiheit des Kaufmanns im Innenverhältnis stark einschränken. Die Prokura als abstrakte Vollmacht steht jedoch nicht paradigmatisch für das gesamte Vertretungsrecht, sondern bildet einen auf das Handelsrecht beschränkten und den dortigen besonderen Verkehrsbedürfnissen geschuldeten Spezialfall. Das zeigt nicht nur die Entstehungsgeschichte der Prokura, sondern auch der systematische Vergleich mit der Handlungsvollmacht und der Vollmacht des Ladenangestellten386. b) Abstraktion und Publizität Zu den Grundsätzen des Sachenrechts zählt neben Abstraktion und Numerus clausus auch die Publizität. Verfügungen über dingliche Rechte sind danach im Grundsatz öffentlich zu machen. Dahinter steht der Gedanke, dass dingliche Rechte aufgrund ihrer Absolutheit, also ihrer Geltung gegenüber jedermann, auch für jedermann erkennbar und verortbar sein sollen387. Wie das Abstraktionsprinzip und der Numerus clausus der Sachenrechte dient damit auch das Publizitätsprinzip der Rechtssicherheit und -klarheit388, wo385  Siehe

hierzu oben in Kapitel 1 unter A. II. 4. hierzu unten in Kapitel 4 unter B. und C. 387  Staudinger-Eckpfeiler/Seiler, Sachenrecht – Allgemeine Lehren, Rn. 62; Stadler, Abstraktion, S. 123. 388  Münchener Kommentar BGB/Gaier, Einleitung zu Buch 3 – Sachenrecht, Rn. 21. 386  Siehe

104 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

bei sich die drei Prinzipien gegenseitig ergänzen: Mittels des Publizitätsgrundsatzes ist die Rechtinhaberschaft nach außen für jedermann erkennbar; aufgrund des Numerus clausus ist für jedermann klar, welchen Inhalt das innegehaltene Recht hat und welche Rechtsfolgen daran geknüpft sind. Das Abstraktionsprinzip bildet für die beiden vorgenannten Prinzipien die Grundlage, indem es die Wirksamkeit der Verfügung über ein dingliches Recht von dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäft abkoppelt und von etwaigen Mängeln des Grundgeschäfts unabhängig macht. Im Stellvertretungsrecht des bürgerlichen Rechts bestehen keine zwingenden Publizitätserfordernisse. Es besteht aber die Möglichkeit, die Erteilung einer Vollmacht mittels einer Urkunde oder mittels einer Erklärung an die Öffentlichkeit publik zu machen, §§ 171 Abs. 1 Alt. 2, 172 Abs. 1 BGB. Solche öffentlichen Erklärungen erhalten jedoch nur dann einen Sinn, wenn sich der Rechtsverkehr bis zum actus contrarius darauf verlassen kann, dass der Inhalt der öffentlichen Erklärung zutrifft oder jedenfalls der Erklärende sich im Rechtsverkehr nicht auf abweichende Tatsachen berufen kann. Dem trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass hinsichtlich des Bestehens der Vollmacht an die öffentliche Erklärung und die Urkunde eine Gutglaubenswirkung geknüpft ist, §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 2, 173 BGB. Die Vorschriften sind nach der herrschenden Ansicht auf das Nichtentstehen sowie auf interne Beschränkungen der Vertretungsmacht analog anzuwenden389. Insoweit besteht mit dem Abstraktionsprinzip kein zwingender Zusammenhang. Der Gutglaubensschutz der öffentlich kundgegebenen oder in einer Urkunde verkörperten Vollmacht hätte in einem nicht-abstrakten System nur deutlich mehr Bedeutung, da er den Geschäftspartner dann auch vor solchen Einwendungen schützen würde, die aus dem Grundverhältnis resultieren. Im Unterschied zu den Vollmachten des bürgerlichen Rechts gilt für die Prokura das Publizitätsprinzip. Gemäß § 53 HGB sind die Erteilung und das Erlöschen der Prokura zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Allerdings ist die Eintragung nicht konstitutiv, dem Publizitätsakt kommt im Fall der Prokura also keine „Entstehungs“- oder „Erlöschenswirkung“ zu. Der Eintrag in das Handelsregister bildet aber die Grundlage für den Schutz des guten Glaubens an das Bestehen bzw. das Nichtbestehen der Prokura als einzutragender Tatsache, § 15 Abs. 1, 3 HGB. Die Eintragung in das Handelsregister geht zudem Hand in Hand mit der gesetzlichen Festlegung des Umfangs der Prokura und ihrer Abstraktheit von dem Grundverhältnis: Solange die Prokura in das Handelsregister eingetragen ist, darf sich ein Dritter auf ihr Bestehen in dem gesetzlich festgelegten Umfang verlassen, ohne sich um das Innenverhältnis zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und 389  Soergel/Leptien, § 173 Rn. 2; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 173 Rn.  2 m. w. N.



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 105

dessen Prokuristen kümmern zu müssen. Gegen die Eintragungsfähigkeit von Einschränkungen des Prokuraumfangs sprechen zudem bereits praktische Bedenken, denn die Eintragung im Einzelnen genau definierter Vertretungsbefugnisse wäre mit erheblichem Aufwand verbunden. Zudem wäre die Funktionalität des Registers in Gefahr, da dem Register in einem solchen Fall nicht mehr auf einen Blick entnommen werden könnte, in welchem Umfang Vertretungsmacht besteht. 6. Insbesondere: Abstraktion und Gutglaubensschutz Im Sachenrecht wird das Abstraktionsprinzip flankiert durch den Gutglaubensschutz. Beide – das Abstraktionsprinzip und der Gutglaubensschutz – sind Instrumente des Verkehrsschutzes, wirken jedoch auf unterschiedlichen Ebenen: Während hinsichtlich der dinglichen Berechtigung Gutglaubensschutz gewährt wird, § 932 BGB, kommt bei Mängeln des Verpflichtungsgeschäfts das Abstraktionsprinzip zum Tragen. Bei Veräußerungsketten greifen beide Verkehrsschutzinstrumente ineinander390. Auch dem Stellvertretungsrecht ist der Schutz des gutgläubigen Dritten nicht fremd: Nach den §§ 171 Abs. 1 und 172 Abs. 1 BGB gilt der Stellvertreter, dessen Bevollmächtigung der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten oder der Öffentlichkeit kundgetan oder diese in einer dem Dritten vorgelegten Vollmachtsurkunde festgehalten hat, gegenüber dem Dritten als bevollmächtigt. Gemäß §§ 170, 171 Abs. 2 und 172 Abs. 2 BGB wirkt die gegenüber dem Dritten erklärte oder kundgegebene Vollmacht so lange fort, bis der Geschäftsherr sie gegenüber dem Dritten widerrufen oder ihm das Erlöschen der Vollmacht angezeigt hat. Die §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 2, 173 BGB werden zudem analog auf den Fall angewendet, dass der Geschäftsherr die Vertretungsmacht rein intern gegenüber seinem Stellvertreter einschränkt und damit enger fasst als die nach außen kundgegebene Vollmacht391. Eine analoge Anwendung wird auch dann befürwortet, wenn die kundgegebene Vollmacht von Anfang an nicht wirksam entstanden ist392. § 173 BGB schränkt die (Fort-)Geltung der Vertretungsmacht in allen drei genannten Fällen jedoch auf den gutgläubigen Dritten ein. Die §§ 171–173 BGB werden in Rechtsprechung und herrschender Lehre ergänzt durch die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht393. hierzu Stadler, Abstraktion, S. 252. § 171 Rn. 1, § 173 Rn. 2; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 173 Rn. 9 m. w. N. 392  RGZ 108, 125, 127; BGH, NJW 1985, 730. Siehe auch die Nachweise in obiger Fn. 389. 393  Siehe hierzu bereits die Nachweise in Fußnote 268. 390  Vgl.

391  Soergel/Leptien,

106 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Auch hier geht es um Sachverhalte, in denen eine (wirksame) Bevollmächtigung nicht erfolgt ist, zum Schutz des gutgläubigen Dritten jedoch vom Vorliegen einer Vollmacht ausgegangen wird. Daneben greift das Abstraktionsprinzip ein, und zwar immer dann, wenn nicht die Vollmacht selbst erlischt oder begrenzt wird, sondern das Grundverhältnis mangelbehaftet ist. Im Außenverhältnis zu dem Dritten bleibt die Vollmacht hiervon unberührt. Wie im Sachenrecht wird also auch im Vertretungsrecht im Fall der fehlenden Legitimation der Gutglaubensschutz aktiviert, während durch das Abstraktionsprinzip die Legitimation von der Berechtigung losgelöst wird. Beide Verkehrsschutzinstrumente, das Abstraktionsprinzip wie der Gutglaubensschutz, betreffen die Frage, inwieweit der Dritte mit den Risiken der direkten Stellvertretung belastet werden soll bzw. wie der Dritte vor diesen Risiken geschützt werden kann. Diese Abwägung wurzelt wiederum unmittelbar in der Konstruktion der direkten Stellvertretung, genauer in dem Umstand, dass für das Zustandekommen des Vertretergeschäfts zwingend Vertretungsmacht vorliegen muss, da andernfalls die rechtsgeschäftliche Bindung des Geschäftsherrn nicht mit dem Grundsatz der Privatautonomie in Einklang gebracht werden kann. Die Privatrechtskodifikationen, die dem BGB vorausgingen, kannten im Wesentlichen zwei verschiedene Wege, um den als erforderlich erkannten Verkehrsschutz zu bewerkstelligen. Während das preußische Allgemeine Landrecht und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch den gutgläubigen Dritten vor internen Einschränkungen der Vollmacht schützten, schufen die Verfasser des ADHGB von 1861 mit der Prokura eine von dem Grundgeschäft streng zu trennende, abstrakte Vollmacht. Das Bürgerliche Gesetzbuch trennt nicht nur Vollmacht und Grundgeschäft, sondern hat hinsichtlich der nach außen verlautbarten Bevollmächtigung auch den Gutglaubensschutz übernommen. Folgt man Rechtsprechung und herrschender Lehre dahingehend, dass den §§ 164 ff. BGB das Abstraktionsprinzip zugrunde liegt, dann werden bezüglich der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht beide Verkehrsschutzinstrumente miteinander kombiniert. Im Unterschied zu dem Gutglaubensschutz der §§ 170–173 BGB, der nur dann eingreift, wenn eine nach außen gerichtete Erklärung des Geschäftsherrn über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters vorliegt und der Dritte hinsichtlich Bestand und Umfang der Vollmacht gutgläubig ist, soll das Abstraktionsprinzip unterschiedslos für die Innen- wie für die Außenvollmacht gelten und ist von weiteren Voraussetzungen unabhängig. Dieser Umstand hat bereits während der Vorarbeiten zum BGB, aber auch noch nach seinem Inkrafttreten wiederholt zu der Kritik geführt, die Abstraktheit gehe als Verkehrsschutzinstrument zu weit und sei auch nicht erforderlich. Denn der



B. Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht des BGB 107

notwendige Verkehrsschutz könne mittels des Instruments der „Rechtsscheinvollmachten“ der §§ 170–173 BGB gewährleistet werden394.

III. Zwischenergebnis Die Abstraktheit der Vollmacht dient in erster Linie dem Schutz des Rechtsverkehrs, unabhängig von der Schutzwürdigkeit des Dritten im konkreten Einzelfall. Der Dritte, der mit dem Stellvertreter kontrahiert, welcher wiederum im Namen des Geschäftsherrn handelt, muss sich um das Innenverhältnis zwischen letzteren nicht kümmern. Selbst wenn ihm Umstände bekannt sein könnten, die auf eine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Grundverhältnisses schließen lassen, schadet ihm dies grundsätzlich nicht, denn eine solche Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit hat nach dem Abstraktionsprinzip keinerlei Auswirkung auf die Vollmacht. Der dadurch erreichte Verkehrsschutz wird jedoch durch die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht wieder zurückgeschnitten, sofern der Dritte mit dem Stellvertreter kollusiv zum Nachteil des Geschäftsherrn zusammenarbeitet oder ihm das Überschreiten der im Innenverhältnis bestehenden Vertretungsbefugnis durch den Stellvertreter bei Abschluss des Vertretergeschäfts bekannt sein musste. Wie weit die Abstraktheit der Vollmacht tatsächlich durchgeführt wird, ist damit – wie im Sachenrecht – letztlich eine Frage der Abwägung zwischen den konfligierenden Interessen. Die Abstraktheit der Vollmacht ist indes nicht das einzige Verkehrsschutzinstrument des deutschen Stellvertretungsrechts. Hinzu kommt der Gutglaubensschutz, der in den §§ 170–173 BGB gesetzlich verankert ist. Prinzipiell ergänzen sich beide Instrumente; es wird aber noch zu zeigen sein, dass im Stellvertretungsrecht infolge des Nebeneinanders von Abstraktion und Gutglaubensschutz auch Widersprüche auftreten können. Führt man sich zudem die Entstehungsgeschichte des deutschen Stellvertretungsrechts vor Augen, so erscheint es zumindest zweifelhaft, ob der historische Gesetzgeber bewusst beide Verkehrsschutzinstrumente in einem Gesamtsystem miteinander kombiniert hat oder ob es nicht vielmehr an einem solchen kohärenten System des Verkehrsschutzes im Stellvertretungsrecht fehlt. Ergänzt und korrigiert der Gutglaubensschutz damit das stellvertretungsrechtliche Abstraktionsprinzip, drängt sich die Frage auf, ob nicht mittels des Gutglaubensschutzes der im Stellvertretungsrecht erforderliche Verkehrsschutz hergestellt werden kann. Die Abstraktheit der Vollmacht wäre damit entbehrlich. Dem steht im Fall der Prokura jedoch das Zusammenspiel mit den Grundsätzen 394  Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81, 96 ff.; Frotz, Verkehrsschutz, S.  333 ff.; Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 13 ff.; Wellspacher, Vertrauen, S.  80 ff.

108 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

der Typizität und Publizität entgegen, welche die Abstraktheit der Vollmacht bedingen.

C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips Im Folgenden soll genauer untersucht werden, inwiefern das Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht tatsächlich zum Tragen kommt, welche Funktion es im Einzelnen erfüllt und ob diese es rechtfertigt, die Vollmacht abstrakt auszugestalten. Dabei wird zwischen der Innenvollmacht auf der einen Seite und der Außenvollmacht auf der anderen Seite unterschieden. Jeweils wird die Beziehung der Vollmacht zu dem Grundverhältnis untersucht – das setzt voraus, dass ein Grundverhältnis besteht. Einen Spezialfall stellt dagegen die so genannte isolierte Vollmacht dar.

I. Die Innenvollmacht Eine reine Innenvollmacht liegt vor, wenn der Geschäftsherr die Bevollmächtigung ausschließlich gegenüber dem zu Bevollmächtigenden erklärt, § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB, und sie auch nicht nachträglich gegenüber dem Dritten oder der Öffentlichkeit kundgibt. Nach dem Abstraktionsgrundsatz ist die Vollmacht in ihrer Entstehung, ihrer Wirksamkeit, ihrem Umfang und ihrem Erlöschen von dem Grundverhältnis unabhängig. Danach müssten beide Rechtsgeschäfte jedenfalls in der Regel dahingehend auseinanderfallen, dass die Vollmacht wirksam ist trotz Nichtigkeit des Grundverhältnisses, dass sie weiter besteht, auch wenn das Grundverhältnis wegfällt, und dass der Umfang beider Rechtsgeschäfte unterschiedlich weit gefasst sein kann. Für die reine Innenvollmacht wird die Geltung des Abstraktionsgrundsatzes indes auch von solchen Autoren bestritten oder eingeschränkt, die im Grundsatz von der Geltung des Abstraktionsprinzips im Stellvertretungsrecht ausgehen395. Die Rechtsprechung setzt die Abstraktheit der Vollmacht regelmäßig voraus396. Zwar mag der Bundesgerichtshof hinsichtlich der reinen Innenvollmacht die Frage nach der Abstrakt395  Endemann, Bürgerliches Recht, S. 406; Enneccerus, Allgemeiner Teil, S. 472; Flume, Rechtsgeschäft, § 50 2, S. 841 f.; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 949; den Abstraktionsgrundsatz einschränkend auch Soergel/Leptien, vor § 164 Rn. 39; allerdings nur in Bezug auf die konkludent in dem Auftrag enthaltene Vollmacht. 396  OLG München, Urt. v. 1.7.2007, Az.: 19 U 391/06 – zitiert nach juris; LG Düsseldorf, RPfleger 1985, 358.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips109

heit nicht ausdrücklich entschieden haben397; eine gegensätzliche Auffassung ist den Urteilen jedoch ebenfalls nicht zu entnehmen. Zweifel an der Abstraktheit der reinen Innenvollmacht sind jedoch durchaus berechtigt. Denn bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass die bereits benannten Durchbrechungen des Abstraktionsprinzips im Stellvertretungsrecht regelmäßig bei der reinen Innenvollmacht zum Tragen kommen. Anders als bei der Außenvollmacht und der kundgegebenen Innenvollmacht steht hier auch kein „Rettungsanker“ für das Vertretergeschäft in Gestalt der §§ 170 ff. BGB zur Verfügung398. 1. Entstehung und Wirksamkeit Gemäß § 167 Abs. 1 BGB entsteht die Vollmacht durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers, die an den zu Bevollmächtigenden oder einen Dritten gerichtet sein kann. Hieraus folgt, dass für die Entstehung der Vollmacht keine weiteren Voraussetzungen gegeben sein müssen, insbesondere muss nicht bereits ein Grundverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem bestehen. In der Entstehung ist die Vollmacht also im Ausgangspunkt durch das Gesetz von dem Grundverhältnis getrennt ausgestaltet. Im Fall der Innenvollmacht sind die Bevollmächtigung und der Abschluss des Grundgeschäfts aber regelmäßig sowohl faktisch als auch in rechtlicher Hinsicht miteinander verknüpft. Vielfach wird die reine Innenvollmacht in einem Akt mit dem Abschluss des Grundverhältnisses erteilt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Parteien nicht zwischen Vollmacht und Grundverhältnis unterscheiden, sondern beide in ihrer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ als ein und dasselbe Rechtsgeschäft verstehen. Aber auch wenn den Parteien der Unterschied bewusst ist, werden sie bei Abschluss eines Grundverhältnisses, dessen Ausführung einer Vollmacht bedarf, die Bevollmächtigung häufig nicht explizit erklären; die Vollmacht ist vielmehr regelmäßig konkludent in der Auftragserteilung mit enthalten399. Beauftragt der bei einem Verkehrsunfall verletzte G seinen Nachbarn V, für G dessen Auto in die Werkstatt zu bringen, ist mit dem Auftrag nach dem Willen des G wohl auch die Vollmacht verbunden, die erforderlichen Reparaturen in Auftrag zu geben. Denn andernfalls könnte V den Auftrag nur als falsus procurator ausführen, was erkennbar nicht im InGanther, WM 2001, 195. beispielhaft die Entscheidung BGH, WM 2003, 918, 920. 399  BGH, NJW 2010, 1203, 1204; LAG Köln, Urteil v. 11.11.2005, Az.: 11 Sa 121/05 – zitiert nach juris; Larenz/Wolf, § 47 Rn. 19; Mock, JuS 2008, S. 391, 392 m. w. N. Eine Ausnahme stellt insofern die Prokura dar, die gemäß § 48 Abs. 1 BGB nur ausdrücklich erteilt werden kann. 397  So

398  Siehe

110 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

teresse der Parteien liegt. Der Beauftragte darf die Erklärung des Auftraggebers mithin regelmäßig so verstehen, dass hiermit auch eine entsprechende Bevollmächtigung einhergeht. Dies ändert zwar nichts daran, dass es sich bei Vollmacht und Auftrag um zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsgeschäfte handelt. Beide sind jedoch nach dem Willen der Parteien miteinander verknüpft. Der Laien-Geschäftsherr, der einem anderen den Auftrag anträgt, in seinem Namen ein Rechtsgeschäft zu schließen, wird selbstverständlich davon ausgehen, dass die konkludent miterklärte Bevollmächtigung nur für den Fall wirksam wird, dass sein Gegenüber den Auftrag auch annimmt. Die Auslegung der Willenserklärung des Geschäftsherrn wird mithin regelmäßig ergeben, dass die Bevollmächtigung nur aufschiebend bedingt auf die Annahme des Auftrags erfolgt ist. Einer solchen aufschiebenden Bedingung nach § 158 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Bevollmächtigung steht jedoch, wie oben ausgeführt, das Abstraktionsprinzip entgegen. Dass jedenfalls für die reine Innenvollmacht dennoch überwiegend von der Zulässigkeit einer solchen Bedingung ausgegangen wird400, zeigt, dass hier das Abstraktionsprinzip auch von seinen Befürwortern nicht konsequent durchgeführt wird. Eine noch weitergehende Parallelität beider Rechtsgeschäfte wird erreicht, wenn man § 139 BGB auf die Innenvollmacht und das ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis anwendet401. Ein Gleichlauf zwischen Vollmacht und Grundverhältnis besteht auch dann, wenn ein zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit führender Mangel des Grundverhältnisses auch die Innenvollmacht erfasst402. Eine solche Fehler­ identität liegt insbesondere dann nahe, wenn Grundgeschäft und Bevollmächtigung in ein und derselben Willenserklärung des Geschäftsherrn enthalten sind. Allerdings ist dies nicht automatisch der Fall. Das Trennungsprinzip erfordert es vielmehr genau zu unterscheiden, welches der beiden Rechtsgeschäfte oder ob gegebenenfalls beide von dem Mangel betroffen sind. So erfasst beispielsweise das Fehlen der Geschäftsfähigkeit des Geschäftsherrn beide Rechtsgeschäfte gleichermaßen. Dagegen geht die herrschende Meinung angesichts der Regelung des § 165 BGB davon aus, dass die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Vertreters die Vollmacht unberührt lässt, während sie im Hinblick auf das Grundgeschäft zur schwebenden Unwirksamkeit führt, 400  BGH WM 1964, 182, 183; OLG Stuttgart, WM 2007, 1121, 1122; Flume, Rechtsgeschäft, § 52 3, S. 865, Fn. 22; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1240; Soergel/ Leptien, Vor § 164 Rn. 40; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 3; kritisch hingegen Müller-Freienfels, Vertretung, S. 249. 401  BGHZ 102, 60, 62; BGH, NJW 1997, 312, 313; NJW 2002, 2325, 2326. Hierfür spricht sich insbesondere Rosenberg, Stellvertretung, § 23, S. 764 ff. aus; siehe hierzu oben in Kapitel 2 unter B. II. 4. a). 402  Siehe zur Fehleridentität oben in Kapitel 2 unter B. II. 4. b).



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips111

§§ 107, 108 Abs. 1 BGB403. Tatsächlich trifft es vor dem Hintergrund der Abstraktheit der Vollmacht zu, dass die Bevollmächtigung eines Minderjährigen nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedarf. Dies folgt jedoch nicht aus der Regelung des § 165 BGB, der das Vertretergeschäft betrifft, sondern aus der Tatsache, dass die Bevollmächtigung für den Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt404; jedenfalls aber für ihn nicht nachteilig ist, so dass kein Schutzbedürfnis besteht. Auch ein Dissens z. B. hinsichtlich der Entgeltlichkeit des Grundgeschäfts betrifft nur dieses und nicht auch die Bevollmächtigung. In diesen Fällen kommt das Abstraktionsprinzip also auch bei der reinen Innenvollmacht zum Tragen: Trotz der Mangelhaftigkeit des Grundgeschäfts bleibt die Vollmacht wirksam bestehen. Der Vertreter handelt folglich mit Vertretungsmacht und kann den Geschäftsherrn wirksam verpflichten. Der Dritte wird, unabhängig von seiner Gutoder Bösgläubigkeit hinsichtlich des Mangels des Grundverhältnisses, geschützt. Das Gleiche gilt für den Vertreter, der jedenfalls im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten vor einer Haftung aus § 179 BGB bewahrt wird. Von diesen wenigen Fällen abgesehen, in denen ein Mangel des Grundverhältnisses die Vollmacht nicht erfasst, wird das wirksame Entstehen der reinen Innenvollmacht entsprechend dem Parteiwillen mittels der Annahme eines Bedingungszusammenhangs oder einer Geschäftseinheit regelmäßig an das Grundverhältnis geknüpft. 2. Umfang Der Umfang der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht ergibt sich im Unterschied zu dem Umfang der Prokura nicht aus dem Gesetz. Er bestimmt sich in erster Linie nach der Bevollmächtigungserklärung. Die Vollmacht kann darin beliebig begrenzt und erweitert werden: Die Spanne reicht von der Erteilung der Vollmacht nur für ein bestimmtes Rechtsgeschäft über die Gattungsvollmacht bis zu der Erteilung einer Generalvollmacht405. Erst in einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, inwiefern auch das Grundverhältnis für den Umfang der Vertretungsmacht relevant ist. Denkbar wäre, dass Einschränkungen des Auftrags unmittelbar auf die Vertretungsmacht durchschlagen. Nach dem Abstraktionsprinzip ist jedoch das Gegenteil der Fall. Der Umfang der Vollmacht und der Umfang des Auftrags sind danach jeweils 403  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1492; Flume, Rechtsgeschäft, § 50 2, S. 842; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 26; Stadler, Allgemeiner Teil, § 30 Rn. 17. 404  Leipold, BGB I, § 24 Rn. 16; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 8. 405  Brox/Walker, Allgemeiner Teil, Rn.  546; Soergel/Leptien, § 167 Rn. 39 ff.; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 83.

112 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

voneinander unabhängig. Dies führt bei der reinen Innenvollmacht zu fragwürdigen Ergebnissen, wie folgender Beispielsfall 2 zeigen soll: Grundfall406: G erteilt V den Auftrag und uno actu die Vollmacht, in seinem Namen dem D einen Schimmel für maximal 1000 Euro abzukaufen. Variante 1: G bittet V, für ihn einen Schimmel für maximal 1000 Euro von D zu erwerben. V erbittet sich eine Nacht Bedenkzeit. Am nächsten Morgen nimmt er den Auftrag an. G erteilt V daraufhin Vollmacht, ohne dabei auf den Inhalt des Auftrags ausdrücklich Bezug zu nehmen. Variante 2: Wie in Variante 1, nur händigt G dem V hier eine schriftliche Vollmachtsurkunde aus, aus der pauschal hervorgeht, dass V bevollmächtigt ist, G gegenüber V zu vertreten. V legt die Urkunde dem D jedoch nicht vor. V schließt mit D im Namen des G einen Kaufvertrag über einen Rappen zum Preis von 2000 Euro.

Im Grundfall ist eindeutig, dass die Vollmacht des V beschränkt war auf den Kauf eines Schimmels zum Preis von bis zu 1000 Euro. Für das abgeschlossene Geschäft hatte V daher keine Vertretungsmacht. Sofern G nicht genehmigt, ist er nicht an den Kaufvertrag mit D gebunden, § 177 Abs. 1 BGB. V hat als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt und haftet bei Ausbleiben der Genehmigung des G dem D gemäß § 179 BGB. Anders verhält es sich jedoch in den beiden Varianten: Geht man unter Anwendung des Abstraktionsgrundsatzes davon aus, dass D ungeachtet der Begrenzung des Auftrags eine unbeschränkte Vollmacht erhalten hat, ist das Vertretergeschäft jeweils wirksam und G an den Kaufvertrag über einen Rappen zum Preis von 2000 Euro gebunden. Für dieses abweichende Ergebnis liegt aber kein Grund vor. Insbesondere ist die Urkunde in Variante 2 gerade nicht nach außen gelangt; D hatte hiervon keine Kenntnis und entsprechend keinen Anhaltspunkt für ein entsprechendes Vertrauen407. Jedenfalls der Schutz des Dritten bildet hier also kein tragfähiges Argument für eine von den internen Weisungen unabhängige Bestimmung des Vollmachtsumfangs. Um das obige Ergebnis zu vermeiden, wird allgemein darauf hingewiesen, dass das Grundverhältnis den objektiven Empfängerhorizont des bevollmächtigten Vertreters präge408. Auf diesen sei bei der Auslegung der Bevollmächtigungserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB maßgeblich abzustellen. Ein Abfrei nach Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 230. Vollmacht, S. 201, geht daher konsequenterweise davon aus, dass Einschränkungen in einem solchen Fall auch im Außenverhältnis Wirkung entfalten. 408  BGH, NJW 1991, 3141; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1570; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1293; Knoche, JA 1991, S. 281, 284; Soergel/Leptien, § 167 Rn. 39; Stadler, Allgemeiner Teil, § 30 Rn. 22; Münchener Kommentar/Schramm, § 167 Rn. 80. Für eine Heranziehung des Innenverhältnisses für die Auslegung der Vollmacht sprechen sich auch Larenz/Wolf, § 47 Rn. 8 aus. 406  Sacherverhalt 407  Hupka,



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips113

weichen des rechtlichen Könnens von dem rechtlichen Dürfen komme bei der reinen Innenvollmacht daher nur in Ausnahmefällen vor409. Hieran ist zutreffend, dass bei der Auslegung der reinen Innenvollmacht, die ausschließlich gegenüber dem zu Bevollmächtigenden erklärt wird, allein dessen Verständnishorizont zu berücksichtigen ist. Die Sicht des Geschäftspartners ist dagegen für die Auslegung der reinen Innenvollmacht irrelevant410. Richtig ist auch, dass das Grundgeschäft den objektiven Empfängerhorizont des Bevollmächtigten prägt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Vollmacht stillschweigend uno actu mit dem Abschluss des Grundverhältnisses erteilt wird. Die Auslegung der Vollmachtserteilung anhand des Grundgeschäfts wird daher in der Tat regelmäßig zu dem Ergebnis führen, dass der Umfang der Vertretungsmacht dem Umfang des Grundverhältnisses entspricht. Mit der Pauschalierung dieses Ergebnisses wird aber das Abstraktionsprinzip hinsichtlich des Umfangs der reinen Innenvollmacht faktisch aufgegeben. Denn geht man davon aus, dass der Umfang der Vollmacht nur bei Vorliegen besonderer Umstände von dem Grundverhältnis abweicht, wird das Abstraktionsprinzip zur Ausnahme. Die „Auslegungslösung“ führt aber nur deswegen zu diesem Ergebnis, weil sie auf der Annahme beruht, dass ein Auseinanderfallen von Vollmacht und Grundverhältnis hinsichtlich ihres Umfangs regelmäßig nicht dem Willen der Parteien entspricht. Dieser Annahme widerspricht Vedder, der davon ausgeht, dass es regelmäßig im Interesse des Geschäftsherrn liegt, „überschießende Vertretungsmacht“ zu erteilen, damit der Vertreter flexibel auf veränderte Umstände reagieren kann und dem Dritten ein „vollwertiger“ Verhandlungspartner zur Verfügung steht411. Dieses Interesse sei bei der Auslegung der Bevollmächtigungserklärung zu berücksichtigen. Eine ähnliche Überlegung findet sich auch in den Materialien zum BGB, wo es heißt: „Ferner ist, damit der Bevollmächtigte sich nicht untätig verhält, wo die Umstände sein Handeln erheischen, und damit auch Dritte, mit welchen er verhandeln will, sich nicht zurückhalten, der Vollmachtgeber oft genötigt, den Umfang der Vertretungsmacht weiter zu erstrecken, als bei Würdigung der zur Zeit der Erteilung der Vollmacht vorliegenden Umstände sich zunächst als notwendig erweist.“412. Dies einmal angenommen, würde die Auslegung gerade nicht zu einem Gleichlauf des Umfangs von Vertretungsmacht und Grundverhältnis führen, sondern vielmehr zu einer das Dürfen im Innenverhältnis überschreitenden Vollmacht. Die genannten Gründe erfordern jedoch nicht zwingend eine überschießende Vertretungsmacht: Flexibilität kann der Geschäftsherr auch dadurch herstellen, dass er Auftrag und Voll409  Flume,

Rechtsgeschäft, § 50 2, S. 842. JZ 2010, 466, 468; NJW-RR 1990, 701, 703; WM 1980, 196, 197; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 927. 411  Vedder, Missbrauch, S. 9 ff.; ders., JZ 2008, S. 1077, 1078 f. 412  Motive I, S. 230 (Mugdan I, S. 479 f.). 410  BGH,

114 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

macht dahingehend modifiziert, dass die Beschränkungen nur für den Normalfall gelten, in Ausnahmefällen der Stellvertreter aber davon absehen darf. Dem Geschäftspartner kann der Geschäftsherr dadurch entgegenkommen, dass er die Bevollmächtigung nach außen unbeschränkt kundgibt. Im Handelsrecht besteht für die Fälle, in denen der Verkehr ein „alter ego“ des Geschäftsherrn fordert, zudem die Möglichkeit, einen Prokuristen zu ernennen, welcher kraft Gesetzes unbeschränkte Vertretungsmacht hat. Für die reine Innenvollmacht im bürgerlich-rechtlichen Verkehr kann also nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsherr regelmäßig überschießende Vollmacht erteilen will; vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Aufgrund der Mittel-Zweck-Relation zwischen Vollmacht und Grundverhältnis ist ein entsprechender Umfang intendiert413. Nimmt man den Parteiwillen ernst, kommt der Abstraktheit hinsichtlich des Umfangs der reinen Innenvollmacht insofern keine Bedeutung zu. Von der Auslegung der Bevollmächtigungserklärung zu unterscheiden ist die Auswirkung zusätzlicher Weisungen des Geschäftsherrn an den Bevollmächtigten. Solche internen Weisungen können nach der herrschenden Lehre entweder die Vollmacht betreffen und diese entsprechend beschränken oder aber sich allein auf das Innenverhältnis zwischen dem Geschäftherrn und seinem Stellvertreter beziehen. In diesem Fall begrenzen sie nach dem Abstraktionsprinzip nur das Grundverhältnis, nicht aber die Vollmacht. Angenommen, G konkretisiert seine Vorstellung in unserem obigen Beispielsfall im Nachhinein noch dahingehend, dass das zu erwerbende Pferd nicht älter als drei Jahre sein soll. Handelt es sich hierbei um eine Beschränkung der Vollmacht, agiert V bei dem Kauf eines fünf Jahre alten Schimmels als falsus procurator. Nimmt man hingegen an, dass G lediglich den Auftrag präzisiert hat, handelt V unabhängig von dem Alter des gekauften Pferdes mit Vertretungsmacht, ist jedoch im Innenverhältnis gegebenenfalls gegenüber G schadensersatzpflichtig. Die Abgrenzung danach, ob eine interne Weisung nur das Innenverhältnis betrifft oder auch unmittelbar die Vertretungsmacht beschränkt, ist allerdings im Einzelfall oft nur schwer zu treffen. In den in der Literatur angeführten Beispielsfällen sind es Nuancen in der Wortwahl, die hierüber entscheiden sollen414. Den Kern des Problems treffen sie nicht. Dies erhellt ein Blick in die Geschichte des Stellvertretungsrechts. Sowohl das ALR als auch das ABGB enthielten eine Vorschrift über „besondere Instruktionen“, § 93 I 13 ALR, bzw. die „geheime Vollmacht“, § 1017 a. E. ABGB415. Ausgangspunkt beider 413  Die bewusste Erteilung überschießender Vertretungsmacht bleibt natürlich dennoch möglich; hiervon ist allerdings nur auszugehen, wenn eine ausdrückliche entsprechende Erklärung des Geschäftsherrn vorliegt. 414  Larenz/Wolf, § 47 Rn. 12 (Beispiel nicht mehr abgedruckt in der Neuauflage von Wolf/Neuner); Stadler, Allgemeiner Teil, § 30 Rn. 19 und 24 (Fall 70). 415  Siehe hierzu oben in Kapitel 1 unter A. I. 1.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips115

Normen ist die Frage, welche Bedeutung interne Weisungen des Vollmachtgebers an den Bevollmächtigten, die der Dritte nicht kennt und gegebenenfalls auch nicht kennen soll, für das Vertretergeschäft haben. Die Verfasser beider Kodifikationen hatten erkannt, dass solche Weisungen, wenn sie die Vertretungsmacht unmittelbar beschränken und damit das Zustandekommen eines außerhalb der Weisung liegenden Vertretergeschäft verhindern, für den Dritten eine erhebliche Unsicherheit mit sich bringen. Der Kern des Problems liegt also nicht so sehr bei der Frage, ob im Einzelfall eine Weisung die Vertretungsmacht oder nur den Auftrag begrenzt. Es geht vielmehr darum festzustellen, aus welchen Gründen und damit in welchen Fällen Weisungen des Geschäftsherrn an seinen Vertreter dem Dritten entgegengehalten werden können. Das Problem wurde in den beiden zuletzt genannten Gesetzeswerken dahingehend gelöst, dass interne (geheime) Weisungen gegenüber dem gutgläubigen Dritten keine Wirkung haben. Während der Beratungen zum ADHGB ging man einen Schritt weiter und sprach – freilich beschränkt auf den Spezialfall der Prokura – internen Weisungen jede Wirkung im Außenverhältnis ab, und zwar unabhängig von der Gutgläubigkeit des Dritten. Laband übertrug diese für die Prokura gefundene Regelung auf die bürgerlich-rechtliche Vollmacht allgemein416. Beiden Modellen ist gemein, dass sie von der Schutzwürdigkeit des Dritten ausgehen. Diese ist jedoch hinsichtlich der reinen Innenvollmacht fraglich. Denn der Dritte verlässt sich hinsichtlich der erforderlichen Vertretungsmacht ausschließlich auf die Behauptung des angeblichen Stellvertreters. Eine entsprechende Bestätigung von Seiten des angeblich Vertretenen holt er nicht ein (in diesem Fall läge eine kundgegebene Innenvollmacht vor). Es erscheint daher nur folgerichtig, wenn man den Dritten im Fall fehlender Vertretungsmacht an den falsus procurator verweist. Aber selbst wenn man ein Verkehrsschutzbedürfnis hinsichtlich interner Einschränkungen der reinen Innenvollmacht bejaht, bleibt die gängige Unterscheidung zwischen Weisungen, die auf das Grundverhältnis bezogenen sind und solchen, die unmittelbar die Vollmacht betreffen, fragwürdig. Denn es ist für den Dritten in aller Regel nicht erkennbar, ob eine Weisung des Geschäftsherrn die Vertretungsmacht oder nur den zugrunde liegenden Auftrag des Vertreters beschränkt. Je nachdem soll aber das die Weisung überschreitende Vertretergeschäft wirksam sein, während bei einer Einschränkung der Vollmacht selbst das Vertretergeschäft an der fehlenden Vertretungsmacht scheitert. Der Dritte ist mithin nicht vollständig vor dem Scheitern des Vertretergeschäfts wegen Mängeln aus dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem geschützt. Warum jedoch bei einer nur das Grundverhältnis betreffenden internen Weisung die Schutzwürdigkeit oder das Schutzbedürfnis des Dritten höher sein soll, als in dem Fall, in dem der Geschäftsherr unmittelbar die Voll416  Laband,

ZHR 10 (1866), S. 183, 206 f.

116 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

macht eingeschränkt hat, bleibt offen. Eine andere Wertung ist allein in den Fällen gerechtfertigt, in denen der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten nach außen erklärt, sein Vertreter habe in einem bestimmten Umfang Vollmacht und dabei Einschränkungen verschweigt, die er gegenüber seinem Stellvertreter im Innenverhältnis vorgenommen hat. Die maßgebliche Unterscheidung besteht also zwischen der reinen Innenvollmacht und solchen Fällen, in denen der Geschäftsherr nach außen gegenüber dem Dritten eine Erklärung über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters abgibt. Die Unterscheidung zwischen Weisungen, die das Grundverhältnis betreffen und solchen, die unmittelbar die Vollmacht beschränken, ist hingegen aus der Sicht des Dritten irrelevant. 3. Erlöschen Die Innenvollmacht erlischt gemäß § 168 S. 1 BGB im Regelfall mit dem Fortfall des Grundverhältnisses417. Damit ist die reine Innenvollmacht hinsichtlich ihres Erlöschens im Grundsatz nicht abstrakt ausgestaltet. Vielmehr kommt in § 168 BGB das Mittel-Zweck-Verhältnis zwischen Vollmacht und Grundgeschäft zum Tragen. Der Gesetzgeber hat insofern hinsichtlich der reinen Innenvollmacht den vermuteten Parteiwillen kodifiziert. Ein Gleichlauf zwischen Vollmacht und Grundgeschäft wird damit auch hergestellt für die Fälle des Todes einer der beiden Parteien der Bevollmächtigung. Verstirbt der Bevollmächtigte, erlöschen Vollmacht und Grundgeschäft, §§ 673 S. 1, 675, 168 S. 1 BGB; verstirbt der Geschäftsherr, bestehen Vollmacht und Grundgeschäft im Zweifel fort, §§ 672 S. 1, 168 S. 1 BGB. Das gleiche gilt für den Verlust der Geschäftsfähigkeit auf Seiten des Geschäftsherrn. Fällt der Geschäftsherr in die Insolvenz, erlöschen sowohl der Auftrag als auch die Vollmacht, sofern sie sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen, §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1 InsO. Von diesem Gleichlauf geht auch § 169 BGB aus. Die Vorschrift setzt voraus, dass bei Erlöschen des Auftrags, bei Beendigung des Geschäftsbesorgungsvertrags sowie bei der Auflösung der Gesellschaft mit dem Wegfall der Handlungsbefugnis auch die Vollmacht erlischt418. Die Vorschrift hat zwei 417  Siehe

hierzu bereits oben in Kapitel 2 unter B. II. 4. c). Partizipation der Vollmacht an der das Grundverhältnis betreffenden Fortbestehensfiktion der §§ 674 und 729 BGB kann sich dabei richtigerweise nur aus § 168 S. 1 BGB ergeben. Die Formulierung des § 169 BGB spricht damit dafür, dass in der Vorstellung des historischen Gesetzgebers aus § 168 S. 1 BGB folgt, dass die Regelungen über das Grundverhältnis hinsichtlich des Erlöschens auch auf die Vollmacht Anwendung finden. Entsprechend sah § 119 des ersten Entwurfs noch vor, dass für das Erlöschen der Vollmacht die Vorschriften über das Erlöschen des Auftrags gelten, siehe bei Jakobs/Schubert, Beratung, S. 899. 418  Die



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips117

Funktionen: Zum einen stellt sie klar, dass die Vollmacht an der Fortbestehensfiktion des Grundverhältnisses partizipiert und schützt damit den Bevollmächtigten, der von dem Erlöschen des Grundverhältnisses (noch) keine Kenntnis erlangt hat419. Denn andernfalls würde er aufgrund des Wegfalls seiner Vollmacht mit dem Ende des Grundverhältnisses als falsus procurator auftreten und sich damit dem Haftungsrisiko des § 179 BGB aussetzen. Zum anderen schränkt § 169 BGB diesen Schutz auf das erforderliche Maß ein: Denn wenn der Dritte das Erlöschen der Vollmacht kannte oder kennen musste, ist die Haftung des Vertreters ausgeschlossen, § 179 Abs. 3 S. 1 BGB. Der gutgläubige Dritte, der das Erlöschen des Grundverhältnisses und damit auch der Vollmacht nicht kennt, wird mithin durch § 169 BGB ebenfalls geschützt, wenngleich es sich hierbei lediglich um eine Reflexwirkung des Vertreterschutzes handelt. Die Regelung des § 169 BGB zum Schutz des Vertreters bei Wegfall der Vollmacht infolge des Erlöschens des Grundverhältnisses wäre indes nicht erforderlich gewesen, hätte der Gesetzgeber von der Regelung des § 168 BGB abgesehen und die Vollmacht umfassend abstrakt ausgestaltet. Denn bei einer konsequenten Geltung des Abstraktionsprinzips bliebe die Vollmacht von einem Wegfall des Grundverhältnisses ja gerade unberührt, sie bliebe mithin bestehen. Aufgrund der Vorschrift des § 168 BGB gilt in der Regel jedoch, dass die Vollmacht in ihrer Dauer durch das Grundverhältnis begrenzt wird. Lediglich ausnahmsweise besteht die Vollmacht trotz Wegfalls des Grundverhältnisses fort und zwar dann, wenn der Vollmachtgeber einen entsprechenden Willen zum Ausdruck gebracht hat. In diesen Fällen wird der Vollmacht regelmäßig ein neues Grundverhältnis (dem erloschenen Auftrag folgt ein neuer Auftrag) oder ein Eventualauftrag (die Vollmacht wird für den Fall eines für möglich gehaltenen, aber noch nicht erteilten zukünftigen Auftrags aufrecht erhalten) zugrunde liegen. Darüber hinaus kann der Geschäftsherr die Vollmacht auch bei Fortbestehen des Grundverhältnisses zum Erlöschen bringen. Zum einen hat er jederzeit die Möglichkeit, die Vollmacht zu widerrufen, sofern sich nicht aus dem Grundverhältnis ein anderes ergibt, § 168 S. 2 BGB. Zum anderen kann das Erlöschen der Vollmacht aus dem Inhalt der Bevollmächtigungserklärung selbst folgen, so zum Beispiel, wenn der Geschäftsherr die Vollmacht auflösend bedingt erteilt oder sie befristet420. 419  Frotz, Verkehrsschutz, S. 332; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 48 Rn. 19; BGB-RGRK/Steffen, § 169. 420  Palandt/Ellenberger, § 168 Rn. 1; Flume, Rechtsgeschäft, § 51 1, S. 845; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1261; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 29; Leipold, BGB I, § 24 Rn. 23; Soergel/Leptien, § 168 Rn. 1; Staudinger/Schilken, § 168 Rn. 2;

118 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Daraus ergibt sich folgendes Verhältnis für Innenvollmacht und Grundverhältnis im Hinblick auf das Erlöschen: Der Bestand des Grundverhältnisses ist grundsätzlich nicht an das Fortbestehen der Vollmacht gebunden. Erlischt diese z. B. durch Widerruf, bleibt das Grundverhältnis hiervon unberührt421. Umgekehrt ist aber das Bestehen der Vollmacht an den Bestand des Grundverhältnisses gekoppelt. Ein Fortbestehen der Vollmacht trotz Erlöschens des Grundverhältnisses ist nur ausnahmsweise anzunehmen. Angesichts der Abhängigkeit der Innenvollmacht von dem Grundverhältnis in ihrem Erlöschen erscheint eine Unabhängigkeit der Innenvollmacht in ihrer Entstehung und Wirksamkeit erst recht als fraglich. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Innenvollmacht bei Nichtentstehen des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses als wirksam erteilt gelten soll, wenn sie bei einer Beendigung des Grundverhältnisses hingegen erlischt. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich den Fall einer wirksamen Anfechtung des Grundverhältnisses vor Augen führt. Eine solche Anfechtung wirkt gemäß § 142 Abs. 1 BGB grundsätzlich ex tunc; das angefochtene Rechtsverhältnis gilt also als von Anfang an unwirksam. In den Rechtsfolgen ist die Anfechtung damit einem unmittelbar zur Nichtigkeit führenden Mangel gleichgestellt. Dennoch wird verbreitet angenommen, dass im Fall der Anfechtung des Grundverhältnisses die Vollmacht gemäß § 168 S. 1 BGB ebenfalls erlischt422. Hierfür mag ausschlaggebend sein, dass der Vollmacht, insbesondere im Handelsrecht, regelmäßig ein Dienstverhältnis zugrunde liegt. Nach der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsvertrag wirkt die Anfechtung entgegen der Regelung des § 142 Abs. 1 BGB dann lediglich ex nunc, sofern das Dienstverhältnis bereits in Vollzug gesetzt wurde423. Die Situation gleicht damit der einer Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist und damit einem klassischen Erlöschensgrund. Die Anwendung von § 168 S. 1 BGB auf die Vollmacht des Arbeitnehmers bei Anfechtung des Arbeitsvertrags vermag trotz dieser augenscheinlichen Parallele zu einer Kündigung indes nicht zu überzeugen. Denn der Grund für die Abweichung von § 142 Abs. 1 BGB bei der Anfechtung von Arbeitsverträgen liegt in den Schwierigkeiten der Rückabwicklung eines vollzogenen ArbeitsMünchener Kommentar BGB/Schubert, § 168 Rn. 31; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 49. 421  Allerdings ist die Widerrufserklärung des Geschäftsherrn sorgfältig dahin gehend auszulegen, ob er damit nur die Vollmacht oder nicht auch den Auftrag widerrufen hat. 422  Palandt/Ellenberger, § 168 Rn. 2; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1262 und Rn. 1278 ff.; Großkommentar HGB/Joost, § 52 Rn. 29; Koller/Kindler/Roth/Morck/ Roth, § 52 Rn. 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber, § 52 Rn. 15. Jedenfalls für die bei Dauerschuldverhältnissen nur ex nunc wirkende Anfechtung: Staudinger/ Schilken, § 168 Rn. 3; Münchener Kommentar/Schramm, § 168 Rn. 11. 423  Junker, Arbeitsrecht, Rn. 197; Erfurter Kommentar/Preis, § 611 BGB Rn. 367.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips119

verhältnisses begründet und betrifft damit nur das Innenverhältnis der Parteien des Arbeitsvertrags, nicht aber auch das Außenverhältnis zu Dritten424. Konsequenterweise müsste also auch im Fall der Anfechtung eines Arbeitsvertrags die Vollmacht weiterhin der ex-tunc-Wirkung nach § 142 Abs. 1 BGB unterworfen werden. Es bleibt damit bei der ursprünglichen Diskrepanz, dass – subsumiert man die Anfechtung des Grundverhältnisses unter § 168 S. 1 BGB – die Vollmacht zusammen mit dem Auftrag ex tunc erlischt, während die Vollmacht bei einem anderen Mangel des Grundverhältnisses, der diesem ebenfalls von Anfang an anhaftet, aber nicht zur Anfechtbarkeit, sondern unmittelbar zur Nichtigkeit des Grundverhältnisses führt, trotzdem wirksam entstehen soll. Angesichts der Regelung des § 168 S. 1 BGB, wonach die Vollmacht in ihrem Erlöschen von dem Grundverhältnis abhängt, führt die These von der Abstraktheit der Innenvollmacht in ihrer Entstehung und Wirksamkeit mithin zu Widersprüchen. 4. Änderung der Interessenlage: Die zeitliche Dimension der Abstraktheit Die Abstraktheit der Vollmacht wird nach der herkömmlichen Dogmatik relevant in Fällen, in denen sich die Pflichtbindung des Vertreters im Innenverhältnis zu dem Geschäftsherrn vor Ausübung des Vertretergeschäfts ändert. Das betrifft insbesondere auch die reine Innenvollmacht, bei der nach dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung die Abstraktheit keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielt. Geht man von der Vollmacht als abstrakter Legitimation aus, hat eine Änderung im Innenverhältnis keine Auswirkung auf das Außenverhältnis; die Vollmacht bleibt in ihrem ursprünglichen Umfang unangetastet. Das kann zu unerwünschten Ergebnissen führen, wenn sich die Interessen des Geschäftsherrn nach Erteilung der Vollmacht aber vor Abschluss des Vertretergeschäfts für den Stellvertreter erkennbar derart ändern, dass die Ausübung der Vollmacht nicht mehr im Sinne des Geschäftsherrn ist. Ein auch für die Praxis relevanter Fall, in dessen Zusammenhang die Folgen einer Änderung der Pflichtbindung im Innenverhältnis diskutiert werden, ist die transmortale Vollmacht: Eine Vollmacht kann auch für den Zeitraum nach dem Tod des Vollmachtgebers erteilt werden. Hierbei wird unterschieden zwischen der postmortalen Vollmacht, die erst nach dem Todesfall wirksam wird, sowie der transmortalen Vollmacht, die über den Todesfall hinaus bestehen bleibt425. Eine solche Vollmacht kann unterschiedlichen Zwecken dienen: Zum einen geht es häufig 424  Großkommentar

HGB/Joost, § 52 Rn. 29. BGB/Müller-Christmann, § 1922 Rn. 63; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 168 Rn. 39. 425  BeckOK

120 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

um die Sicherstellung der Verwaltung der Erbmasse unabhängig von der oft mehrere Monate in Anspruch nehmenden Erteilung eines Erbscheins426. Zum anderen kann aber auch der Versorgungsaspekt im Vordergrund stehen, wenn mittels der Vollmacht eine Person begünstigt werden soll, ohne dass diese durch eine letztwillige Verfügung als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedacht wird427. Mit dem Tod des Vollmachtgebers erhält der Bevollmächtigte also Vertretungsmacht oder aber seine bereits zuvor bestehende Vertretungsmacht bleibt erhalten. An die Stelle des Vollmachtgebers und Erblassers tritt jedoch dessen Erbe und ist damit fortan der Vertretene428. Umstritten ist, gegenüber wem, dem Erben oder dem Erblasser, der Bevollmächtigte nach dem Erbfall im Innenverhältnis verpflichtet ist und wessen Wille und Interessen er demnach bei Ausübung der Vollmacht zu berücksichtigen hat429. Die Frage wird dann relevant, wenn das ausgeführte Vertretergeschäft zwar dem Willen des ursprünglichen Vollmachtgebers und Erblassers entspricht, aber offensichtlich den Interessen und dem mutmaßlichen Willen des Erben zuwiderläuft, weil hierdurch die Erbmasse geschmälert wird430. Ist die Vollmacht nicht ausnahmsweise unwiderruflich erteilt worden, steht dem Erben nach dem Tod des Vollmachtgebers gemäß § 168 S. 2 BGB das Recht zu, die Vollmacht zu widerrufen. Ebenso kann er einen im Innenverhältnis bestehenden Auftrag jederzeit widerrufen mit der Folge, dass auch die Vollmacht erlischt, §§ 1922 Abs. 1, 671 Abs. 1, 168 S. 1 BGB. Außerdem hat der Erbe die Möglichkeit, Vollmacht und Auftrag ihrem Umfang nach zu beschränken oder abzuändern. Schließt der Bevollmächtigte entgegen dem Widerruf oder der Änderung dennoch unter Berufung auf seine ursprüngliche Vollmacht ein Vertretergeschäft im Namen des Erben ab, handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht mit den Folgen der §§ 177 ff. BGB. Hat der Erbe die Vollmacht bei Ausführung des Vertretergeschäfts hingegen noch nicht widerrufen, z. B. weil er von der Vollmacht (noch) keine Kenntnis hatte, ist aber angesichts der objektiven Interessenlage von einem Widerruf im Fall der Kenntniserlangung auszugehen, stellt sich die Frage, ob der Bevollmächtigte den Erben dennoch wirksam vertreten kann. Einer An426  Münchener

Kommentar BGB/Schubert, § 168 Rn. 39. in dem Fall, der dem Urteil des BGH, NJW 1995, 953, zugrunde liegt. Siehe zu beiden Aspekten auch Muscheler, JZ 2009, S. 1075, der zwischen Erfüllungsvollmachten, Verwaltungsvollmachten und Zuwendungsvollmachten unterscheidet. 428  Die Vertretungsmacht für den Erben ist freilich auf den Nachlass beschränkt. 429  Siehe hierzu bereits die Nachweise in Fn. 371. 430  Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung BGH, NJW 1995, 953. Hier hatte der spätere Erblasser vor seinem Tod einem Dritten den Auftrag und die Vollmacht erteilt, nach seinem Tod seiner Lebensgefährtin (?) einen bestimmten Vermögenswert aus der Erbmasse und damit zu Lasten des Erben zuzuwenden. 427  So



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips121

sicht nach besteht nach dem Tod des ursprünglichen Vollmachtgebers und Erblassers eine Pflichtbindung des Bevollmächtigten gegenüber dem Erben mit der Folge, dass im Fall einer Evidenz des entgegenstehenden Willens des Erben ein Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht vorliegt431. Dagegen soll nach der Gegenansicht bis zum Widerruf der Vollmacht durch den Erben der Wille des Erblassers dem Willen und den Interessen des Erben vorgehen432. Jedenfalls dann, wenn dem erklärten Willen des Erblassers mittels Auslegung die Unbeachtlichkeit des Erbenwillens entnommen werden könne, sei der Erblasserwille für den Bevollmächtigten verbindlich433. Der erstgenannten Ansicht ist dabei zugute zu halten, dass sie konsequent die im Innenverhältnis bestehende Pflichtbindung und die Wirkung des Vertretergeschäfts in der Person des Erben berücksichtigt. Der Erbe ist mit Eintritt des Erbfalls nicht nur „dominus negotii“434 des Vertretergeschäfts, da er es ist, der nach § 164 Abs. 1 BGB unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Er ist im Wege der Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB auch in das der Vollmacht zugrunde liegende Vertragsverhältnis als Partei eingetreten. Im Innenverhältnis besteht mithin eine Pflichtbindung des Stellvertreters gegenüber dem Erben. Aus diesem ist der Vertreter dazu verpflichtet, auf die Interessen des Erben als Geschäftsherrn Rücksicht zu nehmen. Ist der Stellvertreter jedoch bereits von dem Erblasser dazu bevollmächtigt worden, ein zu Lasten des Erben gehendes und dessen Interesse widersprechendes Rechtsgeschäft abzuschließen und soll diese Vollmacht auch nach dem Tod des Erblassers noch Gültigkeit beanspruchen, so fallen Vollmacht und Pflichtbindung aus dem Grundgeschäft mit Eintritt des Erbfalls auseinander. Führt der Vertreter das Geschäft dennoch aus, stellt sich mithin die Frage, ob diesem nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht die Anerkennung zu versagen ist. Wird ein Missbrauch bejaht, wird damit die Verwirklichung des Willen des Erblassers in den Fällen verhindert, in denen der Sinn und Zweck der Vollmacht gerade darin besteht, aus der Erbmasse zu Lasten des Erben einem Dritten einen Vermögenswert zuzuwenden. Dies mag der Grund dafür sein, warum die Gegenansicht daran festhalten möchte, auch nach dem Eintritt des Erbfalls den Erblasserwillen für maßgeblich zu erachten. Allerdings 431  Flume, Rechtsgeschäft, § 51 5, S. 849 f.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, § 16 Rn. 399; Schultz, NJW 1995, S. 3345, 3346; ähnlich Müller-Freienfels, Vertretung, S. 320. 432  BGHZ 127, 239, 244 f.; BGH, JZ 2009, 1073, 1074 mit Anmerkung Muscheler; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1269; Soergel/Leptien, § 168 Rn. 31. Bamberger/ Roth/Valenthin, § 168 Rn. 12 sieht den Erblasserwillen als maßgeblich an, wenn die Auslegung des Grundgeschäfts dies ergebe, was insbesondere bei der postmortalen Vollmacht der Fall sein soll. 433  Erman/G.Maier-Reimer, §  167 Rn. 67; Staudinger/Schilken, § 168 Rn. 32a; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 168 Rn. 58. 434  Flume, Rechtsgeschäft, § 51 5, S. 848.

