Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter: Historischer Kontext, personelle Bedingungen und soziale Implikationen von Ausgrabungen in Ägypten, 1898-1914 9783839464847

Die Geschichte der Archäologie in Ägypten erzählt meist nur von westlichen Archäologen und »ihren« großen Funden. Die ta

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter: Historischer Kontext, personelle Bedingungen und soziale Implikationen von Ausgrabungen in Ägypten, 1898-1914
 9783839464847

Table of contents :
Inhalt
Verzeichnis der Karten, Listen, Tabellen und Diagramme
Verzeichnis der Abbildungen
Danksagungen
1 Voraussetzungen und Methodik
1.1 Fallbeispiele und Untersuchungszeitraum
1.2 (Primär-)Quellen
1.3 Sekundärliteratur
1.4 Forschungsperspektiven und -methoden
1.5 Gliederung
2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898
2.1 Ausgewählte Beispiele
2.2 Fazit: Veränderungen der Archäologie in Ägypten ab 1798
3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen
3.1 Untersuchte archäologische Unternehmungen bzw. Kampagnen
3.2 Die Unternehmungen im archäologiehistorischen Kontext
3.3 Ablauf der Unternehmungen hinsichtlich ihrer ägyptischen Arbeiter
3.4 Das Sprechen der deutschen Archäologen mit und über ihre ägyptischen Arbeiter
3.5 Das Bild der deutschen Archäologen von Arbeitern und anderen Ägyptern
3.6 Porträts der in den Quellen sichtbarsten Arbeiter
4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter
4.1 Sozioökonomische Verhältnisse der Arbeiter
4.2 Arbeitsbedingungen unter den deutschen Archäologen bzw. in Ägypten
4.3 Bedeutung Altägyptens für die Arbeiter
5 Schlussfolgerungen
5.1 Verhältnis zwischen deutschen Archäologen und ägyptischen Arbeitern
5.2 Auswirkungen der Ausgrabungen auf das Leben der Arbeiter
5.3 Auswirkungen der Arbeiter auf die Ausgrabungen
5.4 Ausblick: Mögliche bzw. nötige weitere Forschungen
Quellen und Literatur

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Maximilian Georg Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Wissenschafts- und Technikgeschichte Band 3

Editorial Die Wissenschafts- und Technikgeschichte gehört schon lange zum klassischen Kanon der Geschichtswissenschaften, zeichnet sich jedoch dank ihrer Interdisziplinarität durch innovative Forschung und neuartige Herangehensweisen aus. Die Reihe Wissenschafts- und Technikgeschichte bietet der Forschungsdiskussion zur Geschichte der Wissenschaft(en) im Verhältnis zu Macht und Gesellschaft, zur Geschichte des Wissens, des wissenschaftlichen Fortschritts und der Wissensvermittlung sowie der Geschichte der Technologie und technologischen Innovation eine gemeinsame Plattform.

Maximilian Georg, geb. 1987, ist Historiker mit dem Schwerpunkt Globalgeschichte. Er promovierte 2021 an der Universität Leipzig mit einer Arbeit zur Geschichte der Archäologie in Ägypten. Von 2013 bis 2022 forschte er am Leibniz-Institut für Länderkunde (Leipzig) zur Geschichte der Geographie.

Maximilian Georg

Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter Historischer Kontext, personelle Bedingungen und soziale Implikationen von Ausgrabungen in Ägypten, 1898-1914

Für A.B.R. Überarbeitete Fassung der Dissertation »Stille Mitarbeiter. Ägyptische Arbeiter bei Ausgrabungen deutscher Archäologen in Ägypten, 1898-1914«, die 2021 von der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig angenommen wurde.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-n b.de abrufbar.

© 2023 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: »Der Archäologe Georg Steindorff und seine Grabungsmannschaft in Giza, 1903«, Archiv des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig (Ausschnitt) Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar https://doi.org/10.14361/9783839464847 Print-ISBN 978-3-8376-6484-3 PDF-ISBN 978-3-8394-6484-7 Buchreihen-ISSN: 2702-9719 Buchreihen-eISSN: 2749-2052 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Verzeichnis der Karten, Listen, Tabellen und Diagramme ............................... 9 Verzeichnis der Abbildungen .............................................................. 11 Danksagungen ..............................................................................13 1

Voraussetzungen und Methodik ....................................................... 17 1.1 Fallbeispiele und Untersuchungszeitraum .................................................. 19 1.1.1 Was sind »ägyptische archäologische Arbeiter«? .................................... 19 1.1.2 Das »Goldene Zeitalter« der Ägyptologie ............................................ 20 1.1.3 Deutsche Archäologie in Ägypten ab Mitte des 19. Jahrhunderts ..................... 24 1.2 (Primär-)Quellen .......................................................................... 30 1.2.1 Von den deutschen Archäologen hinterlassene Quellen .............................. 30 1.2.2 Von ägyptischen Arbeitern hinterlassene Quellen .................................... 44 1.2.3 Von Dritten hinterlassene Quellen ................................................... 48 1.2.4 Versuch der Oral History............................................................ 55 1.3 Sekundärliteratur..........................................................................57 1.3.1 Ägyptologische Feldberichte .........................................................57 1.3.2 Literatur zur Geschichte der (modernen) Archäologie in Ägypten..................... 58 1.3.3 Literatur mit Grabungsarbeitern im Fokus........................................... 64 1.4 Forschungsperspektiven und -methoden .................................................. 67 1.4.1 Geschichte von unten .............................................................. 67 1.4.2 Globalgeschichte ................................................................... 68 1.4.3 Postcolonial Studies und »Orientalismus« .......................................... 69 1.4.4 Subaltern Studies .................................................................. 70 1.4.5 Sozialgeschichte ....................................................................72 1.5 Gliederung ................................................................................72 2

Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898 ............................................ 75

2.1 Ausgewählte Beispiele .....................................................................77

2.1.1 Die Pioniere: Napoleons savants (1798-1801) und Hamilton (1801/02)................... 78 2.1.2 Die Sammler: Salt (1816-1827), Belzoni (1816-1819), d’Athanasi (1817-1827), Rifaud (1814-1826) ................................................................... 81 2.1.3 Der Entzifferer: Champollion (1828/29) .............................................. 85 2.1.4 Forschungen an den Pyramiden: Vyse (1836/37) und Smyth (1865) .................... 87 2.1.5 Die Preußen: Lepsius (1842-1845) und Brugsch (1853/54) ............................. 92 2.1.6 Der Archäologie-Methodiker: Petrie (1880-1924)...................................... 95 2.1.7 Der Antikendirektor: Mariette (1858-1881) .............................................97 2.2 Fazit: Veränderungen der Archäologie in Ägypten ab 1798 .................................. 98 2.2.1 Etablierung von Archäologen in Ägypten ............................................ 99 2.2.2 Reglementierung der Archäologie in Ägypten........................................103 2.2.3 Rationalisierung der Ägypten-Archäologie...........................................108 2.2.4 »Archäologisierung« der Ägypter; »Ägyptisierung« der Archäologie ................. 112

3

Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen ........... 119

3.1 Untersuchte archäologische Unternehmungen bzw. Kampagnen ........................... 119 3.2 Die Unternehmungen im archäologiehistorischen Kontext..................................124 3.2.1 Die deutschen Chefarchäologen und ihre deutschen Assistenten ....................125 3.2.2 Wahl der Arbeitsorte ............................................................... 127 3.2.3 Verkehr mit dem bzw. Verhältnis zum ägyptischen Antikendienst ....................138 3.2.4 Verhältnis der Archäologen zu Deutschland und Archäologen aus anderen Ländern...143 3.2.5 Archäologische Ansprüche bzw. Arbeitspraxis.......................................146 3.3 Ablauf der Unternehmungen hinsichtlich ihrer ägyptischen Arbeiter........................155 3.3.0 Ablauf eines Arbeitstags ...........................................................156 3.3.1 Arbeiterzahlen .....................................................................158 3.3.2 Arbeiteraufgaben und -klassen .....................................................165 3.3.3 Herkunft, Anwerbung und Verfügbarkeit ............................................184 3.3.4 Ausbildung bzw. Laufbahn ......................................................... 206 3.3.5 Arbeitsmittel ....................................................................... 210 3.3.6 Unterkunft ......................................................................... 219 3.3.7 Verpflegung ....................................................................... 225 3.3.8 Verletzung bzw. Krankheit und Verarztung ..........................................231 3.3.9 Entlohnung........................................................................ 238 3.4 Das Sprechen der deutschen Archäologen mit und über ihre ägyptischen Arbeiter ......... 250 3.4.1 Die deutschen Archäologen und die arabische bzw. nubische Sprache .............. 250 3.4.2 Zur Tätigkeit der Arbeiter: Was die Archäologen sagen ............................. 257 3.4.3 Zur Tätigkeit der Arbeiter: Was die Archäologen unterdrücken ....................... 261 3.5 Das Bild der deutschen Archäologen von Arbeitern und anderen Ägyptern ................. 272 3.5.1 Sprachliche Abgrenzung der Archäologen von ihren Arbeitern ...................... 272 3.5.2 Werturteile der Archäologen über Arbeiter und andere Ägypter ..................... 276 3.5.3 Zwischenfazit ..................................................................... 278 3.5.4 Ein Grund für das Bild von den Ägyptern: Orientalismus............................. 279 3.6 Porträts der in den Quellen sichtbarsten Arbeiter ......................................... 288 3.6.1 Mohammed Ahmed el-Senussi ..................................................... 289 3.6.2 Abu el-Hassan (Abu’l Hassan) Mohammed .......................................... 297

3.6.3 Hissen (Hussein) Mabruk........................................................... 300

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter ...................... 305 4.1 Sozioökonomische Verhältnisse der Arbeiter ............................................. 306 4.1.1 Sekundärliteratur ................................................................. 307 4.1.2 Existenzbedingungen der ägyptischen Landbevölkerung ............................ 309 4.1.3 Sozioökonomische Verhältnisse und Motivation der archäologischen Arbeiter ........315 4.2 Arbeitsbedingungen unter den deutschen Archäologen bzw. in Ägypten ................... 324 4.2.1 Konflikte der Arbeiter mit den Archäologen ........................................ 329 4.2.2 Die Arbeiter als Subalterne ........................................................ 337 4.2.3 Das Feiern der Arbeiter: Feiertage und »Fantasias« ................................ 362 4.3 Bedeutung Altägyptens für die Arbeiter................................................... 365 5

Schlussfolgerungen .................................................................. 373

5.1 5.2 5.3 5.4

Verhältnis zwischen deutschen Archäologen und ägyptischen Arbeitern ................... 378 Auswirkungen der Ausgrabungen auf das Leben der Arbeiter ............................. 389 Auswirkungen der Arbeiter auf die Ausgrabungen ........................................ 394 Ausblick: Mögliche bzw. nötige weitere Forschungen.......................................413

Quellen und Literatur ......................................................................421 a) Archivalische Quellen ..................................................................... 421 b) Publikationen der untersuchten Archäologen und ihrer deutschen Assistenten/Begleiter... 427 c) Sekundärliteratur........................................................................ 430

Verzeichnis der Karten, Listen, Tabellen und Diagramme

Karte 1: Liste 3.1: Tab. 3.3.1: Diagr. 3.3.2.2: Liste 3.3.3.1: Diagr. 3.3.3.1a: Diagr. 3.3.3.1b: Karte 3.3.3.1a:

Karte 3.3.3.1b: Karte 3.3.3.2: Liste 3.3.3.2: Tab. 3.3.3.2: Diagr. 3.3.9.1a: Diagr. 3.3.9.1b: Diagr. 3.3.9.1c: Tab. 3.3.9.2: Liste 3.3.9.2: Liste 3.4.1: Diagr. 5:

Antike und moderne Orte in Ägypten und Grabungsstätten der untersuchten Archäologen, S. 15. Untersuchte archäologische Unternehmungen bzw. Kampagnen, S. 120. Arbeiterkennzahlen nach Feldberichten und -tagebüchern, S. 159. Verhältnis von Männern und Jungen bei den Arbeitern auf Elephantine 1907/08, S. 172. Herkunft der Ortskräfte bei den Ausgrabungen, S. 185. Zahlenmäßige Herkunft von Orts- und Stammkräften in Abusir 1907 und 1907/08, S. 189. Arbeitergesamtzahlen in Amarna 1913/14, S. 190. Die antiken Stätten von Giza, Abusir/Abu Gurob und Saqqara sowie die meisten Herkunftsorte von Grabungsarbeitern bei den untersuchten Ausgrabungen in Giza und Abu Gurob/Abusir, S. 194. Die antike Stätte von Amarna und umliegende Dörfer, S. 195. Quft und Umgebung, 1910, S. 198. »Vorarbeiter« in zufälligen Arbeitswochen der Lohnlisten, S. 200. Wechsel Senussis zwischen den untersuchten Unternehmungen, S. 205. Lohnspannen der verschiedenen Grabungsarbeiterklassen, 1898-1914, S. 238. Durchschnittliche Tageslöhne erwachsener einfacher Arbeiter nach Saisons und Grabungsstätten, S. 239. Lohnspannen von Spezialdienstleistern, 1901-1913, S. 243. Zuschläge während einer Arbeitswoche im Verhältnis zu den Wochenlöhnen, S. 245. Klassenabhängige Zuschläge bei Grabungskampagnen in Piastern pro Person und im Verhältnis zu den Tageslohnsätzen, S. 246. In den Feldtagebüchern am häufigsten verwendete arabische Ausdrücke, S. 253. Organigramm einer Grabung unter Borchardt bzw. Kollegen, 1898-1914, S. 373.

Verzeichnis der Abbildungen

Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21:

Beispielseite der Feldtagebücher von Borchardt et al., S. 36. Beispielseite der Feldtagebücher von Steindorff et al., S. 37. Grabungsarbeiter und Messstab an Monument (wohl Zucker, Elephantine 1907/08), S. 42. Brief des Vorarbeiters Senussi an Steindorff, 1903, S. 46. Die Nofretete-Büste am 6. Dezember 1912 nach ihrer Bergung (Borchardt, Amarna 1912/13; Foto von Johann Georg von Sachsen), S. 52. Morgendlicher Aufruf (?) der Grabungsarbeiter (Borchardt, Abu Gurob/ Abusir 1898-1908), S. 157. Morgendlicher Aufruf der Grabungsarbeiter durch Steindorff (Aniba 1912), S. 158. Grabungsmannschaft mit Steindorff (Giza 1903), S. 163. Grabungsmannschaft mit Borchardt (Abusir 1903-1903/04), S. 164. Grabungsarbeiter bewegen einen Steinblock mit Seilen unter den Augen eines Vorarbeiters (Borchardt, Abusir 1902-1908), S. 168. Grabungsarbeiten (Steindorff, Giza 1910), S. 171. Grabungsarbeiter bzw. Schreiner fertigen Kisten für Funde (Steindorff, Qau 1913/14?), S. 174. Nubischer Koch in Feldküche (Borchardt, Abu Gurob/Abusir 1898-1908), S. 178. Kamele tragen Funde und Ausrüstung zum Bahnhof (Steindorff, Qau 1913/14), S. 179. Mahmud Mohammed el-Itr, Wächter des Antikendienstes in Abusir, S. 182. Saijid Abu Faijad, Karawanenführer der Siwa-Expedition (Steindorff, Siwa 1899/1900), S. 184. Grabungsarbeiten (Steindorff, Giza 1910), S. 211. Typische Hacken verschiedener ägyptischer Orte, S. 212. Korbtragende Kinder (Steindorff, Qau 1913/14), S. 213. Grabungsarbeiten (Borchardt, Abusir 1902-1904), S. 215. Arbeiterkinder bringen Körbe mit Sand oder Schutt zur Feldbahn (Borchardt, Abu Gurob/Abusir 1898-1908), S. 216.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Abb. 22:

Kamele tragen Schienenstücke der Feldbahn (Borchardt, Abusir 1902-1908), S. 217. Abb. 23: Feldbahnbetrieb (Steindorff, Giza 1910), S. 217. Abb. 24: Grabungsarbeiter rollen Funde auf Schienen zum Bahnhof (Borchardt, wohl Abusir 1908), S. 218. Abb. 25: Feldlager aus Zelten (Borchardt, Abusir 1902-1908), S. 222. Abb. 26: Plan des Feldlagers (Borchardt, Abusir 1901/02), S. 223. Abb. 27: Grabungsarbeiter bzw. Handwerker decken das Dach des Grabungshauses (Steindorff, Giza 1909). S. 224. Abb. 28: Fertiges Feldlager (Steindorff, Giza 1909-1910), S. 224. Abb. 29: Wasserträgerinnen (Steindorff, Qau 1913/14), S. 226. Abb. 30: Wasserträger (oder Koch?) mit Kamel und Esel (Steindorff, unbekannte Grabung), S. 226. Abb. 31: Stammarbeiter backen ihr Brot (Steindorff, Aniba 1912), S. 228. Abb. 32: Grabungsarbeiter essen zu Mittag (Borchardt, Abu Gurob/Abusir 1898-1908), S. 229. Abb. 33a-b: Grabungsarbeiter bzw. Angehörige von ihnen werden von Arzt Müller behandelt (Möller, Abusir el-Meleq 1905), S. 237. Abb. 34: Auszahlung (?) der Grabungsarbeiter (Borchardt, Abu Gurob/Abusir 1898-1908), S. 248. Abb. 35: Auszahlung der Grabungsarbeiter (Steindorff, Aniba 1912), S. 249. Abb. 36: Obervorarbeiter Senussi, nach 1903, S. 291. Abb. 37: Obervorarbeiter Senussi; hinter ihm vermutlich andere Vor-/Stammarbeiter bzw. Quftis (Borchardt, Abusir 1902-1908), S. 294. Abb. 38: Obervorarbeiter Senussi im Ruhestand, wohl 1932, S. 296. Abb. 39: Ein Dorf bei den Pyramiden von Giza, S. 319. Abb. 40: Straße in Aniba (Steindorff, Aniba 1912), S. 320. Abb. 41: Das Dorf El-Tell (Borchardt, Amarna 1911), S. 322. Abb. 42: Vorarbeiter mit Peitsche oder Stock, Arbeiterkind mit Korb (Borchardt, Abusir 1902-1908), S. 357. Abb. 43: Vorarbeiter Ali Alejan, mit Stock, erteilt Anweisungen (Steindorff, Qau 1913/14), S. 358. Abb. 44: Grabungsarbeiten in einem Schachtgrab unter den Augen zweier Vorarbeiter bzw. Aufseher (Steindorff, Qau 1913/14), S. 362. Abb. 45: Fantasia der Grabungsarbeiter (Steindorff, Qau 1913/14), S. 364. Abb. 46: Grabungsarbeiten; links am Zeichentisch Steindorff (Qau 1913/14?), S. 383. Abb. 47a-b: »Chaos« und »Disziplin« bei archäologischen Ausgrabungen, S. 403. Abb. 48a-b: Borchardt et al., Lohnliste Amarna 1912/13, Woche 5.-11.12.: Einige der extremen Lohnzuschläge für Grabungsarbeiter, S. 412.

Danksagungen

Die ursprüngliche Version dieser Studie wurde 2021 als Dissertation im Fach Global Studies von der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig angenommen. Verfasst habe ich die Dissertation (Titel: Stille Mitarbeiter) von 2013 bis 2020 im Rahmen der Leipziger Graduate School Global and Area Studies. Ich danke Ute Wardenga für die Betreuung der Dissertation und meine gleichzeitige Beschäftigung am Leipziger Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), wo ich in Projekten der Abteilung Geschichte der Geographie tätig war. Wertvolle Anregungen für die Dissertation erhielt ich außerdem von Matthias Middell und anderen DozentInnen sowie den MitdoktorandInnen der Graduate School Global and Area Studies. Deren Koordinatorin Martina Keilbach danke ich für ihre Hilfe in organisatorischen Belangen. Für die redaktionelle Betreuung beim transcript Verlag danke ich Mirjam Galley. Ich bin Historiker, aber kein Ägyptologe oder Archäologe. Umso wichtiger war für mich die Beratung, die ich von folgenden ÄgyptologInnen erhalten habe: Susanne Voss (Leipzig/Kairo), Dietrich Raue (Leipzig), Tina Beck (Berlin), Stephen Quirke (London), Amr El-Hawary (Bonn), Cornelius von Pilgrim (Kairo), Aiman Ashmawy (Kairo), Mohammed El-Bialy (Kairo), Zahi Hawass (Kairo), Salima Ikram (Kairo), Hatem Keraity (Saqqara), Fatma Keshk (Alexandria) und Adel Kilany (Assuan). Die Verantwortung für den Inhalt der Studie bleibt gleichwohl bei mir. Für den Empfang bzw. die Betreuung in ihren jeweiligen Archiven danke ich Dietrich Raue und Kerstin Seidel (Ägyptisches Museum der Universität Leipzig), Klaus Finneiser und Sandro Schwarz (Ägyptisches Museum Berlin), Isolde Lehnert (Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo), Hisham El-Leithy (Ägyptisches Antikenministerium, Kairo) und Joachim Marzahn (Deutsche Orient-Gesellschaft Berlin). Wesentliche bibliothekarische Dienste geleistet haben mir in Deutschland die Universitätsbibliothek Leipzig einschließlich ihrer ägyptologischen, orientalistischen und archäologischen Teilbibliotheken, die Geographische Zentralbibliothek im Leipziger Leibniz-Institut für Länderkunde, die Staatsbibliothek zu Berlin und die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig, und in Kairo die Bibliothek des Deutschen Archäologischen Instituts, die Biblio- und Kartothek des Institut français d’archéologie orientale, die Bibliothek des Institut dominicain d’études orientales und die Kartothek der Ägyptischen Geographischen Gesellschaft.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Im Jahr 2015 habe ich im August in Ägypten Sprachstudien des ägyptischen Arabisch, von Oktober bis Dezember dann Feldforschungen für meine Dissertation durchgeführt und für beides großzügige Stipendien meiner Leipziger Graduate School Global and Area Studies bzw. des IPID4all-Programms des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) erhalten. Während des neunwöchigen Aufenthalts im Herbst durfte ich in Kairo angenehmerweise in einem Gästezimmer des von Cornelius von Pilgrim geleiteten Schweizerischen Instituts für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde wohnen und in den Räumen des Deutschen Archäologischen Instituts arbeiten. In Kairo danke ich ferner den Kennern der modernen ägyptischen Sozialgeschichte, Pascale Ghazaleh und Nicolas Michel, für ihre jeweiligen Ratschläge. An zwei verschiedenen Orten in Ägypten hatte ich Gelegenheit, im Oktober bzw. November 2015 jeweils für einige Tage insgesamt drei laufende Grabungen besuchen, wofür ich den jeweiligen Grabungsleitern danke: Dietrich Raue von der Grabung der Universität Leipzig und des Ägyptischen Antikenministeriums in Kairo-Matariya (dem antiken Heliopolis), Cornelius von Pilgrim von der Grabung des Schweizerischen Instituts für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Assuan-Elephantine sowie Felix Arnold und Johanna Sigl von der Grabung des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo, ebenfalls auf der Elephantine-Insel. Von meiner Anwesenheit bei diesen Grabungen unter deutscher (Co-)Leitung habe ich nicht nur deshalb profitiert, weil ich als Nicht-Archäologe derartige Unternehmungen noch nie selbst erlebt hatte, sondern vor allem, weil ich dort auf ägyptische Grabungsarbeiter aus Quft getroffen bin, die sich von mir umstandslos beobachten und befragen und im Oktober sogar in ihrem Heimatort haben besuchen lassen. Diese Arbeiter, die dauerhaft in deutschen Diensten stehen und deshalb größtenteils sowohl im Oktober in Kairo als auch im November in Assuan mitwirkten, waren der Vorarbeiter (arab.: rais) El-Amir Kamel und seine Mannschaft, vor allem Abd el-Aziz Obeid Allah, Abd el-Rasul Mahmud, Ahmed el-Amir Kamel, Attiya El-Daba, Eid Abu El-Hamid, Hamdi Ahmed Duur, Mahmud Guma, Mohammed Awad Allah und Salman Mohammed Ali. In Quft im Oktober haben mich neben Hamdi Ahmed Duur, Mohammed Awad Allah, Salman Mohammed Ali und El-Amir Kamel die pensionierten Grabungsarbeiter Helmy Mohammed Jussuf und Mahmud Abbady Ahmed empfangen. Omar Faruk, ein weiterer Rais aus Quft, hat mich in Kairo besucht, und sein Bruder Rais Ali Faruk hat mir in Luxor ausführliche Interviews gegeben und mir in Quft im November die Häuser seiner seit Generationen in der Archäologie tätigen Familie gezeigt. Quft und die »Quftis« werden in dieser Studie eine wichtige Rolle spielen. Wegen meiner kargen Arabischkenntnisse war ich bei den Gesprächen mit den meisten Quftis allerdings auf englischsprachige Dolmetscher angewiesen. In dieser Funktion halfen mir in Matariya der Archäologe Jakub Ordutowski, auf Elephantine die Archäologinnen Mennat-Allah El-Dorry und Fatma Abd el-Hay sowie in Quft mein guter Freund Ramy Farouk Hanna, dem ich zusätzlich dafür danke, dass er im Oktober eigens mit mir von Kairo nach Luxor und Quft gereist ist. Er ist der lebende Beweis dafür, dass die berühmte »ägyptische Gastfreundschaft« nicht nur eine Redensart ist. Leipzig, September 2022

Maximilian Georg

Karte 1: Antike und moderne Orte in Ägypten und Grabungsstätten der untersuchten Archäologen

1 Voraussetzungen und Methodik

Who did the actual digging? 1 Wie kaum ein anderes Land verbinden wir Ägypten mit Altertümern und Archäologie. Artefakte, die dort ausgegraben worden sind, finden wir in zahllosen Bildern und Büchern dargestellt, und in Museen auf allen Kontinenten ausgestellt. Zusätzlich erklären uns Veröffentlichungen und Ausstellungen, was von welchen Archäologen2 ausgegraben worden ist. Dagegen erfahren wir selten etwas darüber, wie die Ausgrabungen abgelaufen sind – »wie« verstanden nicht in dem technischen Sinne, welche Hacken oder Schaufeln benutzt wurden, sondern im Sinne äußerer Umstände: Wie organisierten jene Archäologen ihre Erkundungen und Ausgrabungen; wie verhielten sie sich gegenüber den ägyptischen Behörden; und welche Rolle(n) spielte die einheimische Bevölkerung? Versteht sich dieses »Wie« von selbst? Keineswegs: Die Archäologen kamen mehrheitlich aus Europa und Amerika. Sie mussten also zunächst den langen Weg nach Ägypten zurückzulegen; ein Land Tausende Kilometer von ihren Herkunftsorten entfernt und Teil einer in vieler Hinsicht anderen Kultur und Natur. Dort angekommen, mussten sie Objekte ausfindig machen, die seit Jahrtausenden vergessen unter Massen von Schutt, Schluff und Sand lagen. Sie mussten dann diese Massen entfernen und aus den Löchern tonnenschwere Monumente heben oder aber winzige Bruchstücke antiker Artefakte zusammensuchen – alles in Wüstenklima. Sie mussten am Ende, um die Museen ihrer Heimatländer zu bestücken, die Funde aus Ägypten herausbringen. All diese Vorgänge bedeuten offensichtlich einen enormen Aufwand an Organisation, Zeit und Arbeitskraft. Folglich erfordern sie Interaktionen mit den Menschen, die den Schauplatz der Vorgänge, Ägypten, bewohnen. Die Abendländer mussten dort für Monate oder gar Jahre leben und »überleben«; und bereits finanzielle Gründe lassen es unumgänglich erscheinen, dass archäologische Unternehmungen Anwohner sogar als Arbeitskräfte beschäftigt ha-

1 2

Hodder/Berggren, Field Archaeology, 57. Zur besseren Lesbarkeit verzichte ich in diesem Buch auf die weibliche Form von Personenbezeichnungen. Frauen sind in der männlichen Form prinzipiell mitgemeint. Die hier untersuchten Archäologen und archäologischen Arbeiter waren gleichwohl fast alle männlich.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

ben – wie es heute ein Wirtschaftsunternehmen tut, wenn es Standorte im Ausland eröffnet. Wer in Ägypten eine archäologische Ausgrabung durchführen will, benötigt dazu in der Tat ägyptische Arbeiter. Denn Zeit und Geld jeder Ausgrabung sind mehr oder weniger eng begrenzt. Trotzdem sollen so viele bzw. so gute Ergebnisse erzielt werden wie möglich. Hierzu muss man verschüttete Bauwerke und bewegliche Gegenstände erstens freilegen, zweitens reinigen und drittens wissenschaftlich aufnehmen. Grabungsarbeiter sind zumindest für den ersten und zweiten Schritt unabdingbar. Das Freilegen stellt erstens so große physische und zweitens (vergleichsweise) so geringe intellektuelle Ansprüche, dass jene Handvoll Archäologen, die eine Grabung betreuen, für das Freilegen selbst erstens zahlenmäßig zu gering und zweitens überqualifiziert wären. Andererseits wäre es unbezahlbar, für das Freilegen Arbeiter in ausreichender Zahl von außerhalb Ägyptens heranzuholen, sie dort unterzubringen und zu verpflegen. Letztlich verbleiben ägyptische Arbeiter, wohnhaft möglichst nahe an der Ausgrabungsstätte, als einzige Option. Tatsächlich beschäftigten die großen Ausgrabungen der »modernen« Archäologie, die in Ägypten Mitte des 19. Jahrhunderts begannen, bis hinein in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts regelmäßig Hunderte von Ägyptern. Bei den zwischen 1898 und 1914 von Deutschen geleiteten Kampagnen, die im Zentrum dieser Studie stehen werden, konnten es durchschnittlich deutlich über 100 sein. Die Kampagnen von Archäologen aus anderen Ländern kamen auf ähnliche Zahlen. Heute sind überall weit weniger einfache Grabungsarbeiter im Einsatz, weil diese wegen des über die Jahrzehnte gestiegenen allgemeinen Lohnniveaus teurer geworden sind und für das Bewegen von Abraum oder schweren Fundstücken mittlerweile hochleistungsfähige Maschinen zur Verfügung stehen. Überdies sind viele archäologische Stätten längst von Sedimentmassen befreit und müssen nun vor allem gereinigt und erfasst werden, was weniger, doch dafür umso geschultere Hände verlangt. Dies erhöht die Bedeutung archäologischer Facharbeiter, die in Ägypten traditionell aus Quft in Oberägypten kommen und von dort aus zu Arbeitsstätten im ganzen Land reisen. Für die Deutschen zum Beispiel arbeiteten die Quftis schon vor über einem Jahrhundert (Kap. 3.3.3.2), und tun es noch heute. Und selbst wenn es außerhalb Ägyptens ägyptologisch-archäologische Facharbeiter gäbe, und man sie regelmäßig einfliegen wollte, wäre dies nicht zu bezahlen. So besteht die Notwendigkeit ägyptischer Arbeiter bei archäologischen Ausgrabungen in Ägypten bis auf Weiteres fort, wenn auch in anderer Form. Wie sind die ägyptischen Arbeiter der Archäologie in Ägypten bisher gewürdigt worden? Heute danken ihnen Archäologen mit ein paar Vorwortzeilen in Feldberichten; vor einhundert Jahren flochten sie in manche Berichte Anekdoten über ihre Arbeiter ein. Texte, die Arbeiter zum eigentlichen Inhalt machen, gibt es kaum. Über Feldberichte hinausgehende Publikationen zur Archäologie in Ägypten beschränken sich in der Regel auf gemachte Funde und deren Aussagen über das alte Ägypten. Publikationen zur Geschichte der Archäologie in Ägypten lassen die Arbeiter meist hinter leitenden (westlichen) Archäologen und »deren« Funden verschwinden. Und Disziplinen außerhalb der Ägyptologie, die geeignet wären, ägyptische Grabungsarbeiter zu thematisieren – etwa Sozialgeschichte, Orientalistik oder Ethnologie – haben es selten getan. Am meisten wä-

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re dieser Vorwurf aber der Ägyptologie zu machen, die den Arbeitern am nächsten steht, da ihre archäologische Praxis diese erst hervorbringt. Andererseits: Warum überhaupt sollte sich die Ägyptologie, die sich als Erforscherin des antiken Ägypten versteht, darüber hinaus mit Menschen befassen, die zum modernen Ägypten gehören? Mit anderen Worten: Zu welchem höheren Zweck widme ich diese Studie den Arbeitern der deutschen Archäologen in Ägypten um 1900 und nicht den letztendlichen Erkenntnissen zum alten Ägypten, um die sich sowohl Arbeiter als auch Archäologen direkt oder indirekt bemüht haben? Mit welcher Berechtigung gebe ich dem Weg, der zu den Ergebnissen geführt hat, den Vorzug vor den Ergebnissen selbst? Ist der Weg nicht eigentlich ohne Bedeutung? Nein: Er hat etwas, und nicht wenig, zu bedeuten, weil bei einer archäologischen Ausgrabung der Weg mit über die Ergebnisse entscheidet. Ändert er sich, ändern sie sich.

1.1 Fallbeispiele und Untersuchungszeitraum Diese Studie untersucht die ägyptischen archäologischen Arbeiter jener Feldprojekte, die die folgenden fünf deutschen (Chef-)Archäologen jeweils zwischen 1898 und 1914 in Ägypten durchgeführt haben: Ludwig Borchardt (1863-1938), Georg Steindorff (1861-1951), Georg Möller (1876-1921), Otto Rubensohn (1867-1964) und Friedrich Zucker (1881-1973).

1.1.1

Was sind »ägyptische archäologische Arbeiter«?

Die allermeisten »Arbeiter« der genannten Archäologen waren Grabungsarbeiter: Stamm- oder Gelegenheits-; Vor- oder einfache Arbeiter, die die antiken Stätten buchstäblich ausgruben, aber auch, als Teil dieses Vorgangs, Funde reinigten oder aufnahmen oder andere Grabungsarbeiter beaufsichtigten (Kap. 3.3.2.1-2). Grabungsarbeiter haben den unmittelbarsten Einfluss auf Bedingungen und Ergebnisse archäologischer Unternehmungen gehabt, weshalb ihre Erforschung für die Ägyptologie am relevantesten ist. Neben dem eigentlichen Graben fielen bei einer Ausgrabung und natürlich anderen Arten archäologischer Forschung – die zu untersuchenden Archäologen unternahmen auch zwei Expeditionen sowie Antikenkauf- bzw. Erkundungsreisen (Kap. 3.1) – Aufgaben an, die höchstens indirekt mit Grabung verbunden waren: Kochen, Bewachen, Wegweisen und so fort. Wie Grabungsarbeiter waren Köche, Wächter oder Wegführer Ägypter und, wo sie eingesetzt wurden, notwendiger Teil des Personalsystems der damaligen deutschen Archäologie in Ägypten. Von den Archäologen wurden sie kaum anders behandelt als Grabungsarbeiter; außerdem konnten diese ebenfalls zu »Spezialdienstleistern« werden und umgekehrt (3.3.2.3). Aufgrund dessen untersucht diese Studie zwar größtenteils Grabungs-, aber auch andere »archäologische«, das heißt der archäologischen Unternehmung dienende Arbeiter bzw. von den Archäologen Angestellte. Der Einfachheit halber werde ich auch Angestellte wie Wegführer, die bei einer Unternehmung keine »Arbeit« im Sinne von körperlicher Arbeit verrichteten, unter die zu untersuchenden archäologischen »Arbeiter« fassen. In weder der einen noch der anderen Weise von

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den Archäologen angestellt waren dagegen Antikenhändler, Angehörige des ägyptischen Antikendienstes und andere Amtspersonen, weshalb ich diese Gruppen lediglich streifen werde. Als »Ägypter« wiederum verstehe ich alle Arbeiter und sonstige sich in Ägypten aufhaltende Menschen, die von den zu untersuchenden Archäologen als »Ägypter« wahrgenommen bzw. nicht anders behandelt wurden (Kap. 3.5). Darunter fallen auch Nubier und Beduinen, obwohl diese Gruppen für (sesshafte) Ägypter aus Ober- oder Unterägypten keine Ägypter gewesen sein mögen, sowie Sudanesen (deren Land von 1821 bis 1956 von Ägypten regiert wurde; ab 1899 gemeinsam mit den Briten3 ), obwohl die Archäologen letztere durchaus als solche bezeichneten. Hierzu muss erläutert werden: Die Grenze zwischen Ägypten und dem Sudan liegt bei Wadi Halfa am zweiten Nilkatarakt, doch der Kulturraum Nubien liegt beiderseits der politischen Grenze; während meines Untersuchungszeitraums verortete man ihn zwischen dem ersten Katarakt bei Assuan und dem vierten; oder gar dem sechsten bei der sudanesischen Hauptstadt Khartum.4 Wenn die Archäologen in Oberägypten und im Nubien nördlich Wadi Halfas von »Sudanesen« sprechen, meinen sie also ebenfalls eher Nubier – wenngleich es auch in Nubien einige Sudanesen (schwarze Afrikaner) gab, die sich noch nicht mit Nubiern oder gar Ägyptern vermischt hatten.5 Alternativ nannten die Archäologen Menschen aus Nubien wie damals üblich »Berberiner« – abgeleitet von der von den ethnischen Ägyptern gebrauchten arabischen Bezeichnung barabra (Singular: berberi), »was wie das griechische ›Barbaren‹ einfach Ausländer bedeutet«.6

1.1.2 Das »Goldene Zeitalter« der Ägyptologie7 Die zu untersuchenden Archäologen Borchardt, Steindorff, Möller, Rubensohn und Zucker waren die bedeutendsten oder zumindest aktivsten deutschen Ägypten-Archäologen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Doch nicht nur ihretwegen sind die Jahre von den 1880ern bis 1914 wiederholt als »Goldenes Zeitalter« der Ägyptologie bezeichnet worden.8 Um die Gründe dafür zu verstehen, müssen wir bedenken, dass die Ägyptologie, die Wissenschaft vom alten Ägypten, methodisch auf zwei Füßen steht: einerseits die sozusagen praktische Archäologie, die im Feld die Überreste des alten Ägypten ausgräbt;

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Das britisch-ägyptische Kondominium wurde proklamiert, nachdem die britische Armee den Sudan für Ägypten von den aufständischen Anhängern des »Mahdi« (eines islamischen »Messias«) zurückerobert hatte. De facto wurde der Sudan zu einer britischen Kolonie. Die britischen Herrscher stießen in dem Land auf fortwährenden Widerstand, den sie mit harter Hand bekämpften (Daly, Sudan, Kap. 3). Mühl, Ägypten, 79 (vierter); Hall, Egypt, 30f. (sechster). Fircks, Aegypten, Bd. 1, 154-156; zu Sudanesen in Ägypten allgemein: Baedeker, Ägypten, LXII. Mühl, Ägypten, 79f. Teile dieses Abschnitts entstammen Georg, Egyptology as Area Study, 278-281; Recherche commune, 190-192. Kees, Geschichte der Ägyptologie, 6-13; Gertzen, École de Berlin; Thompson, History of Egyptology, Bd. 2.

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andererseits die sozusagen theoretische Ägyptologie, die am Schreibtisch bzw. im Labor die ausgegrabenen Überreste interpretiert. Nachdem die »Ägyptologie« (wohl ab Mitte des 19. Jahrhunderts so genannt9 ) von Napoleon Bonapartes militärisch-wissenschaftlicher Ägypten-Expedition (1798-1801) als systematische Disziplin initiiert worden war, entwickelte sie sich als solche im Laufe des 19. Jahrhunderts weiter. Im »Goldenen Zeitalter« fand ihre Konstituierung ihren Abschluss; die Ägyptologie wurde gewissermaßen erwachsen, weil während dieser Zeit Strukturen und Praktiken; insbesondere Institutionen und Methoden zur (vollen) Ausbildung gelangten, die bis heute das Fach kennzeichnen bzw. sein Fundament bilden.10 In Ägypten, das sich seit 1882 politisch fest im Griff der Briten befand, waren das die (bis 1952 weiterhin französisch geleitete) Antikenverwaltung; archäologische Institute und Museen sowie regelmäßige Ausgrabungen, die nach wohlüberlegten Methoden vorgingen; in Europa und Nordamerika universitäre Institute und Forschungsmuseen, die Ausgrabungen in Ägypten finanzierten und zu ihnen verbrachte Fundstücke nach wohlüberlegten Methoden studierten; ihre Forschungsergebnisse publizierten die Archäologen bzw. Ägyptologen nun in Fachzeitschriften und standardisierten Monographien. Getragen wurde die »Vergoldung« der Ägyptologie von Forschern aus großen und kleineren europäischen Ländern, den Vereinigten Staaten und, im Rahmen ihrer vom Ausland eingeschränkten Möglichkeiten (Kap. 4.2.2.1), Ägypten selbst. Allerdings wandten sich einige Länder jeweils eher einem als dem anderen der beiden Füße des Faches zu: die Briten und dann die US-Amerikaner am meisten der Archäologie; die Deutschen am meisten der theoretischen Ägyptologie, die vor allem in der Philologie, der ägyptischen Sprachkunde, besteht. Die Franzosen bewegten sich dazwischen. Die moderne Philologie war im 18. Jahrhundert in Deutschland überhaupt begründet worden und beherrschte dort über weite Strecken des 19. Jahrhunderts die Geisteswissenschaften11 und insbesondere die Altertumswissenschaft seit deren Entstehung um die Wende zum 19. Jahrhundert. Die Väter der deutschen Altertumswissenschaft, namentlich Friedrich August Wolf (1759-1824) und sein Schüler August Boeckh (1785-1867), waren nämlich der Auffassung gewesen, dass die Geschichte eines jeden Volkes in seiner Sprache beschlossen lag.12 Von der Altertumswissenschaft ging das philologische Paradigma auf die deutsche Ägyptologie über, als deren Begründer Karl (Carl) Richard Lepsius (1810-1884) gilt.13 Er leitete von 1842 bis 1845 eine preußische Ägypten-Expedition, die die Sammlung des Ägyptischen Museums in Berlin wesentlich bereicherte. Ab 1855 leitete er das Museum. Zugleich hatte er an der Berliner Universität ab 1846 Deutschlands erste Ägyptologie-Professur inne. Er vollendete nach Champollions Durchbruch die Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen und leistete maßgebliche Beiträge auch zur Erforschung anderer afrikanischer Sprachen wie dem Nubischen.

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Zur Begriffsgeschichte: Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 2; u. Kap. 2.2.3. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, xiii. Allgemein: Werner, Philology in Germany; zur »Philologisierung« der (den modernen Orient erforschenden) Orientalistik in Deutschland: Mangold, Deutsche Orientalistik, 78-91. Poiss, Boeckh, 65f. Lepper/Hafemann, Lepsius.

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Als Museumsdirektor und Professor beerbte Lepsius 1885 sein Schüler Adolf Erman (1854-1937). Während seiner bis 1914 (Museum) bzw. 1923 (Lehrstuhl) dauernden Ausübung dieser Ämter baute Erman mit seinen Schülern die sogenannte »Berliner Schule« der Ägyptologie auf,14 die altägyptische Texte erstmals systematisch strengen philologischen Untersuchungen unterzog. Deren Ergebnisse gossen die Berliner in Grammatiken und, ab 1897, in das monumentale Wörterbuch der Aegyptischen Sprache (erschienen 1926-1961).15 Erman ist als eine von zwei Schlüsselfiguren des ägyptologischen »Goldenen Zeitalters« bezeichnet worden. Die andere sei der Franzose Gaston Maspero (1846-1916) gewesen.16 Auch Maspero saß jahrzehntelang auf ägyptologischen Lehrstühlen: in Paris sowohl am Collège de France (1873-1916) als auch an der École pratique des hautes études (1874-1900). Seinen historischen Rang erwarb er sich jedoch hauptsächlich als zweifacher, prägender Direktor der ägyptischen Antikenverwaltung (1881-1886, 1899-1914), also eher als Archäologe bzw. Archäologie-Organisator denn als ägyptologischer Philologe bzw. Theoretiker.17 Die britische Ägyptologie wurde in jener Zeit angeführt von William Matthew Flinders Petrie (1853-1942), der das Urbild des professionellen Ägypten-Archäologen verkörperte. Zwischen 1881 und 1924 arbeitete er fast jedes Jahr an einem anderen Ort am Nil und entwickelte dabei moderne Grabungs- und Aufnahmetechniken, die die Ägypten-Archäologie »to an entirely new level« hoben.18 Ab 1892 war auch er in London Professor für Ägyptologie (bis 1933), verbrachte indes weiterhin die Hälfte seines Jahres in Ägypten und blieb selbst in England ständig damit beschäftigt, Geldmittel für seine Feldarbeit einzuwerben.19 Erman reiste in seinem Leben nur wenige Male überhaupt nach Ägypten, und führte nie Grabungen durch. Den deutschen bzw. philologischen Beitrag zur Ägyptologie hielt er dennoch für den wichtigsten vor allen anderen, da für ihn die Philologie die einzige Methode darstellte, die die Ägyptologie weg vom »Dilettantismus« hin zu echter Wissenschaftlichkeit führen könne.20 Briten und Franzosen mochten mit ihren Ausgrabungen zwar den ägyptologischen »Rohstoff« »heranschaffen«; »die wissenschaftliche Verarbeitung dieses Materials« sei hingegen Sache der Deutschen21 – weil die anderen dazu wegen ihrer nicht- oder weniger philologischen Ansätze gar keine Kompetenz besä14 15 16 17 18 19 20

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Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 151-162; Trümpener, Zwergwissenschaft, 81-86; Wilson, American Egyptology, 109-111; ausführlich: Gertzen, École de Berlin. Gertzen, École de Berlin, Kap. 4; Seidlmayer, Erman und das Wörterbuch. Kees, Geschichte der Ägyptologie, 6. Zur »französischen« Schule der Ägyptologie: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 162-164. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 282; vgl. u. Kap. 2.1.6, 2.2.3. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 57; zur »britischen« Schule der Ägyptologie: 164-180. Gertzen, Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie, 43-46. 1885 schrieb Erman in einem anonymen Zeitungsartikel selbst von jenem »Dilettantismus«, dem erst die Berliner »ägyptische Sprachwissenschaft« »energischen Widerstand« entgegensetze (Vossische Zeitung, 24.1.1885, Beil. 1, zit.n.: Gertzen, a.a.O., 43). Erman zit.n.: Gertzen, École de Berlin, 150; vgl. 37f. Auch der Leipziger Ägyptologie-Professor Georg Ebers (u. Kap. 1.1.3) wollte die deutsche Ägyptologie nicht an ihrer spärlichen Archäologie messen, denn »bei der Bewertung des [in Ägypten] gewonnenen Materials« stünden die deutschen Ägyptologen »allen anderen Nationen voran. […] Deutschem Fleiß und Scharfsinn ist es nämlich zu ver-

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ßen.22 Woher diese Herablassung Ermans und anderer »Berliner«? Erstens fühlten sie sich ernsthaft wissenschaftlich überlegen; zweitens erblickten sie als Deutsche ihrer Zeit vor allem in den Franzosen auch politisch-nationale Widersacher; drittens mussten sie Franzosen und Briten schlichtweg darum beneiden, dass diese in Ägypten spätestens seit den 1880er Jahren regelmäßig archäologische Ausgrabungen oder andere Forschungen durchführten, während deutsche Ägyptologen am Nil kaum präsent waren – und sein konnten. Die Franzosen leiteten die Antikenverwaltung (Service des Antiquités de l’Égypte) des ägyptischen Vizekönigs seit der Gründung 1858. Unter dem Gründungsdirektor Auguste Mariette (1821-1881) behielt sich die Behörde im ganzen Land das alleinige Recht auf Ausgrabungen vor. Sein Nachfolger Maspero begann, auch externen Archäologen Grabungskonzessionen zu erteilen. Vor allem Franzosen und Briten nahmen diese in Anspruch. In Frankreich galt die Ägyptologie seit Napoleons Expedition als französische Wissenschaft bzw. nationale Aufgabe und genoss entsprechende politische Unterstützung.23 Ende der 1870er Jahre stellte der absehbare Tod des kranken Mariette die Frage nach der Zukunft der französischen Antikenverwaltung – würde die ägyptische Regierung die Behörde mit Mariette sterben lassen, oder aber ihre Leitung einem Ägyptologen aus Deutschland anvertrauen? Als (im Rückblick unnötige) Vorsichtsmaßnahme eröffnete die französische Regierung 1880 in Kairo als zweiten Stützpunkt und zuverlässigere Machtbasis französischer Ägyptologen eine ständige archäologische Vertretung namens »École française«, die 1898 in »Institut français d’archéologie orientale« (IFAO) umgetauft wurde.24 Hauptsächlich auf Rechnung dieser Einrichtung führten von den französischen Archäologen allein jene, die nicht dem Antikendienst angehörten, zwischen 1899/1900 und 1912/13 in Ägypten 63 Feldprojekte durch.25 Die britische Regierung, die Ägypten 1882 zu ihrem Protektorat gemacht hatte, fürchtete die dortige Archäologie als Quelle politischer Verwicklungen und beließ die Antikenverwaltung also bei Frankreich. 1904 wurde diese Regelung in der franko-britischen Entente cordiale fixiert.26 In Großbritannien war Ägyptologie ohnehin, zumindest ab Mitte des 19. Jahrhunderts und im Vergleich zu Frankreich, eine eher private als öffentliche Angelegenheit.27 Nichtsdestoweniger kamen jene britischen Archäologen, die nicht dem Antikendienst angehörten, zwischen 1899/1900 und 1912/13 in Ägypten

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danken, daß aus dem Dolmetschen und Raten der früheren Zeit echte Sprachforschung wurde« (Ausgrabungen in Aegypten, 89-91 [Zitat: 89f.]; hierzu ferner Gertzen, a.a.O., 89-91). Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 164; Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 152f. Gady, Égyptologues français au XIXe siècle; Grange, Archéologie et politique. Institut français d’archéologie orientale, École du Caire, bes. 7-58; zu den Gründungsmotiven der »École« : ebd., 26f.; Gady, Pharaon, 311-322. Gady, Pharaon, 633, 1158-1163. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 4, 129f.; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 278, 293-295; Elshakry, Histories of Egyptology, 189; zur Entente cordiale ferner Gady, Pharaon, 646-657; Égyptologues français et britanniques. Gady, Diplomaties culturelles; ferner Exell, Egyptology, 481; Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 181; Bd. 2, 179f.; Bd. 3, 181; Dodson, British Isles; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 271, 294, 379.

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sogar auf 82 Feldprojekte.28 Sie verdankten dies vor allem dem als Archäologen wie als Geldbeschaffer unermüdlichen Flinders Petrie sowie dem 1882 durch eine Privatinitiative geschaffenen »Egypt Exploration Fund« (EEF) in London, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Geld für die archäologische Sicherung von Ägyptens Altertümern zu sammeln und es Archäologen wie Petrie zur Verfügung zu stellen.29

1.1.3 Deutsche Archäologie in Ägypten ab Mitte des 19. Jahrhunderts30 Nach Lepsius’ ertragreicher Expedition in den 1840er Jahren31 entsandte der preußische König 1853 mit Heinrich Brugsch (1827-1894) erneut einen deutschen Ägyptologen nach Ägypten, wo dieser für ein Jahr Altertümer erkundete.32 1864 wurde er sogar zum preußischen Konsul in Kairo ernannt, kehrte aber nach vier Jahren nach Deutschland zurück, um eine Ägyptologie-Professur in Göttingen anzutreten. Da er dort nicht zurechtkam, nahm er 1869 das Angebot der ägyptischen Regierung an, in Kairo einer neuen Schule für die ägyptologische Ausbildung von Ägyptern vorzustehen.33 1874 schloss sie wieder, weil der Antikendienst unter Mariette sich dagegen wehrte, Absolventen der Schule einzustellen. Als 1880/81 die Frage im Raum stand, wer dem sterbenden Mariette als Antikendirektor nachfolgen sollte, zog der ägyptische Vizekönig Brugsch in Erwägung; allerdings setzten die Franzosen aus nationalistischen Gründen ihren Landsmann Maspero durch. Die deutsche Regierung blieb untätig, weil sie auf Karl Richard Lepsius hörte, der Brugsch aus persönlichen Gründen nicht ausstehen konnte.34 Auch bei Masperos Nachfolge 1886 wurde Brugsch zum Ärger deutscher Ägyptologen zugunsten des Franzosen Eugène Grébaut (1846-1915) übergangen.35 So blieb Brugschs »wohl entscheidende[r] Beitrag« zur Ägyptologie bezeichnenderweise das Hieroglyphisch-demotische Wörterbuch aus seinem Göttinger Intermezzo.36 Ein anderer deutscher Ägyptologe, Johannes Dümichen (1833-1894), reiste für den Sommer des Jahres 1868 ebenfalls auf königlich-preußischen »Befehl« an den Nil,37 ließ sich aber 1872 als Ägyptologie-Professor in Straßburg nieder. Insgesamt besaß Deutschland zu diesem Zeitpunkt fünf ägyptologische Lehrstühle (Berlin, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Straßburg), während es in Frankreich nur zwei und in Großbritannien keinen einzigen gab. Umgekehrt ging die Tätigkeit deutscher Archäologen in Ägypten in

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Gady, Pharaon, 633, 1158-1163. James, Egypt Exploration Society; Spencer, Egypt Exploration Society. 1919 hat die bis heute bestehende Organisation ihren Namen von »Fund« in »Egypt Exploration Society« geändert. Teile dieses Abschnitts entstammen Georg, Recherche commune, 190f. Zum Verlauf der Expedition: Lepsius, Briefe aus Aegypten; ihre Ergebnisse: Lepsius, Denkmaeler aus Ägypten und Äthiopien. Brugsch, Aegypten. Reid, Whose Pharaohs, 116-118. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 4f.; zur Ablehnung Brugschs durch Lepsius: Gertzen, Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie, 40. David, Maspero, 172f. Gertzen, Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie, 41. Dümichen, Resultate der Expedition.

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den folgenden Jahren so zurück, dass der Abgeordnete Rudolf Virchow (1821-1902) 1898 im Preußischen Landtag erklärte: »Wir [empfinden] es zuweilen schmerzlich […], dass Deutschland, welches eine Zeit lang namentlich durch Lepsius einen so grossen Vorstoss auf diesem Gebiete [der Archäologie in Ägypten] gemacht hat, allmählich ganz zurückgeblieben ist […]. Wir hätten allerdings wohl den Wunsch gehabt, dass Deutschland mehr aktiv in diese […] Bewegung [der Franzosen und Briten] hineingreifen möchte«.38 Tatsächlich hatten die Regierungen Preußens bzw. anderer deutscher Staaten sowie des Deutschen Reichs eine deutsche Ägypten-Archäologie zu diesem Zeitpunkt seit mindestens drei Jahrzehnten kaum mehr gefördert. Die deutsche Politik freute sich an der britisch-französischen Rivalität in bzw. um Ägypten und fürchtete, im Falle einer eigenen Intervention von einer der beiden Seiten für deren Zwecke instrumentalisiert zu werden. Berlin zog es vor, seine Kolonien etwa in Südwestafrika und China zu errichten und konnte dort wiederum von den Briten, die auf diese Gebiete ebenfalls ein Auge geworfen hatten, Wohlwollen verlangen als Gegenleistung für deutsche Zurückhaltung in Bezug auf Ägypten.39 Hatte der deutsche bzw. preußische Staat nicht ohnehin schon mit Entsendung der Lepsius-Expedition seine »vollste Schuldigkeit« gegenüber der Ägyptologie »gethan«, wie der ebenfalls nostalgische Brugsch Anfang der 1890er Jahre wohl oder übel zugestand?40 Immerhin hatten die von dieser Unternehmung mitgebrachten Antiken das Berliner Museum zu einer der weltweit bedeutendsten ägyptischen Sammlungen gemacht. Zum Zeitpunkt von Virchows Forderung war seitdem jedoch ein halbes Jahrhundert vergangen, und ohne einen gewissen »Nachschub« von Forschungsobjekten aus Ägypten würde die deutsche Ägyptologie von Franzosen und Briten bald überholt werden. Diese, wusste der Mediziner mit ausgeprägten archäologischen Interessen Virchow,41 seien zwar »sehr geneigt […], auch Anderen etwas von ihren Funden [in Ägypten] zu überlassen; aber immerhin nehmen sie doch den Löwenantheil für sich, und wenn man das älteste Ägypten studiren will, so kann man das nicht in Berlin thun, sondern man muss wo anders hingehen«.42 Auch der Philologe Adolf Erman konnte bei seiner Arbeit auf einen regelmäßigen Neuzugang von Fundstücken nicht verzichten. Zunächst schien es ihm jedoch besser, weil kostengünstiger, Antiken nicht selbst auszugraben, sondern sie von Händlern oder dem ägyptischen Antikendienst anzukaufen. Schließlich betreute dessen einziger fester deutscher Mitarbeiter Emil Brugsch (1842-1930), Heinrichs jüngerer Bruder, von 1872 bis 1914 als Konservator das zum Antikendienst gehörende Ägyptische Museum in Kai-

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Virchow, Altertumsforschung, 121; vgl. Marchand, German Orientalism, 352f.; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 357. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 33, 165; ferner Kröger, Ägyptischer Knüppel. Brugsch, Leben, 124. Brugsch klagend über den Bedeutungsverlust der deutschen Ägyptologie: David, Maspero, 180 (Brief an Maspero, 1893). Er forschte selbst zum alten Ägypten und publizierte z.B. 1898 eine Abhandlung Über die ethnologische Stellung der prähistorischen und protohistorischen Ägypter. Vgl. ferner Herrmann, Schliemann and Virchow. Virchow, Altertumsforschung, 121.

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ro.43 Ermans Kollegen Georg Ebers (1837-1898) und August Eisenlohr (1832-1902) machten sich hingegen in den 1880er Jahren daran, die preußische bzw. deutsche Regierung dazu zu drängen, in Ägypten archäologische Präsenz zu zeigen. Angetrieben wurden die Ägyptologie-Professoren in Leipzig bzw. Heidelberg teils von nationalistischer Eifersucht auf Franzosen und Briten; teils von der Sorge, die Ruinen in Ägypten seien von dessen Modernisierungsmaßnahmen bedroht und müssten davor bewahrt oder zumindest wissenschaftlich dokumentiert werden, bevor sie hierzu nicht mehr zur Verfügung stünden. 1894 ging es konkret um Planungen zum ersten Assuan-Staudamm, hinter dem viele antike Stätten im Wasser versinken würden. Diese Aussicht beunruhigte sogar Erman, sodass er Ende 1895 seinen Schüler Ludwig Borchardt nach Ägypten schickte, um mit internationalen Kollegen die vom Wasser bedrohte Insel Philae zu untersuchen.44 Borchardt nahm dort und in der Umgebung Bauwerke auf, ließ kleine Grabungen ausführen und kopierte antike Inschriften. Anschließend erkundete er von April bis Juli 1896 Unternubien und Oberägypten.45 Borchardts Auftrag war auf höchstens ein Jahr begrenzt. Allerdings entflammte (das alte) Ägypten eine solche Leidenschaft in ihm, dass er sich noch 1896 in Kairo offenbar auf eigene Faust erfolgreich darum bewarb, an der Katalogisierung des Ägyptischen Museums mitzuarbeiten. Erman dagegen bat den deutschen Kaiser 1897 um Fördermittel nicht für weitere deutsche archäologische Arbeiten in Ägypten, sondern ausdrücklich nur für das von der Berliner Schule geplante ägyptische Wörterbuch, denn »nach wie vor [hat] die eigentlich wissenschaftliche Aegyptologie ihren Hauptsitz in Deutschland«46 – anstatt in Frankreich, England oder eben Ägypten. Dessen ungeachtet blieb Borchardt in Kairo und bat das deutsche Generalkonsulat, die knappen Mittel des Katalogisierungsprojekts aufzustocken. Auf Vermittlung des Konsuls erhielt Borchardt seine Mittel schließlich von der britischen Kolonialverwaltung; an dem Katalog arbeiteten fortan Borchardt selbst, der deutsche Ägyptologe Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing (1873-1956) sowie drei Kollegen aus Frankreich, Großbritannien bzw. den USA. Borchardts Erfolg am Nil nötigte auch Erman Respekt ab, sodass der Professor seinen Schüler gegenüber der Berliner Diplomatie unterstützte, als Borchardt 1898 versuchte, in das »Comité d’archéologie«, den Leitungsausschuss des ägyptischen Antikendienstes, berufen zu werden. Dieser wählte im Herbst des Jahres jedoch den jungen, wohl fügsamen Bissing statt des energischen Borchardt, der den Antikendienst besser organisieren wollte, um unter anderem eine genaue Übersicht über die Kairener Museumsbestände zu gewinnen und archäologische Arbeiten im Land sachgemäßer auszuführen.47

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Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 32. Emil Brugsch steht schon seit seiner Dienstzeit im Verdacht, seinen Posten für illegale Antikenverkäufe missbraucht zu haben (Tyldesley, Egypt, 126; Schmidt, Emil Brugsch). Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 32-45; zu dem Staudamm-Projekt aus archäologischer Sicht weiter Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 266f. Pilgrim, Tagebuch Borchardts und Briefe an Erman aus Ägypten und Nubien, 1895-1896, bes. 11-19 (ägyptische bzw. nubische Grabungsarbeiter und Schiffsmannschaften erwähnt Borchardt übrigens kaum). Erman und Kollegen in Gesuch an den Kaiser, zit.n.: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 46. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 45-53.

1 Voraussetzungen und Methodik

Erman erklärte Borchardts Nichtberücksichtigung mit antideutschen Einstellungen sowohl der Franzosen als auch der Briten in Ägypten. An den Franzosen hatte er bereits Anstoß genommen, als im Frühjahr 1898 der damalige Antikendirektor Victor Loret (1859-1946; im Amt 1897-1899) – ein allgemein wenig umgänglicher Mensch48 – Borchardt fotografische Aufnahmen von Inschriften in Saqqara verwehrt hatte. Erman schlug daher nun der preußischen bzw. deutschen Regierung vor, einen deutschen Archäologen dauerhaft am Generalkonsulat in Kairo zu stationieren. Er knüpfte damit an ältere Forderungen seiner Kollegen Ebers und Eisenlohr an. Sie hatten damals nichts erreicht; jetzt aber kränkten die Entwicklungen in Ägypten den Nationalstolz auch gewisser deutscher Politiker derart, dass Ludwig Borchardt, von Erman für den Posten empfohlen, im Herbst 1899 »wissenschaftlicher« Attaché des Generalkonsulats wurde. Sein Auftrag lautete, die deutsche Ägyptologie über archäologische Geschehnisse in Ägypten auf dem Laufenden zu halten, für deutsche Museen Antiken zu erwerben und deutsche Ausgrabungen zu unterstützen.49 Nachdem Borchardt sich in seinem Amt bewährt hatte, gründete Berlin 1907 in Kairo das »Kaiserlich Deutsche Institut für ägyptische Altertumskunde« mit Borchardt als Direktor. Die Existenz dieses Instituts und zuvor der Attaché-Stelle bedeutete aber nicht, dass die deutsche Archäologie in Ägypten seit 1899 in Deutschland großen wissenschaftlichen und politischen Rückhalt genoss. Erman unterstützte Borchardt in Kairo stets hauptsächlich deswegen, weil Borchardt ihm wertvolle Textquellen für sein Wörterbuch liefern würde. Und die Berliner Regierungen unterstützten Borchardt nur in jenem geringen Maße, welches weder Großbritannien noch Frankreich provozieren konnte – insbesondere, nachdem die beiden 1904 miteinander das Bündnis der Entente cordiale geschlossen hatten. Infolge dessen erhielt Borchardt als Attaché im Gegensatz zu anderen Konsulatsmitarbeitern keinen diplomatischen Status. Sein Etat war knapp bemessen; seine Stelle konnte jedes Jahr wieder gestrichen werden. Zu weiterem Engagement musste Erman die Politik Stück für Stück überreden. 1904 erhielt Borchardt einen Assistenten, den deutschen Ägyptologen Georg Möller, der jedoch im Sommer 1907 wegen seines geringen Gehalts kündigte. In der Zwischenzeit hatte Erman in Berlin den Ministerien abgerungen, Borchardts Stelle zu verstetigen. Daraufhin konnte dieser im Herbst 1907 das »Institut für Ägyptische Altertumskunde« eröffnen. Als Wissenschaftler beschäftigte es (bis 1929) den Direktor Borchardt und (bis 1914) wechselnde deutsche Ägyptologen auf einer Assistentenstelle. Das Institutsgebäude erwarb Borchardt privat und vermietete es dann an das Auswärtige Amt, den Institutsträger. Der von diesem Träger gewährte Institutsetat beschränkte sich (bis 1914) trotz gelegentlicher Erhöhungen auf ein Minimum und unterschritt die Etats des ägyptischen Antikendienstes oder des IFAO um ein Vielfaches. Weder Borchardts Attaché- noch seine Direktorenstelle boten ihm also Mittel für eigene Ausgrabungen. Letztere waren in den Geschäftsanweisungen sogar ausdrücklich unter-

48 49

Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, Kap. 6. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 53-63; vgl. Borchardt, Bericht Thätigkeit (über sein erstes Amtsjahr).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

sagt – einerseits, um Deutschlands offizielles Engagement zu begrenzen; andererseits, damit Borchardt sich gegenüber Erman nicht verselbstständigte.50 Nichtsdestoweniger führten deutsche Archäologen, darunter Borchardt, zwischen 1899/1900 und 1912/13 in Ägypten (nach Gadys Zählung) 32 Feldprojekte durch (denn für Dritte graben durfte Borchardt trotz seiner Ämter). Die Geldmittel der Deutschen stammten vor allem von der Berliner Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG), privaten Mäzenen sowie dem preußischen Staat bzw. den Berliner Museen51 (das Ägyptische Museum war eine von deren Abteilungen). Adolf Erman ordnete weiterhin die philologische Arbeit an der Spree der archäologischen am Nil über und missbilligte es daher, dass Borchardt in Ägypten nicht nur eine dauerhafte Stelle, sondern gleich ein ganzes »Institut« erhalten hatte, das ihm zwar keine dementsprechenden Finanzmittel, aber kraft Satzung mehr Eigenständigkeit verschaffte. Als Attaché außerhalb des diplomatischen Dienstes unterstand Borchardt der von Erman geleiteten Kommission, die das ägyptische Wörterbuch herausgab. Als Direktor eines Kaiserlich-Deutschen Instituts im Ausland unterstand er dagegen primär dem Auswärtigen Amt, sodass Erman ihn weniger kontrollieren konnte.52 1929 resümierte Erman in seiner Autobiographie, »Inschriften und Papyrus [im Berliner Museum] für interessanter« gehalten zu haben »als Knochen und Muschelschalen aus dem antiken Kehricht«.53 Borchardt aber wollte mehr sein als ein Diener des Berliner Wörterbuchs. Als Ägyptologe mit Architekturstudium lag ihm die Erforschung altägyptischer Bauten am Herzen, zu deren Zweck er seine Ausgrabungen begann. Dafür nahm er in Kauf, dass seine Freundschaft mit Erman ab Mitte der 1900er Jahre genauso zerbrach wie die mit Georg Steindorff.54 Steindorff hatte ebenfalls bei Erman studiert und bei ihm gearbeitet. In seinen Berliner Jahren tat er sich mit bahnbrechenden Arbeiten zur koptischen Sprache hervor; und auch, nachdem er 1893 als Professor nach Leipzig gewechselt war (als Nachfolger Georg Ebers’), hielt er Ermans philologischem Paradigma die Treue.55 Er ließ es sich dennoch nicht nehmen, in Ägypten 1899/1900 Expeditionen zur Oase Siwa und nach Nubien sowie ab 1903 Ausgrabungen zu unternehmen. Wie zum Beispiel Gaston Maspero oder Flinders Petrie56 verspürte Steindorff offensichtlich die Notwendigkeit, die Ägyptologie auf eine solide Archäologie zu stützen. Zudem wollte er in Leipzig unter anderem durch 50 51 52 53 54

55 56

Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 57-70, 108-130, 164-167; zu Ermans Interessen bzw. Borchardts Pflichten bes. 62, 118f., 241f. Gady, Pharaon, 633, 1158-1163 (zu Vorbehalten gegenüber dieser Zählung: u. Kap. 3.1 Anm. 1). Zu den Geldgebern: u. 3.2. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 61-63, 112f., 117-120. Erman, Werden und Wirken, 211. Borchardts Archäologie richtete sich jedoch nicht gegen die Berliner Schule, sondern bildete für sie »eine Art extraterritoriale[n] Bereich«: Diese Archäologie »ging weiter als die herkömmliche archäologische Forschungsarbeit, wie sie von französischen Forschern betrieben wurde und von der sie beeinflußt war, geriet aber nicht in Konflikt mit der Berliner Schule, da die Kompetenzbereiche sich nicht überlappten und die theoretischen Aussagen selber nicht im Widerspruch zur ›Berliner Schule‹ standen« (Trümpener, Zwergwissenschaft, 85). Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 43f., 71f., 112f., 161-164. Zu Masperos Haltung gegenüber der Berliner Schule: Gertzen, École de Berlin, 32f.; Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie, 47f.; zu Petries: Wilson, American Egyptology, 109; Drower, Petrie, 315.

1 Voraussetzungen und Methodik

eigene Grabungen eine leistungsfähige altägyptische Sammlung aufbauen57 – nachdem Berlin ihn diesbezüglich so verwöhnt hatte. Jenseits methodischer Prinzipien musste die Berliner Schule sich die Frage gefallen lassen, die ihr englischer Mitarbeiter Alan Gardiner (1879-1963) in den 1900er Jahren von seinem Landsmann und archäologisch ausgerichteten Kollegen Arthur Weigall (1880-1934) gestellt bekam: »What is the use of your smugging away over books in Berlin when the material indispensable for your studies is perishing in Egypt itself in double quick time«?58 Gardiner bewog dies dazu, hin und wieder Feldforschung in Ägypten zu betreiben, und ähnliche Dringlichkeitsgefühle mögen 1901 zur Gründung der »Berliner Papyruskommission« und 1902/03 des »Deutschen Papyruskartells« beigetragen haben. Letzteres war ein Verbund mehrerer deutscher Wissenschaftseinrichtungen zum Ankauf griechischer Urkunden (Kartellabteilung A) und griechischer literarischer Papyri (B) in Ägypten. Sie schlossen sich zusammen, um die dortigen Papyruspreise nicht durch gegenseitige Konkurrenz hochzutreiben. Die genannte Berliner »Commission zur Erwerbung griechisch-litterarischer Papyri aus Egypten« wiederum, bestellt vom preußischen Kultusminister und angeführt von den Berliner Museen, wurde Mitglied der Kartellabteilung B. Als deren Geschäftsführer hatten die Berliner Museen den Papyrusankauf zu organisieren. Zusätzlich beschlossen sie, das Recht jedes Kartellmitglieds zu nutzen, in Ägypten eigenständig auch Papyrusgrabungen durchzuführen (den anderen Mitgliedern fehlten dafür die Geldmittel). Für beides wurden die (Klassischen) Altertumswissenschaftler Otto Rubensohn (1901-1907) und anschließend Friedrich Zucker (1907-1910) nach Ägypten entsandt. Im Rahmen des »Preußischen Papyrusunternehmens« gruben sie Stücke aus, die die wenigen literarischen Papyri der Berliner Museen (im Vergleich etwa zu London und Paris) vermehren sollten.59 Die Papyri wiederum, die Rubensohn und Zucker für das Kartell im Handel erwarben, sollten unter anderem jene Handschriften ersetzen, die 1870 während des deutsch-französischen Kriegs in der Bibliothek von Straßburg nach deutschem Beschuss verbrannt waren.60 Die Ausgrabungen des Preußischen Papyrusunternehmens wurden bis einschließlich 1905 direkt vom – preußischen – Staat finanziert, als einzige deutsche Ägypten-Grabungen in der hier untersuchten Zeit bis 1914. Ab 1906 kamen die Geldmittel von den Berliner Museen (das Unternehmen hieß fortan offiziell »Wissenschaftliche Untersuchungen und Erwerbungen in Egypten«).61 Mit ihren insgesamt 32 Feldprojekten in Ägypten zwischen 1899/1900 und 1912/13 standen die Deutschen zwar weit hinter Franzosen und Briten zurück, erreichten aber fast die der grundsätzlich stark archäologisch ausgerichteten US-amerikanischen Ägyptologen mit ihren 38 Feldprojekten im gleichen Zeitraum.62 Als im Sommer 57 58 59

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Blumenthal, Ägypten in Leipzig, 16. Gardiner, Working Years, 17; hierzu Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 115f. In bisherigen Publikationen habe ich irrtümlich geschrieben, Rubensohn und Zucker hätten auch ihre Ausgrabungen für das Papyruskartell durchgeführt. Für die Richtigstellung danke ich Holger Essler (Würzburg). Zu Papyruskommission, -kartell und -unternehmen: Primavesi, Papyruskartell, 174-177; Kuckertz, Rubensohn (2015), 41-44; Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 82-87. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 82, 86. Gady, Pharaon, 633, 1158-1163.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, verwiesen Ägyptens britische Kolonialherren alle Deutschen des Landes, was der deutschen Ägypten-Archäologie ein vorläufiges Ende setzte.63 Erst in den 1920er Jahren lief sie wieder an. Wir können somit die Jahre von Borchardts Attachierung 1899 bzw. dem vorangehenden Beginn »seiner« ersten Ausgrabung 1898 bis zum Kriegsausbruch 1914 als »Goldenes Zeitalter« nicht nur der deutschen Ägypten-Philologie, sondern auch -Archäologie bezeichnen. Diese Periode ist mein Untersuchungszeitraum. Als Fallbeispiele wähle ich Ludwig Borchardt, Georg Steindorff, Georg Möller, Otto Rubensohn und Friedrich Zucker, die zusammen für 27 der genannten 32 Feldprojekte verantwortlich gezeichnet haben. Der Attaché bzw. Institutsdirektor Borchardt grub dabei nicht nur selbst, sondern unterstützte auch die Unternehmungen Steindorffs, Möllers und der Papyrusbeauftragten (Kap. 3.2.1).

1.2 (Primär-)Quellen 1.2.1 Von den deutschen Archäologen hinterlassene Quellen 1.2.1.1

Feldtagebücher (vgl. Quellen und Literatur Abs. aa)

Die genannten Chefarchäologen bzw. ihre deutschen Assistenten führten bei jeder ihrer archäologischen Unternehmungen in Ägypten ein wissenschaftliches Tagebuch.64 Dieses sollte in erster Linie den archäologischen Arbeitsgang einer Unternehmung sowie die dabei gemachten archäologischen Beobachtungen und Funde dokumentieren. Jede Seite wurde auf eine Durchschreibefolie und mindestens zwei dahinterliegende, heraustrennbare Durchschlagseiten geschrieben.65 Das Original des Tagebuchs verblieb bei den Archäologen bzw., nach ihrer Rückkehr nach Deutschland, bei ihren Institutionen; auf seiner Grundlage verfassten die Archäologen nach Abschluss der Unternehmung ihre zur Publikation bestimmten wissenschaftlichen Arbeitsberichte. Einen Durchschlag erhielt, sofern er es wünschte, Borchardt66 als offizieller archäologischer Vertreter Deutschlands in Kairo – wenn es sich nicht ohnehin um die von ihm selbst geleiteten Ausgrabungen handelte. Er dürfte die Tagebücher dazu genutzt haben, seinen jährlich in der Zeitschrift Klio veröffentlichten Bericht über in der abgelaufenen Saison durchgeführte deutsche Ausgrabungen in Ägypten zu verfassen, den anderen Archäologen Ratschläge zu geben und die Beantragung neuer bzw. verlängernder Grabungskonzessionen beim ägyptischen Antikendienst zu planen und vorzubereiten.

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64 65 66

Zur Reaktion der Führung Ägyptens auf den Kriegsausbruch: Fueß, Deutsche Gemeinde in Ägypten, Kap. 6; Oberhaus, Deutsche Ägyptenpolitik, Kap. 6; zum resultierenden Schicksal der deutschen Ägypten-Archäologen: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 168-187. Zur dahingehenden Instruktion an Rubensohn: Essler, Zuckers Erwerbung Theadelphia, 294 mit Anm. 3. Vgl. Seidel, Archiv Ägyptologisches Institut Leipzig, 507 mit Anm. 82. Seidel, Archiv Ägyptologisches Institut Leipzig, 508; Steindorff, Brief an Hölscher, 2.2.1909 (sofern Borchardt es wünschte).

1 Voraussetzungen und Methodik

Ein weiterer Durchschlag ging an Träger bzw. Finanziers der jeweiligen Unternehmung in Deutschland, etwa die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG)67 – als Nachweis dafür, dass und wie die von ihnen in Auftrag gegebene Arbeit ausgeführt worden war; und als Entscheidungsgrundlage dafür, ob einer Unternehmung weitere Geldmittel zur Verfügung gestellt werden sollten. Briefen und einer Postkarte im DOG-Archiv zufolge sandte 1905 Georg Möller, Borchardts Assistent, Tagebuchwochen seiner Grabung in Abusir el-Meleq auch an den Berliner Ägyptologen und Assistenten Adolf Ermans Heinrich Schäfer, der anscheinend die Kampagne jenes Jahres für die DOG von Kairo aus koordinierte.68 In Berlin nahm außerdem Erman selbst Einsicht in zumindest Borchardts Grabungstagebücher, um dessen Arbeiten zu verfolgen und zu kommentieren.69 Längerfristig wurden die Tagebücher dann archiviert, um interessierten bzw. kritischen Fachleuten ein tiefergehendes Studium der Unternehmungen zu ermöglichen.70 Materiell gleichen sich die Tagebücher der Unternehmungen Borchardts, Steindorffs, Möllers und Rubensohns bzw. Zuckers weitgehend: einseitig beschriebene Seiten, etwa 13 Zentimeter breit und 19 Zentimeter hoch, bedruckt mit 21 gleich hohen, teilweise einen schmalen Seitenrand aussparenden Zeilen und in der rechten oberen Ecke einer von »00« bis »99« laufenden Zahl. Die Tagebücher der zwischen 1912 und 1914 von Steindorff geleiteten Grabungskampagnen weisen als Hersteller des Vordrucks die Berliner Hoflieferanten Carl Kühn & Söhne71 aus; das Tagebuch seiner Kampagne in Giza 1910 die Berliner Firma Carl O. Rechlin. Sicherlich bestellte Borchardt diese Kladden regelmäßig nach Kairo, nutzte sie für sich selbst und verteilte sie an die anderen deutschen Archäologen72 – übrigens auch an die sogenannten Badischen Grabungen, die die deutschen Ägyptologen Hermann Ranke (1878-1953) bzw. Hans Abel (1883-1927) 1913 und 1914 in Qarara und El-Hibe (Mittelägypten) für wissenschaftliche Institutionen in Heidelberg und Freiburg durchführten.73 Pro Saison benötigten die Archäologen aber meist nicht nur ein-, sondern mehrere hundert Tagebuchseiten. Hatten sie einhundert 67

68 69 70 71 72 73

Vgl. Briefe, mit denen Borchardt (15.; 29.1.; 5.2.1904) sowie Georg Möller (13.10.1904; 28.10.1905) ihre jeweiligen Grabungstagebuchwochen (»Wochenberichte«) an den DOG-Schriftführer Bruno Güterbock (1858-1940) übersandt haben. Vgl. ferner Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 76, 86. 1912 beschwerte sich die DOG, dass der 3. Wochenbericht der laufenden Grabungskampagne in Amarna 1912/13, in den Worten des verwunderten Tagebuchschreibers, »derart verstümmelt nach Berlin« gekommen war, »daß es als völlig unlesbar bezeichnet werden konnte« (Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 128; vgl. 207). Von seiner Papyrusgrabung 1899 sandte Borchardt Tagebuchdurchschläge an Erman, den Direktor des Berliner Ägyptischen Museums, das die Grabung finanzierte (Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 11). Steindorff »expedierte« die »Tagebuchblätter« seiner Grabungskampagne in Aniba 1912 an Borchardt sowie den Finanzier Sieglin (zu letzterem: u. Kap. 3.2) (Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 13); ebenso sollte Sieglin von der Kampagne Giza 1909 wöchentlich eine »Kopie« des Tagebuchs erhalten (Seidel, Archiv Ägyptologisches Institut Leipzig, 508 Anm. 89). Möller an Schäfer, 17.; 18. (Postkarte); 26.8.; 23.; 30.9.; 7.; 28.10.; 4.11.1905. Vgl. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 76. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 76, 79f. Borchardt, Ne-User-Re, 140. Dettmer, Carl Kühn & Söhne. Seidel, Archiv Ägyptologisches Institut Leipzig, 507. Habermann, Badische Grabungen, 31. Die Grabungstagebücher von Archäologen aus anderen Ländern, die zeitgleich mit den deutschen in Ägypten tätig waren, sahen dementsprechend anders

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Seiten gefüllt, fuhren sie in einer neuen Kladde fort und setzten vor die auf deren Seiten gedruckten Zehnerzahlen jeweils die Hunderter »1«, »2« und so weiter.74 Von der Arbeitsstätte verschickt wurden die Durchschläge aus Gründen der Aktualität und vielleicht Datensicherung ohnehin schon vor Saisonende – von der Ausgrabung in Tell el-Amarna gingen sie zumindest 1913 gar täglich an Borchardt und wöchentlich nach Berlin.75 Das Tagebuch der ersten Wochen der Siwa-Expedition (1.-24.12.1899) schickte Steindorff am 25. Dezember per Einschreiben an Schäfer.76 Wenn nach Abschluss einer Arbeitssaison an einem Ort oder, im Falle der Papyrusbeauftragten, mehrerer Unternehmungen an verschiedenen Orten über gegebenenfalls mehrere Saisons hinweg alle entsprechenden Tagebuchteile in Deutschland versammelt waren, wurden die Seiten auf das oben angegebene Format geschnitten und zusammen in einen festen Einband gebunden. In dieser Form – mit Ausnahme der beiden Expeditionstagebücher zu Siwa und Nubien – habe ich von den zu untersuchenden Archäologen aus dem Untersuchungszeitraum Feldtagebücher in Archiven in Berlin (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung – ÄMPB) und Leipzig (Ägyptisches Museum der Universität – ÄMULA) vorgefunden und für diese Studie ausgewertet. Die für Borchardt bestimmten Tagebuch-Exemplare lagen einst im Archiv der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts (DAIK),77 in die das Kaiserlich-Deutsche bzw., wie es nach dem Ersten Weltkrieg hieß, Deutsche Institut für Ägyptische Altertumskunde 1929 umgewandelt wurde.78 Als Deutschland 1939 den Zweiten Weltkrieg auslöste, beschlagnahmten die Ägypter bzw. Briten in Ägypten dieses Archiv.79 Seine Reste, die sich heute im ägyptischen Antikenministerium in Kairo (SCA) befinden, enthalten dem Vernehmen nach keine Feldtagebücher mehr.80 Die Seiten von Steindorffs Tagebuch der Siwa-Expedition haben keine besondere Form und sind in Leipzig nur in Fotokopie vorhanden. Seine Expedition nach Nubien 1900 hat Steindorff ebenfalls in einem Tagebuch festgehalten: Es liegt (als maschinenschriftliche Kopie) im Archiv des Schweizerischen Instituts für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo, doch zum Zeitpunkt meiner dortigen Recherchen 2015 hatte ich von ihm keine Kenntnis.81 Steindorffs Tagebuch stimmt allerdings in Teilen mit dem seines Expeditionsgefährten Schäfer überein, das 2014 ediert worden ist; die beiden

74

75 76 77 78 79 80 81

aus; vgl. z.B. Franzosen: Delange, Éléphantine, Bd. 2, 27-89 Abb. 19-279; Italiener: Del Vesco/Moiso, Missione Egitto, 162 Abb. 22f., 250 Abb. 210, 280 Abb. 225, 302 Abb. 245f. In einem Fall setzte Zucker sein Tagebuch auf losen bzw. eingeklebten Blättern fort, als er eine »offizielle« Kladde gefüllt und die nächste (noch) nicht zur Hand hatte (Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, zw. 299 [6.1.] und 350 [21.1.]). So der Grabungsassistent Paul Hollander (Kap. 1.2.1.5) in einem Brief an seinen Vater aus jenem Jahr (abgedruckt in: Habermann, Badische Grabungen, Nr. 28, [S.] 298). Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 153. Seidel, Archiv Ägyptologisches Institut Leipzig, 508. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 229-237. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 2, 146-148. Gertzen, Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie, 130f. Offenbar schloss Steindorffs Nubien-Tagebuch original unmittelbar an sein Siwa-Tagebuch an, denn dieses geht nach der Rückkehr von Siwa nach Kairo Ende Januar 1900 weiter mit Steindorffs Reise durch Oberägypten gen Nubien im Februar. Es beschreibt noch die Vorbereitungen und ersten Tage der Nubien-Expedition, bevor es nach dem 7.3. abbricht.