122 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

wird damit der Wechsel der Pflichtbindung im Innenverhältnis auf den Erben missachtet sowie einer Umgehung der erbrechtlichen Formvorschriften Tür und Tor geöffnet. Die mangelnde Verwirklichung des Erblasserwillens durch die erstgenannte Ansicht wiegt zudem nicht schwer, da dem Erblasser mit den Instrumenten des Erbrechts sowie der Schenkung unter Lebenden ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um eine wirksame und von dem Willen des Erben unabhängige Zuwendung zu tätigen. Beide Ansichten gehen indes davon aus, dass die Vollmacht auch mit dem Wechsel in der Person des Vertretenen unangetastet bleibt. Dieser Wechsel ist aber nur ein besonders drastischer Fall einer Änderung der Interessen des Geschäftsherrn nach Erteilung der Vollmacht und vor Abschluss des Vertretergeschäfts. Die Vollmacht ist danach nicht nur in dem Moment ihrer Entstehung von dem Grundverhältnis unabhängig, sondern nimmt auch im weiteren Verlauf ihrer Existenz nicht an möglichen Änderungen der Interessenlage des Geschäftsherrn teil. Dieser hat zwar jederzeit die Möglichkeit, die Vollmacht zu widerrufen, womit auch der Teilwiderruf oder eine Änderung der Vollmacht erfasst sind. So lange aber ein solcher Widerruf nicht erklärt wird, besteht die Vollmacht unverändert fort. Die Abstraktheit der Vollmacht erhält damit auch eine zeitliche Dimension. Diese zeitliche Dimension der Abstraktheit wirkt sich, wie am Beispiel der transmortalen Vollmacht gezeigt werden konnte, auch bei der reinen Innenvollmacht aus. Allerdings entfaltet die Abstraktheit hier nicht nur eine verkehrschützende Funktion. Vielmehr steht ganz offensichtlich der Schutz des Vertreters im Vordergrund, welcher vor einer Haftung als falsus procurator aus § 179 BGB gerade in den Fällen bewahrt werden soll, in denen er die Änderung der Interessen des Geschäftsherrn, oder noch drastischer: den Wechsel in der Person des Geschäftsherrn, bei Abschluss des Vertretergeschäfts nicht kannte und auch nicht kennen musste. 5. Die Kundgabe der Innenvollmacht Eine Innenvollmacht gilt als kundgegeben, wenn der Dritte durch einen Kundgabeakt seitens des Geschäftsherrn von der Vollmacht Kenntnis erlangt hat. Das BGB kennt drei Arten der Kundgabe: die besondere Mitteilung, § 171 Abs. 1 Alt. 1, die öffentliche Bekanntmachung, § 171 Abs. 1 Alt. 2, und die Vollmachtsurkunde, § 172 Abs. 1. In allen drei Fällen muss die Kundgabe auf den Geschäftsherrn zurückführbar sein; die Kundgabe durch einen Vertreter oder einen Boten reicht jedoch aus, so lange es nicht der Bevollmächtigte selbst ist, der die Bevollmächtigung „kundgibt“435. Die be435  NK-BGB/Ackermann, § 171 Rn. 3; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 171 Rn. 8.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips123

sondere Mitteilung an den Dritten im Sinne von § 171 Abs. 1 BGB ist zudem an den Dritten zu richten und muss diesem zugehen436. Wird die Vollmacht mittels einer Urkunde kundgegeben, muss der Geschäftsherr die Urkunde seinem Vertreter zum Zwecke des Einsatzes übergeben437 und dieser die Urkunde dem Dritten vor Abschluss des Vertretergeschäfts vorlegen, § 172 Abs.  1 a. E. Die Kundgabeerklärung im Außenverhältnis zu dem Dritten ist von der Innenvollmacht im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter zu unterscheiden. Mit der Kundgabe tritt zu dem „Zweigespann“ Vollmacht und Auftrag mithin ein drittes Element hinzu. Besteht die Innenvollmacht bei Vornahme des Vertretergeschäfts in dem hierfür erforderlichen Umfang, bleibt die Kundgabe ohne Relevanz. Das gilt insbesondere auch für die Fälle, in denen das Grundverhältnis mangelbehaftet ist, der Mangel jedoch aufgrund des Abstraktionsprinzips nicht auf die Bevollmächtigung durchschlägt. Handelt der Vertreter jedoch, ohne hierzu wirksam bevollmächtigt worden zu sein, kommt die Vollmachtskundgabe zum Tragen. Nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB ist der Vertreter gegenüber dem Dritten allein aufgrund der Kundgabe zur Vertretung berechtigt. Erlischt die Innenvollmacht z. B. durch Widerruf, bleibt er gegenüber dem Dritten bis zum actus contrarius der Kundgabe zur Vertretung des Geschäftsherrn befugt, §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB, vorausgesetzt, der Dritte ist hinsichtlich der Vertretungsmacht gutgläubig, § 173 BGB. Neben die Abstraktheit der Vollmacht tritt damit ein zusätzliches Schutzinstrument zugunsten des Dritten, der Gutglaubensschutz. 6. Fazit: Die Abstraktheit als Ausnahme Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die reine Innenvollmacht in ihrer Entstehung, ihrem Umfang und ihrem Erlöschen eng mit dem Grundverhältnis verknüpft ist. Die Abstraktheit der Vollmacht besteht „auf dem Papier“, wird jedoch in zahlreichen Fällen durchbrochen. Der so erzielte Rechtszustand weicht nur geringfügig von dem Zustand ab, der bei Abhängigkeit der Vollmacht bestünde. Der Gleichlauf von Vollmacht und Grundverhältnis ist bei der reinen Innenvollmacht also auch auf dem Boden des Abstraktionsprinzips die Regel, das Auseinanderfallen die Ausnahme. Der Grundsatz der Abstraktheit entfaltet damit für die reine Innenvollmacht nur in wenigen Fällen Bedeutung. Angesichts der klaren gesetzlichen Regelung des § 168 S. 1 BGB führt die Lehre von der Abstraktheit der Vollmacht zudem zu Widersprüchen. Denn es ist nicht erklärbar, warum die reine Innen436  NK-BGB/Ackermann, 437  BGH,

§ 171 Rn. 3; Staudinger/Schilken, § 171 Rn. 4. NJW 1975, 2101, 2102; OLG Karlsruhe, ZIP 2005, 1633, 1634.

124 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

vollmacht im Fall einer Anfechtung des Grundverhältnisses erlischt, bei einem unmittelbar zur Nichtigkeit führenden Mangel des Grundverhältnisses jedoch wirksam bestehen soll, obwohl beide Mängel dem Grundverhältnis von Anfang an anhaften. Darüber hinaus vermag die mit der Abstraktheit zusammenhängende Unterscheidung zwischen internen Weisungen die Vollmacht betreffend und solchen, die lediglich den Auftrag einschränken, nicht zu überzeugen und geht an der eigentlichen Problematik interner „geheimer“ Weisungen vorbei. Für eine abhängige Vollmacht streitet hingegen der Wille des Vollmachtgebers als demjenigen, der aus dem durch den Bevollmächtigten abgeschlossenen Rechtsgeschäft verpflichtet wird. Den Willen dessen, der durch eine Willenserklärung rechtlich gebunden wird zu übergehen, bedeutet, unwillentliche Vermögensaufstockungen zuzulassen. Solche bedürfen in einem von dem Gedanken der Privatautonomie getragenen Privatrechtssystem jedoch stets besonderer Rechtfertigung438. Ein mögliches Interesse des Geschäftsherrn selbst an der Erteilung überschießender Vertretungsmacht kann die Abstraktion zwischen Vollmacht und Grundverhältnis jedenfalls nicht rechtfertigen. Der Verkehrsschutz und der dadurch vermittelte Schutz des Dritten erscheinen – bezogen auf die reine Innenvollmacht – ebenfalls nicht als ausreichende Begründung. Denn der Geschäftsherr gibt hier keinerlei Erklärungszeichen nach außen ab, das auf eine Bevollmächtigung hindeuten könnte und an dem er sich von dem Dritten festhalten lassen müsste. Der Dritte verlässt sich vielmehr allein auf die Behauptung des Stellvertreters, er handele mit Vertretungsmacht. Zudem ist der durch die Abstraktheit vermittelte Schutz des Dritten bei der reinen Innenvollmacht nicht vollständig. Das Risiko eines Scheiterns des Vertretergeschäfts wegen Mängeln aus dem Innenverhältnis verbleibt, wenn diese die Bevollmächtigung selbst betreffen.

II. Die Außenvollmacht 1. Das Verhältnis zu dem Grundgeschäft Die Außenvollmacht ist nach herrschender Meinung von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter abstrakt439. Die Abstraktheit der Außenvollmacht wird auch von denjeni438  Lobinger,

Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 92 ff. und S. 123 ff. Allgemeiner Teil, Rn. 1487; Brox/Walker, Allgemeiner Teil, Rn. 551; Palandt/Ellenberger, § 167 Rn. 4; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 25 f.; Larenz/ Wolf, § 47 Rn. 4 f.; Leipold, BGB I, § 24 Rn. 16; Soergel/Leptien, vor § 164 Rn. 39; Staudinger/Martinek, Vorbem. zu §§ 662 ff. Rn. 36 f.; Staudinger/Schilken, Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 33. Für die bürgerlich-rechtliche Vollmacht allgemein und die Pro439  Bork,



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips125

gen Autoren befürwortet, die diese für die reine Innenvollmacht anzweifeln440. Auch die für die reine Innenvollmacht vielfach befürworteten Durchbrechungen der Abstraktheit werden für die Außenvollmacht überwiegend abgelehnt441. a) Entstehung Die Außenvollmacht entsteht durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Geschäftsherrn an den Dritten, § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Die Bevollmächtigungserklärung richtet sich mithin an einen anderen Adressaten als bei der Innenvollmacht, was wiederum Auswirkungen auf die Auslegung der Erklärung hat. Wie die Innenvollmacht kann auch die Außenvollmacht befristet oder bedingt erteilt werden; aufgrund des anderen Erklärungsadressaten kann die Außenbevollmächtigung aber nicht konkludent in dem Angebot auf Abschluss eines Auftrags enthalten sein. Entsprechend kommt auch die Bedingung der Bevollmächtigung auf die Annahme des Auftragsangebots bei der Außenvollmacht nicht in Betracht. b) Wirksamkeit Die Wirksamkeit der Bevollmächtigung nach außen hängt allein davon ab, ob die Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten nach den allgemeinen Regeln über Willenserklärungen Gültigkeit erlangt. Mängel des Grundverhältnisses schlagen nach dem Abstraktionsprinzip nicht auf die Bevollmächtigung durch. Das Vorliegen desselben Mangels bei beiden Rechtsgeschäften im Sinne einer Fehleridentität ist möglich, wenn auch wohl eher selten. Dagegen scheidet eine Anwendung von § 139 BGB auf das Grundgeschäft und die Bevollmächtigung nach außen von vornherein aus, da beide Rechtsgeschäfte zwischen unterschiedlichen Parteien geschlossen werden442.

zessvollmacht im Speziellen auch: OLG Hamm, NJW 1992, 1174, 1175. Anders aber in jüngerer Zeit Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81, 88 ff., der die Vollmacht als Bestandteil des Grundverhältnisses ansieht. 440  Flume, Rechtsgeschäft, § 50 1, S. 841 ff.; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 949. 441  Staudinger/Schilken, Vorbem zu §§ 164  ff. Rn. 33; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 164 Rn. 97. 442  Flume, Rechtsgeschäft, § 32 2 a), S. 572; Frotz, Verkehrsschutz, S. 334; a. A. BGH, NJW 1976, 1931, 1932; BGH, BB 1990, 733, 734.

126 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

c) Umfang Wie bei der Innenvollmacht bestimmt sich auch bei der nach außen erklärten Vollmacht der Umfang der Vertretungsmacht nach der Erklärung des Geschäftsherrn. Maßgeblich ist damit dessen Wille, so wie er für den Dritten als Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gekommen ist, §§ 133, 157 BGB. Im Unterschied zu der Bevollmächtigung im Innenverhältnis hat der Erklärungsempfänger hier aber in aller Regel keine oder nur eingeschränkte Kenntnis von dem Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter, das der Bevollmächtigung zugrunde liegt. Nur soweit eine solche Kenntnis vorhanden ist, fließt das Grundverhältnis in den Empfängerhorizont mit ein und ist entsprechend bei der Auslegung der Bevollmächtigungserklärung zu berücksichtigen443. Ändert der Geschäftsherr nachträglich den Umfang der Vollmacht oder des Auftrags durch einschränkende Weisungen gegenüber seinem Vertreter, hat dies unterschiedliche Auswirkungen im Außenverhältnis: Aufgrund des Abstraktionsprinzips sind Einschränkungen des Auftrags gegenüber dem Dritten ohne Folgen, während es bei Begrenzungen der Vollmacht gemäß §§ 170, 173 BGB analog maßgeblich darauf ankommt, ob der Dritte hinsichtlich des Umfangs der Vertretungsmacht gutoder bösgläubig ist. Ob diese Unterscheidung sinnvoll ist, darf indes angezweifelt werden. d) Erlöschen Die das Erlöschen der Vollmacht regelnde Vorschrift des § 168 BGB bezieht sich gleichermaßen auf die reine Innen- wie auf die Außenvollmacht. Die nach außen erklärte Vollmacht erlischt damit ebenfalls mit dem Grundverhältnis, § 168 S. 1 BGB. Darüber hinaus kann sie aber auch unabhängig von dem Grundverhältnis widerrufen werden, § 168 S. 2 BGB, sowie bereits nach dem Inhalt der Bevollmächtigungserklärung selbst, z. B. aufgrund einer auflösenden Bedingung oder einer Befristung, erlöschen444. Der letztgenannte Fall ist dabei am wenigsten problematisch, da der Dritte als Adressat der Bevollmächtigungserklärung das Erlöschen der Vertretungsmacht wegen Zeitablaufs oder Bedingungseintritt kennt oder zumindest damit rechnen muss. Von dem Erlöschen der Vollmacht erlangt der Dritte auch dann unmittelbar Kenntnis, wenn der Geschäftsherr ihm gegenüber den Widerruf erklärt. Der Geschäftsherr kann den Widerruf der Außenvollmacht aber auch gegenüber dem Bevollmächtigten erklären, §§ 168 S. 3, 167 Abs. 1 BGB. 443  BGH,

NJW 1991, 3141. § 168 Rn. 3; Erman/G.Maier-Reimer, § 168 Rn. 2; Staudinger/Schilken, § 168 Rn. 2. 444  NK-BGB/Ackermann,



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips127

Die Vollmacht erlischt in diesem Fall, ohne dass der Dritte hiervon notwendig Kenntnis erlangen müsste. Das gleiche gilt, wenn das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter endet, z. B. durch Kündigung des Dienstverhältnisses, und damit auch die Vollmacht erlischt, § 168 S. 1 BGB. Die Vollmacht ist zwar im Außenverhältnis durch Erklärung gegenüber dem Dritten entstanden, ihr Erlöschen vollzieht sich in den beiden zuletzt genannten Fällen jedoch im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter. Die Diskrepanz ist offensichtlich. Sie beruht auf der Anerkennung der Außenvollmacht, welche – gleich der Innenvollmacht – mit dem zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter bestehenden Schuldverhältnis in einem Mittel-Zweck-Verhältnis stehen soll445. Damit wird einerseits die natürliche Einheit zwischen Vollmacht und Grundgeschäft aufgehoben446, auf der anderen Seite aber durch das Gesetz hinsichtlich des Erlöschens der Vollmacht wieder hergestellt. Aus Sicht des Dritten besteht mithin das Risiko, dass die ihm gegenüber erklärte Vollmacht ohne sein Wissen im Innenverhältnis erlischt. Soll die Außenvollmacht für den Rechtsverkehr überhaupt einen Mehrwert innehaben, muss der Dritte vor diesem Risiko geschützt werden. Dem trägt § 170 BGB Rechnung, der die Fortgeltung der Vollmacht bis zur Anzeige ihres Erlöschens durch den Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten anordnet. Allerdings schränkt § 173 BGB die Fortgeltungsanordnung des § 170 BGB auf den gutgläubigen Dritten ein. Hinsichtlich der Außenbevollmächtigung besteht damit das bereits angesprochene Nebeneinander von Abstraktion und Gutglaubensschutz: Ist das Grundverhältnis mangelhaft, schlägt der Mangel aufgrund der Abstraktheit nicht auf die Vollmacht durch; die Legitimation wird von der Berechtigung losgelöst. Ist hingegen die Vollmacht selbst nicht wirksam erklärt oder zwischenzeitlich widerrufen worden, so dass es von vornherein an der Legitimation fehlt, greifen zugunsten des gutgläubigen Dritten die §§ 170, 173 BGB (analog) ein. Dieses Nebeneinander von Abstraktion und Gutglaubensschutz führt hinsichtlich des Erlöschens der Außenvollmacht zu Ungereimtheiten447: Leidet das Grundverhältnis an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel, ist hiervon aufgrund des Abstraktionsprinzips die Außenvollmacht nicht betroffen und zwar unabhängig davon, ob der Mangel dem Dritten bekannt ist. Denn für Bösgläubigkeit im Sinne von § 173 BGB ist erforderlich, dass der Dritte den Mangel der Vertretungsmacht kennt; die Kenntnis von dem Mangel des Grundverhältnisses reicht – nach dem Abstraktionsprinzip konse445  Protokolle

I, S. 249 ff. (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 891). Verkehrsschutz, S. 262. 447  Hierauf weist bereits Wellspacher, Vertrauen, S. 82, hin; siehe hierzu auch Frotz, Verkehrsschutz, S.  334 ff. 446  Frotz,

128 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

quent – nicht aus448. Das gilt grundsätzlich auch hinsichtlich des Erlöschens der Vollmacht. Da jedoch § 168 S. 1 BGB den Fortbestand der Vollmacht an den des Grundverhältnisses knüpft, muss der Dritte in diesem Fall bei Kenntnis von dem Erlöschen des Grundverhältnisses als bösgläubig im Sinne von § 173 BGB gelten, da sich hieraus das Erlöschen der Vollmacht unmittelbar ergibt. Weiß der Dritte, dass das Grundverhältnis nicht entstanden ist, schadet ihm dies nach der herrschenden Dogmatik nicht. Ist ihm bei Abschluss des Vertretergeschäfts hingegen bekannt, dass das Grundverhältnis bereits erloschen ist, z. B. aufgrund einer Kündigung des zugrunde liegenden Dienstverhältnisses, gilt er als bösgläubig im Sinne von § 173 BGB, da mit dem Ende des Dienstverhältnisses auch die Vollmacht erlischt. 2. Kritik an dem herrschenden Konzept der Außenvollmacht Die Außenvollmacht, die nach § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB durch eine Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten entstehen soll, unterscheidet sich damit maßgeblich von der reinen Innenvollmacht. Insbesondere steht bei der nach außen erklärten Vollmacht der Drittschutz im Vordergrund. Dieser wird – wie bei der kundgegebenen Innenvollmacht – mittels eines Nebeneinanders von Abstraktion und Gutglaubensschutz hergestellt. Die Außenvollmacht wirft jedoch eine Reihe von Fragen auf: Bei unvoreingenommener Betrachtungsweise leuchtet es jedenfalls auf den ersten Blick nicht ein, warum der Geschäftherr seinen Stellvertreter bevollmächtigen kann, indem er gegenüber einem Dritten die Bevollmächtigungserklärung abgibt, ohne dass der zu Bevollmächtigende hiervon Kenntnis erlangen müsste. Zudem bestehen offensichtlich Parallelen zu der kundgegebenen Innenvollmacht, die die Frage provozieren, welche Funktion die Außenvollmacht im System des Stellvertretungsrechts erfüllt und ob sie neben den Kundgabetatbeständen überhaupt erforderlich ist. Das führt wiederum zu den Fragen, welche Erwägungen den historischen Gesetzgeber bewogen haben mögen, die Außenvollmacht in das Gesetz aufzunehmen und ob sich hieraus Möglichkeiten für eine Neuinterpretation dieses Rechtsinstituts ergeben. a) Die Außenvollmacht und der personenbezogene Vollmachtsbegriff des BGB Den §§ 164 ff. BGB liegt ein personenbezogenes Vollmachtsverständnis zugrunde449. Wie aus § 164 Abs. 1 BGB zu entnehmen ist, wird die Vertre448  BeckOK BGB/Schäfer, § 173 Rn. 5; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 173 Rn. 3. 449  Siehe oben in Kapitel 2 unter A. I.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips129

tungsmacht als eine Befähigung des Stellvertreters und zugleich als Grund für die Zurechnung seiner Willenserklärung an den Geschäftsherrn gedacht. Um als Bindeglied zwischen dem Willen des Geschäftsherrn und dessen rechtsgeschäftlicher Bindung durch das Vertretergeschäft dienen zu können, würde es ausreichen, dass der Geschäftsherr einen entsprechenden Bevollmächtigungswillen bildet. Um im Rechtsverkehr von Relevanz zu sein, muss dieser Wille jedoch geäußert werden. Da es sich bei der Bevollmächtigung um eine an eine bestimmte Person gebundene Befähigung handelt, würde der unbefangene juristische Laie davon ausgehen, dass diese Erklärung gegenüber demjenigen abzugeben ist, der befähigt werden soll. Als Adressat der Bevollmächtigungserklärung käme damit nur der zu Bevollmächtigende selbst in Betracht450. Denn wie sollte der Geschäftsherr seinem Vertreter eine bestimmte Befähigung verleihen, indem er sich an einen Dritten wendet? Es ist nur schwer vorstellbar, wie aus einer Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten eine Befähigung des zu Bevollmächtigenden erwachsen soll. Mit dem personenbezogenen Vollmachtsbegriff des § 164 Abs. 1 BGB passt die Außenvollmacht jedenfalls nicht zusammen451. Fallkonstellationen, in denen nach herkömmlicher Meinung Außenvollmacht erteilt wird, können zudem ungezwungen als Fälle kundgegebener Innenvollmacht interpretiert werden452. Hat der Geschäftsherr die Vollmacht bereits zuvor gegenüber seinem Stellvertreter erteilt, wird dies besonders deutlich. Denn gegenüber dem Dritten wird es dem Geschäftsherrn in einem solchen Fall primär darum gehen, diesen über die Bevollmächtigung zu informieren und ihm die Sicherheit zu verschaffen, mit einem Bevollmächtigten und nicht etwa mit einem falsus procurator zu kontrahieren. Dabei wird der Geschäftsherr in der Regel aber nicht danach differenzieren, ob er dem Dritten erklärt, er erteile seinem Stellvertreter Vollmacht, oder ob er vielmehr sagt, er habe diesem Vollmacht erteilt. In jedem Fall wird der Dritte unabhängig von dem genauen Wortlaut der Erklärung diese als Mitteilung über die Vollmachtserteilung auffassen453. Aber auch in den Fällen, in denen der Erklärung nach außen keine Bevollmächtigung nach innen vorausgegangen ist, lässt sich die Erklärung des Geschäftsherrn an den Dritten ungezwungen als Erteilung einer Innenvollmacht bei gleichzeitiger Kundgabe auslegen. Der 450  Macris, 451  Frotz,

Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 121. Verkehrsschutz, S. 260; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung,

S.  250 f. 452  Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 121  f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 15. Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1243 geht daher davon aus, dass eine Außenvollmacht praktisch nur dann in Betracht kommt, wenn die Erklärung an den Dritten der Bevollmächtigung im Innenverhältnis vorausgeht. 453  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 251; Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 122.

130 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Dritte wird in diesem Fall zum Boten des Geschäftsherrn, der dem Stellvertreter die Bevollmächtigung übermittelt454. Adressat der Bevollmächtigungserklärung ist damit immer der zu Bevollmächtigende, nie aber ein Dritter oder die Öffentlichkeit455. Historisch gesehen ist der Widerspruch zwischen dem in § 164 Abs. 1 BGB niedergelegten Vollmachtsbegriff und der Aufnahme der nach außen erklärten Bevollmächtigung in das Gesetz Ausdruck der während der Entstehung des BGB nach wie vor bestehenden Unsicherheit hinsichtlich der dogmatischen Einordnung und Ausdifferenzierung des Rechtsinstituts der direkten Stellvertretung sowie hinsichtlich des Wesens der Vollmacht456. Der 1. Entwurf kannte die Außenvollmacht noch nicht. Hier war lediglich von der Bevollmächtigung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden sowie der Kundgabe der Vollmacht an einen Dritten die Rede457. Dies entsprach wohl auch dem damaligen Meinungsstand in der Literatur458. Zwar wurde der Gedanke einer gegenüber dem Dritten erklärten Bevollmächtigung bereits formuliert459, jedoch waren die Befürworter einer solchen Außenvollmacht soweit ersichtlich noch in der Minderheit. Erst im Rahmen der Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamtes wurde die Regelung in den Entwurf eingefügt, dass die Erteilung der Vollmacht auch gegenüber dem Dritten erfolgen kann460. Man begründete dies im Wesentlichen mit der Einordnung der Bevollmächtigung als einseitiger, empfangsbedürftiger Willenserklärung. Allein hieraus folgt aber noch nicht zwingend, dass die Erklärung auch gegenüber dem Dritten abgegeben werden können muss. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass hinter der Aufnahme der Bevollmächtigungserklärung gegenüber dem Dritten in das Gesetz noch ein weiterer Gedanke steht: die Einordnung der Vollmachtserteilung als Zustimmungserklärung im Sinne der §§ 182 ff. BGB, die im Zusammenhang mit den Beratungen zum BGB von 454  Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 122; Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 15; so auch schon Dniestrzanski, Aufträge, S. 98. 455  So auch Bornemann, AcP 207 (2007), S. 102, 129. 456  Vgl. die umfassende Kritik von Schlossmann, Stellvertretung, S. 229 ff. sowie die Nachweise in Fn. 25. 457  Vgl. §§ 120, 121 E I, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung, S. 901 f. 458  Dernburg definiert die Vollmacht noch in der 5. Auflage seiner Pandekten von 1896 als „die dem Bevollmächtigten kundgethane Ermächtigung“, siehe dort S. 282; Hellmann, Stellvertretung, S. 113; Mitteis, Stellvertretung, S. 185 ff.; skeptisch gegenüber dem Vorschlag einer gegenüber dem dritten erteilten Vollmacht auch Bähr, KritVjschr. 30 (NF Bd. 11), S. 321, 341 und Brinz, Pandekten IV, § 582, S. 377 Fn. 23. 459  Zimmermann, Negotiorum Gestio, S. 89 Fn. 107 b. Bei Windscheid, Pandekten, findet die nach außen erklärte Vollmacht zum ersten Mal in der 6. Auflage von 1887 Erwähnung, siehe dort S. 212. 460  Protokolle RJA 90 (Jakobs/Schubert, Beratung, S. 916).



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips131

Zitelmann vertreten wurde461, sich aber bereits als nicht tragfähig erwiesen hat462. Den Motor der Diskussion über den richtigen Erklärungsadressaten der Vollmachtserteilung bildete damit die Debatte um das Wesen der Vollmacht. Hiermit eng verknüpft war die Auseinandersetzung über das Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft und auch diese hat den Gedanken der Außenvollmacht offensichtlich geprägt: Für Lenel, der die These vertrat, die Bevollmächtigung könne ausschließlich gegenüber dem Dritten erklärt werden, liegt hierin der eigentliche Grund für die Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter463. Lenels Ansicht konnte sich zwar nicht durchsetzen, sie zeigt aber stellvertretend für die gesamte Diskussion, dass die Anerkennung der Außenvollmacht eng mit dem Gedanken der Abstraktheit verknüpft ist und beides wiederum den Schutz des Rechtsverkehrs bezweckt. Der dahinter stehende Gedanke ist durchaus plausibel: Hat der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten eine Erklärung über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters abgegeben, ist der Dritte vor den Risiken, die aus dem Innenverhältnis für die Vertretungsmacht resultieren, zu schützen. Keine Einigkeit bestand offensichtlich hinsichtlich der Frage, ob die Vollmacht nur gegenüber dem Dritten kundgegeben oder auch gegenüber diesem erteilt, also zur Entstehung gebracht werden kann. In der Begründung der 2. Kommission, die – wenn auch bei Stimmengleichheit durch Stichentscheid des Vorsitzenden – für die Aufnahme der Vollmachtserteilung gegenüber dem Dritten in das Gesetz votierte464, wird der Unterschied zwischen beiden Fallgestaltungen hervorgehoben. Danach soll „ein erheblicher Unterschied zwischen dem Falle [bestehen], in welchem Jemand einem Dritten erkläre, dass er einen Anderen bevollmächtige, und dem Falle, in welchem lediglich die Kundgebung einer bereits ertheilten Vollmacht erfolge. In ersterem Falle handele es sich um einen Dispositivakt, auf den die Grundsätze über Willenserklärungen sich schlechthin erstreckten, während im letzteren Falle nur die Mittheilung einer in der Vergangenheit liegenden Thatsache in Frage stehe, welche zwar auch den Grundsätzen über Willensmängel zu unterstellen sei, im Übrigen aber so, wie sie erfolgt sei, als Bevollmächtigung zu gelten habe (…)“465. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion zur Zeit der Entstehung des BGB wurden beide vermeintlich unterschiedlichen Fälle jedoch vielfach einheitlich abgehandelt466, ein relevanter Unterschied gerade nicht konstatiert. Es stellt sich daher die Frage, ob 461  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 254 f. mit Verweis auf Zitelmann, Rechtsgeschäfte, S. 86 f. 462  Siehe hierzu oben in Kapitel 2 unter A. I. 463  Lenel, Jherings Jahrbücher 36 (1896), S. 1, 23 ff. 464  Protokolle I, S. 300 f. (Mugdan I, S. 740). 465  Protokolle I, S. 301 (Mugdan I, S. 740 f., Hervorhebungen im Original). 466  Vgl. bei Hupka, Vollmacht, S.  163 ff.

132 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

bei der Außenvollmacht im Gegensatz zu den Kundgabetatbeständen tatsächlich eine wesentlich andere Fallgestaltung vorliegt und ob die Außenvollmacht eine eigene Funktion einnimmt, die die von der 2. Kommission getroffene Differenzierung rechtfertigt. b) Die Funktion der Außenvollmacht im Stellvertretungsrecht Trotz der fehlenden Vereinbarkeit der Außenvollmacht mit dem personenbezogenen Vollmachtsbegriff des § 164 Abs. 1 BGB könnte damit an der Möglichkeit der Vollmachtserteilung gegenüber dem Dritten festzuhalten sein, wenn sie eine spezifische, für das Vertretungsrecht erforderliche Funktion erfüllt. Die Außenvollmacht in ihrer konkreten Ausgestaltung durch das Abstraktionsprinzip und den in §§ 170, 173 BGB normierten Gutglaubensschutz dient dem Schutz des Dritten und darüber vermittelt dem Schutz des Rechtsverkehrs. Sie betrifft damit eine der zentralen Frage des Stellvertretungsrechts, die Frage nach dem Verkehrsschutz. Um den erforderlichen Verkehrsschutz herzustellen, stehen verschiedene Wege offen467: Erstens kann die reine Innenvollmacht ganz abgelehnt werden468, zweitens kann die Vollmachtserteilung nach außen an den Dritten anerkannt werden und drittens können Schutzwirkungen an die Kundgabe der Innenvollmacht geknüpft werden469. Im BGB werden die zweite und die dritte Möglichkeit miteinander kombiniert. Der Dritte wird in beiden Fällen – der Außenvollmacht nach § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB und der kundgegebenen Innenvollmacht im Sinne der §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB – davor geschützt, dass die Vertretungsmacht mit Wirkung auch ihm gegenüber im Innenverhältnis erlischt oder beschränkt wird. Genauer gesagt sind ein solches Erlöschen und eine Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis weiterhin möglich, die Vertretungsmacht wird aber im Außenverhältnis als bestehend fingiert, bis der Dritte von dem Geschäftsherrn über die Änderung in Kenntnis gesetzt wird, §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB. Das Vertretergeschäft ist im Falle einer Erklärung der Vollmacht – ob im Sinne einer Außenvollmacht oder als Kundgabe – danach auch dann wirksam, wenn im Innenverhältnis zu keinem Zeitpunkt wirksam Vertretungsmacht erteilt wurde. Damit stellt sich indes die Frage, worin sich die Außenvollmacht von der Kundgabe der Innenvollmacht unterscheidet. Bereits die Abgrenzung, wann eine Außenvollmacht und wann eine Kundgabe vorliegt, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. In den allermeisten Fällen wird der Geschäftsherr die Vollmachtserteilung auch folgende Aufzählung geht zurück auf Frotz, Verkehrsschutz, S. 260. Jherings Jahrbücher 36 (1896), S. 1, 15 ff. 469  Vgl. Art. 33 OR Schweiz; siehe hierzu Basler Kommentar/Watter, Art. 33 OR Rn.  29 f. 467  Die

468  Lenel,



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips133

gegenüber dem zu Bevollmächtigenden vornehmen470. Eine Abgrenzung nach dem Wortlaut der Erklärung dahingehend, ob der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten erklärt, er habe einem anderen Vollmacht erteilt, oder er erteile diesem anderen Vollmacht, ist nicht weiterführend471. Denn in der Regel werden sich die Parteien als juristische Laien keines Unterschieds zwischen den beiden Varianten bewusst und die Wortwahl daher dem Zufall geschuldet sein. Die Unterscheidung danach durchzuführen, ob der Geschäftsherr seinem Stellvertreter bereits vor der Erklärung nach außen Vollmacht erteilt hat472, ist ebenfalls nicht tragfähig. Denn zum einen kann auch die Reihenfolge der Adressaten, an die sich der Geschäftsherr wendet, vom Zufall abhängen. Zum anderen wird dabei nicht berücksichtigt, dass der Geschäftsherr den Dritten auch als Boten einsetzen kann, der dem Stellvertreter die Bevollmächtigungserklärung überbringt473. Insbesondere aber ist die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Dritten in beiden Fällen gleich474. Jeweils hat er – sei es durch ausdrückliche Erklärung an ihn persönlich, sei es durch eine Erklärung an die Öffentlichkeit, sei es durch eine Vollmachtsurkunde – durch den Geschäftsherrn von der Bevollmächtigung erfahren und will sich hierauf verlassen dürfen. Insofern ist es nur folgerichtig, dass aus Sicht des Dritten die rechtlichen Folgen einer Außenvollmacht dieselben sind wie die einer Kundgabeerklärung: Besteht bei Abschluss des Vertretergeschäfts eine Innenvollmacht in dem erforderlichen Umfang, reicht dies aus, um den Vertretungserfolg herbeizuführen. Es kann dann dahinstehen, ob der Geschäftsherr über die Bevollmächtigung eine Erklärung nach außen abgegeben hat und in welcher Weise. Wurde die Innenvollmacht dagegen nicht wirksam erteilt oder war sie bei Abschluss des Vertretergeschäfts bereits erloschen oder hatte sie nicht den erforderlichen Umfang, dann kommt es für die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts – abgesehen von der Möglichkeit der Genehmigung – auf die Erklärung des Geschäftsherrn nach außen an. Sowohl § 170 BGB, der sich auf die so genannte Außenvollmacht bezieht, als auch §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB ordnen die Fortgeltung der Vertretungsmacht bis zum actus contrarius an. § 173 BGB schränkt die Fortgeltung für alle drei genannten Normen auf den gutgläubigen Dritten ein. Für beide Fälle, die so genannte Außenvollmacht wie die kundgegebene Innen470  So auch Hübner, Allgemeiner Teil, Rn.  1243; Münchener Kommentar/ Schramm, § 171 Rn. 8; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 15. 471  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 251; Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 122. 472  Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1243. 473  Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 122; Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 15. 474  Hierauf weist auch Hoffmann, JZ 2012, S. 1156, 1162 f. im Zusammenhang mit dem Verbraucherwiderruf der Vollmacht hin.

134 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

vollmacht, besteht Einigkeit, dass die §§ 170–173 BGB auch dann zur Anwendung gelangen, wenn der nach außen erklärte Umfang der Vertretungsmacht über den Umfang der intern erteilten Vollmacht hinausgeht475. Ein Unterschied soll hingegen darin bestehen, dass die Anwendbarkeit des § 170 BGB eine wirksame Außenvollmacht voraussetzt476, während §§ 171, 172 BGB auch dann Anwendung finden, wenn eine Vollmacht nicht oder nicht wirksam erteilt wurde477. Aber auch in diesem Umstand besteht nur vermeintlich ein Unterschied zwischen den beiden Fallgestaltungen. Denn auch das Eingreifen der §§ 171, 172 BGB setzt die Wirksamkeit einer Willenserklärung – der Kundgabeerklärung – im Sinne der §§ 104 ff. BGB voraus478. Sowohl für § 170 BGB als auch für die §§ 171, 172 BGB ist danach eine wirksame, nach außen gerichtete Erklärung des Geschäftsherrn erforderlich. Praktisch ist es also ohne jegliche Relevanz, ob die Fortgeltung der Vertretungsmacht auf einer Außenvollmacht nach § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB oder auf der Kundgabe einer Innenvollmacht beruht. Hier wird also „Wesensgleiches verschieden behandelt“479, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit besteht. Im Hinblick auf den Schutz des Rechtsverkehrs und den darüber vermittelten Schutz des Dritten ist die eigentlich relevante Unterscheidung die zwischen der Vollmachtserteilung im Innenverhältnis und der Erklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters nach außen. Diese Differenzierung spielt auch in den Privatrechtsordnungen anderer europäischer Länder eine maßgebliche Rolle im Recht der Stellvertretung. c) Die Außenvollmacht in anderen europäischen Privatrechtsordnungen Im Folgenden werden beispielhaft mit der Schweiz und Österreich zwei deutschsprachige Rechtsordnungen, mit Frankreich ein Vertreter der romani475  Palandt/Ellenberger, § 170 Rn. 2; BeckOK BGB/Schäfer, § 171 Rn. 3; Staudinger/Schilken, § 173 Rn. 6; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 171 Rn. 14. 476  Palandt/Ellenberger, §  170 Rn. 1; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 170 Rn. 7. 477  Palandt/Ellenberger, § 171 Rn. 1; BeckOK BGB/Schäfer, § 171 Rn. 3. 478  Dagegen qualifiziert die h. M. die Kundgabetatbestände als geschäftsähnliche Handlung, auf die jedoch die Vorschriften über die Willenserklärung analog anzuwenden seien: Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1524; Palandt/Ellenberger, § 171 Rn. 1; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 38; Erman/G.Maier-Reimer, § 171 Rn. 3; Merkt, AcP 204 (2004), S. 638, 657; Stadler, Allgemeiner Teil, § 30 Rn. 38 (Wissenserklärung); Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 171 Rn. 2 und 9; Bamberger/Roth/Valenthin, § 171 Rn. 6. Wie hier dagegen: NK-BGB/Ackermann, § 171 Rn. 1; Flume, Rechtsgeschäft, § 49 2 a, c, S. 823 ff.; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 245 ff. Differenzierend: Staudinger/Schilken, § 171 Rn. 3. 479  Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 110.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips135

schen Länder und mit Großbritannien ein Land des Common Law herangezogen480. aa) Schweiz Das schweizerische Obligationenrecht ordnet in Art. 33 III OR an, dass sich im Falle der Mitteilung der Ermächtigung (der Begriff der Ermächtigung ist hier gleichbedeutend mit dem Begriff der Vollmacht481) durch den Vollmachtgeber an einen Dritten der Umfang der Vollmacht dem Dritten gegenüber nach der Maßgabe der erfolgten Kundgebung beurteilt. Die Vorschrift wird ergänzend dahingehend ausgelegt, dass der Vertretene dem gutgläubigen Dritten die mangelnde Vertretungsmacht des Stellvertreters infolge der Kundgabe auch dann nicht entgegenhalten kann, wenn im Innenverhältnis zu keinem Zeitpunkt Vollmacht bestand482. Als weitere Folge der Mitteilung der Vollmacht durch den Geschäftsherrn an einen Dritten ordnet Art. 43 III OR an, dass dieser den Widerruf und eine Beschränkung der Vollmacht dem gutgläubigen Dritten nur entgegenhalten kann, wenn er ihm auch den Widerruf bzw. die Einschränkung mitgeteilt hat. An beiden Regelungen entspinnt sich ein Streit um die Rechtsfolge der Erklärung des Geschäftsherrn nach außen. Nach einer Ansicht entsteht durch die Kundgabe der Vollmacht kraft Rechtsgeschäfts Vertretungsmacht im Außenverhältnis zu dem Erklärungsadressaten483. Hiernach ist also die Erteilung einer Außenvollmacht nach schweizerischem Recht denkbar. Nach anderer Ansicht kann die Vollmacht immer nur in dem Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und zu Bevollmächti480  Die folgenden Ausführungen erheben nicht den Anspruch, eine umfassende und abschließende rechtsvergleichende Studie zur Außenvollmacht zu umfassen. Sie dienen allein dem Zweck, einen ersten Einblick in die Lösung der Problematik in unseren Nachbarrechtsordnungen zu geben. 481  Basler Kommentar/Watter, Art. 32 N 13. 482  BGE 120 II 197, 199; Basler Kommentar/Watter, Art. 33 OR, N 29; Berner Kommentar/Zäch, Art. 33 OR N 124. 483  Bucher, Obligationenrecht, § 33/III 1 b, S. 602; Seikel in: Hadding/Schneider, Vertretung, S. 140 m. w. N. Vgl. auch Schnurrenberger, Vollmacht und Grundverhältnis, S. 70 und S. 106 f., der zwischen der durch Rechtsgeschäft gegenüber dem zu Bevollmächtigenden begründeten internen Vollmacht und der durch Kundgabe geschaffenen externen, unabhängig von einer Vertretungsbefugnis bestehenden „blossen“ Vertretungsmacht unterscheidet. Bevollmächtigung und Mitteilung stehen danach als zwei selbstständige Tatbestände der Begründung von Vertretungsmacht nebeneinander. Nach Keller/Schöbi, Allgemeine Lehren, S. 72 ff., wiederum ist die Frage, ob Vertretungsmacht vorliegt, immer aufgrund des Verhältnisses zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten zu entscheiden. Bei einer externen Vollmacht hat der Geschäftsherr selbst dem Dritten mitgeteilt, der Vertreter sei ermächtigt und muss infolge dessen das Vertrauen des Dritten auf das Bestehen von Vertretungsmacht gegen sich gelten lassen.

136 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

gendem erteilt werden484. Die Erklärung des Geschäftsherrn nach außen bewirke aber den Schutz des gutgläubigen Dritten, der so gestellt wird, als habe Vertretungsmacht vorgelegen485. Diese Auffassung deckt sich also mit dem Konzept der kundgegebenen Innenvollmacht nach deutschem Recht. Beide Ansichten führen indes regelmäßig zu derselben Antwort auf die Frage, ob der Dritte aus dem Vertretergeschäft einen vertraglichen Anspruch gegenüber dem Geschäftsherrn geltend machen kann486. bb) Österreich Das österreichische ABGB regelt in § 1002 nach wie vor den „Bevollmächtigungsvertrag“ und verknüpft damit Vollmacht und Mandat. In der ­österreichischen Privatrechtswissenschaft hat sich indes die Trennung von Mandat und Vollmacht und damit einhergehend auch der Gedanke der ­Abstraktion – mit Einschränkungen – durchgesetzt487. Mit der Heraustrennung der Vollmacht aus dem Grundverhältnis geht einher, dass die Vollmachtserteilung nach allgemeiner Ansicht nicht durch Vertrag, sondern durch einseitige Erklärung des Geschäftsherrn erfolgt488. Die Möglichkeit, die Bevollmächtigung auch gegenüber dem Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung zu erklären, ist analog der deutschen Rechtslage ebenfalls anerkannt489. cc) Frankreich und Großbritannien Dagegen kennen weder das französische noch das englische Stellvertretungsrecht die Vollmachtserteilung gegenüber dem Dritten. Beide Rechtsord484  Gauch/Aepli/Casanova, Obligationenrecht – Rechtsprechung, Art. 32, S. 73; Gauch/Schluep, Obligationenrecht – AT, N 1047; Guhl/Koller/Schnyder/Druey, Obligationenrecht, § 19 Rn. 6 und § 21 Rn. 6 ff.; Koller, Obligationenrecht, Rn. 1403; v.Tuhr/Peter, Allgemeiner Teil, S. 358; Watter, Verpflichtung, S. 15 f.; ders. in: Basler Kommentar/Watter, Art. 33 Or, N 29 f.; Berner Kommentar/Zäch, Art 33 OR N 126, 128 ff.; offen gelassen in BGE 101 II 117, 119. 485  Berner Kommentar/Zäch, Art. 33 OR, N 125; Gauch/Schluep, Obligationenrecht – AT, N 1407. 486  Baseler Kommentar/Watter, Art. 33 OR, N 30. 487  Kodek/Schwimann/Apathy, § 1002 Rn. 1,3; Koziol/Welser, Grundriss, S. 203 f.; Schreindorfer, Verbraucherschutz, S. 158 m. w. N.; Rummel/Strasser, § 1002 Rn. 3, 7. 488  Kodek/Schwimann/Apathy, § 1002 Rn. 2; Aumüllner, ZfRV 2007, S. 208, 210, Holzhammer/Roth, Einführung, S. 78; Rummel/Strasser, § 1002 Rn. 43. 489  Kodek/Schwimann/Apathy, § 1002 Rn. 2; Gschnitzer/Faistenberger/Barta, Allgemeiner Teil, S. 802; Koziol/Welser, Grundriss, S. 167; Rummel/Strasser, § 1002 Rn. 43.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips137

nungen setzen für das Entstehen von rechtgeschäftlicher Vertretungsmacht einen Vertrag oder jedenfalls eine Vereinbarung zwischen dem Geschäftsherrn und dem Stellvertreter voraus490. Das französische bürgerliche Recht enthielt bis zur Schuldrechtsreform im Jahr 2016491 keine eigene Regelung der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung, diese wurde vielmehr als Bestandteil des Mandats von Art. 1984 ff. CC mit umfasst. Mit der Schuldrechtsreform sind die Art. 1153–1161 CC (neu) hinzugekommen, die die représentation, die Stellvertretung, gesondert regeln. Nicht enthalten sind allerdings Regelungen betreffend die Erteilung und das Erlöschen der Vollmacht. Vielmehr entsteht rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht auch nach dem neuen französischen Recht mit der Erteilung eines Mandats, welches darauf gerichtet ist, den anderen im Rechtsverkehr zu vertreten492. Das englische Common Law verlangt für die Vollmachtserteilung zwar nicht zwingend eine consideration493. Die Erteilung von Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft erfolgt aber immer nur im Verhältnis principal – agent, also zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Vertreter494. Der Schutz des Dritten, der fälschlicherweise von dem Vorliegen einer wirksamen Vollmacht ausging, wird im französischen Recht mittels des mandat apparent495, im englischen Recht über die Figur der apparent authority496 gewährleistet; beide Rechtsfiguren sind vergleichbar mit den §§ 170 ff. BGB sowie der Duldungs- und der Anscheinsvollmacht im deutschen Recht. Voraussetzung für einen Schutz des Dritten ist jeweils dessen Gutgläubigkeit im Hinblick auf das Bestehen von Vertretungsmacht. 490  Ranieri, Obligationenrecht, S. 493; für das französische Recht: Starck/Henri, Contrat, Rn. 261; sowie: Ferid/Sonnenberger, Allgemeiner Teil, 1 F 1013 und 1 F 1043; Hübner/Constantinesco, Französisches Recht, S. 171; Kleinschmidt, ZEuP 2011, 697, 715; Stertkamp, Stellvertretung, S. 56 ff.; für das englische Recht: Fridman, Agency, S. 55; Grenzebach, Rechtsvereinheitlichung, S. 78; Birks/Reynolds, Private Law, S. 176, Rn. 9.28. 491  Portant reforme du droit des contrats, du régime général et de la preuve des obligations, Ordonnance Nr. 2016-131 vom 10.2.2016. Einen Überblick über Historie und Inhalt des neuen französischen Schuldvertragsrechts gibt Sonnenberger in ZEuP 2017, 6 ff. 492  Sonnenberger, ZeuP 2017, S. 6, 37 f.; für die Rechtslage vor der Schuldrechtsreform: Starck/Henri, Contrat, Rn. 261. 493  Downes, Contracts, S. 402; Fridman, Agency, S. 55; Stoljar, Agency, S.  270 f. 494  Freeman & Lockyer v Buckhurst Park Properties (mangal) Ltd [1964] 2 QB 480 at 502; Fridman, Agency, S.  55 ff.; Triebel/Illmer/Ringe, Wirtschaftsrecht, III, § 1, Rn. 192. 495  Bénabent, Contrats spéciaux, Rn. 991 ff.; Malaurie/Aynès, Contrats spéciaux, Rn.  579 ff.; Puig, Contrats spéciaux, Rn. 964 ff. 496  Birks/Reynolds, Private Law, S.  185  ff. Rn.  957  ff.; Markesinis/Munday, Agency, S.  36 ff.

138 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Die französische Rechtsfigur des mandat apparent wurde ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelt497 und hat nunmehr Eingang in das Gesetz gefunden: Art. 1156 Abs. 1 Hs. 2 CC498 sieht vor, dass das Rechtsgeschäft, welches durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen wurde oder bei dem der Vertreter die Vertretungsmacht überschritten hat, den Vertretenen nicht bindet, es sei denn, dass der Vertragspartner legitimerweise an die Vollmacht des Vertreters glaubte – insbesondere wegen des Verhaltens oder der Erklärungen des Vertretenen. Lag bei Abschluss des Vertretergeschäfts die hierfür erforderliche Vollmacht nicht vor, muss sich der Vertretene demnach dennoch so behandeln lassen, als sei dies der Fall gewesen, wenn der Dritte berechtigterweise auf das Bestehen einer solchen Vertretungsmacht vertrauen durfte (croyance légitime)499. Dies soll dann der Fall sein, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls kein Anlass für den Dritten bestand, das Vorliegen der Vertretungsmacht zu überprüfen500. Hiervon erfasst werden unter anderem auch die Fälle der Kundgabe der Vollmacht durch den angeblich Vertretenen sowie des Erlöschens einer ursprünglich bestehenden und nach außen in Erscheinung getretenen Vollmacht501. Apparent oder ostensible authority im Sinne des englischen Rechts ist der „Schein einer Vollmacht (appearance of authority)“, der unabhängig davon existieren kann, ob tatsächlich Vertretungsmacht vorliegt oder nicht502. Es 497  Siehe die insoweit bis heute maßgebliche Entscheidung der Cour de Cassation, Assemblée plénière, Urteil vom 13. Dezember 1962, D. 1963, 277, Banque canadienne nationale, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriJudi.do?id Texte=JURITEXT000006963028 (abgerufen am 12.05.2017). In dem zugrunde liegenden Fall wollte sich eine Bank darauf berufen, dass nach ihren internen Statuten ihr an sich vertretungsberechtigter Direktor für bestimmte Geschäfte keine Einzelvertretungsmacht habe. Siehe zur Entwicklung der Rechtsfigur des mandat apparent auch: Malaurie/Aynés, Contrats spéciaux, Rn. 579. 498  Art. 1156 Abs. 1 CC (neu) lautet: L’acte accompli par un représentant sans pouvoir ou au-delà de ses pouvoirs est inopposable au représenté, sauf si le tiers contractant a légitimement cru en la réalité des pouvoirs du représentant, notamment en raison du comportement ou des déclarations du représenté. 499  Cour de Cassation, Assemblée plénière, Urteil vom 13. Dezember 1962, D. 1963, 277, Banque canadienne nationale. 500  Cour de Cassation, Assemblée plénière, Urteil vom 13. Dezember 1962, D. 1963, 277, Banque canadienne nationale; Cour de Cassation, Chambre Civil 1, Urteil vom 22. Mai 1991, Hocq ./. Arnauld und andere, abrufbar unter http://www.lexisnexis. fr/droit-document/article/la-semaine-juridique-notariale-immobiliere/45-1992/027_ PS_SJN_SJN9245CM00027.htm (abgerufen am 12.05.2017); Bénabent, Contrats spéciaux, Rn. 993; Malaurie/Aynés, Contrats spéciaux, Rn. 580; Puig, Contrats spéciaux, Rn.  964 ff. 501  Anschaulich zu den Fallgruppen des mandat apparent: Gotthardt, Vertrauensschutz, S.  33 f. 502  Freeman & Lockyer v Buckhurst Park Properties (mangal) Ltd [1964] 2 QB 480 at 502; Fridman, Agency, S. 112; Markesinis/Munday, Agency, S. 37. Apparent



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips139

handelt sich damit gerade nicht um eine nach außen begründete Vollmacht. Damit eine apparent authority in diesem Sinne entsteht, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein503: Erforderlich ist erstens eine representation, eine ausdrückliche oder stillschweigende Willensäußerung (im weitesten Sinn) des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten, woraus der Dritte auf das Vorhandensein von Vertretungsmacht schließen darf. Zweitens muss der Dritte hierauf vertraut haben, was wiederum voraussetzt, dass er die representation zur Kenntnis genommen hat. Der Dritte muss also gutgläubig sein. Und drittens muss der Dritte aufgrund dieses Vertrauens einen Nachteil erlitten haben, wobei der Nachteil in dem Abschluss des Vertrags mit dem vollmachtlosen Vertreter bestehen kann. Liegen alle Voraussetzungen vor, dann besteht die so genannte apparent authority. Der Geschäftsherr muss sich in diesem Fall gegenüber dem Dritten so behandeln lassen, als habe sein angeblicher Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt504. Der Blick in die Rechtsordnungen benachbarter Länder zeigt also, dass die Außenvollmacht zwar kein auf das bundesdeutsche Recht beschränktes Phänomen ist. Indes ist sie auch nicht zwingend erforderlich, um einen hinreichenden Schutz des Dritten vor den Gefahren herzustellen, die sich für ihn im Hinblick auf das Vorhandensein von Vertretungsmacht aus dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter ergeben. Dieser kann auch dadurch gewährleistet werden, dass das Gesetz an die ausdrückliche und die stillschweigende Kundgabe von Vertretungsmacht nach außen die Wirkung von Vertretungsmacht knüpft. Die Diskussion in der Schweiz schärft zudem den Blick für die fehlenden praktischen Konsequenzen der Unterscheidung zwischen der Außenvollmacht und der kundgegebenen Innenvollmacht.

authority ist zu unterscheiden von implied authority. Letztere liegt vor, wenn der Geschäftsherr seinen Vertreter zwar nicht ausdrücklich, aber konkludent bevollmächtigt, z. B. indem er ihn auf einer Position anstellt, die üblicherweise mit Vertretungsmacht einhergeht; vgl. hierzu Birks/Reynolds, Private Law, S. 183 f. Rn. 9.47 ff. Es handelt sich dabei um einen Unterfall der actual authority, die Vertretungsmacht entsteht hier also durch Rechtsgeschäft im Verhältnis zwischen dem Prinzipal und seinem Vertreter. 503  Rama Corpn Ltd v Proved Tin and General Investments Ltd [1952] 2 QB 147 at 149–150. Siehe hierzu auch Reynolds, Agency, S. 313 f., 8-026; Downes, Contracts, S.  405 ff.; Fridman, Agency, S.  114 ff.; Grenzebach, Rechtsvereinheitlichung, S. 89 f.; Markesinis/Munday, Agency, S.  40 ff. 504  Birks/Reynolds, Private Law, S.  186 Rn. 9.60; Reynolds, Agency, S. 307, Rn. 8-013 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Downes, Contracts, S. 404.

140 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

d) Zwischenergebnis Die Außenvollmacht steht mithin im Widerspruch zu der personenbezogenen Konzeption der Bevollmächtigung im deutschen Stellvertretungsrecht und ist aus Verkehrsschutzgesichtspunkten nicht erforderlich. Ihre Aufnahme in das BGB war umstritten und erscheint vom heutigen Standpunkt aus betrachtet der damals bestehenden Unsicherheit über das Wesen der Vollmacht überhaupt geschuldet zu sein. Dennoch fristet die Außenvollmacht in der deutschen Stellvertretungsdogmatik sowie in der Rechtsprechung keineswegs ein Randdasein. Denn im Rechtsverkehr treten immer wieder Fallgestaltungen auf, die nach der herrschenden Lehre als „Außenbevollmächtigung“ eingeordnet werden können. Jeweils wendet sich der Geschäftsherr vor dem Abschluss des Vertretergeschäfts an seinen potentiellen Geschäftspartner und setzt diesen in der ein oder anderen Weise darüber in Kenntnis, dass er einem anderen Vollmacht erteile. Die Einordnung einer solchen Erklärung als eigenständige Bevollmächtigung leugnet jedoch den Unterschied in der Stoßrichtung der Bevollmächtigung im Innenverhältnis und der Erklärung über die Vollmacht im Außenverhältnis: Während im ersten Fall die Befähigung des Vertreters im Vordergrund steht, geht es im zweiten Fall in erster Linie um den Schutz des Dritten. Ordnet man allerdings die Außenerklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters nicht als eigenständige Bevollmächtigung ein, erweist sich bereits die Fragestellung nach der Abstraktheit der Vollmacht als verfehlt. Der Kern des Problems ist dann nicht das Verhältnis zu dem im Innenverhältnis bestehenden Rechtsverhältnis, sondern besteht in der Frage, in welchen Fällen und unter welchen Umständen zugunsten des Dritten ein Mangel an Vertretungsmacht geheilt werden kann. Löst man sich von der tradierten Einordnung in Innen-, Außenund kundgegebene Innenvollmacht, bleibt mithin die Frage bestehen, wie die Außenerklärung des Geschäftsherrn rechtlich qualifiziert werden kann und welche Rechtsfolgen sich hieran knüpfen. Dieser Frage wird im 3. Kapitel nachgegangen.

III. Die isolierte Vollmacht Bisher wurde der Regelfall betrachtet, in dem der Vollmacht ein Vertragsverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter zugrunde liegt, das so genannte Grundverhältnis. Darüber hinaus kennt das deutsche Stellvertretungsrecht aber auch die Figur der „isolierten Vollmacht“505. Hier505  Vgl. hierzu BGH, NJW 1988, 2603; 1990, 1721, 1722; NJW 2003, 578; OLG Zweibrücken, OLGZ 1985, 45; Beuthien, FG 50 Jahre BGH, S. 81, 95; Bork, Allgemeiner Teil, Rn.  1488 ff.; Flume, Rechtsgeschäft, § 50 1, S. 840; Frotz, Verkehrs-



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips141

unter wird eine Vollmacht verstanden, der kein anderes Rechtsverhältnis zugrunde liegt, die also alleine, „isoliert“, existiert. Von der Abstraktheit der Vollmacht unterscheidet sich die Rechtsfigur der isolierten Vollmacht dahingehend, dass die Parteien im ersten Fall die Bevollmächtigung im Hinblick auf ein – ggf. noch zu schließendes oder nichtiges Grundverhältnis – vornehmen. Bei der isolierten Vollmacht soll dagegen jeder Bezug zu einem Grundverhältnis fehlen. In der Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfigur werden die verschiedenen Fallgestaltungen teilweise miteinander vermischt506. Die Fragestellung, die der Anerkennung der isolierten Vollmacht vorangeht, lautet, ob der Geschäftsherr eine Vollmacht bewusst ohne jeden Bezug auf ein der Bevollmächtigung zugrunde liegendes Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem zu Bevollmächtigenden erteilen kann507. Außerdem wird unter dem Stichwort der isolierten Vollmacht auch diskutiert, welche Folgen es für die Bevollmächtigung hat, wenn die Parteien irrtümlicherweise davon ausgehen, dass ein Grundgeschäft vorliegt oder wenn das Grundgeschäft an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel leidet. Letztere Fragestellung ist ein Problem der Abstraktheit der Vollmacht und von der erstgenannten Thematik dahingehend zu unterscheiden, dass die Parteien die Vollmacht hier in der Regel im Hinblick auf ein anderes Rechtsverhältnis erteilen, von dessen Wirksamkeit sie jedenfalls im Moment der Bevollmächtigung ausgehen. 1. Die bewusste Erteilung einer Vollmacht ohne Auftrag Zunächst soll der Fall betrachtet werden, dass der Geschäftsherr eine Vollmacht bewusst ohne Bezug auf ein weiteres Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem zu Bevollmächtigenden erteilt. Fraglich erscheint, ob dieser Fall in der Rechtspraxis überhaupt vorkommt508.

schutz, S. 331; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1239; Lüderitz, JuS 1976, S. 765, 767; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 7; ablehnend dagegen Münchener Kommentar HGB/Krebs, Vor § 48 Rn. 41 ff.; Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 127. 506  Vgl. Schlechtriem, EWiR 1988, 433, der beide Begriffe, den der abstrakten und den der isolierten Vollmacht, gleichsetzt. Wie hier dagegen das LG Düsseldorf, Rpfleger 1985, 358. 507  Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 197, der den Fall der bewussten Erteilung einer isolierten Vollmacht ebenfalls von den Fällen eines intendierten Grundverhältnisses trennt. 508  Die praktische Relevanz der bewusst isolierten Vollmacht bezweifelt Michel, Überschießende Rechtsmacht, S. 205.

142 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

a) Gefälligkeitsverhältnisse In Betracht kommt zunächst die Erteilung einer Vollmacht im Zusammenhang mit einem reinen Gefälligkeitsverhältnis509. Typisches Merkmal von Gefälligkeitsverhältnissen ist ihre Unentgeltlichkeit510. Sie zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sie aus einem sozialen Kontakt heraus resultieren, also innerhalb der Familie, zwischen Nachbarn oder Freunden geschlossen werden511. Für ein Schuldverhältnis fehlt es an dem hierfür erforderlichen Rechtsbindungswillen512. Wenn also z. B. die bettlägerige Großmutter G ihre Enkelin E bittet, für sie 50 Euro von ihrem Sparbuch bei der Bank abzuheben und E hierfür eine entsprechende Vollmachtsurkunde zur Vorlage bei der Bank ausstellt, wird zwischen der Großmutter und ihrer Enkelin üblicherweise mangels Rechtsbindungswillen kein Auftragsvertrag geschlossen, sondern ein reines Gefälligkeitsverhältnis begründet. Allerdings bestehen auch im Rahmen eines solchen Gefälligkeitsverhältnisses wechselseitige Schutzund Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung Schadensersatzpflichten nach sich ziehen können513. Dies führt zu der Frage, welche Qualität eine Rechtsbeziehung haben muss, um als Grundverhältnis im Sinne der stellvertretungsrechtlichen Dogmatik zu gelten. Muss es sich hierbei um ein vertragliches Schuldverhältnis handeln? Dafür spricht zunächst die historische Entwicklung des Stellvertretungsrechts. Die Vollmacht wurde lange Zeit als Teil des Auftrags gedacht514. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Vollmacht jedoch aus dem Auftragsverhältnis herausgelöst und von da an als selbstständiges Rechtsgeschäft verstanden. Als wesentliche Errungenschaft der Verselbstständigung der Vollmacht wird der Umstand gesehen, dass die Vollmacht nun auch im Zusammenhang mit anderen Rechtsgeschäften wie einem Geschäftsbesorgungsvertrag, einem Dienst-, Arbeits- oder Werkvertrag oder auch mit einem Grundstückskaufvertrag erteilt werden kann515. Dabei handelt es sich jedoch durchweg um vertragliche Schuldverhältnisse, die insofern mit dem Auftrag vergleichbar sind, als daraus sowohl die Berechtigung als auch die Verpflichtung des einen Vertragspartners folgt, 509  BGH, NJW 2003, 578; LG Düsseldorf, Rpfleger 1985, 358; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1488; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 168 Rn. 2. 510  BGHZ 21, 102, 106; Palandt/Grüneberg, Einl. v. § 241 Rn. 7; Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 72. 511  Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 72; Schreiber, Jura 2001, 810. 512  Schreiber, Jura 2001, S. 810, 811; Handkommentar BGB/Schulze, Vorbemerkung zu §§ 241–853 Rn. 26. 513  Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, § 16 Rn. 368; Staudinger/Olzen, § 241 Rn.  391, 394 ff.; Schreiber, Jura 2001, S. 810, 811; Handkommentar BGB/Schulze, Vorbemerkung zu §§ 241–853 Rn. 27. 514  Siehe hierzu oben in Kapitel 1 unter A. 515  Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 168 Rn. 10.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips143

für den anderen Vertragspartner rechtsgeschäftlich tätig zu werden. Eine entsprechende Verpflichtung fehlt bei einem reinen Gefälligkeitsverhältnis, das sich gerade durch das Fehlen durchsetzbarer Leistungspflichten auszeichnet516. Allen diesen als Grundgeschäft in Betracht kommenden Vertragstypen ist zudem gemein, dass im konkreten Fall hieraus folgt, warum die Vollmacht erteilt wird. Das Grundverhältnis definiert damit Grund und Zweck der Vollmacht, es ist in diesem Sinne das „Kausalverhältnis“ der Vollmacht. Diese Funktion kann wiederum auch ein reines Gefälligkeitsverhältnis erfüllen. Aus ihm folgt, warum die Vollmacht erteilt wurde und zu welchem Zweck. Liegt eine Innenvollmacht vor, prägt das Gefälligkeitsverhältnis damit auch den Empfängerhorizont des Bevollmächtigten und ist bei der Auslegung der Bevollmächtigungserklärung heranzuziehen. Im obigen Beispielsfall ist die Gefälligkeit der Enkelin gegenüber ihrer Großmutter der Anlass für die Erteilung der Vollmacht. Zudem folgt daraus auch, dass das abgehobene Bargeld für die Großmutter und nicht etwa für den Eigengebrauch der Enkelin bestimmt ist und dass mit der Erfüllung dieses Zwecks auch die Vollmacht erlöschen soll. Der Gedanke des § 168 S. 1 BGB kommt hier also zum Tragen. Versteht man unter einem Grundverhältnis im stellvertretungsrechtlichen Sinne also analog zum Auftrag nur ein Vertragsverhältnis, liegt im Fall eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses kein Grundverhältnis vor und die Vollmacht kann als isolierte Vollmacht bezeichnet werden. Was hieraus im Weiteren folgen soll, bleibt unklar. Denn wie gezeigt werden konnte, entfaltet auch das reine Gefälligkeitsverhältnis für die Auslegung und das Erlöschen der Vollmacht Relevanz. Viel spricht daher dafür, auch das reine Gefälligkeitsverhältnis als Grundverhältnis zu qualifizieren, da auch hier gegenseitige Rechte und Pflichten der Parteien begründet werden, deren Verletzung Schadensersatzpflichten nach sich ziehen kann. Insbesondere folgt aber auch aus dem reinen Gefälligkeitsverhältnis der Zweck der Vollmachtserteilung. In diesen Fällen liegt mithin keine isolierte Vollmacht vor. b) Die vorsorglich erteilte (General-)Vollmacht Als weiterer Beispielsfall für eine isolierte Vollmacht wird in der Literatur häufig die vorsorglich erteilte (General-)Vollmacht genannt517. Es geht hier um Fälle, in denen der Geschäftsherr einem anderen Vollmacht erteilt, ohne dass dem ein konkreter Handlungsauftrag zugrunde liegt. Vielmehr geht es dem Geschäftsherrn darum, für die ungewisse Zukunft sicherzustellen, dass, falls dies notwendig werden sollte, ein von ihm Bevollmächtigter seine Rechtsgeschäfte besorgen kann. Wiederum ist zunächst festzustellen, dass 516  NK-BGB/Krebs, 517  Beuthien,

§ 241 Rn. 12. FG 50 Jahre BGH, S. 81, 95; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1239.