1 Voraussetzungen und Methodik

mögen »ihre« Tagebücher also stellenweise gemeinsam geführt haben.82 Da Steindorff auch der Leiter bzw. Initiator dieser Nubien-Expedition war, verwende ich in dieser Studie Schäfers ediertes Tagebuch, ohne ihn selbst zu den zu untersuchenden Chefarchäologen zu zählen. Von deren archäologischen Unternehmungen in Ägypten zwischen 1898 und 1914 – Ausgrabungen sowie zwei Expeditionen und einige Reisen zwecks Antikenkauf und Erkundungen (Kap. 3.1) – fehlen in den Archiven lediglich die Tagebücher der frühesten von Borchardt (mit)geleiteten Ausgrabungen in Abusir bzw. dem angrenzenden Abu Gurob von 1898 bis 1901. Einen – kleinen – tagesaktuellen Einblick in jene Kampagnen geben uns lediglich Rubensohn und Steindorff. Ersterer übernahm die Grabungsleitung vertretungsweise von Ende Dezember 1898 bis Ende Januar 1899 und berichtete darüber in Briefen an seine Familie;83 Steindorff vertrat die Leitung im Februar 1900 für eine Arbeitswoche und berichtete darüber in seinem Siwa-Tagebuch. Die Tagebücher Borchardts bzw. seiner anderen Mitarbeiter selbst finden sich wider Erwarten nicht beim Auftraggeber der Abu-Gurob-Unternehmung, dem Berliner Ägyptischen Museum – ohne dass dessen heutige Mitarbeiter dies erklären könnten. Zumindest ein Teil der Grabungsunterlagen gehörte womöglich zum Nachlass des 1956 verstorbenen Friedrich Wilhelm von Bissing, der die Grabungen finanziert hat. Sein Nachlass ist seit 2012 in unbekannte private Hände verstreut worden.84 Mit den frühesten Tagebüchern entgehen uns sicherlich einzigartige Hinweise darauf, wie Borchardt bzw. die deutschen Archäologen bezüglich der ägyptischen Arbeiter jenes hier zu rekonstruierende Organisationssystem aufbauten, das sie im Großen und Ganzen bis 1914 beibehielten. Umso hilfreicher ist es, dass alle anderen relevanten Tagebücher – 39 Stück zuzüglich dreier Nebentagebücher zu Borchardts Grabung in Amarna 1912/13 sowie Steindorffs in Giza 1905 und Aniba 1914; der Gesamtumfang beläuft sich auf etwa 7.500 (Tagebuch-)Seiten – nahezu vollständig vorliegen. Teilweise sind sie, wie im Quellenverzeichnis (Abs. aa) vermerkt, ediert worden – wenn auch nicht so aufwendig wie die Tagebücher der erwähnten Badischen Grabungen: Deren Editionsband stellt unter anderem die in den Tagebüchern enthaltenen Angaben zu den ägyptischen Arbeitern der Badener eigens zusammen.85 Geführt wurden die von mir untersuchten Tagebücher einerseits von den Chefarchäologen Borchardt, Steindorff, Möller und Rubensohn bzw. Zucker, andererseits von deren deutschen Assistenten. Insbesondere Borchardt und Steindorff blieben nämlich jede Saison nicht unerheblichen Strecken ihrer jeweiligen Grabungen fern – Borchardt wegen seiner (eigentlichen) Dienstgeschäfte als Konsulatsattaché und dann Institutsdirektor; Steindorff wegen seiner Lehrverpflichtungen an der Universität Leipzig und, weil er zumindest zu Beginn kein archäologisches Fachwissen hätte einbringen kön-

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Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 10. Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 134-142. Für diesen Hinweis danke ich Christian E. Loeben (Hannover, 27.10.2015) und Thomas L. Gertzen (Berlin, 7.4.2015). Vgl. Loeben, Bissing. Habermann, Badische Grabungen, 75-78, 178-182.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

nen.86 Darüber hinaus verließen die fünf Chefarchäologen ihre Grabungen gelegentlich, um Besorgungen im Nachbardorf oder einer entfernteren Stadt zu machen. Wer welche Seiten der Tagebücher niedergeschrieben hat, ließe sich grundsätzlich anhand der verschiedenen Handschriften (Abb. 1)87 sowie Namensnennungen im Text rekonstruieren. Wenn es in einem Tagebucheintrag heißt: »Hölscher zeichnet im Talbau«, schließt das allerdings den Grabungsassistenten Uvo Hölscher (Kap. 3.2.1) nicht als Schreiber aus, denn nach der Handschrift hat hier tatsächlich Hölscher selbst geschrieben – über sich in der dritten Person.88 Doch es sind andere Gründe, aus denen ich in der Auswertung der Tagebücher weitgehend darauf verzichten werde, für unser Thema relevante Aussagen nach Schreibern zu unterscheiden: Erstens brächte der beachtliche Mehraufwand, der dazu erforderlich wäre, insofern wenig Nutzen, als wir über die Persönlichkeiten zumindest der Assistenten mangels biographischer Literatur jeweils nicht genug wissen, um ihre Aussagen nach individuellen Maßgaben (um-)deuten zu können. Zweitens wäre die Zuordnung der vielen, teils einander ähnlichen, teils sich selbst wandelnden Handschriften anfällig für Fehler. Drittens arbeitete an den meisten Tagen der archäologischen Unternehmungen der Tagebuchschreiber vor Ort nicht »allein«, sondern an der Seite mindestens eines anderen deutschen Archäologen (Kap. 3.2.1). Somit gehen die Tagebucheinträge vermutlich nicht allein auf den jeweiligen Schreiber zurück, sondern auch auf Besprechungen zwischen ihm und seinen Kollegen. Über deren Anteil an den Texten geben die Schreiber jedoch keine explizite Auskunft. Aufgrund dessen nenne ich in Anmerkungen und Bibliographie dieser Studie als Autoren der Tagebücher (und Lohnlisten) den Chef der entsprechenden Unternehmung et al. Allein stelle ich (neben dem Sonderfall Schäfers mit seinem Nubien-Tagebuch) nur Steindorff beim Tagebuch seiner Siwa-Expedition, da es persönlicher ausfällt als alle anderen Tagebücher – nicht nur, weil es allein von ihm niedergeschrieben worden ist. Als weiteren Sonderfall nenne ich beim »Tagebuch Amarna West 1913« als Autoren »Honroth et al.«, da Walter Honroth (1880-1914) zwar nicht Chef der übergeordneten Grabung in Amarna 1912/13 war (das war Borchardt), aber als deren Mitarbeiter die Nebengrabung im benachbarten Tuna el-Gebel leitete,89 auf die jenes (von ihm niedergeschriebene) Tagebuch sich bezieht. Bei den Tagebüchern handelt es sich im wörtlichen Sinne um solche, da sie fast alle Tage einer Unternehmung nacheinander jeweils einzeln auf wenigen Seiten protokollieren, mit nichts als dem jeweiligen Tagesdatum als Überschrift: »Montag, 16. März« und so weiter. Die Autoren verfassten den Eintrag über einen Tag in der Regel an dessen 86

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Zu letzterem: Raue, Steindorff Ausgrabungen, 404f. Die Kampagne in Qau verließ Steindorff zwei Monate vor Schluss, um »nach Leipzig ins Semester zu fahren« (Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 96). Zu Borchardts An- bzw. Abwesenheit in Amarna: Mode, Amarna (1983), 55f. Von Borchardt geschriebene Tagebuchseiten (sc. Grabungskampagne Tell el-Amarna 1912/13, 38-48) abgebildet in: Seyfried, Büste der Nofretete, 136-143; von Steindorff geschriebene Tagebuchseite (sc. Grabungskampagne Giza 1903, 90) abgebildet in: Spiekermann/Kampp-Seyfried, Giza Ausgrabungen Steindorff, 46. Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 138. Weitere Beispiele für (mutmaßliche) Stellen in der dritten Person: Giza 1905, 94-108; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 55f. Zu der Nebengrabung: Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 51-54; Lembke, Petosiris-Nekropole, 71, 75-77.

1 Voraussetzungen und Methodik

Abend, unmittelbar nach Abschluss der zu beschreibenden Arbeiten.90 Obschon dann zehn und mehr Stunden Anstrengung inmitten von Staub und Hitze hinter ihnen lagen und sie sich vor dem Zubettgehen »zum Tagebuch« mitunter »zwingen« mussten,91 führten sie die Aufzeichnungen in Ruhe und mit Bedacht, denn die Einträge sind durchweg sauber geschrieben und klar formuliert, kommen mit erstaunlich wenig Berichtigungen bzw. Streichungen aus und bleiben formal und stilistisch auch über verschiedene Autoren hinweg in hohem Maße konstant. Die Sorgfalt liegt gewiss darin begründet, dass die Archäologen die Tagebücher nicht allein für sich selbst anfertigten, sondern sie als offizielle Berichte an wichtige andere Adressaten richteten. Die formal-stilistische Einheitlichkeit wiederum dürfte auf die Orientierung an Borchardt als Vorbild zurückgehen. Allenfalls Sätze, in denen ein Wort syntaktisch verspätet eingeschoben wurde92 oder die noch alternative Versionen ihrer selbst enthalten,93 deuten in den Tagebüchern auf gelegentliche Konzentrationsschwächen der Autoren hin. Die Tatsache, dass oft derselbe Autor von Tag zu Tag Wörter bzw. Ausdrücke anders schreibt, unterstreicht, dass die Autoren die Einträge jeden Abend unter dem unmittelbaren Eindruck des Tages verfasst haben, ohne sie an vorherigen Einträgen auszurichten. Die Schreibung variiert vor allem bei arabischen und altägyptischen Eigennamen, aber auch beim Datum.94 Zudem stehen die Einträge im Präsens – die Schreiber empfanden das Geschilderte also noch nicht als vergangen, sondern hatten es noch vor ihrem geistigen Auge.

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Ausdrücklich erwähnt in Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 483. Folglich wurde eigens darauf hingewiesen, wenn ein Eintrag einmal erst am nächsten Morgen oder gar übernächsten Tag entstand (Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 241; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 53). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 34. Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 456 (»Da sich außerdem […] Messfehler herausstellen, ist so gut wie kein Fortschritt heute zu verzeichnen«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 93 (»[S]päter […] wird das Loch wohl seine Bedeutung uns verraten«); 1910, 179 (»Ausmessen der Grabkammer […], es wird nichts von Bedeutung dabei gefunden«); Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 114 (»Im Süden […] wird vergeblich heute nach Papyruscartonnage gesucht, wir geraten hier wieder in Schachtgräber, die ganz besonders unerfreulich hier sind«); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 60 (»Die Hauptarbeit des Tages ist, überall tiefer zu gehen, leider kommen keine Papyri dabei zum Vorschein«); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 41 (»Holzeinlagen noch nicht bisher constatiert«) (jeweils meine Hervorhebung). Z.B. Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 31f. (»Ein Grab, das so in der Salzkruste steckt, daß die Beigaben mit dem Messer herausgekratzt werden müssen […] wird ein wahres Prachtstück von einer Schminktafel gefunden«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 82f. (»Da […] das Füllmauerwerk ziemlich tief herausgerissen worden ist, mussten Leute den […] Türsturz […] u. die […] Platte der Scheintür herausgerissen werden«); Aniba 1914, 450 (»Heute erscheint die [Arbeiter]kolonne […] und setzt die […] Grabung […] weiter fortzusetzen«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 59f. (»Die Colonne, die dort arbeitet, hat heute, und auch morgen noch, an der Beseitigung von Schutt aus der Versuchsgrabung vom Frühjahr zu beseitigen«). Z.B. Steindorff et al., Tgb. Giza 1903: 22.4.: »Achmed Muse« – 27.4.: »Aḥmed Mûse« – 28.4.: »Ahmed Muse« – 2.5.: »Aḥmed Mûse« – 16.5.: »Achmed Muse«; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04: 25.4.: »Nefer-er-ke-re«, »Neferer-ke-reʿ« – 26.4.: »Nefer-er-ke-reʿ«; Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine: »Sonnabend 29 XII 06« – »Sonntag 30 Dezember 1906« – »Montag 31 Dez 06« – »Dienstag 1. Januar 1907« – »Mittwoch 2. I 1907«.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Aufgrund der festgestellten Sorgfalt und zeitlichen Unmittelbarkeit der Aufzeichnungen zum Aufgezeichneten sowie der Tatsache, dass die Tagebuchschreiber das von ihnen Aufgezeichnete jeweils größtenteils selbst beobachtet, wenn nicht gar ausgeführt haben, können wir den Feldtagebüchern als Quelle für den Verlauf der archäologischen Unternehmungen eine hohe Verlässlichkeit zuschreiben. Sobald die Autoren Sachverhalte und Ereignisse auch normativ anstatt rein deskriptiv darstellen – was sie auch durch Verzicht auf Deskription bestimmter Dinge tun können –, müssen wir ihre Aussagen – oder Nicht-Aussagen – freilich nach anderen Kriterien beurteilen.

Abb. 1: Beispielseite der Feldtagebücher von Borchardt et al.: Abusir 1903, 132 (oben: Hand Borchardt; unten: Hand Georg Möller)

Scan: Archiv Ägyptisches Museum Berlin.

1 Voraussetzungen und Methodik

Abb. 2: Beispielseite der Feldtagebücher von Steindorff et al.: Qau 1913/14, 48 (Hand Steindorff; links am Rand die Abrisskante einer Durchschlagseite)

Scan: Archiv Ägyptisches Museum der Universität Leipzig.

Die Tagebücher beschreiben in erster Linie den archäologisch-wissenschaftlichen Inhalt der Unternehmungen, nach dem Muster: »Heute wurde an der Stelle x gegraben und das Objekt y gefunden, das folgende Eigenschaften z aufweist, was ägyptologisch diese oder jene Bedeutung haben mag«. Trotzdem hielten die Archäologen es für angemessen, jeden Tag mehr oder weniger regelmäßig zusätzlich die Umstände der jeweiligen Unternehmung zu vermerken: Witterungsverhältnisse, Uhrzeit von Arbeitsbeginn und -ende, externe Besucher der Ausgrabung, eingehende und ausgehende Korrespondenz, materielle und organisatorische Besorgungen in Dorf oder Stadt, archäologische Wochenendausflüge, besondere Vorkommnisse – und/oder die ägyptischen Arbeiter. Über deren Anwerbung bzw. Entlassung, Zahl, Verteilung und Auszahlung; ihr Verhalten; ihre Handlungen berichten die Tagebücher mehr, als wir es vielleicht erwarten würden. In welcher Form sie es tun, werde ich unter Kap. 3.3 genauer analysieren. Vorwegzunehmen ist, dass die Arbeiter eher beiläufig-zufällig und, im Vergleich zu den

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

übrigen Inhalten der Tagebücher, selten erwähnt werden. Allerdings ist deren Gesamtumfang – 7.500 Seiten – so groß, dass wir einen umfangreichen Textkorpus mit Bezug zu den Arbeitern zusammensammeln können. Wohlgemerkt erscheinen die Arbeiter in den Tagebüchern desto eher und mehr, je mehr sie dem Tagebuchschreiber aufgefallen sind – was desto mehr geschehen ist, je negativer sie aufgefallen sind. Infolge dessen sind die Tagebücher den Arbeitern strukturell unfreundlich gesinnt.

1.2.1.2 Publizierte Feldberichte (vgl. Quellen und Literatur Abs. b) Während die Tagebücher nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren, reichten die Chefarchäologen bzw. ihre deutschen Assistenten in der Regel nach Abschluss einer Grabungskampagne einen Bericht über diese bei einer archäologischen Fachzeitschrift ein. Vor allem zu den Ausgrabungen in Abu Gurob und Abusir brachte Ludwig Borchardt nach Abschluss aller dortigen Kampagnen zudem Monographien heraus. Georg Steindorff veröffentlichte außerdem Berichte zu seinen Expeditionen nach Siwa und Nubien. Wegen des begrenzten Platzes und der meist strikteren Wissenschaftlichkeit in Publikationen kommen die ägyptischen Arbeiter darin noch weniger vor als in den Tagebüchern – in manchen gar mit keinem Wort.95 Wo dagegen Angaben zu ihnen gemacht werden, stehen sie größtenteils, anders als in den Tagebüchern, in ausgewiesenen Rubriken zu »Verlauf«, »Betrieb«, »Arbeitserlebnissen«; kurz: den Rahmenbedingungen der jeweiligen Unternehmung. Außerdem werden die Angaben zu den Arbeitern in Kontexte eingebettet, die in den Tagebüchern oft fehlen wegen deren Innenperspektive und, weil die Adressaten der Tagebücher die Kontexte bereits kannten oder sie auf anderen Wegen, etwa mündlich oder brieflich, von den Archäologen mitgeteilt bekamen. Den Lesern der Publikationen mussten die Archäologen dagegen explizite Erläuterungen bieten – insbesondere denen der Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft (MDOG), wo unter anderem Borchardt über seine Grabungen berichtete. Die Mitglieder jener der Allgemeinheit offenstehenden Gesellschaft, die die Zeitschrift bezogen, waren nämlich nicht unbedingt Archäologen und somit, wie Borchardt einmal hervorhob, nicht unbedingt mit dem »Leben und Treiben in einer Ausgrabung« vertraut. Darum wollte er in seinem Bericht zunächst das »Leben und Treiben« schildern und bat seine »Fachgenossen«, diesen Abschnitt gegebenenfalls zu überspringen, um sofort zu der »Ausgrabung selbst und ihre[n] Resultate[n]« zu gelangen.96 Wie unterscheiden sich Feldtagebücher und publizierte Feldberichte im Umgang mit den ägyptischen Arbeitern konkret? Um ein stilisiertes Beispiel zu geben: Während ein Tagebuch auf Seite 3 und das nächste Mal auf Seite 47 anlässlich bestimmter Ereignisse der jeweiligen Tage von einem Arbeiter Senussi spricht, der beispielweise »eintrifft« oder »eine Stelle ausgräbt«, erklärt eine Publikation im Abschnitt »Verlauf der Grabung«, dass Senussi mit vollem Namen Mohammed Ahmed el-Senussi heiße und schon seit vielen Jahren als Vorarbeiter in deutschen Diensten stehe. Somit sind die Publikationen als Quellen zu den Arbeitern leichter zu benutzen als die Tagebücher.

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Beispiele für letzteres sind die meisten (jeweils sehr kurzen) Berichte Rubensohns bzw. Zuckers im Archäologischen Anzeiger (aufgelistet in: Primavesi, Papyruskartell, 178 Anm. 31), oder Hölschers/ Steindorffs (längerer) Bericht der Grabung Giza 1909 (Ausgrabung Totentempel). Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 5.

1 Voraussetzungen und Methodik

Außer in wissenschaftlichen Organen schrieben zumindest Borchardt, Steindorff und Rubensohn auch in (deutschen) Zeitungen über ihre Unternehmungen, in einem populärwissenschaftlichen Stil wie dem in den MDOG. Ein Artikel Rubensohns enthält Informationen und Fotos, die ich anderswo nicht gefunden habe.97 Andere Artikel waren entweder ohne solchen Mehrwert98 oder, mangels geeigneter bibliographischer Hilfsmittel, für mich nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu finden.99 Eine systematische Suche und Auswertung relevanter Zeitungsartikel der untersuchten Archäologen wäre eine Aufgabe für die Zukunft.

1.2.1.3 Lohnlisten von Grabungen (vgl. Quellen und Literatur Abs. ab) Anders als in Feldtagebüchern und publizierten Feldberichten stehen die ägyptischen Arbeiter in Lohnlisten von Grabungen im Zentrum. Die deutschen Archäologen trugen hier für jeden Tag einer Grabungskampagne die anwesenden Arbeiter und die ihnen jeweils zustehenden Geldbeträge ein. Die Beschäftigung hunderter Arbeiter mit individueller Fluktuation, zeitlich und nach Arbeiterklasse variablen Lohnhöhen und eventuellen Zuschlägen machte eine detaillierte Buchhaltung unabdingbar. Wie die Feldtagebücher gleichen sich die Lohnlisten materiell, weil Ludwig Borchardt sie außer für sich auch für alle anderen Archäologen beschafft haben dürfte: lose Papierbögen hergestellt von Carl Kühn & Söhnen, jeweils ungefähr 36 Zentimeter hoch und 38 breit, bedruckt mit dem Titel »Lohnliste für die Arbeitswoche vom … ten … bis … ten … 190 …« und darunter einer Tabelle mit den Spaltentiteln: »No.«, »Name«, »Herkunft«, »Sonnabend d. … ten«, »Sonntag d. … ten«, …, »Freitag d. … ten«, »Ganze Woche« und »Bemerkungen«. Die Spalten für die Wochentage und die ganze Woche teilt der Vordruck wiederum in die Spalten »Tagelohn« und »Zuschlag« ein (Abb. 48).100 Auf der Vorderseite eines Bogens hat die Tabelle 33 Zeilen, auf der Rückseite weitere 37. Die Bögen, pro Arbeitswoche von sechs Arbeitstagen durchschnittlich fünf, wurden beidseitig ausgefüllt und gegebenenfalls wochenweise von Hand paginiert. Am Ende jeder Arbeitswoche folgt ein weiterer Bogen des genannten Formats, bedruckt mit dem

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Rubensohn, Grabungen in Ägypten (rückblickend von 1924). Ein anonymer Zeitungsbericht zu Borchardts Abusir-Grabungen in der Vossischen Zeitung Nr. 453 vom 29.9.1902 fasst lediglich dessen Bericht aus den MDOG (Ausgrabungen Abusir 1901/2) zusammen; der Zeitungsartikel abgebildet in: Voss, Zeltlager Borchardt Abusir, 111. Jene Zeitungsartikel Steindorffs, die Breasted (Writings of Steindorff) verzeichnet, behandeln ausweislich ihrer Titel keine der zu untersuchenden Unternehmungen. 99 Ermans Borchardt-Bibliographie (19) nennt einen Abusir-Grabungsbericht in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 12.6.1902; ich habe diese Ausgabe (Jg. 41, Nr. 135) durchgesehen und den angegebenen Artikel nicht gefunden. 100 Zwei weitere Lohnlistenbögen (Grabungskampagne Abusir 1907/08, Arbeits[doppel]wochen 17.-30.10.1907, o.S.; 15.-28.11.1907, 9) abgebildet in: Brinkmann, Sahure, 334 Nr. 72o-p; Oberteil letzteren Bogens außerdem abgebildet in: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, vorderer Deckel. Bei seiner ersten Grabung in Ägypten vergaß Rubensohn die Lohnlistenbögen in Kairo und musste sich, bis Borchardt sie ihm nachgesandt hatte, mit »selbsthergestellten« behelfen (Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 62 [Zitat], 86). Die Archäologen nannten die Lohnlisten auch »Arbeiterlisten«: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 14, 29, 72, 83; 1903, 34; 1903/04, 16; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 7, 89; 1905, 42; Aniba 1912, 132; Lohnliste Giza 1906, Deckblatt.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Titel »Zusammenstellung der Löhne und Zuschläge für die Arbeitswoche vom … ten bis … ten … 19 …«, unter dem alle Lohnzahlungen der Woche addiert wurden. Als einziger Typ der mir bekannten verfügbaren Quellen verzeichnen die Lohnlisten die (vollen) Namen und Herkunftsorte sämtlicher Arbeiter einer Grabungskampagne (während der abgedeckten Wochen). Sogar in den Feldtagebüchern verschwinden die meisten Arbeiter dagegen, wenn sie überhaupt explizit erwähnt werden, in Kollektiven wie »Arbeiterzahl heute: 227« oder »die Arbeiter aus Abusir« (Kap. 3.4.3.1). In der Kairener Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAIK), also Borchardts dienstlichem Nachlass, haben sich die Lohnlisten einiger der von ihm geleiteten und weniger anderer deutscher Grabungskampagnen erhalten (Abb. 48). Sie scheinen jeweils vollständig zu sein, weil alle Kampagnenwochen abzudecken, in denen in Listen einzutragende Arbeiter beschäftigt waren – der Aufbau zu Beginn und Abbau am Ende gehörten dazu nur bedingt. Die Bögen einer Kampagne bzw. eines Kampagnenabschnitts sind in den Archivakten jeweils mit einer Schnur zusammengebunden. Außer seinen eigenen und den Lohnlisten seines Assistenten Georg Möller aus dessen Grabungen in Abusir el-Meleq behielt Borchardt zumindest einige Lohnlisten von jeweils Steindorff und dem Papyrusunternehmen, weil er für die deutschen Archäologen auch und insbesondere Arbeiter organisierte und sein diesbezügliches System vermutlich dokumentieren und weiterentwickeln wollte. Ferner enthält das Berliner Archiv der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG) jeweils einige Lohnlistenbögen von Möllers Grabungskampagne 1906 in Abusir el-Meleq und Borchardts Versuchsgrabung in Tell el-Amarna 1907.

1.2.1.4 Fotografien von Grabungen Außer in Texten haben die Archäologen ihre Unternehmungen in Fotografien dokumentiert. Diese zeigen in erster Linie Teile einer Grabungsstätte und/oder Fundstücke. Ägyptische Arbeiter erscheinen in diesen Fällen höchstens, wenn sie sich zufällig in der Umgebung des eigentlich Abzubildenden – einer Mauer, eines Sarkophags und so weiter – aufhielten oder für das Bild einen Messstab daran hielten (Abb. 3), vielleicht selbst als Maßstab dienten oder, sozusagen als menschlicher Pfeil, eine Stelle im Bildmotiv markierten.101 Gewiss mussten damalige Archäologen ihr begrenztes fotografisches Material größtenteils auf Funde verwenden, um diese zu dokumentieren bzw. anschließend publizieren zu können.102 Andererseits fügten schon die Mitglieder der napoleonischen Expedition (1798-1801) ihren Abbildungen von Altertümern in Ägypten lebende Ägypter lediglich zum Zwecke des Größenvergleichs hinzu, da sie sie zivilisatorisch nicht zum alten Ägypten – einer Hochkultur (Kap. 3.5.4 Abs. 6) – rechneten.103 Nichtsdestoweniger richtete sich die Kamera der Deutschen manchmal willentlich statt nur notgedrungen auf ägyptische Arbeiter. Die Ergebnisse lassen sich in drei Kategorien einteilen:

101 Ein solcher Pfeil: Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 58 Abb. 49. 102 Spencer, Petrie Photography, 297. 103 Godlewska, Description de l’Égypte, 18; zu Grabungsarbeitern in archäologischen Fotoarchiven ferner Riggs, Archaeology and Photography, 197-199.

1 Voraussetzungen und Methodik (1) Panoramen der Grabungsstätte während des Arbeitstages, die einen Überblick über den gesamten Arbeitsbetrieb – zu dem auch die Arbeiter gehören – vermitteln wollen; (2) Szenen: Arbeiter(gruppen) bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, zum Beispiel der Freilegung eines Bauwerks, dem Abtransport von Fundstücken, aber auch der Lohnauszahlung am Ende der Arbeitswoche; (3) Porträts der gesamten Grabungsmannschaft, einzelner Arbeitergruppen wie der Vorarbeiter, oder einzelner Arbeiter wie eines Vorarbeiters, Kochs oder anderen. Im Gegensatz zu Panoramen und Szenen stellen Porträts die Arbeiter um derer selbst willen dar. Die Muslime unter den für die Deutschen Arbeitenden durften sich übrigens wegen des islamischen Bilderverbots theoretisch nicht (aus der Nähe) fotografieren lassen.104 Die Archäologen scheinen in der Praxis jedoch auf keine diesbezüglichen Vorbehalte gestoßen zu sein – im Gegenteil.105

Von Fotos, welche die zu untersuchenden Archäologen während des Untersuchungszeitraums von ihren Unternehmungen aufgenommen haben, sind mir in (öffentlichen) Archiven vier Sammlungen bekannt. Gesichtet habe ich für diese Studie nur die Sammlungen in Leipzig (Ägyptisches Museum der Universität – ÄMULA)106 und im ägyptischen Antikenministerium in Kairo (SCA); letztere gehört zu den erwähnten, im Zweiten Weltkrieg von Ägypten beschlagnahmten ehemaligen Archivbeständen des Deutschen Instituts für Ägyptische Altertumskunde,107 heute die Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts (DAIK). Ludwig Borchardts Privatnachlass in Kairo (Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde) sowie die Museumssammlung in Berlin (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung – ÄMPB), die jeweils ebenfalls Grabungsfotos enthalten, sind dagegen archivalisch noch so wenig erschlossen bzw. geordnet, dass mir eine Auswertung nicht möglich gewesen ist108 – mit Ausnahme jener weniger Fotos aus diesen Beständen, die in Feldberichten der Archäologen und anderswo publiziert worden sind. Unter den von mir gesichteten Fotos befinden sich bezüglich der archäologischen Arbeiter wohl einige Hundert Szenen, einige Dutzend Panoramen und einige Dutzend Porträts. Was lässt sich ihnen entnehmen? Die These »Ein Bild sagt mehr als tausend Worte« gilt für sie insofern nicht, als bei den meisten Bildern zumindest bezüglich der ägyptischen Arbeiter erläuternde Texte oder sogar Rahmendaten wie das Entstehungs-

104 Mühl, Ägypten, 15. 105 Schubart, Wüste, 54. 106 Einige Fotos veröffentlicht in: Felber et al., Karawane nach Siwa; Spiekermann/Kampp-Seyfried, Giza Ausgrabungen Steindorff; Helmbold-Doyé/Seiler, Keramik Aniba; einige Fotos online verfügbar: www.giza-projekt.org/Photos/Arbeitsphotos/Leipzig/Grabung_gr/Grabung.html; https://www.un i-marburg.de/de/fotomarburg (Zugriff: jeweils 1.9.2022). 107 Kap. 1.2.1.1; El Awady, Borchardt’s Photo Archive; weitere Fotos veröffentlicht in: Hawass, Borchardt. 108 Persönliche Mitteilungen von Cornelius von Pilgrim (Schweizerisches Institut), Oktober 2015; Caris-Beatrice Arnst (ÄMPB), 12.7.2017; vgl. Hanus, Archivbestände Ägyptisches Museum (Berlin), 117-121.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

jahr fehlen.109 Zudem erscheinen die Arbeiter selbst in Szenen und Porträts nicht unbedingt so nah bzw. in solcher Schärfe, dass ihre Gesichter erkenn- bzw. unterscheidbar wären. Die anderen Quellen überbrücken diese Informationslücken kaum, sodass wir selbst in Porträts die abgebildeten Arbeiter kaum namentlich identifizieren können. Zumindest auf der kollektiven bzw. anonymen Ebene besitzen die Fotos für uns jedoch insofern großen Wert, als sie uns offenbaren, wie all jenes in Wirklichkeit ausgesehen hat, was Berichte und Lohnlisten der Archäologen entweder nur schriftlich darstellen – etwa die Grabungsstätte, typische Elemente des Arbeitsbetriebs, die technische Ausstattung – oder sogar zu verschweigen neigen – etwa das Aussehen, die Kleidung und andere Eigenschaften der ägyptischen Arbeiter.

Abb. 3: Grabungsarbeiter und Messstab an Monument (wohl Zucker, Elephantine 1907/08)

Honroth et al., Elephantine, 57 Abb. 23. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

1.2.1.5 Sonstige Dokumente Infolge der komplexen organisatorischen Anforderungen archäologischer Ausgrabungen oder Erkundungsreisen in Ägypten haben die Chefarchäologen bzw. ihre Assistenten neben Feldtagebüchern, publizierten Feldberichten, Lohnlisten und Fotografien während oder bezüglich ihrer Unternehmungen verschiedene sonstige Textdokumente angefertigt und/oder hinterlassen (vgl. Quellen und Literatur Abs. ac). Erstens Briefe oder Telegramme, die die Archäologen mit Personen gewechselt haben, die ihnen selbst oder 109 Anders als z.B. bei Fotografien von Flinders Petries Ausgrabungen (Quirke, Hidden Hands, Kap. 9).

1 Voraussetzungen und Methodik

ihren Unternehmungen verbunden waren: Familienangehörige, andere (westliche) Archäologen einschließlich Ludwig Borchardt und Beamte des ägyptischen Antikendienstes; Finanziers und Vertreter deutscher Trägerinstitutionen. Zweitens gibt es Notiz- und Kassenbücher, Rechnungen, Grabungsgenehmigungen, Fundjournale, -teilungsprotokolle und anderes zu den Unternehmungen. Viele solcher Dokumente stehen in öffentlichen Archiven sofern erschlossen zur Verfügung. Wenige sind gedruckt veröffentlicht worden; einige Sammlungen sind jedoch online zugänglich. Hinzu kämen Nachlässe in Privat- bzw. Familienbesitz – nach meinen Informationen existieren welche von Steindorffs bzw. Borchardts Grabungsassistenten Uvo Hölscher (1878-1963) und Paul Hollander (1877-1953).110 Falls der Nachlass eines weiteren Borchardt-Assistenten, Friedrich Röschs (1883-1914), sich ebenso erhalten hat, fände sich darin womöglich der Entwurf einer Anweisung für Ausführung von Grabungen in Ägypten. Laut Borchardt hatte Rösch sie zusammen mit Borchardt und dem Grabungsassistenten Karl Breith (1885-1971) begonnen; und sie war schon »recht weit gediehen«, bevor der Erste Weltkrieg ausbrach und Rösch noch im ersten Kriegsmonat fiel.111 Ferner haben Borchardt, Georg Steindorff und Friedrich Zucker jeweils unabhängig von der Archäologie, jedoch teils unter Erwähnung ihrer archäologischen Arbeiter, ihre Eindrücke aus Ägypten publiziert. Auf dieser allgemeinen Ebene kommt das Bild, das die Männer vom antiken wie modernen Ägypten hatten, eher heraus als in den spezialisierten Schrifterzeugnissen ihrer archäologischen Arbeit.112 Von den sonstigen Dokumenten habe ich für diese Studie die veröffentlichten ausgewertet sowie aus den Archiven vor allem den digitalisierten Nachlass Steindorffs (darunter Briefe von ihm und an ihn) (Ägyptisches Museum der Universität Leipzig – ÄMULA, und Bridwell Library Dallas – BLD),113 die Briefe Otto Rubensohns an seine Familie (Jüdisches Museum Berlin – JMB) und die Unterlagen der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG). Diese Dokumente sagen zuweilen etwas oder gar etwas Wichtiges über Arbeiter der Archäologen. Nicht berücksichtigt habe ich, neben Privatarchiven, die sonstigen Sammlungen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) bzw. seiner Abteilung Kairo (DAIK);114 des Ägyptischen Antikenministeriums in Kairo (SCA), des Schweizerischen Instituts für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo, und des Ägyptischen Museums/der Papyrussammlung Berlin (ÄMPB)115 – teils, weil diese Sammlungen noch nicht erschlossen sind; teils, weil der Aufwand einer umfassenden Auswertung in keinem Verhältnis zum wahrscheinlichen Nutzen stünde. Denn erstens sind viele der Informationen aus den von mir ausgewerteten sonstigen Dokumenten bereits in Feldtagebüchern und -berichten enthalten. Zweitens betreffen die sonstigen Dokumente 110 111 112 113 114 115

Zum Familienarchiv Hölscher (Hannover/Steinfurt): Loeben, Hölscher, bes. 150 Anm. 1; zu Hollanders Familienarchiv Dierks (Osnabrück): Habermann, Badische Grabungen, 250, 264, 298. Borchardt zit.n.: Grünewald, Rösch, 52; vgl. Scharpff, Rösch, 18. Zu Rösch ferner Voigt, Rösch. Borchardt, Vorwort [zum Bildband Ägypten] (1929); Steindorff, Aegypten (1915); Zucker, Von Kairo bis Assuan (1907). Zum Nachlass Steindorff: Seidel, Archiv Ägyptologisches Institut Leipzig, 520-531. Beispieldokumente abgebildet bzw. zit. in: Voss, Zeltlager Borchardt Abusir; Brinkmann, Sahure, 332-334. Vgl. Hanus, Archivbestände Ägyptisches Museum (Berlin), 112-117, 120.

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größtenteils keine ägyptischen Arbeiter, sondern andere Aspekte der archäologischen Unternehmungen (auch in den Tagebüchern und anderen Quellen kommen die Arbeiter, wie erklärt, nur beiläufig-zufällig vor). Die politischen Inhalte des DAIK-Archivs beispielsweise konnte Susanne Voss zu einer zweibändigen Geschichte der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts verarbeiten.116

1.2.2 Von ägyptischen Arbeitern hinterlassene Quellen Anders als von den deutschen Archäologen besitzen wir von den ägyptischen Arbeitern der zu untersuchenden Unternehmungen fast keine Zeugnisse. Denn entweder haben sie nichts schriftlich oder anderswie festgehalten, oder das von ihnen Festgehaltene ist nicht erhalten bzw. heute kaum mehr aufzufinden. Die Analphabetenrate lag in Ägypten noch 1907 insgesamt bei 95,6 Prozent – wenngleich bei Männern etwas niedriger: bei 91,5 Prozent.117 Jedenfalls waren die übrigen 4 bis 8 Prozent der Bevölkerung weniger im ländlich-bäuerlichen Milieu der archäologischen Arbeiter zu finden als vielmehr in den Städten.118 Doch selbst wenn sie hätten schreiben können, hätten zumindest männliche Bauern – und fast alle archäologischen Arbeiter waren männlich – es vielleicht insofern nicht getan, als ihr Milieu es für Zeitverschwendung und schlimmstenfalls für unmännlich gehalten hätte.119 Ausnahmen gab es freilich auch bei archäologischen Arbeitern: Quirke betont, dass »the bedouin and Egyptian farmers recruited by Petrie for archaeological labour [in Ägypten zwischen 1880 und 1924] did include writers, and did have access to circulation of correspondence«.120 Einigen »seiner« Fellachen versuchte Petrie selbst, Lesen und Schreiben beizubringen.121 Andererseits war es gar nicht nötig, dass bei einer Grabung alle Arbeiter lesen und schreiben konnten – wenn es nur einzelne waren, konnten diese auch für andere schreiben und ihnen vorlesen. Bei den 130 Stammarbeitern, die 1909/10 für Friedrich Zucker gruben, fassten die »drei oder vier« Schreibkundigen, die unter ihnen weilten, auch für die anderen regelmäßig Briefe in deren Heimatdörfer ab. Sie enthielten vielleicht »oft nichts anderes als Grüße an die vielen Freunde und Verwandte[n]«122 – doch manchmal sicherlich auch Interessanteres. Viele solche Briefe123 werden allerdings im Laufe von 116

Darin aber ein Beispiel für ein Dokument aus diesen Beständen, das auf ägyptische Arbeiter eingeht: Schreiben Röschs an Borchardt, 1913 (Schlägerei zwischen den Wächtern der deutschen Grabungsstätte in Amarna) (Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 124 mit Anm. 1373). 117 Yousef, Composing Egypt, 19 Tab. 1.1. 118 Yousef, Composing Egypt, 43; Quirke, Hidden Hands, 17-19. 119 Yousef, Composing Egypt, 11. 120 Quirke, Hidden Hands, 17; ein Fallbeispiel von 1905: 81; vgl. u. Kap. 3.3.2.3 Abs. 7; 3.6.1. 121 Petrie, Seventy Years in Archaeology, 104. 122 Schubart, Wüste, 25f. 123 Vgl. auch Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 42f.: »Abends teilen mir unsre Abusirleute, denen es von ihren Angehörigen geschrieben war, mit daß der neue R[a]is von [Saqqara], [A]li [A]bu Fajad (Nachfolger des Chalifa) […] in der letzten Vollmondsnacht meuchlerisch ermordet worden ist (Schrotschuß durch den Hals)«; 59: »Ahmed Muferreg (alias Abu Katamiseh) […] hat einen Brief vom Beled [d.h. aus seinem Dorf] erhalten, wonach ein Vetter ihm gegenüber in Bezug auf eine gemeinsame Cousine in seiner Abwesenheit in unlauteren Wettbewerb getreten ist. Bittet um Entlassung um schleunigst zu heiraten«.

1 Voraussetzungen und Methodik

über einhundert Jahren entsorgt worden sein, und die systematische Suche nach erhaltenen bzw. nach heutigen Nachkommen damaliger Arbeiter wäre ein großer Aufwand mit ungewissen Erfolgsaussichten (Kap. 1.2.4). Dementsprechend kenne ich auch keine archäologische Unternehmung irgendeines Archäologen in Ägypten, zu der Privatbriefe von Arbeitern verfügbar wären. 2006 haben Forscher hingegen 74 arabischsprachige archäologische Tagebücher ägyptischer Vorarbeiter, die zwischen 1913 und 1947 an US-amerikanischen Ausgrabungen in Ägypten und dem Sudan teilgenommen hatten, bei deren Nachfahren in Kairo aufgespürt. Das Giza Project (Boston) will die Tagebücher ins Englische übersetzen und im Internet verfügbar machen.124 Wohlgemerkt konnten 1927 in Ägypten schon fast dreimal so viele Männer lesen und schreiben wie 1907: 23 Prozent.125 Umso unwahrscheinlicher ist es, dass Arbeiter auch der hier untersuchten, nur bis 1914 reichenden Unternehmungen archäologische Tagebücher geführt haben (denn anders als Briefe kann man Tagebücher schwerlich jemand anderem diktieren). Unmöglich ist es nicht, doch habe ich in den Zeugnissen der deutschen Archäologen und anderswo keinerlei Anhaltspunkte gefunden für die damalige Anfertigung oder gar heutige Erhaltung solcher Dokumente. Insbesondere ist es mir nicht gelungen, Nachkommen (führender) damaliger Arbeiter wie Mohammed Ahmed el-Senussi im heutigen Ägypten auszumachen (Kap. 1.2.4). Senussis eigener Name steht allerdings unter einem kurzen arabischsprachigen Brief von 1903 an Georg Steindorff in dessen Leipziger Nachlass (Abb. 4).126 Darin erkundigt sich Senussi, ob Steindorff, der nach Ende der Grabungssaison in Ägypten für die Sommerpause nach Leipzig zurückgekehrt war, inzwischen sein ihm nachgesandtes Gepäck erhalten habe. Ist der Brief von Senussi selbst zu Papier gebracht worden? Die förmliche Sprache des Texts, der zu einem Großteil aus Gruß- und Segensformeln besteht, deutet eher auf einen professionellen Schreiber hin.127 Ferner lässt der Stil den

124 www.gizapyramids.org/static/html/pressrelease006.jsp; https://www.radcliffe.harvard.edu/opp ortunities-for-researchers/2022-2023-accelerator-workshops/digging-for-diversity-in-egyptology (Zugriff: jeweils 1.9.2022). Zu diesen Tagebüchern auch Quirke, Exclusion of Egyptians in Archaeology, 396; zum Gebrauch der arabischen Sprache bei den US-Ausgrabungen: Doyon, History of Archaeology, 182-185. 125 Yousef, Composing Egypt, 19 Tab. 1.1. 126 In Georg, Recherche commune (203) habe ich – wie auch Steindorffs Übersetzer des Briefs (u. Abb. 4) – irrtümlich angenommen, dass die Namen unter dem Brief zu zwei verschiedenen Vorarbeitern gehören würden. Es handelt sich jedoch schlicht um den vollen Namen Senussis: Mohammed Ahmed Abd el-Rahman (u. Kap. 3.6.1). 127 Zu solchen Schreibern im damaligen Ägypten: Yousef, Composing Egypt, 104-107 (105: »Drawing from conventions detailed in numerous ›writing manuals‹, these scribes often had formal addresses, phrases, and rhetorical flourishes at the ready to draft letters, contracts, or other documents for almost any occasion. […] scribes were accessible and their expertise was relatively inexpensive to utilize«). Der britische Archäologe Howard Carter (1874-1939) erhielt 1923 einen ähnlich blumigen, englischsprachigen Brief seines Vorarbeiters Ahmed Gurgar/Gerigar (in Handschrift abgedruckt in: Carter/Mace, Tut·Ankh·Amen, xv; zu Gerigar: Mohamed AbdelRahman, Egyptian Role, 14f.).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Brief wenig über Senussis eigentliche Person aussagen.128 Dennoch handelt es sich um meine einzige Quelle zu den zu untersuchenden ägyptischen Arbeitern, die nicht von Deutschen oder Dritten stammt, sondern von einem der Arbeiter zumindest in Auftrag gegeben worden ist. Im Archiv der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts (DAIK) lagern einige weitere arabischsprachige Nachrichten von ägyptischen Arbeitern an deutsche Archäologen, betreffend etwa den Termin oder Etat einer Grabungskampagne. Da jenes Archiv diese Dokumente aber noch nicht katalogisiert hat und auch in ihnen viel Text auf Höflichkeitsfloskeln entfallen soll,129 ziehe ich in dieser Studie allein den »Leipziger« Brief Senussis heran.

Abb. 4: Brief des Vorarbeiters Senussi an Steindorff, 1903

ÄMULA, Mappe K2, 1902-1906. Scan: ÄMULA.

Beiliegende Übersetzung für Steindorff von August Fischer, Orientalistik-Professor in Leipzig: »Sr. Hochwohlgeboren, dem respectirten & überaus verehrten Doctor Herrn Steindorff, dem Allah langes Leben gebe. […] Wir wollen Sie grüssen; unser Herz ist bei

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Steindorffs Antwort an Senussi besteht ebenfalls größtenteils aus Floskeln (Steindorff, Brief an Fischer [zur Übersetzung vom Deutschen ins Arabische], 22.9.1903). Persönliche Mitteilung von Susanne Voss, 27.6.2017.

1 Voraussetzungen und Methodik

Ihnen, wie Sie wissen. Grüssen Sie ferne von uns Ihre Kinder herzlich, wenn Allah will, sind sie alle gesund. Wenn Allah will, sind Sie sehr heiter & und das Gepäck ist unversehrt bei Ihnen eingetroffen. Und wenn Sie Se. Hochwohlgeboren den Dr. Herrn Schäfer treffen, so grüssen Sie ihn von mir aufs herzlichste, ihn & seinen Sohn & seine Frau Gemahlin. Und wenn Allah will, sind sie gesund. Und nötig ist es Nachricht darüber zu schicken, ob das Gepäck angekommen ist oder nicht. Dies hatten wir Ihnen mitzuteilen. Ihre Diener Moḥammed es-Senūsī, Aḥmed ʿAbd er-Raḥmān« [die Namen gehören jedoch beide zu Senussi130 ].

Des Weiteren haben archäologische Arbeiter während ihrer Arbeit Lieder gesungen, die vereinzelt von den deutschen Archäologen aufgezeichnet worden sind; im arabischen Wortlaut und/oder deutscher Übersetzung (Kap. 4.2.2.1, 4.3). Auf der Siwa-Expedition 1899/1900 forderten grabende Arbeiter von Steindorff mittels Lied ihren Feierabend ein; in Tell el-Amarna besangen 1912/13 welche ihre Freude über einen besonderen Fund.131 Bei den Grabungen in Abusir/Abu Gurob hat Heinrich Schäfer 1900/01 Lieder gar systematisch gesammelt und 1903 in deutscher Übersetzung veröffentlicht, die »ein ägyptischer Bauer« in verschiedenen Situationen seines Alltags und Lebens anzustimmen pflege – zum Beispiel beim Gebet, auf dem Feld, aber auch »bei der Ausgrabungsarbeit«.132 Schäfer hat die Lieder seines Büchleins vielleicht gar nicht in praxi gehört, sondern sie sich sämtlich von vor allem zwei Ägyptern aus Saqqara diktieren lassen: Abu Bakr Ibrahim el-Sudani, den die deutschen Archäologen wohl als Diener beschäftigten, und Mahmud Mohammed el-Itr, einem für die Ruinen von Abusir zuständigen Wächter des Antikendienstes.133 El-Itr habe, so versichert uns Schäfer, die von ihm mitgeteilten Lieder keineswegs selbst erdacht, sondern es handle sich, wie Schäfer bei anderen Ägyptern geprüft habe, durchweg um »wirklich im Volk gesungene Lieder«. Einige seien allerdings nachweislich »schon vor 50 bis 60 Jahren ebenso gesungen worden« und/oder »bis Kairo, ja bis auf die See zwischen Ägypten und Palästina« verbreitet.134 Von Arbeitern franzö-

130 O. Anm. 126; außerdem: Das mit »Diener« im Plural übersetzte Wort, ‫ﺧﺪام‬, ist im Hocharabischen Plural (Hava, Arabic-English Dictionary, 151), im ägyptischen Arabisch jedoch Singular (Spiro, Arabic-English Vocabulary, 164). 131 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 310f., 313; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 5f.; vgl. Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 4; Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 8f. 132 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, 27-38 Nr. 24-38. 133 El-Itr: u. Abb. 15. 1906 nahm Möller ihn als Wächter mit zur Grabung in Abusir el-Meleq (Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 1). Schäfer erwähnt an anderer Stelle, bei der Niederschrift der Lieder auch von Steindorff sowie Senussi, dem oberägyptischen Vorarbeiter der Deutschen, unterstützt worden zu sein (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 184). 134 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, VIII-X, XII. Informationen zu Liedern könnte Schäfer zudem von dem Rais (Vorarbeiter) Rubi Hamsawi aus Saqqara (u. Kap. 3.3.3.2) erhalten haben (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 354). Die von Schäfer gesammelten Lieder werden als Beispiele für Ausgrabungslieder genutzt in Bücher, Arbeit und Rhythmus, 175-178. Schäfers ethnographisches Interesse am modernen Ägypten kommt ferner im Tagebuch der Nubien-Expedition 1900 sowie in den Fotografien seiner Nubien-Reise 1908-10, beides kürzlich ediert, zum Ausdruck (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, bes. 11-14; Beinlich, Photos Nubien).

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sischer Grabungen in Ägypten in den Jahren bis 1914 sind ähnliche Lieder überliefert.135 Daneben kannten die Fellachen volkstümliche Lieder bzw. gesungene Geschichten zu allen Anlässen ihres Alltags; es war ihre mündliche Literatur.136 Die »Grabungslieder« geben folglich, so wie Senussis Brief, weniger individuelle als vielmehr über Generationen und Regionen hinweg konventionalisierte Äußerungen nicht allein der untersuchten Arbeiter wieder. Trotzdem will ich sie als Äußerungen betrachten, die etwas über diese Arbeiter aussagen und mithilfe anderer Quellen überprüft werden können.

1.2.3 Von Dritten hinterlassene Quellen Neben den Chefarchäologen Borchardt, Steindorff, Möller, Rubensohn und Zucker, ihren deutschen Assistenten, ägyptischen Grabungsarbeitern und sonstigem ägyptischen Personal wohnten den zu untersuchenden Ausgrabungen jeweils vorübergehend immer wieder Gäste bei. Die Grabungstagebücher berichten manchmal täglich über Besuch an der Grabungsstätte, der sich die Arbeiten ansah und mit den Archäologen verkehrte. Bei den Besuchern, die meist nur wenige Stunden blieben, handelte es sich um andere Wissenschaftler bzw. Archäologen bzw. Ägyptologen einschließlich derer des ägyptischen Antikendienstes; ägyptische Würdenträger der Umgegend; in Ägypten ansässige Ausländer; aus Deutschland Grabungsfinanziers, Institutionenvertreter, Würdenträger oder einfache Touristen sowie Touristen aus anderen Ländern (nicht jedoch Ägypten).137 Zugleich gab es Gäste, die den Grabungen über längere Zeit regelrecht assistierten. Neben solchen dritten Primärzeugen gibt es noch Sekundärzeugen: Personen, die selbst vielleicht keine der zu untersuchenden Grabungen gesehen, jedoch durch persönlichen Kontakt mit Primärzeugen Informationen zu den Grabungen bzw. daran beteiligten Personen erhalten haben. Im Folgenden führe ich Quellen auf, die Dritte als Primär- bzw. Sekundärzeugen zu den zu untersuchenden archäologischen Arbeitern hinterlassen haben, tatsächlich oder womöglich. Entsprechende Zeugnisse von Deutschen bzw. anderen Nicht-Ägyptern sind mir bekannt bzw. verfügbar gewesen; solche von Ägyptern nicht. Bei den deutschen bzw. nicht-ägyptischen Dritten handelt es sich sämtlich um Nicht-Archäologen, sodass ihre Aussagen uns, sofern wir sie einer ihnen angemessenen Quellenkritik unterziehen, eine zusätzliche Perspektive eröffnen.

1.2.3.1 Deutsche und andere Nicht-Ägypter (1) Der deutsche Maler Erich Rexhausen (1867-1916) begleitete in einem unspezifizierten »Auftrag« der Berliner Museen gemeinsam mit Borchardts Assistenten Emil Dekker (?-?)138 von Februar bis April 1902 Otto Rubensohns Ausgrabungen im Fayyum einschließlich Abusir el-Meleq. Obwohl Rubensohn in privaten Briefen den altertumswissenschaft-

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Clément, Peasant Consciousness. Mavris, Chanson populaire; Cachia, Popular Narrative Ballads; Wickett, Oral Tradition; Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, 434 Anm. 10. Zu den Besuchern von Steindorffs Grabungen: Raue, Steindorff Ausgrabungen, passim. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 85f.

1 Voraussetzungen und Methodik

lich in keiner Weise ausgebildeten Rexhausen als »phlegmatisch« und wenig hilfreich, ja störend beschrieb,139 führte der Maler laut dem (offenbar allein von Rubensohn geschriebenen) Grabungstagebuch während der Unternehmung sogar mehrmals die Aufsicht über die ägyptischen Arbeiter.140 Seine Erlebnisse auch bezüglich der Arbeiter veröffentlichte Rexhausen bereits 1903 in einem ausführlichen, mit eigenen Zeichnungen versehenen Artikel in der Kulturzeitschrift Westermanns Monatshefte.141 Wegen des populären bzw. journalistischen Charakters dieser Zeitschrift und der Tatsache, dass Rexhausen die Grabungen für sich »primär als Abenteuer« empfand,142 sollten wir von seinen Eindrücken im Positiven wie im Negativen einige Emphase abziehen. (2) Friedrich Zucker wurde bei den Grabungen in Dimai el-Siba 1909/10 und Medinet Madi 1910 von dem deutschen Papyrologen Wilhelm Schubart (1873-1960) assistiert. Dieser wurde dabei von seiner Frau Frida Schubart (1868-1927) begleitet. 1922 legte Frida »ihre Eindrücke und Erlebnisse« dieser Ägypten-Reise (1911 und 1912 waren eine zweite und dritte mit Wilhelm gefolgt143 ) »in einem kleinen Erinnerungsbüchlein dem breiteren Publikum in fesselnder und angenehmer Plauderei vor«.144 Das »Büchlein« heißt Von Wüste, Nil und Sonne. Trotz oder wegen des Plaudertons bietet die Autorin bemerkenswert informierte, detailreiche Kapitel (von durchschnittlich zehn Seiten) etwa zu Unsere[n] Arbeiter[n] (mit drei kleinen Einzelporträts), zum Umzug der Grabung Von Dimee nach Medînet Mahdi, zum ägyptischen Diener der Schubarts (Mohammed) sowie zu den Besuchen der Schubarts bei Antikenhändlern (Auf der Händlerreise; Ein Papyrusankauf ) nach Schluss der Grabungskampagnen. Die Sprache auch bezüglich der Ägypter ist respektvoll, empathisch, differenziert. Zu dem Büchlein hat der Künstler Alfred Bollacher (1877-1968), der Borchardt bei der Grabung 1907/08 in Abusir assistierte, Zeichnungen »[n]ach unseren photographischen Aufnahmen« beigetragen.145 Des Weiteren sind kürzlich Auszüge eines Briefes publiziert worden, den Frida 1910 von der Grabung in Dimai an eine Verwandte in Deutschland geschrieben hat, und der ebenfalls auf die ägyptischen Arbeiter eingeht. Frida erklärt darin auch, dass sie selbst sich mit »den Leuten« schwer verständigen konnte, »weil sie natürlich eine ganz andre [weil oberägyptische?] Aussprache« des Arabischen hatten, als Frida sie kannte – doch ihr konnte geholfen werden: »Dr. Zucker kann sehr gut Arabisch. Wilhelm versteht jetzt die Leute auch meist ganz gut«.146

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Zit. in: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 85 Anm. 1008 (»Phlegma«); Kuckertz, Rubensohn (2020), 49; vgl. u. Kap. 5.1; Rubensohn, Briefe an Familie, 82 (Kairo, 20.1.1902), 91f. (Fayyum, 7.2.1902: »Phlegma«), 100f. (Theadelphia, 22.2.1902), 114 (Abu Hamid, 22.3.1902), 121 (Abusir el-Meleq, 5.4.1902). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Fayyum, Abusir el-Meleq, 55-234; u. Kap. 5.1. Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten. So urteilt Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 85 Anm. 1008. Fikentscher, Schubart, 438f. Müller, Papyrusgrabungen 1909/10, 5. Schubart, Wüste, Zur Einführung. Fikentscher, Schubart, 43-45 (Brief an Marie Peppmüller, 3.1.) (Zitate: 44); vgl. Schubart, Wüste, 3, 12, 16, 79. Zu Wilhelm Schubart, der damals die Papyrussammlung der Berliner Museen betreute: Poethke, Schubart (203 Abb. 14d: Frida Schubart vor einem Grabungszelt in Dimai, 1909/10).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

(3) An der Ausgrabung, die Borchardts Assistent Georg Möller von August bis Oktober 1905 in Abusir el-Meleq durchführte, nahm auch der deutsche Anatom und damalige Privatdozent an der Universität Tübingen Friedrich Wilhelm Müller (1873-1933) teil.147 Er sollte einerseits das im prähistorischen Friedhof des Grabungsortes zu erwartende »anthropologische Material, das voraussichtlich schwierig zu behandeln war, soweit [aufnehmen] und […] konservieren, dass es wissenschaftlich verarbeitet werden könnte«. Andererseits sollte er »als Arzt den Gesundheitszustand der Teilnehmer [der Grabung] […] überwachen und etwaige Krankheitsfälle, soweit es mit den vorhandenen Mitteln möglich war, […] behandeln«.148 Während die anderen zu untersuchenden Ausgrabungen auf einen eigenen, dauernd anwesenden Arzt verzichteten (Kap. 3.3.8), zog Möllers Kampagne in Abusir-el-Meleq 1905 einen hinzu, weil sie »in der [in Ägypten] heissen Jahreszeit, im Spätsommer, unternommen wurde. Es fragt sich eben, bis zu welchem Grade der Nordeuropäer zu dieser Zeit arbeitsfähig ist, und ob die Vorstellungen, welche man sich a priori von den Unannehmlichkeiten und Gefahren macht, richtig sind«.149 Was die archäologisch-anthropologischen Erträge der Unternehmung angeht, brachte Müller prähistorische Schädel und Skelette zum Studium mit nach Tübingen.150 In seiner medizinischen Funktion wiederum veröffentlichte er 1907 in der Fachzeitschrift Gesundheit einen Abusir-el-Meleq-Bericht, der sowohl die allgemeinen »hygienischen« Verhältnisse der Grabung als auch die besonderen der ägyptischen Arbeiter analysiert. Soweit ich sehe, hat die ägyptologische Geschichtsschreibung Müllers Text bisher nicht beachtet; ich selbst bin durch Zufall auf ihn aufmerksam geworden, da Georg Möller als einer der Schreiber des Tagebuchs zur Borchardtschen Abusir-Grabung 1907 den Text erwähnt, als er ihn dort per Post erhält.151 Bei der Benutzung des Berichts müssen wir in Rechnung stellen, dass Müller nach eigenem Bekunden vor Abusir el-Meleq »niemals in südlicheren Gegenden« wie Ägypten gewesen war152 und somit die ägyptischen Arbeiter durch eine starke europäische Linse wahrgenommen haben dürfte. (4) Der deutsche Hauptmann bzw. Major Paul Timme (1866-1928) war Militärtopograph und nahm zwischen 1911 und 1913 während Borchardts entsprechender Grabungen in Amarna für diese das Gebiet der antiken Stadt auf. Dabei halfen ihm ägyptische Arbeiter der Grabungen, die er in seinem 1917 erschienenen Bericht nicht unerwähnt gelassen hat.153 Während der Vermessung hat Timme auch ein eigenes Tagebuch geführt,154 über dessen Verbleib ich jedoch nichts weiß. (5) Prinz Johann Georg von Sachsen (1869-1938), geschichts- und kunstinteressierter zweiter Sohn des damaligen sächsischen Königs, besuchte während einer mehrmo147 148 149 150 151 152 153 154

Mörike, Tübinger Anatomie, 73f.; Nachruf: Rabl, Müller. Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 193. Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 193. Müller, Gräberfeld Abusir el-Meleq. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 331. Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 193. Timme, Amarna, bes. 65-78; zu Timme: Gerisch, 100 Years Ago; Timme. Timme, Amarna, 74.

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natigen Ägypten-Reise am 6. und 7. Dezember 1912 mit seinem Gefolge Borchardts Ausgrabung in Tell el-Amarna. Zu diesem Ereignis hat Johann Georg keinerlei Text, aber 23 Fotografien hinterlassen, die er als leidenschaftlicher Amateurfotograf in Amarna wie an anderen Reisezielen selbst aufnahm. Mit seinem weiteren fotografischen Nachlass liegen die Amarna-Bilder heute im Archiv der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., dem letzten Wohnort des Prinzen.155 Durch einen sonderbaren Zufall156 fand Borchardts Grabungsmannschaft just am ersten Tag des Prinzenbesuches die berühmte Nofretete-Büste, sodass Johann Georg diese kurz nach ihrer Bergung fotografieren konnte. Das resultierende erste Bild von ihr, in dem Borchardts Assistent Hermann Ranke (1878-1953) und ein – vermeintlicher – ägyptischer Arbeiter sie in Händen halten (Abb. 5 ist eine von drei Versionen des Bilds157 ), ist oft abgebildet worden; ob in wissenschaftlichen Publikationen oder dem Bordmagazin Horus der ägyptischen Fluggesellschaft Egyptair.158

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Signatur des Nachlasses: C197 (Bestand bis 2012/13 im Archiv des Instituts für Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte der Freiburger Universität). Für die Übersendung der digitalisierten Amarna-Bilder von 1912 danke ich Lars Petersen (Karlsruhe, zuvor Freiburg). Zu Johann Georg und seinen Reisen und Bildern: Petersen, Prinz in Wüste; zu seinem Amarna-Besuch auch Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 54; ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 38f., 47f. Der preußisch-deutsche Kronprinz Wilhelm (1882-1951) besuchte am 10.3.1903 mit Abusir ebenfalls eine Borchardtsche Ägypten-Ausgrabung und »machte […] einige photographische Aufnahmen von unsern arbeitenden Leuten« (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 171f.; vgl. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 32f.). Leider enthält zumindest derjenige Teil von Wilhelms Nachlass, der im Berliner Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Signatur: Brandenburg-Preußisches Hausarchiv, Rep. 54 – Kronprinz Wilhelm) erhalten ist, nach Auskunft des Archivs vom 23.6.2017 keinerlei Dokumente zu Wilhelms entsprechender Ägypten-Reise – vielleicht deshalb, weil im Zweiten Weltkrieg ungefähr drei Viertel des »Brandenburg-Preußischen Hausarchivs« verbrannt sind. Zu der Möglichkeit, dass der Fund bereits am Vortag gemacht, aber bis zum Prinzenbesuch zurückgehalten wurde: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 95f. Neben dieser Version (Freiburger Archiv) wurde die gleiche Szene Sekunden davor oder danach (also mit leicht veränderter Haltung der abgebildeten Personen) noch zweimal fotografiert. Diese Fotos befinden sich im Schweizerischen Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo bzw. im Freiherr-von-Berlepsch-Archiv Taunusstein (Petersen, Prinz und bunte Königin, 88 mit Anm. 43). Z.B. Krauss, NofretEte, 90; Voss/Pilgrim, Borchardt und deutsche Interessen am Nil, 304; Savoy, Nofretete, 9; Voss/Gertzen, Amarna, 36 und Titelseite des dazugehörigen Kmt-Heftes; Titelseite des Themenheftes Nofretete und Amarna der Zeitschrift Antike Welt; Wildung, Preußen am Nil, 53; Schlögl, Nofretete, 12; Anonymus, Nefertiti, 19.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Abb. 5: Die Nofretete-Büste am 6. Dezember 1912 nach ihrer Bergung, gehalten vermutlich von einem nubischen Diener der Grabung (Borchardt, Amarna 1912/13; Foto von Johann Georg von Sachsen)

UAF, C197 (Scan 4).

Auch fast alle anderen der 23 Fotos – die meisten inzwischen ebenfalls veröffentlicht159 – zeigen ägyptische Arbeiter. Viele sind jedoch, was Bildausschnitt und/oder

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Savoy, Nofretete, 26-31; Petersen, Prinz und bunte Königin, 89-93; Petersen, Prinz und ägyptische Königin, 60f., 64.

1 Voraussetzungen und Methodik

-schärfe betrifft, wenig gelungen; und insbesondere das Nofretete-Bild verdeutlicht, dass wegen der außergewöhnlichen Umstände sowohl des Fundes als auch des hohen Besuches einige Motive gestellt worden sein mögen. Obwohl nämlich der die Büste haltende augenscheinliche Nicht-Deutsche schon für den Vorarbeiter Mohammed Ahmed el-Senussi gehalten worden ist,160 handelt es sich der Kleidung und dunklen Hautfarbe des Mannes nach nicht um den Oberägypter Senussi, dessen Aussehen wir von anderen Fotos kennen (Abb. 36-38), sondern um einen Nubier.161 Aus Nubien kam bei vielen Grabungskampagnen der Deutschen der jeweilige Diener und/oder Koch (Kap. 3.3.2.3 Abs. 5, 7). Nach Maßgabe dieser Funktionen hätte der die Büste haltende Mann gar nicht an Grabungsarbeiten und also der Entdeckung und/oder Bergung der Büste mitgewirkt – entgegen des Eindrucks, den das Bild Johann Georgs erweckt. (6a) Des Weiteren ist ein unscheinbarer Satz von Quellen auf uns gekommen, deren Urheber keiner der zu untersuchenden Ausgrabungen beigewohnt, aber 1932 mit dem inzwischen pensionierten Vorarbeiter Senussi gesprochen und darüber in einem Buch berichtet sowie archivalisch erhaltene Notizen gemacht hat: Der deutsche Orientalist und Religionswissenschaftler Hans Alexander Winkler (1900-1945) von der Universität Tübingen verbrachte im genannten Jahr zwischen Februar und April acht Wochen in Senussis Dorf Kiman bei Quft, um ethnologische Studien zu den Oberägyptern durchzuführen.162 Er wohnte in Senussis Haus auf Vermittlung des erwähnten deutschen Ägyptologen Heinrich Schäfer, der unter anderem 1898/99 Borchardts Grabungsassistent in Abu Gurob gewesen und 1914 Direktor des Berliner Ägyptischen Museums geworden war. Das aus Winklers Forschungsaufenthalt resultierende Buch von 1934, Bauern zwischen Wasser und Wüste, beschreibt hauptsächlich die Lebensweise der Einwohnerschaft Kimans – ohne auf deren Mitglieder individuell einzugehen. Als Einleitung jedoch macht der Ethnologe knappe Angaben über das, was sein »Wirt« Senussi ihm über sich selbst erzählt hat.163 In Winklers Nachlass im Tübinger Universitätsarchiv findet sich außerdem ein Brief Ludwig Borchardts an den Forscher mit Erläuterungen zu Senussi von 1934 sowie eine von Winkler handgeschriebene fünfseitige Vita Senussi. Die Auskünfte, die Winkler von Senussi über dessen Person erhalten hat, scheint er in der Vita zusammengetragen und in der Bucheinleitung zusammengefasst zu haben. So erfahren wir durch Winkler Grundzüge von Senussis Biographie und Selbstwahrnehmung – was in den anderen Quellen größtenteils im Dunkeln bleibt. Sogar eine Fotografie des alten Senussi geht Winklers Buch voran (u. Abb. 38). Die archivalische Vita belegt zudem, dass Winkler sich mit Senussis Person durchaus gezielt und gründlich beschäftigt hat anstatt nur so beiläufig und zwanglos, wie das Buch allein es aussehen

160 Z.B. Petersen, Prinz und bunte Königin, 84, 89; Savoy, Nofretete, 9; Dodson, Nefertiti, 120 Abb. 124. 161 Zur Hautfarbe von Ägyptern und Nubiern: »Le teint du visage se fonce régulièrement avec la latitude; à peine plus bronzé au nord du Delta que celui de nos paysans d’Europe, il tourne au chocolat dans la Moyenne-Égypte pour devenir d’un brun plus sombre aux environs d’Assouan sans cependant atteindre la note extrême du type nègre« (Piot, Fellah, 211). 162 Zu Winklers Leben und Werk: Junginger, Winkler; zu seinen Forschungen in Kiman: Hopkins, Anthropology in Egypt, 29-33; Natvig, Winkler’s Field Notes. 163 Winkler, Bauern, 1, 7-10 (Zitat: jeweils 7-9).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

ließe. Andererseits gebieten uns vier Gründe, Winklers Angaben mit Vorsicht zu behandeln: Erstens gibt dieser zu, dass ihm »das Sprechen und Verstehen des Arabischen« bei seiner Ankunft in Kiman »noch einige Schwierigkeiten« bereitete.164 Zweitens hatte Winkler vor 1932 nie in Ägypten geweilt und könnte somit besonders von der ihm als völlig Fremden gegenüber umso größeren ägyptischen Gastfreundschaft geblendet worden sein, um derentwillen Senussi ihm einige idealisierte Antworten geliefert haben mag, von denen dieser glaubte, dass sie seinem Gast gefallen würden. Drittens war Winkler kein Ägyptologe und scheint sich im Vorfeld seiner Forschungsreise auch nicht in die Ägyptologie eingearbeitet zu haben. Viertens war der Vorarbeiter bei Winklers Besuch wohl über fünfzig Jahre alt und mag sich, wie Winkler selbst argwöhnte, zumindest an seine frühen Jahre nicht genau erinnert haben.165 (6b) Winkler war nicht der einzige ausländische Ethnologe, den Senussi in Kiman beherbergt hat. Ein anderer war 1913 der dänische Offizier Magnus Henry Davidsen (1877-1962). Auch er scheint von den deutschen Archäologen, deren Grabungen in Tell el-Amarna und Theben er 1912 bzw. 1913 auf dem Weg nach bzw. von Quft besuchte,166 an Senussi vermittelt worden zu sein. 1934 hat sich dann Winkler mit Davidsen über Kiman im Allgemeinen und Senussi im Besonderen ausgetauscht, wie zwei längere (deutschsprachige) Briefe des Dänen an Winkler in dessen Tübinger Nachlass bezeugen. Davidsen hat Senussi und vermutlich andere Grabungsarbeiter in Quft noch während meines Untersuchungszeitraums getroffen und nicht erst, wie Winkler, zwanzig Jahre später. Es ist umso mehr zu bedauern, dass Davidsen seine Quft-Forschungen offenbar in keine nennenswerten Veröffentlichungen umgesetzt hat.167 Betreffend seinen Nachlass habe ich lediglich herausgefunden, dass das Dänische Nationalmuseum in Kopenhagen von Davidsen Fotografien zur ägyptischen Landwirtschaft besitzt.168 Weitere Dokumente Davidsens aus Ägypten fänden sich eventuell bei der immer noch bestehenden Kopenhagener Carlsberg-Stiftung, die seine Forschungen finanziert hat.169

1.2.3.2 Ägypter Im Unterschied zu archäologischen Arbeitern konnten bestimmte andere Ägypter zweifelsohne schreiben und haben sicherlich auch zu den zu untersuchenden Arbeitern etwas zu Papier gebracht. Ich denke einerseits an regionale oder kommunale Beamte und Akten, die sie über archäologische Grabungstätigkeiten in ihrem Amtsbezirk führten.

164 165 166 167

Winkler, Bauern, 11. Winkler, Bauern, 8. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 88, 96, 101, 107; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 16, 62. Davidsens »wissenschaftlichste« Veröffentlichung scheint in einer Vorlesung zu bestehen, die er auf dem 3. Internationalen Kongress für Anthropologie und Ethnologie in Brüssel 1948 gehalten hat: Davidsen, Fellaḥeen. In seinen Briefen an Winkler von 1934 bedauert Davidsen, dass seine ägyptischen Forschungen »durch den Weltkrieg unterbrochen« worden seien (9.2.) bzw. er sie für eine Publikation als noch nicht ausreichend erachtet habe (10.3.). Zu Davidsen und seinen ägyptischen Forschungen: Hopkins, Anthropology in Egypt, 15f.; Winther, Davidsen. 168 Hansen, Sources in Denmark, 495. 169 Meine diesbezügliche Anfrage vom 10.1.2018 hat das Sekretariat der Carlsberg-Stiftung an deren Bibliothekar weitergeleitet, der sie unbeantwortet gelassen hat.

1 Voraussetzungen und Methodik

Einige dieser Akten müssen sich unmittelbar auf Arbeiter bezogen haben; zum Beispiel Polizei- bzw. Gerichtsakten, die sicherlich angelegt wurden, wenn es in der Ausgrabung zu Schlägereien oder Diebstählen kam und die örtlichen Behörden eingriffen bzw. von den deutschen Archäologen eingeschaltet wurden.170 Bestimmte ägyptische Archive verfügen noch heute über solche Dokumententypen auch aus meinem Untersuchungszeitraum. Die Orientalistin Anne Clément (damals Toronto) hat in ihrer Dissertation von 2012 anhand von Akten aus unter anderem dem Kairener Nationalarchiv (Dar al-Wathaiq al-Qaumiyya) Strafgerichtsprozesse untersucht, die in Ägypten zwischen 1884 und 1914 gegen Fellachen geführt worden sind.171 Da sich aber der Zugang zu ägyptischem Archivmaterial oft in administrativer und technischer Hinsicht schwierig gestaltet172 und ich mangels ausreichender Arabischkenntnisse bei der Suche und eventuellen Auswertung für mich relevanter Akten auf erhebliche fremde Hilfe angewiesen gewesen wäre, lasse ich in dieser Studie diesen (potenziellen) Quellentypus außen vor. Andererseits ist 2013 in Räumen der ägyptischen Antikenbehörde im mittelägyptischen Sohag ein zuvor unbekanntes Archiv mehrheitlich arabischsprachiger Akten entdeckt worden, die ägyptische Angestellte der Behörde zwischen ungefähr 1880 oder früher und den 1960er Jahren zu archäologischen Arbeiten an umliegenden Stätten wie Abydos angefertigt haben. Im Rahmen des Abydos Temple Paper Archive Project wird das Material derzeit von einem internationalen Forschungsverbund erschlossen.173 Zumindest manche auch der ägyptischen Angestellten des Antikendienstes, die während meines Untersuchungszeitraums lediglich untergeordnete Posten bekleiden durften, waren also des Lesens und/oder Schreibens kundig. »Leider« haben die zu untersuchenden deutschen Archäologen nicht in Abydos gegraben und werden somit in den entdeckten Akten kaum vorkommen. Bei einigen ihrer gelernten und mobilen Arbeiter mag dies anders sein: Als Senussi, Vorarbeiter der Deutschen, 1901 durch Abydos kam, begrüßten ihn befreundete Arbeiter, die dort für den Briten Flinders Petrie gruben.174 Vielleicht haben diese »Freunde« Senussis – wohl wie er aus Quft – irgendwann auch in deutschen Diensten gestanden. Die entscheidende Frage lautet indes: Gibt es arabischsprachige Akten des Antikendienstes auch für Grabungsstätten der Deutschen vor 1914 irgendwo noch zu entdecken?

1.2.4 Versuch der Oral History 2015 habe ich während meines zweimonatigen Forschungsaufenthalts in Ägypten an mehreren Orten anhand von Arbeiterfotos und -namen nach Personen gefragt, die von

170 Von einer Gerichtsverhandlung und Gefängnisstrafen für Grabungsarbeiter aus Quft wegen eines Streits an der Grabungsstätte zwischen ihnen und einem örtlichen Polizisten berichten z.B. Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 124-126, 134f., 137, 151f.; (Sphinxtempel), 22f. (vgl. u. Kap. 4.2.2.2). 171 Clément, Fallāḥīn on Trial (Diss.); Nebenstudie: Clément, » Voix » des fallāhīn. 172 Omar, State of Archive, 179-182. 173 https://abydosarchive.org; https://www.arce.org/resource/lost-papers-rewriting-narrative-early-egyptology-abydos-temple-paper-archive (Zugriff: jeweils 1.9.2022); Shalaby et al., Abydos Heritage Archive. 174 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 45f.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

einem oder mehreren Arbeitern der von mir untersuchten archäologischen Unternehmungen Kenntnis hätten durch (bewusste) Verwandtschaft, persönliche Dokumente oder auch nur Hörensagen. Ich habe keine solche Person gefunden. Dokumente zu finden stand ohnehin nicht zu erwarten, angesichts der in Kap. 1.2.2 erläuterten fehlenden Schriftkultur ägyptischer archäologischer Arbeiter bis 1914 und darüber hinaus. Ebenso unwahrscheinlich war es, dass persönliche Erinnerungen an Personen, die vor über einhundert Jahren lebten, innerhalb einer Familie oder anderen Gruppe bis heute weitergegeben worden sind. Kürzlich hat die ägyptische Historikerin Hend Mohamed die Rolle der Ägypter bei der Bergung des 1922 unter dem Briten Howard Carter (1874-1939) entdeckten Grabschatzes des Tutanchamun erforscht. Dabei konnte sie auch mit Nachfahren (insbesondere Enkelsöhnen und sogar einem Sohn) von Carters Grabungsarbeitern sprechen und von ihnen historische Dokumente erhalten.175 Die Entdeckung jenes Grabschatzes stellt allerdings wegen ihrer unvergleichlichen Berühmtheit wieder einen Sonderfall dar; und die 1920er Jahre liegen wieder etwas weniger weit zurück als etwa die 1900er. Einzelne der heutigen Grabungsarbeiter, die ich befragt habe, konnten immerhin über mehrere Generationen hinweg Vorfahren aufzählen, die ebenfalls in der Archäologie tätig gewesen sind. Dass diese auch zu von mir untersuchten Unternehmungen gehörten, ist möglich; einige meiner Gesprächspartner haben gar behauptet, auf den historischen Fotografien, die ich ihnen zeigte, einen ihrer Vorfahren wiederzuerkennen. Mangels hinreichender Namen in meinen Quellen habe ich die Behauptungen nicht verifizieren – aber auch nicht falsifizieren – können. Es bleibt folgende »heiße« Spur: Bei heutigen Ausgrabungen deutscher Archäologen etwa in Heliopolis oder auf Elephantine fungiert als Vorarbeiter der Qufti El-Amir Kamal.176 Schon sein Vater Kamal Saddiq (1913?-1994)177 und dessen Vater Saddiq Said (?-1951?) waren archäologische Vorarbeiter. Saddiq Said arbeitete 1930/31 auch bei Steindorff in Aniba, und schon 1910/11 und 1911/12 als Vorarbeiter bei dem für Österreich tätigen Deutschen Hermann Junker, ebenfalls in Nubien. Ausgebildet worden war er beim US-Amerikaner George Andrew Reisner.178 (Von Junker und Reisner wird noch die Rede sein.) Es gibt jedoch bisher keinen Beleg dafür, dass Saddiq auch an irgendwelchen der von mir untersuchten Unternehmungen teilgenommen hätte, weshalb ich seinem Fall nicht weiter nachgegangen bin. Zukünftige Forschungen sollten dies aber, zumal jüngst (im Jahr 2020) auch Saddiqs lebende Nachkommen in Ägypten ein verstärktes Interesse an ihrer Familiengeschichte zeigen.

175 176 177 178

Mohamed AbdelRahman, Egyptian Role (2021), bes. 16, 40 Anm. 25, 33. El Dorry, Workmen of Guft, 54. Raue, Amada, 289f. Junker, Grabungen El-Kubanieh, VI.

1 Voraussetzungen und Methodik

1.3 Sekundärliteratur Welche wissenschaftliche Literatur gibt es zu ägyptischen Arbeitern bei archäologischen Unternehmungen in Ägypten, vor allem den hier zu untersuchenden deutschen; welche Literatur gibt es nicht, und was sind die Gründe dafür?

1.3.1 Ägyptologische Feldberichte Die typische ägyptologische Publikation konzentriert sich auf das alte Ägypten und erläutert nur bedingt, wie das von ihr vorgelegte Wissen darüber im modernen Ägypten gewonnen worden ist. Berichte von Ausgrabungen und anderen archäologischen Unternehmungen kommen selbstverständlich nicht umhin, über ihren praktischen Ablauf zu sprechen: Wo und wann haben welche Untersuchungen stattgefunden? Welche technischen Verfahren und Geräte sind benutzt worden? Und, ja: Wer hat an den Forschungen teilgenommen? In den meisten Fällen waren es neben akademischen Wissenschaftlern auch ägyptische Arbeiter. Die hier untersuchten Archäologen gehen in manchen publizierten Feldberichten, wie in Kap. 1.2.1.2 beschrieben, durchaus breit auf ihre jeweiligen Arbeiter ein. Auch andere Ägypten-Archäologen tun dies im frühen 20. Jahrhundert hin und wieder (1.3.3). Andererseits räumen zu dieser Zeit die Feldberichte den äußeren Umständen von Forschungen bereits weniger Platz ein als im frühen 19. Jahrhundert. Ein Giovanni Battista Belzoni (u. Kap. 2.1.2) veröffentlichte 1820 einen regelrechten Abenteuerroman über seine Operations and Recent Discoveries in Egypt and Nubia. Tatsächlich waren die »Archäologen« seiner Zeit mehr Abenteurer als Wissenschaftler; sie wollten ihre Leser mehr unterhalten als unterrichten – und mit ihren Büchern auch Geld verdienen.179 Seitdem hat sich Archäologie nicht nur zu Ägypten kontinuierlich professionalisiert. Abläufe wurden rationalisiert bzw. standardisiert; Funde und Entdeckungen kleinteiliger bzw. unspektakulärer – Tonscherben statt Königsgräber. Die Archäologie verlor an Unterhaltungswert, indem sie das abenteuerliche Element sukzessive durch das wissenschaftliche ersetzte. Dieser Paradigmenwechsel ist zu Borchardts und Steindorffs Zeit weit fortgeschritten und seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts abgeschlossen. Statt als Abenteuerromane erscheinen Feldberichte der Archäologie nicht nur Ägyptens heute inhaltlich wie stilistisch als Forschungsprotokolle,180 die für Nicht-Archäologen uninteressant, ja unverständlich sind. Solche »Protokolle« richten sich aber gar nicht an ein breites Publikum, sondern an andere Archäologen. Diese haben an den äußeren Umständen einer archäologischen Unternehmung erheblich weniger Interesse als Laien: Sie können ohne zusätzliche Information von eigenen Erfahrungen auf die Umstände schließen; und sie besitzen die Fachkenntnis, um das Interessante, also Bedeutsame auch der inneren Ergebnisse der Forschungen zu erkennen (Kap. 3.4.3.2 Abs. 3.1). Infolge dessen reduzieren ägyptologische Feldbe-

179 Thornton, Archaeologists in Print. 180 Connah, Writing about Archaeology, 40 (zu Belzonis Schreibstil: 16-18); Weeks, Archaeology and Egyptology, 21.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

richte einen »äußeren Umstand« wie ägyptische Arbeiter inzwischen auf ein paar Sätze in Vorwort oder Fußnote.181

1.3.2 Literatur zur Geschichte der (modernen) Archäologie in Ägypten Im Jahr 2006 konstatierte der deutsche Ägyptologe Heinz J. Thissen: »[D]ie Ägyptologie [liegt] wissenschaftshistorisch noch in den Windeln« – »und [würde] mancherorts auch gern dort belassen«.182 Warum ist dem damals so gewesen? Sich mit der Geschichte ihres Faches zu beschäftigen war Ägyptologen wahlweise zu leicht oder zu schwer; zu unnütz oder zu gefährlich. Würde jemand, der es wagte, sich damit dem Verdacht aussetzen, zur Kenntnis des alten Ägypten nichts mehr beitragen zu können? Würden einem Ägyptologen auf der anderen Seite nicht die für Neuere und Neueste Geschichte erforderlichen methodischen Kompetenzen fehlen? Und warum sollte man überhaupt die Entwicklung statt die Ergebnisse der Ägyptologie betrachten? Könnte es nicht sogar den Ruf des Faches beschmutzen, weil man das Verhalten von Ägyptologen im deutschen Nationalsozialismus und andere brisante Themen untersuchen müsste?183 Dass Ägyptologen bzw. Ägypten-Archäologen ihre eigene Geschichte lange vernachlässigt haben, heißt keineswegs, dass vor dem 21. Jahrhundert keine Studien zu ihr existierten. Solche zu Einzelthemen begannen Mitte des 20. Jahrhunderts zu erscheinen184 – gern zu Jubiläen von Institutionen oder Ereignissen;185 und bereits ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschienen (Auto-)Biographien über Ägyptologen186 und sogar allgemeine Geschichten der Ägyptologie. Die frühesten dieser Geschichten stammen von deutschen Ägyptologen und stellen die Ägyptologie gemäß der deutschen Tradition (Kap. 1.1.2) vor allem als philologische Wissenschaft dar.187 Eine Geschichte mit dem anderen, praktisch-archäologischen Fuß der Ägyptologie als Schwerpunkt ließ bis 1924 auf sich warten, zum Erstaunen ihres Verfassers James Baikie:

181

Z.B. Herbert/Berlin, Coptos (2003), 10f. (»Our work force on the excavation included a cadre of exceptionally skilled Qifti workmen ably led by foreman Raʿis Farukh Sharid Muhammed, who was assisted by his brother Abdul ʿAzziz Sharid Muhammed«); Morales et al., Theban Project (2017), 153 Anm. 2 (»In this season a group of ca. sixty local workers carried out the fieldwork activities under the supervision of rais Ali Farouk el-Qeftawy«). 182 Thissen, Erman, 200f. 183 Gertzen, Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie, v-vii. 184 Z.B. Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte (1960); Fagan, Belzoni the Plunderer (1973); Kischkewitz, Ägyptologen und Stellung zu Zeitfragen (1980); Attiatalla, Altertumsbehörde (1984). 185 Cahiers d’histoire égyptienne, Musée de Boulac (1950); Daumas, 150 ans d’égyptologie (1973); Institut français d’archéologie orientale, École du Caire (1981); Desroches Noblecourt, Fouilles françaises en Égypte (1981); James, Egypt Exploration Society (1982); Kaiser, Deutsches Archäologisches Institut Kairo (1982); Krauss, NofretEte (1987); Freier/Reineke, Lepsius (1988); Dewachter/Fouchard, Champollion (1994); Wilhelm, Deutsche Orient-Gesellschaft (1998); Dreyer/Polz, Deutsches Archäologisches Institut Kairo (2007); Spencer, Egypt Exploration Society (2007). 186 Z.B. Wallon, Mariette (1883); Ebers, Lepsius (1885); Brugsch, Leben (zuerst 1893); Erman, Werden und Wirken (1929); Petrie, Seventy Years in Archaeology (1931); Gardiner, Working Years (1962); Junker, Leben (1963); Fischer, Ebers (1994). 187 Uhlemann, Aegyptologie (1857); Brugsch, Aegyptologie (1889), bes. 1-19, 126-147.