144 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

hier eine Vollmacht erteilt wird, ohne dass die Parteien der Bevollmächtigung einen Vertrag in Gestalt eines Auftrags oder Geschäftsbesorgungsvertrags schließen. Der Bevollmächtigte soll von der Vollmacht zum Zeitpunkt der Erteilung zunächst noch gar keinen Gebrauch machen. Jedenfalls eine entsprechende Unterlassungsverpflichtung wird man aber wohl annehmen müssen518. Allerdings wird keine Vollmacht, auch nicht die vorsorglich erteilte Generalvollmacht, ohne jeden Grund erteilt. Der Vollmachtgeber wird vielmehr mögliche Szenarien im Kopf haben, in denen der Bevollmächtigte von der Vollmacht Gebrauch machen können soll. Für diese Fälle wird er von dem Bevollmächtigten aber auch erwarten, dass dieser von seiner Vollmacht Gebrauch macht. Indem er die Erteilung der Vollmacht nicht zurückweist, gibt der Bevollmächtigte dem Vollmachtgeber zu verstehen, dass er gewillt ist, diesen rechtsgeschäftlich zu vertreten. Vollmachtgeber und Bevollmächtigter werden sich zumindest grundsätzlich darüber verständigen, für welche (zukünftigen) Fälle die Vollmacht gedacht ist. Sie einigen sich damit über die Erteilung der bloßen Vollmacht hinaus also auch über den Zweck ihrer Erteilung519. Nach Flume liegt deshalb jeder vorsorglich erteilten Vollmacht ein Eventualauftrag zugrunde520. Tatsächlich kann es sich hierbei auch um ein reines Gefälligkeitsverhältnis handeln. Damit besteht aber auch die vorsorglich erteilte (General-)Vollmacht nicht isoliert. Ihr liegt vielmehr eine Vereinbarung zugrunde, aus der folgt, für welchen Zweck sie erteilt wurde und wann von ihr Gebrauch gemacht werden soll. c) Die Empfangsbevollmächtigung In der älteren Literatur wird als weiteres Beispiel für eine isolierte Vollmacht der Fall einer reinen Empfangsbevollmächtigung genannt, die einem abwesenden Dritten im Wege der Außenvollmacht erteilt wird. So soll die Aussage des Vermieters gegenüber seinem Mieter, dieser könne die Kündigung des Mietverhältnisses auch gegenüber einem konkret benannten Dritten erklären, als Bevollmächtigung dieses Dritten gelten521. Nimmt nun der Vermieter mit dem Dritten nie Kontakt auf, erklärt aber der Mieter seine Kündigung gegenüber dem Dritten, sei dieser wirksam zum Empfang der Erklärung bevollmächtigt und die Kündigung damit wirksam, ohne dass der Vollmacht ein irgendwie geartetes Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Drittem zugrunde lag. Löst man diesen Fall in der vorgestellten Art und Weise, kommt man in der Tat zu dem Schluss, dass eine isolierte Vollmacht beste518  Lüderitz,

JuS 1976, S. 765, 767. auch Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 168 Rn. 2. 520  Flume, Rechtsgeschäft, § 50 1, S. 840. 521  Lüderitz, JuS 1976, S. 765, 767; v. Tuhr, Allgemeiner Teil, § 85, S. 385. 519  So



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips145

hen kann. Die Falllösung wirft jedoch Zweifel auf, die weniger an dem Ergebnis, als an dessen Herleitung anknüpfen. Dass es dem Mieter entsprechend der Zusicherung des Vermieters möglich sein muss, sich durch Erklärung gegenüber dem Dritten wirksam von dem Mietvertrag zu lösen, dürfte fest stehen. Fraglich ist aber, warum sich der Vermieter an der Kündigungserklärung gegenüber dem Dritten festhalten lassen muss. Hierfür wird eine Außenvollmacht konstruiert, dem Dritten als Bevollmächtigtem also eine Rechtsmacht zuerkannt, ohne dass dieser jemals hiervon erfahren haben, geschweige denn den Vollmachtgeber zwingend kennen muss. Zu demselben Ergebnis, aber ohne die Konstruktion einer Außenbevollmächtigung des Dritten, gelangt man, wenn man die Erklärung des Vermieters an seinen Mieter dahingehend auslegt, dass der Vermieter sich verpflichtet, auch eine Kündigung des Mieters gegenüber dem Dritten gegen sich gelten zu lassen. Eine solche Auslegung der Erklärung ist nicht nur lebensnäher als die Annahme einer Außenbevollmächtigung; sie führt außerdem ohne Umwege zu dem von den Parteien intendierten Ergebnis, dass der Mieter unabhängig von dem Verhältnis des Dritten zu dem Vermieter das Mietverhältnis mit einer Erklärung gegenüber dem Dritten wirksam beenden kann. Die Fälle der Empfangsbevollmächtigung können damit auch ohne die Anerkennung einer isolierten Vollmacht befriedigend gelöst werden. d) Die Bevollmächtigung eines Minderjährigen Eine isolierte Vollmacht könnte jedoch dann vorliegen, wenn der Geschäftsherr einen Minderjährigen bevollmächtigt in Kenntnis von dessen Minderjährigkeit und in dem Bewusstsein, dass die gesetzlichen Vertreter des Bevollmächtigten nicht in den Abschluss des entsprechenden Auftrags eingewilligt haben, noch diesen nachträglich genehmigen werden522. Der Auftrag ist in diesem Fall unwirksam gemäß § 107 BGB. Die Bevollmächtigung ist als einseitiges, dem Minderjährigen nicht zum Nachteil g ­ ereichendes Rechtsgeschäft dagegen unabhängig von einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters wirksam, § 131 Abs. 2, S. 2 BGB. § 165 BGB sieht außerdem ausdrücklich vor, dass auch ein in der Geschäftsfähigkeit Beschränkter als Stellvertreter rechts­ geschäftlich handeln kann. Hieraus wird verbreitet geschlossen, dass die Bevollmächtigung von dem Auftrag unabhängig sein muss523. Dieser Schluss ist indes nicht zwingend, folgt doch aus § 165 BGB zunächst nur, dass auch ein Minderjähriger als Stellvertreter im Sinne der §§ 164 ff. BGB fungieren

522  Hübner,

Allgemeiner Teil, Rn. 1239. Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 26; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn.  8; a. A. Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 949. 523  Köhler,

146 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

kann524. Die Vorschrift enthält dagegen keine Aussage darüber, ob bei Unwirksamkeit des Auftrags wegen fehlender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters die Vollmacht dennoch Bestand haben soll525. Vielmehr spricht einiges dafür, in diesem Fall die Vollmacht nicht aufrecht zu erhalten; dies ist allerdings eine Frage der Abstraktheit der Vollmacht. Die Situation ist freilich eine andere, wenn der Geschäftsherr sowohl die Minderjährigkeit als auch die fehlende Einwilligung der gesetzlichen Vertreter kennt und bewusst in Kauf nimmt. Die Möglichkeit der wirksamen Bevollmächtigung in einem solchen Fall zu verneinen, hieße, den Handlungsspielraum des Geschäftsherrn zu verkleinern. Geht man dagegen in den Fällen, in denen der Geschäftsherr die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts bewusst in Kauf nimmt, von einer wirksamen Bevollmächtigung aus, dann entsteht in diesen Fällen in der Tat eine isolierte Vollmacht. e) Zwischenergebnis Eine isolierte Vollmacht ist mithin theoretisch denkbar, wird aber im Rechtsverkehr nur höchst selten vorkommen. Wird eine Vollmacht rein vorsorglich oder im Zusammenhang mit einem Gefälligkeitsverhältnis mit Schutzpflichten erteilt, liegt keine isolierte Vollmacht vor. Denn trotz des Fehlens eines vertraglichen Schuldverhältnisses bei Erteilung der Vollmacht besteht auch in diesen Fällen ein (ggf. aufschiebend bedingtes) Grundverhältnis, das den Zweck der Vollmachtserteilung sowie die Grenzen ihrer Nutzung festlegt. Die Vollmacht besteht in diesen Fällen nicht isoliert im Sinne einer Loslösung von jeglicher Pflichtbindung im Innenverhältnis. 2. Die Erteilung einer Vollmacht in der irrigen Annahme eines wirksamen Grundverhältnisses Von den oben aufgeführten Fallgestaltungen sind diejenigen Fälle zu unterscheiden, in denen der Geschäftsherr die Vollmacht im Hinblick auf ein Vertragsverhältnis mit dem zu Bevollmächtigten erteilt, von dessen baldigem zukünftigen Abschluss er ausgeht. Hier stellt sich die Frage, ob eine isolierte Vollmacht entsteht, wenn das Grundverhältnis wider Erwarten nicht zustande kommt. Für den Fall der reinen Innenvollmacht gilt: In aller Regel wird die Auslegung der Bevollmächtigungserklärung dazu führen, dass die Vollmacht nach 524  Zur Problematik der Vorschrift hinsichtlich der Bindungswirkung des durch den Minderjährigen abgeschlossenen Vertretergeschäfts: Hoffmann, JZ 2012, 1156, 1158. 525  Siehe hierzu bereits oben in der Einleitung unter A. II.



C. Die Wirkungsweise des stellvertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips147

dem erklärten Willen des Geschäftsherrn nur im Fall des Zustandekommens des Grundverhältnisses erteilt werden soll. Es entsteht mithin keine isolierte Vollmacht, da der zu Bevollmächtigende nicht davon ausgehen durfte, dass er auch für den Fall des Nichtzustandekommens des Grundgeschäfts bevollmächtigt werden sollte. Bei der kundgegebenen Innenvollmacht und der so genannten Außenvollmacht existiert eine (weitere) Erklärung des Geschäftsherrn, nach der sein Stellvertreter ihn in einem bestimmten Umfang vertreten können soll. Da diese Erklärung jedoch nicht an den zu Bevollmächtigenden, sondern an den Dritten gerichtet ist, der nicht auch Partei des Grundverhältnisses ist, spielt das Grundverhältnis bei der Auslegung in der Regel keine Rolle. Die Erklärung besteht unabhängig neben der Bevollmächtigung im Innenverhältnis. Dies entspricht auch der Motivation des Geschäftsherrn, warum er diese Erklärung gegenüber dem Dritten abgibt: Er möchte ihm versichern, dass das Vertretergeschäft wirksam zustande kommen und nicht etwa an einem Mangel der Vertretungsmacht scheitern wird und damit die Bereitschaft des Dritten zum Vertragsschluss mit dem Stellvertreter erhöhen526. Die Versicherung selbst muss damit aber notwendig von dem Grundverhältnis unabhängig bestehen, soll sie ihren Zweck erfüllen. Nach der oben dargelegten Kritik an der Außenvollmacht muss sich aber die Frage stellen, ob in einem solchen Fall tatsächlich eine isolierte Außenvollmacht bestehen bleibt, oder ob nicht vielmehr eine wesenseigene Erklärung neben die Bevollmächtigung im Innenverhältnis tritt527.

IV. Zwischenergebnis Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass dem Grundsatz der Abstraktheit im Stellvertretungsrecht des BGB hinsichtlich der verschiedenen „Vollmachtsarten“ eine ganz unterschiedliche Relevanz zukommt. Hinsichtlich der reinen Innenvollmacht hat der offensichtliche Widerspruch der Abstraktheit zu dem typischen Parteiwillen zu der Zulassung zahlreicher Durchbrechungen des Abstraktionsprinzips durch Lehre und Rechtsprechung geführt. Die Abstraktheit wirkt sich hier nur in wenigen Ausnahmefällen tatsächlich aus. Einer dieser Fälle zeichnet sich dadurch aus, dass sich zwischen der Erteilung der Vollmacht und dem Abschluss des Vertretergeschäfts die Interessen des Geschäftsherrn derart ändern, dass die Ausübung der Vollmacht hiermit in Konflikt gerät. Als Beispiel wurde der Fall einer post- oder transmortalen Vollmacht herangezogen, die für die Zeit nach Eintritt des 526  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 245 f.; Merkt, AcP 204 (2004), S. 638, 650. 527  Siehe hierzu unten in Kapitel 3 unter B. I. c).

148 Kap. 2: Die Abstraktheit der Vollmacht im deutschen Stellvertretungsrecht

Erbfalls eine die Erbmasse schmälernden Verfügung legitimiert. Betrachtet man die Vollmacht als gegenüber solchen Veränderungen unempfindlich, also in ihrem Umfang statisch, entpuppt sich eine weitere Dimension der Abstraktheit, und zwar in zeitlicher Hinsicht. Die Außenvollmacht erscheint dagegen auf den ersten Blick als notwendig abstrakt. Denn die gegenüber dem Dritten erklärte Vollmacht muss, wenn sie für den Dritten überhaupt von Bedeutung sein soll, von dem Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter unabhängig sein. Diesbezüglich werden entsprechend auch deutlich weniger Durchbrechungen der Abstraktheit zugelassen als bei der reinen Innenvollmacht. Auf den zweiten Blick müssen sich aber grundsätzliche Zweifel an der Rechtsfigur der Außenvollmacht – zunächst einmal ganz unabhängig von der Frage der Abstraktheit der Vollmacht – einstellen, die eine Neukonzeption der so genannten Außenvollmacht nahelegen.

D. Zusammenfassung und Fazit Dem Stellvertretungsrecht des BGB liegt ein personenbezogener Vollmachtsbegriff zugrunde; die Vollmacht ist damit eine Befähigung des Vertreters, die zugleich den Eintritt der Bindungswirkung in der Person des Geschäftsherrn legitimiert. Die Vollmacht ist von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter zu trennen; der Abschluss des Grundgeschäfts und die Bevollmächtigung sind zwei jeweils eigenständige Rechtsgeschäfte. Nichtsdestotrotz besteht zwischen Vollmacht und Grundgeschäft eine natürliche Einheit in Form eines Mittel-Zweck-Verhältnisses. Die Vollmacht ist danach das Mittel, um dem Stellvertreter die Erfüllung seiner Pflichten aus dem Grundverhältnis zu ermöglichen und den von dem Geschäftsherrn gewünschten Erfolg, den direkten Vertragsschluss mit dem Dritten, herzustellen. Dieses Mittel-Zweck-Verhältnis tritt jedoch in der Hintergrund, betrachtet man die Vollmacht mit der herrschenden Meinung als in ihrem rechtlichen Schicksal von dem Grundverhältnis unabhängig, als abstrakt. Der Vergleich mit der Abstraktheit dinglicher Verfügungen hat gezeigt, dass die Abstraktheit in beiden Fällen dem Schutz des Rechtsverkehrs dient und zwar unabhängig von der Schutzwürdigkeit des beteiligten Dritten. Die Abstraktheit der Vollmacht ist ein damit heteronomes, den Parteien von außen auferlegtes Verkehrsschutzinstrument. Es wird jeweils flankiert durch den Gutglaubensschutz: Während bei einem Mangel der nach außen erklärten oder kundgegebenen Vollmacht und damit einem Fehlen der Legitimation der Gutglaubensschutz eingreift, löst das Abstraktionsprinzip diese Legitimation von vornherein von der Berechtigung im Innenverhältnis.



D. Zusammenfassung und Fazit149

Im Sachenrecht geht das Abstraktionsprinzip zudem Hand in Hand mit dem Numerus clausus dinglicher Rechte und dem Publizitätsgrundsatz. Dieses Zusammenspiel findet sich im Stellvertretungsrecht bei der Prokura wieder. Während der die Abstraktheit der Vollmacht tragende Gedanke des Verkehrsschutzes bei der Prokura tragfähig erscheint, kann er bei der reinen ­Innenvollmacht nicht überzeugen. Hier drängt sich die Frage auf, warum der Dritte, der allein auf die Behauptung des angeblichen Vertreters, mit Vertretungsmacht zu handeln, vertraut, besonders schutzwürdig sein soll. Dem entspricht der Befund, dass sich hinsichtlich der reinen Innenvollmacht ungeachtet der weithin angenommenen Abstraktheit die natürliche Einheit der Vollmacht in der Praxis in verschiedenster Weise Bahn bricht. Hinsichtlich der Außenvollmacht wiederum besteht eine eigenartige Verbindung von Abstraktheit und Abhängigkeit. Auf der einen Seite werden die hinsichtlich der Innenvollmacht praktizierten Durchbrechungen hier überwiegend abgelehnt; auf der anderen Seite knüpft das Gesetz selbst mit § 168 S. 1 BGB auch das Schicksal der Außenvollmacht an den Fortbestand des Grundverhältnisses. Die Ursache hierfür scheint bereits in der Grundannahme einer Außenvollmacht zu liegen, die sich von der Innenvollmacht allein hinsichtlich des Adressaten der Bevollmächtigungserklärung unterscheidet. Diese Annahme verschleiert den Blick auf die Parallele der Außenvollmacht zu den Kundgabetatbeständen der §§ 171, 172 BGB. Im Kern geht es in beiden Fallgestaltungen darum, dass sich der Geschäftsherr vor Abschluss des Vertretergeschäfts an den Dritten oder die Öffentlichkeit wendet und – ausdrücklich oder konkludent – eine Erklärung über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters abgibt. Die Frage, die sich hieran anknüpft, lautet, ob der Dritte in seinem Vertrauen auf diese Erklärung gegenüber dem Geschäftsherrn geschützt ist, wenn die Erklärung von der tatsächlichen Rechtslage abweicht, weil der angebliche Stellvertreter nicht oder nicht in dem behaupteten Umfang bevollmächtigt ist. Die Differenzierung zwischen Außenvollmacht und kundgegebener Innenvollmacht ist damit jedoch obsolet.

Kapitel 3

Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz Das Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht dient dem Verkehrsschutz. Danach ist die Vollmacht im Außenverhältnis von dem Grundgeschäft im Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter unabhängig, so dass das Vertretergeschäft ungeachtet etwaiger Mängel dieses Grundverhältnisses zustande kommt, soweit die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 BGB vorliegen. Der Dritte muss sich mit dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter nicht auseinandersetzen, sondern darf sich darauf verlassen, dass bei Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht ein wirksames Rechtsgeschäft mit dem Geschäftsherrn zustande kommt. Dies gilt unabhängig von der Frage der Gut- oder Bösgläubigkeit des Dritten. Der Abschluss von Rechtsgeschäften unter Einsatz von Stellvertretern wird damit erleichtert. Nach verbreiteter Ansicht schützt die Abstraktheit der Vollmacht auch den Vertreter528. Dies ist insofern erstaunlich, als die Abstraktion als Verkehrsschutzinstrument entwickelt wurde und hierin ihre eigentliche Legitimation findet529. Den Verfechtern der Ansicht, die Abstraktheit der Vollmacht sei auch ein Instrument zum Schutz des Vertreters, ist aber dahin gehend Recht zu geben, als sie dem Vertreter zumindest reflexartig zugute kommen kann. Denn wenn im Fall der Unwirksamkeit oder der Beendigung des Grundgeschäfts auch die Vollmacht wegfällt, so steigt für den Stellvertreter das Risiko, als falsus procurator zu handeln und sich somit gegenüber dem Dritten nach § 179 BGB ersatzpflichtig zu machen. Die Abstraktheit der Vollmacht ignoriert dabei aber den Willen des Vollmachtgebers, der im Verhältnis zu seinem Vertreter regelmäßig nur eine dem Grundverhältnis entsprechende Vollmacht erteilen will. Sie verschafft dem Bevollmächtigten eine überschießende Rechtsmacht und schützt auch den bösgläubigen Dritten zu Lasten des Vollmachtgebers. Dieser Umstand hat in der Vergangenheit zu der Herausbildung der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht geführt, mit der die eklatant unbilligen Fälle des Schutzes 528  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1487; Soergel/Leptien, vor § 164 Rn. 40; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 164 Rn. 102. 529  Siehe hierzu oben in Kapitel 2 unter B. II. 3.



Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz151

des bösgläubigen Dritten wieder eingefangen werden. Die Abstraktheit der Vollmacht hat sich damit bereits als korrekturbedürftig erwiesen. Sie wird in der Praxis zudem regelmäßig durchbrochen mit dem Ziel, die einseitige Belastung des Vollmachtgebers abzumildern. In dieser Untersuchung ist zudem bereits deutlich geworden, dass auch die Figur der Außenvollmacht, die mit der Abstraktheit der Vollmacht aus rechtshistorischer wie rechtsdogmatischer Hinsicht eng verknüpft ist, erheblichen Zweifeln begegnen muss. Angesichts dieses Befundes drängt sich die Frage auf, ob die Abstraktheit der Vollmacht tatsächlich eine so große Errungenschaft ist, wie mancherorts530 behauptet wird. Gerade im Hinblick auf die zunehmend voranschreitende Vereinheitlichung des Europäischen Privatrechts erscheint es daher notwendig zu überprüfen, ob die Abstraktheit der Vollmacht tatsächlich der beste Weg ist, um die bei der gewillkürten Stellvertretung auftretenden Interessenkonflikte zu lösen und den Verkehr angemessen zu schützen. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob der im Stellvertretungsrecht erforderliche Verkehrs- und Vertreterschutz auch auf anderem Wege realisiert werden kann und ob dieser Weg gegenüber der Abstraktheit der Vollmacht entscheidende Vorteile bietet. In einem Gedankenexperiment soll daher untersucht werden, welche Folgen ein nicht-abstraktes Vollmachtsverständnis bei gleichzeitiger Stärkung des Gutglaubensschutzes für den Verkehrs- wie auch den Vertreterschutz hat. Ziel der Untersuchung ist dabei nicht ein Vorschlag für eine Gesetzesnovellierung; vielmehr werden die bestehenden Regelungen in ein Gesamtgefüge eingeordnet, in dem die Vollmacht nicht als abstrakt von dem Grundverhältnis gedacht wird. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden daher auch die bisherigen Befunde: Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Bevollmächtigung dem personenbezogenen Vollmachtsbegriff des BGB entsprechend ausschließlich gegenüber dem zu Bevollmächtigenden erteilt werden kann. Sie ist dabei klar von dem Grundverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter zu unterscheiden; das Trennungsprinzip wird mithin nicht in Frage gestellt. Die herkömmliche Unterscheidung zwischen der Außenvollmacht und der kundgegebenen Innenvollmacht wird nicht weitergeführt. Differenziert wird, gerade im Hinblick auf den gebotenen Verkehrsschutz, zwischen der Bevollmächtigung im Innenverhältnis (siehe hierzu im Folgenden unter A.) und der Erklärung über die Bevollmächtigung im Außenverhältnis (siehe hierzu im Folgenden unter B.).

530  Dölle, Juristische Entdeckungen, B3  ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 32 II, S. 431.

152

Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

A. Die reine Innenvollmacht I. Die Innenvollmacht in Abhängigkeit zu dem Grundverhältnis 1. Entstehung In aller Regel wird eine Vollmacht in Zusammenhang mit einem Auftrag oder einem sonstigen Grundgeschäft erteilt. In diesem Fall wird der Geschäftsherr seinen Stellvertreter regelmäßig nur unter der Voraussetzung mit Vertretungsmacht ausstatten wollen, dass dieser im Innenverhältnis gegenüber dem Geschäftsherrn an bestimmte Pflichten gebunden ist. Das setzt jedoch die Wirksamkeit des Grundgeschäfts voraus. Löst man sich von der Abstraktheit der Vollmacht und berücksichtigt diesen typischen Parteiwillen, führt die Anwendung der allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre regelmäßig zu einem Gleichlauf von Vollmacht und Grundgeschäft: Wird die Vollmacht vor dem Abschluss des Grundgeschäfts erteilt, wird typischerweise ein Bedingungszusammenhang nach § 158 BGB bestehen. Noch häufiger liegt aber der Fall vor, dass die Erteilung der Innenvollmacht mit dem Abschluss des Grundgeschäfts zusammenfällt. Gemäß § 139 BGB ist im Fall der Nichtigkeit des Grundgeschäfts dann auch die Bevollmächtigung nichtig, sofern nicht anzunehmen ist, dass der Geschäftsherr die Vollmacht unabhängig von einer Pflichtbindung seines Vertreters im Innenverhältnis erteilen wollte. Die Anwendung des § 139 BGB erlaubt damit eine interessengerechte und flexible Lösung531. 2. Umfang und Erlöschen Hinsichtlich des Umfangs der Vollmacht ist die Bevollmächtigungserklärung des Geschäftsherrn nach §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des Grundverhältnisses auszulegen; dies wird regelmäßig zu einer Übereinstimmung beider Rechtsgeschäfte führen. Das gilt jedenfalls für den Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht. Dagegen spielt in der Diskussion soweit ersichtlich bislang kaum eine Rolle, ob die Vollmacht auch an nachträglichen ­Änderungen des Grundgeschäfts teilhat. Hiermit ist die oben bereits identifizierte zeitliche Dimension der Abstraktheit angesprochen532. Nach herrschendem Verständnis bleibt die einmal erteilte Vollmacht bis zu einem etwaigen Widerruf oder ihrem Erlöschen aus sonstigem Grund statisch in dem Umfang bestehen, in dem sie ursprünglich erteilt wurde. So besteht hinsichtlich der 531  So

bereits Rosenberg, Stellvertretung, § 23, S. 763 ff. hierzu oben in Kapitel 2 unter C. I. 4.

532  Siehe



A. Die reine Innenvollmacht153

transmortalen Vollmacht weitgehend Einigkeit dahingehend, dass der Stellvertreter unabhängig von dem durch den Erbfall eingetretenen Wechsel in der Person des Geschäftsherrn und einem damit ggf. einhergehenden Wechsel der Interessen nach außen weiterhin in dem Umfang zur Vertretung legitimiert ist, wie dies nach der ursprünglichen Bevollmächtigungserklärung des Erblassers vorgesehen war. Lediglich aus dem Grundverhältnis soll danach eine Änderung der Pflichtbindung erfolgen; der Anwendungsbereich des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist eröffnet. Geht man hingegen von einem Gleichlauf von Vollmacht und Grundgeschäft auch im zeitlichen Verlauf nach Erteilung der Vollmacht aus, kann sich der Umfang der Vollmacht nach ihrer Erteilung ändern, ohne dass der Geschäftsherr ausdrücklich die Vollmacht widerrufen oder ändern müsste. In den Fällen, in denen der Geschäftsherr den Auftrag seines Stellvertreters ausdrücklich ändert, folgt ein solcher Gleichlauf notwendig aus den bisher vorgebrachten Argumenten. Denn der Stellvertreter, dessen Auftrag nachträglich ausdrücklich beschränkt wird, wird kaum je davon ausgehen, dass seine mit dem Auftrag in einem Atemzug gemeinsam erteilte Vollmacht von der Änderung des Auftrags unberührt bleiben und somit über diesen hinausgehen soll. Das gleiche muss aber auch dann gelten, wenn sich nach Erteilung von Auftrag und Vollmacht, aber vor Abschluss des Vertretergeschäfts äußere oder innere Umstände in einer Weise ändern, dass der Geschäftsherr an dem ursprünglich intendierten Vertretergeschäft keinerlei Interesse mehr haben kann und der Stellvertreter hiervon Kenntnis erlangt. Aus dem Grundgeschäft folgt für Letzteren in einem solchen Fall die Pflicht, auf die geänderte Interessenlage des Geschäftsherrn Rücksicht zu nehmen. Besteht das Grundgeschäft jedoch maßgeblich in einem Auftrag zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts im Namen des Geschäftsherrn, besteht die Erfüllung dieser Pflicht darin, das ursprünglich intendierte Vertretergeschäft nicht oder nur in entsprechend abgeänderter Form oder jedenfalls nur nach Rücksprache mit dem Geschäftsherrn abzuschließen. Diese Pflicht, bei Ausübung der Vollmacht jederzeit auf die gegebenenfalls wechselnden Interessen des Geschäftsherrn Rücksicht zu nehmen, folgt damit bereits aus dem Grundgeschäft und schlägt von dort auf die Vollmacht durch. Sie ist aber auch der Vollmacht selbst immanent, versteht man die Vollmacht wie hier als Verbindungsstück zwischen dem Handeln des Stellvertreters und der daraus resultierenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Geschäftsherrn. Denn der ureigenste Zweck der Vollmacht besteht gerade darin, die Bindungswirkung des Vertretergeschäfts für und gegen den Geschäftsherrn zu legitimieren, der an dem Zustandekommen dieses Geschäfts einzig und allein mittels der Bevollmächtigung beteiligt ist. Die Vollmacht legitimiert mithin das fremdwirksame rechtsgeschäftliche Handeln im Bereich der direkten Stellvertretung. Ihre Funktion als Bindeglied kann sie jedoch aus willenstheoretischer Sicht nur dann erfüllen, wenn sie nicht auch zu einer Vertretung gegen den Willen des Vertretenen berechtigt. Nach dem Willen

154

Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

des Geschäftsherrn soll die Vollmacht allein dazu dienen, dem Bevollmächtigten ein rechtsgeschäftliches Handeln mit Wirkung für und gegen den Geschäftsherrn in dessen Interesse zu ermöglichen. Die Vollmacht ist damit immer darauf gerichtet, den Willen und die subjektiven Interessen des Geschäftsherrn im Rechtsverkehr zu verwirklichen. Eine dem Willen oder den subjektiven Interessen des Geschäftsherrn entgegenstehende Ausübung der Vollmacht widerspricht daher immer auch ihrem Zweck. Dies folgt bereits aus dem Wesen der Vollmacht selbst, unabhängig von der Pflichtbindung des Vertreters im Innenverhältnis und damit auch unabhängig von der Frage der Abstraktheit der Vollmacht533. Der Stellvertreter kann mithin auch dem Sinn und Zweck der Vollmacht selbst zuwider handeln. Damit bleibt aber weiterhin offen, ob die Vollmacht auch an einer Änderung der Interessenlage des Geschäftsherrn partizipiert und sich dieser gleichsam dynamisch anpasst oder ob die Vollmacht, sobald sie einmal erteilt wurde, statisch in ihrer ursprünglichen Gestalt bestehen bleibt – in diesem Fall würde die Pflicht, eine einmal geänderte Interessenlage zu berücksichtigen, lediglich aus dem Grundverhältnis folgen534. Nimmt man die Interessen der Beteiligten genauer in den Blick, erscheint diese Lösung jedoch fragwürdig: Der Bevollmächtigungswille des Geschäftsherrn geht dahin, dass die von ihm erteilte Vollmacht nur in seinem Interesse eingesetzt wird und zwar auch dann, wenn eine Pflichtbindung im Innenverhältnis nicht besteht. Für den Bevollmächtigten ist es nicht immer ohne weiteres erkennbar, ob das konkrete Vertretergeschäft dem Willen und den Interessen des Geschäftsherrn entspricht. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Wille oder das Interesse des Geschäftsherrn nach der Vollmachtserteilung, aber vor ihrer Ausübung durch den Bevollmächtigten ändert. Das kann der Fall sein, wenn es sich der Geschäftsherr schlicht und ergreifend „anders überlegt“. Eine Änderung des Willens oder der Interessen des Vertretenen kann aber auch dadurch hervorgerufen werden, dass – wie im Fall der transmortalen Vollmacht – ein Wechsel in der Person des Geschäftsherrn eintritt. Die Interessenwidrigkeit wird dem Stellvertreter jedoch spätestens in dem Moment bekannt, in dem der Geschäftsherr die Bevollmächtigung widerruft. In diesem Moment erlischt die Vollmacht gemäß § 168 S. 2 BGB; tritt der nunmehr ehemalige Stellvertreter dennoch als Vertreter im Rechtverkehr auf, ist das von ihm abgeschlossene Vertretergeschäft 533  Ähnlich für das Schweizer Recht: Schnurrenberger, Vollmacht und Grundverhältnis, S. 122 f., nach dem die Vollmacht unabhängig von dem Bestehen eines Grundverhältnisses mit einem Vertrauensverhältnis verknüpft sei, aus dem die Pflicht des Bevollmächtigten folge, seine Vertretungsmacht nach Treu und Glaube auszuüben. 534  Hieran wird deutlich, dass die bereits identifizierte zeitliche Komponente der Abstraktheit der Vollmacht über das herkömmliche Verständnis von der Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft hinausgeht.



A. Die reine Innenvollmacht155

gemäß § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam und er selbst haftet gege­ benenfalls als falsus procurator gemäß § 179 BGB. Ist dem Stellvertreter die Interessenwidrigkeit des Vertretergeschäfts positiv bekannt oder ist sie evident in dem Sinne, dass der Geschäftsherr den Stellvertreter bei Kenntnis der Sachlage erkennbar nicht bevollmächtigt hätte, erscheint ein starres Festhalten am Widerrufserfordernis wenig sinnvoll. Auch in diesem Fall muss die Vollmacht als erloschen gelten. Berechtigte Interessen des Dritten sind davon nicht berührt, soweit man unterstellt, dass eine reine Innenvollmacht vorliegt und der Dritte keinerlei Bestätigung der Vertretungsmacht von Seiten des Geschäftsherrn hat. Die zentrale Funktion der Vollmacht als Bindeglied zwischen dem rechtsgeschäftlichen Handeln des Vertreters und dem Eintritt der Bindungswirkung in der Person des Geschäftsherrn spricht dafür, die Vollmacht in obigem Sinne dynamisch zu denken. Ändern sich nach Erteilung der Vollmacht die Interessen des Geschäftsherrn oder tritt eine solche Änderung ein, weil die Person des Geschäftsherrn wechselt (was nicht zwingend miteinander einhergehen muss), so dass die Ausübung der Vollmacht dem Willen des Geschäftsherrn nunmehr zuwider laufen würde und ist dies dem Stellvertreter bekannt oder aber evident, ändert sich die Vollmacht in ihrem Umfang entsprechend. Dies kann bis zu einer „Reduzierung auf Null“ gehen, wenn jeglicher Gebrauch der Vollmacht dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entgegenstünde. Die Vollmacht des Vertreters ist dann faktisch erloschen und ihr Widerruf dient nur noch dem Ziel, zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen; er wirkt insofern rein deklaratorisch. Schließt der Vertreter dennoch ein dem Willen oder den Interessen des Geschäftsherrn widersprechendes Geschäft ab, handelt er mithin als Vertreter ohne Vertretungsmacht, ohne dass der Geschäftsherr den Widerruf der Vollmacht zuvor erklärt haben müsste535. Maßgeblich für den Vollmachtsumfang sind die subjektiven Interessen des Geschäftsherrn. Dies zeigt bereits ein Vergleich mit dem Eigengeschäft: Auch hier steht es jedermann frei, ein für sich objektiv nachteiliges Rechtsgeschäft abzuschließen. Allein die Tatsache, dass sich der Geschäftsherr bei Abschluss des Geschäfts vertreten lässt, gibt keinerlei Anlass, diese Möglichkeit zu begrenzen; dies würde vielmehr das Institut der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung ohne Not einschränken. Die objektive Nachteilhaftigkeit des Geschäfts und die ihr zugrunde liegenden Umstände sind aber als Indizien zu berücksichtigen, wenn dem Stellvertreter der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn nicht positiv bekannt ist und sich die Frage stellt, ob das Vertretergeschäft evident dem Interesse des Geschäftsherrn widerspricht. Im Sinne eines sicheren Rechtsverkehrs unter Einsatz von Stellvertretern ist aber 535  Siehe

A. III.

zu der Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht sogleich unter

156

Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

auch hier erforderlich, dass nicht jede mögliche Interessenwidrigkeit zu einer Änderung des Umfangs der Vertretungsmacht führt; vielmehr ist darauf abzustellen, ob das konkrete Vertretergeschäft den Interessen des Geschäftsherrn derart offensichtlich entgegenläuft, dass davon auszugehen ist, dass er bei Kenntnis der Sachlage die Vollmacht nicht oder nicht in diesem Umfang erteilt hätte. Dabei muss für die Frage der Evidenz eines entgegenstehenden Willens immer der Standpunkt des Stellvertreters in der konkreten Situation mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen und Kenntnisnahmequellen maßgeblich sein, da nur bei für den Stellvertreter evidenter Interessenwidrigkeit der Widerspruch als entbehrlich gelten kann. Ist der Umfang der Vertretungsmacht damit dynamisch Änderungen unterworfen, kann dies durchaus dazu führen, dass ein und dasselbe Rechtsgeschäft einmal wirksam zustande kommt und einmal scheitert, je nach dem, ob es in der konkreten Situation von dem Geschäftsherrn selbst oder seinem Stellvertreter abgeschlossen wird. Dies soll an folgendem Beispielsfall deutlich werden: G beabsichtigt, im Wege des Eigengeschäfts einen ganz bestimmten Gebrauchtwagen eines speziellen Typs zu erwerben und beauftragt V mit dem Kauf passender Winterreifen. Der Autokauf platzt, dennoch kauft V im Namen von G einen Satz Winterreifen. Wusste V bei dem Erwerb der Winterreifen nicht, dass der Autokauf gescheitert ist, handelte er mit Vertretungsmacht und G ist an den Kaufvertrag gebunden. Erlangte V indes vor dem Kauf der Winterreifen Kenntnis von dem Scheitern des Autokaufs, handelte er im Widerspruch zu den für ihn evidenten Interessen des G und damit nicht nur pflichtwidrig, sondern nach der hier vertretenen Ansicht auch ohne Vertretungsmacht. Dies gilt unabhängig davon, ob G selbst zum Zeitpunkt des Reifenkaufs von dem Scheitern des Autogeschäfts Kenntnis hatte. Auch wenn G also zu diesem Zeitpunkt die Winterreifen selbst noch gekauft hätte, ist er an den von V geschlossenen Vertrag nicht gebunden, da dieser als falsus procurator handelte. Im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter leuchtet es dabei unmittelbar ein, dass das Ergebnis jeweils ein anderes ist, je nach dem, welchen Kenntnisstand der Stellvertreter bei Abschluss des Vertretergeschäfts hatte, mag dessen Kenntnisstand auch von dem des Geschäftsherrn abweichen. In der Praxis wird dies sogar häufig mit ein Grund für den Einsatz von Stellvertretern sein, nämlich dass dieser z. B. in der Abwesenheit des Geschäftsherrn auf geänderte Umstände angemessen reagieren und die Interessen des Geschäftsherrn dabei wahren kann, auch wenn der Geschäftsherr von den geänderten Umständen selbst noch keine Kenntnis hat. Im Außenverhältnis folgt hieraus jedoch ein erhöhtes Risiko für den Dritten dahingehend, dass das Vertretergeschäft mangels Vertretungsmacht nicht wirksam sein könnte, ohne dass es für ihn bei Abschluss des Geschäfts hierfür irgendwelche Anzeichen gibt. Kennt der Stellvertreter indes bei Vertragsschluss den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn



A. Die reine Innenvollmacht157

oder war dieser für ihn evident, weiß er auch von dem Mangel seiner Vertretungsmacht und haftet gegenüber dem Dritten folglich nach § 179 Abs. 1 BGB. Der Schutz des Dritten ist damit aber dennoch im Vergleich zu einer Geltung des Abstraktionsprinzips zwischen Vollmacht und Grundverhältnis herabgesenkt und bedarf daher noch weiterer Untersuchung. An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten, dass durch die hier vertretene Konzeption ein Gleichlauf zwischen Grundgeschäft und Vollmacht hergestellt ist: Ändern sich äußere oder innere Umstände in einer Weise, dass der Geschäftsherr bei Kenntnis dieser Umstände den Auftrag so nie oder nur in geänderter Form erteilt hätte und ist dies dem Auftragnehmer bekannt oder ist dies für ihn jedenfalls evident, ist er im Innenverhältnis zu dem Geschäftsherrn verpflichtet, hierauf Rücksicht zu nehmen und den Auftrag nicht, nicht so oder nicht zu diesem Zeitpunkt auszuführen. Nach der hier vertretenen Ansicht ändert sich in diesem Fall auch der Umfang der Vertretungsmacht entsprechend, ohne dass es hierfür eines Widerrufs bedarf. Die im Innenverhältnis zum Geschäftsherrn bestehende Pflichtenbindung des Stellvertreters schlägt damit unmittelbar auf den Umfang der Vollmacht durch. Schließt der Vertreter das dem Willen des Geschäftsherrn zuwiderlaufende Rechtsgeschäft ab, obwohl er erkannt hat oder es für ihn auf der Hand lag, dass der Geschäftsherr ihn bei Kenntnis aller Umstände hierzu nie und nimmer bevollmächtigt hätte, handelt er ohne Vertretungsmacht. Für das Erlöschen des Grundgeschäfts ordnet § 168 S. 1 BGB den Gleichlauf bereits an; die Vollmacht erlischt in diesem Fall ebenfalls. Für die Innenvollmacht handelt es sich hierbei jedoch um eine rein deklaratorische Regelung, da die Auslegung der Bevollmächtigungserklärung regelmäßig zu demselben Ergebnis führt. 3. Entbehrlichkeit der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht Geht man mit dem bisher Gesagten davon aus, dass die Innenvollmacht stets darauf gerichtet ist, den Willen und die Interessen des Geschäftsherrn im Rechtsverkehr zu verwirklichen, und kann sich ihr Umfang entsprechend bis hin zu einer „Reduzierung auf Null“ ändern, sofern dem Stellvertreter die geänderte Interessenlage positiv bekannt oder für ihn jedenfalls evident ist, wird die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht obsolet. Dies ist auch insofern nur folgerichtig, als es sich hierbei um eine reine Hilfskons­ truktion von Rechtsprechung und Lehre handelt, mit der unerwünschte Folgen der Abstraktheit der Vollmacht aufgefangen werden sollten. Denkt man die Vollmacht hingegen als abhängig von ihrem Grundgeschäft und noch weitergehend als dynamisch möglichen Interessenänderungen des Geschäfts-

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

herrn unterworfen, dann entfällt die Notwendigkeit für eine solche Hilfskonstruktion: Denn in den Fällen, die unter dem Schlagwort von dem Missbrauch der Vertretungsmacht behandelt werden, geht es im Ausgangspunkt immer um die Frage nach der Wirksamkeit eines Vertretergeschäfts, das entweder konkreten Weisungen im Innenverhältnis oder unabhängig davon den Interessen und dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn zuwiderläuft. Erstrecken sich Weisungen, die im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter ergehen, auch auf die Vollmacht, handelt der Stellvertreter, wenn er diese Weisungen bei Abschluss des Vertretergeschäfts missachtet, bereits ohne Vertretungsmacht und zwar unabhängig von einer Kenntnis des Dritten von der Weisungswidrigkeit. Missachtet der Vertreter zwar keine konkrete Weisung, verletzt das Vertretergeschäft aber die Interessen und den (mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn und ist dies dem Stellvertreter bekannt oder für ihn evident, ist dieses Geschäft ebenfalls nicht von der Vertretungsmacht gedeckt und zwar unabhängig davon, ob die Interessenwidrigkeit für den Dritten erkennbar war oder ob dieser sogar mit dem Vertreter kollusiv zum Nachteil des Geschäftsherrn zusammengewirkt hat. 4. Zwischenergebnis Die Anwendung der allgemeinen Regeln führt damit typischerweise zu einer Abhängigkeit der Innenvollmacht von dem Grundverhältnis. Aus dem Grundsatz der Privatautonomie und dem stellvertretungsrechtlichen Trennungsprinzip folgt jedoch, dass der Vollmachtgeber auch eine in Bestand oder Umfang von einem Grundgeschäft unabhängige Vollmacht erteilen kann (isolierte Vollmacht). Dies bedarf allerdings einer ausdrücklichen Erklärung. Denn im Zweifelsfall wird der Stellvertreter die Bevollmächtigungserklärung dahingehend verstehen müssen, dass er in dem Rahmen zur Vertretung des Geschäftsherrn ermächtigt werden soll, in dem er nach dem zugrunde liegenden Grundgeschäft auch zur Vertretung berechtigt ist. Versteht man die Vollmacht als Element der Rückkoppelung an den Willen des aus dem Vertretergeschäft Verpflichteten, folgt daraus, dass ein Handeln des Vertreters gegen den ihm bekannten Willen oder für ihn evidente subjektive Interessen des Geschäftsherrn von der Vollmacht nicht gedeckt ist. Der Vertreter handelt in einem solchen Fall ohne Vertretungsmacht. Ob das Vertretergeschäft dennoch Wirksamkeit erlangt oder ob das Regime der §§ 177 ff. BGB eingreift, hängt in einem solchen Fall von dem Vorliegen einer wirksamen Außenerklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten ab (siehe hierzu unter B.). Die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht wird damit für die reine Innenvollmacht obsolet. Lehnt man die Abstraktheit der Innenvollmacht damit auch in ihrer zeitlichen Komponente ab, führt dies dazu, dass sich die Vollmacht einer Veränderung der Pflichten des Stellver-



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treters aus dem Innenverhältnis dynamisch anpasst. Damit steigt aber das Risiko des Stellvertreters, ohne Vertretungsmacht zu handeln und bei ausbleibender Genehmigung gegenüber dem Dritten gemäß § 179 BGB zu haften. Ob die Abstraktheit der Vollmacht auch in dieser Hinsicht ohne weiteres negiert werden kann, bedarf daher weiterer Untersuchung (siehe hierzu sogleich unter III). Zunächst ist aber der Dritte in den Blick zu nehmen, der in erster Linie von dem durch die Abstraktheit hergestellten Verkehrsschutz profitiert und der mithin in Folge einer Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundverhältnis unmittelbar in seinen Interessen beeinträchtigt scheint.

II. Der Schutz des Dritten Denkt man die Vollmacht als ein von dem Grundgeschäft getrenntes, aber im Übrigen nicht abstraktes Rechtsgeschäft, führt dies zu dem Ergebnis, dass im Fall der Unwirksamkeit und des Erlöschens des Grundgeschäftes regelmäßig auch die Vollmacht unwirksam ist bzw. erlischt, §§ 139, 168 BGB, und die Vollmacht in ihrem Umfang nicht weiter geht als der ihr zugrunde liegende Auftrag, §§ 133, 157 BGB536. Darüber hinaus kann sich nach dem soeben Gesagten der Umfang der Vollmacht im Laufe der Zeit ändern oder die Vollmacht sogar insgesamt erlöschen, sofern sich die subjektiven Interessen des Geschäftsherrn die Ausübung der Vollmacht betreffend ändern. Es stellt sich die Frage, was dies für den Dritten bedeutet, der von den Details des Grundgeschäfts, insbesondere also auch von möglichen Nichtigkeits- und Erlöschensgründen sowie von dem Umfang des Vertretendürfens regelmäßig keine Kenntnis hat. Schlagen Mängel und Beschränkungen aus dem Grundverhältnis unmittelbar auf die Vollmacht durch, erhöht sich die Zahl der möglichen Fallgestaltungen, in denen der Stellvertreter ohne Vertretungsmacht handelt, ohne dass dies den Beteiligten, also sowohl dem Dritten als aber auch Geschäftsherrn und Stellvertreter notwendigerweise bekannt sein müsste. Das spezifische Risiko eines nicht abstrakten Vollmachtsverständnisses für den Dritten besteht mithin darin, dass der angebliche Vertreter für ihn unerkennbar ohne Vertretungsmacht handelt, da bereits der zugrunde liegende Auftrag entsprechend begrenzt ist oder an einem Nichtigkeitsgrund leidet. Im Folgenden werden daher die gesetzlichen Haftungsmechanismen für den Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht genauer untersucht.

536  Der Auftrag steht hier wiederum pars pro toto für alle in Betracht kommenden Vertragsverhältnisse.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

1. Die Schutzbedürftigkeit des Dritten Die Frage des Drittschutzes stellt sich bei der reinen Innenvollmacht mit anderer Intensität als dies bei der Außenerklärung über die Bevollmächtigung der Fall ist. Denn im Unterschied zu den Fällen der Außenerklärung verlässt sich der Dritte bei Vorliegen einer reinen Innenvollmacht ausschließlich auf die Erklärung des Stellvertreters, er handele im Rahmen einer bestehenden Vollmacht. Eine Bestätigung dieser Behauptung von Seiten des Geschäftsherrn, sei es in Form einer mündlichen Erklärung, sei es in Form einer Vollmachtsurkunde, liegt ihm dagegen nicht vor. Der Dritte, der sich allein auf die Aussage des angeblich Bevollmächtigten verlässt, ist aber in keiner Weise besonders schutzbedürftig. Auch wenn den Dritten keine Nachforschungspflichten hinsichtlich der Vollmacht treffen, ist allein seine Redlichkeit kein hinreichender Grund für die Entstehung von Vertretungsmacht537. Es liegt vielmehr die im Rechtsverkehr in vielen Konstellationen auftretende Situation vor, dass ein Vertragspartner eine Aussage seines Gegenübers zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Stellt sich die Aussage im Nachhinein als falsch heraus und ist sie für die Geschäftsentscheidung des Getäuschten kausal geworden, hat dieser gegenüber seinem Vertragspartner einen Anspruch auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo (c.i.c.), vorausgesetzt Letzterer hat schuldhaft gehandelt. Der geschuldete Ersatz ist jedoch auf das negative Interesse begrenzt538. Hat der angebliche Vertreter gegenüber dem Dritten fälschlicherweise behauptet, er sei zur Vertretung des Geschäftsherrn kraft Vollmacht legitimiert, besteht eine vergleichbare Situation. Das Stellvertretungsrecht, das historisch betrachtet der c.i.c.-Haftung vorausgegangen ist, sieht für den Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht in § 179 BGB allerdings eine spezielle Haftung vor. 2. Die Haftung des falsus procurators nach § 179 BGB Handelt der angebliche Vertreter entgegen seiner Behauptung ohne Vertretungsmacht für den Geschäftsherrn, haftet er in dem Fall, dass der Geschäftsherr das Vertretergeschäft nicht nach § 177 BGB genehmigt, gegenüber dem Dritten aus § 179 BGB. Kannte der Stellvertreter den Mangel der Vertretungsmacht, kann der Dritte gemäß § 179 Abs. 1 BGB von dem falsus procurator nach seiner Wahl Erfüllung oder Ersatz des positiven Interesses verlangen. Absatz 2 der Vorschrift beschränkt die Haftung für den Fall, dass diesem 537  So aber Conrad, Willenserklärung, S. 123. Ein solches Konzept schützt indes einseitig den Dritten zu Lasten des Vertretenen und berücksichtigt damit nicht das Erfordernis, diesen vor ungewollten Bindungen zu schützen, soweit dies der Rechtsverkehr zulässt. Wie hier dagegen Tietz, Vertretungsmacht, S. 62. 538  Staudinger/Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 157.



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der Mangel seiner Vertretungsmacht ebenfalls nicht bekannt war. Der falsus procurator haftet dann nur auf das negative Interesse. Die Vorschrift geht damit in zweierlei Hinsicht über die allgemeine c.i.c.-Haftung hinaus. Erstens kann aus c.i.c. richtigerweise immer nur der Ersatz des negativen Interesses gefordert werden. Zum anderen ist die c.i.c.-Haftung eine reine Verschuldenshaftung, während § 179 Abs. 2 BGB nach herrschender Meinung dem Dritten einen Ersatzanspruch unabhängig von einem Verschulden des Vertreters gewährt539. Der Anspruch des Dritten gegen den falsus procurator ist nach § 179 Abs. 3 BGB allerdings ausgeschlossen, wenn ihm selbst der Mangel der Vertretungsmacht bekannt ist oder wenn es sich bei dem falsus procurator um einen Minderjährigen handelt, der ohne die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat. Letztgenannte Ausnahme ist eine Vorschrift des Minderjährigenschutzes, die insofern eine Sonderfunktion hat. Abgesehen von diesem Sonderfall ist die Haftung des falsus procurators gegenüber dem Dritten also nur bei Kenntnis oder Kennenmüssen des Dritten von dem Fehlen der Vertretungsmacht ausgeschlossen; den Dritten treffen jedoch keine besonderen Nachforschungspflichten540. Das Risiko, dass die behauptete Vertretungsmacht nicht besteht, wird im Verhältnis zwischen dem Vertreter und dem Dritten vielmehr dem angeblichen Vertreter zugewiesen. Der Dritte ist damit weitgehend geschützt: Selbst wenn er den Mangel der Vertretungsmacht hätte erkennen können, sich diesen Umstand aber fahrlässig nicht bewusst gemacht hat, hat er einen Anspruch gegen den falsus procurator aus § 179 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB. Der Dritte hat damit gegen den falsus procurator weitreichende Ersatzansprüche, die auch dann eingreifen, wenn Mängel des Grundgeschäfts unmittelbar auf die Vollmacht durchschlagen und somit zu einer Vertretung ohne Vertretungsmacht führen. Dieser über den Stellvertreter führende Schutz des Dritten könnte aus zwei Gründen jedoch als nicht ausreichend angesehen werden. Zum einen mag der Stellvertreter im Einzelfall nicht in gleichem Maße solvent sein, wie der Geschäftsherr selbst. Das Risiko, mit seinem Ersatzanspruch auszufallen, muss der Dritte jedoch tragen, ist ihm immerhin die Person des Stellvertreters bekannt, auf dessen Aussage er allein vertraut. Will er sich vor dem Ausfall mit einer Forderung gegen den falsus procurator schützen, kann er auf einer Außenerklärung des Geschäftsherrn über die Bevollmächtigung bestehen. 539  BGH, WM 1977, 478, 479; NK-BGB/Ackermann, § 179 Rn. 21; Brox/Walker, Allgemeiner Teil, Rn. 604; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 70; Soergel/Leptien, § 179 Rn. 18; Stadler, Allgemeiner Teil, § 32 Rn. 8; Münchener Kommentar BGB/ Schubert, § 179 Rn. 2; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 51 Rn. 29 und 33; siehe hierzu aber sogleich im Text. 540  BGH, NJW 1990, 387, 388; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1316; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 179 Rn. 53.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Zum anderen ist die Haftung des falsus procurators aus § 179 Abs. 2 BGB nach einer im Vordringen begriffenen Meinung541 auf eine Verschuldenshaftung zu begrenzen. Auf diese Fragestellung und die mit ihrer Beantwortung einhergehenden Konsequenzen für den Drittschutz wird noch einzugehen sein542. 3. Die Haftung des Geschäftsherrn bei Vertretung ohne Vertretungsmacht Der Geschäftsherr wird von dem Auftreten eines falsus procurators in seinem Namen grundsätzlich nicht berührt. § 177 Abs. 1 BGB sieht im Interesse sowohl des Geschäftsherrn als auch des Dritten lediglich vor, dass Ersterer den Geschäftsabschluss im Wege der Genehmigung an sich ziehen und ihm damit zur Wirksamkeit verhelfen kann. Verweigert der Geschäftsherr die Genehmigung, muss er keine negativen Konsequenzen aus dem Handeln des falsus procurators befürchten. Trotz Fehlens der Vertretungsmacht kommt das Vertretergeschäft mit dem Geschäftsherrn unabhängig von dessen Genehmigung in den Fällen zustande, in denen das Gesetz bei einem Fortfall des Grundgeschäfts und der Vollmacht den Fortbestand beider Rechtsgeschäfte fingiert, §§ 674, 729, 169 BGB. Diese Vorschriften dienen zwar in erster Linie dem Schutz des Stellvertreters; sie kommen aber reflexartig auch dem Dritten zugute, der bei Abschluss des Vertretergeschäfts ebenfalls keine Kenntnis von dem Fortfall des Grundgeschäfts und damit der Vollmacht hat. Eine eigenständige Haftung des Geschäftsherrn für das Fehlen der Vertretungsmacht kommt dann in Betracht, wenn der Geschäftsherr die Ursache hierfür gesetzt hat, so im Fall der nachträglichen Anfechtung der bereits ausgeübten Vollmacht. Ficht der Geschäftsherr eine Außenerklärung über die Bevollmächtigung an, haftet er gegenüber dem Dritten aus § 122 BGB. Ein unmittelbarer Ersatzanspruch des Dritten gegenüber dem Geschäftsherrn ist indes auch dann zu bejahen, wenn der Geschäftsherr eine bereits ausgeübte Innenvollmacht anficht543. Zwar ist nach dem Wortlaut des § 122 BGB in diesem Fall der Vertreter ersatzberechtigt. Die strikte Beachtung des Wortlauts würde aber nur zu einem „Regresszirkel“ führen: Der Dritte hätte einen Anspruch gegen den Vertreter aus § 179 BGB, dieser wiederum könnte seinen Schaden 541  Hoffmann, JZ 2012, S. 1156, 1164; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 293 f. Für eine Verneinung der Haftung jedenfalls in Extremfällen: Flume, Rechtsgeschäft, § 47 3 c, S. 807 f.; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1315; Soergel/ Leptien, § 179 Rn. 18. 542  Siehe hierzu unten in Kapitel 3 unter A. III. 2. 543  Siehe zum Folgenden: Flume, Rechtsgeschäft, § 52 5, S. 870 f.