1 Voraussetzungen und Methodik

»It is somewhat remarkable that in spite of the considerable, if spasmodic, interest which is taken in the results of research in Egypt, no adequate account of the work of excavation has ever been written. The student who wishes to learn how, when, and where the facts and objects which interest him were discovered, has himself to excavate the desired information from the innumerable volumes of reports issued by the various exploration societies«.188 Dass Baikie Brite war, entspricht der archäologischen Prägung der britischen Ägyptologie. Allein, trotz seiner Frage nach dem »Wie, Wann und Wo« der Ausgrabungen in Ägypten konzentriert sich sein Buch, A Century of Excavation in the Land of the Pharaohs, letztendlich darauf, »was« in Ägypten entdeckt wurde. Die nachfolgenden Geschichten der Archäologie in Ägypten bzw. Ägyptologie, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind, gehen stärker auf das »Wie« von Ausgrabungen ein, tun es aber beiläufig, meist aus anekdotischem Interesse, und alles in allem nicht in einem Umfang, der sie zu ergiebigen Sekundärquellen für unser Thema machen würde.189 Das gleiche gilt für Geschichten der Ägypten-Archäologie bzw. Ägyptologie einzelner Nationen190 – zum deutschen Fall liegt ohnehin, bis heute, keine Gesamtdarstellung vor191 – sowie für die besagten Spezialstudien und (Auto-)Biographien – zu Borchardt, Steindorff, Möller, Rubensohn und Zucker und ihren deutschen Assistenten (Kap. 3.2.1) liegen ohnehin, bis heute, keine Biographien, sondern allenfalls biographische Teilstudien,192 Bibliographien193 und Nachrufe194 vor. Dies rührt natürlich auch daher, dass Archäologen aus Borchardts Generation erst nach Ägypten kamen, als die »wilde«, unwissenschaftliche, für Leser besonders unterhaltsame »Kindheit« der Ägyptologie in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts lange vorbei war. Selbst Karl Richard Lepsius, dem Begründer der deutschen Ägyptologie und Leiter der großen preußischen Ägypten-Expedition der 1840er Jahre, wurden erst 1988 und dann 2011 und 2012 (wissenschaftliche) Bände gewidmet,195 während der 188 Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 3. 189 Cottrell, Egyptian Archaeology (1950); Montet, Isis (1956); Greener, Discovery of Egypt (1966); Wolf, Funde in Ägypten (1966); Bratton, Egyptian Archaeology (1967); David, Experience of Ancient Egypt (2000), Kap. 6-11; Ikram, Ancient Egypt (2009), Kap. 2; Ryan, Ancient Egypt (2016), Kap. 1, 5, 7; Wilkinson, Golden Age of Egyptology (2020). 190 Z.B. Bednarski et al., History of World Egyptology (2021); Wilson, American Egyptology (1964); Wortham, British Egyptology (1971); Casini, Archeologia italiana (2001); Gady, Pharaon [zu Frankreich] (2005); Naville, Égyptologie française (1922/23); D’Amicone/Pozzi Battaglia, »Fascino dell’Egitto« (2011); Bavay et al., Recherche archéologique belge en Égypte (2012). 191 Neuerdings aber Voss/Gertzen, German Egyptology (2020); Gertzen et al., Prussia and Germany (2021). 192 Neuere, archivgestützte Teilstudien: dieses Kap. Anm. 218; zudem Walther, Zucker (2001); Kasper-Holtkotte, Mimi Borchardt [Ludwigs Ehefrau] (2017); Raue, Steindorff Stationen (2017); Verhoeven, Möller (2019); Voss, Borchardt Ägyptologe (2020). 193 Erman, Borchardt Bibliographie (1933); Breasted, Writings of Steindorff (1946); Bothmer/Przybylla, Schäfer Verzeichnis Schriften (1939). 194 Z.B. Schäfer, Möller (1922); Steindorff, Möller (1922); Steindorff, Borchardt (1938); Leibovitch, Borchardt (1939); Bonnet, Steindorff (1952); Morenz, Steindorff (1954); Koerner et al., Zucker (1974); Schmidt, Zucker (1981); Wolf, Schäfer (1958); Anonymus, Rösch (1915). 195 Freier/Reineke, Lepsius (1988); Mehlitz, Lepsius (2011); Lepper/Hafemann, Lepsius (2012).

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schillerndste der frühen Forscher, der in den 1810er Jahren tätige Italiener Giovanni Battista Belzoni, seit den 1950er Jahren nicht weniger als sieben (mehr oder weniger wissenschaftliche) Biographen angezogen hat.196 Unter anderem infolge ihrer »Verspätung« standen die deutschen im Feld in Ägypten tätigen Archäologen zudem in der Ägyptologie ihres Landes anders als ihre Kollegen in Frankreich oder Großbritannien hinter den philologischen »Schreibtisch«-Ägyptologen zurück (Kap. 1.1.3). Dementsprechend sind über die Archäologen Mariette, Maspero, Jacques de Morgan (1857-1924; ebenfalls Franzose und von 1892 bis 1897 Direktor des ägyptischen Antikendienstes) oder Petrie seit den 1980er Jahren Biographien erschienen,197 zu einem führenden deutschen Ägypten-Archäologen wie Ludwig Borchardt dagegen (noch) nicht.198 In Bezug auf Grabungsarbeiter (deutscher Archäologen) mangelt es der Literatur, die dem 21. Jahrhundert vorausgeht, somit an Quantität, mehr aber noch an Qualität. Warum letzteres? Einerseits haben Ägyptologen selbst wenig Interesse an ihrer Geschichte, und noch weniger an jener der ägyptischen archäologischen Arbeiter. Unscheinbare »Helfer« wie sie werden in der Geschichtsschreibung allgemein traditionell vernachlässigt (Kap. 1.4.1). Außerdem gehören archäologische Arbeiter zum modernen Ägypten, wohingegen sich die Ägyptologie nur für das antike Ägypten zuständig fühlt.199 Andererseits hat die Öffentlichkeit ein außergewöhnliches Interesse an jeglicher Archäologie. Als Betätigungsfeld von Helden, die an abenteuerlichen Orten unter Lebensgefahr Schätze und Geheimnisse uralter Zeiten ausgraben, hat Archäologie, oder was sich die Öffentlichkeit darunter vorstellt, von Anfang an einen Platz in der Populärkultur besetzt, in Form von Büchern, Filmen, Ausstellungen und anderem.200 Infolge dessen wird die Geschichte auch der Ägyptologie teilweise in populärwissenschaftlicher Manier bzw. von Laien wie dem Geistlichen James Baikie geschrieben. Grabungsarbeiter und andere Ägypter bzw. orientalistische Vorstellungen von ihnen wären freilich eine passende Zutat solcher Werke. Die unübersichtliche Quellenlage zu Ausgrabungen in Ägypten, die Baikie in seinem oben zitierten Vorwort beklagt, mag ihn gleichwohl davon abgehalten haben, in den »innumerable volumes of reports issued by the various exploration societies« zusätzlich nach Informationen zu Arbeitern zu »graben«.201 Doch auch greifbare Informationen hätten disziplinhistorisch interessierte Ägyptologen bis vor kurzem in Geschichten ihres Faches kaum verwertet. Denn in ihrer typischen Form hat der britische Historiker David Gange (kein Ägyptologe!) 2015 Ägyptologie-Geschichten als »skeletal histories« bezeichnet, weil sie das Fach, so würde ich das Bild fortführen, auf seine rein ägyptologischen »Knochen« reduzieren und über das »Fleisch« hinweggehen, das andere Disziplinen sowie sozialen Kontext enthält, ohne welche die 196 Clair, Belzoni (1957); Disher, Belzoni (1957); Mayes, Belzoni (zuerst 1959); Montobbio, Belzoni (1984); Zatterin, Belzoni (zuerst 2000); Peretti, Belzoni (2002); Noël Hume, Belzoni (2011). 197 Drower, Petrie (1985); David, Mariette (1994); Jaunay, Morgan (1997); David, Maspero (1999); Marshall, Mariette (2010). 198 Inzwischen arbeitet Susanne Voss an einer Borchardt-Biographie. 199 Zu diesem und weiteren Gründen der Vernachlässigung archäologischer Arbeiter durch die Ägyptologie: Georg, Antiquity Bound to Modernity, 50-57. 200 Moshenska, Archaeologists in Popular Culture. 201 Baikie zur Quellenlage weiter: Excavation in Land of Pharaohs, 9.

1 Voraussetzungen und Methodik

Ägyptologie gar nicht am Leben wäre.202 Zum sozialen Kontext würden auch archäologische Arbeiter gehören, die somit in den Geschichten kaum vorkommen. Diese konzentrieren sich auf die meist westlichen (Chef-)Archäologen und »ihre« Funde. Im Ergebnis zählen sie Forschungen bzw. Entdeckungen auf, ohne sie, für sich und in Bezug aufeinander, adäquat zu analysieren und zu interpretieren. Nicht zufällig besteht das bedeutendste Werk der ägyptologischen Geschichtsschreibung vielleicht bis heute in dem biographischen Lexikon Who Was Who in Egyptology (das übrigens zu ägyptischen archäologischen Arbeitern keine Einträge bietet),203 und noch 2014 wurde eine Geschichte der Ägyptologie in Porträts (freilich ausschließlich westlicher Archäologen) veröffentlicht.204 Während sich die Ägyptologie selbst, die Archäologie eingeschlossen, wie in Kap. 1.3.1 umrissen verwissenschaftlicht hat, ist es bei Texten zu ihrer Geschichte somit heute noch schwer, »wissenschaftliche« von »populärwissenschaftlichen« zu unterscheiden, die, wie in Baikies Fall, nicht einmal von ausgebildeten Ägyptologen bzw. Historikern verfasst worden sind.205 Selbst Geschichten anerkannter Ägyptologen kleiden ihren Text gern in bildbandartige Illustrationen oder begleiten gar eine Fernsehdokumentation.206 Ergebnisse historischer Forschung in strengerem Sinne, gestützt auf Archive, sucht man in den meisten allgemeinen Geschichten der Ägyptologie vergebens.207 Allenfalls Darstellungen zu Einzelthemen warten damit auf.208 Andererseits hat sogar die allgemeinere, über Ägypten hinausreichende Archäologie erst in den 1980er Jahren ernsthaft mit der Erforschung ihrer Geschichte begonnen.209 Doch während etwa zur USA- bzw. Klassischen, das heißt Griechenland- und Rom-Archäologie, bereits 1995 bzw. 1996 eine Sozial- bzw. Kulturgeschichte gewagt worden ist,

202 Gange, Interdisciplinary Measures, 64; vgl. Colla, Conflicted Antiquities, 225f. (»Separating itself from and then forgetting the networks and contexts in which it works may be how Egyptology has often secured its unique intellectual authority. Yet, if we were to accept that version of the event, we would, of course, think that Egyptologists worked in Egypt as if it were a sterilized laboratory, as if their discoveries belonged exclusively to the world of academic science, and as if the rest – the colonial context, the literary productions, the political conflicts – were mere externalities in the production of knowledge about the ancient past«). 203 Zuerst 1951 bearbeitet von Warren R. Dawson; zuletzt 2012 in der 4. Aufl. bearbeitet von Morris L. Bierbrier. Zur »fundamentalen« Bedeutung des Werks: Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 4f. 204 Beckh/Neunert, Entdeckung Ägyptens (2014). 205 Der Inbegriff der populärwissenschaftlichen Archäologie-Geschichte ist C.W. Cerams Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie (zu Ägypten: Kap. 2) – ein Bestseller von 1949, der seitdem vielfach neu aufgelegt und in zahlreiche Sprachen übersetzt worden ist. 206 Vercoutter, Égypte (1986); Hobson, World of the Pharaohs (1987); Beaucour et al., Égypte (1989); Donadoni et al., Egitto (1990); Siliotti, Egypt (1998); Reeves, Egypt (2000); Shaw, Egypt (2003); Hawass, Ancient Egypt (2007); zur Begleitung der BBC-Serie Egypt: Tyldesley, Egypt (2006). 207 Vgl. Gady, Pharaon, 23. 208 Z.B. Wölffling, Deutsches Institut für Ägyptische Altertumskunde Kairo (1960); Biographien über Ägyptologen erschienen wie eben erwähnt seit den 1980er Jahren; Primavesi, Papyruskartell (1996); Fiechter, Moisson (2010 – Geschichte der »Antikensammler« in Ägypten im frühen 19. Jahrhundert; u. Kap. 2.1.2); Bickel, Ägyptologen und Ägyptologien (2013); Gertzen, École de Berlin (2013); Voss, Abteilung Kairo des DAI (2013-17); Voss/Raue, Steindorff (2016); Del Vesco/Moiso, Missione Egitto (2017). 209 Murray, Writing Histories of Archaeology, 135-137.

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und zur Archäologie insgesamt bereits 1989 eine Geistesgeschichte bzw. historiographische Theoretisierung,210 haben ähnlich ehrgeizige Anstrengungen zur Ägypten-Archäologie erst mit unserem Jahrtausend eingesetzt – in der Zeit von Thissens zitiertem Diktum. Ausnahmen sind die Bücher der Briten Brian Fagan bzw. Peter France, die die »Archäologie« in Ägypten zumindest für die Zeit zwischen Napoleon 1798 und der Entdeckung des Tutanchamun-Grabs 1922 jeweils als »Vergewaltigung« beschreiben.211 Fagan, Archäologe Amerikas und Subsahara-Afrikas, sowie der Journalist France sind von Praktiken der frühen Ägypten-Archäologie zu ihren »Anklageschriften« gewissermaßen provoziert worden. Seit der Jahrtausendwende haben sowohl Ägyptologen als auch Vertreter anderer Fächer Forschungen vor allem zu politischen Hintergründen und Folgen westlicher Archäologie(n) in Ägypten durchgeführt.212 Die Autoren wollen teilweise die kolonialen Wurzeln dieser Archäologien bzw. der Ägyptologie kritisch aufarbeiten. Besonders hiervon angeregt haben andere Autoren – gleichfalls aus verschiedenen Fächern – postkoloniale Kritiken der Ägyptologie vorgelegt, die meist ihrerseits die Fachgeschichte nachvollziehen.213 Zweitens haben vor allem Ägyptologen selbst ihr Fach als akademische Wissenschaft,214 drittens seine Geschichte in bestimmten Ländern215 und viertens verschiedene andere Teilaspekte seiner Geschichte216 weiter untersucht. Fünftens erscheinen mit The Journal of Egyptian History (Leiden: Brill) und Aegyptiaca. Journal of the History of Reception of Ancient Egypt (Universitäten Heidelberg und München) seit 2008 bzw. 2017 Zeitschriften, zu deren jeweiligem Programm die Geschichte der Ägyptologie zählt.

210 Patterson, Social History of Archaeology (1995); Sichtermann, Kulturgeschichte der klassischen Archäologie (1996); Trigger, Archaeological Thought (1989); Christenson, Historiography of Archaeology (1989); zuvor schon der Tagungsband Daniel, History of Archaeology (1981). Allgemeiner Forschungsüberblick: Murray, Writing Histories of Archaeology (2012). 211 Fagan, Rape of Nile (1. Aufl.: 1975); France, Rape of Egypt (1991). 212 Ägyptologen: Dodson, Egyptian Antiquities Service (1999); Bierbrier, Antiquities for Government’s Sake (2003); Gady, Pharaon (2005); Diplomaties culturelles (2010); Regard des égyptologues français sur collègues allemands (2012); David, Antikendienst (2008); Voss/Pilgrim, Borchardt und deutsche Interessen am Nil (2008); Voss, Représentation égyptologique allemande en Égypte et perception par égyptologues français (2012); Abteilung Kairo des DAI (2013-17); Jarsaillon, Archéologues italiens (2017); Nicht-Ägyptologen: Reid [Historiker], Whose Pharaohs (2002); Colla [Orientalist], Conflicted Antiquities (2007); Savoy [Kulturhistorikerin], Nofretete (2011); früher schon Grange [Historiker], Archéologie et politique (1994). 213 Langer, Colonialism of Egyptology (2017); Georg, Altes Ägypten besitzen (2022); früher: Meskell, Practice and Politics of Archaeology in Egypt (2000); ferner: Riggs, Ancient Egypt in Museum (2010); Doyon, Egyptology in Shadow of Class (2013/14). 214 Marchand [Kulturhistorikerin], End of Egyptomania (2000); Schipper, Ägyptologie als Wissenschaft (2006); Bickel, Ägyptologen und Ägyptologien (2013); Gertzen, École de Berlin (2013). 215 O. Anm. 190; ferner Gady, Égyptologie science française (1999); Égyptologues français au XIXe siècle (2006). 216 Shaw, Excavation Techniques at El-Amarna (1999); Ray, Rosetta Stone (2007); Gertzen, Petrie (2008); Moreno García, Economic History in Early Egyptology (2009); Pieke, Von Ägyptenbegeisterung zu Wissenschaft (2009); Mahmoud [Historikerin], Archaeological and Historical Museums in Egypt (2012); Gange [Kulturhistoriker], Conserving Ancient Egypt (2015).

1 Voraussetzungen und Methodik

Sechstens wird darüber nachgedacht, wie man diese Geschichte schreiben kann und soll217 – der deutsche Ägyptologiehistoriker Thomas Gertzen hat 2017 sogar eine lehrbuchartige Einführung in die Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie vorgelegt. Siebtens sind in den letzten Jahren verschiedene Forschungsprojekte angelaufen, welche die Nachlässe etwa Georg Steindorffs oder Otto Rubensohns hinsichtlich bestimmter Fragestellungen aufarbeiten und inzwischen erste Ergebnisse veröffentlicht haben.218 Achtens haben insbesondere Ägyptologen in Enzyklopädie- und Handbucheinträgen zur Ägyptologie deren Geschichte zusammengefasst.219 Neuntens hat der US-amerikanische Historiker Jason Thompson in den Jahren 2015 bis 2018 seine dreibändige History of Egyptology veröffentlicht, die wir als erste sowohl umfassende als auch wissenschaftliche Darstellung des Themas ansehen können – nach dem Maßstab bisheriger Gesamtdarstellungen. Über archäologische Arbeiter informieren uns auch die genannten, neuen Forschungsarbeiten wenig.220 Warum? Autoren wie Thompson scheinen immer noch ihre Bedeutung zu verkennen,221 während insbesondere »politische« Geschichten der Ägyptologie das Fach »von oben« betrachten: Westliche Archäologen und die politische Funktion ihrer Tätigkeit einerseits; Ägyptens politische und kulturelle Führer mit ihrer Reglementierung und Instrumentalisierung der Antiken andererseits. Den Arbeitern näher stehen, weil sie sich auf die archäologische Praxis konzentrieren, Studien zu einzelnen archäologischen Unternehmungen, die in den letzten Jahren ebenfalls erschienen sind, unter anderem zu den zu untersuchenden Archäologen.222 Allerdings halten sich Zahl bzw. Umfang solcher Studien bisher in engen Grenzen, und keineswegs zwingt ihr Gegenstand sie dazu, auf die Arbeiter einer Unternehmung einzugehen – es verzichtet darauf sogar ein von einem Archäologen verfasstes Handbuch-Porträt der gesamten Archäologie in Ägypten.223 Die »historiographische« Wende der Ägyptologie 217 218

Carruthers, Histories of Egyptology (2015); Navratilova et al., History of Egyptology (2019). Voss/Raue, Steindorff (2016); Pomerance/Schmitz, Rubensohn (2015); Kuckertz, Rubensohn (2013); Projekt zu Rubensohn: www.aegyptisches-museum-berlin-verein.de/f05 (Zugriff: 1.9.2022). 219 Peck, Egyptology (1999); Allen, Archaeological and Research Institutions (2001); Meltzer, Egyptology (2001); Weeks, Archaeology (2001); Bard, Introduction to Archaeology of Egypt, 5-15 (2008); Exell [Orientalistin], Egyptology (2012); Reid [Historiker], Egypt (2012); Bednarski, Egyptology (2013); Egyptology (2020). 220 Ausnahmen: Wynn, Lizard People (2008), 286-289; Hawass, Tutankhamun (2013), 62. 221 Thompson »[has] considered it essential to include at least some of what might be called the ›minor characters,‹ the people who participated in Egyptology but never achieved fame and left few traces in the bibliographic record«, denn »the minor characters exerted a powerful influence on Egyptology; indeed, they comprised by far the larger part of the discipline« (History of Egyptology, Bd. 1, 13). Damit meint er jedoch vor allem die unbekannteren der westlichen Forscher; ägyptische archäologische Arbeiter oder Anwohner archäologischer Stätten erwähnt er eher beiläufig (bes. Bd. 1, 80, 84, 166, 200, 217-219, 226, 230f.; Bd. 2, 6, 8-10, 36, 38, 42, 79, 84, 109, 121, 142f., 184, 187f., 234, 239, 258, 261, 270; Bd. 3, 19, 22, 29, 31, 46, 90, 104f., 107, 124, 126-129, 132, 134f., 142, 170, 187, 218, 226, 256, 272f., 289, 307, 312, 391, 404). 222 Krauss, Abusir (1998); Abusir el-Meleq (1998); Amarna (1998); Felber et al., Karawane nach Siwa (2000); Spiekermann/Kampp-Seyfried, Giza Ausgrabungen Steindorff (2003); Simons, Raub der Nofretete (2005); Finneiser, Abusir el-Meleq (2006); Loeben, Hölscher (2010); Voss, Zeltlager Borchardt Abusir (2010); Savoy, Nofretete (2011); Finneiser, Amarna (2012); Kuckertz, Rubensohn (2015). Zuvor umfangreich Mode, Amarna (1983). 223 Weeks, Archaeology and Egyptology.

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seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat aber auch Literatur hervorgebracht, die ägyptische Grabungsarbeiter zum expliziten und zentralen Thema erhebt:

1.3.3 Literatur mit Grabungsarbeitern im Fokus 2010 erschien die erste Monographie zu ägyptischen archäologischen Arbeitern: Hidden Hands. Darin untersucht der britische Ägyptologe Stephen Quirke die Arbeiter seines Landsmannes William Matthew Flinders Petrie (1853-1942) zwischen 1880 und 1924 mithilfe von dessen Grabungsunterlagen, die im Petrie Museum of Egyptian Archaeology des University College London erhalten sind.224 Fünf Jahre nach Hidden Hands hat die US-amerikanische Historikerin Wendy Doyon sich, mithilfe archivalischer Grabungsunterlagen in ihrem Land, den ägyptischen Arbeitern ihres Landsmannes George Andrew Reisner (1867-1942) zugewandt und versucht, das organisatorische System archäologischer Arbeit(er) in Ägypten von etwa 1800 bis 1920 nachzuzeichnen. Vor noch kürzerer Zeit hat der italienische Ägypten-Archäologe Paolo Del Vesco, mithilfe archivalischer Grabungsunterlagen in seinem Land, die ägyptischen Arbeiter der Missione Archeologica Italiana in Egitto zwischen 1903 und 1920 beschrieben; die US-amerikanische Ethnologin Allison Mickel hat archäologische Arbeiter im Mittleren Osten des 19. Jahrhunderts, darunter jene Belzonis in Ägypten (u. Kap. 2.1.2), aus marxistischer Perspektive betrachtet; und die ägyptische Historikerin Hend Mohamed hat die Rolle der Ägypter, unter anderem der Grabungsarbeiter, bei der Bergung des 1922 unter dem Briten Howard Carter (1874-1939) entdeckten Grabschatzes des Tutanchamun erforscht, sich stützend auch auf private Archive von und Gespräche mit Nachfahren jener Arbeiter. Ferner hat der britische Ägyptologe Paul Whelan jene ägyptischen Arbeiter aufgelistet, die 1898/99 unter dem Deutschen Wilhelm Spiegelberg (1870-1930) und dem Engländer Percy Newberry (1869-1949) in Theben-West gruben.225 Die ersten Publikationen mit ägyptischen archäologischen Arbeitern im Fokus datieren hingegen aus dem frühen bzw. mittleren 20. Jahrhundert und stellen überraschende Ausnahmen von der oben aufgezeigten Vernachlässigung des Themas durch Ägyptologen dar: Vermutlich aus persönlichem Interesse an ägyptischer Volkskunde hat der französische Archäologe Georges Legrain (1865-1917) 1902, während er als Antikendienstinspektor die Freilegung bzw. Instandsetzung des Karnak-Tempels leitete,226 die Lebensverhältnisse seines »terrassier«, das heißt Erdarbeiters Ahmed Mahmud beschrieben, gestützt auf Gespräche mit ihm sowie eine lange Bekanntschaft mit seiner ganzer Fami-

224 Vorstudie zu Hidden Hands: Quirke, Interwoven Destinies (2007). 225 Doyon, Archaeological Labor (2015); Folgestudie: History of Archaeology (2018) (zu Doyons bald erscheinender Dissertation: u. Kap. 5.4); Del Vesco, Volti senza nome (2017); Mickel, Archaeological Labor (2019); Mohamed AbdelRahman, Egyptian Role (2021) (zu Mohameds Oral History: o. Kap. 1.2.4); Whelan, Excavations (2013), 242f. mit Abb. 9; 250f. 226 Zu diesen Arbeiten und Legrain allgemein: Lacau, Legrain. Eine weitere ethnographische Studie Legrains, posthum veröffentlicht: Famille copte (zu dem dort erwähnten »Vorarbeiter« italienischer Archäologen: u. Kap. 5.4 Anm. 181). Zu Legrain als Ethnograph: Hopkins, Anthropology in Egypt, 14f.

1 Voraussetzungen und Methodik

lie.227 Die Abhandlung erschien in der originellen Reihe Les ouvriers des deux mondes, die von der Société française d’économie sociale von 1857 bis 1928 herausgegeben wurde und die Lage von Arbeitern und Handwerkern in verschiedenen Gegenden Europas und der Welt analysiert. Obwohl Mahmuds Porträt auch etwas über Legrain und seine Einstellung gegenüber Ägyptern aussagt, informiert es uns über einen konkreten Arbeiter genauer und umfassender, als es jede andere mir bekannte Primär- oder Sekundärquelle tut. In den folgenden Jahren trug Legrain wie sein deutscher Kollege Heinrich Schäfer (Kap. 1.2.2) sowie sein französischer Vorgesetzter Gaston Maspero ägyptische Volklieder bzw. -sagen zusammen. Zwar machen Lieder, die von Arbeitern während ihrer Tätigkeit in archäologischen Stätten gesungen wurden, nur einen Bruchteil von Legrains bzw. Masperos Sammlungen aus,228 doch der französischen Orientalistin Anne Clément haben jene »archäologischen« Lieder genügt, um sie historisch-ethnologisch auszuwerten. »Neue«, das heißt heutige ägyptische Arbeitslieder hat die US-amerikanische Musikwissenschaftlerin Donna Poppe 2007 bei einer Grabung in Tell el-Ruba (griech.: Mendes) gesammelt.229 Ein weiterer zeitgenössischer Kollege der zu untersuchenden Archäologen, Petrie, hat 1904 in seinem Lehrbuch Methods & Aims in Archaeology das 3. Kapitel The Labourers gewidmet. Hier erhalten wir einen einzigartigen Einblick in das »Personalwesen« von Ausgrabungen im Ägypten der damaligen Zeit, wenngleich wir Petries Methoden nicht in Gänze auf die deutschen Archäologen übertragen können.230 Der Brite C. Leonard Woolley (1880-1960) hat 1920 Erinnerungen an seine Grabungen unter anderem in Ägypten veröffentlicht, in denen er auch die dortigen Grabungsarbeiter charakterisiert.231 Und der erwähnte Reisner hat im erst 1924 erschienenen Bericht der streckenweise von ihm geleiteten US-amerikanischen Ausgrabung im palästinensischen Samaria von 1908 bis 1910 Grundsätzliches zu Grabungsarbeitern formuliert, das im Allgemeinen auch für jene in Ägypten gelten wird, wo Reisner davor und danach hauptsächlich gearbeitet hat.232 Im Jahr 1954 hat die britische Archäologin Mary Chubb (1903-2003) unter dem Titel Nefertiti Lived Here im Stil vorwissenschaftlicher Forscher einen romanhaften Grabungsbericht verfasst, in dem folglich – dank ihres Unterhaltungswerts – auch die ägyptischen Arbeiter eine Rolle spielen und sogar in Illustrationen sowie als Individuen hervortreten. Schauplatz sind die Grabungen des britischen Archäologen John Pendlebury (1904-1941)

227 Legrain, Fellah de Karnak (Foto von Ahmed Mahmud und Verwandten: 294). 228 Legrain, Légendes et chansons populaires du Saïd (1912), 307-310; Légendes et chansons de la Haute-Égypte (1914), 189-200; Maspero, Chansons populaires (1914), 173-185. 229 Clément, Peasant Consciousness (2010); Poppe, Work Songs (2010). 230 Im Bericht seiner Expedition auf der Sinai-Halbinsel 1904/05 hat Petrie den dortigen Beduinen, die ihm begegneten bzw. für ihn arbeiteten, ebenfalls ein Kapitel gewidmet (Petrie, Sinai, Kap. 2; dazu Quirke, Hidden Hands, 39f.). 231 Woolley, Dead Towns, 8-45. 232 Reisner, Principles, 31-33, 42f. Zumal in Samaria die Stammarbeiterschaft aus mitgebrachten Ägyptern bestand (ebd., 31f.; u. Kap. 5.2 Anm. 81).

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zwischen 1930 und 1932 in Tell el-Amarna,233 bei denen Chubb eigentlich als Sekretärin, doch letztlich als archäologische Assistentin fungierte. Ebenfalls um der Unterhaltsamkeit willen, aber auch aus Sachgründen lässt der US-Archäologe Kent R. Weeks in einem autobiographischen Fundbericht von 1998 ägyptische archäologische Arbeiter eine zwar nicht zentrale, aber erhebliche Rolle spielen.234 Arbeiter aus Quft bespricht überdies Weeks’ Kollege und Landsmann Dows Dunham in seinen Erinnerungen von 1972. Und im Jahr 1983 hat der japanische Archäologe Mutsuo Kawatoko das Personalwesen jener Ausgrabungen skizziert, die er und seine Landsleute von 1971/72 bis 1980 in El-Malqata bei Luxor durchgeführt hatten. Da die Stammarbeiter aus Quft waren, erklärt Kawatoko diesen Ort und, wie seine Bewohner zur Archäologie gekommen sind.235 Während Quirke, Doyon, Del Vesco, Mickel, Mohamed, Whelan und Clément auf – für sie – historische Grabungsarbeiter zurückgeblickt haben, bleiben andere heutige Autoren, genauer: Ägypten-Archäologen bei heutigen Arbeitern und knüpfen damit an die Archäologen Legrain, Petrie, Woolley, Reisner, Chubb, Weeks, Dunham und Kawatoko an, die sich ebenfalls mit Arbeitern ihrer jeweiligen Zeit bzw. mit ihren eigenen Arbeitern beschäftigt haben. Die Ägypterin Mennat-Allah El Dorry bzw. die Britin Joanne Rowland haben 2009 bzw. 2014 Arbeiter aus Quft porträtiert. Ebenfalls 2014 hat der Brite David Jeffreys von seinen Erfahrungen mit Quftis und anderen ägyptischen Arbeitern berichtet. Die Deutsche Tina Beck hat 2011 in Assiut ägyptische Arbeiter der dortigen deutsch-ägyptischen Ausgrabungen interviewt. Die Ägypterin Hannah Sonbol hat 2014 Eindrücke von Grabungen und Auskünfte des Vorarbeiters Omar Faruk aus Quft zu einer allgemeinen Einführung in das Thema »Archäologische Arbeiter in Ägypten« verarbeitet.236 Bei der archäologischen Erforschung der reichen Altertümer von Theben kommen traditionell auch Einwohner des nahegelegenen Dorfes Qurna zum Einsatz. Ihrer (gegenwärtigen) Tätigkeit als archäologische Arbeiter hat der niederländische Ethnologe Kees van der Spek 2004 zwar nicht seine gesamte Dissertation über Qurna gewidmet, aber ein aufschlussreiches Kapitel von ihr.237

233 Montserrat, Akhenaten, 78-83. Zu der von Chubb erwähnten Arbeiterfamilie Umbarek hat Susan Biddle in den archivalischen Grabungsunterlagen in England (Egypt Exploration Society) weitere Informationen gefunden: https://www.ees.ac.uk/the-umbarak-family (Zugriff: 1.9.2022). 234 Weeks, Lost Tomb. 235 Dunham, Recollections, 24-27; Kawatoko, Grabungsarbeiter. 236 El Dorry, Workmen of Guft (2009); Rowland, Qufti Archaeological Workforce (2014); Jeffreys, Egyptian Colleagues (2014); Beck, Perspektivenwechsel (2016); Vorstudie: Ägypten ist wichtig (2012); abgeleitete Teilstudie: Kommunikation (2019); englische Zusammenfassung und Aktualisierung: New Perspective (2021); Sonbol, Weltwunder (2014); vgl. ferner den Zeitungsartikel Al-Desouki, Workers (2017). 237 Spek, Making a Living in City of Dead (2004), Kap. 7; publiziert als: Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun (2011), Kap. 8.

1 Voraussetzungen und Methodik

1.4 Forschungsperspektiven und -methoden Seit Mitte der 2000er Jahre ist sowohl die Quantität als auch die Qualität von Forschungen bzw. Veröffentlichungen zur Geschichte der Ägyptologie so schnell gestiegen wie nie zuvor – auch in Bezug auf ägyptische archäologische Arbeiter. Zumindest die Erforschung heutiger und historischer archäologischer Arbeiter in Ägypten steht dennoch erst am Anfang. So wie James Baikie 1924 die Umstände von Ausgrabungen in Ägypten aus den »unzähligen Berichtsbänden« archäologischer Gesellschaften »ausgraben« musste, müssen wir die meisten Informationen über die hier zu untersuchenden archäologischen Arbeiter aus den Berichten und Unterlagen der deutschen Archäologen zusammensammeln, weil Sekundärliteratur dies bislang nur ansatzweise unternommen hat.238 Doch während solche Berichte und Unterlagen in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, fehlen Zeugnisse von den ägyptischen Arbeitern selbst fast vollständig. Dies ist das größte Problem für diese Studie. Völlig beseitigen lässt es sich nicht. Mithilfe verschiedener Forschungsperspektiven bzw. -methoden werde ich jedoch versuchen, es zu verringern.

1.4.1 Geschichte von unten Es bedarf keiner Erklärung, dass ein Archäologe eine antike Stätte nicht alleine ausgräbt; ein Feldherr eine Schlacht nicht alleine gewinnt; ein Pharao eine Pyramide nicht alleine errichtet. Sie alle haben Helfer. Ohne deren Mitarbeit bzw. Fähigkeiten würde die Stätte nicht ausgegraben; die Schlacht nicht gewonnen; der Palast nicht errichtet werden. Und die Stätte, die Schlacht oder der Palast werden durch die jeweilige Mitwirkung zum Teil des Lebenslaufs der Helfer genauso wie des Archäologen; des Feldherrn; des Pharaos. In die »Berichte« der Geschichte gelangen deren Helfer aber nicht. Denn erstens nehmen wir sie in unserem menschlichen Drang nach Vereinfachung und Zusammenfassung als bloßen »Wurmfortsatz« der Führer wahr, ohne eigene Persönlichkeit und Handlungsmacht. Zweitens können und/oder wollen die Helfer die Nachwelt nicht auf sich aufmerksam machen, etwa weil sie des Schreibens nicht mächtig sind und/oder von ihrem eigenen mühseligen Leben derart in Anspruch genommen, dass sie an eine anzusprechende »Nachwelt« gar nicht denken (können). Dementsprechend wurde Geschichte bis ins 20. Jahrhundert hinein vor allem »von oben« geschrieben: Geschichte wurde geradezu gleichgesetzt mit den Handlungen von Fürsten, Regierungen, Feldherren, kurz: »großen Männern«. Ägyptische archäologische Arbeiter verschwinden noch heute in den meisten Geschichtsschreibungen hinter den Kulissen. Doch auch in anderen Bereichen stehen Studien, die »kleine Leute«

238 Währenddessen sind mehrere Bücher erschienen etwa über das Leben der Arbeiter in Deir el-Medina, die im späten 2. Jahrtausend v. Chr. die Königsgräber von Theben schufen (z.B. Lesko, Pharaoh’s Workers [1994]; dazu weiter Georg, Antiquity Bound to Modernity, 56). Über diese antiken Arbeiter bzw. Handwerker wissen wir somit mehr als über ihre archäologischen Arbeiter-»Kollegen« drei Jahrtausende später.

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aus den Kulissen hervorholen wollen,239 am Rand ihres jeweiligen Forschungsfelds. Allerdings ist die Funktion von Einheimischen als Mittelsleuten (engl.: brokers/go-betweens/intermediaries) für westliche Forschungsreisende bzw. Kolonisatoren bereits vielfach beleuchtet worden.240 Im Sinne solcher Geschichte »von unten« (history from below241 ) will ich ägyptische archäologische Arbeiter als historische Akteure ernstnehmen. Natürlich sind und bleiben es die deutschen Archäologen, die die archäologischen Unternehmungen beschlossen, geplant und insgesamt gelenkt haben. Die Arbeiter haben jedoch einen erheblichen und unverzichtbaren Beitrag zu den Unternehmungen geleistet, wenn nicht gar entscheidende Einflüsse auf sie ausgeübt.

1.4.2 Globalgeschichte »Globalgeschichte« ist eine Art von Geschichtsschreibung, die »grenzüberschreitende Prozesse« in den Blick nimmt.242 In unserem Fall ist dies die Feldforschung deutscher Archäologen in Ägypten – einem Land, das von Deutschland durch nicht nur politische, sondern auch starke geographische, ethnische, kulturelle, religiöse, soziale und sprachliche Grenzen getrennt war. Globalgeschichte überschreitet jene Grenzen nicht nur von einer Seite her, sondern versteht das jeweils untersuchte grenzüberschreitende Phänomen als von beiden Seiten der Grenze geprägt.243 Demzufolge gibt es nicht eine aktive Seite, die agiert, und eine passive, die, wenn überhaupt, reagiert, sondern beide Seiten interagieren, hängen also voneinander ab. Zum Beispiel hingen Verlauf und Ergebnisse der Grabungen deutscher Archäologen in Ägypten mit von den jeweils an- oder abwesenden ägyptischen Arbeitern und deren Handlungen oder Unterlassungen ab – die von den Deutschen nicht unbedingt kontrolliert werden konnten, trotz ihrer scheinbaren Überlegenheit angesichts ihrer Bildung, ihres Geldes oder ihrer Rückendeckung durch ägyptische Behörden. Indem Global- bzw. transnationale Geschichte die Gegenseitigkeit von Beziehungen betonen, richten sie sich insbesondere gegen den traditionellen Euro- bzw. Westzentrismus der Geschichtsschreibung im Westen und in von ihm geprägten Kulturen. Noch heute erzählen einige »Weltgeschichten« die letzten Jahrhunderte oder gar Jahrtausende als Geschichte von »the West and the rest«.244 In Wirklichkeit sind auch in unserem Fall westliche Akteure – deutsche Archäologen – zuweilen von nicht-westlichen – ägyptischen Arbeitern – beherrscht worden anstatt umgekehrt, weshalb wir gegenüber der deutschen Seite die ägyptische Seite der untersuchten Geschichte nicht vernachlässigen dürfen, sondern zu ihr die gleichen Fragen stellen müssen wie zu der deutschen. 239 Z.B. Simpson, Dark Companions (1975); David, Pyramid Builders (zuerst 1986); Tulard, Carnets d’un jeune soldat de Bonaparte (2008); Chabrowski, Sichuan Boatmen (2015); Matthies, Indigene Begleiter (2018). 240 Überblick hinsichtlich Wissenschaftsgeschichte: Raj, Go-Betweens (2016); Sammelband hinsichtlich Kolonialgeschichte in Afrika: Lawrance et al., Intermediaries (2006). 241 Sharpe, History from Below. 242 Conrad, Globalgeschichte, 9. 243 Conrad, Globalgeschichte, 22f. 244 Conrad, Globalgeschichte, 14, 21, 137-145.

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Zum Beispiel nicht nur: Wie fremd hat einem Leipziger Universitätsprofessor wie Georg Steindorff ein ägyptischer Grabungsarbeiter, das heißt zum Beispiel: ein Fellache aus Abusir angemutet? Sondern auch: Als wie fremd hat der Fellache den deutschen Professor wahrgenommen? Außerdem definiert sich Globalgeschichte durch eine »explizite Einordnung« von – an sich weniger globalen – Gegenständen in »globale Kontexte«.245 In unserem Fall ist dies die europäische bzw. westliche Expansion in andere Teile der Welt, die in den Jahrzehnten vor 1914 einen (vorläufigen) Höhepunkt erreichte. Ägypten war bis 1952/53 zumindest de facto britische Kolonie, während die Altertümer unter französischer Verwaltung standen; und bis zum Ersten Weltkrieg konkurrierten auch Deutsche, obwohl weder ihr Kaiserreich noch Preußen in Ägypten direkte politische Ziele verfolgten, dort mit anderen westlichen Imperien, vor allem Großbritannien und Frankreich – weshalb auch die erlahmte deutsche Archäologie in Ägypten Ende des 19. Jahrhunderts wiederaufgenommen wurde (Kap. 1.1.3). Gerierten sich somit auch deutsche Archäologen gegenüber Grabungsarbeitern oder anderen Ägyptern als Kolonialherren? Und hatte Ägyptens damalige Kontrolle durch westliche Imperien für die archäologischen Arbeiter bzw. die Bauern, die sie meist eigentlich waren, allgemeine Folgen, die sich wiederum auf ihre archäologische Tätigkeit ausgewirkt haben?