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bei dem Geschäftsherrn gemäß § 122 BGB liquidieren. Dieses Ergebnis entspricht offensichtlich weder dem Interesse der Parteien noch dem eigentlichen Zweck der Anfechtung. Denn dem Geschäftsherrn geht es bei der Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht in erster Linie nicht um die Beseitigung der Vollmacht – dann stünde ihm auch ein Widerruf mit Wirkung ex-nunc offen – sondern um die Loslösung von dem Vertretergeschäft mit dem Dritten. Die Anfechtung richtet sich daher ihrem Sinn und Zweck nach gegen den Dritten, dem damit richtigerweise der Ersatzanspruch aus § 122 BGB zusteht544. Andernfalls müsste der Dritte das Insolvenzrisiko des Vertreters in einem Fall tragen, in dem das verwirklichte Risiko nicht aus dessen Sphäre, sondern vielmehr aus der Sphäre des anfechtenden Geschäftsherrn stammt. Die Besserstellung des Dritten gegenüber einer dem Wortlaut des Gesetzes folgenden Haftungskette ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt. Steht dem Dritten damit im Fall der angefochtenen Innenvollmacht ein Ersatzanspruch gegen den Geschäftsherrn zu, verbleiben damit die Fälle, in denen Grundgeschäft und Vollmacht von Anfang an an einem unmittelbar zur Nichtigkeit führenden Mangel leiden, wie z. B. einem unerkannten Dissens, einem Formfehler oder der fehlenden Genehmigung des gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Stellvertreters. Fällt in einem solchen Fall eine Haftung des Vertreters aus § 179 BGB z. B. wegen der Haftungsbeschränkung des § 179 Abs. 3 S. 2 BGB aus, trifft das Risiko zunächst allein den Dritten und zwar auch dann, wenn dieser die Mangelhaftigkeit von Grundgeschäft und Vollmacht weder kannte noch kennen musste. Er wird damit mit erheblichen Risiken aus dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Vertreter belastet, in das er regelmäßig keinerlei Einblick hat. Ist dem Geschäftsherrn jedoch dahingehend ein Verschuldensvorwurf zu machen, dass sein Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt, ist diese einseitige Risikoverteilung zu Lasten des gutgläubigen Dritten nicht gerechtfertigt. Dies wird besonders deutlich, hält man sich vor Augen, dass erstens auch in dem von § 122 BGB unmittelbar erfassten Fall der Irrtumsanfechtung ein Verschulden des Anfechtenden vorliegt545 und zweitens dem Dritten bei einer Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht ein Ersatzanspruch gegen den Geschäftsherrn aus § 122 BGB ana544  Flume, Rechtsgeschäft, § 52 5 c, S. 870 f. und § 52 5 e, S. 873; Soergel/Leptien, § 166 Rn. 23; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 167 Rn. 53; Petersen, AcP 201 (2001), S. 375, 388 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 26; a. A.: Canaris, Vertrauenshaftung, S. 546; Lüderitz, JuS 1976, 765, 770; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 945; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 82. 545  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, S. 207 ff. A.A freilich die h. M., die den Grund der Haftung aus § 122 BGB in dem enttäuschten Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung sieht, vgl. hierzu Münchener Kommentar/Armbrüster, § 122 Rn. 1 und 3; Erman/A. Arnold, § 122 Rn. 1; NK-BGB/Feuerborn, § 122 Rn. 1; Soergel/Hefermehl, § 122 Rn. 1; Staudinger/Singer, § 122 Rn. 1.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

log zusteht. Der Vergleich mit der Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht lässt die vorhandene Regelungslücke deutlich werden und öffnet gleichzeitig den Blick auf eine möglich Lösung: die Ausweitung der Haftung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten entsprechend § 122 BGB auf solche Fälle, in denen der Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt und der Geschäftsherr die zur Nichtigkeit der Bevollmächtigung führenden Umstände kennt oder kennen muss, ein Auftreten seines vollmachtlosen Vertreters aber nicht verhindert546. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Geschäftsherr die Minderjährigkeit seines Auftragnehmers und Vertreters zwar für möglich hält, diese aber weder ausschließt, noch die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters einholt, so dass sowohl der Auftrag, als auch – nach der hier vertretenen Lehre – dem Auftrag folgend die Bevollmächtigung schwebend unwirksam sind gemäß § 108 Abs. 1 BGB. Der Vertreter handelt in diesem Fall ohne Vertretungsmacht, so dass das Vertretergeschäft nicht wirksam zustande kommt, sofern der Geschäftsherr dieses nicht genehmigt, § 179 Abs. 1 BGB. In letzterem Fall hat der Dritte aber wegen § 179 Abs. 3 S. 2 BGB keinen Anspruch gegen den vollmachtlosen Vertreter. Bliebe man an dieser Stelle stehen, trüge das Risiko allein der Dritte, obgleich sich – gleich dem Fall einer angefochtenen Innenvollmacht – ein Risiko aus dem Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dessen Vertreter verwirklicht hat und dem Geschäftsherrn diesbezüglich ein Verschuldensvorwurf zu machen ist. Die analoge Anwendung des § 122 BGB führt aber gleich in zweierlei Hinsicht zu einem offensichtlich interessengerechten Ergebnis: Zum einen ist die Haftung aus § 122 Abs. 1 BGB auf das negative Interesse beschränkt. Der Geschäftsherr, der schuldhaft einen vollmachtlosen Vertreter losschickt, haftet dem Dritten damit nur in dem Umfang, in dem er auch bei einem sonstigen Verschulden im Rahmen der Vertragsverhandlungen haften würde. Zum anderen verhindert die analoge Anwendung des § 122 BGB aber auch eine ausufernde Haftung des Geschäftsherrn, ist diese doch nach § 122 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Dritte seinerseits die zur Mangelhaftigkeit der Bevollmächtigung führenden Umstände kannte oder kennen musste. 4. Zwischenergebnis Der Dritte kann mithin durch die direkte und entsprechende Anwendung der bestehenden gesetzlichen Haftungsmechanismen umfassend vor den Folgen einer Vertretung ohne Vertretungsmacht geschützt werden. Warum 546  Für das Auftreten eines geschäftsunfähigen Vertreters vertritt auch Münchener Kommentar BGB/Armbrüster, § 122 Rn. 8 eine Haftung des Vollmachtgebers analog § 122 BGB, jedoch ohne ein Verschulden vorauszusetzen; die Haftung entsprechend § 122 BGB wird vielmehr als Vertrauenshaftung für „Mängel der eigenen Sphäre“ verstanden.



A. Die reine Innenvollmacht165

der Dritte darüber hinaus des Schutzes der Rechtsordnung durch die Abstraktheit der Vollmacht bedarf, ist nach alldem nicht ersichtlich. Schließt der Bevollmächtigte trotz Unwirksamkeit des Grundgeschäfts und damit nach der hier vertretenen Ansicht ohne Vollmacht ein Rechtsgeschäft im Namen des Geschäftsherrn ab oder geht er hierbei über die ihm durch das Grundgeschäft gesteckten Grenzen hinaus, handelt er als falsus procurator mit den oben dargelegten Folgen. Der Dritte wird also durch die Rechtsordnung auch bei einer Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundverhältnis nicht schutzlos gestellt. Er hat vielmehr die Möglichkeit, den angeblich Vertretenen zur Genehmigung aufzufordern, § 177 Abs. 2 BGB. Bleibt die Genehmigung in den auf die Aufforderung folgenden zwei Wochen aus, kann er von dem falsus procurator nach seiner Wahl Erfüllung des Geschäfts oder Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses fordern, vorausgesetzt, der Vertreter wusste von dem Fehlen seiner Vertretungsmacht, § 179 Abs. 1 BGB547. Ist dem Geschäftsherrn wiederum ein Verschuldensvorwurf dahingehend zu machen, dass er den Mangel an Vertretungsmacht kannte oder hätte kennen müssen und das Auftreten seines vollmachtlosen Vertreters dennoch nicht verhinderte, haftet Ersterer gegenüber dem Dritten aus § 122 BGB analog. Dieses Ergebnis ist interessengerecht. Will der Dritte sichergehen, dass das intendierte Vertretergeschäft auf jeden Fall zustande kommt, kann er von dem angeblichen Vertreter die Vorlage einer Vollmachtsurkunde einfordern. Oder aber er versichert sich bei dem Geschäftsherrn, ob die behauptete Vertretungsmacht in dem erforderlichen Umfang besteht. Aufgrund des stellvertretungsrechtlichen Offenkundigkeitsprinzips ist dem Dritten die Vertretungssituation bei Abschluss des Vertretergeschäfts auch in aller Regel bekannt. Ist dies nicht der Fall, ist es dem Dritten regelmäßig gleichgültig, mit wem er kontrahiert (so genanntes „Geschäften für den, den es angeht“). Er ist daher auch durch einen Anspruch gegen den angeblichen Vertreter aus § 179 Abs. 1 BGB in Form der Erfüllungswahl ausreichend geschützt. Als problematischer könnten sich hier unter dem Aspekt des Drittschutzes die Fälle gestalten, in denen zwar feststeht, dass eine Vertretungssituation vorliegt, der Vertretene aber erst nach Abschluss des Vertretergeschäfts individualisiert wird (das so genannte „offene Geschäft für den, den es angeht“). Dann besteht für den Dritten keine Möglichkeit, von dem Geschäftsherrn vor Vertragsschluss eine Bestätigung über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsmacht zu erlangen. Der Vertrag kommt erst mit der Bestimmung des Vertretenen zustande548; wird der Vertretene auch später gegenüber dem Dritten nicht namentlich genannt oder eine Bestimmung pflichtwidrig verweigert, haftet der 547  Zur

Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB siehe sogleich im Text. NJW 1998, 62, 63; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1379.

548  BGH,

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Vertreter dem Dritten analog § 179 BGB549. Lässt sich der Dritte auf ein solches Geschäft ein, wird es ihm auf die konkrete Person seines Vertragspartners aber ebenfalls nicht ankommen, so dass er auch in diesem Fall durch die Haftung des Vertreters aus § 179 BGB analog ausreichend geschützt ist.

III. Der Schutz des Vertreters Fällt die Vollmacht wegen eines Mangels des Grundverhältnisses weg oder ändert sich der Umfang der Vollmacht dynamisch im Laufe der Zeit, läuft der Vertreter Gefahr, gemäß § 179 BGB als falsus procurator gegenüber dem Dritten zu haften. Diese Haftung trifft ihn – beschränkt auf das negative Interesse – nach herrschender Meinung gemäß § 179 Abs. 2 BGB selbst dann, wenn er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Kenntnis von dem Mangel seiner Vertretungsmacht hatte und dies ihm auch nicht vorgeworfen werden kann550. Das Gesetz schützt den Vertreter vor diesem Risiko in den Fällen, in denen es den Fortbestand der Vollmacht fingiert, §§ 674, 729, 169 BGB551. Mit der Aufgabe der Abstraktheit der Vollmacht steigt die Zahl der möglichen Nichtigkeits- und Beendigungsgründe der Vollmacht. Gibt man zudem auch die zeitliche Komponente der Abstraktheit auf, steigt zudem das Risiko für den Vertretenen, dass sich die subjektiven Interessen des Geschäftsherrn derart ändern, dass damit auch eine Änderung oder sogar ein Erlöschen der Vollmacht einhergeht. Denn im Unterschied zu der Rechtslage bei Annahme der Abstraktheit führen die Nichtigkeit, Beschränkungen und die Beendigung des Grundgeschäfts dann grundsätzlich auch zu der Nichtigkeit, Beschränkungen und der Beendigung der Vollmacht. Ein Vorschlag, der auf die Abstraktheit der Vollmacht verzichten möchte, ist daher auch darauf zu überprüfen, ob damit das Risiko des Vertreters, einer Haftung gegenüber dem Dritten nach § 179 BGB ausgesetzt zu sein, auf ein nicht mehr tragbares Maß erhöht wird. Die Grenze der Tragbarkeit wird dann 549  BGHZ 129, 136, 149  ff.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 49 Rn. 48 und Fn. 80. 550  BGHZ 53, 210, 217; BGH, NJW 1989, 894; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1632; Palandt/Ellenberger, § 179 Rn. 1; Erman/G.Maier-Reimer, § 179 Rn. 1; Petersen, Jura 2010, S. 904, 905; Staudinger/Schilken, § 179 Rn. 11; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 179 Rn. 2; Bamberger/Roth/Valenthin, § 179 Rn. 1; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 51 Rn. 21. 551  Einen anderen Weg wählt die Insolvenzordnung, die die Vollmacht nur in den Fällen einer Notgeschäftsführung zum Schutz der Masse fingiert, §§ 115 Abs. 2, 117 Abs. 2 InsO; den Vertreter aber bei Nichtkenntnis von der Insolvenzeröffnung und dem damit nach § 117 Abs. 1 InsO einhergehenden Erlöschen der Vollmacht vor einer Haftung aus § 179 BGB schützt, § 117 Abs. 3 InsO.



A. Die reine Innenvollmacht167

erreicht sein, wenn das Risiko ein Ausmaß annimmt, das befürchten lässt, dass ein verständiger Teilnehmer am Rechtsverkehr von der Übernahme einer Stellvertretung aus Angst vor den Haftungsrisiken Abstand nimmt. 1. Identifizierung des Haftungsrisikos a) Die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts Auch bei einem abstrakten Vollmachtsverständnis kann Fehleridentität bestehen und somit ein Mangel, der zur Unwirksamkeit oder zur Anfechtbarkeit des Grundgeschäfts führt, auch die Vollmacht erfassen. In diesen Fällen wirkt sich die Abstraktheit der Vollmacht im Ergebnis mithin nicht aus; die Vollmacht ist ebenso wie das Grundgeschäft nichtig oder anfechtbar und der Vertreter, der dennoch mit dem Dritten ein Vertretergeschäft schließt, handelt – in letzterem Fall bei erfolgreicher Anfechtung – als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Verweigert der Geschäftsherr die Genehmigung, haftet sein angeblicher Vertreter gegenüber dem Dritten nach Maßgabe des § 179 BGB552. Es wurden jedoch bereits Fallgestaltungen identifiziert, in denen regelmäßig keine Fehleridentität vorliegt553. In diesen Fällen könnte das Haftungsrisiko des Stellvertreters mithin durch eine Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundverhältnis erhöht werden. aa) Die Bevollmächtigung eines Minderjährigen Wird ein Minderjähriger und damit nach § 106 BGB beschränkt Geschäftsfähiger bevollmächtigt, ohne dass der gesetzliche Vertreter in den Abschluss des zugehörigen Grundgeschäfts eingewilligt hätte, ist eine Haftung des minderjährigen Bevollmächtigten durch § 179 Abs. 3 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Abstraktheit der Vollmacht ist also nicht erforderlich, um den minderjährigen Bevollmächtigten vor einer Haftung als falsus procurator zu schützen.

552  Die Haftung greift jedoch nur dann ein, wenn der Mangel der Vertretungsmacht für das Ausbleiben des Vertretungserfolgs auch kausal geworden ist; hätte das angestrebte Geschäft mit dem Vertretenen selbst nicht abgeschlossen werden können, z. B. weil dieser geschäftsunfähig ist, haftet auch der falsus procurator nicht nach § 179 BGB; vgl. Palandt/Ellenberger, § 179 Rn. 2; Erman/G.Maier-Reimer, § 179 Rn. 5. 553  Siehe hierzu oben in Kapitel 2 unter C. I. 1.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

bb) Die Bevollmächtigung durch einen Minderjährigen Im umgekehrten Fall, der Bevollmächtigung durch einen Minderjährigen, welche ohne die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erfolgt, ist die Bevollmächtigung als einseitiges Rechtsgeschäft gemäß § 111 BGB unwirksam, ohne dass die Möglichkeit einer Genehmigung bestünde. Hier könnte sich mithin das Problem ergeben, dass trotz Wirksamkeit des Grundgeschäfts (das als zweiseitiges Rechtsgeschäft gemäß § 108 BGB auch nachträglich genehmigt werden kann) der Vertreter des Minderjährigen als falsus procurator handelt. Zum Teil wird angenommen, dass die Genehmigungsfähigkeit des Grundverhältnisses auf die Vollmacht zu erstrecken sei, wenn die Bevollmächtigungserklärung aus Sicht der Parteien mit einem genehmigungsfähigen Vertrag eine Einheit bildet554. Damit wird auch von den Vertretern eines abstrakten Vollmachtsverständnisses ein Gleichlauf beider Rechtsgeschäfte herbeigeführt. Aus Sicht einer abhängigen Vollmachtskonzeption ist dieses Ergebnis erst recht folgerichtig: Die Genehmigungsfähigkeit des Grundgeschäfts erstreckt sich danach auch auf die Bevollmächtigung. Das Haftungsrisiko des Vertreters des Minderjährigen wird hierdurch aber allenfalls gemindert, wobei es den gesetzlichen Vertretern ohnehin freisteht, das Vertretergeschäft nach § 177 BGB zu genehmigen. cc) Der Dissens bezüglich des Grundgeschäfts Liegt im Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter hinsichtlich des Grundgeschäfts ein Dissens vor, z. B. betreffend die Entgeltlichkeit der auszuführenden Tätigkeit, kann dieser Umstand gemäß §§ 154, 155 BGB dazu führen, dass der Vertrag nicht zustande kommt. Nach einem abstrakten Vollmachtsverständnis bleibt die Vollmacht hiervon unberührt und der Vertreter, der trotz des Dissenses hinsichtlich des Grundgeschäfts im Namen des Geschäftsherrn einen Vertrag schließt, handelt mit Vertretungsmacht. Das Risiko einer wirksamen Vertretung trotz fehlender Pflichtbindung des Vertreters im Innenverhältnis wird damit dem Geschäftsherrn zugewiesen. Bei Abhängigkeit würde die Vollmacht das Schicksal des Grundgeschäfts teilen, wenn nicht ausnahmsweise anzunehmen ist, dass der Geschäftsherr die Vollmacht ungeachtet des Nichtzustandekommens des Grundgeschäfts erteilen wollte. Den Vertreter träfe eine Haftung als falsus procurator, die ihn um so härter belastet, als er nach der herrschenden Interpretation des § 179 Abs. 2 BGB gegenüber dem Dritten auch dann zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet ist, wenn für ihn der Dissens nicht erkennbar war. 554  BGH, NJW 1990, 1721, 1723; Staudinger/Knothe, § 111 Rn. 3; BeckOK/ Wendtland, § 111 Rn. 3.



A. Die reine Innenvollmacht169

dd) Die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts aus sonstigen Gründen Wie in unserem einleitenden Beispielsfall dargestellt, hat die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren in Fällen, in denen das Grundgeschäft wegen eines Formmangels oder wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig war, regelmäßig auch die Vollmacht für nichtig erklärt und zwar entweder mittels § 139 BGB555 oder aber – seit der Entscheidung BGH, WM 2001, 2260, 2261 f. – über die Annahme einer Fehleridentität556. Nimmt man das Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht dagegen ernst, erfasst die Nichtigkeitsfolge der §§ 125 S. 1, 134 BGB jeweils nur den Geschäftsbesorgungsvertrag, die Vollmacht bleibt hiervon unberührt. Zu demselben Ergebnis wie die Rechtsprechung – nur ohne die Schwierigkeit der Umgehung des Abstraktionsprinzips – kommt die hier vertretene Konzeption eines abhängigen Vollmachtsverständnisses. Die Vollmacht ist damit ebenfalls nichtig und den angeblichen Stellvertreter trifft die Haftung aus § 179 BGB. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf § 179 Abs. 2 BGB als problematisch, nimmt man mit der herrschenden Meinung an, dass diese Vorschrift eine verschuldensunabhängige Haftung statuiert557. b) Die Beendigung des Grundgeschäfts Für den Fall der Beendigung des Grundgeschäfts wird bereits durch die §§ 168 S. 1, 169 BGB, 115 Abs. 1, 116, 117 Abs. 1 InsO ein weitgehender Gleichlauf mit der Vollmacht geschaffen. Endet das Grundverhältnis, endet damit in der Regel auch die reine Innenvollmacht. Das Haftungsrisiko wird für den Vertreter dadurch minimiert, dass bis zu seiner Kenntnis von dem Erlöschen eines Auftrags oder Geschäftsbesorgungsvertrags auf andere Weise als durch Widerruf sowie von der Auflösung der vertretenen Gesellschaft sowohl das entsprechende Grundgeschäft als auch die hierauf beruhende Vollmacht als fortbestehend fingiert werden, §§ 674, 729, 169 BGB. Das Gleiche gilt im Fall der Insolvenz des Geschäftsherrn, soweit eine Notgeschäftsführung durch den Vertreter erforderlich ist, §§ 115 Abs. 2, 117 Abs. 2 InsO. Darüber hinaus ist bei fehlender Kenntnis des Bevollmächtigten von der Insolvenzeröffnung eine Haftung nach § 179 BGB ausgeschlossen, § 117 Abs. 3 InsO558. 555  BGHZ

102, 60, 62; BGH, NJW 1997, 312, 313; NJW 2002, 2325, 2326. WM 2001, 2260, 2262 f.; WM 2003, 247, 249; WM 2003, 918, 920; WM 2003, 1064, 1065. 557  Mit der Frage der Haftung des Treuhänders bei Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz befassen sich Dorka/Losert, DStR 2005, 1145. 558  Bei Unkenntnis des beauftragten Vertreters von der Verfahrenseröffnung fingiert die Insolvenzordnung nur den Fortbestand des Auftrags, § 115 Abs. 3 InsO, 556  BGH,

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Liegt kein Fall einer Fortbestehensfiktion und kein Haftungsausschluss nach § 117 Abs. 3 InsO vor, läuft der Vertreter Gefahr, dass er von dem Ende des Grundverhältnisses und damit von dem Erlöschen seiner Vollmacht zunächst keine Kenntnis erlangt und somit ein Rechtsgeschäft für den Geschäftsherrn als falsus procurator schließt, ohne sich des Fehlens seiner Vertretungsmacht in diesem Moment bewusst zu sein und ohne sich dessen bewusst sein zu müssen. Solche Fälle dürften in der Praxis nur äußerst selten vorkommen, da genau für die Fallkonstellationen, in denen damit gerechnet werden muss, dass der Stellvertreter von dem Ende seines Auftrags oder Geschäftsbesorgungsvertrags nicht unmittelbar Kenntnis erlangt, das Gesetz zu seinem Schutz eine Fortbestehensfiktion statuiert oder die Haftung aus § 179 BGB ausschließt. c) Die Änderung der vollmachtsrelevanten Interessen des Geschäftsherrn Das Haftungsrisiko des Stellvertreters steigt zudem auch dann, wenn man wie hier annimmt, dass die Vollmacht selbst auf die Verwirklichung der Interessen des Geschäftsherrn gerichtet ist und an Veränderungen der vollmachtsrelevanten Interessen des Geschäftsherrn dynamisch teilnimmt. Als Beispielsfall mag wieder die transmortale Vollmacht dienen. Läuft diese den Interessen des Erben zuwider, verliert sie nach dem Tod des Erblassers und dem damit eintretenden Wechsel in der Person des Vertretenen ihre Wirksamkeit, vorausgesetzt die entgegenstehenden Interessen der Erben waren dem Stellvertreter bekannt oder für diesen evident559. Schließt der Stellvertreter daher nach dem Erbfall ein für die Erbmasse nachteiliges Rechtsgeschäft und nicht aber auch der Vollmacht. Dies ist indes dem Schutz der Masse geschuldet, da hiermit dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit eröffnet wird, das Vertretergeschäft nach § 177 BGB zu genehmigen (und dann nach § 103 InsO Erfüllung zu wählen), vgl. Braun/Kroth, § 117 Rn. 6. 559  Die transmortale Vollmacht zur Versorgungszwecken wird damit in vielen Fällen ins Leere laufen; das Gleiche gilt selbstverständlich für eine entsprechende postmortale Vollmacht. Beide Vollmachtsarten sind damit aber keineswegs obsolet; vielmehr bleiben sie ein geeignetes Instrument, um eine kontinuierliche Verwaltung der Erbmasse sicherzustellen. Die Versorgung einer von dem Erben unterschiedlichen Person entgegen dem Willen und dem Interesse des Erben bleibt zudem auch weiterhin möglich; nur sind hierfür andere Wege zu beschreiten. In Betracht kommt insbesondere ein Schenkungsversprechen unter Lebenden, das dem Formerfordernis des § 518 Abs. 1 BGB genügt und damit auch den Erben bindet. Dem zukünftigen Erblasser stehen zudem die Instrumente des Erbrechts wie das Vermächtnis offen; auch hier sind allerdings die gesetzlichen Formvorschriften zu beachten. Jedem Formerfordernis liegt aber die Grundentscheidung des Gesetzes zugrunde, dass ein rechtsgeschäftlich erklärter Wille, mangelt es an der Form der Erklärung, keine Berücksichtigung findet. Das hier gefundene Ergebnis ist mithin auch insofern konsequent.



A. Die reine Innenvollmacht171

sind ihm beide vorgenannten Umstände – Eintritt des Erbfalls und Nachteiligkeit des Geschäfts für die Erbmasse – bekannt oder waren sie von seinem Standpunkt aus gesehen jedenfalls evident, handelt er als falsus procurator. 2. Begrenzung des Haftungsrisikos Es sind mithin Fallkonstellationen denkbar, in denen der Vertreter infolge einer nicht-abstrakten Vollmachtskonzeption einem größeren Haftungsrisiko ausgesetzt ist, als bei der Annahme der Abstraktheit der Vollmacht. Bedenken bestehen jedoch vorwiegend hinsichtlich der Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB. Denn § 179 Abs. 1 BGB setzt, wie der Umkehrschluss aus § 179 Abs. 2 BGB deutlich macht, die Kenntnis des Vertreters von dem Fehlen seiner Vertretungsmacht voraus. Weiß der Vertreter im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertretergeschäfts aber, dass er zu dem konkreten Geschäft nicht bevollmächtigt ist oder nimmt er bewusst in Kauf, dass er den Namen des angeblich Vertretenen später nicht wird benennen können, ist es gerechtfertigt, den Vertreter für das Fehlen seiner Vertretungsmacht gegenüber dem Dritten einstehen zu lassen (zum Grund der Haftung siehe sogleich unter a)). Anders verhält es sich in den Fällen, in denen der Vertreter den Mangel seiner Vertretungsmacht nicht kannte und auch nicht kennen musste. Dann haftet er trotz fehlenden Verschuldens nach herrschender Meinung gemäß § 179 Abs. 2 BGB gegenüber dem Dritten auf das negative Interesse; er muss also dem Dritten den Schaden ersetzen, den dieser erlitten hat, weil er auf das Bestehen der Vertretungsmacht vertraut hat. Die Annahme einer verschuldensunabhängigen Haftung des falsus procurators begegnet indes zu Recht Bedenken und ist auf eine Haftung für Verschulden zu begrenzen (siehe hierzu unter b)). Es stellt sich dann jedoch erneut die Frage nach einem ausreichenden Schutz des Dritten (siehe hierzu unter c)). Selbst wenn man eine solche Begrenzung ablehnt, ist weiter zu überlegen, ob dem falsus procurator im Innenverhältnis zu dem Geschäftsherrn eine Regressmöglichkeit offen stehen muss (siehe hierzu unter d)). a) Der Grund der Haftung aus § 179 BGB Die Haftung des falsus procurators setzt nach dem Wortlaut des § 179 Abs. 1, Abs. 2 BGB und dem systematischen Zusammenhang mit § 177 BGB voraus, dass jemand im Namen eines anderen, aber ohne Vertretungsmacht einen Vertrag schließt und der angeblich Vertretene den Vertrag auch nicht nachträglich genehmigt. Ist dem falsus procurator bei Abschluss des Vertretergeschäfts bewusst, dass er ohne Vertretungsmacht handelt, teilt er dies seinem Gegenüber aber nicht mit, haftet er nach der Wahl des Dritten auf

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Erfüllung oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 179 Abs. 1 BGB. Kennt der angebliche Vertreter das Fehlen seiner Vertretungsmacht hingegen nicht, ist seine Haftung nach § 179 Abs. 2 BGB auf den Ersatz des negativen Interesses beschränkt. Hieraus ergibt sich noch nicht, warum der Vertreter ohne Vertretungsmacht gegenüber dem Dritten haften muss, mit anderen Worten, welcher materielle Rechtsgedanke der Norm zugrunde liegt und ihren Gerechtigkeitsgehalt abbildet. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum BGB wurde die Haftung des falsus procurators zunächst auf die Überlegung gestützt, dieser gebe gegenüber dem Dritten ein selbstständiges Garantieversprechen ab560. Die Haftung wurde entsprechend als Erfüllungshaftung ausgestaltet561. Bereits im Rahmen der Verhandlungen der 2. Kommission verwarf man die Annahme eines Garantieversprechens jedoch als bloße Fiktion562. Dennoch wollten einige Stimmen an der strengen Erfüllungshaftung festhalten, während andere dafür plädierten, die Haftung des Vertreters in Analogie zu den §§ 98, 99 des ersten Entwurfs betreffend die Irrtumsanfechtung auf das negative Interesse zu begrenzen563. Letztere Ansicht floss im Laufe der Beratungen in die Regelung des § 179 Abs. 2 BGB ein, während im ersten Absatz die Haftung auf Erfüllung beibehalten wurde. Der damit gefundene Kompromiss wurde allerdings nicht weitergehend begründet, als dass damit „dem Verkehrsbedürfnisse genügt und den Anforderungen der ausgleichenden Gerechtigkeit Rechnung getragen“564 werde565. Der während der Verhandlungen zweifach gestellte Antrag, ein Verschuldenserfordernis in die Haftungsvorschrift aufzunehmen, scheiterte indes566. Angesichts dieser Unklarheiten und Wagheiten im Gesetzgebungsprozess konnte mit der Kodifikation der falsus-procurator-Haftung in § 179 BGB noch nicht davon gesprochen werden, dass die ratio legis der Norm geklärt sei567. In der älteren Literatur finden sich bereits verschiedene Ansätze hierzu568; aber auch in der jüngeren Literatur wird die Frage 560  Motive I, S. 243 f. (Mugdan I, S. 487 f.). So auch Windscheid, Pandekten6 I, § 74 S. 217. 561  Vgl. E I § 125, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratung, S. 905; zu den Beratungen Litterer, Vertragsfolgen, S. 34. 562  Protokolle I, S. 323 (Mugdan I, S. 750). 563  Protokolle I, S. 324, 327 (Mugdan I, S. 750  f.); siehe hierzu auch Flume, Rechtsgeschäft, § 47 3 c, S. 807. 564  Protokolle I, S. 326 f. (Mugdan I, S. 751). 565  Thomale, Leistung, S. 109, spricht in diesem Zusammenhang von einem „unsystematischen Formelkompromiss der zweiten Kommission“. 566  Jakobs/Schubert, Beratung, S. 888 f. (Antrag Planck) und S. 931 (Antrag Börner). 567  Zu dieser Einschätzung gelangt auch Hupka, Haftung, S. 83. 568  Vgl. die Darstellungen bei Hupka, Haftung, S. 83 ff. und Mitteis, Stellvertretung, S.  164 ff.



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nach dem Grund der Haftung des falsus procurators weiterhin nicht einheitlich beantwortet569. aa) Die falsus-procurator-Haftung als Tatbestand der Vertrauenshaftung Die wohl herrschende Meinung sieht § 179 Abs. 1 und 2 BGB als Tatbestände der Vertrauenshaftung an570. Die Haftung liege in dem Umstand begründet, dass der Vertreter durch sein Auftreten bei dem Dritten das Vertrauen erwecke, er handele mit Vertretungsmacht. Die Haftung aus § 179 BGB wird als gesetzliche Einstandspflicht für dieses Vertrauen verstanden, die soweit reicht, als der Dritte berechtigterweise auf das Vorhandensein von Vertretungsmacht vertrauen durfte, also gutgläubig war. Es handelt sich danach um eine Vertrauenshaftung auf Erfüllung, § 179 Abs. 1 BGB, und Schadensersatz, § 179 Abs. 2 BGB, die dem Vertreter unabhängig von dessen Willen ex lege auferlegt wird. Die allein auf das Vertrauen des Dritten aufbauende Begründung kann indes nicht überzeugen. Denn zum einen vermag der Topos des Vertrauens nicht plausibel zu erklären, warum der vollmachtlose Vertreter im Fall des § 179 Abs. 1 BGB einer Erfüllungshaftung unterworfen wird, während Abs. 2 lediglich den Ersatz des Vertrauensschadens vorsieht571. Das Vertrauen, das der Dritte dem angeblichen Vertreter entgegengebracht hat, ist in beiden Fällen identisch. Zum anderen liefert die Theorie von der Vertrauenshaftung keinen hinreichenden Grund dafür, warum der falsus procurator gegenüber dem Dritten bei Kenntnis von dem Mangel seiner Vertretungsmacht auf Erfüllung haftet und nicht nur auf Ersatz des Vertrauensschadens572. Um diese Lücke in der Begründung zu schließen, bemühen gerade auch Vertreter der Vertrauenstheorie zusätzlich zu dem Vertrauensschutz den Gedanken der Risikoverteilung: Das Gesetz weise das Risiko des Fehlens der Vertretungsmacht im Verhältnis zwischen dem Vertreter und dem Dritten Ersterem zu. Dies sei gerechtfertigt, weil der Vertreter, soweit er den Mangel seiner Ver569  Siehe

hierzu sogleich. FG 50 Jahre BGH, S. 129, 171 f.; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1310; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 49 Rn. 17; Soergel/Leptien, § 179 Rn. 1; Erman/G. Maier-Reimer, § 179 Rn. 1; Müller, AcP 168 (1968), S. 113, 139; Staudinger/Schilken, § 179 Rn. 2; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 179 Rn. 2; Bamberger/ Roth/Valenthin, § 179 Rn. 1. Die Literatur kann sich dabei auf die Rechtsprechung seit dem Reichsgericht berufen, vgl. RGZ 106, 68, 73; BGHZ 32, 250, 254; 39, 45, 51; 73, 266, 269; 86, 273, 275, 105, 283, 285; BGH, NJW 1989, 894; 1995, 1739, 1742; 2000, 1407, 1408. 571  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 280. 572  Kritisch insofern auch Litterer, Vertragsfolgen, S.  43 ff. 570  Canaris,

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tretungsmacht kennt, auf eigene Gefahr handele. In allen übrigen Fällen sei er eher als der Dritte in der Lage, den Mangel zu erkennen, da er in einer engeren Beziehung zu dem angeblich Vertretenen stünde573. Das Vertrauen des Dritten vermag also auch nach dieser Ansicht die Haftung des falsus procurators nicht zu begründen574. Die angeblich größere Nähe des Vertreters zu dem Mangel der Vertretungsmacht bzw. zu dessen Ursachen und die daraus abgeleitete bessere Erkennbarkeit des Mangels erweisen sich aber bei näherer Betrachtung in vielen Fällen als reine Fiktion und damit ebenfalls nicht geeignet, um die Haftung des falsus procurators zu tragen. Das wird insbesondere deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass § 179 BGB auch die Fälle der Außenerklärung erfasst. Hier wendet sich der Geschäftsherr an den Dritten, der mithin an möglichen Mängeln der Bevollmächtigungserklärung „näher dran ist“ als der Vertreter selbst575. Das „Handeln auf eigene Gefahr“ ist ebenfalls kein geeignetes Kriterium, um eine gesetzliche Erfüllungshaftung zu begründen. Vielmehr gerät die Vertrauenstheorie hiermit in die Nähe der Gegenansicht, die die Haftung des falsus procurator rechtsgeschäftlich erklärt576. Denn „auf eigene Gefahr“ handelt auch derjenige, der vertraglich eine Leistung verspricht, von der er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ob er sie tatsächlich wird erbringen können. bb) Die falsus-procurator-Haftung als Haftung für die Nichterfüllung eines eigenen Leistungsversprechens Die Haftung des falsus procurators gegenüber dem Dritten muss mithin auf einem anderen Grund beruhen. Da es sich bei der Haftung aus § 179 Abs. 1 BGB um eine Vermögensaufstockungspflicht des falsus procurator gegenüber dem Dritten handelt, ist dieser Grund in einer entsprechenden privatautonomen Verpflichtung des Ersteren zu suchen. Hiervon geht die Gegenansicht aus, die die Haftung des angeblichen Vertreters rechtsgeschäftlich erklärt. Danach normiert § 179 Abs. 1 BGB nichts anderes als die Einstandspflicht für die Nichterfüllung eines eigenen Leistungsversprechens577. 573  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 535; ders., FG 50 Jahre BGH I, S. 129, 171; ihm folgend Prölss, JuS 1986, S. 169; ähnlich Litterer, Vertragsfolgen, S. 42 f., der allerdings den Risikogedanken allein, ohne den Aspekt des Vertrauensschutzes, zur ratio legis des § 179 BGB erklärt. 574  Diesen Widerspruch in der Argumentation der Vertrauenstheorie hat bereits Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 280 aufgedeckt. 575  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 535 Fn. 53 will daher die Haftung aus § 179 Abs. 2 bei der Außenvollmacht ausschließen. 576  Hierzu sogleich im Text. 577  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 281 ff.; mit ähnlicher Begründung, allerdings für einen Anspruch aus c.i.c. auch schon das RG zu §§ 9, 96, 128,



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Hierfür kann ein Gedanke fruchtbar gemacht werden, der auch der Theorie von der Vertrauenshaftung zugrunde liegt: „In (dem) Handeln als Vertreter liegt zumindest stillschweigend die Behauptung, auf Grund seiner Beziehungen zu dem Vertretenen zu dessen Vertretung berechtigt zu sein.“578. Lobinger hat diese zutreffende Feststellung konsequent weitergedacht579: Wenn der angebliche Vertreter gegenüber dem Dritten jedenfalls schlüssig behauptet, Vertretungsmacht zu haben und der Dritte diese Behauptung für den angeblichen Vertreter erkennbar zur Grundlage seiner Entscheidung für den Abschluss des Vertrages macht, dann liegt hierin mehr als nur ein mehr oder weniger starkes Vertrauen auf eine Behauptung des anderen. Das Verhalten der beiden Akteure ist vielmehr als Begründung eines eigenen Schuldverhältnisses zu verstehen. Der Vertreter gibt dem Dritten konkludent das Versprechen, den Vertretenen rechtsgeschäftlich zu binden, also einen Vertragsschluss zwischen diesem und dem Dritten herstellen zu können. Der Dritte, der sich auf den Vertragsschluss mit dem angeblichen Vertreter einlässt, gibt wiederum konkludent zu verstehen, dass er sich hierauf verlässt, ergo das einseitige Leistungsversprechen seines Gegenübers annimmt. Kann nun der angebliche Vertreter das Rechtsgeschäft mit dem angeblich Vertretenen nicht zustande bringen, weil er nicht ermächtigt ist, diesen vertraglich zu binden, haftet er gegenüber dem Dritten aufgrund der Verletzung einer eigenen rechtsgeschäftlichen Leistungspflicht. b) Die Voraussetzungen der Haftung aus § 179 BGB aa) Die Fragwürdigkeit der Verschuldensunabhängigkeit der Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB Geht man davon aus, dass § 179 BGB die Nichterfüllung einer eigenen rechtsgeschäftlichen Leistungspflicht des Vertretenen sanktioniert, ordnet man § 179 Abs. 1 BGB mithin als „schlichte Nichterfüllungshaftung, entsprechend den Haftungen für Unmöglichkeit, Verzug oder auch für Sachmängel“580 ein, wird unmittelbar deutlich, dass diese Haftung im System des deutschen Privatrechts ein Verschulden des Haftenden voraussetzen muss. Das ist für die Haftung aus § 179 Abs. 1 BGB auch unbestritten, ergibt 171 I 13 ALR: „Weil der vermeintlich Bevollmächtigte in dem Vertragsschlusse und durch ihn sich stark macht, imstande zu sein, dem Gegenkontrahenten den vertragsmäßigen Anspruch gegen den angeblichen Mandanten zu verschaffen, muß er dem Gegenkontrahenten für die Nichterfüllung dieser Pflicht aufkommen“, RGZ 6, 258, 260. 578  BGH, NJW 1963, 759, 760. 579  Siehe zum Folgenden Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 281 ff. 580  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 288.

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sich das Verschuldenserfordernis hier doch systematisch aus dem Umkehrschluss zu § 179 Abs. 2 BGB. Die Eingrenzung der Erfüllungshaftung auf den Fall, dass der Mangel der Vertretungsmacht dem angeblichen Vertreter positiv bekannt ist, ist zwar in dieser Strenge nicht zwingend, aber systemkonform581. Dagegen setzt die Haftung des falsus procurators aus § 179 Abs. 2 BGB nach herrschender Meinung kein Verschulden voraus582. Verstanden als verschuldensunabhängige Haftung für die Verletzung einer rechtsgeschäftlichen Leistungspflicht unabhängig von der Übernahme einer Garantie bildet § 179 Abs. 2 BGB indes einen Fremdkörper im Haftungsrecht des BGB. Aber selbst wenn man die hier vertretene Einordnung als Nichterfüllungs­ haftung ablehnt und die Haftung des falsus procurators als heteronome Vertrauenshaftung einordnet, muss die Verschuldensunabhängigkeit nach § 179 Abs. 2 BGB Bedenken hervorrufen. Insbesondere in Fällen, in denen das Fehlen der Vertretungsmacht für den Vertretenen in keiner Weise erkennbar war und er an dem Mangel auch nicht „näher dran war“ als der Dritte, fehlt es ganz offensichtlich an einem Grund für die einseitige Risikozuweisung zu Lasten des falsus procurators583. Die Fragwürdigkeit einer verschuldensun­ abhängigen Haftung des vollmachtlosen Vertreters wird zudem deutlich, wenn man sich die Nähe des § 179 Abs. 2 BGB zu der Haftung aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB in Gestalt der Haftung für Informationspflichtverletzungen bei Vertragsverhandlungen vor Augen führt584. 581  Lobinger,

Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 293. 53, 210, 217; BGH, NJW 1989, 894; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1632; Palandt/Ellenberger, § 179 Rn. 1; Erman/G.Maier-Reimer, § 179 Rn. 1; Petersen, Jura 2010, S. 904, 905; Staudinger/Schilken, § 179 Rn. 11; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 179 Rn. 2; Bamberger/Roth/Valenthin, § 179 Rn. 1; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 51 Rn. 21. 583  In diesen Fällen wollen daher mehrere Autoren die Haftung ausschließen; so für den Fall, dass das Fehlen der Vertretungsmacht für den Vertretenen außerhalb jeglicher Erkenntnis- oder Beurteilungsmöglichkeit lag: Dorka/Losert, DStR 2005, S. 1145, 1146; Flume, Rechtsgeschäft, § 47 3 c, S. 807 f.; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 1315; Soergel/Leptien, § 179 Rn. 18; ähnlich Ostheim, AcP 169 (1969), S. 193, 207 f., der darauf abstellt, ob der Vollmachtsmangel auf Umständen innerhalb oder außerhalb des Geschäftskreises des vollmachtlosen Vertreters beruht. Einen Haftungsausschluss begrenzt für die Außenvollmacht bejahen: Canaris, Vertrauenshaftung, S. 535 Fn. 53 und Müller, AcP 168 (1968), S. 113, 140. In der Entscheidung BGH, NJW 1963, S. 759, 760 nimmt das Gericht einen Haftungsausschluss an, da der Vollmachtsmangel hier auf der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes beruhte und damit gerade nicht aus dem Innenbereich zwischen Vertreter und Geschäftsherr herrührte; zustimmend Prölls, Jus 1986, S. 169, 170. Anders dagegen BGHZ 53, 210, 217, wonach die mit der Verschuldensunabhängigkeit verbundenen Härten für den Vertreter in Kauf zu nehmen seien. 584  Auch die Vertreter der Vertrauenstheorie stellen beide Haftungsregime in einen unmittelbaren Zusammenhang, vgl. statt aller Canaris, FG 50 Jahre BGH I, S. 129, 171 f.; die Parallele von falsus-procurator-Haftung und culpa in contrahendo betont 582  BGHZ



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Insbesondere im Hinblick auf die Eigenhaftung Dritter nach § 311 Abs. 3 BGB wird die Parallele in der Haftungsbegründung unmittelbar deutlich. Hier wie dort geht es darum, dass ein Dritter im Vorfeld eines Vertragsschlusses zwischen zwei Parteien auf der Seite der einen Partei eingeschaltet wird und die Verhandlungen oder den Vertragsschluss beeinflusst. Für die c.i.c.-Haftung des Dritten ist indes unbestritten, dass sie ein Verschulden voraussetzt585. Warum aber der Stellvertreter, der fälschlicherweise davon ausgeht, mit Vertretungsmacht für den Geschäftsherrn zu handeln, gegenüber dem Dritten schärfer – nämlich verschuldensunabhängig – haften soll, als derjenige Dritte, der im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine falsche Auskunft erteilt, erschließt sich nicht. Es liegt daher nahe, § 179 Abs. 2 BGB im Wege einer teleologischen Reduktion um ein Verschuldenserfordernis zu ergänzen. bb) Die teleologische Reduktion des § 179 Abs. 2 BGB Gegen die Annahme eines Verschuldenserfordernisses sprechen der Wortlaut der Norm sowie – zumindest auf den ersten Blick – ihre Entstehungsgeschichte. Die Einführung eines Verschuldenserfordernisses wurde während der Beratungen zum BGB unmissverständlich abgelehnt586. Nimmt man allerdings die Materialien eingehender in den Blick, so wird zweierlei deutlich: Erstens bestand ersichtlich kein Konsens über Grund und Umfang der Haftung des falsus procurators; die gefundene Regelung entspringt einem Kompromissvorschlag, der eine klare dogmatische Fundierung vermissen lässt. Zweitens war man sich zumindest dahingehend einig, dass die Haftung des falsus procurators bei fehlender Kenntnis von dem Mangel der Vertretungsmacht in Analogie zu den §§ 98, 99 des ersten Entwurfs der Irrtumsanfechtung nachgebildet werden sollte587. Dem entspricht die Parallelität der beiden Normen ihrer Funktion nach: Dem Erklärungsempfänger wird ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses für den Fall zuerkannt, dass die an ihn gerichtete Erklärung keine Gültigkeit erlangt, weil sie nicht dem Willen des Erklärenden entspricht. Die Irrtumsanfechtung erfordert dem reinen Wortlaut der Norm nach indes ebenfalls kein Verschulden. Hiervon scheinen auch die auch BGHZ 73, 266, 270. Laband, ZHR 10 (1866), S. 183, 234 f., ordnet die Haftung des falsus-procurator-Haftung direkt als culpa in contrahendo-Haftung ein. 585  Münchener Kommentar BGB/Emmerich, § 311 Rn. 201; Staudinger/Löwisch/ Feldmann, § 311 Rn. 170. 586  Jakobs/Schubert, Beratung, S. 888 f. (Antrag Planck) und S. 931 (Antrag Börner). 587  Protokolle I, S. 327 (Mugdan I, S. 751); siehe hierzu auch die Hinweise bei Flume, Rechtsgeschäft, § 47 3 c, S. 807; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 293; Ostheim, AcP 169 (1969), S. 193, 208.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Mitglieder der 2. Kommission ausgegangen zu sein588. Sieht man die Haftung aus § 122 BGB jedoch in ihrem Zusammenhang mit den Tatbeständen, die sie begründen, nämlich der Scherzerklärung des § 118 BGB und den Irrtumsfällen der §§ 119, 120 BGB, wird deutlich, dass es sich hierbei um Fallgestaltungen handelt, in denen per se ein Verschulden des Haftenden vorliegt589. Erkennt man mithin, dass § 122 BGB faktisch eine Haftung für Verschulden statuiert, weil den Tatbeständen, die § 122 BGB zugrunde liegen, ein Verschulden immanent ist, erscheint es im Hinblick auf § 179 Abs. 2 BGB gerechtfertigt, sie teleologisch auf eine verschuldensabhängige Haftung des falsus procurator zu reduzieren590. Damit wird zwar der Wille des Gesetzgebers, eine verschuldensunabhängige Haftung zu statuieren, ignoriert. Dem zugrunde liegenden Regelungsziel, eine einheitliche Haftung des wegen Willensmangels Anfechtenden und des falsus procurators zu schaffen, wird damit jedoch zur Geltung verholfen591. c) Der Schutz des Dritten bei einer verschuldensabhängigen falsus-procurator-Haftung aus § 179  Abs. 2 BGB Die Begrenzung der falsus-procurator-Haftung auf den Fall der schuldhaften Nichtkenntnis des Vertreters von dem Mangel der Vertretungsmacht macht es erforderlich, das oben gewonnene Ergebnis hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit des Dritten erneut auf den Prüfstand zu stellen. Denn die Einschränkung der Vertreterhaftung geht zu Lasten des Dritten, der – sollte er mit einem schuldlos handelnden falsus procurator kontrahieren und keine Haftung des Geschäftsherrn eingreifen – im Fall der fehlenden Genehmigung weder gegen den Geschäftsherrn noch gegen den falsus procurator einen Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruch geltend machen kann. Die teleologische Reduktion des § 179 Abs. 2 BGB auf eine Verschuldenshaftung geht somit letztlich zu Lasten des Verkehrsschutzes, da der Dritte unabhängig von einer persönlichen Gut- oder Bösgläubigkeit mit diesem Risiko belastet wird592. 588  Protokolle

I, S. 324 (Mugdan I, S. 750 f.). hierzu eingehend: Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 207 ff. 590  Für eine Korrekturbedürftigkeit des § 179 Abs. 2 BGB daher auch Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 293 f. Den Zusammenhang der §§ 122, 179 Abs. 2 BGB und der c.i.c. thematisiert auch BGHZ 73, 266, 270; ohne jedoch die hier gezogene Konsequenz eines Verschuldenserfordernisses zu ziehen. 591  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 294; ähnlich Ostheim, AcP 169 (1969), S. 193, 214. 592  So auch Bornemann, AcP 207 (2007), S. 102, 114, der eine teleologische Reduktion des § 179 Abs. 2 BGB deshalb ablehnt, obwohl er ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Vertreters anerkennt. 589  Siehe



A. Die reine Innenvollmacht179

Im dem eingangs eingeführten Beispielsfall, Variante 1, hat die Bank mangels wirksamer Vollmacht keinen Anspruch gegen den Geschäftsherrn. Hat die Vertreterin die Nichtigkeit von Geschäftsbesorgungsvertrag und Vollmacht unverschuldet nicht erkannt, kann sich die Bank nach dem oben Gesagten auch bei ihr nicht gemäß § 179 Abs. 2 BGB schadlos halten. Damit ist die Bank letztendlich auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Geschäftsherrn auf Rückzahlung der mangels wirksamen Darlehensvertrags rechtsgrundlos ausgezahlten Valuta verwiesen. Sollte dem Geschäftsherrn jedoch der Entreicherungseinwand gelingen, muss die Bank die Valuta abschreiben. Den entstandenen Schaden kann sie auch nicht bei dem vermeintlich von dem Geschäftsherrn bevollmächtigten Treuhänder liquidieren. Der Dritte (im Beispielsfall: die Bank) wird in diesen Fällen allerdings so gestellt, wie er stünde, wenn er direkt mit dem Geschäftsherrn kontrahiert und ein von diesem nicht zu vertretender Nichtigkeitsgrund vorgelegen hätte oder aber bei Wirksamkeit des Vertrags ein Leistungshindernis bestünde, das der Geschäftsherr nicht zu vertreten hat. Der Vertragpartner hat weder Primär- noch Sekundäransprüche und muss gegebenenfalls im Hinblick auf den Vertragsschluss getätigte Aufwendungen abschreiben. Dieses Risiko steigt für den Dritten durch den Einsatz eines Stellvertreters, da das Hindernis für den Vertragsschluss auch aus der Bevollmächtigung oder dem Grundgeschäft zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Vertreter folgen kann. Allerdings wird der Dritte insoweit nicht unbillig belastet. Denn auch der Dritte profitiert von dem Einsatz des Stellvertreters. Es wird ihm dadurch in vielen Fällen überhaupt erst möglich, mit dem Geschäftsherrn in geschäftliche Kontakte zu treten. d) Der Regress des Vertreters gegenüber dem Geschäftsherrn Selbst wenn man mit der herrschenden Meinung davon ausgeht, dass § 179 Abs. 2 BGB nicht auf eine verschuldensabhängige Haftung zu reduzieren ist und damit auch bei fehlendem Verschulden des Vertreters eingreift, bleibt im Ergebnis fraglich, ob es gerechtfertigt ist, dem Vertreter im Verhältnis zu dem Geschäftsherrn allein das Risiko aufzubürden, dass aus dem Grundgeschäft ein Mangel der Vollmacht resultiert. Nun könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass hier die Abstraktheit der Vollmacht gerade für eine gerechte Risikoverteilung sorgt, da ein Mangel des Grundgeschäfts sich danach nicht auf die Vollmacht auswirkt und somit den Geschäftsherrn das alleinige Risiko trifft, trotz unwirksamen Grundgeschäfts an das Vertretergeschäft gebunden zu sein. Dabei würde aber verkannt, dass in einem Großteil der Fälle, die eine Unwirksamkeit des Grundverhältnisses begründen, Fehleridentität vorliegt oder jedenfalls angenommen wird und sich die Abstraktheit entsprechend nicht auswirkt. Nur in der kleinen Zahl möglicher Fallgestaltungen, in

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

denen tatsächlich nur das Grundverhältnis von dem Mangel betroffen ist, kann die Abstraktheit also zu einer Entlastung des Vertreters führen. In allen anderen Fällen würde er in eine Haftungslücke fallen; es sei denn, man erkennt an, dass er sich bei dem Geschäftsherrn nach denselben Grundsätzen erholen kann, nach denen er im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten haftet. Paradigmatisch ist hierfür der Fall der ausgeübten Innenvollmacht. Folgt man hier rein schematisch dem Gesetz, so hat der Dritte einen Anspruch gegen den – infolge der Anfechtung vollmachtlos gewordenen – Vertreter aus § 179 Abs. 2 BGB (vorausgesetzt, man lehnt entgegen der hier vertretenen Meinung die Einschränkung der Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB auf schuldhafte Nichtkenntnis ab). Dieser wiederum kann seinen Schaden gemäß § 122 BGB bei dem Geschäftsherrn liquidieren. Richtigerweise ist in diesen Fällen ein Anspruch des Dritten unmittelbar gegen den Geschäftsherrn aus § 122 BGB zu bejahen, ist mit der Anfechtung der Vollmacht doch gerade intendiert, das Vertretergeschäft zu Fall zu bringen593. Andernfalls stünde dem Geschäftsherrn unproblematisch der Widerruf der Vollmacht mit Wirkung ex nunc offen. Bleibt man bei dem Wortlaut des § 179 Abs. 2 BGB stehen, haftet der falsus procurator in allen anderen Fällen – z. B. im Fall des unerkannten Dissenses oder der Nichtigkeit von Grundgeschäft und Vollmacht wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz – im Außenverhältnis gegenüber dem Dritten verschuldensunabhängig, während er im Innenverhältnis zu dem Geschäftsherrn nur dann den Ersatz seines Schadens geltend machen kann, wenn dieser schuldhaft eine gegenüber dem Stellvertreter bestehende Pflicht verletzt hat, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Eine solche Diskrepanz zwischen der Haftung des Vertreters gegenüber dem Dritten im Außenverhältnis und der Haftung des Geschäftsherrn gegenüber dem Vertreter im Innenverhältnis lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Dieses Ergebnis erscheint insbesondere dann zweifelhaft, wenn man sich bewusst macht, dass es der Geschäftsherr und nicht etwa der Stellvertreter in der Hand hat, ob er dem schwebend unwirksamen Vertretergeschäft mittels Genehmigung nach § 177 BGB zur Gültigkeit verhilft. Er allein hat die Wahlmöglichkeit und entscheidet dabei implizit auch darüber, ob der Vertreter einer Haftung gegenüber dem Dritten aus § 179 BGB ausgesetzt wird. Der Vertreter wiederum, der – und nur um diese Fälle geht es hier – weder wusste noch hätte wissen können, dass die von ihm angenommene Vertretungsmacht in Wahrheit nicht besteht, fällt in eine Haftungslücke zwischen dem Dritten und dem Geschäftsherrn. Will man dieses offensichtlich unbillige Ergebnis vermeiden und gleichzeitig an der von der herrschenden Meinung vertretenen Verschul593  Siehe

hierzu bereits oben in Kapitel 3 unter A. II. 3.



A. Die reine Innenvollmacht181

densunabhängigkeit der falsus-procurator-Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB festhalten, muss man dem Vertreter im Innenverhältnis zu dem Geschäftsherrn ebenfalls einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Schadensersatz aus § 179 Abs. 2 BGB zubilligen. Ein weitergehender Schutz des vollmachtlosen Stellvertreters könnte zudem mittels einer entsprechenden Anwendung der §§ 674, 729, 169 BGB auf beiderseits unerkannte Nichtigkeitsgründe hergestellt werden. Wie oben bereits ausgeführt594, knüpfen die Regelungen der §§ 674, 729, 169 BGB unmittelbar nur an § 168 S. 1 BGB an, der wiederum das Erlöschen der Vollmacht bei Wegfall des Grundverhältnisses und damit eine entsprechende Abhängigkeit vorsieht. Für den Vertreter, der in gutem Glauben an seine Vertretungsmacht ein Vertretergeschäft schließt, macht es aber keinen Unterschied, ob die Vollmacht von Anfang an nichtig war oder ob sie ursprünglich wirksam erteilt wurde und erst im Nachhinein, aber vor Abschluss des Vertretergeschäfts weggefallen ist. In beiden Fällen sieht er sich dem Risiko einer Haftung aus § 179 BGB ausgesetzt, es sei denn, diese ist nach § 179 Abs. 3 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil der Dritte seinerseits den Mangel an Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Haben aber beide, Stellvertreter wie Geschäftsherr, bei Abschluss des Grundgeschäfts und Erteilung der Vollmacht den zur Nichtigkeit führenden Grund nicht erkannt, kann sich der ohne Vertretungsmacht handelnde und damit gegenüber dem Dritten jedenfalls nach herrschender Meinung aus § 179 Abs. 2 BGB verschuldensunabhängig haftende Vertreter gerade nicht bei dem Geschäftsherrn schadlos halten. Das Telos der §§ 674, 729, 169 BGB, den Vertreter in solchen Fällen vor der Haftung zu schützen, in denen er nicht wusste und auch nicht wissen konnte, dass er ohne Vertretungsmacht handelt595, kommt dann auch hier zum Tragen. Wendet man §§ 674, 729, 169 BGB angesichts der vergleichbaren Interessenlage und dem einschlägigen Normzweck auf die Fälle beiderseits unerkannter Nichtigkeit an, trägt das Risiko letztlich der Geschäftsherr, der unter Umständen trotz Nichtigkeit von Auftrag und Vollmacht an ein Vertretergeschäft gebunden wird. Die Aufrechterhaltung der Vollmacht über die analoge Anwendung von §§ 674, 729, 169 BGB muss daher aber von vornherein ausscheiden, wenn Grundgeschäft und Vollmacht an einem Unwirksamkeitsgrund leiden, der gerade den Geschäftsherrn schützen soll. So kommt eine analoge Anwendung der §§ 674, 729, 169 BGB ersichtlich nicht in Betracht, wenn Vollmacht und Grundgeschäft gemäß § 105 Abs. 2 BGB nichtig sind wegen einer unerkannten vorübergehenden Geisteskrankheit des Geschäftsherrn. Das gleiche gilt aber auch, wenn die Nichtigkeit auf dem 594  Siehe

hierzu oben im 2. Kapitel unter C. I. 3. Allgemeiner Teil, § 34 Rn. 1517; Soergel/Leptien, § 169 Rn. 1; Erman/ G. Maier-Reimer, § 169 Rn. 1. 595  Bork,

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Verstoß gegen eine Formvorschrift oder gegen ein gesetzliches Verbot beruht, das wiederum den Geschäftsherrn schützen soll. Eine analoge Anwendung der §§ 674, 729, 169 BGB ist zudem zum Schutz des Vertreters nicht erforderlich und scheidet mithin aus, wenn der vollmachtlose Vertreter minderjährig ist und damit bereits gemäß § 179 Abs. 3 S. 2 BGB vor einer Haftung geschützt wird. Es verbleiben nur wenige denkbare Fälle, in denen eine analoge Anwendung der §§ 674, 729, 169 BGB in Betracht kommt. Der unerkannte Dissens zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter, z. B. hinsichtlich der Entgeltlichkeit des Grundgeschäfts, mag ein solcher Fall sein. 3. Zwischenergebnis Die Abstraktheit der Vollmacht ist mithin nicht erforderlich, um den Vertreter vor unbilligen Haftungsrisiken zu schützen. Vielmehr ist dieser Schutz gerade unabhängig von der Abstraktheit der Vollmacht zu realisieren. Richtigerweise ist die Haftungsvorschrift des § 179 Abs. 2 BGB auf eine Verschuldenshaftung teleologisch zu reduzieren. Dies ergibt sich bereits aus der Einordnung der falsus-procurator-Haftung als Einstandspflicht für die Verletzung einer eigenen Leistungspflicht. Darüber hinaus wird damit auch der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers zur Umsetzung verholfen, da mit der Einführung eines Verschuldenserfordernisses der angestrebte Gleichlauf der Haftung aus § 122 BGB und § 179 Abs. 2 BGB hergestellt wird. Lehnt man die hier vertretene Begrenzung der Haftung des falsus procurators auf die Fälle der schuldhaften Nichtkenntnis vom Mangel seiner Vertretungsmacht ab, ist dem vollmachtlosen Vertreter zur Vermeidung von unbilligen Ergebnissen ein ebenfalls verschuldensunabhängiger Regressanspruch im Innenverhältnis gegenüber dem Geschäftsherrn zuzubilligen. Berücksichtigt man zum einen die geringe Steigerung des Haftungsrisikos des Vertreters in Folge der Abhängigkeit der Vollmacht im Vergleich zu einem abstrakten Vollmachtsverständnis und begrenzt man zum anderen das allgemeine Haftungsrisiko des Vertreters aus § 179 BGB, dann steht nicht zu befürchten, dass infolge einer kausalen Vollmacht das mit der Übernahme einer Stellvertretung verbundene Risiko ein Ausmaß annimmt, das den Vertreter über Gebühr belasten oder sogar zu einer Belastungsprobe für das Rechtsinstitut der Stellvertretung insgesamt würde. Ein angemessener Vertreterschutz kann auch ohne die Abstraktheit der Vollmacht gewährleistet werden.



B. Die Außenerklärung183

IV. Zwischenergebnis Die reine Innenvollmacht kann folglich in Abhängigkeit zu dem Grundverhältnis ausgestaltet werden, ohne dass dies zu einer Aushöhlung des Verkehrsschutzes im Stellvertretungsrecht führt. Vielmehr wird dieser auf ein gerechtfertigtes Maß begrenzt, indem die Abstraktheit der Vollmacht und damit der hierdurch gewährleistete überschießende Schutz zu Gunsten des bösgläubigen Dritten entfallen. Ändert sich das Interesse des Geschäftsherrn nach Erteilung der Vollmacht, aber vor Abschluss des Vertretergeschäfts zum Beispiel in Folge eines Wechsels in der Person des Geschäftsherrn und ist dies dem Stellvertreter bekannt oder für ihn jedenfalls evident, entfällt auch die Vertretungsmacht, die Vollmacht ist insofern dynamisch. Das Risiko des Vertreters, einer Haftung als falsus procurator ausgesetzt zu sein, wird durch die systematisch und teleologisch gebotene Reduzierung des § 179 Abs. 2 BGB auf eine Haftung für Verschulden auf ein angemessenes Maß begrenzt.