1.4.3 Postcolonial Studies und »Orientalismus« Zumindest über weite Strecken des 19. und 20. Jahrhunderts war der Kolonialismus »zentrales Element der politischen Ordnung der Welt, aber auch der rechtlichen und ideologischen Legitimierung dieser Ordnung. Auch die gesellschaftliche ›Modernisierung‹ in Kolonie und Metropole stand unter kolonialen Vorzeichen, ebenso wie Prozesse kultureller Aneignung«.246 Aus dem Bewusstsein der überwältigenden Tragweite dieses Kolonialismus sind jene Forschungen und Theorien hervorgegangen, die unter dem Namen »Postcolonial Studies« versuchen, den Kolonialismus zu überwinden, indem sie seine Auswirkungen schonungslos offenlegen und dadurch die (ehemals) Kolonisierten von ihm befreien, aber auch die (ehemaligen) Kolonisatoren von ihm reinigen. Das postkoloniale Element dieser Studie besteht erstens darin, dass ich frage, ob – und wenn ja, mit welchen archäologischen Auswirkungen – die deutschen Archäologen ihre ägyptischen Arbeiter durch »Orientalismus« im Saidschen Sinne zumindest mental-diskursiv unterdrückt haben. Edward Saids gleichnamiges Buch (1978) gilt als »Gründungsdokument postkolonialer Theorie«,247 weil es aufzeigt, wie westliche Intellektuelle vom 18. bis zum 20. Jahrhundert »den Orient«, das heißt Nordafrika sowie West- und Ostasien, pauschal als »sonderbar«, »verweiblicht«, »schwach«, »unveränderlich«, »verkommen« und so weiter definiert und dadurch die koloniale Unterwerfung der Regionen durch den Westen stimuliert und legitimiert haben.248

245 Conrad, Globalgeschichte, 11. 246 Conrad, Globalgeschichte, 125. 247 Castro Varela/Dhawan, Postkoloniale Theorie, Kap. 2 (Zitat: 96); ähnlich Conrad, Globalgeschichte, 120. 248 McLeod, Postcolonialism, 52-55.

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Saids Buch ist von Vertretern der »Orientalistik« und anderen Wissenschaftlern von Beginn an scharf kritisiert worden,249 und auch ich kann vor allem nicht leugnen, dass Said stark pauschalisiert und polemisiert. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die von ihm beschriebenen »orientalistischen« Stereotype existierten – auch bei den untersuchten Archäologen (Kap. 3.5.4). Doch im Gegensatz zum Geiste Saids werde ich nicht behaupten, dass das Denken und Tun der Archäologen in Ägypten ausschließlich von »Orientalismus« bestimmt gewesen sei; und jene Stereotype, die wir dennoch in manchen ihrer Äußerungen finden, sollen uns nicht zur moralischen Verdammung der Männer dienen, sondern dazu, sie historisch besser zu verstehen. Zweitens betrachte ich die ägyptischen archäologischen Arbeiter als subalterne Menschen im Sinne der …

1.4.4 Subaltern Studies Zu der hierfür namensgebenden Subaltern Studies Group fanden sich in den 1980er Jahren Südasien-Forscher mit dem Ziel zusammen, »to rectify the elitist bias characteristic of much research and academic work [in South Asian studies]«.250 Angetrieben wurden die Forscher von dem Bewusstsein, dass Dokumente und Darstellungen etwa der indischen Geschichte den untergeordneten, »subalternen« Gesellschaftsschichten nicht die Handlungsmacht (engl.: agency) zugestanden, die diese in Wirklichkeit ausgeübt hatten. Mit Postcolonial Studies teilen Subaltern Studies demnach die Annahme, dass die Unterdrückung bestimmter Gruppen – nicht zuletzt in und durch Texte – die formelle Dekolonisierung überdauert hat; sowie das Anliegen, diese alten und neuen Kolonialismen zu überwinden. Zudem knüpfen Subaltern Studies an das Konzept der Geschichte von unten an, denn oft stellen sie (indische) Bauern in den Mittelpunkt ihrer Forschungen. Da es sich dabei um Bauern in einer kolonialen Situation handelt, könnten wir Subaltern Studies als Kombination von Geschichte von unten und Postcolonial Studies auffassen.251 Ägyptische archäologische Arbeiter werden in meinen Quellen und großen Teilen der Sekundärliteratur ebenfalls an den Rand gedrängt, während deutsche bzw. westliche Archäologen als »Elite« dominieren. Wir können aber die »deutsche« Archäologie am Nil nicht verstehen, ohne auch ihre ägyptischen Arbeiter zu verstehen. Wie Subaltern Studies wiederum stehen wir im nächsten Schritt vor der Frage, wie wir Subalterne sicht- und hörbar machen können – obwohl fast alle Quellen, die uns heute noch zur Verfügung stehen – zum Beispiel deutsche Grabungstagebücher – von einer Elite – wie den deutschen Archäologen – stammen.

249 Castro Varela/Dhawan, Postkoloniale Theorie, 104-119. 250 Guha, Preface, 35. 251 Zum Verhältnis von Subaltern Studies, Geschichte von unten und Postcolonial Studies: Chakrabarty, Subaltern Studies.

1 Voraussetzungen und Methodik

Diese Quellen sind im Hinblick auf Subalterne – wie Grabungsarbeiter – von »gaps, absences, lapses, ellipses« geprägt252 und ihnen gegenüber nicht selten sogar feindlich gesinnt: Wenn in Indien Bauern den Aufstand wagten, schrieben Kolonialbeamte nicht nur besonders viel über sie, sondern dann natürlich auch gegen die Aufständischen.253 Ebenso schrieben die Archäologen gegen Arbeiter, wenn diese ihnen missfielen, etwa weil sie »schlechte« Arbeit leisteten oder mehr Lohn forderten. Sobald solche außergewöhnlichen, »dramatischen« Momente aber vorüber sind, fallen die Subalternen zurück in jenes Dunkel der Geschichte, aus dem sie hervorgekommen sind.254 Auf die Einseitigkeit der Quellen haben Vertreter der Subaltern Studies mit einer radikal kritischen Lesart historischer Zeugnisse reagiert, die als »reading against the grain« bekannt geworden ist: Als die (elitären) Autoren unsere heutigen Quellentexte verfassten, sind gerade bezüglich der Subalternen durch deren aktive oder passive Einflüsse – manchmal genügte ihre bloße Anwesenheit – Inhalte in die Texte gelangt – oder außen vor geblieben –, die den Autoren selbst nicht einmal bewusst gewesen sein mögen und die folglich mit umso weniger elitärer Feindseligkeit über die Subalternen informieren. Diese unbeabsichtigten, latenten Inhalte gilt es zu erkennen; von den explizit formulierten hingegen dürfen wir uns nicht täuschen lassen. Wenn die Archäologen zum Beispiel Verbote gegenüber Arbeitern aussprachen, taten sie dies wohl, weil diese Arbeiter das Verbotene zuvor praktizierten. Insofern deren Gründe dafür das Verbot überwogen, hätten sie es auch fortgesetzt, sodass das Verbotene von dem Verbot gerade nicht unterbunden wurde. Bei einer Grabung des Papyrusunternehmens im Fayyum 1902 rauchte ein Arbeiter einem Verbot des Vorarbeiters »zum Trotz weiter« und wurde daraufhin »weggejagt«. Wie viele Arbeiter rauchten ebenfalls weiter und verbargen es erfolgreich?255 Auch Diskursanalyse kann dabei helfen, Quellen »gegen den Strich« zu lesen. Diskurse sind Regelsysteme, in denen die jeweiligen gesellschaftlich-geschichtlichen Verhältnisse festlegen, was in diesen Verhältnissen gedacht oder nicht gedacht, gesagt oder nicht gesagt, getan oder nicht getan werden darf, kann, soll, muss.256 Zum Beispiel erschienen Grabungsarbeiter den Deutschen womöglich deswegen als »sehr schwierig zu behandeln + faul«, weil sie Arbeit nicht in jener geordneten Weise verrichteten, die die bürgerlich-kapitalistischen Archäologen voraussetzten. Die Leute können auf ihre Weise durchaus hart gearbeitet haben – doch hinderte ein spezifischer Diskurs die Deutschen daran, diese Arbeit anzuerkennen.257 Auch der von Said beobachtete »Orientalismus« ist ein Diskurs. 252 Said, Foreword (Subaltern Studies), vii. Zur »Archivkritik« der Subaltern Studies: Büschel, Archivkritik im Postkolonialismus, 85-87; Pandey, Voices from the Edge. 253 Guha, Prose of Counter-Insurgency. Zum »Problem of Socially Constructed Evidence« außerdem Fairburn, Social History, Kap. 7. 254 Anderson, Subaltern Lives, 6 (»only to disappear into obscurity once the drama has passed«). 255 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 65. Zum Lesen von Normen »wider den Strich«: Arnold, Umgang mit Quellen, 60. 256 Vgl. Landwehr, Diskursanalyse, 21. 257 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 207. Offenbar aus ähnlichen Gründen wurden in den USA Sklaven von ihren Besitzern fälschlicherweise für faul gehalten (Fairburn, Social History, 201).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

1.4.5 Sozialgeschichte Von ihrem Eifer für eine neue Art der Geschichtsschreibung haben sich Vertreter der Subaltern Studies nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass die Quellenlage zu Subalternen ihnen epistemologische Grenzen setzt, die sie verschieben, aber nicht aufheben können. Selbst das raffinierteste »reading against the grain« ändert nichts an dem Umstand, dass in den meisten Quellen nicht die Subalternen sprechen, sondern über sie gesprochen wird – von Eliten, die über sie herrschten. Indessen hingen Handeln und Denken der ägyptischen archäologischen Arbeiter nicht nur von ihnen selbst ab, sondern auch von den Verhältnissen, in denen sie lebten: den sozialen, ökonomischen, administrativen, juristischen, medizinischen, kulturellen, religiösen, geographischen, klimatischen und sonstigen lebenspraktischen, alltäglichen Verhältnissen im damaligen Ägypten. Vom Ägypten des Untersuchungszeitraums, in dem die zu untersuchenden archäologischen Arbeiter lebten, kennen wir Einwohnerzahlen von Orten; Preis- bzw. Lohnniveaus, Organisationsweisen der Landwirtschaft und vieles Sozialhistorische mehr. Da wir aus den Quellen wissen, woher die Arbeiter kamen, was sie verdienten oder dass sie meist Bauern waren, können wir aus jenen sozialhistorischen Daten – die sich nicht explizit auf archäologische Arbeiter beziehen, sondern auf übergeordnete Gruppen wie die Bevölkerung einer Region oder die Bauern des ganzen Landes – deduktiv auf die typischen Lebensverhältnisse archäologischer Arbeiter schließen. Dies soll nicht in strukturalistischen Determinismus münden, der die jeweils individuelle Handlungsmacht der Arbeiter verschüttet.258 Ich will mit den Lebensverhältnissen lediglich versuchen, Verhalten und Rolle der Arbeiter in den archäologischen Unternehmungen etwas plausibler zu machen.

1.5 Gliederung Im folgenden Kap. 2 dieser Studie, »Vorgeschichte«, zeichne ich nach, wie sich westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten zwischen dem Beginn der modernen Ägypten-Archäologie 1798 und dem meines Untersuchungszeitraums 1898 begegnet sind. Der Rückblick ist nötig, um danach die rechtlichen und andere Rahmenbedingungen zu verstehen, unter denen die Archäologen ab 1898 in Ägypten arbeiteten, bzw. die archäologischen Traditionen und Techniken, an die sie anknüpften oder nicht (Kap. 2.2). Denn der archäologiehistorische Kontext wirkte sich dann auf Rolle und Arbeitsbedingungen der ägyptischen Arbeiter aus. Außerdem werden Vergleiche des Untersuchungszeitraums mit der vorhergehenden Ägypten-Archäologie deutlich machen, welche Eigenschaften die untersuchten Archäologen von anderen unterscheiden und welche nicht.259

258 Zum geschichtlichen Spannungsverhältnis von »structure and agency«: Welskopp, Social History, 205-215. 259 Im Unterschied hierzu verzichtet Quirke in Hidden Hands (o. Kap. 1.3.3) darauf, Flinders Petries Archäologie breit zu kontextualisieren. Er ist dafür kritisiert worden von Everill, Review of Quirke, 453.

1 Voraussetzungen und Methodik

In Kap. 3, »Deutsche Archäologen«, untersuche ich die archäologischen Unternehmungen und ihre Arbeiter anhand der direkten, deutschen Quellen. In Kap. 4 versuche ich, mich der Perspektive der Arbeiter anzunähern, indem ich die deutschen Quellen nochmals kritisch lese und zusätzlich Global-, Kolonial- und Sozialgeschichte heranziehe. Meinem problemorientierten Ansatz gemäß werde ich auf die verschiedenen, insgesamt 58 archäologischen Kampagnen, zu denen sicher zuordenbare, also textliche Quellen vorliegen, weniger chronologisch als vielmehr thematisch zugreifen. Folglich betrachte ich alle Unternehmungen tendenziell als Einheit, wenngleich ich dort, wo es nötig und möglich ist, zwischen Unternehmungen; ihren verschiedenen Jahren, Orten und Beteiligten, differenzieren werde.

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2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

Die moderne, unserem Verständnis entsprechende Archäologie in Ägypten beginnt nach herrschender Meinung genau einhundert Jahre vor Beginn meines Untersuchungszeitraums, nämlich 1798, als eine französische militärisch-wissenschaftliche Expedition unter dem General Napoleon Bonaparte Ägypten erobert. Nachdem die Europäer die moderne Archäologie im 18. Jahrhundert auf Basis ihrer »eigenen« Altertümer etwa in Italien begründet hatten, verschaffte Napoleons Eroberung ihnen jenen umfangreichen Zugang zu Ägyptens Altertümern, dessen die Europäer bedurften, um »ihre« Archäologie auf das Land am Nil auszudehnen.1 Fasst man »Archäologie« nicht in diesem wissenschaftlichen, sondern im weitesten Sinne auf, nämlich als wie auch immer geartetes Interesse an gegenständlichen Überresten der Vergangenheit, so hat es Archäologie in Ägypten schon lange vor 1798 gegeben. Dessen antike Bewohner plünderten selbst Gräber oder nutzten alte Monumente als Steinbrüche für neue Bauten. Ebenso verhielten sich später Perser, Griechen, Römer und Araber. Andererseits wurde beispielsweise im 14. Jahrhundert v. Chr. die Sphinx von Giza, damals schon über eintausend Jahre alt aber jahrhundertelang vernachlässigt, unter Thutmosis IV. vom Sand befreit und instand gesetzt, nachdem ein Gott dem Pharao im Traum so geheißen habe. Im 5. Jahrhundert v. Chr. besuchte bekanntlich der griechische »Vater der Geschichtsschreibung« Herodot die Pyramiden von Giza (und anderes in Ägypten). Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. strömten die Römer als Touristen zu den wundersamen Ruinen ihrer ägyptischen Provinz. Nach Ägyptens Christianisierung in der Spätantike und seiner Islamisierung ab dem 7. Jahrhundert betrachteten hingegen einige seiner Einwohner die inzwischen erloschene altägyptische Zivilisation bzw. deren Überreste mit Argwohn oder sogar Ablehnung, weil es sich um eine heidnische Zivilisation handelte.2 Zugleich war Ägypten als islamisches Land der nicht-islamischen Welt weitgehend verschlossen und geriet dort in Vergessenheit. Höchstens einige christliche Pilger passierten es auf ihrem Weg ins Heilige 1 2

Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 95; Reeves, Egypt, 11; vgl. Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, Beginn des editorischen Vorworts. Attiatalla, Einheimische Ägyptologen, 59f., 68; Wood, Use of Pharaonic Past, 186-189.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Land. Die Wende brachte im 15. und 16. Jahrhundert die italienische Renaissance. Als man Europas antikes Erbe erforschte, stieß man auf zahlreiche ägyptische Spuren, denn die Römer hatten ägyptische Kunst und sogar Religion so geschätzt, dass römische Kaiser zum Beispiel Obelisken nach Rom hatten schiffen lassen. Die Renaissance entdeckte diese wieder; und was die Gelehrten besonders fesselte, waren die rätselhaften, uralten in die Steinsäulen eingehauenen Zeichen: Hieroglyphen. Zugleich boten sich den Europäern ab Beginn des 16. Jahrhunderts neue Möglichkeiten, nach Ägypten zu reisen, da das Land von den Osmanen erobert wurde, mit denen die Europäer alles in allem solide politische und Handelsbeziehungen unterhielten. Von nun an begaben sich mehr und mehr Abendländer, ob als Diplomaten, Händler, Missionare oder Forscher, an den Nil und erkundeten natürlich auch die antiken Ruinen. Manche Fundstücke nahmen sie mit nach Hause. Europäische Adlige sammelten sie mit Leidenschaft, und Londons British Museum stellte gleich von seiner Eröffnung 1759 an altägyptische Artefakte aus.3 So infizierte sich ab der Renaissance allmählich ganz Westeuropa mit sogenannter Ägyptomanie bzw. Ägyptophilie, die 1798 in Napoleons ägyptischer Expedition gipfelte. Bei ihr handelte es sich zwar in erster Linie um eine Militäroperation mit geopolitischen Zielen: Seine Lage zwischen Mittel- und Rotem Meer machte Ägypten zu einer Brücke zwischen Europa und Asien. Durch Eroberung dieser Brücke wollte Frankreich seinen größten Rivalen, Großbritannien, von dessen Besitzungen und Ansprüchen in Asien abschneiden.4 Doch neben Soldaten entsandte Frankreich 167 Wissenschaftler (savants) aller Fächer mit dem Auftrag, alles in Erfahrung zu bringen, was es über Ägypten in Erfahrung zu bringen gab: seine Geographie, Flora und Fauna; Gesellschaft und Wirtschaft; Geschichte. Die Ergebnisse sollten die Grundlage einer französischen Kolonisierung des Landes bilden, denn nur moderne Wissenschaft konnte Grundlage sein für ein revolutionäres Frankreich, das die von ihm errungene und verkörperte »Vernunft« und »Zivilisation« verbreiten und insbesondere den »Orient« von dessen »Despotismus« befreien wollte. Als französische Kolonie sollte das fruchtbare Niltal zudem Saint-Domingue (Haiti) ersetzen, wo die Sklaven sich von 1791 bis 1804 von Frankreich loskämpften.5 Somit wurden auch die Altertümer des eingenommenen Territoriums von den savants eingehend untersucht und sorgfältig aufgezeichnet. Schon seit dem 16. Jahrhundert hatten einzelne Europäer Ägypten mit dem Ziel bereist, Erkenntnisse über die Altertümer zu gewinnen und zu verbreiten. In Erinnerung blieben der Franzose Claude Sicard (1677-1726; in Ägypten: 1707-1726), der Engländer Richard Pococke (1704-1765; 1737/38), der Däne Frederik Ludvig Norden (1708-1742; unabhängig von Pococke ebenfalls 1737/38) sowie der Schotte James Bruce (1730-1794; 1768-1773). Gleichfalls nicht zu vergessen sind die Altertumsforschungen ägyptischer Gelehrter seit dem Mittelalter. Doch erst Napoleons Wissenschaftler schritten zur systematischen Aufnahme der antiken Stätten, inklusive einer monumentalen Veröffentlichung der Ergebnisse, der Description de l’Égypte, von

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Zur Beschäftigung mit dem alten Ägypten und seinen Hinterlassenschaften in der Zeit vor 1798: Fagan, Rape of Nile, Kap. 1-3; Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, Kap. 1-4; Fritze, Egyptomania, Kap. 2-5. Laurens et al., Expédition d’Égypte, 24-30. Harten, Rediscovering Egypt (zu Saint-Domingue: 33 mit 45 Anm. 1); Laurens et al., Expédition d’Égypte, 16-22; Laurens, Origines intellectuelles.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

deren 23 Bänden (in der 1. Aufl., 1809-1828) sich nicht weniger als die Hälfte mit Altertümern befassen. Sie beschreiben diese so zuverlässig, dass die Description Archäologen noch heute zugutekommt.6 Die Präzision und schiere Dimension der von den savants ausgeführten Forschungen machen das Jahr 1798 zum Übergangspunkt zwischen vormoderner und moderner Archäologie. Daran ändern auch die Tatsachen nichts, dass erstens manche auf die savants folgenden westlichen »Archäologen« insbesondere des frühen 19. Jahrhunderts selbst nach den Maßstäben ihrer Zeit nicht unbedingt »Wissenschaftler« waren, und zweitens »Ägyptologie« als akademische Wissenschaft erst ab dem Jahr 1822, in dem mit den Hieroglyphen die wichtigsten altägyptischen Textquellen weitgehend entziffert wurden, sinnhaft betrieben werden konnte. So wie die deutschen Archäologen ab 1898, sind auch ihre Vorgänger in Ägypten dortigen Einheimischen begegnet und mussten, um ihre Forschungen durchzuführen, mit ihnen in Interaktion treten. Im Folgenden umreiße ich für die Zeit zwischen 1798 und 1898 Begegnungen westlicher Archäologen mit Ägyptern, damit ich danach die Begegnungen der zu untersuchenden deutschen Archäologen in einen größeren Zusammenhang einordnen kann.

2.1 Ausgewählte Beispiele7 Als »Ägypter« berücksichtige ich unter 2.1, anders als im Rest dieser Studie, nicht nur archäologische Arbeiter, sondern Menschen jeglicher Rolle, sofern sie von den westlichen Archäologen als einheimisch wahrgenommen wurden – dies galt für ethnische Ägypter, Nubier, Türken und andere am Nil verwurzelte Nicht-Abendländer. Denn zumindest im frühen 19. Jahrhundert setzten die Archäologen noch kaum »archäologische« bzw. »Grabungsarbeiter« ein; und wenn, dann lassen diese sich oft nicht von anderen Einheimischen trennen. Außerdem müssen wir alle Typen von Einheimischen im Blick behalten, um zu erkennen, wie sich die äußeren Umstände westlicher Archäologie in Ägypten im Laufe des 19. Jahrhunderts wandeln. Als Beispielfälle ausgewählt habe ich einerseits besonders bedeutende Ägypten-Archäologen, von denen zumindest im 19. Jahrhundert die meisten nicht aus Deutschland, sondern aus anderen europäischen Ländern stammten. Andererseits wären für die bloße Vorgeschichte meines eigentlichen Themas archivalische Studien übertrieben gewesen, sodass ich nur solche Archäologen habe berücksichtigen können, deren veröffentlichte Berichte auch zu Begegnungen mit Ägyptern, und nicht nur zu Altertümern, verwertbare Auskünfte geben. Als Quellen dienen dem Folgenden daher vor allem Bücher der Archäologen über ihre Unternehmungen. In manchen Fällen lagen auch edierte Briefe 6

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Traunecker, Égypte antique de la » Description », 352; zur Description als »Keimzelle der Ägyptologie«: Pieke, Von Ägyptenbegeisterung zu Wissenschaft, bes. 137; ähnlich Weeks, Archaeology, 106. Wesentliche Teile der Abschnitte unter 2.1 entstammen meiner Masterarbeit The Cook of Champollion: European Archaeologists in Egypt and Their Interactions with the Local Inhabitants, 1798-1952/53 im Studiengang Erasmus Mundus Global Studies am Global and European Studies Institute der Universität Leipzig, 2013; zusammengefasst veröffentlicht als Georg, European Archaeologists in Egypt.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

und Tagebücher sowie Archäologen-Biographien vor. Dennoch ließen sich meine Beispiele an geeignetem Ort um gewisse andere – ebenso veröffentlichte – Quellen bzw. Archäologen, die meist weniger bekannt sind als die hier vorgestellten, erweitern.

2.1.1 Die Pioniere: Napoleons savants (1798-1801) und Hamilton (1801/02) Napoleons Chefarchäologe war Dominique Vivant Denon (1747-1825); ein französischer Baron, der sich auch als Diplomat, Schriftsteller, Maler und Kupferstecher betätigte. Er erkundete Ägypten an der Seite der Division des Generals Louis Charles Antoine Desaix (1768-1800), mehrere Hundert Soldaten, auf ihrer Verfolgung eines Fürsten der Mameluken, der bisherigen Herrscherkaste in Ägypten. Ein monatelanger Gewaltritt vom Delta des Nils bis zu seinem ersten Katarakt am Rande Nubiens – Denon verfluchte diese Umstände, denn was er entlang des Wegs untersuchen konnte, hing vom Zufall ab; und wenn er einmal Halt an einer Ruine machen durfte, blieben ihm womöglich nur Stunden zum Kartieren und Zeichnen, bevor der General seine Division wieder in Marsch setzte.8 Somit konnte Denon keine Ausgrabungen durchführen. Andererseits hielten auch er und andere savants Militär für notwendig, um die ägyptischen Altertümer von den, in französischen Augen, muslimischen Barbaren zu befreien, die sie dem Rest der Welt jahrhundertelang vorenthalten hatten.9 Tatsächlich waren die Franzosen bestürzt über den Gegensatz zwischen den alten Ägyptern – den ehrwürdigen Begründern der menschlichen Zivilisation – und jenen elenden Wilden, die das moderne Ägypten zu bewohnen schienen.10 Auch Denon hegte solche Verachtung für die Einheimischen.11 Gleichwohl unterschieden die Franzosen zwischen den mamelukischen Herren Ägyptens und seinen Bauern, den Fellachen. Erstere waren keine ethnischen Ägypter, sondern Türken; ursprünglich osmanische Militärsklaven, die ab dem 17. Jahrhundert die Herrschaft über das Land am Nil, obschon es formal Provinz des osmanischen Sultans blieb, an sich gerissen hatten und die Fellachen mit eiserner Faust niederhielten. Mit den Unterdrückten hatten die Franzosen Mitleid – ihr Feldzug richtete sich gegen die Unterdrücker.12 Deshalb freuten sich, wie Denon berichtet, viele Fellachen über Napoleons Truppen, ja gingen Bündnisse mit ihnen ein.13 Mancherorts weigerte man sich, die Franzosen zu empfangen, oder flüchtete14 – sei es

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Denon, Égypte, Bd. 1, 97, 197, 224, 233, 263, 271, 316f., 348; hierzu auch Sauneron, Égyptologie, 9f. Panckoucke, Description Égypte, Bd. 3, 274; Bd. 5, 198; Denon, Égypte, Bd. 1, xxii, 22f., 35. Aus der Description de l’Égypte zitiere ich unter dem Namen des einzelnen Autors nur die Beiträge des Mathematikers und Physikers Joseph Fourier (1768-1830; Préface) und des Geographen und Altertumsforschers Edme-François Jomard (1777-1862; Heptanomide; Thèbes; zu ihm in Ägypten: Laissus, Jomard, Kap. 2). Andere Zitate gebe ich der Einfachheit halber lediglich mit dem Verleger der Description, Panckoucke, an. Die herausgeberisch-inhaltliche Verantwortung für sie lag größtenteils bei Jomard. Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 271-275; Bd. 3, 167; Bd. 4, 218; Bd. 5, 485. Denon, Égypte, Bd. 1, 38, 171, 216. Denon, Égypte, Bd. 1, 37, 48, 138f.; Fourier, Préface, lxxxvii. Denon, Égypte, Bd. 1, 52, 217, 272, 289, 301-303, 314f. Denon, Égypte, Bd. 1, 151, 215, 323f.; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 440f.; Bd. 4, 83.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

aus Angst vor einer so großen Gruppe (bewaffneter) Europäer, oder aus Furcht vor mamelukischer Rache. Anderswo griff man die Franzosen an15 – sei es, weil man doch die Mameluken unterstützte, oder weil man in den Eindringlingen schlicht die nächsten Tyrannen des Landes sah. In den meisten Dörfern indes erhielten Denon und andere savants (deren Armee freilich einen zwingenden Eindruck gemacht haben muss) freundlich Essen und Unterkunft,16 und Einheimische waren ihnen als Führer zu Diensten, zumindest gegen einen Obolus.17 Ging es jedoch um die Bedeutung der Altertümer, vertrauten die Archäologen mehr auf die von ihnen mitgeführten antiken Schriften Herodots oder Strabos als auf die modernen Ägypter.18 Erkundigten sich die Franzosen doch einmal bei letzteren, habe sich ihnen meist nur Unwissen und Aberglaube offenbart.19 Schlimmer noch: »Les arabes« plünderten die Ruinen auf der Suche nach Baumaterial, »Kalk« zur Düngung ihrer Felder (vgl. u. Kap. 4.1.2), und Kuriositäten, die sie Besuchern verkaufen könnten.20 Auch würden sie versuchen, Artefakte zu fälschen.21 Sie seien habgierig, diebisch und faul.22 Sogar die Ermordung von Reisenden sei ihnen zuzutrauen.23 Folglich wurden die savants, wenn sie antike Stätten besichtigten, von Soldaten bewacht; im Beduinengebiet von bis zu 200 Mann.24 Als Denon es wagte, einige Orte ohne bewaffneten Schutz aufzusuchen, zieh General Desaix ihn danach des Leichtsinns. Der Archäologe bekannte sich hierzu, hatte die Gefahr jedoch vergessen – da sein Forschergeist einen unbändigen Drang nach den zu entdeckenden Schätzen verspürt hatte.25 Eine andere Gefahr oder wenigstens Unannehmlichkeit ging für die napoleonischen Archäologen von der ägyptischen Umwelt aus: Hitze, Sandstürme, wilde Tiere. Auch andere der hier vorgestellten Archäologen hatten mit solchen Widrigkeiten zu kämpfen.26 Im Sommer 1801 besiegten die Briten die Franzosen in Ägypten. Der englische Diplomat William Richard Hamilton (1777-1859), der in Griechenland Erfahrung mit Altertümern gesammelt hatte, wurde entsandt, um jene Ägyptens zu begutachten. Nach-

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Denon, Égypte, Bd. 1, 86f., 163, 218, 344; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 4, 131f. Denon, Égypte, Bd. 1, 78, 145, 149f., 250f.; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 441; Bd. 2, 351. Denon, Égypte, Bd. 1, 84, 86, 289, 326; Jomard, Thèbes, 78; Heptanomide, 377; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 4, 274. Denon, Égypte, Bd. 1, 66, 99, 308; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 4, 8-15, 48. Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 151f., 276; Bd. 3, 290-292; Bd. 4, 71f., 268, 270; Bd. 5, 140, 142; Jomard, Heptanomide, 304f., 351-353, 363, 371, 374. Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 411, 414; Bd. 3, 25, 456; Bd. 4, 25, 47, 172, 189, 215; Bd. 5, 68, 121f., 371, 425; Jomard, Heptanomide, 300, 305, 363, 370, 391; Denon, Égypte, Bd. 1, 103. Jomard, Thèbes, 84; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 5, 17-20, 71; Denon, Égypte, Bd. 1, 337. Denon, Égypte, Bd. 1, 48-50, 140, 166, 329; Jomard, Thèbes, 9f.; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 4, 83. Denon, Égypte, Bd. 1, 270; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 3, 291. Denon, Égypte, Bd. 1, 280, 324f., 338; Bd. 2, cxxxi; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 2, 351. Denon, Égypte, Bd. 1, 210, 225, 315f., 339-341. Zu Denon in Ägypten ferner jüngst Kaiser, Vivant Denon, 145-161. Denon, Égypte, Bd. 1, 184f., 198, 270, 278f., 285f., 301, 306, 314; Belzoni, Egypt, 44, 195-197, 202; d’Athanasi, Egypt, 113f.; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 82; Bd. 2, 14; Lepsius, Briefe aus Aegypten, 240f.; Brugsch, Aegypten, 59f., 239; Smyth, Pyramid, 402-404, 417f., 532f.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

dem er, einem von unterschiedlichen Berichten zufolge, den Versuch der savants durchkreuzt hatte, den einzigartigen Stein von Rosette an den Briten vorbei nach Frankreich zu schmuggeln,27 reiste Hamilton in Begleitung zweier britischer Offiziere von Alexandria gen Oberägypten und Nubien. Da die britische Armee auf Wunsch der Osmanen in Ägypten stand, um deren Provinz von den französischen Besatzern befreien zu helfen, stellte der Großwesir in Konstantinopel Hamilton einen Ferman (pers.), ein Dekret im Namen des Souveräns (in diesem Fall: des Sultans), aus, wonach der Archäologe von jedermann, der ihm begegnete, respektvoll zu behandeln sei. Während Hamilton sich sorgte, dass abtrünnige mamelukische Truppen das Dekret nicht anerkennen würden, stieß er bei den Ägyptern auf eine »good disposition« gegenüber den Briten.28 Manche Klage hörte er über die Franzosen; einige von ihnen hätten die Fellachen ebenso ausgeräubert, wie es vorher die Mameluken getan hatten.29 Hamilton konnte hingegen von sich und seinen Begleitern sagen, dass »in the same places where the French dared not carry on their inquiries without a strong escort, we could walk unattended and unarmed; and we were actually encamped for several days under the sepulchres of Thebes, inhabited by the people of Gournon [d.i.: Qurna], so much celebrated for their robberies and ferocity; and we employed them in searching the tombs for mummies, manuscripts of papyrus, idols, vases«.30 In anderen Gegenden waren die Menschen ebenso hilfsbereit; zudem vermieteten sie den Besuchern Kamele und Maultiere sowie Boote, auf denen sie sie über den Nil fuhren.31 Einzig die Beduinen waren auch den Briten gegenüber feindlich gesinnt. Sie bedrohten sogar einheimische Dörfer mit Überfällen,32 und verhinderten mit ihren Drohungen, dass Hamilton seine Expedition wie geplant bis nach Nubien hinein fortsetzte. Wie die modernen Ägypter Nachfahren der alten sein könnten, fragte dieser Archäologe in Bezug auf jene beduinischen Bewohner des nubisch-ägyptischen Grenzgebiets, weil sie den Europäern offensichtlich magische Kräfte zuschrieben und sie deshalb bekämpften.33 Auch »the Arabs« im Allgemeinen hielt Hamilton für habgierig, faul und abergläubisch.34 Andererseits führte er etwa ein herzliches Gespräch mit einem Hadschi Hamid, der ihm seine Erinnerungen an frühere europäische Reisende erzählte.35 Sympathie für die von den Mameluken unterdrückten Ägypter empfand der Engländer zudem wie die Franzosen.36 Als er eine geplünderte Ruine fand, lastete er die Tat nicht den Fellachen, sondern

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Zur Beschlagnahmung des Steins durch die Briten: Jasanoff, Edge of Empire, 217-220; zu den unterschiedlichen Berichten: Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 294 Anm. 2; ferner Downs, Rosetta. Hamilton, Ægyptiaca, 15f. (Zitat: 15). Hamilton, Ægyptiaca, 110, 249, 376f. Hamilton, Ægyptiaca, 16. Hamilton, Ægyptiaca, 33, 66, 134, 168, 178f., 294f., 309, 365, 383f., 397. Hamilton, Ægyptiaca, 274f., 365, 372, 398. Hamilton, Ægyptiaca, 34-36. Hamilton, Ægyptiaca, 27f., 279, 306, 317. Hamilton, Ægyptiaca, 80f. Hamilton, Ægyptiaca, 273, 285, 309, 387f.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

den Mameluken an. Als die türkische Eskorte, die ihn streckenweise begleitete, entlang des Wegs für ihn Reittiere beschlagnahmte, schämte er sich.37

2.1.2 Die Sammler: Salt (1816-1827), Belzoni (1816-1819), d’Athanasi (1817-1827), Rifaud (1814-1826) Der englische Maler und Reisende Henry Salt (1780-1827) amtierte von 1815 bis 1827 als Generalkonsul seines Landes in Kairo. Teils aus eigenem Antrieb, teils auf Anregung seiner Regierung bzw. des British Museum verwandte er seine meiste Zeit in Ägypten auf das Sammeln von Antiken, die er dann teils dem Londoner Museum, teils dem Pariser Louvre verkaufte.38 Zu Salts Zeiten war das Land am Nil, anders als während des Aufenthalts der savants oder Hamiltons, befriedet und stand unter der machtvollen Herrschaft des (nominell osmanischen) Vizekönigs Mohammed Ali Pascha (1769-1849; r. 1805-1848).39 Daraus erwuchs eine Ruhe, in der ein ausländischer Archäologe wie der italienische, ab 1816 für Salt tätige vorherige Seemann Giovanni Battista Caviglia (1770-1845) in Ägypten von lediglich einem Soldaten begleitet »without«, wie Salt feststellte, »the slightest molestation« arbeiten konnte, obwohl Tausende von »Arabs« ihn umgaben.40 Vor aller Forschung galt es jedoch, einen Ferman des Paschas einzuholen.41 Hierzu besaß Salt als »His Britannic Majesty’s Consul-General« beste Möglichkeiten.42 Er nutzte sie dankbar aus und veranlasste die ersten wirklichen Ausgrabungen in Ägypten;43 im Unterschied zu den bloßen Ruinenbetrachtungen, über die Denon oder Hamilton kaum hinausgekommen waren. Zum Vizekönig, der in Salts Augen ein fähiger Herrscher sowie »for a Turk, an extraordinary man« war,44 pflegte der Konsul ein geradezu freundschaftliches Verhältnis,45 und er erhielt von ihm alle archäologischen Fermane, um die er bat. Salt sandte sie dann seinen Mitarbeitern,46 denn wegen seiner Amtspflichten in Kairo und schwachen Gesundheit beschränkte der Konsul selbst sich auf das ägyptologische Aufarbeiten von Funden am Schreibtisch des Konsulats, während Männer wie die Italiener Caviglia und Belzoni oder der Grieche d’Athanasi für ihn im Land Erkundungen und Grabungen durchführten. Giovanni Battista Belzoni (1778-1823) trat als Mann mit riesenhafter Muskelkraft in europäischen Zirkussen auf, bevor er 1815 nach Ägypten ging, um Mohammed Ali eine 37 38 39

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Hamilton, Ægyptiaca, 109, 370. Zu Hamilton in Ägypten ferner Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 129-132. Jasanoff, Edge of Empire, 238, 264-267, 280f. Pascha war der höchste osmanische Rang in Ägypten. Den osmanischen Titel für »Vizekönig«, Khedive, erhielt Mohammed Alis Dynastie vom Sultan 1867. Davor regierten er und seine Nachfolger jeweils als Wali (Statthalter). Die Europäer sprachen hingegen seit jeher von »Vizekönigen«. Halls, Salt, Bd. 2, 102; vgl. France, Rape of Egypt, 105. Zu Caviglia: Zatterin, Belzoni, 315-331. Wortlaut eines Fermans aus dieser Zeit, nämlich für den französischen Antikensammler Jean-Baptiste Lelorrain (?-?) von 1821: Wilson, American Egyptology, 24. Halls, Salt, Bd. 1, 485. Halls, Salt, Bd. 2, 52f., 102f., 245, 296. Halls, Salt, Bd. 1, 466-469 (Zitat: 469). Manley/Rée, Salt, 67-81. Halls, Salt, Bd. 2, 3, 9, 169f., 185f.; Belzoni, Egypt, 109, 116, 220, 370.

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selbsterfundene Bewässerungsmaschine zu verkaufen. Obwohl der Herrscher sich nicht von ihr überzeugen ließ, blieb der Glücksritter in Ägypten und wurde, weil er kräftig und geschickt wirkte und jahrelang in England gelebt hatte, von Henry Salt als Antikensammler engagiert. Als solcher war er, dank der vom Konsul erwirkten Fermane, jahrelang in ganz Ägypten erfolgreich. Ein Ferman enthielt nämlich nicht nur die Erlaubnis zu Grabungen, sondern auch die Anweisung an örtliche Behörden, (gegen Bezahlung) Arbeiter und sonstiges für die jeweilige Unternehmung erforderliche Personal und Material zu stellen: Boote mit Mannschaften; Esel oder Kamele mit Treibern; Wegführer. Es war freilich nie sicher, dass und wie Würdenträger fern von Kairo oder Alexandria, den Sitzen Mohammed Alis, dessen Anweisungen umsetzen würden. Manche sträubten sich, da sie, Belzoni zufolge, von Bernardino Drovetti (1776-1852), dem (ehemaligen) französischen Konsul in Ägypten, manipuliert worden waren47 – dieser ließ ebenso wie sein britischer Kollege, doch im Gegensatz zu ihm offenbar mehr aus pekuniären denn wissenschaftlichen Gründen, Antiken sammeln; und obwohl die beiden Diplomaten einander geschätzt haben mögen, konkurrierten die Agenten des einen heftig mit denen des anderen.48 – Andere Behördenvertreter nutzten einen Vorwand, um einem Ferman nicht zu gehorchen, oder gehorchten ihm nur im Tausch gegen Pistolen, Schießpulver, Tabak, Wein.49 Belzoni passte sich dem wohl oder übel an und verteilte die »Geschenke« bald von vornherein.50 In Theben bedurfte es noch größerer Anstrengung: Salt hatte Belzoni dorthin gesandt, um den »Jüngeren Memnon«, eine Kolossalbüste des Pharaos Ramses II., auf ein Nilboot zu verfrachten, sodass sie nach England transportiert werden könne. Zur Verfrachtung sollten Belzoni laut Ferman 80 Fellachen zugeteilt werden – da die Büste sieben Tonnen wog, 2,70 Meter hoch war und 1.200 Meter vom Nil entfernt lag. Der örtliche Kaschef (Bezirksvorsteher) indessen versprach zunächst Männer, die nicht kamen, und behauptete dann, er könne wegen der Feldarbeit niemanden entbehren. In Wirklichkeit gab es genug Leute, die im Augenblick beschäftigungslos und willens waren, für Belzoni zu arbeiten, es mangels behördlicher Erlaubnis aber nicht durften. Der Italiener beschwerte sich daher, woraufhin ihm der Kaschef einen Befehl an den Kaimakan ausstellte; einen niedrigeren, für eine Handvoll Dörfer verantwortlichen Beamten. Als Belzoni ihm den Befehl vorlegte, versprach auch der Kaimakan Männer, die am nächsten Morgen nicht kamen. Belzoni beschwerte sich wieder beim Kaschef und erhielt endlich Arbeiter.

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Belzoni, Egypt, 185f. Da Drovetti sein Antikensammeln nirgendwo selbst erzählt hat – weshalb ich ihn hier auch nicht zu einem eigenen Fallbeispiel erhebe –, leidet sein Ruf bis heute unter dem schlechten Licht, in das ihn vor allem Belzonis vielgelesenes Buch (Egypt) taucht. Die von mir angedeutete differenziertere Bewertung Drovettis versucht Ridley, Drovetti, 290, 293f. Vgl. u. Kap. 2.2.2 Anm. 194. Als Repräsentant Frankreichs in Ägypten amtierte Drovetti als Konsul von 1803 bis 1815 und als Generalkonsul von 1821 bis 1829. Doch auch und gerade zwischen 1815 und 1821, als er nach Napoleons Sturz ohne Amt(spflichten) in Ägypten blieb, widmete er sich dessen Altertümern, unter Ausnutzung der Beziehungen zumal zum Vizekönig, die er als Konsul geknüpft hatte (Ridley, a.a.O., Kap. 3). Belzoni, Egypt, 75f., 96-98, 105, 148, 186, 210, 214, 221f. Belzoni, Egypt, 101 (»presents«), 112, 205, 347 (»present«), 405.