B. Die Außenerklärung Im BGB wird der vertretungsrechtliche Verkehrsschutz durch verschiedene Instrumente verwirklicht: Sowohl die Anerkennung der Außenvollmacht, die Abstraktheit der Vollmacht, die §§ 171 ff. BGB, als auch die von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsfiguren der Duldungs- und Anscheinsvollmacht dienen diesem Ziel. Auf der anderen Seite werden die Interessen des Geschäftsherrn gegenüber einem überschießenden Verkehrsschutz durch die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht geschützt. Die genannten Instrumente greifen in vielen Fällen ineinander und kommen gemeinsam zur Anwendung. Zum Teil ist es aber auch eine Frage der Auslegung und des dogmatischen Standpunktes, ob der konkrete Fall mittels des einen oder des anderen Instrumentes gelöst wird, so z. B. bei der Frage, ob eine Duldungsvollmacht oder eine konkludent erteilte Außenvollmacht vorliegt. Die einzelnen Elemente des stellvertretungsrechtlichen Verkehrsschutzes unterliegen jedoch unterschiedlichen Wirkmechanismen. Ein entscheidender Unterschied besteht darin, ob in der konkreten Vertretungssituation Verkehrsschutz abstrakt, d. h. unabhängig von der Schutzwürdigkeit des Dritten hergestellt wird, oder ob der Dritte nur dann geschützt wird, wenn er gutgläubig ist. Dieser Unterschied führt zu Widersprüchen596. Insgesamt ist der im Stellvertretungsrecht erforderliche Verkehrsschutz damit uneinheitlich und unübersichtlich geregelt. 596  Siehe

oben in Kapitel 2 unter C. II. 1. d).

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Was die Abstraktheit der Vollmacht angeht, so hat sie sich im Hinblick auf die Innenvollmacht sowohl aus Verkehrs- wie auch aus Vertreterschutzgesichtspunkten als überflüssig erwiesen. Dagegen entfaltet der Gedanke der Abstraktheit für die Außenvollmacht durchaus Plausibilität, leuchtet es doch zunächst einmal ein, dass die gegenüber dem Dritten erklärte Bevollmächtigung nur dann für den Rechtsverkehr eine Rolle spielen kann, wenn sie von dem Innenverhältnis zwischen Geschäftherrn und Stellvertreter unabhängig ist. Die Kritik setzt hier jedoch früher an, nämlich bereits an dem Konzept der Außenvollmacht selbst. Die Anerkennung einer Außenbevollmächtigung steht im Widerspruch zu dem personenbezogenen Vollmachtsbegriff des § 164 Abs. 1 BGB. Dass eine persönliche Befähigung (die Vertretungsmacht) auch per Erklärung an einen Dritten erteilt werden können soll, erschließt sich nicht. Insbesondere aber ist die Außenvollmacht sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch in Bezug auf ihre Funktion für den stellvertretungsrechtlichen Verkehrsschutz kaum von den Kundgabetatbeständen der §§ 171, 172 BGB zu unterscheiden. Die Erklärung des Geschäftsherrn nach außen ist für die Frage nach dem Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft indes zentral, was bereits der enge rechtshistorische Zusammenhang zwischen der Entstehung der Außenvollmacht und der Debatte um die Abstraktheit der Vollmacht gezeigt haben. Die nach außen gerichtete Erklärung des Geschäftsherrn über die Vollmacht seines Stellvertreters – im Folgenden einheitlich als „Außenerklärung“ bezeichnet – und ihre gesetzliche Regelung sind daher im Folgenden genauer in den Blick zu nehmen.

I. Die Außenerklärung als Basis eines stellvertretungsrechtlichen Verkehrsschutzes 1. Die gesetzliche Verankerung der Außenerklärung in den §§ 170 ff. BGB Die Kundgabetatbestände der §§ 171, 172 BGB waren seit In-Kraft-Treten der Kodifikation in ihren Details umstritten und sind es bis heute. Vielfach diskutiert wurde und wird die Frage, ob mit der Kundgabe rechtsgeschäftlich Vertretungsmacht erteilt wird oder ob hierdurch lediglich eine Rechtsscheinvollmacht begründet wird.



B. Die Außenerklärung185

a) Die Rechtsscheinlehre Die wohl herrschende Meinung ordnet die §§ 170 ff. BGB als Tatbestände der Rechtsscheinhaftung ein597. Nach der von Canaris begründeten allgemeinen Rechtsscheinlehre setzt ein Rechtsscheintatbestand viererlei voraus: erstens einen Rechtsscheinträger, der – zweitens – demjenigen, zu Lasten dessen der Rechtsschein wirkt, zurechenbar ist, drittens die Kausalität dieses Rechtsscheinträgers für eine rechtlich erhebliche Handlung des Dritten und viertens die Gutgläubigkeit desselben598. Im Fall der §§ 170–173 BGB wird der dem Geschäftsherrn zurechenbare Rechtsscheinträger in der Erklärung des Geschäftsherrn an den Dritten oder an die Öffentlichkeit über die Bevollmächtigung gesehen. Von dieser Erklärung muss der Dritte Kenntnis gehabt haben, dies wird aber bei Vorliegen einer entsprechenden Erklärung vermutet599. Die Gutgläubigkeit des Dritten fordert § 173 BGB, wonach die Vorschriften des § 170, des § 171 Abs. 2 und des § 172 Abs. 2 BGB keine Anwendung finden, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss. Im Zentrum der Rechtsscheinlehre steht das schutzwürdige Vertrauen des gutgläubigen Dritten. Dieser habe sich auf den von dem Geschäftsherrn zurechenbar gesetzten Rechtsschein verlassen, zumal er keinen Anlass gehabt habe, an der hiernach bestehenden Vertretungsmacht des Stellvertreters zu zweifeln. Wellspacher zu Folge handelt der Vertreter in den Fällen der §§ 170 ff. BGB nicht mit Vertretungsmacht, er sei aber „legitimiert als Reflexwirkung des Vertrauensschutzes“600. Der dahinter stehende Gedanke, dass sich der Dritte, sollte er in seinem Vertrauen auf die Erklärung des Geschäftsherrn nicht geschützt werden, nicht mehr auf einen Stellvertreter einlassen würde, ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch ist es bedenklich, die Bindungswirkung des Vertretergeschäfts mit dem Vertrauen des Dritten zu begründen601. Der Gut597  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 32 ff.; Palandt/Ellenberger, § 170 Rn. 1; Larenz/ Wolf, Allgemeiner Teil, § 48 Rn. 6 ff.; Soergel/Leptien, § 170 Rn. 1; Merkt, AcP 204 (2004), S. 638, 649; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 170 Rn. 2; BGBRGRK/Steffen, § 171 Rn. 1; Bamberger/Roth/Valenthin, § 171 Rn. 1 f.; vgl. auch schon Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 37 ff.; Wellspacher, Vertrauen, S. 255 f. et passim; a. A. Flume, Rechtsgeschäft, § 49 2, S. 823 ff.; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 237 ff.; Staudinger/Schilken, § 171 Rn. 3. 598  Canaris, Vertrauenshaftung, S.  491 ff. 599  Palandt/Ellenberger, §  171 Rn. 2; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 171 Rn. 13. 600  Wellspacher, Vertrauen, S. 87. 601  Eingehend Flume, Rechtsgeschäft, § 49 2 c), S. 825 ff.; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S.  237 ff.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

glaubensschutz wird im Stellvertretungsrecht dann relevant, wenn die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter widerrufen oder eingeschränkt wurde oder von Anfang an nicht bestand. Damit fehlt es aber in den fraglichen Fällen an dem für die gewillkürte direkte Stellvertretung wesentlichen Element, der Vollmacht. Das Bindeglied zwischen dem Willen des Geschäftsherrn und der ihn bindenden Willenserklärung seines Stellvertreters besteht gerade nicht. In einer willensbasierten Privatrechtsordnung müsste dieses Fehlen des Bindeglieds zwischen Willen und rechtsgeschäftlicher Bindung eigentlich dazu führen, dass die Bindung nicht wirksam wird. Dass das Fehlen der Vollmacht in den Fällen der §§ 170 ff. BGB überwunden werden kann, ist deswegen nicht falsch. Allein das Vertrauen des Dritten auf das Bestehen von Vertretungsmacht kann aber nicht geeignet sein, das Fehlen der Vertretungsmacht als wesentlichem Element der direkten Stellvertretung zu überwinden. Die Rechtsscheinlehre liefert insbesondere keine befriedigende Antwort auf die Frage, warum das Gesetz die intern widerrufene, aber extern kundgegebene Vollmacht aufrechterhält. In der Logik der Rechtsscheinlehre läge es vielmehr, dem gutgläubigen Dritten einen Anspruch auf Ersatz seines Vertrauensschadens zuzusprechen602. Diese dogmatischen Brüche hinsichtlich der Rechtsfolge der §§ 170 ff. BGB vermeidet die Gegenansicht, die ein rechtsgeschäftliches Erklärungsmodell vertritt603. b) Das rechtsgeschäftliche Erklärungsmodell Flumes Flume sieht die Tatbestände der §§ 171 Abs. 1 und 172 Abs. 1 BGB als jeweils selbstständige Begründungsakte von Vertretungsmacht an, die neben § 167 BGB zur Anwendung kommen604. Sinn und Zweck der Kundgabe der Bevollmächtigung sei es, den Stellvertreter zu legitimieren. Die Verschaffung von Legitimation bedeute aber nichts anderes als die Erteilung von Vertretungsmacht605. Dem ist insoweit zuzustimmen, als der Erklärung des Geschäftsherrn nach außen, sein Stellvertreter sei bevollmächtigt für ihn zu handeln, ein eigenständiger Erklärungswert zukommt, nach dem der Geschäftsherr sich gegenüber dem Dritten bindet606. Flumes Erklärungsmodell der §§ 170 ff. BGB ist jedoch aus zwei Gründen nicht mit der gesetzlichen 602  Frotz,

Verkehrsschutz, S. 279. Rechtsgeschäft, § 49 2, S. 823 f.; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S.  245 ff. 604  Flume, Rechtsgeschäft, § 49 2, S. 823 ff. 605  Flume, Rechtsgeschäft, § 49 2, S. 824; ähnlich auch Zitelmann, Rechtsgeschäfte, S. 102. 606  Siehe hierzu bei Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 245  f. und sogleich im Text. 603  Flume,



B. Die Außenerklärung187

Konzeption vereinbar607. Zum einen gehen die §§ 171, 172 BGB ihrem Wortlaut nach von einer bereits bestehenden Vertretungsmacht aus, die nach außen kundgegeben wird. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass durch die Kundgebung eine „zweite Vollmacht“ neben die bereits erteilte tritt. Diese Vorstellung von der bloßen Kundgabe einer bereits bestehenden Vollmacht wird auch in den Materialien zum BGB zum Ausdruck gebracht608. Der systematische Zusammenhang der Normen mit den §§ 167, 170 BGB spricht ebenfalls für die Bezugnahme auf eine bereits erteilte Vollmacht. Zum anderen spricht die Regelung des § 173 BGB gegen das Erklärungsmodell Flumes. Danach finden die Vorschriften des § 170, des § 171 Abs. 2 und des § 172 Abs. 2 BGB keine Anwendung, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss. Hierzu steht die Vorstellung von einer nach §§ 171, 172 BGB fortbestehenden Vertretungsmacht jedoch im Widerspruch609. Aus § 173 BGB geht vielmehr hervor, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Vollmacht zwar im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter erlischt, der Stellvertreter aber dennoch gegenüber dem gutgläubigen Dritten zur Vertretung des Geschäftsherrn in der Lage ist. Die weiterhin bestehende Vertretungsmacht muss dann aber auf einem anderen Grund als der einmal erteilten Vollmacht beruhen. c) Die Kundgabe als rechtsgeschäftliche Risikoübernahme nach Lobinger Überzeugen kann daher allein die Ansicht, die davon ausgeht, dass der Geschäftsherr mit der Erklärung, er habe einen anderen bevollmächtigt, für ihn im Rechtsverkehr zu handeln, dem Dritten anbietet, ihm das Risiko abzunehmen, das für den Dritten aus seiner mangelnden Kenntnis von dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter resultiert610. Denn stellt man sich die Frage, warum der Geschäftsherr seinem Geschäftspartner mitteilt, dass er einer bestimmten Person Vollmacht erteilt habe, wird deutlich, dass der Geschäftsherr damit in aller Regel ein Ziel verfolgen wird. Der Geschäftsherr möchte erreichen, dass sein Geschäftspartner es akzeptiert, mit der bezeichneten Person als Stellvertreter des Geschäftsherrn anstatt mit letzterem selbst zu kontrahieren. Der Geschäftspartner wiederum wird 607  Lobinger,

Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 242 ff. I, S. 237 (Mugdan I, S. 483 f.). 609  Auf diesen Widerspruch hat bereits Seeler, AcP 28 (1906), S. 1, 38 f., hingewiesen. 610  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 245  ff.; Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 154. 608  Motive

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

sich hierauf nur einlassen, wenn das Risiko, dass der Stellvertreter ohne Vertretungsmacht handelt und damit der Vertrag mit dem Geschäftsherrn nicht zustande kommt, nicht zu groß ist. Das Risiko, sich auf einen Vertreter ohne oder mit nur beschränkter Vertretungsmacht einzulassen, resultiert aber in erster Linie daraus, dass der Dritte meist nicht anwesend ist, wenn der Geschäftsherr seinem Stellvertreter Vollmacht erteilt oder diese einschränkt. Von den Details im Innenverhältnis zwischen den Parteien der Bevollmächtigung hat der Dritte folglich keine Kenntnis. Dem Geschäftsherrn muss also daran gelegen sein, dieses Risiko seines Geschäftspartners zu minimieren, um ihn überhaupt zum Abschluss mit dem Stellvertreter zu bewegen. Das ist aber genau der Grund, wieso er sich selbst an seinen Geschäftspartner wendet und ihm erklärt, ein anderer – sein Stellvertreter – sei befugt, ihn gegenüber dem Geschäftspartner zu vertreten. Mit dieser Erklärung soll also dem Dritten, dem Geschäftspartner, versichert werden, dass er sich auf das Bestehen von Vertretungsmacht verlassen kann611. Der Dritte wird damit im Verhältnis zu dem Geschäftsherrn von dem Risiko entlastet, den Bestand und den Umfang der Vertretungsmacht auf eigene Gefahr prüfen zu müssen. Eine solche Erklärung schafft damit aber nicht bloß den „Rechtsschein der Bevollmächtigung“, sondern hat einen eigenen Erklärungsgehalt. Den Geschäftsherrn trifft danach gegenüber dem Dritten die Pflicht, das Risiko eines aus dem Innenverhältnis resultierenden Vollmachtmangels zu übernehmen. Er muss sich also im Verhältnis zu dem Dritten so behandeln lassen, als habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Vollmacht bestanden und zwar in dem Umfang, in dem er die Bevollmächtigung dem Dritten mitgeteilt hat. Lobinger konnte nicht nur darlegen, dass diese Vorstellung auch bei den Verfassern des BGB vorhanden war. Er hat auch anhand der Materialien zum BGB gezeigt, dass die §§ 170 Abs. 1, 171 Abs. 1 BGB ein Kunstgriff des Gesetzgebers in Gestalt einer „Abkürzung“ sind612: Nach der Vorstellung des Verfassers des Teilentwurfs zum Allgemeinen Teil, Gebhard, ist Adressat der Bevollmächtigungserklärung allein der zu Bevollmächtigende, während er einer Erklärung über die Bevollmächtigung gegenüber dem Dritten oder der Öffentlichkeit einen genehmigenden Charakter zuschrieb613. Den zusichernden Gehalt der nach außen gerichteten Erklärung des Geschäftsherrn an den Dritten über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters hat die 1. Kommission klar erkannt. In der Diskussion um den späteren §§ 120, 121 des ersten Entwurfs als Vorläufer der §§ 171– 611  Flume, Rechtsgeschäft, § 49 2, S. 823 unter Hinweis auf die Motive I, S. 237 (Mugdan I, S. 483 f.); Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 246; für die Erteilung einer Vollmachtsurkunde auch Hupka, Vollmacht, S. 169. 612  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 247 f. 613  Gebhard, S. 167 (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 187).



B. Die Außenerklärung189

173 BGB führte man aus, dass in der Mitteilung der Bevollmächtigung nach außen „nach der Auffassung des Lebens wie nach der vernünftiger Weise anzunehmenden Absicht des Vollmachtgebers in dieser Kundgebung (…) nicht blos ein Hinweis auf die Thatsache der Bevollmächtigung (liegt), sondern die Erklärung, daß der Dritte sich darauf verlassen kann, daß die betr. Person Vertretungsmacht habe“614. Freilich bezog sich diese Äußerung auf die kundgegebene Innenvollmacht, da der erste Entwurf die Außenvollmacht noch nicht kannte. Eine solche hielt man angesichts der getroffenen Regelungen offensichtlich nicht für erforderlich. Der in den hier zitierten Ausführungen zum Ausdruck kommende Gedanke kann aber als für die Erklärung der Bevollmächtigung nach außen generell gültig verstanden werden. Von diesem Ausgangspunkt aus gelangte die 1. Kommission des Weiteren zu der Auffassung, dass dem versichernden Gehalt der Erklärung ein Anspruch des Dritten gegenüber dem Geschäftsherrn entspräche, sich in dem Fall, dass der Vertreter bei Abschluss des Vertretergeschäfts tatsächlich keine oder keine ausreichend umfangreiche Vertretungsmacht gehabt habe, so behandeln zu lassen, als sei der Vertreter entsprechend bevollmächtigt gewesen615. Den „praktischen Bedürfnissen616“ des Rechtsverkehrs genüge ein solcher obligatorischer Anspruch jedoch nicht. Vielmehr sei erforderlich, dass „die Rechtslage schlechthin (eintrete), welche sich ergeben würde, wenn der Kund­ gebung die Bedeutung einer für sich stehenden Vollmachtsertheilung innewohnte“617. Die 1. Kommission stand also auf dem Standpunkt, dass aus der Erklärung des Geschäftsherrn nach außen über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters ein obligatorischer Anspruch des Erklärungsempfängers folgen müsse, nach dem wiederum der Geschäftsherr verpflichtet ist, sich so behandeln zu lassen, als hätte sein Stellvertreter entsprechend der Mitteilung tatsächlich Vollmacht innegehabt. Mit anderen Worten: Die 1. Kommission interpretierte die Außenerklärung des Geschäftsherrn als Risikoübernahme. Allerdings blieb sie hierbei nicht stehen, sondern knüpfte an die Erklärung aus Gründen des Verkehrsschutzes weiter reichende Folgen: Anstelle eines obligatorischen Anspruchs des Dritten gegen den Geschäftsherrn sollte unmittelbar die Rechtslage eintreten, die bestehen würde, wenn der Stellvertreter bei Abschluss des Vertretergeschäfts entsprechend der Erklärung des Geschäftsherrn Vollmacht gehabt hätte. Die Verpflichtung des Vertretenen erfüllt sich quasi „automatisch“618. Das Gesetz fingiert also

614  Motive

I, S. 237 (Mugdan I, S. 483 f.). I, S. 237 (Mugdan I, S. 484). 616  Motive I, S. 237 (Mugdan I, S. 484). 617  Motive I, S. 237 (Mugdan I, S. 484). 618  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 248 spricht in diesem Zusammenhang von „self-execution“. 615  Motive

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

das Bestehen von Vertretungsmacht619 und zwar, weil damit das von dem Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten abgegebene Versprechen unmittelbar umgesetzt wird. Die gesetzliche Regelung, kommt sie auch in erster Linie dem Dritten zugute, ist damit kein von außen den Parteien aufgezwungener Verkehrsschutz, sondern entspricht und verwirklicht den typischen Parteiwillen620. Anders als von den Vertretern der Rechtsscheinlehre angenommen, kommt das Vertretergeschäft nach der gesetzlichen Konzeption also nicht als „Reflexwirkung des Vertrauensschutzes“ zustande, sondern infolge des erklärten Willens des Geschäftsherrn. Damit steht die gesetzliche Konzeption im Einklang mit dem der direkten Stellvertretung zugrunde liegenden Prinzip, dass die Vertretungswirkung aufgrund des Willens des Geschäftsherrn eintritt621. Erkennt man den zusichernden Gehalt der nach außen gerichteten Erklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters und die daran anknüpfende Fiktionswirkung der §§ 170–172 BGB, wird unmittelbar deutlich, dass eine „Außenvollmacht“ weder in der ursprünglichen Konzeption des stellvertretungsrechtlichen Verkehrsschutzes von Gebhard und der 1. Kommission angelegt ist, noch neben der Kundgabe eine eigenständige Bedeutung erlangt. Die Auslegung als rechtsgeschäftliche Zusicherung entfaltet vielmehr für die Kundgabetatbestände wie die so genannte Außenbevollmächtigung – soweit sie sich überhaupt voneinander unterscheiden lassen – gleichermaßen Richtigkeit. Sie versetzt dem Konzept der Außenbevollmächtigung zudem endgültig „den Todesstoß“. Denn wenn der Kern der Erklärung gerade darin liegt, dem Dritten das Risiko fehlender Vertretungsmacht abzunehmen, wird unmittelbar deutlich, dass die Erklärung nicht gleichzeitig die Erteilung von Vertretungsmacht enthält. Letztere Annahme beruht vielmehr auf einer reinen Fiktion, die durch nichts gerechtfertigt ist, da sie weder den Willen der Parteien widerspiegelt noch zur Gewährleistung eines ausreichenden Verkehrsschutzes erforderlich ist. Zugegebenermaßen wird durch die Ablehnung der Außenvollmacht weit in den Wortlaut der §§ 167 Abs. 1 Alt. 2, 170 BGB eingegriffen, ist hier doch von der „Erteilung der Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten“ die Rede. Allerdings lässt sich auch dieser scheinbare Widerspruch auflösen, wenn man sich bewusst macht, dass auch hier eine „Abkürzung“ des Gesetzes vorliegt. Tatsächlich verpflichtet sich der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten, sich so behandeln zu lassen, als bestehe im Innenverhältnis zu sei619  Ähnlich Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 131, der von der „Anknüpfung von Vollmachtswirkungen“ spricht. 620  Diesen Aspekt verkennt Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 130 ff., der die Kundgabetatbestände alleine aus der Sicht des Dritten betrachtet. 621  Dniestrzanski, Aufträge, S. 86; Mitteis, Stellvertretung, S. 182.



B. Die Außenerklärung191

nem Vertreter tatsächlich Vertretungsmacht. Das Gesetz führt diese Verpflichtung unmittelbar aus, indem es anordnet, dass zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten aufgrund einer solchen Außenerklärung die Rechtslage eintritt, die bestehen würde, wenn der Vertreter tatsächlich mit Vertretungsmacht gehandelt hätte. d) Zwischenergebnis Die Vertretungsbefugnis, die gemäß §§ 170, 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB aus der Außenerklärung resultiert, beruht damit auf dem privatautonom gebildeten und geäußerten Willen des Geschäftsherrn. Anders als Flume angenommen hat, ist die Kundgebung keine selbstständige Bevollmächtigung, sie gilt nur als solche. Das rechtsgeschäftliche Erklärungsmodell des Gutglaubensschutzes im Stellvertretungsrecht hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Theorie der Vertrauenshaftung. Es sucht den Grund für die Bindung des Geschäftsherrn an die Willenserklärung seines Stellvertreters im Willen des Geschäftsherrn. Zwar ist dieser Wille nicht unmittelbar auf den Abschluss des in Frage stehenden Vertretergeschäfts gerichtet, denn dann hätte der Geschäftsherr seinen Stellvertreter hierzu bevollmächtigt oder das Geschäft jedenfalls nachträglich genehmigt. Der Geschäftsherr wollte jedoch mit seiner Erklärung an den Dritten erreichen, dass dieser sich auf das Vorliegen von Vertretungsmacht verlässt und entsprechend mit dem Stellvertreter des Geschäftsherrn kontrahiert. Dem Gutglaubensschutz der §§ 170 ff. BGB liegt damit ein willentlich abgegebenes Versprechen des Geschäftsherrn zugrunde, welches die damit verbundenen Wirkungen der direkten Stellvertretung zu rechtfertigen vermag. Dieses Versprechen ist gemeint, wenn im Folgenden von der Außenerklärung die Rede ist. 2. Die ausdrückliche Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten Zunächst soll der Fall betrachtet werden, dass der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten ausdrücklich erklärt, er habe einen anderen in einem bestimmten Umfang bevollmächtigt, ihn zu vertreten. Dies kann sowohl mündlich als auch schriftlich in einer Vollmachtsurkunde geschehen; außerdem ist der Einsatz eines Boten denkbar. So liegt eine entsprechende Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten auch dann vor, wenn er seinem Stellvertreter eine Vollmachtsurkunde aushändigt und dieser die Urkunde dem Dritten vorlegt. Die im Namen des Geschäftsherrn abgegebene Erklärung des Stellvertreters selbst über seine Vertretungsmacht kann dagegen nicht als

192

Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Außenerklärung des Geschäftsherrn gelten622. Denn in einem solchen Fall ist der Dritte in seinem Vertrauen auf das Bestehen von Vertretungsmacht nicht schutzwürdiger als bei der reinen Innenvollmacht. Die Außenerklärung zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass sie immer auf den Geschäftsherrn selbst zurückzuführen sein muss. Löst man sich von der herrschenden Konzeption der Außenvollmacht, stellt sich die Frage, wie diese Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten rechtlich einzuordnen ist und welche Rechtsfolgen sich hieran knüpfen. a) Die Auslegung der Erklärung des Geschäftsherrn als Angebot Ausgangspunkt für die rechtliche Auslegung und Einordnung einer Erklärung ist der Wille des Erklärenden. Es ist mithin danach zu fragen, warum sich der Geschäftsherr an den Dritten wendet, um ihm gegenüber die Bevollmächtigung eines anderen zu erklären. Die Antwort hierauf wurde bereits gefunden: Der Geschäftsherr, der einen Stellvertreter einsetzen möchte, steht vor der Schwierigkeit, seinen Geschäftspartner davon zu überzeugen, sich nicht nur auf Verhandlungen, sondern auch auf einen Vertragsabschluss mit dem Stellvertreter einzulassen. Für seinen Geschäftspartner birgt dies aber Risiken. Mangels Einsicht in die Interna zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter weiß der Dritte nicht, ob der Stellvertreter, wie von ihm behauptet, für das in Frage stehende Geschäft tatsächlich bevollmächtigt ist, ob seine Vertretungsmacht bestimmten Einschränkungen, z. B. hinsichtlich des finanziellen Verfügungsrahmens unterliegt, oder ob die ursprünglich bestehende Vollmacht unter Umständen inzwischen widerrufen wurde. Will der Geschäftsherr seinen potentiellen Geschäftspartner also zum Geschäftsabschluss mit einem Stellvertreter bewegen, wird es ihm deswegen daran gelegen sein, den Dritten von diesen Risiken möglichst zu entlasten623. Keine andere Bedeutung kommt der Erklärung nach außen zu, mit der der Geschäftsherr die Bevollmächtigung seines Stellvertreters verkündet624. Diese Erklärung hat damit einen von der Innenbevollmächtigung verschiedenen Erklärungsgehalt. Es geht hierbei nicht darum, dem Stellvertreter die Befähigung zur rechtsgeschäftlichen Bindung des Geschäftsherrn zu verschaffen. Beabsichtigt ist vielmehr, dem Dritten zu versichern, dass der Stellvertreter mit Vollmacht ausgestattet ist, unabhängig von einem etwaigen Widerruf oder einer Beschränkung der Vertretungsmacht im Innenverhältnis. Der Dritte soll sich bis 622  So auch die ganz herrschende Meinung zu § 171 BGB; vgl. statt aller Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 171 Rn. 8. 623  Dies erkennt auch Merkt, AcP 204 (2004), S. 638, 650, jedoch ohne die hieraus folgenden Konsequenzen für die Einordnung der Außenerklärung zu ziehen. 624  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 245 f.



B. Die Außenerklärung193

zur Anzeige des Gegenteils darauf verlassen können, dass der Stellvertreter bei Abschluss des Vertretergeschäfts über Vertretungsmacht verfügt und zwar in dem von der Erklärung des Geschäftsherrn umfassten Rahmen und nur mit den in der Erklärung enthaltenen Einschränkungen. Der Geschäftsherr übernimmt damit gegenüber dem Dritten das aus dem Innenverhältnis resultierende Risiko hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs der Vertretungsmacht seines Stellvertreters. Nur so kann daher auch der Dritte die an ihn gerichtete Erklärung des Geschäftsherrn über die Bevollmächtigung seines Vertreters verstehen. Die Außenerklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters hat damit einen zusichernden Gehalt625 und ist mithin keine bloße Tatsachenmitteilung, sondern eine Willenserklärung im Sinne der §§ 145 ff. BGB. Ihrem verpflichtenden Charakter entsprechend ist sie als Angebot auf den Abschluss eines Vertrags zwischen Geschäftsherrn und Drittem über die Übernahme des Risikos durch Ersteren auszulegen. b) Die Annahme durch den Dritten Wenn nicht vorher bereits ausdrücklich geschehen, nimmt der Dritte dieses Angebot spätestens mit Abschluss des Vertretergeschäfts konkludent an. Der Zugang der Annahmeerklärung bei dem Geschäftsherrn ist nach § 151 S. 1 BGB entbehrlich. Eine entsprechende Verkehrssitte kann angenommen werden, da es sich bei der selbstständigen Risikoübernahme des Geschäftsherrn um ein für den Dritten und damit den Angebotsempfänger lediglich vorteilhaftes Geschäft handelt626. Eine eigene Verpflichtung übernimmt der Dritte mit der Annahme gerade nicht. c) Die Anfechtbarkeit der Außenerklärung Die Außenerklärung des Geschäftsherrn ist als Willenserklärung im Fall eines Irrtums anfechtbar gemäß §§ 119 ff. BGB627. Die Anfechtung setzt vo625  Krause, Schweigen, S.  156; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 251; Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 154; für die Tatbestände der §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB so auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 33. 626  Vgl. allgemein zur Entbehrlichkeit des Zugangs bei für den Angebotsempfänger lediglich vorteilhaften Geschäften: Staudinger/Bork, § 151 Rn. 8; Münchener Kommentar BGB/Busche, § 151 Rn. 5; aus der Rechtsprechung vgl. BGH, NJW 2000, 276, 277; BAGE 11, 236, 249. 627  So auch die herrschende Meinung zur Vollmachtskundgabe nach §§ 171, 172 BGB, vgl. Becker/Schäfer, JA 2006, S. 597, 600; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1524; Edenfeld, JuS 2005, 42, 47; Soergel/Leptien, § 171 Rn. 4; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, § 57 Rn. 947; Staudinger/Schilken, § 171 Rn. 9; Münchener Kommentar

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

raus, dass die Außenerklärung selbst und nicht die Bevollmächtigung im Innenverhältnis zu dem Stellvertreter auf einem Irrtum beruht. Allerdings ist die Anfechtung wegen eines Irrtums über die Rechtsfolge der Außenerklärung als unbeachtlicher Motivirrtum ausgeschlossen628. Der Geschäftsherr kann sich mithin nicht im Nachhinein darauf berufen, er habe nicht gewusst, dass er in Folge der Mitteilung der Bevollmächtigung an den Dritten diesem gegenüber für das Fehlen der Vertretungsmacht seines angeblichen Stellvertreters einstehen muss. Die Interessen des Dritten werden im Fall der Anfechtung hinreichend geschützt mittels der Schadensersatzpflicht des Anfechtenden gemäß § 122 BGB sowie der falsus-procurator-Haftung des angeblich Bevollmächtigten aus § 179 BGB. d) Der Widerruf der Außenerklärung Die Außenerklärung des Geschäftsherrn über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters ist jederzeit für die Zukunft widerruflich. Dies folgt ebenfalls bereits unmittelbar aus der Auslegung der Erklärung des Geschäftsherrn, wie sie der Dritte verstehen durfte: Denn ein verständiger Empfänger kann nicht davon ausgehen, dass sich der Geschäftsherr für alle Zeiten dazu verpflichten will, sich gegenüber dem Dritten so behandeln zu lassen, als habe sein angeblicher Stellvertreter mit Vollmacht gehandelt. Vielmehr wird es für beide Parteien auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Abmachung selbstverständlich sein, dass die Außenerklärung des Geschäftsherrn nur so lange Wirksamkeit entfaltet, bis der Geschäftsherr seine Erklärung gegenüber dem Dritten widerruft. Dies entspricht dem einseitig verpflichtenden Gehalt der Erklärung. Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit den Regelungen der §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB, soweit es um den Widerruf der Außenerklärung geht. Als schwieriger erweist sich jedoch die Vereinbarkeit mit § 168 S. 3 BGB. Nach dem Wortlaut des § 168 S. 3 i. V. m. § 167 Abs. 1 BGB kann der Widerruf der Vollmacht sowohl gegenüber dem Stellvertreter als auch gegenüber dem Dritten erfolgen. Hieraus wird ganz überwiegend geschlossen, dass die reine Innenvollmacht auch im Außenverhältnis und umgekehrt die nach außen erklärte Bevollmächtigung intern gegenüber dem Bevollmächtigten widerrufen werden kann629. Diese Auslegung der Regelung BGB/Schubert, § 171 Rn. 9; BGB-RGRK/Steffen, § 171 Rn. 3; Bamberger/Roth/Valenthin, § 171 Rn. 11; a.  A. jedoch Jauernig/Mansel, §§ 170–173, Rn. 7; Erman/ Palm12, § 171, Rn. 3. 628  Für die Anfechtung der „Kundgabeerklärung“: Bork, Allgemeiner Teil, Rn.  1524; Wolf/Neuner, § 50 Rn. 74. 629  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1513; Palandt/Ellenberger, § 168 Rn. 5; Soergel/ Leptien, § 168 Rn. 19; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, Rn. 940; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 168 Rn. 18; Staudinger/Schilken, § 168 Rn. 5; BGB-



B. Die Außenerklärung195

in § 168 S. 3 BGB begegnet indes Bedenken. Zum einen tritt sie in Konflikt mit den §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2 BGB630. Hieraus folgt gerade, dass die Außenerklärung so lange ihre Rechtswirkung entfaltet, bis sie gegenüber dem Dritten als Erklärungsempfänger widerrufen wird. Ein Widerruf der Außenerklärung allein im Innenverhältnis gegenüber dem Stellvertreter bleibt demnach ohne Wirkung. Zum anderen steht die Auslegung, wonach die Innenvollmacht im Außenverhältnis widerrufen werden kann, in Widerspruch zu dem personenbezogenen Vollmachtsbegriff des BGB. Diesen zugrunde gelegt, ist selbstverständlich, dass die Vollmacht nur gegenüber dem zu Bevollmächtigenden als ihrem alleinigen Adressaten widerrufen werden kann. Die Möglichkeit eines Widerrufs der Innenvollmacht im Außenverhältnis erscheint dagegen problematisch, soll damit doch durch Erklärung gegenüber einem Dritten die Vollmacht des Stellvertreters erlöschen, auch ohne dass dieser von dem Widerruf Kenntnis erlangen müsste. Die danach näher liegende Annahme, dass die intern erteilte Vollmacht nur im Innenverhältnis und die Außenerklärung nur im Außenverhältnis widerrufen werden kann, lässt sich auch mit dem Wortlaut der Vorschrift des § 168 S. 3 BGB in Einklang bringen, wonach § 167 Abs. 1 BGB „entsprechend“ Anwendung findet. Gemäß § 167 Abs. 1 BGB erfolgt die Erteilung der Vollmacht gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll; entsprechend hat dies dann auch für den Widerruf zu gelten: bei Erklärung der Vollmacht gegenüber dem zu Bevollmächtigenden ist der Widerruf danach an diesen zu richten, während die Außenerklärung gegenüber dem Dritten zu widerrufen ist. Noch nicht geklärt ist damit aber der Fall, dass der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten ausdrücklich oder konkludent zu verstehen gibt, dass die ursprünglich erteilte Vollmacht seines Vertreters keine Gültigkeit mehr habe. Nach der hier vertretenen Ansicht entfaltet eine solche Erklärung keine Auswirkungen im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter; insbesondere erlischt hierdurch die Vertretungsmacht nicht. Schließt der Vertreter im Vertrauen auf seine Vertretungsmacht ein Vertretergeschäft mit dem Dritten ab, handelt er mithin mit Vertretungsmacht, wenn der Geschäftsherr zuvor zwar gegenüber dem Dritten die Bevollmächtigung „widerrufen“ hat, nicht aber im Innenverhältnis gegenüber dem Stellvertreter. Der Dritte kann sich in einem solchen Fall jedoch gegenüber dem Geschäftsherrn nach Treu und Glauben nicht mehr auf die Vertretungsmacht des Stellvertreters berufen. Eine Haftung des Stellvertreters gegenüber dem Dritten aus § 179 BGB scheidet indes von vornherein aus, da der Vertreter ja gerade mit VerRGRK/Steffen, § 168 Rn. 5; v. Tuhr, Allgemeiner Teil, § 85, S. 404; einschränkend für die Außenvollmacht: NK-BGB/Ackermann, § 168 Rn. 5 und § 170 Rn. 2. 630  NK-BGB/Ackermann, § 168 Rn. 5 und § 170 Rn. 2.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

tretungsmacht handelte. Insofern entfaltet die nach außen gerichtete Erklärung des Geschäftsherrn, der Vertreter sei nicht mehr zur Vertretung befugt, die Wirkung eines Erlöschenstatbestandes – der Dritte kann sich gegenüber dem Stellvertreter nicht auf das Bestehen von Vertretungsmacht und damit die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts berufen; gibt der Geschäftsherr allerdings gegenüber dem Dritten ausdrücklich oder konkludent zu verstehen, dass er entgegen seiner vorherigen Erklärung an dem Vertretergeschäft festhalten möchte, ist der Dritte an seine Erklärung gebunden. Es tritt damit dieselbe Rechtslage ein, wie sie gemäß § 179 BGB bei einer Vertretung ohne Vertretungsmacht besteht, von der der Dritte wiederum Kenntnis hatte oder haben musste. Dies mag im Ergebnis damit gemeint sein, wenn die überwiegende Meinung davon ausgeht, dass die Innenvollmacht im Außenverhältnis widerrufen werden kann. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass es sich hierbei nicht um einen die Vollmacht zum Erlöschen bringenden Widerruf handelt, sondern vielmehr nur im Verhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten die Rechtslage eintritt, die besteht, wenn der Vertreter mit Wissen des Dritten ohne Vertretungsmacht handelt. 3. Die konkludente Erklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten Die Außenerklärung des Geschäftsherrn an den Dritten über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters kann auch konkludent erfolgen. Dies ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte zum Beispiel dann der Fall, wenn der Geschäftsherr einen anderen im Rahmen eines Auftrags-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstvertrags mit einer Aufgabe betraut, die mit dem Abschluss von Rechtsgeschäften im Namen des Geschäftsherrn typischerweise einhergeht und der Dritte hiervon durch den Geschäftsherrn Kenntnis erlangt. Das gleiche gilt für die Besetzung einer bestimmten Position innerhalb eines Unternehmens, wobei hier konkludent nur die mit dieser Stellung gewöhnlich verbundene Vertretungsmacht zugesichert wird631. Erfolgt die Anstellung in einem Ladengeschäft oder einem offenen Warenlager, stellt § 56 HGB klar, dass das angestellte kaufmännische Hilfspersonal als zu den gewöhnlichen Verkäufen und Empfangnahmen ermächtigt gilt632. Wie Flume zutreffend feststellt, beruht die Anordnung des § 56 HGB auf einer typischerweise in der Anstellung liegenden, schlüssigen Erklärung des Geschäftsherrn über die Bevollmächtigung seines Hilfspersonals633. Hierbei handelt es sich je631  Lobinger,

Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 265. im Einzelnen unten in Kapitel 4 unter C. I. 633  Flume, Rechtsgeschäft, § 49 3, S. 829; so auch Schlegelberger/Schröder, § 56 Rn. 1; a. A. die weit überwiegende Meinung; siehe hierzu die Darstellung von Joost in: Großkommentar HGB, § 56 Rn. 4 ff. 632  Siehe



B. Die Außenerklärung197

doch nicht etwa um eine konkludente Bevollmächtigungserklärung gegenüber dem Dritten634, sondern vielmehr um eine konkludente Außenerklärung. Die Kritik an der Lehre Flumes, der Verkehr gehe in aller Regel davon aus, dass dem Angestellten bereits Vollmacht erteilt wurde und könne die Anstellung daher nicht als konkludente Außenbevollmächtigung auffassen635, greift daher nicht durch. Eine konkludente Außenerklärung über die Bevollmächtigung liegt auch dann vor, wenn der angebliche Stellvertreter im Namen des Geschäftsherrn Verträge abschließt und der Geschäftsherr dies gegenüber dem Dritten wissentlich duldet, zum Beispiel, indem er die Verträge erfüllt, ohne auf die fehlende Vertretungsmacht seines angeblichen Vertreters hinzuweisen. In diesem Fall liegt nach der hier vertretenen Ansicht mithin weder eine Rechtsscheinvollmacht in Gestalt der Duldungsvollmacht636 noch eine konkludente Außenbevollmächtigung637 vor, sondern vielmehr eine konkludente Außenerklärung über die Bevollmächtigung. Der Geschäftsherr, der das Handeln seines angeblichen Vertreters gegenüber dem Dritten nicht beanstandet, gibt damit seine Billigung kund. Weiß der Dritte nicht, dass der angebliche Stellvertreter tatsächlich ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, kann er das Verhalten des Geschäftsherrn auch nicht etwa als Genehmigung nach § 177 BGB auffassen. Aus Sicht des verständigen Dritten stellt sich das Verhalten des Geschäftsherrn vielmehr als Bestätigung der angeblich vorhandenen Vertretungsmacht dar. Der Geschäftsherr ist in der Folge seiner konkludenten Erklärung gegenüber dem Dritten daher verpflichtet, sich so behandeln zu lassen, als habe sein angeblicher Stellvertreter tatsächlich mit Vertretungsmacht gehandelt. Er darf sich gegenüber dem Dritten also nicht auf die fehlende Vertretungsmacht berufen. Grund hierfür ist aber nicht in erster Linie ein entsprechendes Vertrauen des Dritten, sondern die von dem Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten durch sein Verhalten konkludent abgegebene Erklärung, dass derjenige, der als sein Stellvertreter auftritt, tatsächlich bevollmächtigt ist, ihn entsprechend zu vertreten. An dieser, wenn auch nur wohl aber Flume, Rechtsgeschäft, § 49 3, S. 829. Handelsrecht, § 14 Rn. 2. 636  So aber die h. M.: Canaris, FG 50 Jahre BGH I, S. 129, 154 ff.; ders. Vertrauenshaftung, S.  40 ff.; Fikentscher, AcP 154 (1955), S. 1, 4 mit Nachweisen zu der Entwicklung des Gedankens der Rechtsscheinvollmacht in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs; Köhler, Allgemeiner Teil, § 11 Rn. 43; Soergel/Leptien, § 167 Rn. 20; BGB-RGRK/Steffen, § 167 Rn. 7; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 84 ff. 637  So aber Flume, Rechtsgeschäft, § 49 3, S. 828 ff.; für den Fall der „Billigung mit rechtsgeschäftlichem Willen“ auch Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 29 m. w. N. Dagegen ist eine konkludente Bevollmächtigung durch Duldung im Innenverhältnis zu dem Stellvertreter auch nach der hier vertretenen Auffassung selbstverständlich möglich. 634  So

635  Canaris,

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

konkludent abgegebenen Willensäußerung muss sich der Geschäftsherr festhalten lassen; sie ist für ihn bis zu ihrem Widerruf bindend. Beispielsfall, Variante 4: Die klagende Bank (im Folgenden: die Bank) verlangt von dem Beklagten (im Folgenden: der Geschäftsherr) die Rückzahlung eines Darlehens, das sie ihm zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung gewährt hat. Der Geschäftsherr hatte zuvor mit einer Treuhandgesellschaft (im Folgenden: die Vertreterin) einen umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrag zum Erwerb einer Eigentumswohnung geschlossen und dieser eine Vollmacht zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und Maßnahmen, die für den Eigentumserwerb erforderlich oder zweckdienlich erschienen, erteilt. Die Vertreterin schloss daraufhin namens des Geschäftsherrn mit einem Bauträger einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung ab. Bei der Bank nahm sie zunächst nur einen Zwischenkredit auf. Die Bank wies den Geschäftsherrn schriftlich auf die Eröffnung eines Darlehenskontos durch die Vertreterin hin, erhielt hierauf jedoch keine Antwort. Später wurde der endgültige Darlehensvertrag durch die Vertreterin namens des Geschäftsherrn abgeschlossen und von der Bank vereinbarungsgemäß erfüllt. Nachdem der Geschäftsherr das Darlehen zunächst bedient hatte, stellte er die Zahlung der Tilgungsraten nach einiger Zeit ein. Die Bank kündigte daraufhin den Darlehensvertrag fristlos.

In mehreren Entscheidungen, denen der obige Sachverhalt nachempfunden wurde638, stellten sich der Bundesgerichtshof und ihm vorangehend die Berufungsgerichte die Frage, ob die fehlende Vollmacht der Vertreterin im Verhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und der Bank durch eine Duldungsvollmacht überwunden und damit der Darlehensvertrag doch wirksam zustande gekommen sein könnte. Als Ankerpunkt für eine Duldungsvollmacht kam nach Ansicht des Berufungsgerichts in einem Fall das Schweigen des Geschäftsherrn auf die Mitteilung der Beklagten über die Eröffnung des Darlehenskontos in Betracht. Dagegen sah der Bundesgerichtshof hierin keine ausreichende Tatsachengrundlage für die berechtigte Annahme eines bewussten Duldens639. Nach der hier vertretenen Konzeption lautet die Fragestellung dahingehend, ob der Geschäftsherr gegenüber der Bank die Erklärung abgegeben hat, dass die Vertreterin zur Aufnahme eines Darlehens in seinem Namen bevollmächtigt ist. Eine ausdrückliche Erklärung liegt nicht vor und auch eine konkludente Außenerklärung kann in dem Schweigen auf die Mitteilung der Bank über den Zwischenkredit nur schwerlich angenommen werden. Denn damit hat der Geschäftsherr gerade nicht zu erkennen gegeben, dass er die Vertreterin zum Abschluss von weitergehenden Darlehensverträgen bevollmächtigt habe640. 638  BGH,

WM 2003, 1064, 1066; NJW 2005, 2985, 2987. WM 2003, 1064, 1066; NJW 2005, 2985, 2987; anders jedoch noch BGH, NJW 1997, 312, 313. 640  Siehe hierzu auch unten in Kapitel 3, Teil C, Beispielsfall 1, Variante 4. 639  BGH,



B. Die Außenerklärung199

Im Ergebnis besteht damit kein Unterschied zu der Lösung des Bundesgerichtshofs; die Fragestellung verschiebt sich jedoch und knüpft unmittelbar an den durch ein Verhalten geäußerten Willen des Geschäftsherrn und nicht an einen Rechtsschein an. In anderen Fällen kann das Konzept der Außenvollmacht jedoch auch durchaus zu abweichenden Ergebnissen führen. ­Berücksichtigt man in obigem Beispielsfall den Umstand, dass der Geschäftsherr bei Abschluss des Darlehensvertrags durch die Vertreterin davon ausging, diese zuvor wirksam bevollmächtigt zu haben, stellt sich die Frage, ob dies der Annahme einer Duldungsvollmacht nicht bereits per se entgegensteht641. Denn nach der herrschenden Doktrin ist Voraussetzung für eine Duldungsvollmacht, dass der Geschäftsherr es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn als Vertreter agiert, ohne bevollmächtigt zu sein642. Laut dem Bundesgerichtshof setzt dies jedoch das Bewusstsein voraus, tatsächlich keine Vollmacht erteilt zu haben; andernfalls könne er das vollmachtlose Verhalten seines angeblichen Vertreters nicht dulden643. Die Außenerklärung setzt ein solches Bewusstsein der fehlenden Vollmacht hingegen nicht voraus. Denn hier geht es ja gerade darum, dass der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten das Risiko übernimmt, dass im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Vertreter die Bevollmächtigung nicht oder nicht wirksam erfolgt ist, auch wenn dies bei Abschluss des Vertretergeschäfts noch von keiner Partei erkannt wird. Liegt also eine entsprechende Außenerklärung vor, dann kommt es für die darauf gründende gesetzliche Fiktion der Vertretungsmacht nicht darauf an, ob dem Geschäftsherrn im Moment der Abgabe seiner Erklärung das Fehlen der Vertretungsmacht bewusst war. Es reicht aus, dass der Geschäftsherr das Risiko fehlender Vertretungsmacht übernehmen wollte und der Dritte das Handeln des Geschäftsherrn auch so verstehen durfte. Diejenigen Fallgestaltungen, die bislang als Duldungsvollmacht diskutiert wurden, lassen sich mithin problemlos in die hier vertretene Konzeption der Außenerklärung integrieren. Diese hat gegenüber der Rechtsscheinlehre den entscheidenden Vorteil, dass sie die Bindungswirkung des Vertretergeschäfts für den Geschäftsherrn an dessen erklärten Willen und nicht an den Schein einer Bevollmächtigung anknüpft.

641  Vgl.

1077.

BGH, NJW 2005, 2985, 2987; siehe hierzu Lobinger, JZ 2006, S. 1076,

642  Std. Rspr.; siehe etwa BGH, NJW 2003, 2091, 2092 und BGH NJW 2005, 2985, 2987, jeweils m. w. N. 643  BGH, NJW 2005, 2985, 2987.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

4. Das fahrlässige Verhalten des Geschäftsherrn Weiß der Geschäftsherr hingegen nichts von dem Auftreten seines angeblichen Stellvertreters, begründet sein Nichteinschreiten keine konkludente ­Außenerklärung über die Bevollmächtigung, auch wenn bei dem Dritten möglicherweise ein entsprechender Eindruck erweckt wird. Denn dem Geschäftsherrn kann in einem solchen Fall allenfalls ein sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen werden, wenn er das Verhalten seines angeblichen Stellvertreters bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte kennen und verhindern können. Dem Dritten steht dann ein Anspruch auf Ersatz seines Vertrauensschadens aus culpa in contrahendo zu644. Für eine konkludente Willenserklärung fehlt es indes an einer entsprechenden bewussten Willensbetätigung des Geschäftsherrn645. Die von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur vertretene Auffassung, in einem solchen Fall entstehe eine Rechtsscheinvollmacht in Gestalt einer Anscheinsvollmacht, die in ihren Rechtsfolgen ebenso zu behandeln sei, wie die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung646, führt hingegen zu weit. Der bloße Schein einer konkludenten Außenerklärung, auf den ein Dritter vertraut hat, dem aber keine privatautonome Willensbetätigung des Geschäftsherrn zugrunde liegt, ist nicht geeignet, die der Stellvertretung wesenseigene Bindung des Geschäftsherrn an die Willenserklärung eines anderen zu begründen. Die Annahme einer Anscheinsvollmacht überdehnt zudem den Schutz des Dritten zulasten des Geschäftsherrn ohne Not. Denn die berechtigten Interessen des Dritten werden durch die Möglichkeit der Genehmigung nach § 177 BGB sowie die falsus-procurator-Haftung gemäß § 179 BGB und die culpa in contrahendo-Haftung des Geschäftsherrn ausreichend geschützt. Das Konzept der Außenerklärung eignet sich mithin auch, um die bisher unter dem Schlagwort der Anscheinsvollmacht diskutierten Fälle einer interessengerechten Lösung zuzuführen. Es bedarf hierzu nicht des heteronomen Instruments der Rechtsscheinhaftung. Vielmehr ist eine im Willen der Parteien wurzelnde und damit privatautonome Lösung möglich. Der Kerngedanke liegt darin, den Geschäftsherrn an seiner willentlich getätigten Äuße644  Canaris, Vertrauenshaftung, S.  48  ff., 51; Flume, Rechtsgeschäft, § 49 4, S.  832 ff.; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, Rn. 971; Pawlowski, Allgemeiner Teil, Rn. 720. Hinsichtlich der Streitfrage, ob in den Konstellationen der Anscheinsvollmacht ein ausreichender vorvertraglicher Kontakt besteht, um eine cic-Haftung zu begründen siehe nur Peters, AcP 179 (1979), S. 214, 235 ff. auf der einen und Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 33 ff. auf der anderen Seite. 645  So auch Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 31 zur Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht. 646  Vgl. hierzu BGHZ 86, 273, 275 f.; Larenz/Wolf, § 48 Rn. 25 ff.; Soergel/Leptien, § 167 Rn. 20; Stadler, Allgemeiner Teil, § 30 Rn. 46.



B. Die Außenerklärung201

rung über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters festzuhalten. Die Außenerklärung stellt sich damit auch als adäquater „Ersatz“ für eine tatsächlich erfolgte Bevollmächtigung heraus, ruft man sich deren ureigene Funktion als Bindeglied zwischen der Bindungswirkung des Vertretergeschäfts in der Person des Geschäftsherrn und dessen erklärtem Willen ins Bewusstsein. 5. Die Vollmachtsurkunde Die Außenerklärung muss nicht unmittelbar durch den Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten abgegeben werden. Vielmehr kann sie in einer Urkunde niedergelegt und durch den Vertreter dem Dritten übermittelt werden, § 172 BGB. Gemäß § 172 Abs. 1 BGB steht es der besonderen Mitteilung einer Bevollmächtigung gleich, wenn der Geschäftsherr dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt hat und der Vertreter sie dem Dritten vorlegt. Die Vertretungsmacht bleibt in diesem Fall bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird, § 172 Abs. 2 BGB. Dies gilt nicht, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei Vornahme des Vertretergeschäfts kennt oder kennen muss, § 173 BGB. Die hier vertretene Konzeption der Außenerklärung als Risikoübernahme durch den Geschäftsherrn steht mit der gesetzlichen Regelung zur Vollmachtsurkunde im Einklang. Ordnet man wie hier die nach außen gerichtete Erklärung des Geschäftsherrn über die Bevollmächtigung seines Stellvertreters als eigenständige Willenserklärung mit dem Gehalt einer Risikoübernahme ein, wird unmittelbar ersichtlich, warum gemäß § 172 BGB die die Außenerklärung verkörpernde Urkunde seitens des Geschäftsherrn ausgehändigt und durch den Stellvertreter dem Dritten auch vorgelegt werden muss. Es handelt sich hierbei nicht um das Setzen eines zurechenbaren Rechtsscheintatbestandes647, sondern vielmehr um Abgabe und Zugang der Außenerklärung im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB. Durch das willentliche Aushändigen der Urkunde an den Stellvertreter zu dem Zweck, diese im Rechtsverkehr einzusetzen, hat der Geschäftsherr alles getan, was zum Wirksamwerden der Willenserklärung erforderlich ist; er hat sie an den Erklärungsboten übergeben und damit die Außenerklärung abgegeben. Damit ist auch ohne weiteres ersichtlich, warum das Vertretergeschäft trotz vorgelegter Urkunde dann nicht nach § 172 Abs. 1 BGB zustande kommt, wenn die Urkunde dem Geschäftsherrn ohne sein Zutun abhanden gekommen ist648 – 647  So aber die herrschende Meinung: Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1526 f.; Palandt/ Ellenberger, § 172 Rn. 1; Soergel/Leptien, § 172 Rn. 1; Erman/G. Maier-Reimer, § 172 Rn. 1; BeckOK BGB/Schäfer, § 172 Rn. 1; Münchener Kommentar/Schubert, § 172 Rn. 18; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 78. 648  BGHZ 65, 13, 14 f.; Palandt/Ellenberger, § 172 Rn. 2; Erman/G. Maier-Reimer, § 172 Rn. 5; Bamberger/Roth/Valenthin, § 172 Rn. 6; Wolf/Neuner, Allgemeiner

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nicht etwa, weil in diesem Fall ein gegen den Geschäftsherrn wirkender Rechtsschein nicht gerechtfertigt wäre649, sondern weil mit der Urkunde die darin verkörperte Willenserklärung abhanden gekommen und damit eine Konstellation eingetreten ist, die dem Fall fehlenden Erklärungsbewusstseins entspricht650. Mit der Vorlage der Urkunde gelangt diese in den Herrschaftsbereich des Dritten, so dass dieser von der hierin verkörperten Willenserklärung Kenntnis nehmen kann; die Außenerklärung ist zugegangen im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB. Hat der Geschäftsherr die Außenerklärung durch das Aushändigen an den Stellvertreter abgegeben und ist sie dem Dritten durch das Vorlegen zugegangen, muss der Geschäftsherr sie gegen sich gelten lassen und zwar auch dann, wenn er intern gegenüber seinem Stellvertreter die Bevollmächtigung bereits widerrufen hat. Gegenüber dem Dritten, dem vor Abschluss des Vertretergeschäfts die Urkunde ausgehändigt wurde und der den internen Widerruf weder kannte noch kennen musste, ist der Geschäftsherr daher verpflichtet, sich so behandeln zu lassen, als habe noch Vertretungsmacht bestanden, da er genau dieses Risiko mit der Außenerklärung übernommen hat. Der Geschäftsherr kann die in der Urkunde verkörperte Außenerklärung nach den allgemeinen Regeln auch gegenüber dem Dritten widerrufen651. Damit entfällt jedoch nicht die Möglichkeit, dass der Vertreter die Urkunde dem Dritten dennoch vorlegt. Denkbar sind folgende Konstellationen: Im ersten Fall legt erst der Stellvertreter die Urkunde dem Dritten vor, bevor es aber zum Abschluss des Vertretergeschäfts kommt, widerruft der Geschäftsherr die Außenerklärung gegenüber dem Dritten. In diesem Fall erlischt die Außenerklärung nach den allgemeinen Grundsätzen. Im zweiten Fall widerruft der Geschäftsherr die Außenerklärung gegenüber dem Dritten noch bevor der Vertreter die Urkunde dem Dritten vorlegt. Der Dritte ist dann im Moment des Zugangs der Außenerklärung bereits nicht mehr gutgläubig im Sinne von § 173 BGB. So lange aber der Vertreter in Besitz der Urkunde ist und diese Dritten vorlegen kann, kann der Geschäftsherr an seine hierin verkörperte Außenerklärung gebunden werden; allein der interne Widerruf kann dies nicht verhindern. In diesem Sinne ist aber § 172 Abs. 2 BGB zu verstehen, Teil, § 50 Rn. 78; a. A. NK-BGB/Ackermann, § 172 Rn. 5, der für eine Anfechtbarkeit der abhanden gekommenen Vollmachtsurkunde plädiert. 649  So aber Soergel/Leptien, § 172 Rn. 3; BeckOK BGB/Schäfer, § 172 Rn. 6. 650  Siehe zur Gleichbehandlung von abhanden gekommener Willenserklärung und fehlendem Erklärungsbewusstsein: Erman/A.Arnold, § 130 Rn. 4; Münchener Kommentar BGB/Einsele, § 130 Rn. 14; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, S. 229; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, Rn. 267. 651  Siehe zum Widerruf der Außenerklärung oben in Kapitel 3 unter B. I. 2. d).



B. Die Außenerklärung203

wonach die Vertretungsmacht bestehen bleibt, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird. Problematisch erscheint allerdings folgende Konstellation: Der Geschäftsherr widerruft gegenüber dem Stellvertreter die Bevollmächtigung und fordert diesen auch zur Rückgabe der Urkunde auf, gleichwohl schließt der Stellvertreter unter Vorlage der Urkunde mit einem Dritten ein Vertretergeschäft. Nach dem bisher Gesagten wäre der Geschäftsherr an dieses Rechtsgeschäft gebunden, wenngleich er die Vollmacht im Innenverhältnis bereits widerrufen hatte, sein Vertreter folglich ohne Vertretungsmacht handelte und die Überbringung der in der Urkunde verkörperten Außenerklärung nicht länger durch einen entsprechenden Willen des Geschäftsherrn legitimiert war. Der Stellvertreter, der die Vollmachtsurkunde trotz Widerruf und Rückgabeverlangen durch den Geschäftsherrn dem Dritten vorlegt, handelt als „Bote ohne Botenmacht“ in dem Sinne, dass er eine angeblich von dem Geschäftsherrn stammende Willenserklärung überbringt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt keinen Botenauftrag (mehr) hat. Der Fall ist damit von solchen Konstellationen zu unterscheiden, in denen der Bote zwar mit der Übermittlung beauftragt wird, die Erklärung aber bewusst verfälscht. Ist in letzterem Fall die Erklärung richtigerweise anfechtbar gemäß § 120 BGB analog652, kommt hier eine entsprechende Anwendung der §§ 120, 122 BGB nicht in Betracht. Denn hier hat der Geschäftsherr mit der Rückforderung der Urkunde gegenüber seinem ursprünglichen Stellvertreter deutlich gemacht, dass die Urkunde nicht mehr vorgelegt werden soll und Letzteren folglich gerade nicht mehr mit der Übermittlung beauftragt. Legt der Stellvertreter-Bote die Urkunde dennoch einem Dritten vor, verhält er sich nicht wesentlich anders, als wenn er die Urkunde dem Geschäftsherrn entwendet hätte. In beiden Fällen handelt er gerade nicht in Ausführung eines Botenauftrags, sondern geriert sich lediglich als Bote (und Stellvertreter) durch eigenmächtige Intervention. Das Verhalten des angeblichen Boten kann in diesem Fall aber nicht mehr dem Geschäftsherrn zugerechnet werden653. Die in der Urkunde verkörperte Außenerklärung ist in diesem Fall vielmehr als schwebend unwirksam zu behandeln gemäß §§ 177 ff. BGB analog654. Damit kann der angeblich vertretene Geschäftsherr die Außenerklärung und damit auch das Vertretergeschäft mittels Genehmi652  Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1361; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S.  232 ff.; Marburger, AcP 173 (1973), S. 137, 143 ff.; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, Rn. 748; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 33 Rn. 43; a. A. (für eine analoge Anwendung von §§ 177 ff. BGB): Soergel/Hefermehl, § 120 Rn. 4; BeckOK BGB/Schäfer, § 177 Rn. 12; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 79. 653  Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 234; Staudinger/Singer, § 120 Rn. 3. 654  Siehe die Nachweise in Fußnote 653 sowie NK-BGB/Ackermann, § 120 Rn. 6; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1361.

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gung an sich ziehen, während der Dritte an seine Willenserklärung gebunden und ein Reurecht somit ausgeschlossen ist. Genehmigt der Geschäftsherr indes nicht, treffen ihn keine weiteren Haftungsfolgen; dagegen haftet der angebliche Bote gegenüber dem Dritten sowohl als „Bote ohne Botenmacht“ nach § 179 BGB analog als auch als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB direkt.

II. Konsequenzen für das Verhältnis der Außenerklärung zu dem Grundverhältnis Die Erklärung des Geschäftsherrn nach außen, wonach sein Stellvertreter in einem bestimmten Umfang zu seiner Vertretung bevollmächtigt ist, ist folglich eine Risikoübernahme zu Gunsten des Erklärungsempfängers, also eines bestimmten Dritten oder einer unbestimmten Anzahl von möglichen Geschäftspartnern. Wie nach herrschender Meinung zur Außenvollmacht wird auch hier diese Erklärung als Willenserklärung eingeordnet. Sie erzeugt jedoch keine Vertretungsmacht, denn hierfür ist eine Erklärung des Geschäftsherrn an den zu Bevollmächtigenden erforderlich. Die Außenerklärung beinhaltet aber die rechtsgeschäftliche Zusicherung des Geschäftsherrn, sich jedenfalls so behandeln zu lassen, als habe sein Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt. 1. Die Unabhängigkeit von dem Innenverhältnis Nach ihrem ureigensten Sinn und Zweck steht fest, dass diese Außenerklärung von dem Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Stellvertreter unabhängig sein muss. Sie ist ebenso losgelöst von der Frage, ob der Geschäftsherr seinen Stellvertreter wirksam bevollmächtigt hat, wie von allen Umständen das Grundverhältnis betreffend. Die Außenerklärung entfaltet damit sowohl dann Wirksamkeit, wenn die Bevollmächtigung selbst mangelbehaftet ist, als auch dann, wenn Mängel des Grundverhältnisses auf die Vollmacht durchschlagen. Hat der Geschäftsherr seinen Stellvertreter entgegen seiner eigenen Außenerklärung nicht oder nicht in diesem Umfang bevollmächtigt oder wurde z. B. das der Vollmacht zugrunde liegende Dienstverhältnis bereits vor Abschluss des Vertretergeschäfts gekündigt, so kann dies nach der hier vertretenen Konzeption der Außenerklärung als Risikoübernahme keinerlei Einfluss auf den Bestand der Erklärung und die daraus resultierende Verpflichtung des Geschäftsherrn zur Risikoübernahme haben. Die Außenerklärung ist mithin notwendig in diesem Sinne „abstrakt“. Das ist aber nicht die Konsequenz eines heteronomen, den Parteien aufgezwängten Verkehrsschutzes. Vielmehr entspringt die Unabhängigkeit der Außenerklä-



B. Die Außenerklärung205

rung des Geschäftsherrn dem typisierten Parteiwillen und ist damit autonom motiviert. Gegenüber der herrschenden Doktrin von der Abstraktheit der Vollmacht bietet diese Lösung zudem den Vorteil, dass Widersprüche unterbleiben, die auf die Unterscheidung zwischen Beschränkungen oder Mängeln der Bevollmächtigung und solchen des Grundverhältnisses zurückzuführen sind. 2. Die Begrenzung der Risikoübernahme durch das Erfordernis der Gutgläubigkeit Der Wille des Geschäftsherrn wird aber in aller Regel nicht so weit gehen, sich unter allen Umständen so behandeln zu lassen, als habe entsprechend seiner Erklärung Vertretungsmacht bestanden655. Denn dem Geschäftsherrn geht es – wie ausgeführt – darum, den Dritten von den aus dem Innenverhältnis herrührenden Risiken hinsichtlich des Vorliegens und des Umfangs der Vertretungsmacht zu entlasten. Besteht ein solches Risiko jedoch nicht, weil der Dritte positiv weiß, dass die Vollmacht von vornherein nicht bestand, erloschen ist oder ihrem Umfang nach eingeschränkt wurde, geht die Erklärung des Geschäftsherrn in die Leere. Er kann dann auch kein Interesse daran haben, dass dennoch die Rechtslage eintritt, die bestünde, wenn sein Stellvertreter tatsächlich mit Vertretungsmacht gehandelt hätte. Denn selbst wenn der Geschäftsherr das ohne Vertretungsmacht abgeschlossene Vertretungsgeschäft gutheißen sollte, kann er es im Wege der Genehmigung an sich ziehen. Als Anreiz für den Dritten, sich trotz der Unsicherheit über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsmacht auf den Geschäftsabschluss mit dem Vertreter einzulassen, kann die Erklärung mangels einer solchen Unsicherheit in diesem Fall jedoch nicht mehr dienen. Das fehlende Interesse des Geschäftsherrn an dem Zustandekommen des Vertretergeschäfts trotz mangelnder Vertretungsmacht trotz des positiven Wissens des Dritten von dem Mangel ist auch für den Erklärungsadressaten ohne weiteres erkennbar. Denn niemand kann davon ausgehen, dass der Erklärende eine unbegrenzte und damit auch wirtschaftlich unvernünftige Garantieerklärung für das Bestehen der Vertretungsmacht seines Stellvertreters abgibt. So wird der Adressat der Außenerklärung, auch wenn der Geschäftsherr dies nicht ausdrücklich erklärt, davon ausgehen, dass die durch die Außenerklärung geschaffene Rechtslage nur so lange Bestand haben kann, bis der Geschäftsherr seine Erklärung widerruft oder ihn anderweitig von dem Erlöschen oder einer Einschränkung der Vertretungsmacht in Kenntnis setzt. Genauso muss er aber davon ausgehen, dass der Geschäftsherr das aus dem Innenverhältnis resul655  Siehe hierzu und zum Folgenden: Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 248.

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tierende Risiko zugunsten des Adressaten seiner Erklärung nur insoweit übernehmen will, als dieses Risiko letzteren überhaupt trifft, dieser also nicht positiv von dem Nichtbestehen, dem Erlöschen oder der Einschränkung der Vollmacht weiß. Die Zusicherung des Geschäftsherrn bezieht sich mithin vorbehaltlich einer anderweitigen ausdrücklichen Erklärung nur auf den gutgläubigen Dritten. Der Schutz des Rechtsverkehrs tritt damit dort zurück, wo der Schutz des Dritten im konkreten Einzelfall nicht erforderlich ist – aber nicht aufgrund einer entsprechenden heteronomen Anordnung, sondern weil der Wille des Geschäftsherrn zur Risikoübernahme nicht weiter geht. Der Schutz des guten Glaubens ist damit integraler Bestandteil und zugleich Grenze der mit der Außenerklärung zum Ausdruck kommenden Risikoübernahme durch den Geschäftsherrn. Diesem typisierten Parteiwillen entspricht die Regelung des § 173 BGB, wonach die Wirkung der Vollmachtskundgabe nach außen bei Erlöschen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis auf den gutgläubigen Dritten beschränkt wird. Selbst wenn man also die obige Auslegung der Außenerklärung des Geschäftsherrn hinsichtlich der Grenzen der Risikoübernahme für zu weitgehend hielte, ist bereits nach der gesetzlichen Regelung eine Berufung des Dritten auf die Erklärung des Geschäftsherrn nicht möglich, wenn dieser bei Abschluss des Vertretergeschäfts das vorherige Erlöschen der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Eine Berufung des Dritten auf die angebliche Vertretungsmacht des Stellvertreters muss aber nach der ratio legis des § 173 BGB auch dann ausgeschlossen sein, wenn die Vollmacht erst gar nicht entstanden ist oder nur in einem geringerem Umfang besteht, als nach außen verlautbart656. Dies gilt für den Fall der anfänglichen Unwirksamkeit jedenfalls dann, wenn der Dritte davon ausgeht, dass der Geschäftsherr bei Abgabe der Außenerklärung den Mangel selbst noch nicht erkannt hat; andernfalls darf der Dritte annehmen, dass der Geschäftsherr mit der gleichwohl erfolgten Außenerklärung das Risiko fehlender Vertretungsmacht übernehmen wollte. Geht man wie hier von einer vertraglichen Risikoübernahme des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten aus, wäre eine Berufung des Dritten auf diese Risikoübernahme trotz positiver Kenntnis von der Tatsache, dass im Innenverhältnis bei Abschluss des Vertretergeschäfts keine Vertretungsmacht (mehr) bestand, zudem treuwidrig im Sinne von § 242 BGB. Damit greift die Risikoübernahme des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten bereits nach den gesetzlichen Regelungen nur zugunsten des gutgläubigen Dritten ein. 656  BGH NJW 1985, 730; NJW 2000, 2270, 2271; 2001, 3774, 3775; Palandt/Ellenberger, § 173 Rn. 1; Hupka, Vollmacht, S. 227; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 48 Rn. 14; Soergel/Leptien, § 173 Rn. 2; Erman/G.Maier-Reimer, § 173 Rn. 2; Jauernig/Mansel, §§ 170–173 Rn. 9; BeckOK BGB/Schäfer, § 171 Rn. 3; Staudinger/ Schilken, § 173 Rn. 6 f.; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 173 Rn. 2.



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3. Die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes a) Der Anknüpfungspunkt für den guten Glauben Im Stellvertretungsrecht existiert kein dem sachenrechtlichen Besitz oder dem Grundbucheintrag vergleichbarer objektiver Gutglaubensträger. Vielmehr beruht die schutzwürdige Gutgläubigkeit des Dritten allein auf einer Erklärung des Geschäftsherrn, mag diese auch in einer Urkunde verkörpert sein. Bösgläubigkeit wird dadurch begründet, dass der Dritte Kenntnis davon erlangt, dass die Erklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters nicht (mehr) zutrifft. Die Außenerklärung muss dem Dritten zudem zugegangen sein, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, also derart in seinen Machtbereich gelangt sein, dass mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist657. Andernfalls wird das Angebot des Geschäftsherrn an den Dritten auf Risikoübernahme nicht wirksam. Stellt zum Beispiel der Geschäftsherr seinem Stellvertreter eine Urkunde über dessen Vertretungsmacht aus, legt der Stellvertreter die Urkunde dem Dritten aber nicht vor, mag der Dritte zwar „gutgläubig“ auf das Bestehen von Vertretungsmacht vertraut haben. Das Angebot auf Risikoübernahme durch den Geschäftsherrn ist jedoch nicht wirksam geworden. Der Dritte kann sich daher nicht im Nachhinein auf die Urkunde berufen; hat der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt, ist das Vertretergeschäft schwebend unwirksam gemäß § 177 BGB. Die Vorlage der Vollmachtsurkunde fordert auch § 172 Abs. 1 a. E. BGB. Hierfür soll ausreichend sein, dass der Dritte die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte658. In den Anforderungen besteht danach kein Unterschied zu der hier vertretenen Konzeption, die zur Wirksamkeit der Außenerklärung den Zugang beim Dritten und damit ebenfalls die Kenntnisnahmemöglichkeit fordert. Erkennt man indes den privatautonomen Ursprung des durch die §§ 170 ff. begründeten Drittschutzes, liegt der Grund für das Zugangserfordernis nicht darin, dass das Vertrauen des Dritten ohne die Vorlage der Urkunde nicht schutzwürdig sei. Vielmehr wird mangels Zugangs das Angebot des Geschäftsherrn auf Risikoübernahme nach den allgemeinen Regeln über Willenserklärungen nicht wirksam. Das Zugangserfordernis besteht damit aber nicht nur für die Urkunde, sondern auch für die nicht-verkörperte Außenerklärung und die Erklärung an die Öffentlichkeit nach § 171 Abs. 1 BGB. Wenn man die Parallele zum Sachenrecht ziehen möchte, besteht der „Gutglaubensträger“ im Stellvertretungsrecht mithin in der zugegangenen Erklärung des Geschäfts657  Vgl.

statt aller: Soergel/Hefermehl, § 130 Rn. 8 m. w. N. § 172 Rn. 4; Staudinger/Schilken, § 172 Rn. 3; aA. Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 50 Rn. 81, die – aus Sicht der Rechtsscheinlehre konsequent – jedenfalls hinsichtlich der Existenz der Vollmachtsurkunde tatsächliche Kenntnis fordern. 658  Soergel/Leptien,

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herrn an den Dritten oder die Öffentlichkeit über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters. b) Die Redlichkeit des Dritten Die Gutgläubigkeit des Dritten hinsichtlich der Vertretungsmacht des Stellvertreters kann auch wieder zerstört werden, indem der Geschäftsherr die Außenerklärung widerruft. Bereits nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB gilt, dass die Außenerklärung nicht wirksam wird, wenn dem Dritten vorher oder zeitgleich ein Widerruf zugeht. Darüber hinaus kann der Geschäftsherr die Außenerklärung aber auch nachdem sie durch Zugang beim Dritten wirksam geworden ist, wieder vernichten, indem er – freilich vor Abschluss des Vertretergeschäfts – den Dritten davon in Kenntnis setzt, dass der Stellvertreter keine Vertretungsmacht (mehr) hat. Damit wird der Dritte bösgläubig und kann sich auf eine Risikoübernahme durch den Geschäftsherrn nicht mehr berufen. Die jederzeitige Widerruflichkeit der Außenerklärung folgt aus ihrem Zweck und ist Bestandteil der Vereinbarung zwischen Geschäftsherrn und Drittem659. Die Gutgläubigkeit des Dritten wird aber auch dadurch zerstört, dass der Geschäftsherr die Bevollmächtigung gegenüber seinem Stellvertreter widerruft und der Dritte hiervon Kenntnis erlangt. Widerruft der Geschäftsherr die Vollmacht nach Abgabe, aber vor Zugang der Außenerklärung, kann dies das Zustandekommen des Vertretergeschäfts daher nur verhindern, wenn der Dritte vor Abschluss des Vertretergeschäfts von dem Widerruf erfährt; andernfalls greift die Risikoübernahme seitens des Geschäftsherrn ein. Unter Umständen kann es hier zu einer für den Dritten unübersichtlichen Gemengelage kommen und zwar dann, wenn er zunächst von der Bevollmächtigung und deren Widerruf erfährt und anschließend eine die Vollmacht bestätigende Erklärung des Geschäftsherrn erhält. In diesem Fall gibt es für den Dritten zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder hat der Geschäftsherr die Vollmacht erneut bestätigt und damit den Widerruf rückgängig gemacht. Oder aber er hat die Außenerklärung bereits vor dem Widerruf abgegeben, sie ist nur zeitlich nachfolgend bei dem Dritten eingegangen und inzwischen durch den Widerruf überholt. Damit ist die Frage angesprochen, ob auch die fahrlässige Unkenntnis die Bösgläubigkeit des Dritten begründet. Nach der hier vertretenen Konzeption der Außenerklärung als Risikoübernahme wie auch nach § 173 BGB steht fest, dass der Dritte als bösgläubig zu gelten hat, wenn er positiv von dem Fehlen der für das konkrete Vertretergeschäft erforderlichen Vollmacht weiß. Nach dem Wortlaut des § 173 BGB, der auch ein 659  Zur Widerruflichkeit der Außenerklärung siehe bereits oben in Kapitel 3 unter B. I. 2. d).



B. Die Außenerklärung209

Kennenmüssen genügen lässt, in Verbindung mit der Legaldefinition des § 122 Abs. 2 BGB vernichtet auch die fahrlässige Unkenntnis des Dritten von dem Mangel der Vertretungsmacht dessen Gutgläubigkeit. Die Anwendung der Legaldefinition des § 122 Abs. 2 BGB auf § 173 BGB scheint indes nicht zwingend geboten660. Denn es geht bei § 173 BGB nicht um einen Verschuldensvorwurf, der dem Dritten gemacht werden könnte. Vielmehr geht es darum, ob der Dritte sich gegenüber dem Geschäftsherrn auf die von diesem erklärte Risikoübernahme hinsichtlich etwaiger Mängel der Vertretungsmacht berufen darf. Der Geschäftsherr hat aber ein für den Dritten erkennbares Interesse daran, das Risiko der fehlenden Vertretungsmacht gegenüber dem Dritten nur dann zu übernehmen, wenn Letzterer von dem Fehlen der Vertretungsmacht keine positive Kenntnis hat. Das Gleiche wird man auch für den Fall annehmen müssen, dass Umstände vorliegen, die es für jeden vernünftigen Teilnehmer am Rechtsverkehr offensichtlich machen, dass der Stellvertreter ohne die erforderliche Vertretungsmacht handelt. Dagegen würden zu weit gehende Nachforschungs- oder Erkundigungspflichten des Dritten die Intention des Geschäftsherrn, den Geschäftsabschluss mit dem Vertreter für den Dritten weitestgehend sicher zu gestalten und damit den Einsatz des Vertreters überhaupt attraktiv zu machen, konterkarieren. Dem Parteiwillen entspricht demnach die Auslegung des § 173 BGB, die eine Bösgläubigkeit außer bei positiver Kenntnis nur für den Fall der Evidenz bejaht661. Hiermit werden zum einen Erkundigungs- und Nachforschungspflichten des Dritten ausgeschlossen, die den mit der Außenerklärung privatautonom geschaffenen Drittschutz wieder aushebeln würden, da sie geeignet sind, eine erhebliche Rechtsunsicherheit zu erzeugen. Zum anderen bietet die Evidenztheorie den Vorteil, dass Beweisschwierigkeiten vermieden werden, die mit einer Begrenzung der Bösgläubigkeit auf die positive Kenntnis einhergehen würden662. Für den obigen Fall einer Außenerklärung nach einem bereits zur Kenntnis des Dritten gelangten Widerruf der ursprünglichen Vollmachtserteilung bedeutet dies, dass der Dritte tatsächlich bei dem Geschäftsherrn nachfragen müsste, da es für ihn evident geworden ist, dass die Außenerklärung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zutrifft, sondern vielmehr durch den Widerruf überholt wurde. Anders mag es in dem Fall sein, in dem die Außenerklärung für den Dritten eindeutig erkennbar nach der Widerrufserklärung datiert und somit nur als erneute Bestätigung der ursprünglich erteilten Voll660  Staudinger/Schilken,

§ 173 Rn. 2. Rechtsgeschäft, § 50 3, S. 844 f.; Frotz, Verkehrsschutz, S. 283; befürwortend auch Staudinger/Schilken, § 173 Rn. 2 und Münchener Kommentar BGB/ Schramm, § 173 Rn. 3. 662  Siehe zu der Parallele beim Missbrauch der Vertretungsmacht oben in Kapitel 2 unter B. II. 4. d) bb) (1). 661  Flume,

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

macht verstanden werden kann. Eine Nachfrage bei dem Geschäftsherrn kann in Einzelfällen auch dann entbehrlich sein, wenn der Geschäftsherr zwischen internem Widerruf und Abschluss des Vertretergeschäfts ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, auch die Außenerklärung zu widerrufen, ein Widerruf aber nicht erfolgt ist. Durfte der Dritte in einem solchen Fall davon ausgehen, dass die Außenerklärung bewusst stehen gelassen wurde und damit nach dem Willen des Geschäftsherrn trotz des intern erfolgten Widerrufs weiterhin bestehen soll, bedarf es für die Gutgläubigkeit des Dritten keiner weiteren Nachfrage bei dem Geschäftsherrn. Es ist für ihn dann gerade nicht evident, dass der Geschäftsherr die ursprünglich erteilte Vertretungsmacht nicht mehr gegen sich gelten lassen will. Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsherr für den Dritten erkennbar ebenfalls Kenntnis von der Nichtigkeit der Bevollmächtigung erlangt hat, die Außenerklärung aber gleichwohl trotz sich bietender Gelegenheit nicht widerruft. Ist das Schweigen des Geschäftsherrn in einem solchen Fall derart „beredt“, dass der Dritte darin die stillschweigende Bestätigung der ursprünglich abgegebenen Außenerklärung sehen darf, ist er als gutgläubig anzusehen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Gutgläubigkeit des Empfängers der Außenerklärung auch dann entfällt, wenn das Geschäft offensichtlich für den Geschäftsherrn nachteilig ist. Vedder weist im Zusammenhang mit der Paralleldiskussion zum Missbrauch der Vertretungsmacht zu Recht darauf hin, dass die allgemeine Vertragsfreiheit es jedem – zu ergänzen ist: in den Grenzen der Sittenwidrigkeit und von Treu und Glauben – erlaubt, ein für seinen Vertragspartner nachteiliges Geschäft zu schließen. Daraus folge, dass auch die offensichtliche Nachteiligkeit des Vertretergeschäfts für den Geschäftsherrn nicht zur Unwirksamkeit des Geschäfts führen dürfe, nur weil es durch einen Stellvertreter abgeschlossen wird663. Dem ist im Ausgangspunkt zuzustimmen, jedoch gilt dies nicht uneingeschränkt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, entfällt die durch die Bevollmächtigung einmal erteilte Legitimation des Vertreters dann, wenn dieser positiv weiß oder es für ihn evident ist, dass das abzuschließende Rechtsgeschäft von dem Geschäftsherrn nicht (mehr) gewollt sein kann. Eine solche Grenze ist aber auch für die mit der Außenerklärung übernommene Risikoübernahme zu ziehen. Denn hält man sich erneut vor Augen, zu welchem Zweck der Geschäftsherr gegenüber seinem Vertragspartner das Risiko der fehlenden Vertretungsmacht übernimmt, wird auch deutlich, dass er dies typischerweise nicht ­unbegrenzt tun wird. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsherr zu dieser Risikoübernahme dann nicht bereit ist, wenn das Vertretergeschäft offensichtlich nicht von ihm gewollt sein kann. Die Grenze der Risikoübernahme ist allerdings nicht schon dann erreicht, wenn der Ge663  Vedder,

JZ 2008, S. 1077, 1078 f.



B. Die Außenerklärung211

schäftsherr mit dem Vertretergeschäft einen „schlechten Deal“ im Rahmen eines normalen Geschäftsalltags macht, also zum Beispiel die erworbene Ware bei einem anderen Händler günstiger hätte erstehen können. Denn damit würde wiederum der Einsatz eines Stellvertreters für den Dritten auch bei Vorliegen einer Risikoübernahme durch den Geschäftsherrn derart un­ attraktiv, dass Ersterer von dem Vertragsschluss mit einem Stellvertreter absehen würde. Die Außenerklärung des Geschäftsherrn hätte ihren Zweck somit verfehlt und kann daher nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. ­Erforderlich ist vielmehr eine besonders krasse Nachteiligkeit des Vertretergeschäfts, die es für den Dritten offenkundig werden lässt, dass nie und nimmer gewollt sein kann, dass ein solches Rechtsgeschäft von der Vertretungsmacht umfasst ist. Zu denken ist hier zum Beispiel an einen Preissturz oder eine erhebliche Veränderung der Investitionsbedingungen, die nach der Vollmachtserteilung und der Abgabe der Außenerklärung, aber vor dem Abschluss des Vertretergeschäfts eintreten. Liegt eine solche erhebliche ­ Nachteiligkeit des abzuschließenden Vertretergeschäfts auf der Hand, wird allerdings auch der Stellvertreter hiervor regelmäßig kaum die Augen verschließen können. Handelt der Stellvertreter damit ohne Vertretungsmacht, da er den entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn positiv kannte oder dieser für ihn evident war, kommt es für die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts auf die Außenerklärung an. Hat nun auch der Dritte erkannt, dass das abzuschließende Geschäft derart nachteilig ist, dass der Geschäftsherr hierfür nie und nimmer Vertretungsmacht erteilen wollte, ist er als bösgläubig im Sinne von § 173 BGB anzusehen. Die Gutgläubigkeit des Dritten entfällt mithin erstens bei positiver Kenntnis von dem Fehlen der Vertretungsmacht des Stellvertreters, zweitens im Fall der Evidenz, wenn es also für jeden vernünftigen Teilnehmer am Rechtsverkehr offensichtlich ist, dass der Stellvertreter ohne die erforderliche Vertretungsmacht handelt. Letzteres ist auch dann als gegeben anzusehen, wenn das Vertretergeschäft in besonders krassem Maße nachteilig für den Geschäftsherrn ist, so dass der Dritte nicht davon ausgehen konnte, dass der Geschäftsherr hierfür Vertretungsmacht erteilen wollte. c) Die Kenntnis des Dritten von Mängeln des Grundgeschäfts Die Außenerklärung ist, wie bereits ausgeführt wurde, notwendig von dem Grundverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter unabhängig. Es stellt sich dennoch die Frage, ob der Dritte, der positiv von einem Mangel des Grundverhältnisses weiß, hinsichtlich des Bestehens der Vertretungsmacht als bösgläubig zu gelten hat. In dem von der herrschenden Meinung vertretenen System der Abstraktheit der Vollmacht ist dies gerade nicht der Fall; die Bösgläubigkeit des Dritten wird nur durch Kenntnis von

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Mängeln der Bevollmächtigung selbst begründet664. Legt man die Abhängigkeit der Vollmacht zugrunde, stellt sich die Frage hingegen neu. Kann die Vollmacht nur gegenüber dem zu Bevollmächtigenden selbst erteilt werden und hängt die Wirksamkeit der Bevollmächtigung von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Grundgeschäfts ab, kann es für die Gut- oder Bösgläubigkeit des Dritten keinen Unterschied machen, ob er von der Unwirksamkeit der Vollmacht selbst oder von dem Mangel des Grundgeschäfts Kenntnis erhält. Allerdings muss es für den Dritten unmittelbar erkennbar sein, dass mit dem Mangel des Grundgeschäfts auch die Bevollmächtigung unwirksam ist. Erkennt beispielsweise die Bank, dass die ihr in Gestalt einer Urkunde vorgelegte Vollmacht der Ausführung eines umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrags dient, der wiederum wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig ist, ist sie auch hinsichtlich der Vollmacht bösgläubig im Sinne von § 173 BGB. Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn dem Geschäftsherrn der auf die Vollmacht durchschlagende Mangel des Grundverhältnisses ebenfalls bekannt ist und er gleichwohl gegenüber der Bank die Vollmacht bestätigt. Hat wiederum die Bank Kenntnis von dem Umstand, dass dem Geschäftsherrn der Mangel des Grundverhältnisses bewusst ist, darf die Bank dessen Außenerklärung in dem Sinne verstehen, dass der Geschäftsherr ihr gegenüber das Risiko übernehmen will, das hieraus für die Wirksamkeit der Vollmacht folgt. Verwirklicht sich dieses Risiko, darf die Bank nicht als bösgläubig gelten, nur weil sie das Risiko ebenfalls erkannt hat. Dies würde dem von dem Geschäftsherrn mit der Abgabe der Außenerklärung verfolgten Zweck zuwiderlaufen. d) Die Entbehrlichkeit der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht Die Parallele des hier hinsichtlich der Anforderungen an die Redlichkeit des Dritten gefundenen Ergebnisses zu der Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist nicht zu übersehen, vermag indes auch nicht zu überraschen. Denn die zugrunde liegende Frage ist dieselbe. Im Ausgangspunkt besteht eine Legitimation des Vertreterhandelns nach außen, wobei diese von der herrschenden Lehre bei Vorliegen einer Vollmacht überhaupt, nach der hier vertretenen Ansicht nur im Fall einer Außenerklärung bejaht wird. Hält sich der Vertreter innerhalb dieser ihm im Außenverhältnis eingeräumten Legitimation, läuft das von ihm geschlossene Vertretergeschäft dabei jedoch internen Weisungen oder den Interessen des Geschäftsherrn zuwider, stellt sich innerhalb beider Konzeptionen dieselbe Frage. Jeweils geht es darum, 664  Soergel/Leptien, § 173 Rn. 3; Staudinger/Schilken, § 173 Rn. 3; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 173 Rn. 3; Bamberger/Roth/Valenthin, § 173 Rn. 5.



B. Die Außenerklärung213

wann die Grenze des durch die Außenlegitimation gewährleisteten Verkehrsschutzes erreicht ist und daher von dem Grundsatz, dass eine solche Überschreitung des Dürfens im Rahmen seines Könnens durch den Vertreter zu Lasten des Geschäftsherrn geht, eine Ausnahme zu machen ist. Die Problematik, die herkömmlich unter dem Schlagwort von dem Missbrauch der Vertretungsmacht diskutiert wird, verschwindet durch die hier vertretene Konzeption des Verkehrsschutzes durch Gutglaubensschutz daher nicht gänzlich aus dem Stellvertretungsrecht, sie fügt sich aber an anderer Stelle ein, was es erlaubt, die Argumentation anders zu führen. Mit der Ablehnung der Abstraktheit für die Innenvollmacht entfällt hier auch die Möglichkeit eines Auseinanderfallens zwischen Können und Dürfen des Stellvertreters und damit der Ausgangspunkt für die Missbrauchsdogmatik als Durchbrechung des Abstraktionsprinzips665. Dagegen geht mit der Anerkennung der Außenerklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten die Möglichkeit einher, dass die Zusicherung des Geschäftsherrn von der im Innenverhältnis bestehenden Vertretungsmacht abweicht. Die Frage, wer das Risiko dieser Abweichung zu tragen hat, kann dann aber mittels einer interessengerechten Auslegung der Außenerklärung des Geschäftsherrn gelöst werden; einer selbstständigen Missbrauchsdogmatik bedarf es nicht.

III. Kein Wahlrecht des Dritten Tritt jemand im Rechtsverkehr als Vertreter auf, ohne hierzu im Innenverhältnis wirksam bevollmächtigt worden zu sein, ist ein Dritter, der über den angeblichen Vertreter mit dem Geschäftsherrn ein Geschäft abschließen möchte, mithin nicht völlig schutzlos gestellt. Hat der Geschäftsherr vor Abschluss des Vertretergeschäfts eine Außenerklärung über die Bevollmächtigung seines angeblichen Vertreters abgegeben und damit dem Dritten das Bestehen von Vertretungsmacht zugesichert, muss er sich gegenüber dem gutgläubigen Dritten so behandeln lassen, als hätte der angebliche Vertreter tatsächlich mit Vertretungsmacht gehandelt, §§ 170–173 BGB. Fehlt es hingegen sowohl an einer wirksamen Bevollmächtigung als auch an einer Außenerklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten, hat der Dritte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den falsus procurator gemäß § 179 BGB, vorausgesetzt, dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass er ohne Vollmacht handelte.666. Trifft beides gleichzeitig zu, hat also der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten das Bestehen von Vertretungsmacht zugesichert und wusste der an665  Siehe

hierzu oben in Kapitel 2 unter B. II. 4. d) bb) (1). zu dieser Einschränkung der Haftung aus § 179 Abs. 2 BGB oben in Kapitel 3 unter A. III. 2. b) bb). 666  Siehe

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

gebliche Vertreter bei Abschluss des Vertretergeschäfts, dass er tatsächlich nicht wirksam bevollmächtigt wurde, stellt sich die Frage, ob der Dritte darauf verzichten kann, sich gegenüber dem Geschäftsherrn auf seine Gutgläubigkeit zu berufen und seinen Schaden stattdessen bei dem falsus procurator liquidieren kann. Dies mag für den Dritten dann interessant sein, wenn der angebliche Vertreter liquider ist als der Geschäftsherr selbst667. Hat also der Dritte ein Wahlrecht zwischen dem Schutz durch Zusicherung und der Haftung des falsus procurator aus § 179 BGB? Diese Frage wird in ähnlicher Weise seit langem im Zusammenhang mit den so genannten Scheinvollmachten und in der Konsequenz der herrschenden Einordnung auch zu § 54 Abs. 3 HGB diskutiert. Die Rechtsprechung lehnt ein Wahlrecht bislang ab668; in der Literatur ist keine herrschende Meinung ersichtlich669. Die Befürworter eines Wahlrechts stützen sich in erster Linie auf den Sinn und Zweck der Scheinvollmachten als Vertrauensschutztatbestände. Diese sollten dem schutzwürdigen Dritten zugute kommen, so dass sich dieser konsequenterweise auch entscheiden können müsse, den daraus folgenden Schutz nicht in Anspruch zu nehmen670. Dieses Argument lässt sich zunächst einmal auf die Außenerklärung des Geschäftsherrn übertragen. Auch diese bezweckt in erster Linie den Schutz des gutgläubigen Dritten. Warum sollte der Geschützte also nicht darauf verzichten dürfen, sich auf seine Gutgläubigkeit hinsichtlich der mit der Außenerklärung zugesicherten Vertretungsmacht zu berufen671? Dabei wird jedoch verkannt, dass es hier letztendlich nicht um den reinen Verzicht auf einen Schutzmechanismus geht. Dieser alleine wäre tatsächlich unproblematisch. So kann selbstverständlich niemand den Dritten zwingen, sich gegenüber dem Geschäftsherrn auf die Außenerklärung zu berufen und die ihm in dem Vertretergeschäft versprochene Leistung des Geschäftsherrn einzufordern. Vielmehr geht es hier um die Wahl zwischen zwei Schutzmechanismen, begründet durch die Zusicherung des Geschäftsherrn auf der ei667  Ein anschauliches Beispiel bietet der Sachverhalt der Entscheidung OLG Braunschweig, Urteil vom 20. August 2001 – 7 U 13/01 –, juris. 668  BGH, NJW 1973, 1691, 1694; BGHZ 86, 273, 275; OLG Braunschweig, Urteil vom 20. August 2001 – 7 U 13/01 –, juris, Rn. 5. 669  Für ein Wahlrecht sprechen sich aus: Altmeppen, Disponibilität, S. 125 ff.; Canaris, NJW 1974, 455, 456; Großkommentar HGB/Joost, § 54 Rn. 77; Lieb, in: FS Hübner, S. 575, 576 ff.; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 44 und § 177 Rn. 26; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 167 Rn. 135 f.; Oetker/Schubert, § 54 Rn. 42. Gegen ein Wahlrecht hingegen: Gernhuber, Bürgerliches Recht3, § 8 VI 4; Baumbach/Hopt, § 54 Rn. 19; Münchener Kommentar HGB/Krebs, § 54 Rn. 45; K. Schmidt, in: FS Gernhuber, S. 435, 449 ff.; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 167 Rn. 74. 670  Großkommentar HGB/Joost, § 54 Rn. 77; Lieb, in: FS Hübner, S. 575, 586 ff.; Oetker/Schubert, § 54 Rn. 42. 671  So auch Lieb, in: FS Hübner, S. 575, 576.



B. Die Außenerklärung215

nen und die falsus-procurator-Haftung auf der anderen Seite. Allein weil der Dritte auf den Schutz der Zusicherung verzichten können muss, heißt dies noch nicht, dass er stattdessen den angeblichen Vertreter als falsus procurator nach § 179 BGB in die Pflicht nehmen kann. Ein derartiges Wahlrecht zwischen dem Schutz durch die Zusicherung des Geschäftsherrn und dem Schutz durch die Haftung des falsus procurator steht dem Dritten vielmehr nicht zu. Dies folgt bereits aus der immanenten Begrenzung des Leistungsversprechens des falsus procurators. Zwar hat der falsus procurator gerade nicht kraft eigener Vertretungsmacht einen Vertragsschluss zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten hergestellt; aufgrund der Außenerklärung ist der Vertrag jedoch trotzdem zustande gekommen, so dass der Dritte mit seinem Interesse an dem Vertretergeschäft jedenfalls nicht ausgefallen ist. Diese Abstufung hat sich aber auch in der gesetzlichen Regelung des § 179 BGB niedergeschlagen und beansprucht damit selbst dann Geltung, wenn die Haftung des falsus procurator entgegen der hier vertretenen Ansicht nicht als Haftung aus eigenem Leistungsversprechen, sondern als heteronome Haftungsanordnung verstanden wird. Denn das Versprechen des Vertreters gegenüber dem Dritten lautet dahingehend, den Geschäftsherrn rechtsgeschäftlich binden zu können, also einen Vertragsschluss zwischen diesem und dem Dritten herstellen zu können. Eine Haftung ist mithin nur dann begründet, wenn eine vertragliche Bindung zwischen dem Dritten und dem Geschäftsherrn entgegen dem Versprechen des angeblichen Vertreters nicht zustande kommt. Ist aber der Geschäftsherr seinerseits aufgrund seiner Außenerklärung dazu verpflichtet, sich gegenüber dem Dritten so behandeln zu lassen, als habe der angebliche Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt, tritt die versprochene Bindungswirkung gerade ein. Der Dritte erhält in diesem Fall genau das, was er wollte: einen vertraglichen Anspruch gegen den Geschäftsherrn auf Erfüllung672. Mit dem Abschluss des Vertretergeschäfts hat er sich zudem dazu bereit erklärt, primär das Insolvenzrisiko des Geschäftsherrn zu tragen und nur sekundär (für den Fall, dass der Vertrag mit dem Geschäftsherrn mangels Vertretungsmacht nicht zustande kommt) auch das des angeblichen Vertreters. Kommt nun das Vertretergeschäft aufgrund einer entsprechenden Zusicherung des Geschäftsherrn zustande und erweist sich der Geschäftsherr als insolvent oder auch nur als wenig liquide, verwirklicht sich allein das Risiko, das der Dritte bei Abschluss des Vertretergeschäfts bewusst eingegangen ist. Ein berechtigtes Interesse des Dritten, auf die Haftung des falsus procurators „auszuweichen“ besteht in diesem Fall nicht; ein solches ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Vertretergeschäft mangels Vertretungsmacht endgültig scheitert. Diese dem Parteiwillen zu entnehmende 672  So in Bezug auf § 54 Abs. 3 HGB auch OLG Braunschweig, Urteil vom 20. August 2001 – 7 U 13/01 –, juris, Rn. 5.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Wertung ist auch in § 179 BGB eingeflossen: Gemäß § 179 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB ist der falsus procurator auch dann nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, wenn der Geschäftsherr das ohne Vertretungsmacht geschlossene Geschäft genehmigt. Daraus folgt eindeutig ein Vorrang der Aufrechterhaltung des Vertretergeschäfts gegenüber der Haftung des falsus procurators673. Diese ist damit sowohl nach dem Parteiwillen als auch nach der gesetzlichen Regelung nur eine nachrangige Haftung für den Fall, dass der Dritte ein berechtigtes Interesse daran hat, sich an den angeblichen Vertreter zu halten, weil das Vertretergeschäft nicht zustande kommt674. Besteht allerdings seitens des Geschäftsherrn die Zusicherung, sich so behandeln zu lassen, als habe sein angeblicher Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt und kommt das Vertretergeschäft damit zustande, besteht kein berechtigtes Interesse des Dritten, das die falsus-procurator-Haftung aktivieren würde. Deren Voraussetzungen liegen mithin nicht vor, so dass der Dritte diese auch nicht anstelle der Berufung auf die Zusicherung des Geschäftsherrn wählen kann.

IV. Zwischenergebnis Für einen angemessenen und insbesondere kohärenten Verkehrsschutz im Stellvertretungsrecht bedarf es der Abstraktheit der Vollmacht nicht; beides kann mittels des Gutglaubensschutzes geleistet werden. Die Basis eines solchen Verkehrsschutzsystems bildet die Außenerklärung des Geschäftsherrn gegenüber dem Dritten oder der Öffentlichkeit über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters. Hiermit erklärt der Geschäftsherr das Angebot, das Risiko der Mangelhaftigkeit der Vollmacht zu übernehmen, vorausgesetzt, sein Vertragspartner weiß bei Abschluss des Vertretergeschäfts nicht positiv, dass die hierfür erforderliche Vertretungsmacht nicht besteht. Nimmt der Dritte dieses Angebot an und ist er gutgläubig, ist der Geschäftsherr ihm gegenüber verpflichtet, sich in jedem Fall so behandeln zu lassen, als habe sein Stellvertreter mit Vertretungsmacht gehandelt. Das Gesetz setzt den autonom erklärten Parteiwillen vorauseilend um, indem es bei Vorliegen einer solchen Außenerklärung die Rechtslage eintreten lässt, die bei einer wirksamen Bevollmächtigung bestünde, §§ 170–173 BGB. Mit dem Konzept der Außenerklärung gelingt es, den gesamten Verkehrsschutz im Stellvertretungsrecht auf einen Nenner zu bringen. Widersprüche, die aus dem Nebeneinander von Abstraktheit und Gutglaubensschutz resultieren, können vermieden werden. Die Unterscheidung zwischen kundgegebener Innenvollmacht und Außenvollmacht wird obsolet. Die so genannten 673  So

auch BGHZ 86, 273, 275. 86, 273, 275; Münchener Kommentar BGB6/Schramm, § 167 Rn. 74.

674  BGHZ



C. Überprüfung der Ergebnisse217

Scheinvollmachten werden teils integriert – so bei den Fallgestaltungen der Duldungsvollmacht – teils aus systematischen wie dogmatischen Gründen ausgeschieden – so bei den Fallgestaltungen der Anscheinsvollmacht. Von dem Grundverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter ist die Außenerklärung ihrem Sinn und Zweck nach notwendig unabhängig. Diese Unabhängigkeit entspringt aber dem autonomen Parteiwillen.

C. Überprüfung der Ergebnisse Der Abstraktionsgrundsatz scheint demnach im Stellvertretungsrecht in der Tat entbehrlich; ein ausreichender Verkehrsschutz, der zudem dem Parteiwillen entspringt, kann über den Gutglaubensschutz gewährleistet werden. Als zentrales Element hat sich hierbei die Außenerklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters erwiesen. Die Theorie muss sich jedoch auch in der Praxis „am Fall“ bewähren. Hierfür soll noch einmal der obige Beispielsfall dienen, der zu diesem Zweck im Folgenden durch weitere exemplarische Fallkonstellationen ergänzt wird. Beispielsfall 1: Die klagende Bank (im Folgenden: die Bank) verlangt von dem Beklagten (im Folgenden: der Geschäftsherr) die Rückzahlung eines Darlehens, das sie ihm zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung gewährt hat. Der Geschäftsherr hatte zuvor mit einer Treuhandgesellschaft (im Folgenden: die Vertreterin) einen umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrag zum Erwerb einer Eigentumswohnung geschlossen und dieser eine Vollmacht zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und Maßnahmen, die für den Eigentumserwerb erforderlich oder zweckdienlich erschienen, erteilt. Die Vertreterin schloss daraufhin namens des Geschäftsherrn mit einem Bauträger einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung ab und nahm zur Finanzierung des Kaufpreises bei der Bank ein Darlehen auf. Nachdem der Geschäftsherr das Darlehen zunächst bedient hatte, stellte er die Zahlung der Tilgungsraten nach einiger Zeit ein. Die Bank kündigte daraufhin den Darlehensvertrag fristlos.

Variante 1:  Der Geschäftsbesorgungsvertrag wurde nicht notariell beurkundet.

Nach der hier vertretenen Auffassung von der Vollmacht als von dem Grundgeschäft getrenntes, aber von diesem abhängiges Rechtsgeschäft, stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: In Frage steht, ob die Bank von dem Geschäftsherrn die Rückzahlung der Darlehensvaluta nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB fordern kann. Dies setzt voraus, dass ein wirksamer Darlehensvertrag zustande gekommen ist, der Geschäftsherr also von der Vertreterin bei Abschluss des Vertrags wirksam vertreten wurde gemäß § 164 Abs. 1 BGB. Die

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Vertreterin hat jedoch ohne Vertretungsmacht gehandelt. Denn der der Vollmacht zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag, in der die Vertreterin mit dem Erwerb eines Grundstücks für den Geschäftsherrn beauftrag wird, ist mangels notarieller Beurkundung nichtig gemäß §§ 125 S. 1, 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Damit ist aber auch die Bevollmächtigung nichtig, da beide Rechtsgeschäfte nach dem Willen der Parteien ein einheitliches Geschäft bilden, § 139 BGB. Dieses Ergebnis entspricht dem des Bundesgerichtshofs; allerdings setzt sich die hier vertretene Lösung nicht in Widerspruch zu einem nur noch formal aufrechterhaltenen Abstraktionsprinzip im Stellvertretungsrecht. Sie könnte jedoch in Konflikt geraten mit den Regelungen des § 167 Abs. 2 und § 492 Abs. 1 und 4 BGB, wonach die Vollmacht gerade nicht der für das Vertretergeschäft vorgesehenen Form bedarf und die Vollmacht zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags lediglich dem Schriftformerfordernis unterliegt. Es stellen sich im Einzelnen drei Fragen. Erstens: Wird mit der Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft die Vorschrift des § 167 Abs. 2 BGB umgangen, sofern das Grundgeschäft nichtig ist wegen eines Formmangels? Zweitens: Ist es richtig, dass die Vollmacht zum Abschluss des Darlehensvertrags nichtig ist, weil der ihr zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag auch den Erweb von Grundeigentum mit umfasst? Denn ein gesonderter Auftrag zum Abschluss eines Darlehensvertrags wäre wie auch der Abschluss eines Eigengeschäfts durch den Geschäftsherrn nicht beurkundungspflichtig gewesen675. Drittens: Wird hier gleichsam durch die Hintertür ein strengeres Formerfordernis für die Vollmacht zum Abschluss eines Darlehensvertrags eingeführt, als es das Gesetz in § 492 BGB selbst vorsieht? Die Antwort auf alle drei Fragen lautet: Nein. § 167 Abs. 2 BGB bezieht sich allein auf das Verhältnis der Vollmacht zu dem Vertretergeschäft. Hier ist zwar das Vertretergeschäft in Gestalt des Grundstückkaufvertrags beurkundungspflichtig; daneben unterliegt aber auch der Geschäftsbesorgungsvertrag selbst der Formvorschrift des § 311b Abs. 1 BGB, weil er bereits unmittelbar die Verpflichtung des Geschäftsherrn zum Erwerb von Grundeigentum begründet676. Die Formbedürftigkeit entspringt daher nicht dem Vertretergeschäft, sondern unmittelbar dem Grundgeschäft. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass § 167 Abs. 2 BGB bereits als inhaltlich unzutreffend erkannt wurde und von der Rechtsprechung entsprechend regelmäßig korrigiert wird677. Die Schlagkraft eines Arguments, das auf dem formalen Regelungsgehalt des § 167 Abs. 2 BGB beruht, wird dadurch entscheidend gemindert. weist Hartmann, ZGS 2005, S. 62, 63, hin. NJW 1985, 730; NJW 1988, 697, 698; Münchener Kommentar BGB/ Kanzleiter, § 311b Rn. 50. 677  BGH, NJW 1952, 1210, 1211; NJW 1996, 1467, 1468; sieh hierzu aus der Literatur: Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 167 Rn. 19 ff. (m.w.N.). 675  Hierauf 676  BGH,



C. Überprüfung der Ergebnisse219

Auch der Einwand, dass lediglich die Vollmacht zum Abschluss des Kaufvertrags, nicht aber die Vollmacht zum Abschluss des Darlehensvertrags nichtig sein dürfte, erweist sich als nicht tragfähig. Zwar wirft die hier gefundene Lösung im Vergleich zu der Vornahme zweier Eigengeschäfte zum Erwerb und zur Finanzierung auf den ersten Blick Zweifel auf, wäre in diesem Fall doch nur der Kaufvertrag, nicht aber der Darlehensvertrag dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 BGB unterworfen. Nimmt man den Sinnzusammenhang zwischen Grundgeschäft und Vollmacht auf der einen und dem jeweiligen Vertretergeschäft auf der anderen Seite in den Blick, erscheint eine andere Lösung möglich: Eine Erstreckung von Mängeln des Grundgeschäftes auf die Vollmacht nach § 139 BGB ist danach nur dann anzunehmen, wenn und soweit sich der Fehler des Grundgeschäfts auf Anforderungen bezieht, die für das jeweilige Vertretergeschäft gelten, auf das die Vollmacht ihrem Sinn und Zweck nach bezogen ist678. In obigem Beispielsfall würde danach nur die Vollmacht zum Abschluss des Kaufvertrags, nicht aber die Vollmacht zum Abschluss des Darlehensvertrags von der Unwirksamkeit des Grundgeschäfts nach § 125 BGB erfasst. Mit dieser gedanklichen Aufspaltung in eine Vollmacht zum Abschluss des Darlehensvertrags und eine Vollmacht zum Abschluss des Kaufvertrags wird aber der Besonderheit der vorliegenden Fallkonstellation nicht ausreichend Rechnung getragen. Denn die Parteien haben den Erwerb des Grundeigentums mit dessen Finanzierung zu einer Geschäftseinheit zusammengeschlossen. Der Geschäftsherr wünschte die Besorgung von Eigentumserwerb und Finanzierung „aus einer Hand“. Es ist daher davon auszugehen, dass es seinem Willen entspricht, dass bei Teilnichtigkeit eines Teils des gesamten Geschäftsbesorgungsvertrags samt Vollmacht auch der andere Teil nichtig ist und nicht der Erwerb ohne die Finanzierung oder die Finanzierung ohne den Erwerb stehen bleibt. Dem entspricht jedoch die Anwendung von § 139 BGB auf Grundgeschäft und Vollmacht unabhängig davon, welches Vertretergeschäft jeweils betroffen ist. Die Abhängigkeit der Vollmacht von dem Grundgeschäft führt zudem nicht dazu, dass die Vollmacht ebenfalls den für das Grundgeschäft geltenden Form­ erfordernissen unterliegt. Liegen die Voraussetzungen eines Verbraucherdarlehensvertrags in der Person des Geschäftsherrn und der Vertreterin vor, greift hinsichtlich der Vollmacht zum Abschluss des Darlehensvertrags vielmehr weiterhin das Schriftformerfordernis der § 492 Abs. 1 und 4 BGB ein. Die Beurkundungspflicht beruht hier allein auf der Tatsache, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag die Verpflichtung des Geschäftsherrn zum Erwerb von Grundeigentum umfasst. Das Schriftformerfordernis des § 492 Abs. 1 und 4 BGB bleibt daneben bestehen, ist aber im Fall der Beurkundung automatisch mit erfüllt. Der Annahme der Schutzbedürftigkeit des Verbraucher-Darlehensneh678  Hartmann,

ZGS 2005, S. 62, 63.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

mers, die der Regelung des § 492 BGB zugrunde liegt679, wird damit Rechnung getragen. Ist dagegen das Grundgeschäft nicht formbedürftig, so zum Beispiel im Fall eines Auftrags zum Kauf eines Pkws samt Abschluss eines Darlehensvertrags zur Finanzierung, kommt die selbstständige Formbedürftigkeit der Vollmacht unmittelbar zum Tragen. Damit lässt sich weder aus § 167 Abs. 2 BGB noch aus § 492 Abs. 1 und 4 BGB ein Gegenargument zu der Anwendbarkeit von § 139 BGB auf Vollmacht und Grundgeschäft herleiten. In dem Beispielsfall Variante 1 hat die Vertreterin damit bei Abschluss des Darlehensvertrags mit der Bank ohne Vertretungsmacht gehandelt. Eine Genehmigung des Darlehensvertrags nach § 177 Abs. 1 BGB ist nicht erfolgt; insbesondere können die bereits erfolgten Ratenzahlungen nicht als solche gewertet werden, da der Geschäftsherr im Zeitpunkt der Zahlungen nicht wusste, dass keine Vertretungsmacht bestand und der Darlehensvertrag damit schwebend unwirksam war. Er konnte daher den Darlehensvertrag mit der Bank auch nicht bewusst genehmigen. Folglich hat die Bank keinen vertraglichen Anspruch gegen den Geschäftsherrn auf Rückzahlung der Valuta; sie ist auf einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verwiesen, der jedoch möglicherweise an § 818 Abs. 3 BGB scheitert. Die Bank wird daher versuchen, sich bei der Vertreterin schadlos zu halten. Variante 2:  Sowohl der Geschäftsbesorgungsvertrag als auch die Vollmacht wurden notariell beurkundet.

In der zweiten Variante des Falls leidet der Geschäftsbesorgungsvertrag zwar nicht an einem Formmangel, allerdings ist der Vertrag dennoch nichtig und zwar – nach heutiger Rechtslage680 – gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Damit ist wiederum die Bevollmächtigung der Vertreterin ebenfalls unwirksam gemäß § 139 BGB. Im Übrigen ergeben sich zu Variante 1 keine Unterschiede. Das Ergebnis entspricht damit wie bereits in der ersten Variante des Beispielsfalls dem des Bundesgerichtshofs. Hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 3 RDG bzw. Art. 1 § 1 RBerG auf die Vollmacht ist die hier vertretene Lösung im Unterschied zu den Urteilen des Bundesgerichtshofs aber stringenter, muss sie doch nicht einen nur noch formal aufrechterhaltenen Abstraktionsgrundsatz durchbrechen mit einer – in den Details angreifbaren, da zum Teil widersprüchlichen – Argumentation mit dem Schutzzweck des Verbotsgesetzes681. 679  Staudinger/Kessal-Wulf,

§ 492 Rn. 1, 5. den dem Beispielsfall zugrunde liegenden Urteilen waren die Verträge jeweils noch unter Geltung des inzwischen außer Kraft getretenen Rechtsberatungsgesetzes geschlossen worden; die Unwirksamkeit folgte aus § 134 BGB i. V. m. Art. 1 § 1 RBerG. 681  Siehe zu Kritik an der Argumentation des BGH: Hellgardt/Majer, WM 2004, S. 2380, 2383 sowie Stadler, JA 2013, S. 143, 145. 680  In



C. Überprüfung der Ergebnisse221

Variante 3:  Die Vertreterin legte der Bank vor Abschluss des Darlehensvertrags eine Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde vor.

Hier hat die Vertreterin wiederum ohne Vertretungsmacht gehandelt (wegen Verstoßes des Geschäftsbesorgungsvertrags gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz, siehe oben zu Variante 2). Allerdings hat der Geschäftsherr mit der Ausstellung einer Vollmachtsurkunde eine Außenerklärung über die Vertretungsmacht seiner Vertreterin abgegeben, die durch die Vorlage der Bank auch zugegangen ist. Nach der hier vertretenen Lehre fingiert das Gesetz grundsätzlich682 aufgrund der wirksam gewordenen Außenerklärung des Geschäftsherrn das Bestehen von Vertretungsmacht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 2 BGB. Der Darlehensvertrag wäre damit wirksam zustande gekommen und der Geschäftsherr gegenüber der Bank bei Fälligkeit zur Rückzahlung der Valuta verpflichtet gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. Im unmittelbaren Vergleich zu den ersten beiden Fallvarianten mag einem dieses Ergebnis zunächst fragwürdig vorkommen, erscheint es doch eher dem Zufall geschuldet, ob die Vollmacht beurkundet und die Urkunde der Bank vorgelegt wird oder nicht. Sieht man von der Sonderproblematik des im öffentlichen Interesse angeordneten gesetzlichen Verbots des § 3 RDG683 einmal ab, ist das abweichende Ergebnis allerdings gerechtfertigt, kommt hier doch der spezifisch stellvertretungsrechtliche Verkehrsschutz und die damit verbundene Risikoverteilung zum Tragen: In den ersten beiden Fällen hat die Bank das Darlehen allein aufgrund der Erklärung der Vertreterin, sie handele mit Vertretungsmacht, gewährt. Eine entsprechende Bestätigung von Seiten des Geschäftsherrn als dem aus dem Darlehensvertrag Verpflichtetem lag ihr nicht vor. Das Risiko fehlender Vertretungsmacht – sei es aufgrund eines Mangels der Bevollmächtigung, sei es aufgrund eines Mangels des Grundgeschäfts – ist ihr in diesem Fall zuzumuten; sie muss sich dann – genehmigt der Geschäftsherr nicht – an die Vertreterin halten, die ihr gegenüber der Bank abgegebenes Leistungsversprechen nicht erfüllt hat. Dagegen lag der Bank in der dritten Fallvariante eine Erklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht vor. Diese rechtfertigt aber die Verschiebung der Risikotragung von der Bank auf den Geschäftsherrn. Denn dieser hat gegenüber der Bank erklärt, das Risiko etwaiger Mängel der Vertretungsmacht zu übernehmen, unabhängig davon, ob diese Mängel aus der Sphäre des Grundgeschäfts oder aus der Bevollmächtigung selbst herrühren. Verwirklicht sich dieses Risiko, gehen die Konsequenzen folgerichtig zu

682  Zu der Folgeproblematik, ob auch die Außenerklärung der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 3 RDG unterfällt, siehe sogleich im Text. 683  Siehe hierzu sogleich im Text.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

Lasten des Geschäftsherrn, der trotz der fehlenden Vertretungsmacht der Vertreterin an den Darlehensvertrag mit der Bank gebunden ist. In dem hier vorliegenden Fall der Unwirksamkeit von Geschäftsbesorgungsvertrag und Vollmacht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz sieht sich diese Lösung freilich Zweifeln ausgesetzt. Diese sind allerdings nicht genereller Natur, sondern wurzeln in der Besonderheit einer im öffentlichen Interesse angeordneten Unwirksamkeit. Das Verbot unerlaubter Rechtsberatung soll zum einen Rechtssuchende vor unsachgemäßer Beratung und Vertretung sowie deren häufig nachteiligen Folgen schützen684. Darüber hinaus sollen aber auch der Rechtsverkehr und die Rechtsordnung insgesamt vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen geschützt werden, § 1 RDG. Es geht also auch darum, „im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs fachlich ungeeignete oder unzuverlässige Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten fern (zu) halten“685. Vor diesem Hintergrund erscheint es jedoch fragwürdig, dass der Geschäftsherr zwar nicht wirksam bevollmächtigen, wohl aber gegenüber dem Dritten das Risiko fehlender Vertretungsmacht übernehmen können soll. Denn das Ergebnis ist jeweils dasselbe, das Vertretergeschäft kommt wirksam zustande und die verbotene Rechtsdienstleistung hat sich damit in konkreten Rechtsfolgen manifestiert. Zwar richtet sich das Verbot unerlaubter Rechtsberatung nicht gegen den Dritten, sondern gegen den Vertreter686. Lässt man aber aus diesem Grund die Außenerklärung gegenüber Ersterem zu, läuft auch das gegen letzteren ausgesprochene Verbot ins Leere. Der von § 3 RDG intendierte Schutz des einzelnen Rechtssuchenden aber auch des Rechtsverkehrs insgesamt würde damit gleichsam konterkariert, einer Umgehung von § 3 RDG Tür und Tor geöffnet. Das Argument, der Verkehrsschutz gebiete eine Anwendung der §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB auch im Fall der Nichtigkeit der Vollmacht wegen eines Verstoßes gegen § 3 RDG687, ist damit aber möglicherweise zu kurz gedacht. Es stellt zudem einen Wider684  BGH, NJW 2002, 66, 67; NJW 2003, 1252, 1253; NJW 2003, 1594, 1595; NJW 2003, 2088, 2089; NJW 2008, 3357, 3358. 685  BGH, NJW 2003, 1594, 1595. 686  BGH, NJW 2003, 2091, 2092. 687  So der 11. Senat des Bundesgerichtshofs: BGH, NJW 2003, 2088, 2089; 2003, 2091, 2092; zuletzt jedoch einschränkend dahingehend, es müssten „außerhalb des auf Rechtsscheinsgesichtspunkten beruhenden Vertrauensschutzes […] besondere Gründe vorliegen, die es bei Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls sachlich rechtfertigen, die Interessen des redlichen Vertragspartners für schutzwürdiger zu erachten als die des nur scheinbar wirksam vertretenen Auftraggebers“, BGH, NJW 2008, 3357, 3358. Dagegen lehnte der 2. Senat in einer Entscheidung vom 14.06.2004 die Anwendung der §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB dezidiert ab, jedoch speziell für den Fall des kreditfinanzierten Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds, BGHZ 159, 294 (= NJW 2004, S. 2736, 2737).



C. Überprüfung der Ergebnisse223

spruch in sich dar, sieht man einerseits die Vollmacht als von dem Schutzzweck des § 3 RDG erfasst an, weil ansonsten der Rechtsbesorger seine gesetzlich missbilligte Tätigkeit zu Ende führen könnte, nimmt man andererseits aber die §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB von der Nichtigkeitsfolge aus – mit dem Ergebnis, dass das von dem Rechtsbesorger abgeschlossene Vertretergeschäft doch wirksam zustande kommt688. Der von § 3 RDG intendierte Schutz des Rechtssuchenden wie auch des Rechtsverkehrs ist damit nur dann gewährleistet, wenn auch die Außenerklärung des Geschäftsherrn der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unterworfen wird. Hat sich obiges Ergebnis damit im Fall der Nichtigkeit von Grundgeschäft und Bevollmächtigung wegen eines Verstoßes gegen § 3 RDG als korrekturbedürftig erwiesen, ist dies der Besonderheit des speziellen Unwirksamkeitsgrundes geschuldet und nicht auf das Konzept der Außenerklärung insgesamt übertragbar. Hinsichtlich anderer Unwirksamkeitsgründe, die aus dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter resultieren, trägt die oben skizzierte Risikoverteilung vielmehr dem erklärten Willen der Beteiligten Rechnung. Variante 4:  Die Vertreterin nahm bei der Bank zunächst nur einen Zwischenkredit auf. Die Bank wies den Geschäftsherrn schriftlich auf die Eröffnung eines Darlehenskontos durch die Vertreterin hin, erhielt hierauf jedoch keine Antwort. Später wurde der endgültige Darlehensvertrag durch die Vertreterin namens des Geschäftsherrn abgeschlossen und von der Bank vereinbarungsgemäß erfüllt.