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Nach wenigen Tagen verbot jedoch der Kaimakan den Fellachen, weiter für die »Christian dogs« zu arbeiten. Von Belzoni zur Rede gestellt, zog der Kaimakan sein Schwert. Der ehemalige Zirkusmann rang ihn nieder und ging erneut zum Kaschef. Dem Kaimakan zufolge war der christenfeindliche Befehl vom Kaschef selbst ausgegangen. Wie dem auch sei, als dieser von Belzoni zwei Pistolen geschenkt bekam, gab er nach und schickte ihm die nötigen Arbeiter. Gerne hätte Belzoni sich während all jener Misshelligkeiten nach Kairo gewandt; er wusste aber, dass er einen Monat auf Antwort hätte warten müssen.51 Anderswo empfingen sowohl Würdenträger als auch Dorfbewohner Belzoni zwar oft von Beginn an mit Wohlwollen und Gastfreundschaft;52 andererseits gewann er den Eindruck, dass seine Gastgeber für alles eine Gegenleistung erwarteten und für Fremde nur taten, was für sie selbst von Vorteil sein würde. Infolge dessen bezeichnete der Italiener die Ägypter als »the most cheating people on earth«; für »Geschenke« von ihnen zahlte er übermäßig, um keinerlei Verpflichtung einzugehen; und er versuchte, seine Arbeit an einem Ort immer so rasch wie möglich abzuschließen, bevor irgendein Beamter ihm wieder seine Gunst entzöge.53 Ohnehin meinte Belzoni, dass die Einheimischen ihm fortwährend misstrauten, weil sie fürchteten, er würde das »Gold« rauben, das in den Ruinen liegen musste – warum sonst hätte jemand solches Interesse an »old stones«?54 Anwohner hätten den Standort ihnen bekannter Antiken Belzoni zufolge höchstens gegen besondere Zahlung preisgegeben. Andererseits seien sie bereit gewesen, gegen ausreichende Bezahlung nach antiken Gräbern zu graben. Unbeaufsichtigt hätten sie dabei jedoch Belzoni zufolge von ihnen gemachte Funde sogleich gestohlen.55 Seine Reisen machte Belzoni für gewöhnlich in Gesellschaft seiner Frau, britischer Assistenten, eines europäischen Dieners, eines vermutlich einheimischen Kochs, eines Dolmetschers für Türkisch und Arabisch sowie eines Janitscharen (Elitesoldat des Vizekönigs) als Leibwächter.56 Mehrere Mitglieder der Gruppe waren mit Gewehren oder Pistolen bewaffnet, die bisweilen tatsächlich gezogen werden mussten, zum Beispiel als Fellachen Wegzoll erpressen wollten.57 Besonders gefährlich oder zumindest schwierig konnte es in Nubien und den Wüsten werden. Die Nubier verstanden manchmal kein Arabisch (u. Kap. 3.4.1) – glücklicherweise war der nubische Bootskapitän imstande, zu übersetzen – und waren nicht geneigt, für den von Belzoni gebotenen Lohn zu arbei-

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Belzoni, Egypt, 40-50 (dogs: 46). Salt über den Abtransport der Büste: Halls, Salt, Bd. 2, 31-35. Die Büste befindet sich bis heute im Londoner British Museum. Belzoni, Egypt, 117, 119f., 146, 207, 283, 393f., 406f., 429f. Belzoni, Egypt, 40f., 96f., 108f. (cheating; »presents«: 108), 127, 163f., 209 (»gifts«). Belzoni, Egypt, 44, 69, 82, 92-95, 119, 246-248, 406-408, 412-414, 420 (old stones: 406, 413). Belzoni, Egypt, 53f., 158, 164f. Beispiel für das »Personalwesen« einer Grabung Belzonis, das Gemeinsamkeiten mit jenem der deutschen Archäologen (u. Kap. 3.3.0-9) aufweist: »I set eighty Arabs to work, forty on the [one] spot, and forty in the centre of the north side of the pyramid […]. The Arabs were paid daily one piastre each […]. I had also several boys and girls to carry away the earth, to whom I gave only twenty paras [= 0,5 Piaster] […]« (Belzoni, a.a.O., 260). Belzoni, Egypt, 46, 63, 98, 203, 214, 431. Belzoni, Egypt, 66f., 103, 205, 216f.

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ten, weil für sie, die noch Tauschhandel praktizierten, Geld keinen Wert hatte.58 In der Arabischen, östlichen Wüste hatten Leute sogar noch nie einen Europäer gesehen und fürchteten, dass, falls Belzonis Gruppe ihr Dorf betrete, sie alle krank würden und stürben.59 Zudem wollte Belzoni manchmal derart entlegene Orte besuchen, dass die örtlichen Wegführer und Kameltreiber sich fast weigerten, mitzukommen – aus Sorge, unterwegs werde das Trinkwasser ausgehen, was dann auch mehrmals geschah. Belzoni und seine Gefährten konnten sich glücklich schätzen, dergleichen nie mit dem Leben bezahlt zu haben.60 Der Grieche Giovanni d’Athanasi (eigentl. Yannis Athanasiou; 1798-1854) war als Kind mit seinem Vater, einem Händler, nach Kairo gezogen. Er sprach Türkisch, Arabisch und Englisch, weshalb Henry Salt ihn zunächst als Dolmetscher für Belzoni, dann als separaten Antikensammler anstellte. Aus seinen Erfahrungen schlussfolgerte d’Athanasi, dass, um in Sicherheit und mit Freude durch Ägypten zu reisen, »a knowledge of the language and customs of the Arabs« unabdingbar sei. Er selbst verfügte nach seinen langen Jahren am Nil über dieses Wissen und »never experienced the slightest obstacle in any of my journeys«. Reisende ohne es müssten hingegen versuchen, dies durch einen Dolmetscher auszugleichen.61 Viele würden jedoch schlechte Dolmetscher wählen, die ihnen irrige Ansichten über die Altertümer vermittelten.62 Die Einheimischen wüssten viel über letztere; man müsse lediglich in der Lage sein, angemessen mit ihnen zu sprechen und dürfe sie nicht belohnen, bevor man ihre Auskünfte überprüft habe. Andernfalls erfänden sie etwas, um das Geld der Reisenden einzustreichen.63 Ein europäischer Reisender solle zudem seine europäische Kleidung beibehalten – dann würden die Ägypter ihn freundlich empfangen; ihm Essen, Antiken zum Verkauf und ihre Dienste anbieten. Erblickten sie dagegen einen orientalisch gekleideten Fremden, würden sie ihn für einen Türken der Herrscherkaste halten und fliehen.64 Die Einwohner Unterägyptens seien zwar allgemein gastunfreundlich, betrügerisch und Feinde der christlichen Religion; jene von Oberägypten aber würden sich reizend um Fremde kümmern und empfänden es als ehrenrührig, dafür etwas zu verlangen.65 Überdies habe Belzoni die Thebaner zu Unrecht als träge bezeichnet. Einige von ihnen seien »most industrious workmen« und würden sich »as well as a European antiquary« mit Antiken auskennen.66 Belzoni, so d’Athanasi über seinen ehemaligen Weggefährten, sei in Ägyp-

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Belzoni, Egypt, 66f., 80-84. Belzoni, Egypt, 405-421. Belzoni, Egypt, 325, 328-332, 342-345, 395, 416. Liste der zahlreichen Belzoni-Biographien: o. Kap. 1.3.2 Anm. 196. D’Athanasi, Egypt, 114f. (Zitate: 114). D’Athanasi, Egypt, 96. D’Athanasi, Egypt, 30f., 69, 117-119. D’Athanasi, Egypt, 115. D’Athanasi, Egypt, 142-148. D’Athanasi, Egypt, 132-135 (workmen: 132; antiquary: 135).

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ten nur deshalb so viel Ärger widerfahren, weil er die Einheimischen nicht mit Liebenswürdigkeit und Geduld behandelt habe.67 Möglicherweise ebenfalls geholfen hätten d’Athanasis Ratschläge dem französischen Bildhauer Jean-Jacques Rifaud (1786-1852), der zur gleichen Zeit im Auftrag von Salts französischem Amtskollegen Drovetti in Ägypten nach Antiken grub. Seine Jahre in Ägypten verarbeitete er zu einem Reiseführer, der in einem kurzen Kapitel erklärt, wie man in Ägypten archäologische Forschungen durchführen könne. Man beantrage einen Ferman zunächst eines Paschas und dann des jeweiligen Provinzgouverneurs. Beispielhaft druckt Rifaud den Wortlaut eines Pascha-Fermans ab. Sobald man Provinzbeamten einen Ferman vorlege, würden sie einem in der Regel die darin befohlene Unterstützung gewähren; wenn nicht, brauche man sich lediglich bei ihren Vorgesetzten zu beschweren. Was Ausgrabungen stattdessen am meisten erschwere seien »l’indolence, la maladresse et la méchanceté des journaliers arabes«. Vor allem hätten die Fellachen, nicht anders als die Herrscher ihres Landes, keinen Sinn für den historischen und künstlerischen Wert der Altertümer, sodass »[i]ls se rient des faiseurs de fouilles; les peines et les dépenses qu’il en coûte leur paraissent absurdes, et chacun explique à sa manière les entreprises des antiquaires européens«.68

2.1.3 Der Entzifferer: Champollion (1828/29) Der Franzose Jean-François Champollion (1790-1832) entzifferte 1822 (weitgehend) die Hieroglyphen. Den Boden Ägyptens betrat er aber erst sechs Jahre später, als er, gemeinsam mit seinem italienischen Kollegen Ippolito Rosellini (1800-1843), eine französisch-toskanische Expedition leitete, die dem Nil von Kairo hinauf nach Nubien folgte. In Alexandria gelandet, besuchte das Dutzend Männer den toskanischen und den französischen Generalkonsul; letzterer war zum zweiten Mal Drovetti. Die Konsuln stellten ihre jeweiligen Landsleute dem Vizekönig vor,69 immer noch Mohammed Ali. Als dieser hörte, dass Champollion auf allerhöchstes Geheiß des französischen Königs unterwegs war und ägyptische Antiken für das Königliche Museum in Paris – den Louvre – studieren und zusammentragen sollte, fühlte er sich geschmeichelt70 und stattete die französischen und toskanischen Archäologen in wahrhaft königlicher Weise aus: Neben den Fermanen erhielten sie zwei große Schiffe mit Mannschaften und Vorräten; zwei Kawassen (türkische, sonst Diplomaten schützende Polizeisoldaten), einen Dragoman (Wegführer, Mittelsmann und Dolmetscher), einen ägyptischen Koch sowie einen ägyptischen und zwei nubische Diener.71

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D’Athanasi, Egypt, 7f. Zu d’Athanasi scheint es kaum mehr Literatur zu geben als Chrysikopoulos, D’Athanasi. Zu Belzonis fehlendem Einfühlungsvermögen gegenüber Ägypten: Fiechter, Moisson, 73. Rifaud, Égypte, 114-117 (= Kap. 9; Zitate : 116); vgl. zum Unverständnis der Fellachen gegenüber archäologischer Forschung Wilson, American Egyptology, 34. Zu Rifaud ferner Gady, Pharaon, 101f. mit Anm. 10; Bruwier, Rifaud’s Lithographs. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 35, 38. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 36, 46. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 36, 47, 51, 74, 98, 124, 168, 173f., 246.

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Die Kawassen sollten, so Champollion, »nous faire respecter en tout et partout«.72 Die Zeiten schienen besondere Sicherheitsvorkehrungen zu erfordern, denn seit einigen Wochen befand sich das Osmanische Reich im Krieg mit Russland, sodass auch Ägypten mit Ressentiments gegen alle Europäer erfüllt war. Folglich bewaffneten sich die Archäologen mancherorts selbst »jusques aux dents«,73 und »orientalisierten« ihre äußere Erscheinung : Turban auf rasiertem Kopf, Bart, orientalische Gewänder und Schuhe sowie ein muslimischer Säbel an der Seite.74 Während d’Athanasi hiervon, wie eben gehört, abgeraten hätte, erklärte ein französischer Gefährte Champollions, Nestor L’Hôte (1804-1842), dass die Briten – auf die d’Athanasi sich vielleicht zuvörderst bezogen hatte – ihre Kostüme in solch »linkischer« Weise getragen hätten, dass die Muslime glaubten, man wolle sich über sie lustig machen. Aus diesem und keinem anderen Grund würden sie den Fremden gegenüber handgreiflich.75 Tatsächlich wurde die französisch-toskanische Expedition in ihren eineinhalb Jahren in Ägypten nie von irgendjemandem bedroht oder angegriffen, im Gegenteil: In Alexandria schienen die Menschen gern an die Anwesenheit von Napoleons Franzosen zurückzudenken; in den Straßen hörte Champollion französische Militärmusik; ein alter Bettler grüßte ihn auf Französisch. In Kairo bot man ihm den besten Platz bei einer Festlichkeit an, an der er zufällig vorbeiging.76 Entlang des Nils zeigten Würdenträger sich hilfsbereit,77 und »überhäuften« die Reisenden mit Geschenken wie einer »Herde« Schafe oder 150 Hühnern, wofür Champollion sich mit Pfeifen, Kaffee, Wein oder Schießpulver bedankte.78 Ein Bey (Rang unter einem Pascha) lud zu einer regelrechten Orgie ein, trank auf Frankreich und wollte die Archäologen nicht mehr gehen lassen.79 Sogar Beduinen bedienten sie kostenlos und erzählten ihre Erinnerungen an Belzoni, Salt oder Caviglia. Die ägyptischen Beduinen, schloss Champollion, »sont de braves et excellentes gens, quand on les traite en hommes«.80 Die Ägypter, ob Araber oder Nubier, wie Menschen zu behandeln – um dies zu tun, versuchte Champollion selbst sein Bestes.81 Bei manchen dieser Menschen stieß er auf kuriose Vorstellungen wie jene, dass der örtliche antike Tempel »300.000 Jahre vor dem Islam« von den »Engländern, Franzosen oder Russen« errichtet worden sei.82 Außerdem notierte Champollion, dass die Fellachen sich nicht selten betrügerisch und undankbar verhielten. Die Schuld daran gab er aber nicht ihnen persönlich, sondern dem Elend, das Mohammed Alis Regierung ihnen auferlegt habe.83 Zu sehen, wie Menschen litten;

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Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 36 (Hervorhebungen dort). Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 152; vgl. 80. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 89, 152, 183. Zit.n.: Hartleben, Leben Champollion, 214; dazu Rodenbeck, Dressing Native, 78f. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 33, 77, 84. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 86, 174, 262, 403, 408, 413. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 144f., 149, 151 (»comblés des dons«), 164f. (»On nous comble de présents; nous avons un troupeau de moutons«). Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 146-149. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 115; vgl. Leben Champollion, 216, 218, 222, 342f. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 194-196, 398f.; Leben Champollion, 230. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 220. Hartleben, Leben Champollion, 342.

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wie sie in Lumpen betteln kamen oder wie ein Kaimakan (lokaler Beamter) entlang des Wegs zwei Bootsleute der Archäologen wegen Steuerschulden ins Gefängnis warf – all das »brach« Champollion, wie er selbst schrieb, das »Herz«.84 Er, der bald fließend Arabisch sprach,85 verteilte Almosen an die Menge, überraschte seine Arbeiter an besonderen Tagen mit einem Bankett86 und zahlte ihren Lohn direkt an sie statt an ihre Scheichs (Chefs eines Dorfs oder Beduinenverbands), die ihn nur den Kaschefs (Bezirksvorstehern) und anderen »Agenten« des »habgierigen« Paschas übergeben hätten.87 Die einheimischen Diener der Expedition nennt Champollion sogar mit Namen: Soliman, Mohammed oder der Koch Mustafa.88 Die Einheimischen gewannen ihrerseits, Champollion zufolge, die ausländischen Besucher lieb: Als die Wissenschaftler Theben verließen, winkten die Einwohner traurig zum Abschied; in Nubien versammelte sich ein Abschiedschor. Außerdem gab es Arbeiter wie »Aouéda« (Awad von Qurna; ca. 1773-ca. 1868), »Franzose bis ins Herz hinein«89 – obwohl er in den folgenden Jahrzehnten auch den deutschen Archäologen Lepsius und Brugsch als Wegführer dienen würde (Kap. 2.1.5). Bevor die Expedition schließlich mit vielen Kisten voller Antiken nach Frankreich bzw. Italien zurückreiste, wurde sie in Alexandria abermals vom Vizekönig empfangen, der Champollion bewunderungsvoll auszeichnete und ihn um einen Abriss der altägyptischen Geschichte bat. Der Entzifferer verfasste ihm dann nicht nur diesen, sondern ersuchte ihn auch, das Leben der ägyptischen Untertanen zu erleichtern, und überreichte ihm eine Denkschrift zur Erhaltung der Altertümer. Die Expeditionsteilnehmer hatten nämlich nicht wenige Monumente vorgefunden, die kurz zuvor zerstört worden waren, und empfanden dies als bedauerlich und empörend.90

2.1.4 Forschungen an den Pyramiden: Vyse (1836/37) und Smyth (1865) Der englische Major Richard William Howard Vyse (1784-1853) kam 1835 als Tourist an den Nil. Als er von Spekulationen über noch unentdeckte Kammern und Gänge in und zwischen den Pyramiden von Giza hörte, beschloss er, selbst danach zu suchen. Als Assistenten engagierte er Giovanni Caviglia, den ehemaligen Mitarbeiter Henry Salts. Über den britischen Generalkonsul in Kairo, Oberst Patrick Campbell (1779-1857), erhielt der Major einen Ferman. Darin gab Mohammed Ali »ordine a tutti i direttori e comandanti, e Governatori in Generale« von Giza »di non impedire il Signore Caviglia […], ansi d’aju-

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Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 69f., 184f., 403f. (Zitat: 404); Leben Champollion, 198-201, 233f., 244. Hartleben, Leben Champollion, 185, 214. Zu lernen begonnen hatte er es schon in Frankreich. Hartleben, Leben Champollion, 264f., 299-301. Champollion zit.n.: Hartleben, Leben Champollion, 341f. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 51, 58, 191, 198, 203, 246. Hartleben, Leben Champollion, 270, 354f. (Zitat [Champollion?]: 354). Hartleben, Leben Champollion, 360-370; Text der Denkschrift: Lettres et journaux de Champollion, 443-448. Zu Champollion in Ägypten ferner Faure, Champollion, Tl. 2, Kap. 5-7; Robinson, Champollion, Kap. 13f.

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tarlo in tutto ciò, che ne avra bisogno, e d’essere ubbidienti a questo nostro comando, e di guardarsi bene di non trasgredirlo«.91 Alle unter Vyse gemachten Funde würden jedoch dem Pascha gehören.92 Das war die Folge von Ägyptens erstem Antikengesetz, das Mohammed Ali, eventuell beeinflusst von Champollions besagter Denkschrift,93 1835 erlassen hatte. Danach durften Antiken nicht mehr aus dem Land ausgeführt werden – wenngleich der Vizekönig de facto Sondergenehmigungen erteilen konnte (u. Kap. 2.2.2). Auch Vyse war der Ansicht, dass die Ruinen geschützt werden müssten: Er beklagte, wie vor allem jene in Oberägypten als Steinbrüche benutzt würden; das Gewicht der Steine »forms their only defence«. Bei einem Grab im Tal der Könige glaubte er gar dem Gerücht (zu Recht94 ), dass es von niemand anderem als Champollion selbst »disfigured« worden sei. Er drängte einen Kaschef, etwas gegen die Zerstörung zu unternehmen, und der Beamte »promised to do so; but of course I did not much rely upon the professions of an Arab«.95 Dabei stand solche Kritik dem Major am wenigsten zu, denn in Giza schreckte er nicht davor zurück, die Pyramiden mit Schießpulver aufzusprengen.96 Zu diesem Zweck engagierte er Sprengmeister aus den Muqattam-Steinbrüchen bei Kairo.97 Für die anderen Arbeiten sandten ihm die örtlichen Scheichs Leute aus ihren Dörfern. Vyse führte sorgfältig Buch darüber, wie viele Personen er an jedem der 149 Tage der Pyramidengrabung im Jahr 1837 beschäftigte: im Durchschnitt neun Raise (arab. für »Vorarbeiter«), 134 Männer und 127 Kinder. Auch andere der hier vorgestellten Archäologen ließen Kinder für sich arbeiten, denn diese waren dem Vernehmen nach preiswerter, gehorsamer, weniger diebisch – weil im Unklaren über den Wert von Funden – und klein genug, um durch enge Eingänge von Ruinen zu schlüpfen.98 Zu Vyses Leidwesen kamen die Arbeiter jedoch unregelmäßig. An »schlechten« Tagen wie dem 17. März hatte er nicht mehr als 41 Männer und ein Kind, da Kurban Bayram, das islamische Opferfest, begonnen hatte und selbst für doppelten Lohn niemand arbeiten würde. An anderen Tagen mussten die Leute auf den Feldern ernten oder für den Vizekönig einen Kanal freischaufeln.99 In solchen Fällen versuchte der Major mit Unterstützung des britischen Konsulats oder eines Bezirksbeamten, von den Scheichs Ersatzmänner zu bekommen – mit mäßigem Erfolg, sodass Arbeiten sich verzögerten

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Vyse, Gizeh, Bd. 2, 164 (dort in italienischer Übersetzung des türkischen Originals). Vyse, Gizeh, Bd. 1, xviii, 144. Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 30-34; zur unklaren Genese des Gesetzes: Gady, Pharaon, 149f.; Ikram/Omar, Egypt, 26f. Aus diesem Grab (KV17) eines Pharaos hatten Champollion und sein Gefährte Rosellini bemalte Wandreliefs herausgebrochen und mitgenommen (Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 169). Vyse, Gizeh, Bd. 1, 85f. mit Anm. 4 (disfigured: 86); 96-98 (professions: 97; defence: 98; vgl. Panckoucke, Description Égypte, Bd. 4, 47 : »Le poids et la dureté de ces […] pierres paraissent seuls les avoir fait respecter«), 119f. Vyse, Gizeh, Bd. 1, 167, 273; Bd. 2, 29. Vyse, Gizeh, Bd. 1, 155, 185, 199, 216. Preiswert: Vyse, Gizeh, Bd. 1, 146; Petrie, Methods in Archaeology, 29; gehorsam: Vyse, a.a.O., Bd. 2, 210-212; weniger diebisch: Petrie, a.a.O., 24; klein: Smyth, Pyramid, 69. Vyse, Gizeh, Bd. 1, 149, 192f., 235, 262f.; Bd. 2, 3.

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oder ganz ausfielen.100 An »guten« Tagen wie dem 12. Juni dagegen standen der Grabung 251 Männer und 201 Kinder zur Verfügung. Laut Vyse mussten die Leute bei ihm weniger hart arbeiten als in den Zwangsdiensten für die Regierung. Überdies erhielten sie jeden Abend ihren Lohn sowie medizinische Versorgung bei Krankheit oder Verletzung. Allerdings stellte der Major fest, dass »these unhappy people were totally insensible to the kindness shewn to them. Indeed, on the contrary, they practised every possible imposture and deceit to obtain money, food, medicine etc. etc.: and, at last, their insolence and idleness arrived at such a pitch, that the only alternative was to give up the work, or to have recourse to [corporal punishment]«.101 Derlei Bestrafung sei »directly contrary to my own wishes and inclination« gewesen, weshalb Vyse lediglich damit drohte – erfolgreich.102 Trotzdem sagten ihm einige Scheichs, dass er »did not make the men work hard enough, and dismissed them too soon at night«.103 Zudem betonte der Major, dass die Arbeiter genauer Anweisungen und »constant superintendence« bedurften.104 Als technische Aufseher beschäftigte er verschiedene Engländer.105 Er äußerte jedoch auch Wertschätzung für einige Einheimische: den Rais Abd el-Ardi (dessen Name in unterschiedlichen Schreibweisen erscheint), den Sprengmeister Daoud oder den Janitscharen Osman.106 Vyse bekam insgesamt drei »Janitscharen«, richtigerweise Kawassen,107 vom britischen Generalkonsul sozusagen ausgeliehen, neben Osman einen Selim und einen Ahmed. Sie dienten Vyse als disziplinarische Aufseher, Ratgeber, Wächter, Boten und Dolmetscher,108 da der Major weder Türkisch noch Arabisch sprach. Auch der koptische Diener Ibrahim übersetzte, doch bedauerte Vyse das Fehlen eines »professionellen« Dragomans: Weder die Janitscharen noch Ibrahim beherrschten nämlich »complimentary language«, sodass sie, wie der Archäologe vermutete, »lächerlich, ja beleidigend« klingen ließen, was er als »verbindliche und respektvolle« Ansprache an örtliche Würdenträger formulierte. Andererseits hätte Vyse professionel-

100 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 151, 232, 239, 264, 269f.; Bd. 2, 5, 56, 60, 65. 101 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 165; ähnlich 112, 145f., 155, 212, 250; Bd. 2, 54. Zu Vyses Schwierigkeiten mit den Arbeitern auch France, Rape of Egypt, 101-103. 102 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 191. 103 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 177. 104 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 155; ähnlich Belzoni in o. Kap. 2.1.2; Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 407f. (»les Arabes fouilleurs ont besoin d’une surveillance de chaque seconde, sans laquelle ils ne trouvent rien ou font disparaître tout ce qu’ils trouvent«). 105 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 157, 214; Bd. 2, 38, 50, 70. 106 Ardi: Vyse, Gizeh, Bd. 1, 188 (»the most intelligent and active of the reis«), 268, 275; Bd. 2, bes. 15, 71, 73, 160, 163; Daoud: Bd. 1, 199 Anm. 9 (»he was an excellent workman, extremely zealous and active, and possessed of great strength«); 200, 208, 237; Osman: bes. Bd. 2, 58 (»served me most effectively and zealously«, »extremely useful«). 107 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 140. Die Institution der Janitscharen (Elitegarde des Sultans) war im Osmanischen Reich 1826 abgeschafft worden; an ihre Stelle traten Kawassen. Diese Polizeisoldaten, die Diplomaten schützten, wurden aber von manchen Europäern – wie Vyse – auch in Ägypten weiterhin als »Janitscharen« bezeichnet (Hasluck, Sultans, 486f. Anm. 5). 108 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 14, 145, 153f., 187f.; Bd. 2, 50f., 60f.

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len Dragomanen nicht getraut, da ihre Loyalität nach seiner Einschätzung eher den türkischen Behörden gehörte denn den Ausländern, von denen sie beschäftigt wurden.109 Alle paar Wochen begab Vyse sich für einen Tag nach Kairo, um Arbeitsmaterialien wie Seile, Bohrstangen oder Schießpulver einzukaufen, denn die Fellachen selbst besaßen keine besseren Werkzeuge als Hacken. Nach Ansicht des Majors besaßen sie ebenso wenig Geschick und Kraft, trotzten jedoch in bemerkenswerter Weise der ägyptischen Hitze.110 Andererseits brach bei vielen Ophthalmie aus, eine für Ägypten typische Infektion des Auges infolge mangelnder Hygiene, die auch westliche Archäologen heimsuchte.111 Vyse schickte kranke Arbeiter zur Behandlung nach Kairo, weil magische Rituale das einzige Heilmittel zu sein schienen, das sie selbst kannten. Einige der Männer überhörten dennoch allen medizinischen Rat und machten sich offenbar nichts aus der Blindheit, die Ophthalmie verursacht, wenn sie unbehandelt bleibt.112 Die Dorfscheichs besuchten den Major hin und wieder in seinen Zelten bei den Pyramiden, um die Lage der Dinge zu erfahren. Obwohl der Engländer die Würdenträger für nicht weniger wild als ihre Fellachen hielt, gab er ihnen Bakschisch (»Trinkgeld«; ursprüngl. pers.) oder Schießpulver, besonders zu festlichen Anlässen wie der Hochzeit eines Scheichsohns.113 An anderen Tagen rief er die Scheichs zu sich, um sich über Ungehorsam oder Funddiebstahl von Arbeitern zu beschweren. Sogar den Janitscharen Osman entließ er (obgleich schweren Herzens), weil dieser sich mit einem unaufrichtigen Rais verschworen hatte.114 Knapp 30 Jahre später, 1865, vermaß der schottische Astronom Charles Piazzi Smyth (1819-1900), begleitet von seiner Frau, für vier Monate die Cheops-, das heißt Große Pyramide von Giza, außen und innen. Wie Vyse wohnte Smyth während seiner Forschungen in der Pyramide und lagerte sein Material darin.115 Ein archäologischer Ferman wiederum war jetzt, zu Smyths Zeit, noch nötiger: Dem Vizekönig Ismail Pascha (1830-1895; r. 1863-1879), dem der britische Generalkonsul in Kairo Smyth vorstellte, waren Abendländer so willkommen wie seinem Großvater Mohammed Ali; nur wurden die ägyptischen Altertümer seit 1858 von der vizeköniglichen Antikenbehörde verwaltet; und um einen Ferman zu erhalten, hatte Smyth eine detaillierte Beschreibung seines Vorhabens beim Direktor der Behörde, dem Franzosen Mariette (Kap. 2.1.7), einzureichen. In Giza würden Smyths Arbeiten regelmäßig von Mariettes Assistenten, dem Italiener Luigi Vassalli (1812-1887) inspiziert, um sicherzustellen, dass der Schotte die Vorgabe des Fermans einhielt, keinen der noch verschlossenen Räume der Pyramide zu öffnen.116 Obwohl Smyth das gerne getan hätte, wertschätzte er die Tätigkeit von Mariettes Behörde – versuchte

109 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 270f. (Zitate: 270); Bd. 2, 12, 61-63. Zu Vyses Bedauern, nicht selbst Arabisch zu sprechen: France, Rape of Egypt, 100. 110 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 14, 142, 155, 166, 185, 215f., 234. 111 Belzoni, Egypt, 123; Halls, Salt, Bd. 2, 101, 144; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 182 (zu Mariette [u. Kap. 2.1.7]); vgl. u. Kap. 3.3.8. 112 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 179, 182, 213, 229-231; Bd. 2, 34. 113 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 154, 227f., 236, 267, 291; Bd. 2, 13f. 114 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 186f., 191, 237, 271; Bd. 2, 55, 58. 115 Smyth, Pyramid, 59-63; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 214. 116 Smyth, Pyramid, 1-8, 29f., 67, 90f., 133, 218, 365f., 443-445, 558.

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sie doch, sowohl der Plünderung der ägyptischen Altertümer durch europäische Regierungen und Individuen Einhalt zu gebieten als auch ihrer Zerstörung durch die »Mohammedan Arabs« – »perhaps the most ignorant and generally incapable of men occupying high places in the earth«.117 Trotz dieser seiner Ansichten hatte Smyth über seine einheimischen Arbeiter weniger Grund zur Klage als Vyse. Er erhielt sie aus Dörfern um Giza sowie Mariettes eigenen Grabungen im nahegelegenen Saqqara; insgesamt bewilligte der Ferman 20 Personen unter zwei Raisen. Zwar kamen die Männer laut Smyth lediglich mit Körben als Werkzeugen, stellten sich zuweilen ungeschickt an und begriffen nicht den Zweck jener ausgefallenen Instrumente, die der Astronom aus Großbritannien mitgebracht hatte, darunter eine fotografische Kamera.118 Gewisse Personen entwickelten sich trotzdem zu unverzichtbaren Faktoten aufgrund ihrer Vertrauenswürdigkeit, organisatorischen Fähigkeiten und Kenntnis der Pyramide; insbesondere »Old Ibraheem«, der 1837 Vyse gedient hatte; der 22-jährige Smyne sowie der Rais »Alee Dobree«.119 Ihrerseits waren die Männer sich des Nutzens bewusst, den Smyth für sie hatte: Sie baten um Empfehlungsschreiben des Archäologen für sie; und als Smyne vom Gouverneur von Giza des Mordes an einem Dorfbewohner bezichtigt wurde (zu Unrecht), bat er Smyth darum, ihm ein Alibi zu schreiben. Dies half zwar anfangs nicht, doch als Smyne, nach Erweis seiner Unschuld, aus dem Gefängnis entlassen wurde, stellte Smyth ihn wieder ein. Dobree brachte oft seine Verwandten mit, um auch ihnen zu ermöglichen, etwas zu verdienen.120 Smyth ließ ihn gewähren, denn seine einheimischen Assistenten waren ihm wirklich zu Freunden geworden. Von Zeit zu Zeit verließen sie ihn aber, um Touristen durch und auf die Pyramiden zu führen. Während Smyths Anwesenheit in Giza strömten dort »torrents« von Reisenden, Herren wie Damen, aus Europa, Amerika, sogar Australien und Batavia (Niederländisch-Ostindien) ein. Smyth blieben kaum Tage, an denen er in, an und auf der Pyramide ungestört von Schaulustigen und ihren ägyptischen Dienern und Führern operieren konnte, und dauernd musste er seine wertvollen Instrumente vor dem neugierigen Andrang in Sicherheit bringen.121 Der Archäologe war enttäuscht, wenn Smyne oder Dobree sich zugunsten von »utter strangers« wie den Touristen von ihm abwandten; die Ägypter taten es wohl auch mit durchaus schlechtem Gewissen, konnten aber der Aussicht auf den üppigen Bakschisch der Besucher nicht widerstehen.122 Die Reisegruppen mögen der Grund dafür gewesen sein, dass Smyne und Dobree etwas Englisch und/oder Französisch sprachen.123 Andere Schwierigkeiten erwuchsen Smyths Vermessungsunternehmen aus dem Ramadan, dem islamischen Fastenmonat. Da Muslime während dieser Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang weder essen noch trinken durften, würden die Ägypter weniger 117 118 119 120 121 122 123

Smyth, Pyramid, 9-11 (9f.: namentliche Kritik an den Methoden Belzonis), 257, 313 (Zitate). Smyth, Pyramid, 67f., 94, 109f., 113f., 298f., 439f., 469-481. Smyth, Pyramid, 55, 69, 95-98, 106f., 151, 154, 401, 553, 556. Smyth, Pyramid, 142f., 236f., 383-387, 432, 454, 537. Smyth, Pyramid, 120-123, 144, 194f. (194: torrents), 234-236, 306-309, 367f., 464-467, 481, 490-494. Smyth, Pyramid, 487f., 496f. (Zitat: 496). Smyth, Pyramid, 65, 126. Zur Ausbreitung der englischen Sprache in Ägypten durch Tourismus: Sattin, Lifting the Veil, 57.

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oder überhaupt nicht arbeiten. Als der Ramadan bevorstand, versuchte Smyth, die Arbeiten zu beschleunigen, doch zu spät: Das Fasten begann, und der Archäologe hatte Mühe, nicht dazustehen »without a single native to help us at anything«.124 Infolge dessen musste Smyth auf Teile seiner Pläne verzichten, weil sein Ferman für lediglich vier Monate gültig war. Als sie endeten, schickte die ägyptische Regierung einen Offizier mit Kamelen, um Smyth und seine Ausrüstung nach Kairo zurückzubringen. Die Einwohner von Giza, einschließlich der Scheichs, die gelegentlich mit Smyth Kaffee getrunken hatten, waren traurig, ihn gehen zu sehen. Er verteilte seine Möbel an diejenigen, die ihm am besten gedient hatten. Ibraheem, Dobree und zwei Scheichs begleiteten ihn in die Hauptstadt. Bevor Smyth von dort zum Hafen von Alexandria weiterreiste, versicherte ihm Ibraheem, die Gizaer »had not experienced anything so fully and finally satisfactory to them as the Scottish astronomer’s visit, for nearly as long as they could remember«.125

2.1.5 Die Preußen: Lepsius (1842-1845) und Brugsch (1853/54) Karl (Carl) Richard Lepsius (1810-1884), der Begründer der deutschen Ägyptologie, führte als Berliner (außerordentlicher) Professor dieses Fachs von 1842 bis 1845 eine preußische Expedition an den Nil, die aus insgesamt einem halben Dutzend Ägyptologen, Zeichnern, Malern und einem Architekten bestand. Sie hatten von Preußens König Friedrich Wilhelm IV. den Auftrag erhalten, in ganz Ägypten und Nubien Antiken zu dokumentieren und ausgewählte Objekte für die königliche Sammlung mit nach Hause zu bringen. Als die Gruppe im September 1842 in Alexandria landete, gab es ausnahmsweise keinen preußischen Generalkonsul in Ägypten (der Posten wurde erst im darauffolgenden Januar wiederbesetzt), weshalb der schwedische, sein offizieller Vertreter, die Audienz der Preußen mit dem Vizekönig arrangierte.126 Der immer noch regierende Mohammed Ali freute sich über die ihm überreichten Vasen und einen Brief Friedrich Wilhelms.127 Binnen einer Woche erhielt die Expedition Fermane, einen Dragoman und einen Kawassen. Letzteren musste Lepsius allerdings zweimal entlassen und durch einen neuen ersetzen, bevor er einen hatte, der in befriedigender Weise die Aufgabe erfüllte, die Diener zu beaufsichtigen und Verhandlungen mit Behörden und Bevölkerung zu führen. Lepsius erklärte, wegen des ägyptischen Klimas nicht die Kraft zu haben, sich selbst um jene Angelegenheiten zu kümmern. Dies übernahmen der Dragoman Jussuf Scherebieh und der Kawass Ibrahim Aga.128 Kawassen (Polizeisoldaten) waren Türken, und jener der Expedition trug zu Lepsius’ Urteil bei, dass Türken von Natur aus dazu veranlagt seien, über andere Völker wie die 124 Smyth, Pyramid, 68, 108, 135, 218 (Zitat), 227. 125 Smyth, Pyramid, 499f., 546f., 557-563 (Zitat: 563). Zu Smyth in Ägypten ferner Brück/Brück, Smyth, Kap. 6. 126 Infolge der sogenannten Orientkrise 1840, in der Preußen und andere europäische Mächte das Osmanische Reich darin unterstützten, seine Oberhoheit über Ägypten zu bewahren, hatte Preußen seinen Generalkonsul in Ägypten nach Konstantinopel versetzt (Freier, Lepsius, 109f.; Mehlitz, Lepsius, 110 Anm. 45). 127 Lepsius, Briefe aus Aegypten, 9f.; zu den Konsuln: u. Kap. 2.2.2. 128 Lepsius, Briefe aus Aegypten, 11f., 15, 71-73, 144f.; Namen: 121, 124, 127, 304.

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ägyptischen Araber zu herrschen. Andererseits bescheinigte er den Türken, »keinen Sinn für das natürliche Uebergewicht höherer geistiger Bildung und Civilisation«, sprich europäischer Bildung und Zivilisation zu haben, und Güte oder Rücksicht bei Menschen als Schwäche auszulegen. Die »Araber« wiederum kennzeichne ein sonderbares »Gemisch von edlem Stolz und gemeiner Habgier«, und – stereotyp – die Armseligkeit, auf die sie im Vergleich zu ihren großen Vorfahren, den alten Ägyptern, herabgesunken seien.129 Gleichwohl stellte Lepsius sich gegen die Misshandlung der Fellachen durch die türkischen Herrscher, wie folgende Episode zeigt: Wo immer die Preußen auf ihrem Weg durch das Land ihr Lager aufschlugen, war der Scheich des nächsten Dorfes für ihre Sicherheit verantwortlich; er hatte ihnen Wächter zu stellen. Im Gebiet von Abusir wandte Lepsius sich jedoch nicht an den Scheich dieses Dorfes, sondern an den des benachbarten Saqqara, den er kannte und für verlässlicher und mächtiger hielt. Das weckte den Neid der Abusiris, die ebenso gern in den Genuss des Geldes gekommen wären, das Lepsius für die Bewachung zu entrichten hatte. Infolge dessen überfielen in der Nacht 20 Männer aus Abusir bewaffnet das Lager der Archäologen; verletzten, nachdem die Wächter aus Saqqara geflohen waren, mehrere Preußen und Diener und raubten Gepäck. Nachdem Lepsius den Überfall angezeigt hatte, kam der Mudir (Provinzgouverneur), um Gericht zu halten. Da er die Schuldigen nicht finden konnte, befahl er, eine Zahl Verdächtiger aus beiden Dörfern auszupeitschen, Scheichs eingeschlossen – jener von Saqqara war ohnehin straffällig geworden, da seine Wächter die Reisenden feige im Stich gelassen hatten. Lepsius aber protestierte gegen diese kollektive und grausame Bestrafung und erreichte damit immerhin eine Verkürzung des Peitschens.130 In Nubien beobachtete er in einer Bestattungszeremonie »Karikaturen der Unbildung«, von denen man sich als Europäer »nie einen richtigen Begriff machen wird, ehe man [sie] […] einmal mit Augen gesehen hat«. Aus der Besichtigung einer Kaserne zog Lepsius den Schluss: »Die Neger sind keiner soldatischen Disciplin und geregelten Anstrengung fähig«. Als er jedoch Zeuge eines antitürkischen Aufstandes schwarzer Soldaten wurde, empfand er Sympathie für sie, weil sie »ganz empörend von ihren türkischen Herren misshandelt werden«.131 Das Beduinenvolk der Ababde schließlich erschien Lepsius als »treues und zuverlässiges Volk, von dem man weniger, als von den verschmitzten diebischen Fellahs in Aegypten zu fürchten hat«.132 Bei der Durchquerung der Arabischen (Nubischen) Wüste, in der die Ababde lebten, gerieten die Reisenden trotzdem in ernste Bedrängnis, als Selim, der sie führende Beduine, sich verirrte; von seinem Versuch, den Weg wiederzufinden, nicht zurückkehrte und tagelang keine Wasserquellen zu sehen waren. Letztlich war es Lepsius’ Schuld gewesen, denn er hatte ungeachtet des Protestes seiner einheimischen Kameltreiber darauf bestanden, einen »weite[n], wenig bekannte[n] und fast ganz wasserlose[n] Weg« zu

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Lepsius, Briefe aus Aegypten, 58f. (Gemisch: 58), 71f. (keinen Sinn: 72). Lepsius, Briefe aus Aegypten, 54-59. Lepsius, Briefe aus Aegypten, 188-191 (Karikaturen, Neger: 191), 197 (empörend). Lepsius, Briefe aus Aegypten, 132.