In Frage steht, ob der Geschäftsherr durch sein Schweigen gegenüber der Bank eine konkludente Außenerklärung abgegeben hat. Dies ist im Ergebnis zu verneinen. Dem Schweigen ist vielmehr nur zu entnehmen, dass der Geschäftsherr keine Einwände gegen die Eröffnung des Darlehenskontos für den Zwischenkredit durch die Treuhänderin erhebt. Ein objektiver Empfänger konnte das Schweigen des Geschäftsherrn jedoch nicht dahingehend verstehen, dass die Treuhänderin ihn beim Abschluss weiterer künftiger Darlehensverträge vertreten dürfe und er das Risiko fehlender Vertretungsmacht übernehmen wolle, zumal der Geschäftsherr zum Zeitpunkt der Mitteilung über den Zwischenkredit davon ausging, wirksam vertreten worden zu sein und damit keine Veranlassung bestand, eine solche Risikoübernahme zu erklären. Es fehlte mithin sowohl in objektiver wie in subjektiver Hinsicht an einem entsprechenden Risikoübernahmewillen seitens des Geschäftsherrn. Das gilt auch für Zahlungen auf das Zwischendarlehen. Anfängliche Zahlungen auf das streitige Darlehen können wiederum nicht als konkludente Au688  Gerneth, VuR 2004, S. 125, 127; Nittel, NJW 2002, S. 2599, 2602; BeckOK RDG/Römermann, § 3 Rn. 12; Henssler/Prütting/Weth, § 3 RDG Rn. 14.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

ßenerklärung ausgelegt werden, da zum Zeitpunkt der Zahlungen der Darlehensvertrag bereits geschlossen war. Mit den auf den Vertragsschluss folgenden Zahlungen könnte der Geschäftsherr lediglich die Genehmigung im Sinne von § 177 Abs. 1 BGB erklärt haben. Dies setzt aber voraus, dass er den Mangel an Vertretungsmacht kannte. Beispielsfall 2 (fiktiv): Wie in Beispielsfall 1; jedoch ist der Geschäftsbesorgungsvertrag notariell beurkundet und die ebenfalls beurkundete Vollmacht der Bank vorgelegt worden. Die Vertreterin verfügt zudem über die nach § 3 RDG erforderliche Erlaubnis. Allerdings hat der Geschäftsherr die Vollmacht gegenüber der Vertreterin widerrufen, bevor diese mit der Bank den Darlehensvertrag abgeschlossen hat.

Im Unterschied zu dem ersten Beispielsfall in der dritten Variante beruht hier der Mangel der Vertretungsmacht nicht auf einem durchschlagenden Mangel des Grundgeschäfts, sondern auf dem Widerruf der Vollmacht selbst. Aufgrund der von dem Geschäftsherrn gegenüber der Bank abgegebenen Außenerklärung in Form der Vollmachtsurkunde wird die Vertretungsmacht jedoch fingiert, §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB. Im Ergebnis macht es daher keinen Unterschied, ob das Grundverhältnis oder die Bevollmächtigung an einem Mangel leiden. Das hat insbesondere Auswirkungen auf die Frage der Gut- oder Bösgläubigkeit des Dritten. Dies wird deutlich, wandelt man die obige Fallvariante dahingehend ab, dass der Bank vor Abschluss des Darlehensvertrags eine Kopie des Widerrufs zugegangen ist. Die Bank war dann hinsichtlich des Bestehens der Vertretungsmacht ganz offensichtlich bösgläubig; sie kann sich daher gegenüber dem Geschäftsherrn nicht auf die Außenerklärung berufen, § 173 BGB. Das Gleiche müsste aber auch dann gelten, wenn die Bank von einem etwaigen Mangel des Geschäftsbesorgungsvertrags Kenntnis erlangt hätte. Die Divergenz zwischen der Unbeachtlichkeit von der Kenntnis von Mängeln des Grundgeschäfts auf der einen und der Kenntnis von Mängeln der Bevollmächtigung selbst auf der anderen Seite, die nach der herrschenden Meinung aufgrund der Abstraktheit der Vollmacht besteht, entfällt damit. Beispielsfall 3 (fiktiv): Wie in Beispielsfall 1; jedoch sind sowohl der Geschäftsbesorgungsvertrag als auch die Bevollmächtigung wirksam. Die Vertreterin und die Bank schließen in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken einen Darlehensvertrag, dessen Konditionen erheblich schlechter sind als die zu diesem Zeitpunkt marktüblichen.

In diesem Fall liegt nach herkömmlichem Verständnis ein Missbrauch der Vertretungsmacht in Form des kollusiven Zusammenwirkens zwischen Stellvertreter und Drittem vor. Führt das kollusive Zusammenwirken tatsächlich auch zu einem Nachteil für den Geschäftsherrn, wovon in unserem aufgrund der im Vergleich schlechten Darlehenskonditionen auszugehen ist, ist nach



C. Überprüfung der Ergebnisse225

ganz herrschender Meinung nicht nur die Abrede zwischen Stellvertreter und Drittem, sondern auch der Darlehensvertrag nichtig wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB689. Nach der in dieser Arbeit entwickelten Konzeption handelt dagegen die Vertreterin bereits ohne Vertretungsmacht, da sie mit der Bank einen Vertrag schließt, der den Interessen und dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entgegensteht und die Bank dies erkannt hat. Lag der Bank bei Abschluss des Darlehensvertrages eine Außenerklärung des Geschäftsherrn über die Vollmacht vor, könnte sich die Bank grundsätzlich auf ihren guten Glauben hinsichtlich der Vertretungsmacht berufen. Das ist hier jedoch ausgeschlossen, da die Bank den Widerspruch des Vertretergeschäfts zu den Interessen und dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn positiv kannte und daher hinsichtlich der Vertretungsmacht der Vertreterin nicht in gutem Glauben war. Erkennt dagegen nur die Bank die Nachteilhaftigkeit des mit der Vertreterin abzuschließenden Darlehensvertrages, sind dessen Konditionen aber objektiv gesehen noch nicht derart schlecht, dass die Nachteilhaftigkeit für die Vertreterin evident zu Tage liegt, handelt diese mit Vertretungsmacht. Es besteht damit kein Unterschied zu einem Eigengeschäft des Geschäftsherrn, der sich auf für ihn nachteilige Darlehenskonditionen einlässt. Beispielsfall 4 (fiktiv): Geschäftsherr G beauftragt seinen Stellvertreter V mit dem Kauf eines Schimmels und erteilt ihm eine entsprechende Vollmacht; als Preisobergrenze setzt er 1000 Euro fest. Zur Vorlage bei einem potentiellen Verkäufer stellt er V eine Vollmachtsurkunde aus. Um dem V eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen und die Karten nicht von vornherein offen zu legen, unterlässt es G allerdings, die Preisobergrenze in die Urkunde aufzunehmen. Während der Verhandlungen mit V erfährt der Verkäufer D jedoch zufällig von der Begrenzung der Vollmacht. D und V schließen einen Kaufvertrag über einen Schimmel zum Preis von 1200 Euro.

Es stellt sich die Frage, ob der Kaufvertrag trotz der Überschreitung seiner Vollmacht durch V wirksam zustande gekommen ist. Aufgrund der Außenerklärung des G, nach der V eine unbegrenzte Vollmacht hatte, gilt V als zur Vertretung des G befugt, §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB. D war jedoch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bösgläubig, denn er wusste, dass die Vollmacht der Höhe nach auf 1000 Euro beschränkt war. Allerdings hatte G selbst bewusst eine überschießende Vollmachtsurkunde ausgestellt, denn er wollte vermeiden, dass D von der Begrenzung der Vollmacht des V Kenntnis erlangt. Kann G sich trotzdem auf die Bösgläubigkeit des V berufen und die Durchführung des Vertrags verweigern? Wiederum führt die Auslegung zu 689  BGH, NJW 1989, 26; Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 1575; Flume, Rechtsgeschäft, § 45 II 3, S. 788; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil, Rn. 966; Münchener Kommentar BGB/Schubert, § 164 Rn. 212; BeckOK BGB/Schäfer, § 167 Rn. 47; Staudinger/Schilken, § 167 Rn. 100; NK-BGB/Stoffels, § 164 Rn. 85.

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Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

einer interessengerechten Lösung: Dabei ist davon auszugehen, dass der Geschäftsherr jederzeit eine abstrakte Vollmacht erteilen kann, wenn er die Vertretungsmacht seines Stellvertreters ausdrücklich von dessen Pflichtbindung nach dem Grundverhältnis unabhängig ausgestalten möchte. Eine Urkunde, nach der die Vollmacht über den Umfang des im Innenverhältnis bestehenden Auftrags hinausgeht, kann hierfür ein Indiz sein. In unserem Fall steht jedoch fest, dass sowohl Auftrag als auch Vollmacht auf 1000 Euro begrenzt waren. Eine Einschränkung fehlte lediglich bei der in der Urkunde verkörperten Außenerklärung. Es ist aber nicht ersichtlich, dass G das Risiko eines Mangels der Vertretungsmacht auch gegenüber einem bösgläubigen Dritten übernehmen wollte. Da D von der Begrenzung der Vollmacht des V erfahren hat, besteht vielmehr kein vernünftiger Grund mehr, wieso G gegenüber D auch für den Umstand einstehen wollen sollte, dass bei einem Preis von mehr als 1000 Euro sein Vertreter V ohne Vertretungsmacht handelte. Das war für jeden verständigen Empfänger der Erklärung auch erkennbar. Um nicht als bösgläubig zu gelten, hätte D sich aufgrund seiner Kenntnis von der internen Beschränkung daher bei G versichern müssen, bevor er den Vertrag mit V über 1200 Euro schloss. Beispielsfall 5 (fiktiv): Geschäftsherr G beauftragt seinen Stellvertreter V mit dem Kauf eines Schimmels und erteilt ihm eine entsprechende Vollmacht; als Preisobergrenze setzt er 1000 Euro fest. Zur Vorlage bei einem potentiellen Verkäufer stellt er V eine Vollmachtsurkunde aus, die ebenfalls die Beschränkung auf 1000 Euro beinhalten soll. Allerdings vertippt sich G, so dass die Vollmacht laut der Urkunde Geschäftsabschlüsse mit einem Volumen von bis zu 10.000 Euro umfasst. V kauft namens des G von V ein Pferd zum Preis von 1500 Euro.

Wiederum stellt sich die Frage, ob der Kaufvertrag trotz der Überschreitung seiner Vollmacht durch V wirksam zustande gekommen ist. V hat zwar ohne Vertretungsmacht gehandelt; aufgrund der Außenerklärung des G gegenüber D wird diese jedoch fingiert, §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB. G kann die Außenerklärung aber wegen Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB anfechten mit der Folge, dass diese gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig gilt. Damit ist wieder die Ausgangslage hergestellt; das Vertretergeschäft ist mangels Vertretungsmacht des V nicht zustande gekommen. D hat jedoch gemäß § 122 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen G auf Schadensersatz in Höhe des negativen Interesses. Beispielsfall 6 (fiktiv): Geschäftsherr G beauftragt und bevollmächtigt den noch minderjährigen M mit dem Kauf eines Schimmels, wobei er M ausdrücklich aufträgt, ihm vor der Vertragsunterzeichnung den ausgehandelten Preis mitzuteilen. Die gesetzlichen Vertreter des M verweigern die Genehmigung des Auftrags. M schließt dennoch im Na-



C. Überprüfung der Ergebnisse227 men des G mit D einen Kaufvertrag über einen Schimmel zum Preis von 2000 Euro; jedoch ohne zuvor G den Preis mitgeteilt zu haben. Tatsächlich ist das Pferd nur 1500 Euro wert, was zwar G, nicht aber M auch bekannt war.

Grundsätzlich kann ein Minderjähriger trotz seiner beschränkten Geschäftsfähigkeit einen anderen wirksam im Rechtsverkehr vertreten, § 165 BGB. Die Bevollmächtigung durch den Geschäftsherrn bindet lediglich diesen und bedarf damit nicht der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen nach § 107 BGB. Dagegen bedarf die Willenserklärung des Minderjährigen, die auf den Abschluss des Grundgeschäfts gerichtet ist, hier also die Annahme des Auftrags durch M, der Einwilligung nach § 107 BGB; andernfalls ist die Willenserklärung des Minderjährigen schwebend unwirksam gemäß § 108 Abs. 1 BGB. Da die gesetzlichen Vertreter des M die Genehmigung endgültig verweigert haben, ist der Auftrag nicht wirksam zustande gekommen. Die Nichtigkeit des Auftrags bringt nach § 139 BGB auch die Nichtigkeit der Vollmacht mit sich, wenn nicht anzunehmen ist, dass G die Vollmacht auch ohne den Auftrag erteilen wollte. Hier kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass G den M zum Handeln in seinem Namen, jedoch ohne jegliche Pflichtbindung, befähigen wollte; im Gegenteil hatte G M sogar ausdrücklich aufgetragen, ihn vor Vertragsschluss über den ausgehandelten Preis in Kenntnis zu setzen. Die Nichtigkeit des Auftrags erfasst damit gemäß § 139 BGB auch die Vollmacht; M hat folglich ohne Vertretungsmacht gehandelt. Verweigert G die Genehmigung des Kaufvertrags nach § 177 Abs. 1 BGB, kann D mithin nicht die Erfüllung des Vertrags verlangen. Dieses Ergebnis ist folgerichtig, macht man sich bewusst, dass eine Primärverpflichtung des Geschäftsherrn aus dem Vertretergeschäft hier gegen dessen Willen bestünde, ohne dass ein zwingender Grund auf Seiten des Dritten dies erforderlich macht. Letzterer ist vielmehr auf Sekundäransprüche zu verweisen. Ein Schadensersatzanspruch gegen M ist allerdings ausgeschlossen nach § 179 Abs. 3 S. 2 BGB. Kannte G hier jedoch die Minderjährigkeit des M sowie die fehlende Genehmigung der gesetzlichen Vertreter oder hätte er hiervon jedenfalls Kenntnis haben müssen, haftet er gegenüber D gemäß § 122 BGB analog. Andernfalls trägt D das Risiko der Minderjährigkeit des Vertreters. Für den Dritten besteht mithin ein Risiko, welches er jedoch in Zweifelsfällen dadurch ausschließen kann, dass er sich an den Geschäftsherrn wendet und um Bestätigung der Vollmacht bittet. Erhält er eine solche, handelt es sich um eine Außenerklärung, mit der der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten das Risiko eines Mangels der Vertretungsmacht übernimmt.

228

Kap. 3: Verkehrsschutz durch Gutglaubensschutz

D. Zusammenfassung und Fazit Unser Gedankenexperiment hat gezeigt: Die Abstraktheit der Vollmacht ist als Verkehrsschutzinstrument im Stellvertretungsrecht entbehrlich. Der erforderliche Verkehrsschutz kann mittels des hier entfalteten Konzepts der Außenerklärung hergestellt werden. Hierin gehen sowohl die kundgegebene Innenvollmacht und die Außenvollmacht, als auch die so genannten Rechtsscheinvollmachten vollständig auf. Im Unterschied zu der Abstraktheit der Vollmacht handelt es sich bei dem durch die Außenerklärung entwickelten Verkehrsschutz um Gutglaubensschutz, geschützt wird mithin nur der gutgläubige Dritte. Der Grund für den Schutz und seine Begrenzung durch das Erfordernis der Gutgläubigkeit liegt in der Außenerklärung des Geschäftsherrn, mit der er dem Dritten einen entsprechenden Schutz privatautonom zusichert. Die §§ 170–173 BGB verwirklichen insofern den typisierten Parteiwillen, indem sie gegenüber dem gutgläubigen Dritten die Rechtslage eintreten lassen, die bei Vorliegen von Vertretungsmacht bestünde. Fehlt hingegen eine solche Außenerklärung und verlässt sich der Dritte allein auf die Behauptung des angeblichen Vertreters, er sei von dem Geschäftsherrn bevollmächtigt worden, wird der Dritte durch die vorhandenen Haftungsmechanismen ausreichend geschützt. Das gilt auch dann, wenn die Haftung des Vertreters aus § 179 Abs. 2 BGB auf eine verschuldensabhängige Haftung teleologisch reduziert wird. Dieser Schritt ist indes erforderlich, um das Haftungsrisiko des Vertreters auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Dass eine solche teleologische Reduktion der Systematik und dem Telos der falsus-procurator-Haftung des BGB durchaus entspricht, wurde indes auch unabhängig von der in dieser Arbeit thematisierten Frage nach der Abstraktheit der Vollmacht überzeugend dargelegt690. Die Überprüfung in Teil C hat gezeigt, dass sich mit dem in dieser Arbeit entworfenen Konzept die verschiedenen klassischen Fallkonstellationen des Vertretungsrechts, in denen die Vertretungsmacht fraglich erscheint, zufriedenstellend lösen lassen. Das gilt insbesondere auch für diejenigen Konstellationen, die im Zusammenhang mit den so genannten Schrottimmobilienfällen durch den Bundesgerichtshof entschieden wurden.

690  Lobinger,

Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 293 f.

Kapitel 4

Die handelsrechtlichen Vollmachten Auch im kaufmännischen Rechtsverkehr gelten für den Einsatz von Stellvertretern die §§ 164 ff. BGB. Darüber hinaus enthält das Handelsgesetzbuch in den §§ 48 ff. Sonderregelungen über die Prokura und die Handlungsvollmacht, wobei zu letzterer auch die Vollmacht von Ladenangestellten gemäß § 56 HGB zählt. Es handelt sich hierbei um Sonderformen der Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilter Vertretungsmacht691. Die Bestimmungen des HGB betreffend die handelsrechtlichen Vollmachten gehen zurück auf die Artikel 41 ff. des ADHGB von 1861. Die Beratungen zum ADHGB wiederum legten einen Grundstein für Labands These von der Unabhängigkeit der Vollmacht von dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter. Genauer war es die Konzeption der Prokura als Vollmacht mit gesetzlich festgelegtem und im Außenverhältnis nicht beschränkbaren Umfang, die die Diskussion über das Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft befeuerte692. Die handelsrechtlichen Vollmachten sind daher für die Frage nach der Abstraktheit der Vollmacht von besonderem Interesse. Dabei darf jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass das Handelsrecht als das „Sonderprivatrecht der Kaufleute“693 gegenüber dem Bürgerlichen Recht eine Sonderrolle einnimmt. Insbesondere die Sicherheit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs spielen hier eine herausragende Rolle bei Rechtsetzung und Rechtsanwendung694. Die handelsrechtlichen Vollmachten, allen voran die Prokura, sind hierfür ein Paradebeispiel. Bereits die ursprüngliche Konzeption dieses Vollmachtstyps geht auf entsprechende Forderungen aus der Praxis zurück695.

691  Oetker/Schubert,

Rn. 1.

692  Siehe

§  48 Rn.  1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber, § 48

hierzu oben in Kapitel 1 unter A. II. 4. Handelsrecht, § 1 Rn. 1; Canaris, Handelsrecht, § 1 Rn. 1; Gierke/Sandrock, Grundlagen, § 1 I; Großkommentar HGB/Oetker, Einl. Rn. 27. 694  K. Schmidt, Handelsrecht, § 1 Rn. 72 ff. 695  Siehe hierzu bereits oben in Kapitel 1 unter A. II. 4. 693  Brox/Henssler,

230

Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

A. Die Prokura Die Prokura zeichnet sich vor allen anderen Vollmachtsarten durch die zwingende gesetzliche Festlegung ihres Umfangs aus. Für die Frage nach der Abstraktheit der Prokura ist es daher sinnvoll, von dem Umfang der Prokura auszugehen und erst dann das Verhältnis der Prokura zu dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Prokuristen im Entstehen und Erlöschen zu beleuchten.

I. Umfang 1. Die gesetzliche Fixierung Der Umfang der Prokura ist gesetzlich festgelegt, § 49 HGB, und kann im Außenverhältnis gegenüber Dritten nicht beschränkt werden, § 50 Abs. 1 HGB. Damit unterscheidet sich die Prokura von der einfachen bürgerlichrechtlichen Vollmacht ebenso wie von der Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB. Darüber hinaus kann die Prokura als einzige Vollmachtsform in das Handelsregister eingetragen werden, § 53 HGB, wobei die Eintragung obligatorisch ist, aber keine konstitutive Wirkung für die Entstehung der Prokura zeitigt696. Die Eintragungsfähigkeit und die gesetzliche Fixierung des Umfangs der Prokura gehen dabei Hand in Hand697. Da der Umfang der Prokura im Außenverhältnis durch die Parteien nicht eingeschränkt werden kann, reicht die Eintragung der Tatsache, dass Prokura erteilt wurde, aus, um den Rechtsverkehr nicht nur über das Bestehen, sondern auch den Umfang der Vertretungsmacht des Betreffenden in Kenntnis zu setzen. Die gesetzliche Festlegung und Unbeschränkbarkeit des Umfangs der Prokura ziehen zudem zwingend die Unabhängigkeit der Prokura von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nach sich. Andernfalls würde der Gesetzgeber mit der Festlegung des Umfangs der Prokura im Außenverhältnis auch in das Innenverhältnis der Parteien eingreifen und damit die Weisungsbefugnis des Kaufmann-Geschäftsherrn gegenüber dem Prokuristen einschränken. Hierfür besteht jedoch keinerlei Notwendigkeit. Die gesetzliche Fixierung des Umfangs dient dem Schutz des Handelsverkehrs, indem sie ihn leichter – Nachforschungen über den Umfang der Vertretungsmacht können unterbleiben – und sicherer – der Dritte kann sich darauf verlassen, dass ein bestimmtes Vertretergeschäft unabhängig von internen Absprachen von der Vertretungsmacht 696  Großkommentar HGB/Joost, §  53 Rn.  1; Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, § 53 Rn. 1; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 27. 697  Siehe hierzu und zum Folgenden bereits oben in Kapitel 2 unter B. II. 5. a) und b).



A. Die Prokura231

des Prokuristen gedeckt wird – macht698. Um diesen Schutz zu entfalten, reicht es aber aus, die gesetzliche Fixierung des Umfangs auf das Außenverhältnis zu begrenzen. Im Innenverhältnis muss der Kaufmann-Geschäftsherr seinem Prokuristen beliebig Weisungen erteilen und damit dessen Vertretungsbefugnis (nicht dessen Vertretungsmacht!) einschränken können. Um dies trotz der gesetzlichen Fixierung des Umfangs der Vertretungsmacht des Prokuristen im Außenverhältnis zu gewährleisten, reicht die Trennung zwischen Prokura und Grundverhältnis nicht aus; hinzu kommen muss die strikte Unabhängigkeit des Außen- von dem Innenverhältnis hinsichtlich des Umfangs der Vertretungsmacht. In die Logik der hier vertretenen Konzeption, nach der die Vollmacht von dem Grundverhältnis nach dem Willen der Parteien abhängig ist und der Schutz des Rechtsverkehrs über den Gutglaubensschutz hergestellt wird, der wiederum eine Außenerklärung des Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seines Vertreters voraussetzt, liegt es auf den ersten Blick nahe, die Unabhängigkeit der Prokura ihrem Umfang nach mit der Eintragung der Prokura in das Handelsregister zu begründen. Denn mit Eintragung und Bekanntmachung wird die Prokura nach außen gegenüber jedermann kundgegeben. Zwar erfolgt die Bekanntmachung nicht durch den Kaufmann-Geschäftsherrn selbst, sondern durch das Registergericht; sie wird aber von Ersterem durch die Anmeldung zur Eintragung veranlasst. Die Bekanntmachung des Registereintrags stellt damit auch eine öffentliche Bekanntmachung der Vertretungsmacht im Sinne von § 171 BGB dar699. Sie ist Außenerklärung in dem hier vertretenen Sinne. Im Zusammenspiel mit der zwingenden gesetzlichen Umfangsbeschreibung führt die Bekanntmachung folglich dazu, dass der Kaufmann-Geschäftsherr bereits aufgrund seinem in der Außenerklärung verkörpertem Versprechen einem gutgläubigen Dritten etwaige Einschränkungen der Vertretungsmacht seines Prokuristen nicht entgegenhalten könnte. Eintragung und Bekanntmachung der Prokura sind indes nicht konstitutiv für deren Entstehung700. Auch wenn die Prokura (noch) nicht eingetragen und bekannt gemacht wurde, besteht sie bereits mit dem in § 48 HGB festgelegten und nach § 50 HGB im Außenverhältnis nicht beschränkbaren Umfang. Die Unabhängigkeit der Prokura ihrem Umfang nach beruht demnach nicht auf einer Erklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn nach außen, sondern ist dieser besonderen Form der Vollmacht vielmehr immanent. Die Prokura ist in ihrem Umfang abstrakt von dem ihr 698  Ähnlich bereits Wieland, Handelsrecht, § 31, S. 356 zur Regelung der Prokura im ADHGB. 699  BeckOK BGB/Schäfer, § 171 Rn. 8; Staudinger/Schilken, § 171 Rn. 8. 700  Brox/Henssler, Handelsrecht, § 10 Rn. 197; Großkommentar HGB/Joost, § 53 Rn. 1; Oetker/Schubert, § 53 Rn. 1. Für die Vorgängernorm Art. 45 ADHGB bereits: Kommissionsbericht ADHGB, in: Schubert, Verhandlungen, S. 375.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen dem Kaufmann-Geschäftsherrn und seinem Prokuristen. 2. Der Missbrauch der Vertretungsmacht Daraus folgt, dass Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis des Prokuristen auseinander fallen können. Übersteigt das Können des Prokuristen sein Dürfen im Innenverhältnis, geht damit die Möglichkeit und aus Sicht des Kaufmann-Geschäftsherrn das Risiko einher, dass der Prokurist unter Ausnutzung seiner Vertretungsmacht ein für den Kaufmann-Geschäftsherrn bindendes Vertretergeschäft schließt, welches internen Weisungen des Geschäftsherrn zuwiderläuft. So gesehen könnte man meinen, dass mit der Prokura auch nach der hier vertretenen Verkehrsschutzkonzeption im Stellvertretungsrecht ein Anwendungsbereich für die Rechtsfigur des Missbrauchs der Vertretungsmacht bestehen bliebe. Allerdings widerspricht die Anwendung der Missbrauchslehre auf die Prokura der Verkehrsschutzkonzeption des Handelsgesetzbuchs. Zugespitzt formuliert wird damit die gesetzliche Wertung, die in § 50 Abs. 1 HGB Ausdruck gefunden hat, ausgehebelt701. Nimmt man vielmehr den durch die §§ 49, 50 HGB abstrakt ausgestalteten Verkehrsschutz ernst, darf es für die Wirksamkeit eines Vertretergeschäftes, welches der Prokurist im Rahmen seiner Vertretungsmacht geschlossen hat, gerade nicht darauf ankommen, ob hiermit interne Weisungen oder das Interesse und der mutmaßliche Wille des Prinzipals verletzt werden702. Derartige Einwände des Prinzipals gegen das von seinem Prokuristen abgeschlossene Vertretergeschäft von vornherein auszuschließen entspricht vielmehr der Intention des Gesetzgebers, den Handelsverkehr beim Einsatz von Stellvertretern möglichst leicht und sicher zu gestalten. Das Risiko eines Vollmachtsmissbrauchs ist allein dem Kaufmann-Geschäftsherrn zugewiesen. Diese einseitige Risikoverteilung wird dadurch etwas abgemildert, dass der Kaufmann-Geschäftsherr die Prokura nur ausdrücklich und persönlich erteilen kann, § 48 Abs. 1 HGB und die Prokura zudem auch nicht übertragen werden kann, § 52 Abs. 2 HGB703. Will der Prinzipal dieses Risiko vermeiden, steht ihm zudem die Möglichkeit offen, anstelle von Prokura Handlungsvollmacht mit beliebigem Umfang zu erteilen. Die abstrakte Verkehrsschutzkonzeption des Gesetzes für die Prokura ernst zu nehmen, heißt außerdem nicht, dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor zu öffnen. Selbstverständlich gelten 701  Ebenso, jedoch einschränkend bezogen auf die herrschende Meinung zum Missbrauch der Vertretungsmacht, der zu Folge eine doloses Handeln des Vertreters nicht erforderlich ist, Hübner, in: FS Klingmüller, S. 173, 176. 702  Ehrenberg/Titze, Handbuch, § 140 Rn. 919. 703  Hübner, in: FS Klingmüller, S. 173, 174.



A. Die Prokura233

auch hier die allgemeinen zivilrechtlichen Schranken der §§ 138 und 826 BGB. Das unter kollusivem Zusammenwirken von Prokurist und Drittem zum Nachteil des Kaufmann-Geschäftsherrn vereinbarte Rechtsgeschäft ist danach sittenwidrig und damit nichtig gemäß § 138 Abs. 1 BGB. Handeln Prokurist und Dritter zwar nicht kollusiv zusammen, erkennt der Dritte aber die erhebliche Nachteiligkeit des angestrebten Vertretergeschäfts für den Kaufmann-Geschäftsherrn und nutzt den Missbrauch der Vertretungsmacht seitens des Prokuristen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise und mit Schädigungsabsicht aus, kann der Kaufmann-Geschäftsherr dem Erfüllungsverlangen des Dritten wiederum einen Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB entgegenhalten. Einer speziellen Missbrauchs-Lehre bedarf es daher auch im Hinblick auf die Abstraktheit der Prokura nicht.

II. Erlöschen Das HGB enthält in § 52 HGB eine Sonderreglung über das Erlöschen der Prokura. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift ist die Prokura ohne Rücksicht auf das Grundverhältnis jederzeit widerruflich. Im Unterschied zu der Regelung des § 168 S. 2 BGB können die Parteien des Grundverhältnisses die Widerruflichkeit der Prokura mithin nicht ausschließen. Darüber hinaus soll nach ganz herrschender Meinung auf die Prokura die Regelung des § 168 S. 1 BGB Anwendung finden, wonach die Vollmacht mit Beendigung des Grundverhältnisses erlischt und damit in ihrem Fortbestand von dem Grundverhältnis abhängt704. Diese Auffassung steht jedoch in Widerspruch zu der Konzeption der Prokura als abstrakter Vollmacht. In der älteren Literatur zum Handelsrecht wird dieser Widerspruch gesehen und mit Hinweis auf die Unabhängigkeit der Prokura von dem Grundverhältnis jedenfalls vereinzelt bestritten, dass § 168 S. 1 BGB auch für die Prokura gilt705. Die Historie der Prokura stützt diese Auffassung: Das ADHGB kennt keine dem § 168 S. 1 BGB entsprechende Regelung. Art. 54 ADHGB bestimmt lediglich, dass die Prokura „unbeschadet der Rechte aus dem bestehenden Dienstverhältnisse“ widerrufen werden kann. Damit wird klargestellt, dass die in Gestalt der Prokura erteilte Vertretungsmacht jederzeit einseitig wieder entzogen werden kann, ohne dass die gegenseitigen Rechte und Pflich704  Baumbach/Hopt, § 52 Rn. 5; Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 8; Großkommentar HGB/Joost, § 52 Rn. 28; Jung, Handelsrecht, § 25 Rn. 18; Münchener Kommentar HGB/Krebs, § 52 Rn. 37; Petersen, Jura 2012, S. 196, 197; Schlegelberger/Hildebrandt, § 53 Rn. 8; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 78. 705  Ehrenberg/Titze, Handbuch, § 141, S. 932 und § 142, S. 933 f.; nicht ganz eindeutig äußert sich Wieland, Handelsrecht, § 31, S. 362 f.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

ten aus einem gegebenenfalls zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis hiervon betroffen sind. Während der Beratungen wurde außerdem ausdrücklich die Vorstellung geäußert, die Prokura solle nicht nur ihrem Umfang nach gesetzlich fixiert, sondern auch von Bedingungen und Zeitbestimmungen ausgenommen werden706. Die Prokura sollte mithin auch nicht „für die Dauer des Grundverhältnisses“ erteilt werden können, denn darin läge gerade eine Zeitbestimmung oder eine auflösende Bedingung. Die Materialien zum HGB wiederum lassen es als sehr fraglich erscheinen, ob in diesem Punkt eine Änderung gegenüber der Regelung des ADHGB angestrebt war. In zwei Begründungen zu dem Gesetzesentwurf in jeweils unterschiedlichen Stadien wird eingangs vielmehr betont, dass der Entwurf die Regelungen des ADHGB über die Prokura im Wesentlichen beibehalte707. In ebendiesen Begründungen finden sich weitere Hinweise darauf, dass die Prokura dem Regime des § 168 S. 1 BGB nicht unterworfen werden sollte: Zum einen wird eine Parteiabrede über das Erlöschen der Prokura im Fall des Todes des Geschäftsherrn „mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 44 des Entwurfs“, wonach der Umfang der Prokura im Außenverhältnis nicht eingeschränkt werden kann, Dritten gegenüber für wirkungslos erklärt708. Die im Verhältnis zu Dritten geltende Unbeschränkbarkeit der Prokura ihrem Umfang nach wird hier auf das Erlöschen übertragen. Zum anderen stellte man in Bezug auf die Handlungsvollmacht – nicht hinsichtlich der Prokura – ausdrücklich fest, dass die allgemeine Bestimmung des § 168 BGB zur Anwendung gelange709. Freilich bezieht sich diese Aussage auf die Möglichkeit, den Widerruf der Vollmacht auszuschließen, während § 52 Abs. 1 HGB die Widerruflichkeit der Prokura zwingend anordnet. Dennoch gibt es zu denken, dass an dieser Stelle der Begründung, die ja gerade das Verhältnis der Regelungen des HGB hinsichtlich des Erlöschens von Prokura und Handlungsvollmacht zu § 168 BGB thematisiert, mit keinem Wort darauf eingegangen wird, dass im Übrigen § 168 BGB auch auf die Prokura Anwendung finden soll. Nichtsdestotrotz wird in der neueren Literatur die Prokura soweit ersichtlich durchweg der Regelung des § 168 S. 1 BGB unterworfen, ohne dass dies auch nur im Ansatz für problematisch gehalten wird710. Dies entspricht 706  Lutz,

Protokolle, 1. Teil (1858), S. 74. zum RJA-E I, S. 44 in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II 1, S. 44 und Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (RTVorl.), S. 49 in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II 2, S. 989. 708  Denkschrift zum RJA-E I, S. 49 in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II 1, S. 49. 709  Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (RTVorl.), S. 52 in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II 2, S. 992. 710  Siehe die Nachweise in Fn. 704. 707  Denkschrift



A. Die Prokura235

einer im Bereich der handelsrechtlichen Stellvertretung verbreiteten Tendenz, die besondere Betonung des Verkehrsschutzes von ADHGB und HGB zu Gunsten von mehr Einzelfallgerechtigkeit einzufangen711. Sie verkennt jedoch die besondere Bedeutung der Prokura als Ausnahme-Vollmacht auf dem Gebiet des Handelsrechts, die dem Ziel geschuldet ist, den Handelsverkehr mit Stellvertretern so leicht und sicher wie möglich zu gestalten. Diesem Ziel dienen zwei nebeneinander angelegte Verkehrsschutzinstrumente: der Registerschutz und die Abstraktheit. Leidet die Erteilung der Prokura selbst an einem Mangel oder erlischt die Prokura, kann sich der gutgläubige Dritte gegenüber dem Kaufmann-Geschäftsherrn nach § 15 Abs. 3 HGB auf Eintragung und Bekanntmachung der Erteilung (positive Publizität) oder nach § 15 Abs. 1 HGB auf die fehlende Eintragung und Bekanntmachung des Erlöschens (negative Publizität) berufen. Darüber hinaus muss sich der Dritte nicht mit dem Innenverhältnis zwischen Kaufmann-Geschäftsherr und Prokuristen auseinandersetzen; etwaige Mängel in diesem Verhältnis wirken sich auf die Vertretungsmacht des Prokuristen gegenüber dem Dritten nicht aus. Nachforschungen des Dritten hinsichtlich des Innenverhältnisses zwischen Kaufmann-Geschäftsherr und Prokuristen werden dadurch von vornherein vermieden. Diesen das Innenverhältnis betreffenden Schutz genießt der Dritte grundsätzlich unabhängig von der eigenen Schutzwürdigkeit im konkreten Fall; auf die Gutgläubigkeit des Dritten kommt es nicht an. Das folgt hinsichtlich des Umfangs der Prokura eindeutig aus § 50 Abs. 1 HGB, der anders als § 15 HGB keine Einschränkung für den Fall der Bösgläubigkeit des Dritten macht; muss aber, um einen lückenlosen Schutz zu gewährleisten, auch im Hinblick auf das Erlöschen des Innenverhältnisses gelten. Mit der Loslösung des Verkehrsschutzes von einer konkreten Schutzbedürftigkeit geht auch einher, dass dieser unabhängig von einer Außenerklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn über die Prokura gewährleistet wird. Selbst wenn also der Dritte rein zufällig von der Prokura erfahren haben sollte oder auch keine Kenntnis davon hatte, in welcher Form Vertretungsmacht erteilt wurde, kann sich der Kaufmann-Geschäftsherr ihm gegenüber nicht darauf berufen, sein Prokurist habe bei Abschluss des Vertretergeschäfts weisungswidrig gehandelt. Ist dieser Einwand zugunsten des Dritten ausgeschlossen, muss dies auch für das Erlöschen des Innenverhältnisses gelten. Denn aus Sicht des Dritten macht es keinen Unterschied, ob der Kaufmann-Geschäftsherr sich auf einschränkende Weisungen oder auf die Kündigung des Dienstverhältnisses beruft. Das wird umso deutlicher, stellt man sich die Einschränkung der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis als Änderungskündigung vor. 711  Siehe hierzu in Zusammenhang mit der dogmatischen Erfassung von § 54 HGB: Krebs, ZHR 159 (1995), S. 635, 640.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

Der durch diese Konzeption der Prokura hergestellte Verkehrsschutz ist mithin „abstrakter Verkehrsschutz“712 – also von der konkreten Schutzbedürftigkeit des Dritten unabhängig – und zudem heteronomer Verkehrsschutz, da er gesetzlich angeordnet wird und nicht einer autonomen Entscheidung des Kaufmann-Geschäftsherrn entspringt. Beides, die Abkoppelung von einer konkreten Schutzwürdigkeit sowie die Heteronomität des Verkehrsschutzes, werden durch das Bedürfnis nach einer besonderen Leichtigkeit und Schnelligkeit des Handelsverkehrs gegenüber dem bürgerlichen Rechtsverkehr veranlasst. Die Prokura folgt damit einer eigenen Konzeption, die sie grundlegend von der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht unterscheidet713. Sie ist aber auch im Handelsrecht nur vor dem Hintergrund zu rechtfertigen, dass der Kaufmann-Geschäftsherr, der den starken Verkehrsschutz der Prokura nicht tragen will, jederzeit die Möglichkeit hat, seinen Gehilfen Handlungsvollmacht nach § 54 HGB in beliebigem Umfang zu erteilen. Wählt der Kaufmann-Geschäftsherr hingegen die Form der Prokura, um seinem Geschäftspartner die damit verbundene erhöhte Sicherheit zu gewährleisten, muss er sich dem damit verbundenen erhöhten Verkehrsschutz aussetzten. Dieser ist zwar ein Gutteil heteronom begründet; ob er in Kraft gesetzt wird, liegt damit aber in der Hand des Kaufmann-Geschäftsherrn.

III. Entstehung und Wirksamkeit Wie die einfache bürgerlich-rechtliche Vollmacht entsteht die Prokura gemäß § 167 Abs. 1 BGB durch eine eigene Willenserklärung des KaufmannGeschäftsherrn. Die Prokuraerteilung ist damit von dem Abschluss des Grundgeschäfts getrennt. Letzteres wird regelmäßig in einem Dienstverhältnis bestehen; möglich ist aber auch die Erteilung der Prokura an Personen, die auf andere Weise in den Betrieb des Kaufmanns eingegliedert sind714. Gemäß § 48 Abs. 1 BGB bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung; eine konkludente Erteilung der Prokura ist mithin ausgeschlossen715. Streitig ist, ob die Prokura gemäß § 167 Abs. 1 Var. 2 BGB auch als „Außenprokura“ durch Erklärung gegenüber dem Dritten erteilt werden kann. Bedenken bestehen insofern, als die Prokura ihrer Konzeption nach nicht auf einzelne Geschäfte und damit auch nicht auf die Vertretung gegenüber einem einzelnen Dritten beschränkt 712  Die Formulierung geht zurück auf K. Schmidt, der freilich in anderem Zusammenhang von „abstraktem Vertrauensschutz“ spricht, vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, § 14 Rn. 35. 713  Ähnlich Wieland, Handelsrecht, § 31, S. 358 Fn. 9. 714  Großkommentar HGB/Joost, § 48 Rn. 137. 715  Großkommentar HGB/Joost, § 48 Rn. 57; Jung, Handelsrecht, § 25 Rn. 5; Münchener Kommentar HGB/Krebs, § 48 Rn. 46; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 25.



A. Die Prokura237

werden kann716. Die überwiegende Meinung geht dennoch davon aus, dass es eine „Außenprokura“ gibt717; allerdings soll sie nach teilweise vertretener Ansicht auch in diesem Fall als gegenüber allen erteilt gelten718. Die Figur der Außenvollmacht wird damit erkennbar überstrapaziert. Es kann schlichtweg nicht überzeugen, dass aufgrund einer Äußerung des Kaufmann-Geschäftsherrn gegenüber einem bestimmten Geschäftspartner über die Prokura eines Mitarbeiters, Letzterer allein aufgrund dieser Äußerung im Geschäftsverkehr gegenüber jedermann als Prokurist handeln können soll. Die Diskussion ist allerdings – jedenfalls soweit ersichtlich – bislang rein theoretischer Art. Das deutet bereits darauf hin, dass die Prokura in der Praxis gegenüber dem Prokuristen als Innenvollmacht erklärt wird719. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein Kaufmann-Geschäftsherr nicht auch gegenüber einem Dritten über die Erteilung von Prokura äußern kann und dass dieser Erklärung nicht auch rechtliche Verbindlichkeit zukommen können soll. Die Schwierigkeiten der Erfassung der „Außenprokura“ lösen sich jedoch auf, wenn man erkennt, dass eine solche Erklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn keine Prokuraerteilung, wohl aber das Versprechen gegenüber dem Dritten enthält, die Handlungen des Benannten wie die eines Prokuristen gelten lassen zu wollen720. Es handelt sich damit um eine Außenerklärung über die Prokura im Sinne der §§ 170 ff. BGB. Der Kaufmann-Geschäftsherr kann sich dann gegenüber dem Dritten, an den die Erklärung gerichtet war oder der im Fall der öffentlichen Bekanntmachung hiervon Kenntnis erlangt hat, nicht darauf berufen, tatsächlich keine Prokura erteilt zu haben, es sei denn, der Dritte wusste oder hätte wissen müssen, dass die Prokura nie zur Entstehung erlangt ist, § 173 BGB. Im Fall der Eintragung in das Handelsregister und der Bekanntmachung findet § 15 HGB als lex specialis freilich vorrangig Anwendung; gemäß § 15 Abs. 3 HGB kann sich der Dritte gegenüber dem Kaufmann-Geschäftsherrn auf das Bestehen der eingetragenen und 716  Gegen eine „Außenprokura“ sprechen sich daher aus: Gierke/Sandrock, Grundlagen, § 22 III 3, S. 352; Honsell, JA 1984, S. 17, 18; Oetker/Schubert, § 48 Rn. 32; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 48 Rn. 16; Ehrenberg/Titze, Handbuch, § 141, S. 930. 717  Baumbach/Hopt, § 48 Rn. 3; Brox/Henssler, Handelsrecht, § 10 Rn. 195; Canaris, Handelsrecht, § 12 Rn. 5; Drexel/Mentzel, Jura 2002, S. 289, 290; Großkommentar HGB/Joost, § 48 Rn. 55; Münchener Kommentar/Krebs, § 48 Rn. 45; Oetker, Handelsrecht, § 5 Rn. 18; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber, § 48 Rn. 23. 718  Großkommentar HGB/Joost, § 48 Rn. 55; Münchener Kommentar/Krebs, § 48 Rn. 45; Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, § 48 Rn. 8. 719  Für eine gewöhnliche Erteilung als Innenvollmacht auch Großkommentar HGB/Joost, § 48 Rn. 55. 720  So bereits Ehrenberg/Titze, Handbuch, § 141, S. 930, wohl aber unter der Annahme, dass dennoch eine Bevollmächtigung, wenn auch keine Prokuraerteilung, durch Außenerklärung möglich ist.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

bekannt gemachten Prokura berufen, es sei denn, dass er positiv wusste, dass tatsächlich keine Prokura erteilt wurde und die Bekanntmachung mithin unrichtig war721. Dem Dritten schadet aufgrund der Registerpublizität also abweichend von der allgemeinen Regel des § 173 BGB nur positive Kenntnis. Zudem wird die Kenntnis des Dritten von der Bekanntmachung unwiderleglich vermutet722; der Dritte kann sich also auch dann auf die angeblich bestehende Prokura berufen, wenn er vor Abschluss des Vertretergeschäfts keinen Einblick in das Register genommen hat. Der Dritte ist mithin im Fall einer Außenerklärung über die Prokura, sei es in der „klassischen“ Form der §§ 170–172 BGB, sei es in Gestalt von Registereintrag und Bekanntmachung, vor dem Einwand des Kaufmann-Geschäftsherrn geschützt, es habe zum Zeitpunkt des Vertretergeschäfts tatsächlich keine Prokura bestanden723. Dieser Schutz wird verstärkt, wenn man die Prokura auch in ihrer Entstehung und ihrer Wirksamkeit als abstrakt von dem Grundverhältnis konzipiert. Der Dritte ist in diesem Fall auch unabhängig von einem Registereintrag oder einer sonstigen Außenerklärung über die Prokura davor geschützt, dass sich der Kaufmann-Geschäftsherr auf Mängel beruft, die allein das Innenverhältnis zwischen ihm und seinem Prokuristen betreffen. Die Abstraktheit der Prokura von dem Dienstverhältnis in Entstehung und Wirksamkeit schützt den Dritten allerdings nicht vollständig vor Unsicherheiten hinsichtlich der Vertretungsmacht des angeblichen Prokuristen. Immerhin muss er, wenn ihm allein die Behauptung des angeblichen Prokuristen vorliegt, dass er Prokura habe, immer damit rechnen, dass dies nicht den Tatsachen entspricht und nie Prokura erteilt oder aber diese inzwischen widerrufen wurde. Er muss sich jedoch nicht um das zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem Kaufmann-Geschäftsherrn und dessen Prokuristen kümmern. Besteht zwischen diesen beiden Streit über die Mangelhaftigkeit des Grundverhältnisses, kann hiervon unabhängig das Bestehen der Prokura festgestellt und das Vertretergeschäft abgewickelt werden. Für die Abstraktheit der Prokura in Entstehung und Wirksamkeit spricht darüber 721  Richtigerweise kommt es dabei nicht auf die Abweichung der Bekanntmachung von der Eintragung, sondern auf die Abweichung von der tatsächlichen Rechtslage an; siehe hierzu Großkommentar HGB/Koch, ADHGB, § 15 Rn. 102 f. Vor der Einführung von § 15 Abs. 3 HGB im Jahr 1969 galt der im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Grundsatz, dass sich derjenige, der eine unrichtige Eintragung und Bekanntmachung veranlasst, gegenüber einem Dritten daran festhalten lassen muss, Großkommentar HGB/Koch, ADHGB, § 15 Rn. 99. 722  Großkommentar HGB/Koch, ADHGB, § 15 Rn. 144 und 60. 723  Das gilt jedoch nur solange das Erlöschen der Prokura nicht in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht wurde; dann muss der Dritte das Erlöschen gegen sich gelten lassen, § 15 Abs. 2 HGB. Der Kaufmann-Geschäftsherr muss also nicht jede Außenerklärung einzeln widerrufen, sondern kann das mittels des Handelsregisters insgesamt bewerkstelligen.



A. Die Prokura239

hinaus die systematische Kohärenz, die damit einhergeht, wenn die Prokura insgesamt, also nicht nur hinsichtlich ihres Umfangs, als von dem Grundgeschäft abstrakt konzipiert wird. Dieses Argument entfaltet insbesondere dann Durchschlagskraft, wenn man wie hier erkennt, dass die Prokura ursprünglich auch im Fortbestand als von dem Grundverhältnis losgelöst gedacht wurde und damit § 168 S. 1 BGB nicht anwendbar ist. Beide Fälle – Entstehung und Fortbestand – sind parallel zu behandeln. Bleibt die Prokura im Fall der Anfechtung des Dienstverhältnisses des Prokuristen bestehen, da § 168 S. 1 BGB nicht anwendbar ist724, muss dies auch dann gelten, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das Grundverhältnis an einem unmittelbar zur Nichtigkeit führenden Mangel leidet. Anders als im Bürgerlichen Recht gilt hier also der umgekehrte Schluss: Ist die Prokura im Erlöschen von dem Grundverhältnis unabhängig, muss dies auch für Entstehung und Wirksamkeit gelten. Die Prokura ist damit in der Tat von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen dem Kaufmann-Geschäftsherrn und dem Prokuristen abstrakt. Die Abstraktheit betrifft kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in erster Linie den Umfang der Vertretungsmacht. Die besseren Argumente, insbesondere die Kohärenz, sprechen jedoch dafür, die Prokura insgesamt streng unabhängig von dem Grundverhältnis zu konzipieren. Daraus folgt wiederum, dass § 168 S. 1 BGB auf die Prokura nicht anzuwenden ist. Mit der Abstraktheit der Prokura unvereinbar ist zudem die Anwendung von § 139 BGB auf die Erteilung der Prokura bei Nichtigkeit des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses. Als abstrakte Vollmacht nimmt die Prokura gegenüber der einfachen bürgerlich-rechtlichen Vollmacht eine Ausnahmestellung ein725, die bestimmt ist, der Sicherheit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs zu dienen. Angesichts der weitreichenden Folgen einer Prokura ordnet das Gesetz in § 48 Abs. 1 HGB deren ausdrückliche Erteilung an. Der Kaufmann-Geschäftsherr kann die einmal erteilte Prokura jederzeit widerrufen oder aber von der Erteilung einer Prokura ganz absehen; eine Vertretung kann auch mittels einer Handlungsvollmacht ermöglicht werden. 724  Anders die herrschende Meinung, die im Fall der Anfechtung des Dienstverhältnisses des Prokuristen die Prokura in Anwendung von § 168 S. 1 BGB für beendet erklärt: Gierke/Sandrock, Grundlagen, § 22 VI 1 b; Großkommentar HGB/Joost, § 52 Rn. 28; Münchener Kommentar HGB/Krebs, § 52 Rn. 37; Oetker, Handelsrecht, § 5 Rn. 20; Petersen, Jura 2012, S. 196, 197; Schlegelberger/Hildebrandt; § 53 Rn. 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, §  52 Rn.  35; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Weber, § 52 Rn. 15. 725  A. A. Frotz, Verkehrsschutz, S. 344, nach dem die handelsrechtlichen Vollmachten nicht in stärkerem Maße gegenüber dem Grundverhältnis verselbstständigt sind, als die allgemeinen Vollmachten.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

B. Die Handlungsvollmacht Gemäß § 54 Abs. 1 HGB bezeichnet der Begriff „Handlungsvollmacht“ eine Vollmacht, die ohne Prokura zu sein dazu ermächtigt, ein Handelsgewerbe zu führen oder innerhalb des Handelsgewerbes bestimmte Geschäfte vorzunehmen. Die Handlungsvollmacht ist damit notwendig auf ein Handelsgeschäft bezogen. Das Besondere an der Handlungsvollmacht im Vergleich zu der einfachen bürgerlich-rechtlichen Vollmacht ist die dispositive gesetzliche Regelung hinsichtlich des Umfangs der Vertretungsmacht gemäß § 54 Abs. 1 HGB726. Danach erstreckt sich die Handlungsvollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Die Regelung wird komplementiert durch Absatz 3, nach dem der Dritte Einschränkungen des Umfangs nur dann gegen sich gelten lassen muss, wenn er sie kannte oder kennen musste. Wie §§ 49, 50 HGB für die Prokura bezieht sich die Sonderregelung für die Handlungsvollmacht explizit also nur auf den Umfang der Vertretungsmacht. Die gesetzliche Regelung des § 54 Abs. 1 HGB betrifft dagegen nicht die Erteilung der Vollmacht. Ebenfalls nicht erfasst ist die Frage, ob eine General-, Art- oder Spezialhandlungsvollmacht erteilt wurde727. Mit der Gutglaubensschutzregelung in § 54 Abs. 3 HGB besteht eine nicht zu übersehende Parallele zu § 173 BGB. Allerdings scheint der Schutz des gutgläubigen Dritten in § 54 Abs. 3 HGB von einer Außenerklärung des vertretenen Kaufmann-Geschäftsherrn unabhängig zu bestehen. Damit würde § 54 HGB einen überschießenden, weil von der konkreten Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit des Dritten unabhängigen Drittschutz gewährleisten. Zwar ist auch bei der Prokura der mittels der Abstraktheit hergestellte Verkehrsschutz in diesem Sinne ein überschießender. Allerdings ist er durch die Sonderstellung der Prokura als Vollmacht mit gesetzlich umschriebenen und im Außenverhältnis nicht zu begrenzenden Umfang, für deren Erteilung der Kaufmann-Geschäftsherr sich frei entscheiden kann, gerechtfertigt. Die Prokura wurde zudem als Ausnahmeregelung innerhalb des Stellvertretungsrechts identifiziert. Lässt sich damit die Argumentation zur Prokura nicht ohne weiteres auf die Handlungsvollmacht übertragen, stellt sich die Frage, welche Bedeutung § 54 HGB im System der 726  Brox/Henssler, Handelsrecht, § 11 Rn. 213; Münchener Kommentar HGB/ Krebs, § 54 Rn. 4 f. Nach a. A. enthält § 54 Abs. 1 BGB eine widerlegbare Vermutung, so Baumbach/Hopt, § 54 Rn. 9; Bork, JA 1990, S. 249, 251 f.; Canaris, Handelsrecht, § 13 Rn. 2, 11; Großkommentar HGB/Joost, § 54 Rn. 32; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 112; Oetker/Schubert, § 54 Rn. 2, 16; Heymann/Sonnenschein/ Weitemeyer, § 54 Rn. 3. 727  Oetker, Handelsrecht, § 5 Rn. 50, 51; Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, § 54 Rn. 8; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 102.



B. Die Handlungsvollmacht 241

handelsrechtlichen Stellvertretung zukommt und worin der in § 54 HGB angelegte Verkehrsschutz begründet ist.

I. Zur Genese von § 54 HGB § 54 Abs. 1 HGB ist aus Artikel 47 ADHGB hervorgegangen. Die Definition der Handlungsvollmacht und die gesetzliche Beschreibung des Umfangs sind bis auf kleinere sprachliche Anpassungen identisch geblieben. Die Materialien zum ADHGB sind hinsichtlich der Handlungsvollmacht indes nicht sehr aufschlussreich. Die Handlungsvollmacht wird klar von der Prokura abgegrenzt; im Übrigen aber kaum kontrovers diskutiert728. Anhand der Beratungsprotokolle wird immerhin deutlich, dass Handlungsbevollmächtigte im Gegensatz zu Handlungsagenten als Gehilfen innerhalb eines Dienstverhältnisses zu dem Prinzipal aufgefasst wurden729; Handlungsbevollmächtigte sind danach mit Vertretungsmacht ausgestattete Hilfspersonen innerhalb des Betriebs des Kaufmann-Geschäftsherrn. Während der Vorarbeiten zum HGB wurde die Vorschrift über die Handlungsvollmacht um den heutigen dritten Absatz ergänzt, wonach der Dritte sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht nur dann gegen sich gelten lassen muss, wenn er sie kannte oder kennen musste. Begründet wird diese Ergänzung damit, dass bereits Artikel 47 ADHGB in der Ausprägung, die ihm durch Rechtsprechung und Wissenschaft zuteil geworden sei, eine gesetzliche Vermutung des Umfangs der Handlungsvollmacht enthalte730. „Insbesondere (dürfe) jeder Dritte bei der Prüfung des Umfangs der Vollmacht von dem „Gewöhnlichen“ ausgehen und (brauche) besondere Beschränkungen nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste.“731 Dieser Gedanke werde durch den neuen Absatz 3 verdeutlicht. Man ging also davon aus, inhaltlich die Vorschrift nicht wesentlich zu verändern, sondern ihren Charakter nur deutlicher hervorzuheben. Demnach hatte man sich schon zuvor bei der Auslegung von Artikel 74 ADHGB darauf geeinigt, dass die gesetzliche Umfangsbeschreibung anders als bei der Prokura nicht zwingend zu verstehen ist. Einschränkungen im Innenverhältnis zwischen dem Kaufmann-Geschäftsherrn und seinem Stellvertreter sind danach möglich. Die Bedeutung der gesetzlichen Umfangbeschreibung wurde Lutz, Protokolle, I. Teil (1858), S. 88. Protokolle, I. Teil (1858), S. 88. 730  Denkschrift zum RJA-E I, S. 45 in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II 1, S. 45 und Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (RTVorl.), S. 50 in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II 2, S. 990. 731  Denkschrift zum RJA-E I, S. 45 in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen II 1, S. 45. 728  Vgl.

729  Lutz,

242

Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

aber darin erkannt, dass sich der Kaufmann-Geschäftsherr dem Dritten gegenüber nur dann auf die im Innenverhältnis bestehenden Einschränkungen berufen darf, wenn sie dem Dritten bekannt waren oder bekannt sein mussten. Dem Kaufmann-Geschäftsherrn wird damit die Möglichkeit eröffnet, Beschränkungen bekannt zu geben, z. B. durch einen Aushang; unterlässt er eine solche Maßnahme, muss er sich an allen Geschäften festhalten lassen, die der Handlungsbevollmächtigte in seinem Namen mit Dritten schließt und die noch im Rahmen des „Gewöhnlichen“ liegen. Im Zentrum der Vorschrift steht der Begriff des „Gewöhnlichen“. Was gewöhnlich, also üblich ist, richtet sich wiederum nach der Verkehrserwartung. Diese muss jedoch an etwas anknüpfen, es gibt keine Verkehrserwartung im luftleeren Raum. So kann der Verkehr nicht erwarten, dass jeder in einem Handelsgewerbe tätige Gehilfe den Inhaber vertreten darf. Das „Gewöhnliche“ muss sich also auf etwas beziehen. Nach § 54 HGB ist Bezugspunkt das konkrete Handelsgewerbe oder die konkrete Art von Geschäften, für welches oder für welche Handlungsvollmacht erteilt wurde. Damit der Verkehr überhaupt eine entsprechende Erwartung bilden kann, muss jedoch nach außen deutlich geworden sein, auf welches Handelsgewerbe und auf welche Art von Geschäften sich die Handlungsvollmacht bezieht. Die Vermutung des § 54 Abs. 1 HGB betreffend den Umfang der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten setzt mithin einen nach außen getretenen Anhaltspunkt voraus. Hierfür spricht auch der Vergleich mit weitaus älteren Regelungen in diesem Bereich. Die auf den Umfang der Vertretungsmacht begrenzten Regelungen zum Schutz des gutgläubigen Dritten in § 54 HGB und Art. 74 ADHGB weisen deutliche inhaltliche Parallelen auf zu den Vorschriften über die „geheime Instruktion“ nach § 93 I 13 ALR und über die „geheime Vollmacht“ in § 1017 ABGB732. Ihnen allen liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Dritter interne Einschränkungen des Umfangs der Vertretungsmacht nicht gegen sich gelten lassen muss. Jedenfalls § 93 I 13 ALR setzt jedoch voraus, dass dem Dritten bei Abschluss des Vertretergeschäfts eine Vollmachtsurkunde vorliegt, aus der sich die Bevollmächtigung, nicht aber die interne Einschränkung ergibt. So ordnet ALR § 93 I 13 an: „Ist eine besondere Instruktion in der Vollmacht nicht erwähnt; oder deren Vorzeigung verboten so ist die Sache zwischen dem Machtgeber und dem Dritten bloß nach dem Inhalte der Vollmacht zu beurtheilen.“

Der Begriff der Vollmacht meint hier jedoch die zugehörige Vollmachtsurkunde733. Der Schutz des gutgläubigen Dritten basiert danach also auf einem Kundgabeakt seitens des Kaufmann-Geschäftsherrn über die Bevollmächtigung in einem bestimmten Umfang. Art. 47 ADHGB und § 54 HGB beziehen 732  Siehe 733  Siehe

hierzu bereits oben in Kapitel 1 unter A. I. 1. hierzu bereits oben in Fußnote 84.



B. Die Handlungsvollmacht 243

sich dagegen jedenfalls nicht ausdrücklich auf einen entsprechenden Kundgabeakt. Angesichts der historischen Vorgängerregelungen, die einen solchen Kundgabeakt ebenfalls nicht ausdrücklich anordneten, ihn aber als selbstverständlich voraussetzten, scheint jedoch auch im Hinblick auf § 54 HGB ein genauerer Blick in dieser Hinsicht lohnenswert.

II. § 54 HGB im System der handelsrechtlichen Vollmachten Gemäß § 54 Abs. 1 HGB meint der Begriff der Handlungsvollmacht die Vollmacht eines im Betrieb eines Handelsgewerbes Tätigen mit Bezug auf dieses Handelsgeschäft, die jedoch keine Prokura ist. § 54 HGB wird zudem ergänzt durch § 56 HGB, der die Vollmacht des Ladenangestellten als Sonderform der Handlungsvollmacht regelt734. Die Prokura wiederum nimmt im Stellvertretungsrecht eine herausgehobene Ausnahmestellung ein. Sie wurde konzipiert, um die dauerhafte Vertretung des Prinzipals zu ermöglichen. Im Fokus stand hierbei die Sicherheit des Handelsverkehrs. Die Prokura wurde aber ganz bewusst anders als andere Vollmachten gestaltet; was für die Prokura gilt, kann daher nicht ohne weiteres auf die Handlungsvollmacht übertragen werden. Die Handlungsvollmacht ist darüber hinaus aber auch die weitaus häufiger vorkommende Vollmachtsform im Handelsverkehr. Während die Prokura nur ausgewählten Mitarbeitern in leitender Funktion verliehen wird, haben andere Mitarbeiter, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben typischerweise Rechtsgeschäfte mit Dritten schließen dürfen, keine Prokura, aber Vollmacht in einem auf ihre Aufgabe begrenzten Umfang und damit nach der Definition des § 54 Abs. 1 HGB Handlungsvollmacht. Die Handlungsvollmacht ist also der „Normalfall“ der Bevollmächtigung im Handelsverkehr. Auf sie kommen die allgemeinen Grundsätze über die Stellvertretung zur Anwendung, soweit § 54 HGB nichts Abweichendes regelt. Besonders auffällig ist die Parallele zwischen § 54 Abs. 3 HGB und § 173 BGB735. Beide Vorschriften dienen dem Schutz des Dritten, der auf das Bestehen der Vertretungsmacht in einem bestimmten Umfang gutgläubig vertraut hat. Nach § 173 BGB setzt die Schutzwürdigkeit des Dritten jedoch einen nach außen getretenen Erklärungsakt des Geschäftsherrn über die Vollmacht voraus. In systematischer Hinsicht liegt angesichts dieses Befundes der Gedanke nahe, dass § 54 HGB abweichend von der Regelung des § 173 BGB einen Ausnah734  A. A. Großkommentar HGB/Joost, § 56 Rn. 26/27, wonach zwar die dem Angestellten tatsächlich erteilte Vollmacht Handlungsvollmacht ist, § 56 HGB aber den Tatbestand einer Rechtsscheinvollmacht regelt. 735  Frotz, Verkehrsschutz, S. 345, spricht diesbezüglich von einer Angleichung der handelsrechtlichen Innenvollmacht an die Außenvollmacht und kundgegebene Innenvollmacht des bürgerlichen Rechts. Damit verkennt Frotz jedoch die Bedeutung der Anstellung für die Handlungsvollmacht. Siehe hierzu sogleich im Text.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

metatbestand für das Handelsrecht statuiert und den Dritten gerade unabhängig von einem solchen Kundgabeakt schützt. Der Vergleich mit den historischen Vorgängernormen des § 54 HGB sowie die Erkenntnis, dass die von § 54 HGB vorausgesetzte Verkehrserwartung eines Anknüpfungspunktes bedarf, sprechen gegen diese Annahme. Soll jedoch auch der in § 54 HGB gewährte Drittschutz auf einem Kundgabeakt des Kaufmann-Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten beruhen, stellt sich zum einen die Frage, ob ein solcher nach außen gerichteter Erklärungsakt mit der Erteilung von Handlungsvollmacht typischerweise einhergeht. Kann ein solcher Kundgabeakt identifiziert werden, liegt zum anderen die Überlegung auf der Hand, worin dann der Mehrwert des § 54 HGB gegenüber den §§ 170 ff. BGB liegt. Für eine erste Annäherung an die Antwort auf diese beiden Fragen soll anhand der Rechtsprechung zu § 54 HGB zunächst untersucht werden, in welchen Fällen in der Praxis Handlungsvollmacht erteilt wird und was diese Fälle ausmacht.

III. Die Handlungsvollmacht in der Rechtsprechung Obwohl die Handlungsvollmacht in der Praxis überaus häufig vorkommt, spielt sie in der Rechtsprechung eine eher untergeordnete Rolle; § 54 HGB gibt in der Praxis offensichtlich nur selten Anlass zu Rechtsstreitigkeiten. Anhand der Zusammenstellung und Analyse der wenigen Urteile des Reichsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte, in denen die Handlungsvollmacht eine zentrale Rolle spielt, treten drei Aspekte hervor, die für die dogmatische Erfassung der Handlungsvollmacht von Bedeutung sind. 1. Die schlüssige Bevollmächtigung Auffällig ist, dass in einer Vielzahl von Entscheidungen zu § 54 HGB von einer konkludenten Erteilung der Handlungsvollmacht ausgegangen wird736. In Frage steht jeweils die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts eines Angestellten oder einer sonstigen Hilfsperson im Betrieb eines Kaufmanns. Die Gerichte erkennen übereinstimmend, dass dem Einsatz in einer bestimmten Funktion innerhalb des Betriebs „jedenfalls konkludent die Erteilung einer Handlungsvollmacht“737 zu entnehmen sei. Die betreffenden Hilfspersonen 736  RGZ 86, 86, 89; 100, 48, 49 f.; 102, 295; 118, 234, 240; BGH, NJW 1982, 1389, 1390; NJW-RR 2002, 967, 968; NJW-RR 2009, 1043, 1044; OLG Braunschweig, Urteil vom 20. August 2001 – 7 U 13/01 – juris; OLG Brandenburg, Urteil vom 30. September 2008 – 6 U 136/07 – juris. 737  OLG Braunschweig, Urteil vom 20. August 2001 – 7 U 13/01 – juris, für den Einsatz als faktischer Geschäftsführer.



B. Die Handlungsvollmacht 245

bekleiden dabei ganz unterschiedliche Positionen von der faktischen Geschäftsführung738 und der Filialleitung739 über die Leitung einer Tankstelle740 bis hin zu der Annahme von Reparaturen741 und dem Verkauf742. In der Übertragung einer solchen Funktion, die typischerweise mit dem Abschluss von Rechtsgeschäften für den Betrieb einhergeht, ist nach der Rechtsprechung regelmäßig auch die konkludente Erteilung von Handlungsvollmacht zu sehen. Ob es sich nach Auffassung der Gerichte um eine Innen- oder eine Außenvollmacht handelt, ist dabei nicht immer klar erkennbar743. Richtigerweise erteilt der Kaufmann-Geschäftsherr, der einen anderen in seinem Betrieb in einer solchen Funktion einsetzt, damit jedenfalls konkludent eine entsprechende Innenvollmacht. Wird jemand als Verkäufer angestellt, so darf der Betreffende die Erklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn nach §§ 133, 157 BGB so verstehen, dass ihm damit auch eine entsprechende Vollmacht erteilt wird, selbst wenn die Parteien diesen Punkt im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich regeln. Indem der Kaufmann-Geschäftsherr seinen Angestellten auch nach außen erkennbar in dieser Funktion einsetzt, zum Beispiel indem er im Ladenlokal einen Aushang mit Namen und Funktionsbezeichnungen aller Angestellten samt Lichtbildern anbringt, gibt Ersterer auch nach außen kund, dass Letzterer ihn im Rahmen seiner Aufgaben vertreten darf. Es handelt sich hierbei unproblematisch um eine Außenerklärung in der in dieser Arbeit entwickelten Bedeutung des Begriffs, auf die §§ 170 ff. BGB zur Anwendung gelangen. Der Dritte, der aufgrund der nach außen tretenden Stellung der Hilfsperson davon ausgehen darf, dass diese mit Vertretungsmacht ausgestattet ist, wird in seinem guten Glauben an die Erteilung einer entsprechenden Vollmacht geschützt. Handlungsvollmacht wird mithin ausdrücklich oder konkludent jedenfalls mit der eigentlichen Einstellung in einen Handelsbetrieb im Sinne der Funktionsbetrauung erteilt. Durch den Einsatz einer Hilfsperson in einer Funktion, die typischerweise mit Vertretungsmacht einhergeht, erklärt der Kaufmann-Geschäftsherr außerdem konkludent nach außen, dass er dieser Person Handlungsvollmacht erteilt habe. Eine Außen­ erklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn über die Erteilung der Handlungsvollmacht liegt damit typischerweise vor. Der Kaufmann-Geschäftsherr übernimmt damit gegenüber Dritten das Risiko, dass im Innenverhältnis tatsächlich keine Vertretungsmacht besteht.

738  OLG

Braunschweig, Urteil vom 20. August 2001 – 7 U 13/01 – juris. NJW-RR 2009, 1043, 1044. 740  OLG Hamm, Urteil vom 22. Oktober 2010 – 19 U 85/10, I-19 U 85/10 – juris. 741  BGH, NJW 1982, 1389, 1390. 742  BGH, NJW 1975, 642, 643. 743  Ausdrücklich eine Außenvollmacht annehmend: OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 592. So wohl auch das RG in RGZ 86, 86, 89. 739  BGH,

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2. Die Stellung nach außen Die Annahme einer solchen konkludent abgegebenen Außenerklärung setzt jedoch voraus, dass der betreffenden Hilfsperson eine Funktion innerhalb des Handelsbetriebs zugewiesen ist, die mit einer Stellung nach außen einhergeht. Das ist jedoch bei Aufgaben, deren Übertragung mit einer Bevollmächtigung verbunden ist, ganz regelmäßig der Fall, denn die Erteilung von Vertretungsmacht ist notwendig auf den Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten, also nach außen, gerichtet. Der Schalterbeamte, der Filialleiter, der Einkäufer – sie alle haben eine nach außen gerichtete Stellung inne. Insbesondere in der älteren Rechtsprechung zur Handlungsvollmacht wird diese Stellung des Handlungsbevollmächtigten nach außen hervorgehoben. So formulierte das Reichsgericht bereits 1914: „Durch diese den Schalterbeamten von der Bank eingeräumte Stellung nach außen sind sie gemäß dem in § 54 HGB ausgedrückten Rechtsgedanken ermächtigt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die nach der Verkehrsauffassung der Schalterverkehr gewöhnlich mit sich bringt.“744 In einem weiteren Urteil von 1920 hebt das Reichsgericht hinsichtlich der Frage, ob eine kaufmännische Hilfsperson den Inhaber des Handelsgewerbes wirksam verpflichtet habe, ebenfalls die „Stellung, welche der Firmeninhaber seinen Angestellten nach außen eingeräumt hat“745 hervor. In der neueren Rechtsprechung wird der Aspekt der Anstellung mit Außenwirkung zwar nicht mehr in dieser Deutlichkeit adressiert; die Analyse der Rechtsprechung zu § 54 HGB zeigt aber, dass eine Handlungsvollmacht immer dann angenommen oder jedenfalls diskutiert wird, wenn eine kaufmännischen Hilfsperson in einer Funktion mit Außenwirkung tätig geworden ist746. Die Erteilung von Handlungsvollmacht ist also typischerweise mit einer nach außen gerichteten Stellung im Betrieb verbunden. Diese nach außen erkennbare Funktion einer Hilfsperson innerhalb des Handelsgewerbes ist aber auch der Anknüpfungspunkt für die Verkehrserwartung, nach der sich bestimmt, was das „Gewöhnliche“ im Sinne von § 54 Abs. 1 HGB ist. Aus der Vorschrift geht eindeutig hervor, dass der Umfang der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten angesichts des konkreten Handelsgewerbes oder der konkreten Art von Geschäften, auf die sich die Vollmacht bezieht, vermutet wird. In jedem Fall ist der Umfang der Vermutungswirkung gesondert festzustellen. Was „gewöhnlich“ und da744  RGZ

86, 86, 89 (Hervorhebung von Verfasserin). 100, 48, 50. 746  BGH, NJW 1975, 642, 643; BGH, NJW 1982, 1389, 1390; BGH, ZIP 1988, 1188, 1191; BGH, NJW-RR 2009, 1043, 1044; BGH, NStZ 2011, 280, 281; OLG Braunschweig, Urteil vom 20. August 2001 – 7 U 13/01 – juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30. September 2008 – 6 U 136/07 – juris; OLG Hamm, Urteil vom 22.Oktober 2010 – 19 U 85/10 – juris. 745  RGZ



B. Die Handlungsvollmacht 247

mit der Verkehrserwartung entspricht, richtet sich aber danach, in welcher Funktion der Bevollmächtigte nach außen auftritt. Der Verkehr wird bei einem Filialleiter in der Regel mehr Kompetenzen erwarten als bei einem einfachen Verkäufer; von einem Einkaufsleiter wird man erwarten, dass er zur Abnahme und gegebenenfalls Rüge der angelieferten Ware berechtigt ist, nicht aber zur Veräußerung der Ladeneinrichtung. Die Außenerklärung ist mithin verkörpert in der Anstellung im Sinne der Übertragung einer nach außen gerichteten Funktion im Betrieb des Handelsgewerbes. Die übertragene Funktion gibt zudem Auskunft darüber, welche Rechtsgeschäfte die Handlungsvollmacht üblicherweise umfasst. 3. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs Die Rechtsprechung zu § 54 HGB ist darüber hinaus erkennbar geprägt von dem Bemühen, den Handelsverkehr möglichst sicher und einfach zu gestalten. Dies schlägt sich auf zweierlei Arten nieder: Zum einen wird regelmäßig zugunsten des Dritten die jedenfalls konkludente Erteilung von Handlungsvollmacht angenommen. Besonders deutlich wird dies in der Entscheidung RGZ 100, 49, 50: „Die Frage, ob ein Kaufmann einem seiner Angestellten Vollmacht zur Vornahme von Rechtsgeschäften erteilt hat, (…) müssen nach dem in die äußere Erscheinung getretenen Verhalten des Kaufmanns beurteilt werden. Der kaufmännische Verkehr erfordert Rechtssicherheit und damit einfache, klare Verhältnisse.“ Zum anderen werden Nachforschungspflichten auf Seiten des Dritten hinsichtlich etwaiger Beschränkungen des Umfangs der Vertretungsmacht abgelehnt747. Die Leichtigkeit und Sicherheit des Handelsverkehrs beim Einsatz von Stellvertretern wird also in zweierlei Hinsicht gestärkt: erstens durch die großzügige Annahme der konkludenten Erteilung von Handlungsvollmacht, wobei es sich in der Mehrzahl der Fälle nach der hier vertretenen Konzeption vielmehr um eine konkludente Außenerklärung handeln dürfte. Zweitens wird der Einwand des vertretenen Kaufmann-Geschäftsherrn, tatsächlich habe sein Gehilfe jedenfalls in diesem Umfang keine Vertretungsmacht gehabt, nicht zugelassen. Daran fällt auf, dass die Regelung des § 54 Abs. 1, 3 HGB nur den Umfang der Vertretungsmacht betrifft. Die Annahme einer konkludenten Außenerklärung über die Erteilung von Handlungsvollmacht basiert mithin nicht auf § 54 HGB; sie folgt vielmehr bereits aus den allgemeinen Regeln. Dasselbe gilt aber auch für den Umfang. Hat der Kaufmann-Geschäftsherr mittels der Funktionsübertragung an seinen Gehilfen nach außen erklärt, dass er diesen mit der für diese Aufgabe erforderlichen Vertretungsmacht ausgestattet hat, darf ein 747  RGZ 100, 45, 49; BGH, NJW 1975, 642, 643; NJW-RR 2002, 967, 968; LAG Hamm (Westfalen), Urteil vom 12. Dezember 2006 – 9 Sa 555/06 – juris.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

Dritter bereits nach §§ 171, 173 BGB davon ausgehen, dass die Vertretungsmacht jedenfalls solche Geschäfte umfasst, die mit der entsprechenden Funktion im Betrieb eines solchen Handelsgewerbes gewöhnlich einhergehen. § 54 HGB wäre demnach entbehrlich. Es fragt sich mithin, welchen Zweck § 54 HGB erfüllt.

IV. Zum Telos von § 54 HGB Das für den Handelsverkehr prägende arbeitsteilige Handeln macht es erforderlich, dass nicht nur der Kaufmann selbst und gegebenenfalls ein Prokurist für den Handelsbetrieb mit Dritten kontrahieren können, sondern vielmehr weitere Hilfspersonen jedenfalls in begrenztem Umfang hierzu in der Lage sind. Den Umfang der jeweiligen Vertretungsmacht muss der Inhaber des Handelbetriebs frei bestimmen können. Oftmals wird dies konkludent bereits durch die Zuweisung einer bestimmten Aufgabe erfolgen; Beschränkungen können aber auch im Innenverhältnis ausdrücklich vereinbart werden. Da sich weder die Erteilung noch der Umfang einer Handlungsvollmacht aus dem Handelsregister ergeben und die ausdrückliche Nachfrage regelmäßig nicht praktikabel wäre, ist der Handelsverkehr darauf angewiesen, dass er von dem Gewöhnlichen ausgehen darf, soweit keine besonderen Umstände ersichtlich sind. Erkennt man in der nach außen gerichteten Funktionsübertragung bereits eine Außenerklärung über die Vertretungsmacht des Betreffenden, reichen die Regelungen der §§ 170 ff. BGB mit ihrem durch Rechtsprechung und Lehre auf das Nichtentstehen und den Umfang der Vertretungsmacht erweiterten Anwendungsbereich bereits aus, um den Verkehr hinreichend zu schützen. Mit § 54 HGB stellt der Gesetzgeber jedoch zusätzlich klar, dass der Dritte davon ausgehen darf, dass der Handlungsbevollmächtigte im Rahmen seiner nach außen sichtbaren Stellung in dem Betrieb zur Vertretung des Inhabers berechtigt ist. Die Vorschrift knüpft damit jedoch nicht an den bloßen Schein einer entsprechend weit umrissenen Vertretungsmacht an. Sowohl die historischen Bezüge der Norm als auch eine Analyse der Rechtsprechung zu § 54 HGB weisen vielmehr deutlich darauf hin, dass die Vermutung hinsichtlich des Umfangs der Vertretungsmacht und der daran anknüpfende Schutz des gutgläubigen Dritten die mindestens konkludent abgegebene Außenerklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn über die Vertretungsmacht seiner Hilfsperson voraussetzen. Diese ist darin zu sehen, dass der Kaufmann-Geschäftsherr die betreffende Hilfsperson in einer nach außen gerichtete Stellung innerhalb des Betriebs einsetzt, die typischerweise mit einer entsprechenden Vertretungsmacht einhergeht748. Die Handlungsvoll748  Für eine konkludente Bevollmächtigung durch eine entsprechende Stellung im Betrieb: Grooterhorst/Spitzbarth, Unternehmen, S. 48.



B. Die Handlungsvollmacht 249

macht ist danach „ihrem typischen Wesen nach Vollmacht kraft Anstellung“749. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch den Inhaber eines Handelsgewerbes an eine Person innerhalb des Betriebs erteilt wird und zwar in Verbindung mit einer nach außen gerichteten Stellung750. § 54 Abs. 1 HGB erfasst und vertypt die an diese Stellung geknüpfte Verkehrserwartung. Gemäß Absatz 3 darf der Dritte vorbehaltlich einer ausdrücklichen anderweitigen Erklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn davon ausgehen, dass alle mit dieser Stellung gewöhnlicherweise verbundenen Geschäfte auch in die Vertretungsmacht des Betreffenden fallen. Die Vorschrift schafft damit einen Ausgleich zwischen den Interessen des Handelsverkehrs und denen des Kaufmann-Geschäftsherrn. Die Erfüllungshaftung des Letzteren auch für Vertretergeschäfte, die tatsächlich nicht von der Vertretungsmacht seines Angestellten erfasst waren, ist durch den in der Funktionsübertragung als Außenerklärung zum Ausdruck gekommenen Willen des Kaufmann-Geschäftsherrn gerechtfertigt, sich die Geschäfte seiner Hilfsperson auch in diesem Fall zurechnen zu lassen. Erteilt der Kaufmann-Geschäftsherr seiner Hilfsperson hingegen eine reine Innenvollmacht, die nicht nach außen erkennbar wird, entbehrt der Drittschutz des § 54 HGB seiner Rechtfertigung; die Vorschrift ist folglich nicht anwendbar751. Es handelt sich dann um eine einfache bürgerlich-rechtliche Vollmacht752. § 54 HGB dient folglich der Klarstellung, dass der Dritte davon ausgehen darf, dass der nach außen erkennbar mit der Vertretung des Kaufmann-Geschäftsherrn betraute Handlungsbevollmächtigte solche Geschäfte wirksam abschließen kann, die nach der Verkehrserwartung typischerweise mit der nach außen in Erscheinung getretenen Funktion des Handlungsbevollmächtigten in dem Betrieb des Kaufmanns einhergehen. Die Norm vermeidet mithin Zweifel über den Kundgabecharakter der Anstellung. Was bereits nach den allgemeinen Regeln der §§ 170 ff. BGB gelten würde, wird für den Handelsverkehr nochmals ausdrücklich angeordnet.

749  Wieland,

Handelsrecht, § 32, S. 363. Begriff der Anstellung darf hingegen nicht als Abschluss eines Arbeitsvertrags missverstanden werden. Handlungsbevollmächtigte können auch mitarbeitende Familienangehörige oder Freunde sein. 751  So bereits Lehmann/Ring, HGB, § 54 Nr. 7; Ehrenberg/Titze, Handbuch, § 144, S. 956. Düringer/Hackenburg/Hoeniger, HGB, § 54 Anm. 1 klassifiziert die Handlungsvollmacht dementsprechend als Unterfall der „Vollmacht gegenüber Dritten“. 752  Die §§ 48 ff. HGB sind nicht abschließend, es gibt keinen Numerus clausus der Vertretungsformen im Handelsrecht. Wie hier: Oetker, Handelsrecht, § 5 Rn. 5.; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 4; a. A. Münchener Kommentar HGB/Krebs, vor § 48 Rn. 29 f. 750  Der

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

V. Zwischenergebnis Die Handlungsvollmacht nach § 54 HGB ist demnach keine abstrakte Vollmacht. Anders als bei der Prokura wird der Verkehrsschutz hier mittels des Gutglaubensschutzes hergestellt. Die Handlungsvollmacht unterscheidet sich damit in dieser Hinsicht nicht von der einfachen bürgerlich-rechtlichen Vollmacht753. Die Bedeutung der Vorschrift liegt jedoch darin begründet, dass für den Bereich des Handelsrechts Zweifel hinsichtlich des Erklärungswerts einer Funktionsübertragung dahingehend ausgeschlossen werden, als vermutet wird, dass die mit der Funktionsübertragung einhergehende Vollmacht in dem mit der konkreten Stellung gewöhnlich einhergehenden Umfang besteht. Zweifel und Auseinandersetzungen hinsichtlich des Erklärungswertes der Funktionsübertragung bezüglich des Vollmachtsumfangs werden damit vermieden und auf diesem Weg die Sicherheit und die Leichtigkeit des Handelsverkehrs geschützt. Die Vorschrift oszilliert damit zwischen heteronomen und autonomen Verkehrsschutz: Auf der einen Seite setzt die gesetzliche Vermutung eine nach außen gerichtete Anstellung, also einen autonomen Akt des Kaufmann-Geschäftsherrn voraus. Auf der anderen Seite interpretiert das Gesetz die Anstellung als Kundgabe dahingehend, dass dem Betreffenden Vollmacht in dem mit der konkreten Stellung gewöhnlich einhergehenden Umfang erteilt wurde. Unterscheidet sich die Handlungsvollmacht nach § 54 HGB in der Frage nach der Abstraktheit damit nicht von der einfachen bürgerlich-rechtlichen Vollmacht, gilt dies auch im Hinblick auf die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht. Hier wie dort ist diese Rechtsfigur überflüssig, erkennt man, dass der im Stellvertretungsrecht erforderliche Verkehrsschutz – die Prokura als Sondervollmacht einmal ausgenommen – mittels des Gutglaubensschutzes abschließend gewährleistet werden kann. Ein Abweichen des Könnens von dem Dürfen des Handlungsbevollmächtigten kann zwar dort vorliegen, wo der Erklärungswert der Funktionsübertragung über die im Innenverhältnis tatsächlich bestehenden Vertretungsbefugnisse hinausgeht. Weiß aber der Dritte von den Einschränkungen im Innenverhältnis oder waren diese evident, so ist er im Hinblick auf die Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten nicht gutgläubig im Sinne von § 54 Abs. 3 HGB754. Dabei dürfen jedoch insbesondere im Handelsverkehr keine ausufernden 753  Anders als für die Prokura trifft im Hinblick auf die Handlungsvollmacht folglich Frotz These zu, dass die handelsrechtlichen Vollmachten nicht in stärkerem Maß gegenüber dem Grundverhältnis verselbstständigt sind, als die allgemeine Vollmacht. 754  Mit ähnlicher Argumentation wendet sich Bork, JA 1984, S. 17, 22, gegen eine Anwendung der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht auf die Handlungsvollmacht. Anders hingegen die wohl h. M.: Baumbach/Hopt, § 54 Rn. 20; Canaris, Handelsrecht, § 13 Rn. 28; Drexl/Mentzel, Jura 2002, S. 289, 298; Großkommentar HGB/



C. Die Vollmacht des Ladenangestellten 251

Nachforschungspflichten an den Dritten gestellt werden; die Gutgläubigkeit des Dritten darf nur bei positivem Wissen und in solchen Fällen verneint werden, in denen es schlichtweg nicht vorstellbar erscheint, dass dem Dritten bei Abschluss des Vertretergeschäfts die Überschreitung der internen Vertretungsmacht durch den Handlungsbevollmächtigten verborgen geblieben ist.

C. Die Vollmacht des Ladenangestellten § 56 HGB regelt einen Sonderfall der Handlungsvollmacht nach § 54 HGB755. Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt danach als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen. Die Anstellung als Wesensmerkmal der Handlungsvollmacht wird hier ausdrücklich genannt. Allerdings geht § 56 HGB insoweit über die Regelung zur Handlungsvollmacht in § 54 HGB hinaus, als nicht nur der Umfang der Vertretungsmacht erfasst wird, sondern auch das Bestehen von Vertretungsmacht überhaupt. § 56 HGB greift im Unterschied zu § 54 HGB nicht erst dann ein, wenn das Bestehen von Vertretungsmacht feststeht und nur noch der Umfang streitig ist. Vielmehr kommt die Vorschrift bereits dann zur Anwendung, wenn tatsächlich keine Vollmacht erteilt wurde oder die Vollmachtserteilung jedenfalls fraglich ist756. Ohne Zweifel beabsichtigt der Gesetzgeber auch mit dieser Vorschrift, den Einsatz von Stellvertretern im Handelsverkehr zu erleichtern und möglichst sicher zu gestalten. Ihr Anwendungsbereich ist auf den Geschäftsverkehr in dem Laden oder offenen Warenlager eines Kaufmanns beschränkt. Ein Kunde, der einen Laden oder ein Warenlager betritt, wird in aller Regel nicht auf den Inhaber, sondern auf dessen Hilfspersonen treffen. Sind diese Hilfspersonen erkennbar mit dem Kundenverkehr betraut worden (z. B. als Verkäufer oder Kassierer), will sich der Kunde darauf verlassen können, dass die Hilfsperson mit einer ihrer Aufgabe entsprechenden Vertretungsmacht ausgestattet ist757. § 56 HGB entspricht dieser Verkehrserwartung mit der Anordnung, dass Angestellte in einem Laden oder offenen Warenlager als zu den gewöhnlichen Verkäufen und Empfangnahmen ermächtigt gelten. Mit einer solchen Anstellung wird indes regelmäßig eine jedenfalls konkludent erklärte Joost, § 54 Rn. 80; Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, § 54 Rn. 19; Oetker/Schubert, § 54 Rn. 43. 755  Münchener Kommentar HGB/Krebs, §  56 Rn. 2; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Weber, § 56 Rn. 2. 756  Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber, § 56 Rn. 2. 757  Ähnlich Gierke/Sandrock, Grundlagen, § 23 VIII 1 a).

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

Innenvollmacht einhergehen758. Für den Fall, dass eine solche Innenbevollmächtigung fehlt oder die Vertretungsmacht des Angestellten im Innenverhältnis gegenüber dem üblichen Umfang eingeschränkt wurde, greift die Regelung des § 56 HGB ein. Der Kaufmann-Geschäftsherr darf sich danach auf das Fehlen der Vertretungsmacht nicht berufen. Das Gesetz ordnet die Erfüllungshaftung des Kaufmann-Geschäftsherrn für Geschäfte, die seine in seinem Laden oder Warenlager angestellten Hilfspersonen für ihn schließen, jedoch nicht unabhängig von einer entsprechenden Willensäußerung des Kaufmann-Geschäftsherrn an. § 56 HGB knüpft vielmehr ausdrücklich an die Anstellung an. Wie bereits oben zur Handlungsvollmacht nach § 54 HGB dargelegt, kommt der Anstellung in einer auf den Umgang mit Dritten gerichteten Funktion ein eigener Erklärungswert zu. Indem ein Kaufmann die betreffende Person in einer solchen Funktion nach außen erkennbar tatsächlich einsetzt, gibt er schlüssig die im Innenverhältnis erteilte Vollmacht nach außen kund759. Mit der Anstellung in einem Laden oder Warenlager gibt der Kaufmann-Geschäftsherr zwar nicht ausdrücklich eine solche Erklärung ab; es liegt jedoch in seinem ureigensten Interesse, dass seine Kunden mit dem hierfür angestellten Personal kontrahieren. Indem er bestimmte Angestellte erkennbar mit Verkauf und Empfangnahme betraut, gibt er seinen Kunden zu verstehen, dass er mittels dieser Angestellten mit den Kunden in geschäftlichen Kontakt treten möchte. Damit seinen Kunden diesem Ansinnen folgen und nicht auf einem Geschäftsabschluss mit dem Kaufmann-Geschäftsherrn persönlich beharren, ist es erforderlich, dass sie sich auf das Bestehen von Vertretungsmacht verlassen können. Die nach außen erkennbare Anstellung kann damit aus Sicht eines verständigen Kunden nur so verstanden werden, dass der Angestellte den Kaufmann-Geschäftsherrn im Rahmen des Üblichen vertreten darf. Für den Fall, dass tatsächlich keine Vollmacht besteht oder diese einen geringeren Umfang als üblich hat, sichert der Kaufmann-Geschäftsherr seinen Kunden in eigenem Interesse zu, dass er Verträge, die diese mit den Angestellten schließen und die sich in einem gewöhnlichen Umfang halten, gegen sich gelten lassen wird760. Die Parallele 758  Peters,

AcP 179 (1979), S. 214, 233 f. Verkehrsschutz, S. 364; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 265. Für eine besondere Mitteilung einer Bevollmächtigung: K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 124. Ähnlich bereits Hupka, Vollmacht, S. 119 ff., S. 124, nach dem der Regelungsgehalt von Art. 50 ADHGB und § 56 HGB darin bestehe, dass der Dritte „das bestimmte Verhalten des Vertretenen nicht erst auf seine konkrete Schlüssigkeit“ prüfen müsse. Allerdings unterscheidet Hupka nicht klar zwischen der schlüssigen Erteilung einer Innenvollmacht und der schlüssigen Kundgabe derselben nach außen. 760  Ähnlich Gierke/Sandrock, Grundlagen, § 23 VIII 1 b), die jedoch den Rechtssatz des venire contra factum proprium in der Ausprägung der Lehre von der Verwir759  Frotz,



C. Die Vollmacht des Ladenangestellten 253

zu § 171 BGB liegt offen zu Tage: Wer öffentlich kundgibt, dass er einem anderen Vertretungsmacht erteilt hat, gibt eine Zusicherung über dessen Vertretungsmacht ab761. Bis zur Verlautbarung des Gegenteils muss er sich hieran festhalten lassen. Eine solche Anstellung erzeugt damit nicht nur den Schein einer Bevollmächtigung762. Sie ist vielmehr konkludente Außenerklärung über das Bestehen und den Umfang der Vollmacht der Angestellten763. Die Vollmacht des Ladenangestellten ist folglich keine gesetzliche Vertretungsmacht764. Zurechnungsgrund für die Erfüllungshaftung des KaufmannGeschäftsherrn für Geschäfte, die seine Ladenangestellten in einem gewöhnlichen Umfang schließen, die aber dennoch außerhalb ihrer Vertretungsmacht liegen, ist vielmehr der Wille des Kaufmann-Geschäftsherrn, der sich in der Außenerklärung niedergeschlagen hat765. § 56 HGB ist damit eine Interpretationsregel, die der Klarstellung dient und Zweifel hinsichtlich des Erklärungswerts der Anstellung ausschließt766. Sie geht über § 54 HGB hinaus, als für den begrenzten Bereich der Anstellung in einem Laden oder offenen Warenlager auch die Entstehung der Vertretungsmacht von der gesetzlichen Klarstellung mit umfasst wird. Die Einordnung der Anstellung in einem Laden oder offenen Warenlager als Außenkung heranziehen, um die Haftung des Kaufmann-Geschäftsherrn zu begründen. Erkennt man jedoch den Erklärungswert der Anstellung als Kundgabe an, so liegt es m. E. nach näher, hierin eine rechtsgeschäftliche Zusicherung des Kaufmann-Geschäftsherrn zu sehen, als diesem durch die Hintertür der Verwirkung eine Berufung auf die wahre Rechtslage zu verwehren. 761  Auf die Parallele zu §§ 171 ff. BGB weisen bereits Flume, Rechtsgeschäft, § 49 3, S. 829; Frotz, Verkehrsschutz, S. 363 und Macris, Stillschweigende Vollmachtserteilung, S. 132 hin. 762  So aber Canaris, Handelsrecht, § 14 Rn. 5; Großkommentar HGB/Joost, § 56 Rn. 1. 763  Flume, Rechtsgeschäft, § 49 3, S. 829 ordnet § 56 HGB als konkludente Außenbevollmächtigung ein. 764  So aber Weimar, MdR 1968, S. 901. Auf den inneren Widerspruch einer „gesetzlichen Vollmacht“ weist Frotz, Verkehrsschutz, S. 362, hin. 765  Die wohl herrschende Meinung ordnet § 56 HGB dagegen als Tatbestand der Rechtsscheinhaftung ein: Canaris, Handelsrecht, § 14 Rn. 5; Drexl/Mentzel, Jura 2002, S. 375; Hopt, AcP 183 (1983), S. 608, 695 f.; Petersen, Jura 2012, S. 683; Oetker/Schubert, § 56 Rn. 2; Weimar, JR 1979, S. 103; eine Kombination aus Vermutung und Rechtsscheinhaftung nehmen an: Großkommentar HGB/Joost, § 56 Rn. 7; Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, § 56 Rn. 2. Allerdings greift hier die bereits oben in Kapitel 3 unter I. 1. a) dargelegte Kritik an der Lehre von der Rechtsscheinhaftung ein, dass die schuldhafte Nichtverhinderung der Entstehung eines Anscheins allenfalls eine Schadensersatzhaftung, nicht aber eine Erfüllungshaftung zu begründen vermag. Dies erkennt auch Fabricius, JuS 1966, S. 50, 55 f., nimmt hinsichtlich von § 56 HGB allerdings eine Ausnahme für den kaufmännischen Rechtsverkehr an. 766  Endemann, Handbuch, § 71 S. 293; Hupka, Vollmacht, S. 124; Ehrenberg/Titze, Handbuch, § 144, S. 950.

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Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

erklärung erlaubt es, die im Zusammenhang mit § 56 HGB regelmäßig aufgeworfenen Fragen einer schlüssigen und praktikablen Antwort zuzuführen:

I. Die Anstellung Eine Anstellung im Sinne von § 56 HGB setzt danach voraus, dass der Einsatz der Hilfsperson in dem Laden oder Warenlager mit Wissen des Kaufmann-Geschäftsherrn erfolgt und dass sie nach dessen Willen auch pub­ likumsbezogen ist767. Schleicht sich hingegen ein Fremder unbemerkt in den Laden und geriert sich dort als Verkaufsperson, muss sich der KaufmannGeschäftsherr Verträge, die der Fremde mit Kunden schließt, nicht zurechnen lassen768. Er ist seinen Kunden lediglich zu Schadensersatz aus culpa in contrahendo verpflichtet, vorausgesetzt, ihm kann ein Schuldvorwurf dahingehend gemacht werden, seine Kunden nicht hinreichend vor einer derartigen Täuschung geschützt zu haben. Der Kaufmann-Geschäftsherr ist aber auch nicht zur Erfüllung eines Vertrages verpflichtet, den zum Beispiel eine in dem Laden beschäftigte und als solche erkennbare Reinigungsfachkraft mit einem Kunden geschlossen hat. Denn in dem Einsatz einer Reinigungsfachkraft steckt gerade nicht die konkludente Zusage an Dritte, dass die betreffende Person Verkäufe und Empfangnahmen tätigen darf, auch wenn sie in dem Laden angestellt ist und damit dem reinen Wortsinn nach in den Anwendungsbereich von § 56 HGB fallen würde. Es fehlt hier an dem für die Anstellung wesentlichen Einsatz in einer nach außen gerichteten Funktion, der alleine die Verkehrserwartung, die betreffende Person handele mit Vertretungsmacht, zu begründen vermag. Mitarbeiter, zu deren Aufgaben der Publikumsverkehr erkennbar nicht gehört, können daher nicht als Ladenangestellte im Sinne von § 56 HGB gelten769. Dem steht nicht die Entscheidung BGH, NJW 1975, 2191, entgegen. Zwar betont das Gericht, dass als „angestellt“ im Sinne von § 56 HGB jeder gelten müsse, der in einem Laden oder Warenlager „die in § 56 HGB genannten Verrichtungen ausübt, ganz unabhängig davon, was im übrigen sein Aufgaben- und Pflichtenkreis im Unternehmen des Ladeninhabers sein mag“. Begründet wird dies mit der verkehrschützenden Funktion des § 56 HGB. In dem konkreten Fall ging es 767  Hierzu ausführlich Frotz, Verkehrsschutz, S. 347 ff.; im Ergebnis übereinstimmend Baumbach/Hopt, § 56 Rn. 2 f.; K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 131; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 56 Rn. 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber, § 56 Rn. 5; Weimar, MdR 1968, S. 901, 902. Nach a. A. ist § 56 HGB bei fahrlässiger Unkenntnis des Kaufmann-Geschäftsherrn von der Betätigung als Verkaufspersonal anwendbar, vgl. Gierke/Sandrock, Grundlagen, § 23 VIII 2, S. 378; Ehrenberg/Titze, Handbuch, § 144, S. 951. 768  Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 56 Rn. 7. 769  Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 56 Rn. 7.



C. Die Vollmacht des Ladenangestellten 255

um einen Angestellten, dessen Hauptaufgabe darin bestand, von seinem Schreibtisch aus Großgeschäfte abzuwickeln und nicht einzelne Gegenstände aus dem Warenlager gegen Barzahlung zu verkaufen. Der Angestellte war damit dennoch in einer nach außen gerichteten, auf den Verkauf bezogenen Funktion tätig. Insbesondere aber war es für die Kunden nicht erkennbar, dass der Angestellte nicht zum Direktverkauf gegen Barzahlung ermächtigt war. Wie der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung zutreffend feststellt, bezweckt § 56 HGB, Kunden eines Ladens oder Warenlagers von Nachforschungspflichten hinsichtlich der Vertretungsmacht der dort Angestellten freizustellen. Ist dagegen ohne jegliche Nachforschung erkennbar, dass eine in dem Laden tätige Person nicht zur Vertretung des Ladeninhabers befugt ist, greift der Schutzzweck von § 56 HGB nicht ein. Eine solche Person ist demnach auch nicht als „Angestellte“ im Sinne von § 56 HGB zu qualifizieren.

II. Die Redlichkeit des Dritten Als Sonderform der Handlungsvollmacht nach § 54 HGB gilt selbstverständlich auch für die Vollmacht des Ladenangestellten, dass die in der Anstellung verkörperte Zusicherung des Kaufmann-Geschäftsherrn lediglich zu Gunsten des gutgläubigen Dritten Wirkung entfaltet. Weiß der Dritte hingegen, dass die Person, die sich ihm gegenüber als Stellvertreter des KaufmannGeschäftsherrn ausgibt, tatsächlich keine Vertretungsmacht hat oder das konkrete Geschäft nicht in ihre Vertretungsmacht fällt, oder ist dies für den Dritten evident, muss der Kaufmann-Geschäftsherr das Vertretergeschäft nicht gegen sich gelten lassen. § 54 Abs. 3 HGB ist damit auch auf die Vollmacht des Ladenangestellten entsprechend anwendbar770.

III. Die Anfechtbarkeit Die in der Anstellung verkörperte konkludente Kundgabe über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsmacht kann ebenso wie die Erteilung der Innenvollmacht nach den allgemeinen Regeln angefochten werden. § 56 HGB steht jedoch einer Anfechtung wegen einer Verkennung des Erklärungswerts der Anstellung als konkludente Kundgabe entgegen771. Andern770  So mit abweichender Begründung die herrschende Meinung: Canaris, Handelsrecht, § 14 Rn. 5; Gierke/Sandrock, Grundlagen, § 23 VIII 2 d); K. Schmidt, Handelsrecht, § 16 Rn. 125, 134; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 56 Rn. 20; Weimar, MdR 1986, S. 901, 903; a. A. Honsell, JA 1984, S. 17, 23. 771  Ähnlich Hupka, Vollmacht, S. 119  ff., 124; im Ergebnis zustimmend auch Frotz, Verkehrsschutz, S. 362.

256

Kap. 4: Die handelsrechtlichen Vollmachten

falls würden Sinn und Zweck der Vorschrift, den Handelsverkehr bei Einsatz von Stellvertretern möglichst sicher und leicht zu gestalten, konterkariert. Dieser Zweck erfordert es aber nicht, die Anfechtung einer einmal erteilten Ladenvollmacht oder der konkludent abgegebenen Kundgabe aus anderen Gründen auszuschließen. Möglich bleibt daher die Anfechtung wegen eines Irrtums hinsichtlich des Erklärungszeichens. Stattet der Ladeninhaber also versehentlich die Reinigungskraft mit einem dem Verkaufspersonal vorbehaltenen und dieses kennzeichnenden T-Shirt aus, kann er seine damit einhergehende konkludente Erklärung gegenüber seinen Kunden anfechten. Er ist in diesem Fall freilich gemäß § 122 Abs. 1 BGB zum Ersatz des dadurch entstandenen Vertrauensschaden verpflichtet.

D. Zusammenfassung und Fazit Im Handelsrecht nimmt die Prokura eine Sonderstellung ein, die sie hinsichtlich der Frage nach dem Verhältnis zu dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis sowohl von der Handlungsvollmacht als auch von der einfachen bürgerlich-rechtlichen Vollmacht fundamental unterscheidet. Aus der zwingenden gesetzlichen Umfangsbeschreibung folgt die Unabhängigkeit der Prokura von dem Grundverhältnis hinsichtlich des Umfangs der Vertretungsmacht. Denn die gesetzlich angeordnete Typizität und Publizität der Prokura bilden nur mit der Abstraktheit ein in sich stimmiges System zum Schutz des Rechtsverkehrs. Die Unabhängigkeit der Prokura hinsichtlich ihres Umfangs ist auf die Entstehung und das Erlöschen der Prokura zu übertragen; § 168 S. 1 BGB ist mithin auf die Prokura nicht anwendbar. Die strenge Abstraktheit der Prokura dient der Schnelligkeit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs. Zwar wird damit der Wille des vertretenen Kaufmann-Geschäftsherrn hinsichtlich des Vertretergeschäfts nur eingeschränkt berücksichtigt; dies ist jedoch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Kaufmann-Geschäftsherr die Prokura persönlich und ausdrücklich erteilen muss und stattdessen auch eine Handlungsvollmacht mit beliebigem Umfang erteilen kann. Die Handlungsvollmacht und damit auch die Vollmacht des Ladenangestellten nach §§ 54, 56 HGB unterscheiden sich hingegen in Bezug auf das Verhältnis zu dem Grundgeschäft nicht von der einfachen bürgerlich-rechtlichen Vollmacht. Die im Innenverhältnis erteilte Vollmacht ist von dem Grundgeschäft abhängig, der notwendige Verkehrsschutz wird mittels der Außenerklärung des Kaufmann-Geschäftsherrn geleistet. Diese gibt der Kaufmann-Geschäftsherr regelmäßig konkludent durch die Anstellung seines Hilfspersonals in einer nach außen gerichteten Stellung ab. Die §§ 54 und 56 HGB sind damit Interpretationsregeln, die der Klarstellung dienen und Zweifel hinsichtlich des Erklärungswerts der Anstellung ausschließen.



D. Zusammenfassung und Fazit257

Der für die Prokura entwickelte Gedanke der Abstraktheit der Vollmacht entwickelt dort nach wie vor Plausibilität und bildet einen wichtigen Bestandteil des Verkehrsschutzes innerhalb der handelsrechtlichen Stellvertretungsregeln. Er ist jedoch mitnichten auf alle anderen Vollmachtsarten zu übertragen. Hier ist der notwendige Verkehrsschutz vielmehr in Einklang zu bringen mit der Verwirklichung des Willens des vertretenen Kaufmann-Geschäftsherrn. Dies gelingt, erkennt man in der Anstellung, die mit der Erteilung von Handlungsvollmacht regelmäßig einhergeht, eine Außenerklärung über die Vertretungsmacht im Sinne der in dieser Arbeit entwickelten Konzeption.

Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick Am Anfang der vorliegenden Untersuchung stand die Feststellung, dass die Abstraktheit der Vollmacht zwar von der ganz herrschenden Meinung als integraler Bestandteil des deutschen Stellvertretungsrechts verstanden wird, in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch mehrfach durchbrochen wurde. In der Literatur zum Stellvertretungsrecht ist die Kritik an der Abstraktheit der Vollmacht seit ihrer „Erfindung“ durch Laband in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zudem nie ganz verstummt. Diese Beobachtungen provozierten die Frage, ob ein Festhalten an dem Grundsatz der Abstraktheit der Vollmacht gerechtfertigt ist. Auf der Suche nach einer Antwort wurden die Entstehungsgeschichte, die Funktion und die Wirkungsweise des Abstraktionsprinzips im bürgerlichrechtlichen und handelsrechtlichen Stellvertretungsrecht eingehend untersucht. Ein Gedankenexperiment sollte schließlich aufdecken, ob die Abstraktheit der Vollmacht tatsächlich hinweggedacht werden kann, ohne ­ erhebliche Lücken im Verkehrs- oder Vertreterschutz zu hinterlassen. Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen: I.

Ein eigenständiger Begriff der Vollmacht als rechtsgeschäftlich erteilter Vertretungsmacht wurde erst im 19. Jahrhundert auf der Grundlage der Repräsentationstheorie gebildet. Danach fungiert die Vollmacht als Bindeglied zwischen dem autonom gebildeten Willen des Geschäftsherrn und dessen unmittelbarer Bindung an das Vertretergeschäft als dem zentralen Wesensmerkmal der direkten Stellvertretung.

II.

Laband kommt das Verdienst zu, die Vollmacht als erster scharf von dem Mandat getrennt und die Bevollmächtigung als eigenes Rechtsgeschäft beschrieben zu haben. Darüber hinaus prägte er den Gedanken von der vollständigen Unabhängigkeit der Vollmacht von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter, wobei sich Laband auf die neu geschaffenen Regeln über die Prokura im ADHGB von 1861 stützen konnte.

III. Während der Vorarbeiten und Beratungen zum BGB fehlte ein gemeinsames Grundverständnis vom Wesen der Vollmacht und ihrem Verhältnis zu dem Grundgeschäft. Der als notwendig erkannte Verkehrsschutz wurde mittels der Anerkennung der Außenvollmacht in § 167 Abs. 1



Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick259

Alt. 2 BGB und des Gutglaubensschutzes der §§ 170–173 BGB gewährleistet. Gerade im Hinblick auf die Außenvollmacht setzte sich ungeachtet einiger entgegenstehender Äußerungen in den Materialien die These durch, die Vollmacht des BGB sei abstrakt ausgestaltet. IV. Während die Abstraktheit der Vollmacht den Normen des BGB nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, ist der Vollmachtsbegriff im Übrigen durch die Regelungen der §§ 164 Abs. 1, 166 Abs. 2 und 168 S. 1 BGB klar umrissen: Es handelt sich um eine personenbezogene Befähigung, die zugleich den Grund der Zurechnung des Vertreterhandelns an den Geschäftsherrn bildet. Zu dem ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäft steht die Vollmacht in einem Mittel-Zweck-Verhältnis. V.

Sowohl die historische Perspektive als auch der Vergleich mit dem sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip machen deutlich, dass die Abstraktheit der Vollmacht in erster Linie ein Instrument zum Schutz des Rechtsverkehrs ist, das unabhängig von der Schutzwürdigkeit des konkret betroffenen Dritten zum Tragen kommt. Darüber hinaus schützt die Abstraktheit der Vollmacht auch den Stellvertreter vor einer Haftung als falsus procurator gemäß § 179 BGB. Als Verkehrsschutz­ instrument entzieht sich die Abstraktheit der Vollmacht der Disposition der Parteien. Konsequent zu Ende gedacht steht sie einer Anwendung der §§ 139 und 158 BGB auf das Verhältnis von Vollmacht und Grundgeschäft sowie der allzu großzügigen Annahme einer Fehleridentität entgegen.

VI. Die Abstraktheit der Vollmacht wird im deutschen Stellvertretungsrecht ergänzt durch ein weiteres Instrument zum Schutz des Rechtsverkehrs, den Gutglaubensschutz, der in den §§ 170–173 BGB verankert ist. Er greift dann ein, wenn entgegen einer entsprechenden Verlautbarung des Geschäftsherrn nach außen zum Zeitpunkt des Vertretergeschäfts der Vertreter ohne die erforderliche Vertretungsmacht handelt. Wie im Sachenrecht wird mithin im Fall der fehlenden Legitimation der Gutglaubensschutz aktiviert, während das Abstraktionsprinzip die Legitimation von der Berechtigung löst. VII. Allerdings entfaltet das Postulat des Verkehrsschutzes im Hinblick auf die reine Innenvollmacht keine Überzeugungskraft. Dem entspricht der Befund, dass die Abstraktheit hier regelmäßig durchbrochen wird, nicht zuletzt durch die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht. In einer Gesamtschau mit § 168 S. 1 BGB führen diese Durchbrechungen zu einem regelmäßigen Gleichlauf von Innenvollmacht und Grundverhältnis. Die Abstraktheit wird zur bloßen Ausnahme. Das wohl relevanteste Beispiel für eine solche Ausnahme, in der die Abstraktheit jedenfalls nach herrschender Meinung auch hinsichtlich der

260

Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

reinen Innenvollmacht zum Tragen kommt, ist der Fall einer Änderung der vollmachtsbezogenen Interessen des Geschäftsherrn nach Bevollmächtigung, aber vor Abschluss des Vertretergeschäfts. Die Abstraktheit entfaltet hier eine zeitliche Dimension, als sie den Umfang der Vollmacht von nachträglichen Änderungen entkoppelt. VIII. Dagegen spielt der Verkehrsschutz bei der kundgegebenen Innenvollmacht und der Außenvollmacht zweifellos eine wichtige Rolle. Die Unterscheidung zwischen beiden Fallgestaltungen ist jedoch hinfällig. Jeweils geht es im Kern darum, dass der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten oder der Öffentlichkeit eine Erklärung über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters abgibt, auf die sich der gutgläubige Dritte bis zum actus contrarius verlassen können muss. Dies folgt bereits aus der Auslegung der Erklärung des Geschäftsherrn, die aus dessen Sicht und nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Dritten nur den Sinn haben kann, dem gutgläubigen Dritten als potentiellem Geschäftspartner das Versprechen abzugeben, für etwaige Mängel der Vertretungsmacht einstehen zu wollen. Der Geschäftsherr gibt damit eine Zusicherung über das Vorliegen von Vertretungsmacht ab und muss sich im gegenteiligen Fall so behandeln lassen, als habe sein Stellvertreter mit Vertretungsmacht gehandelt. Die §§ 170 ff. BGB stellen insofern eine bloße Abkürzung des Gesetzes dar, indem sie diese Zusicherung vorauseilend umsetzen. IX. Der im Stellvertretungsrecht erforderliche Verkehrsschutz kann vollständig mittels des Gutglaubensschutzes gewährleistet werden. Die Abstraktheit der Vollmacht ist damit obsolet. Dafür gilt es zu erkennen, dass die eigentliche Bevollmächtigung entsprechend dem personenbezogenen Vollmachtsbegriff des BGB stets gegenüber dem zu Bevollmächtigenden erfolgt. Diese Vollmacht ist von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis in ihrer Entstehung, ihrer Wirksamkeit, in ihrem Erlöschen und in Bezug auf ihren Umfang abhängig. Damit der Stellvertreter nicht einem untragbaren und nicht zu rechtfertigenden Haftungsrisiko ausgesetzt wird, setzt die Abhängigkeit der Vollmacht jedoch die teleologische Reduktion des § 179 Abs. 2 BGB auf eine verschuldensabhängige Haftung voraus. X.

Äußert sich der Geschäftsherr gegenüber dem Dritten oder der Öffentlichkeit verbindlich über die Vertretungsmacht seines Stellvertreters, handelt es sich nicht etwa um eine weitere Vollmachtserteilung, sondern um eine Außenerklärung in dem unter VIII. dargestellten Sinn. Hat der Geschäftsherr vor Abschluss des Vertretergeschäfts eine solche Außenerklärung abgegeben und damit einen Anknüpfungspunkt für den guten Glauben des Dritten hinsichtlich des Vorliegens von Vertre-



Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick261

tungsmacht geschaffen, fingiert das Gesetz gegenüber dem gutgläubigen Dritten das Vorliegen von Vertretungsmacht, §§ 170–173 BGB. Der Rechtsverkehr wird damit hinreichend geschützt. XI. Die Außenerklärung kann wie jede Willenserklärung auch konkludent erfolgen und bei Willensmängeln angefochten werden. Insbesondere aber ist sie notwendig unabhängig von dem Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Stellvertreter und damit sowohl von der im Innenverhältnis möglicherweise erteilten Vollmacht als auch von dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. XII. Ein Vertretergeschäft kommt danach wirksam zustande, wenn entweder der Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt hat, § 164 Abs. 1 BGB, oder der Geschäftsherr die Vertretungsmacht seines Stellvertreters für dieses Geschäft zuvor mittels einer Außenerklärung zugesichert hat und der Dritte bei Abschluss des Vertretergeschäfts gutgläubig war, §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2, 173 BGB, oder der Geschäftsherr das Vertretergeschäft im Nachhinein genehmigt, § 177 Abs. 1 BGB. XIII. Eine Sonderrolle nimmt die Prokura der §§ 48 ff. HGB ein. Diese ist ausweislich der klaren gesetzlichen Bestimmung in §§ 49, 50 Abs. 1 HGB ihrem Unfang nach abstrakt von dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis des Prokuristen zu dem Kaufmann-Geschäftsherrn. Im Hinblick auf die Begründung der Schaffung der Prokura im ADHGB als Vorgängergesetz des HGB und zwecks der Herstellung von Kohärenz liegt es nahe, die Prokura insgesamt, also auch hinsichtlich ihrer Entstehung und ihrem Erlöschen, als abstrakt auszugestalten. Dies hat zur Konsequenz, dass die Regelung des § 168 S. 1 BGB auf die Prokura keine Anwendung findet. XIV. Dagegen unterscheiden sich die Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 HGB und die Vollmacht des Ladenangestellten nach § 56 HGB in der Frage der Abstraktheit nicht von der einfachen bürgerlich-rechtlichen Vollmacht. Sie sind von dem Grundverhältnis abhängig. Allerdings wird der Gutglaubensschutz hier insofern den Bedürfnissen des Handelsverkehrs entsprechend verstärkt, als der Erklärungswert einer Anstellung in einer publikumsbezogenen Stellung im Sinne einer Außenerklärung über die Vertretungsmacht des Angestellten durch das Gesetz erkannt und typisiert wird. Mit Gebhard, dem Verfasser des Teilentwurfs zum Allgemeinen Teil des BGB, kann damit statuiert werden: „Die Vollmacht ist mithin doch kein abstraktes Rechtsgeschäft“772. Jedenfalls ist die Abstraktheit der Vollmacht nicht 772  Gebhard,

S. 171 (Schubert, Vorentwürfe AT 2, S. 191).

262

Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

erforderlich, um den im Stellvertretungsrecht erforderlichen Verkehrsschutz zu gewährleisten. Dies gelingt auf der Basis der Abhängigkeit der Vollmacht mittels des in §§ 170–173 BGB verankerten Gutglaubensschutzes. Der stellvertretungsrechtliche Verkehrsschutz wird damit einfacher, in sich schlüssiger und weniger Durchbrechungen unterworfen. Die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht verliert ihre Daseinsberechtigung. Insbesondere aber ist der mittels der Außenerklärung gewährleistete Verkehrsschutz kein heteronomes Schutzinstrument, sondern findet seinen Grund vielmehr in einer autonomen Willensäußerung. Für einen möglichen Prozess der europäischen Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Stellvertretungsrechts bedeutet dies: Auch wenn das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch weltweit für seine Klarheit und Abstraktionshöhe geschätzt wird und bereits vielfach als Vorlage für andere Kodifikationsprojekte dienen durfte, so gilt es im Detail doch, Vorsicht walten zu lassen und überkommene Strukturen auf ihre Plausibilität zu hinterfragen. Dies mag für das Recht der direkten Stellvertretung in besonderem Maße zutreffen, handelt es sich hierbei doch um eine verhältnismäßig junge Materie, die zum Zeitpunkt der Beratungen zum BGB noch nicht in all ihren Facetten erfasst und in der Diskussion hinreichend geformt war. Möglicherweise ergibt sich in naher Zukunft jedoch erneut die Möglichkeit, die Debatte um einen kohärenten Vollmachtsbegriff und ein schlüssiges Verkehrsschutzkonzept im Stellvertretungsrecht – diesmal gesamteuropäisch – zu führen. Wenn die vorliegende Arbeit hierzu einen Beitrag aus Sicht der deutschen Zivilrechtsdogmatik zu leisten vermag, hat sie ihr Ziel erreicht.

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Sach- und Personenregister Abstraktionsprinzip  52, 80 ff., 108 ff. Akzessorietät  82 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch  33 ff., 40, 106, 114, 136, 242 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch  43 ff., 103, 115, 229 ff. Anfechtung  118 f., 162 ff., 167, 172, 180, 193 f., 255 f. Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht  162 ff., 180 Anscheinsvollmacht  105 f., 137, 200 Anstellung  196, 246 ff., 254 ff. Apparent authority  137 ff. Äußere Abstraktheit  80 ff. Bedingungszusammenhang  87 ff., 152 Beschränkt geschäftsfähiger Vertreter  21 f., 110 f., 167 f., 226 f. Bevollmächtigungsvertrag  34, 41, 51 f., 136 Bote ohne Botenmacht  203 f. Brinz, Alois von  38, 41 f. Code Civil  33 ff., 136 ff. Culpa in contrahendo  160 f., 177, 200 Dissens  111, 163, 168, 182 Duldungsvollmacht  105 f., 137, 183, 197 ff. Einheitsprinzip  79 Einwilligung  75 f. Empfangsbevollmächtigung  144 f. Erbfall  98 f., 119 ff., 152 f., 170 f. Falsus procurator  84, 160 ff., 171 ff., 213 ff. Fehleridentität  20, 90 f., 110, 167, 169

Flume, Werner  25, 96, 186 f., 196 f. Fortbestehensfiktion  116 f., 169 f. Gefälligkeitsverhältnis  142 f., 144 Geheime Vollmacht  35, 114, 242 Genehmigung  76, 162 ff., 180, 197, 220 Generalvollmacht  111, 144 Geschäftseinheit  19 f., 24 f., 87 ff., 91 f., 152, 218 ff., 239 Geschäftsherrentheorie  37 ff. Gesetzliche Vertretungsmacht  27, 101 Gestaltungsrecht  76 Gutglaubensschutz  97, 105 ff., 123, 127, 132, 150 ff. Handlungsvollmacht  50, 101 f., 240 ff. Historische Rechtsschule  31, 36 f. Hupka, Josef  59, 60 ff., 69 Inhaltliche Abstraktheit  80 ff. Irrtumsanfechtung  163, 172, 177 Isolierte Vollmacht  140 ff. Jhering, Rudolf von  38, 42 f., 49 Kollusion  61, 93 Kundgabe  122 ff., 129 ff., 134 ff., 184 ff., 242 ff. Laband, Paul  30, 38, 47 ff., 115 Lobinger, Thomas  175, 187 ff. Mandat apparent  137 f. Mandatstheorie  40, 43, 57 Missbrauch der Vertretungsmacht  92 ff., 121, 158, 210, 224, 232 f., 250

278

Sach- und Personenregister

Nichterfüllungshaftung  175 ff. Numerus clausus  100 ff., 149 Organschaftliche Vertretungsmacht  27 f., 101 Postmortale Vollmacht  119 ff., 170 Preußischer Entwurf  44 ff. Preußisches allgemeines Landrecht  33 ff., 106 Prokura  43 ff., 49, 54, 101 ff., 106, 115, 149, 230 ff. Publizität  101, 103 ff., 149, 235 Rechtsberatungsgesetz  19 f., 169, 212, 220, 222 f. Rechtsdienstleistungsgesetz  19, 220 ff. Rechtsscheinhaftung  24, 185 ff., 200, 253 Rechtsscheinlehre  185 ff., 199 Rechtsscheintatbestand  185 ff., 201 Repräsentationstheorie  38 ff., 55, 73 Reurecht  204 Risikoübernahme  187 ff., 204 ff., 223 Savigny, Friedrich Carl von  37, 79 Schrottimmobilien  18 ff., 217 ff., 228

Tod des Vollmachtgebers  91, 98 f., 116, 119 ff., 170 f., 234 Transmortale Vollmacht  119 ff., 170 f. Trennungsprinzip  21, 40 ff., 63 f., 79 f., 110, 151 Treuhänder  18 ff., 198 ff., 217 ff. Verkehrsrecht  53, 55 Vernunftrecht  31 Vertrauenshaftung  173 ff. Vertreter ohne Vertretungsmacht  84, 160 ff., 171 ff., 213 ff. Vollmacht des Ladenangestellten  251 ff. Vollmachtsurkunde  35, 105, 122, 191, 201 ff., 221 f., 242 Wahlrecht  213 ff. Widerruf  120 ff., 126, 154 f., 194 ff., 202 f., 208 ff., 233 ff. Zeiller, Franz von  40 f. Zessionstheorie  37 f. Zusicherung  187 ff., 204, 206, 213 ff., 253 Zuwendung  76, 80 ff.