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nehmen, um ihm wichtige Stätten zu besuchen. Zum Glück sorgte sich ein örtlicher Aga (Militärchef) bald um die Preußen, ließ sie suchen und fand sie noch lebendig.133 Nicht nur von diesem Aga, sondern von allen Würdenträgern zwischen Alexandria und Khartum an der Südgrenze Nubiens erhielt die Expedition rückhaltlose Unterstützung. Sobald sie an einem neuen Ort angekommen war, ging ihr Kawass oder Dragoman zum jeweiligen Scheich oder Mudir und erbat, kraft des vizeköniglichen Fermans, gegen Bezahlung Arbeiter, Kamele bzw. Dromedare, oder Boote mit Mannschaften – Lepsius beschäftigte bis zu 108 Grabungsarbeiter, 60 Kamele und drei Boote.134 Nur einmal half der Ferman nicht: Nachdem Mohammed Ali die Mietpreise für Kamele um 25 Prozent gesenkt hatte, sei, wie Lepsius erinnert, sogar der Gouverneur von Khartum außerstande gewesen, Kamele für sich selbst zu beschaffen. (Ali hob daraufhin die Preise wieder an.)135 Ansonsten ging die Gastfreundschaft der Menschen durchaus über das hinaus, wozu der Ferman sie verpflichtete. Sie rauchten mit Lepsius Pfeife und teilten mit ihm Wissen, das wertvoll für seine Forschungen war.136 Und das trotz der Tatsache, dass der Professor ein recht herrisches Auftreten an den Tag legte: Er schrieb, er bediene sich des Arabischen zuallererst, um zu »befehlen«, und trage bewusst einen europäischen Hut, um »den Araber in gebührlichem Respect« zu halten.137 Außer an europäische Kleidung hielten sich die Preußen während ihrer drei Jahre in Ägypten bzw. Nubien an Bräuche und Nationalsymbole ihrer Heimat. Gottesdienst feierten sie jeden Sonntag, und Weihnachten einmal in der Königskammer einer Pyramide – mit einer in den Sarkophag gestellten Palme als Weihnachtsbaum. Überdies begingen sie den Geburtstag ihres Königs auf der Spitze der Cheops-Pyramide, wo sie die preußische Flagge hissten und den Monarchen hochleben ließen.138 Am Ende der drei Jahre erteilte Ägyptens Vizekönig Lepsius die Erlaubnis, die 1.500 Antiken auszuführen, welche die Expedition zusammengetragen hatte. Lepsius verließ Ägypten allerdings nicht, bevor die Stücke vollständig verschifft waren, aus Furcht vor »den Eifersüchteleien, die uns hier von allen Seiten umgeben«; »den verschiedenen diplomatischen Einflüssen, welche selbst Mohammed Alis bestimmte Befehle nicht selten 133 134

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Lepsius, Briefe aus Aegypten, 310-319 (Zitat: 310). Lepsius, Briefe aus Aegypten, 66, 101, 127, 137-141, 182f., 224, 404 Anm. 2. Lepsius beschreibt das sozusagen Personalwesen einer seiner Grabungen im Fayyum; viele seiner Elemente werden uns, wie schon im Falle Belzonis (o. Kap. 2.1.2 Anm. 55), im Personalwesen der deutschen Archäologen ab 1898 (u. 3.3.0-9) wiederbegegnen: »[Die 108 Leute] lasse ich mit Ausnahme derer des nächsten Ortes H[a]wara, die jeden Abend nach Hause gehen, auf der Nordseite der [Hawara-]Pyramide lagern und die Nächte zubringen. Sie haben ihre Aufseher, und Brod wird ihnen gebracht; jeden Morgen werden sie gezählt, und jeden Abend bezahlt; jeder Mann erhält einen Piaster, […] jedes Kind einen halben, zuweilen auch dreißig Para (der Piaster hat deren vierzig), wenn sie besonders fleißig waren. Von den Männern muß jeder eine Hacke und einen niedrigen, geflochtenen Korb, maktaf, mitbringen. Die Kinder, welche die große Mehrzahl bilden, brauchen nur mit Körben zu erscheinen. Die Maktaf werden von den Männern gefüllt, von den Kindern auf dem Kopfe weggetragen. Dies geschieht in langen Prozessionen, die durch besondere Aufseher immer in Ordnung und Thätigkeit gehalten werden« (Lepsius, a.a.O., 66). Lepsius, Briefe aus Aegypten, 120-123. Lepsius, Briefe aus Aegypten, 92f., 156-159, 175f., 186f., 193f., 245-247, 262f., 305-308. Lepsius, Briefe aus Aegypten, 29 (befehlen), 93 (Respect). Lepsius, Briefe aus Aegypten, 17-19, 21, 28f., 103f., 205, 302f.

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illusorisch machen«. Ebenso wenig auf Ägypter verlassen wollte Lepsius sich beim Transport einiger Grabkammern von Giza nach Alexandria, weshalb er dafür vier Handwerker aus Berlin bestellte.139 Heinrich Brugsch (1827-1894) war ebenfalls Preuße und Ägyptologe und 1853 von Friedrich Wilhelm IV. nach Ägypten entsandt worden, um antike Inschriften zu studieren. In Kairo genügte der Name des Preußenkönigs, um Brugsch »überall den freundlichsten Empfang und die nachhaltigste Unterstützung« zu verschaffen.140 Dementsprechend feierte der Archäologe den Geburtstag seines Monarchen gebührend mit preußischer Flagge und Flintensalven.141 Außerhalb Kairos gebrauchte er dennoch einen Ferman des ägyptischen Vizekönigs. Um respektiert zu werden, griff er zusätzlich wie Lepsius auf einen europäischen Hut zurück, wenngleich nur gegenüber hohen Würdenträgern.142 Ansonsten trug er den bequemeren türkischen Fez und stieß trotzdem nicht auf Schwierigkeiten. Seine nubischen Bootsleute erfüllten die mit ihm geschlossenen Verträge zu seiner Zufriedenheit. Beduinen eskortierten und koptische Mönche beherbergten ihn, zumindest gegen Bakschisch.143 Gleichwohl sah Brugsch in dem Ägypter Awad, der bereits Champollion und Lepsius gedient hatte, »de[n] einzigen ehrlichen [Mann], welchen ich unter den Arabern kennen zu lernen Gelegenheit hatte«.144 Awad bezeichnete aber gegenüber Brugsch eine bestimmte Aussprache eines arabischen Wortes als falsch, obwohl er sie Lepsius laut dessen Bericht nicht anders gelehrt hatte. »[W]ie wenig«, folgerte Brugsch daraus, könne »man selbst verständigen Arabern in diesen Dingen trauen«.145 Und von der Herrlichkeit des alten Ägypten hatte das moderne in Brugschs Augen »nicht die leiseste Ahnung«.146 Denn in einem Klosterhof zum Beispiel sah der Archäologe, wie ein »schöner antiker Sarg« als Viehtrog benutzt wurde; und in Giza, wie »arabische Fellahin […] ein schönes [antikes] Grab […] zerschlugen, um wer weiss was daraus zu bauen«. Der Preuße konnte sich daraufhin nicht enthalten, »[auf A]rabisch laut auf die Urheber der Zerstörung des Tempels zu fluchen, dessen Ruinen vor mir um Rache schrien«.147

2.1.6 Der Archäologie-Methodiker: Petrie (1880-1924) Angeregt von seinem Vater, einem englischen Landvermesser, beschäftigte sich der Engländer William Matthew Flinders Petrie (1853-1942) von früher Jugend an mit Archäolo-

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Lepsius, Briefe aus Aegypten, 36, 360 (Zitate); zu den Handwerkern: Mehlitz, Lepsius, 165. Zu Lepsius in Ägypten ferner Beinlich, Lepsius. Brugsch, Aegypten, 24f. (Zitat: 24). Brugsch, Aegypten, 133. Brugsch, Aegypten, 114. Brugsch, Aegypten, 16-23, 80, 200f. Brugsch, Aegypten, 281. Bei Lepsius darf der alte Awad von Qurna (o. Kap. 2.1.3; Lepsius, Briefe aus Aegypten, 300, 357f., 415 Anm. 38; Brugsch, Leben, 183f.) nicht verwechselt werden mit einem gleichnamigen nubischen Eseljungen (Lepsius, a.a.O., 69, 124). Brugsch, Aegypten, 297f. (Zitat: 298). Brugsch, Aegypten, 101. Brugsch, Aegypten, 10-12, 110 (Sarg), 205 (Fellahin, Rache); vgl. 215. Zum Ägyptologen Brugsch ferner Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 271-274.

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gie. Nach ersten Jahren als freier Archäologe in seinem Herkunftsland ging er 1880 nach Giza, um die Maßangaben der Cheops-Pyramide zu bestätigen, die Piazzi Smyth dort ermittelt hatte (o. Kap. 2.1.4), und die Petries mit Smyth befreundeter Vater für richtig hielt.148 Der junge Petrie, in Giza mit Unterbrechungen bis 1882 tätig, widerlegte Smyth letztlich und war darüber zum Ägyptologen geworden. Er grub ab da vier Jahrzehnte lang in Ägypten und schuf (für die Region) die Grundlagen moderner archäologischer Methodik. Voller Verachtung für die »Ignoranten« bzw. »Plünderer«, die ihm vorausgegangen waren,149 predigte Petrie die akribische Dokumentation von Grabungsstätten und die Konservierung jedes in ihnen enthaltenen Artefaktes, weil die kleinste Scherbe bedeutende Informationen transportieren könne – sowohl durch sich selbst als auch durch ihre Lage in der Stätte. Dieses Potenzials gehe man unwiderruflich verlustig, wenn man die Scherbe missachte oder zerstöre und ihren Fundort umgrabe, bevor man ihn angemessen kartiert habe (u. Kap. 2.2.3). 1904 hat Petrie seine Erfahrungen und Innovationen in dem Buch Methods & Aims in Archaeology zusammengefasst, ein archäologisches Lehrbuch. »In starting an excavation«, heißt es dort, »one of the first considerations is the supply of labourers«.150 Dementsprechend enthält das Buch über diese Arbeiter ein ganzes Kapitel. Petrie bevorzugte Jungen im Alter von 10 Jahren aufwärts sowie Erwachsene zwischen 15 und 20, denn danach würden viele Ägypter schwach und »dumm«.151 Bei Arbeitswilligen solle man das Gesicht »studieren«, da es jemandes Charakter offenbare; ob jemand ehrlich sei, verrieten seine Augen.152 Nachdem man die Arbeiter ausgewählt habe, müsse man sie ausbilden – in den von Petrie entwickelten Grabungsmethoden. Gut ausgebildete Arbeiter »need hardly any direction, […] and their observations and knowledge should always be listened to, and will often determine matters«. Doch würden sie so gut nur dann arbeiten, wenn man sie »freundlich« behandle. Andererseits könnten auch die besten und längstgedienten Ägypter »[not] withstand temptations if often repeated«, weshalb man einen Arbeiter dieselbe Aufgabe nicht über einen längeren Zeitraum hinweg ausführen lassen dürfe. Die als Aufseher agierenden Raise (Vorarbeiter) sollen laut Petrie zahlreich sein und auch mit gewöhnlichen Tätigkeiten betraut werden, um sie davon abzuhalten, in Selbstherrlichkeit zu verfallen und ihre Autorität über die übrigen Arbeiter zu missbrauchen.153

148 Zur merkwürdigen Bedeutung der Maße für die »britische Identität«: Reisenauer, Great Pyramid Metrology and British Identity. 149 Vgl. Petrie, Methods in Archaeology, 48. 150 Petrie, Methods in Archaeology, 20. 151 Petrie, Methods in Archaeology, 20; vgl. Zucker, Von Kairo bis Assuan, 5 (»Ich glaube der Jugend in Deutschland, soweit sie auf dem Lande aufwächst, nicht unrecht zu tun, wenn ich ihre Altersgenossen unter den Fellachen für ungleich lebhafter und geweckter halte. Leider aber hält diese Regsamkeit nicht lange an; ist der Fellach 23-25 Jahre alt geworden, so verfällt er mit wenigen Ausnahmen einem resignierten Stumpfsinn infolge der mühseligen Arbeit, die er für andere verrichten muß, während ihm selbst nur selten die Früchte seiner Tätigkeit zuteil werden«; ähnlich Baedeker, Ägypten, LIV). 152 Petrie, Methods in Archaeology, 21. 153 Petrie, Methods in Archaeology, 21-27 (Zitate: 22).

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

Zur Entlohnung bemerkte Petrie: Zahle man den Arbeitern einen festen Tagessatz (»day-pay«), so müsse man sie, damit sie nicht trödelten, fortwährend antreiben und beaufsichtigen, vorzugsweise aus unauffälliger Entfernung mittels Fernrohrs. Zahle man für die Erledigung einzelner Aufgaben (»piece-work«), hätten die Leute hingegen ihren Anreiz und könnten allein gelassen werden. Um allerdings zu verhindern, dass Artefakte durch hastiges Graben beschädigt würden, müsse man in empfindlichen Stätten bei festem Tageslohn bleiben. Um Ausgrabungen zusätzlich vor der »ignorance«, »carelessness« und »dishonesty« der Arbeiter zu schützen, solle man ihnen für jeden Fund Bakschisch geben und dabei unversehrte Stücke höher belohnen als beschädigte. Was Petrie seinen Arbeitern schuldete, zahlte er ihnen wöchentlich aus, auf Grundlage der Karteikarte, die er für jede Person führte.154 Als Werkzeuge ließ Petrie die Leute Hacken und Körbe mitbringen, während der Archäologe selbst nur Spezialgerät wie Seile und Brechstangen stellen solle – was den Ägyptern nicht gehöre, behandelten sie nämlich ohne Sorgfalt, weshalb man auch achtgeben müsse, dass das Spezialgerät in ihren Händen keinen Schaden nehme.– Zuletzt dürfe der Archäologe nie vergessen, dass Grabungen »for the sake of archaeology«, nicht aber »of the workman« unternommen würden. Deswegen solle man, sobald man »any doubt about a man’s character« hege, diesen sofort entlassen bzw. ihn gar nicht erst einstellen.155 Soweit Petries Lehrbuch.156 In seiner Autobiographie (1932) hat er Episoden aus der Praxis hinzugefügt. Er baute sich einen Stamm bewährter Arbeiter auf, die ihm für Jahre oder Jahrzehnte dienten und ihm von einer Grabungsstätte zur anderen folgten. Als der Erste Weltkrieg Petrie zwang, seine Forschungen in Ägypten für mehrere Jahre zu unterbrechen, bewachte sein treuer Rais »Aly Suefy« eine der nun verlassenen Grabungsstätten Petries bis zu dessen Rückkehr.157 Doch auch gewöhnliche Arbeiter bereiteten laut Petrie nur denjenigen Ausländern Ärger, von denen sie verachtet würden.158 Zwar seien manche Einheimische unfähig »[to] hold a staff upright«, oder hätten Antiken gestohlen, sodass Petrie die Polizei rief.159 Allgemein seien die Ägypter »not angels by any means«, aber »not at all bad according to their lights and way of life«. Darum verdienten sie »honest treatment«.160

2.1.7 Der Antikendirektor: Mariette (1858-1881) Auch Petries archäologische Unternehmungen bedurften jeweils behördlicher Genehmigung, doch 1880, als er erstmals nach Ägypten kam, nannten sich die Forschungsgeneh154 155 156

Petrie, Methods in Archaeology, 27-38 (ignorance …: 33). Petrie, Methods in Archaeology, 33, 39f., 45f. (Zitate: 39). Zu Hintergründen und Bedeutung des Buchs ferner Gange, Conserving Ancient Egypt, 88-95; kritische Analyse des Kapitels zu Arbeitern: Quirke, Hidden Hands, 26-37. 157 Zu ihm und anderen Stammkräften: Petrie, Seventy Years in Archaeology, 21, 42, 137, 147, 156, 240. 158 Petrie, Seventy Years in Archaeology, 27f. 159 Petrie, Seventy Years in Archaeology, 30 (Zitat), 44f., 185. 160 Petrie, Seventy Years in Archaeology, 44. Zu Petrie in Ägypten ferner Drower, Petrie, Kap. 2-16; bes. von seinen Arbeitern erzählt seine Mitarbeiterin Margaret Murray (1863-1963) in ihrer Autobiographie (Hundred Years, 107-129).

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migungen nicht mehr »Fermane«, sondern »Konzessionen«, da sie nun von der Antikenbehörde, das heißt ohne direkte Beteiligung des Vizekönigs ausgestellt wurden. Der Vizekönig Said Pascha (1822-1863; r. 1854-1863) hatte den »Service des Antiquités d’Égypte« 1858 einrichten lassen, damit er die Altertümer des Landes schütze und verwalte. Zugleich eröffnete Said in Kairo das Ägyptische Museum, um Antikenfunde aufzubewahren. Der schon im Zusammenhang mit Piazzi Smyth (Kap. 2.1.4) aufgetretene Franzose Auguste Mariette (1821-1881), der zunächst im Auftrag des Pariser Louvre in Ägypten gegraben hatte, hatte beide Institutionen angeregt und führte sie bis zu seinem Tod als Direktor (arab.: mamur). Seine Behörde behielt sich das Monopol auf Grabungen in Ägypten vor. Aufgrund dessen war es Smyth 1865 und Petrie 1880 jeweils gestattet, die Pyramiden von Giza zu vermessen, nicht aber Verschlossenes an bzw. in ihnen zu öffnen. Mariette besaß außerdem das Recht, Zwangsarbeiter heranzuziehen (zumindest bis 1865161 ). Für die mehr als 30 Grabungsstätten, die er zeitgleich bearbeiten ließ, benötigte er nämlich Tausende von Arbeitskräften; dem Vizekönig fehlte jedoch das Geld, sie (angemessen) zu bezahlen.162 Die einzigen, die (guten) Lohn erhielten, waren somit die Raise (Vorarbeiter): insgesamt einige Dutzend, in Altertümern erfahrene Männer, die Mariette unter den Fellachen auswählte. Sie wurden vom zuständigen Mudir (Provinzgouverneur) nach Tagen bezahlt. Mariette und seine Antikeninspektoren – Franzosen wie er oder Italiener – besuchten jede Grabungsstätte alle paar Wochen mithilfe des Dampfbootes, das der Vizekönig ihnen zur Verfügung gestellt hatte, um rasch nilauf- und -abwärts fahren zu können und neue Fundstücke ins Kairener Museum zu transportieren. Unterdessen oblag es den Raisen, Arbeiter in den die jeweilige Stätte umgebenden Dörfern zu rekrutieren und die Ausgrabungen durchzuführen.163

2.2 Fazit: Veränderungen der Archäologie in Ägypten ab 1798 Während die Europäer in Ägypten Altertümer mühevoll suchen und freilegen mussten, trafen sie unentwegt auf lebende Bewohner des Landes. Da die ägyptischen Wüsten kaum Oasen zulassen, leben fast alle Ägypter seit jeher in den vom Nil bewässerten Teilen des Landes, wo bzw. an deren Rändern somit auch die meisten Überreste Altägyptens liegen. Das ägyptische Niltal ist 1.500 Kilometer lang, aber vor dem Delta höchstens 25 Kilometer breit.164 Infolge dessen mag die Bevölkerungsdichte am Nil bereits Anfang des 19. Jahrhunderts bei 181 Menschen pro Quadratkilometer gelegen haben.165 Ob161 162

Maspero, Mariette, CLXIV. Wie oder ob überhaupt Mariettes Zwangsarbeiter entlohnt wurden, ist unklar. »[I]l n’est pas prévu, dans le programme gouvernemental, de salaire pour les simples ouvriers des chantiers du Service« (David, Mariette, 116). Andere Zwangsarbeiter in Ägypten erhielten aber durchaus Lohn in Geld und/oder Lebensmitteln (Brown, Corvee, 121 mit Anm. 11; Toledano, Mid-Nineteenth-Century Egypt, 188-195 mit 290 Anm. 22). 163 David, Mariette, 106-111, 116. 164 Zur Breite: Baedeker, Ägypten, LXVIII. 165 Gesamtbevölkerung (1800): 4,5 Millionen (Panzac, Population of Egypt, 15); kultivierte Landesfläche inklusive Bett und Inseln des Nils (1798): 9.582 Quadratmeilen ≈ 24.800 Quadratkilometer

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

wohl die Archäologen um der Altertümer willen nach Ägypten kamen, konnten sie den Einheimischen somit gar nicht ausweichen. Stattdessen nutzten sie deren Dienste als Wegführer, Grabungsarbeiter, Bootsleute, Transporttiervermieter, Gastgeber, Köche, Diener, Wächter, Janitscharen, Kawassen, Dragomane und Staatsbeamte. Im Laufe der Jahrzehnte veränderten sich allerdings die Ägypten-Archäologie bzw. ihre Rahmenbedingungen, was wiederum die Rollen der Einheimischen veränderte – manche verloren, andere gewannen an Bedeutung.

2.2.1 Etablierung von Archäologen in Ägypten Die Archäologen, die Napoleons Invasionsarmee begleiteten, betraten mit Ägypten im wörtlichen Sinne feindliches Gebiet und hatten dort entsprechenden Grund, um Leib und Leben zu fürchten. Als Denon einmal von Kairo aus zu einer Exkursion aufbrach, wollte Napoleon gar einen Karawanenführer als Geisel nehmen, um die Rückkehr des Forschers zu gewährleisten.166 Tatsächlich erschienen die Franzosen trotz der Gewaltherrschaft der Mameluken nicht allen Ägyptern als Befreier.167 Nachdem dagegen Mohammed Ali Pascha 1805 – nominell als Statthalter des Osmanischen Reiches – die Herrschaft über Ägypten übernommen hatte, die er in den Folgejahren konsolidierte, waren ausländische Archäologen dort offiziell willkommen und konnten in zunehmender Sicherheit operieren.168 Dieses Glücks waren sie sich bewusst,169 obwohl etwa Champollion zugleich die rohe Unterdrückung der Ägypter missbilligte, die mit der Befriedung des Landes einherging.170 Neben anderen Maßnahmen machte Mohammed Ali viele Beduinen sesshaft (Kap. 4.1.2) und »zähmte« somit Menschen, die für die savants und Hamilton noch eine erhebliche Gefahr dargestellt hatten – Napoleon selbst bezeichnete sie als »la plaie la plus grande de l’Égypte«.171 Doch schon Belzoni und nach ihm umso mehr Champollion oder Lepsius konnten mit Beduinen bedenkenlos verkehren.172 Brugsch ließ sich von ihnen eskortieren. Als Petrie in den 1880er Jahren erstmals nach Ägypten kam, handelten Beduinen sogar wie andere Einwohner des Landes mit Antiken.173 Während also früher Archäologen sich vor Einheimischen fürchteten, konnte die Furcht sich jetzt umkehren –

166 167 168 169 170 171 172 173

(McCoan, Egypt, 18). Zum Vergleich: In Deutschland lebten 2018 pro Quadratkilometer 237 Menschen. Denon, Égypte, Bd. 1, 115. Reid, Whose Pharaohs, 36f.; zum Charakter der Mamelukenherrschaft: Al-Sayyid Marsot, Reign of Muhammad Ali, 7f. Zur Sicherheit für westliche Reisende: Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 132; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 108; Olin, Egypt, 303. France, Rape of Nile, 105; von den Archäologen: D’Athanasi, Egypt, 24; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 73f.; Lepsius, Briefe aus Aegypten, 69; Smyth, Pyramid, 392-394. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 77f. In: Bertrand, Guerre d’Orient, 56. Belzoni, Egypt, 142, 395-397; vgl. Fiechter, Moisson, 176. Ebenfalls wenig Angst vor Beduinen hatte Smyth, Pyramid, 63f. Petrie, Seventy Years in Archaeology, 70; vgl. Montet, Isis, 46; u. Kap. 4.1.2 Anm. 34.

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wenn Ägypter Archäologen wie Champollion für Türken, das heißt Leute des Vizekönigs hielten.174 Da d’Athanasi um derartige Wirkungen wusste, empfahl er Europäern, in Ägypten keine orientalische Kleidung anzulegen. Bei Champollion, der es dennoch tat, mögen die Vorteile noch die Nachteile überwogen haben. In den 1830er Jahren hingegen begann sich die Einsicht durchzusetzen, dass eine orientalische »Tarnung« nicht mehr nötig sei – und nicht einmal mehr Waffen.175 Lepsius erklärte sogar, dass sein europäischer Hut ihn gegenüber Ägyptern nicht zum Angriffsziel, sondern zur Respektsperson mache.176 Von den Vizekönigen erteilte vor allem Mohammed Ali (r. -1848) Europäern großzügig Genehmigungen, Antiken zu sammeln bzw. auszugraben und mit in ihre Länder zu nehmen. Er und seine Nachfolger Said (r. 1854-1863) und Ismail (r. 1863-1879) erwarteten von den europäischen Regierungen diplomatische, technische und finanzielle Unterstützung, um Ägypten nach europäischem Vorbild zu modernisieren, da sie in einer solchen Ertüchtigung – irrtümlicherweise – das beste Mittel dafür sahen, die Selbstständigkeit ihres Landes gegenüber dem imperialistischen Europa zu bewahren. Aufgrund dessen nutzten die Paschas die Antiken, denen sie bzw. ihr Volk aus den erwähnten religiösen, antiheidnischen177 und anderen Gründen wenig kulturellen Wert beimaßen, als außenpolitische »bargaining chips«178 – wovon die Archäologen profitierten. Die Fermane der Paschas und untergeordneter Würdenträger verliehen den Forschern sogar weit weg von den vizeköniglichen Sitzen Kairo und Alexandria eine bemerkenswerte Autorität – wenngleich sie bei Belzoni noch nicht so verlässlich war wie bei Rifaud. Doch in der Regel erhielten die Inhaber der Fermane gegen Bezahlung von den örtlichen Beamten, um erneut Vyses bzw. Caviglias Ferman zu zitieren, »alles, wessen sie bedurften«, und was die Gastfreundschaft von Dorfbewohnern allein ihnen nicht verschafft hätte: Schutz, Zugang zu Altertümern; Personal und Material für deren Erforschung; Transportmittel. Die 1858 gegründete Antikenbehörde erlaubte zwar unter Mariette (im Amt -1881) externen Archäologen wie Smyth und Petrie nur noch oberflächliche Erforschungen antiker Stätten. Doch vor allem Mariettes bedeutendster Nachfolger Gaston Maspero (1881-1886/1899-1914) weitete die Konzessionen wieder auf Grabungen aus. Er war nämlich der Auffassung, dass seine Behörde mangels eigener Mittel auf die Mithilfe externer Archäologen angewiesen sei, um Ägyptens antike Stätten im wünschenswerten Maße zu konservieren und zu dokumentieren – bevor sie weiter verfielen bzw. zerstört würden. Ein Erdbeben, das 1899 einige Säulen des Karnak-Tempels umwarf, bestärkte Maspero darin, die Tätigkeit seiner Behörde weitgehend auf die Instandhaltung bzw. -setzung 174 175 176 177

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Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 64. Reid, Whose Pharaohs, 74f., 131. Zur Kleidung westlicher Reisender im »Orient« allgemein: Rodenbeck, Dressing Native. Vgl. Sattin, Lifting the Veil, 84. Kap. 2; dementsprechende Meinungen von Ägyptern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Altertümer seien heidnisch: Colla, Conflicted Antiquities, 73f. mit 291 Anm. 4; Rifaud, Égypte, 116f.; Lepsius, Briefe aus Aegypten, 284; Brugsch, Aegypten, 89, 114. Reid, Whose Pharaohs, 54 (Zitat); Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 102, 176 (Zitat); zur Modernisierungsstrategie der Vizekönige: Schölch, Transformation Ägyptens, 139-148; zu den verhängnisvollen Ergebnissen der Strategie: u. Kap. 4.2.2.1.

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bereits ausgegrabener Monumente zu beschränken und eigentliche Ausgrabungen weitgehend externen Archäologen zu überlassen. Um diesen wiederum zu ermöglichen, Geld für Ausgrabungen einzuwerben, gestattete er ihnen, die Hälfte ihrer jeweiligen Funde als »Ertrag« für ihre Finanziers mit nach Hause zu nehmen.179 Was Ägyptens Regierung den Archäologen nicht erleichtern konnte, waren seine Naturgewalten. Doch an Hitze, Sandstürme oder wilde Tiere gewöhnten sich die Ausländer derart, dass archäologische Berichte nach den 1860er Jahren solche Umstände aussparen. Gewiss, auch der Leser war inzwischen vertraut genug mit Ägypten, um jene Umstände von sich aus zu kennen; doch wenn die Archäologen sich von der Natur in ihrer Arbeit erheblich hätten beeinträchtigt gefühlt, hätten sie es immer noch mitgeteilt. Auch anderweitig kamen die westlichen Archäologen in Ägypten immer besser zurecht. Wenn die savants nicht von einheimischen Wegführern begleitet wurden, irrten sie mitunter »à l’aventure« umher.180 Dagegen wussten Belzoni und erst recht Mariette mitunter besser als Einheimische, wo es sich zu graben lohne181 – weil sie sich auf eigene Erfahrung sowie die Angaben nicht nur antiker, sondern auch moderner Ägypten-Reisender stützen konnten. In der Wüste kam man zwar, wie Lepsius es schmerzlich erfuhr, nicht ohne Wegführer aus. Zumindest für den Rest des Landes erschienen jedoch immer genauere Beschreibungen und Karten, die dann Teil ganzer touristischer Reiseführer wurden – denn Ägypten wurde in den 1860er Jahren zum Ziel sogar für Vergnügungsreisende.182 In der Wüste konnte man sich zwar nicht ohne Kamele – Lepsius: die »Schiffe der Wüste«183 – fortbewegen, mit den dazugehörigen Treibern bzw. Karawanenführern. Entlang des Nils hingegen verloren Reittier- oder Bootsvermieter ihre Bedeutung, da Mariette als Antikendirektor sein eigenes Dampfboot besaß und »gewöhnlichen« Archäologen spätestens zu Petries Zeit für einen Großteil ihrer Wege öffentliche Verkehrsdampfer sowie Ägyptens sich ausdehnende Eisenbahn zur Verfügung standen.184 Auf die Dolmetschfunktion von Dragomanen – die freilich, wie d’Athanasi, nicht unbedingt Einheimische waren – blieben die Archäologen länger angewiesen. Doch die

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Georg, Egyptology as Area Study, 267, 272f.; ferner Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 73, 164; Gady, Pharaon, 630-640; zu dem Erdbeben: Maspero, Service des antiquités 1899-1910, XXIX. Außerdem verkaufte die Antikenbehörde, um ihr Budget aufzustocken, ab 1892 in einem Verkaufsraum des Kairener Museums Antiken aus ihren Fundanteilen, die sich bereits in ähnlicher Form in der Sammlung des Museums befanden (Piacentini, Sale Room, 77-83; die »salle de vente« auch erwähnt in Möller et al., Tgb. Theben 1911, 66f., 129). 180 Denon, Égypte, Bd. 1, 155; vgl. Panckoucke, Description Égypte, Bd. 4, 480; Bd. 5, 136; Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 152; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 116. 181 Belzoni, Egypt, 231; David, Mariette, 111f. 182 Frühe Reiseführer: Conder, Egypt (1830); Rifaud, Égypte (1830); Wilkinson, Egypt (1843). Mariette verfasste selbst einen – archäologischen – Reiseführer: Haute-Égypte (1872). Zum Aufstieg des Tourismus in Ägypten: Reid, Whose Pharaohs, Kap. 2. 183 Lepsius, Briefe aus Aegypten, 252; ebenso Steindorff, Libysche Wüste, 20, 40. 184 Petrie, Ten Years Digging in Egypt, 190; Sinai, 1 (»In Egypt most long distances can be traversed on the railway, and to go a few miles from a station means only an hour or two of donkey ride«); zu den Verkehrsmitteln ferner Fagan, Rape of Nile, 192f.; zur Eisenbahn: Wiener, L’Égypte et ses chemins de fer.

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meisten von Belzonis Nachfolgern verfügten über gewisse eigene Kenntnisse des Arabischen – auch, weil hierfür immer mehr praktische Lehrbücher zur Verfügung standen.185 Dragomanen haftete ohnehin der Ruf an, vor allem am Geld ihrer Kunden interessiert zu sein. Petrie eignete sich daher bewusst so gutes Arabisch an, dass er bei seinen archäologischen Unternehmungen keine Mittelsleute benötigen würde.186 Dank ihrer (kollektiven) Vertrautheit mit Ägypten und der Unterstützung durch seine Behörden konnten sich die westlichen Archäologen dort buchstäblich »etablieren« im Sinne von »niederlassen« und »einrichten«: Petrie zum Beispiel kam nicht wie Hamilton, Champollion oder Lepsius für eine einzelne Expedition, sondern jede Saison für eine neue Grabung. Zudem baute Petrie sich (an manchen Stätten) Grabungshütten (bzw. ließ seine Arbeiter sie bauen), während Vyse noch mit Zelten hatte vorlieb nehmen müssen und Belzoni sogar im Sattel seines Kamels oder in Ruinen schlief.187 Letztendlich kehrten sich zwischen Archäologen und ägyptischer Bevölkerung die Machtverhältnisse um: Während Hamilton oder Brugsch bei Einheimischen Quartier finden mussten, besaßen nun die Archäologen Hütten (wenn nicht gar Häuser) oder Zelte, mit ihrer Nationalflagge gekennzeichnet, an denen sie Anwohner empfingen und in denen sie (ortsfremde) ägyptische Arbeiter beherbergten (Kap. 3.3.6).188 Lepsius erteilte den Ägyptern in ihrer eigenen Sprache »Befehle«, und Champollions Expeditionsmitglied L’Hôte fühlte sich mit seinen Gefährten als »Herren hier zu Lande«, denn »[e]in Esel, gesattelt und gezäumt, erwartet uns an der Haustür, zwei Araber begleiten uns überall hin, vertreiben die Fliegen und tragen unser Gepäck«.189

185 Mairs, Arabic Instruction Books. 186 Petrie, Methods in Archaeology, 6. Zu Dragomanen, der arabischen Sprache und westlichen Ägypten-Reisenden wie Petrie: Mairs/Muratov, Exploring Egypt, 12-50; zu Petries Arabisch auch Quirke, Hidden Hands, 147-151. Über Dragomane schimpften ausgiebig Hamilton (Ægyptiaca, 348f.) sowie Champollions erwähnter (Kap. 2.1.3) Expeditionsgefährte L’Hôte (Hartleben, Leben Champollion, 340f.) – der übrigens ein Cousin Auguste Mariettes war. Der englische Ägyptologe E.A. Wallis Budge (1857-1934) verfasste 1890 einen danach elfmal neu aufgelegten Reiseführer für Ägypten und begründete dies mit »the insufficiency of the information given by the unauthorised and self-constituted Dragomans to travellers on the Nile«, sowie mit der Erkenntnis »how limited […] their knowledge [is] of facts relating to the history of the antiquities in Upper Egypt and Cairo« (Notes for Travellers [1910], v; ähnlich Baedeker, Ägypten, XXVf.). Andererseits ging der Ruf von Dragomanen als »Parasiten« usw. in gewissem Maße nicht auf die Wirklichkeit, sondern auf eine orientalistisch-literarische Imagination zurück (Moussa, Relation orientale, Kap. 1). Außerdem : »Il n’est pas toujours nécessaire d’être savant et de connaître bien les monuments antiques, pour être bon guide. Le touriste se soucie généralement peu des questions historiques et archéologiques; il voyage, le plus souvent, parce que c’est la mode de voyager. […] Le drogman le sait fort bien et son talent […] consiste à être amusant avant tout, à deviner le caractère de son client« (Legrain, Famille copte, 44). 187 Drower, Petrie, 264; Vyse, Gizeh, Bd. 1, Taf. zw. 214/215; Belzoni, Egypt, 181, 392. 188 Eine westliche Flagge an Gebäuden oder Nilbooten diente ursprünglich sogar als Anweisung an Ägypter, sich fernzuhalten (Reid, Whose Pharaohs, 75). Vgl. zum Prestige westlicher Flaggen in Ägypten Vyse, Gizeh, Bd. 1, 107f. 189 L’Hôte (erwähnt eben in Anm. 186) zit.n.: Hartleben, Leben Champollion, 338.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

2.2.2 Reglementierung der Archäologie in Ägypten Die »Etablierung« der westlichen Archäologen in Ägypten bedeutete nicht, dass sie dort nun in jeder Hinsicht tun konnten, »was sie wollten«. Die savants konnten es, insofern Napoleons Armee das Land militärisch kontrollierte. Nachdem die Franzosen verjagt worden waren, stand Ägypten ab 1805 unter der Herrschaft nominell osmanischer, faktisch jedoch autonomer Vizekönige. Obwohl diese Europa militärisch und ökonomisch unterlegen waren und schließlich von ihm abhängig wurden, hatten europäische Forscher – falls sie mehr als Räuber sein wollten – in Ägypten die Autorität der dortigen Behörden anzuerkennen – sozusagen als Preis für die Sicherheit und Unterstützung, die der ägyptische Staat ihnen verschaffte. Das hieß zuerst: keine Forschungen oder gar Antikenmitnahme ohne hoheitliche Erlaubnis – ohne ausdrücklichen, schriftlichen Ferman. Die meisten hier vorgestellten Archäologen nahmen dies ernst – besonders deutlich Smyth sowie Vyse und Lepsius. Vyse wartete in Giza sechs Wochen lang auf einen Ferman aus Alexandria. Als das Dokument dann mit einem Formfehler eintraf, sandte er es zur Korrektur zurück und wartete wieder geduldig, anstatt seine Forschungen vorzeitig beginnen zu lassen. Lepsius lehnte den Vorschlag des preußischen Generalkonsuls in Ägypten, Johann Emil von Wagner (1805-1888), ab, die von seiner Expedition gesammelten Antiken ohne die endgültige Genehmigung des Vizekönigs, die sich verzögerte, außer Landes zu bringen.190 Abenteurer wie Belzoni wiederum legten auf Fermane zumindest deshalb Wert, weil sie anders nicht die für Grabungen nötigen Arbeiter erhalten würden.191 Mariette dagegen erhielt seine Strafe, als er im Jahr 1850, seinem ersten in Ägypten, ohne Ferman grub – die Funde wurden vom Vizekönig Abbas Pascha (1813-1854; r. 1849-1854) beschlagnahmt.192 Offenbar war es in Ägypten ab mindestens den 1810er Jahren Konsuln – oder einem ehemaligen wie Drovetti – vorbehalten, vizekönigliche Fermane für archäologische Vorhaben zu beantragen,193 weshalb Lepsius’ Expedition angesichts der Abwesenheit des preußischen Generalkonsuls notwendigerweise auf den Schwedens, Giovanni (d’)Anastasi (1780-1860), zurückgriff. An denselben wandte sich Champollion, als der in das Amt des französischen Konsuls zurückgekehrte Drovetti sich, laut Champollion, nicht vorbehaltlos für einen Ferman einsetzte – der selbst Antiken sammelnde Diplomat habe die französisch-toskanische Expedition als Konkurrenz empfunden.194 Da Champollion sowie Lepsius und Brugsch zusätzlich im Auftrag eines mächtigen europäischen Herrschers – des Königs von Frankreich bzw. Preußen – an den Nil kamen, 190 191 192 193 194

Smyth, Pyramid, 526, 558; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 20f., 97; Mehlitz, Lepsius, 165-169. Belzoni, Egypt, 258f.; vgl. Vercoutter, Égypte, 60. Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 48-50. Halls, Salt, Bd. 2, 4f. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 20-25, 44f. Der Grieche Anastasi, der selbst mit Antiken handelte, amtierte als schwedisch-norwegischer Generalkonsul in Ägypten von 1828 bis 1857; zu seinem Verkehr mit Lepsius ferner Mehlitz, Lepsius, 99f. mit Anm. 10. Champollions Vorwürfe gegen Drovetti (übernommen von Sauneron, Égyptologie, 15; Faure, Champollion, 603f.; Robinson, Champollion, 178-181) mögen wie Belzonis (o. Kap. 2.1.2 Anm. 48) nicht unbedingt gerechtfertigt gewesen sein (Ridley, Drovetti, 295f.; Gady, Pharaon, 110f.; Fiechter, Moisson, 236, 245f.).

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standen sie in der Gunst der Vizekönige höher als andere Antragsteller. Vielleicht nahm Mohammed Alis Regierung Champollions Antrag über Drovettis angebliche Vorbehalte hinweg sogar nur deshalb an, weil sie, wie Champollion sie warnte, in Europa ihren Ruf als Förderin der Wissenschaft nicht beschädigen wollte.195 Im von Rifaud 1830 gegebenen Beispiel erlaubt der vizekönigliche Ferman seinem Inhaber, »[de] faire faire des fouilles sur les points qui lui paraîtront les plus convenables; mais il respectera les terrains cultivés et les sépultures«.196 Lepsius’ Ferman mag nicht einmal kultivierte Flächen ausgespart haben, denn in Theben verzichteten die Preußen nur deshalb auf Ausgrabungen in einem Gemüsegarten, weil der Bauer ihnen mit seiner Ernte »einige Abwechselung für unsre Tafel« verschaffte.197 Allgemein wurden die Fermane in der Zeit nach Rifaud jedoch mit weiteren Auflagen verknüpft. Vyses galt ausschließlich für die Stätte von Giza, weshalb der Major den Vorschlag eines ihn dort besuchenden italienischen Grafen ablehnen musste, die Forschungen auf das benachbarte Saqqara auszudehnen.198 Umgekehrt durften andere Interessenten wie die Franzosen in Giza keine Forschungen durchführen, solange Vyse dort seinen »exklusiven« Ferman nutzte.199 1835, kurz vor Vyses Unternehmung, erließ Mohammed Ali Ägyptens erste förmliche Verordnung zum Umgang mit Altertümern. Ihr Export ins Ausland wurde verboten; stattdessen sollten Ägyptens antike Stätten konserviert und Funde aus Grabungen zentral in Kairo gesammelt, gepflegt und ausgestellt werden.200 Als Grund nannte das Dekret, dass die europäische Erforschung die Altertümer zunehmend beschädige. Mohammed Ali hatte demnach erkannt, dass er den Europäern allzu großzügigen Zugang zu den Altertümern gewährt hatte, da unter den Ausländern jene mit pekuniären Interessen, aber auch die respektableren Archäologen die Ruinen, wie ich in Kap. 2.2.3 vertiefen werde, nicht immer schonend behandelten.201 Für untere Beamte war das vizekönigliche Dekret bindend, weshalb etwa der Mudir (Provinzgouverneur) von Giza seine Dorfscheichs anwies, Vyse keine seiner Funde mitnehmen zu lassen. Allerdings beschwerte sich Vyses Generalkonsul, Campbell, daraufhin beim Vizekönig, woraufhin dieser den Mudir seines Amtes enthob, sodass die Briten letztlich Funde mitnehmen durften.202 Lepsius durfte ganze Grabkammern ausführen, und die von dem Dekret vorgesehene und dann begonnene Sammlung von Altertümern in Kairo löste sich in den 1850er Jahren auf, da Abbas bzw. Said Pascha ihre Bestandteile an Fürsten in der Türkei bzw. Österreich verschenkten. Zu einem öffentlichen Museum war die Sammlung ohnehin nicht gemacht worden.203 Die Vizekönige kümmerten

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Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 44f.; zu Alis Gunst gegenüber dem »königlichen« Gesandten Lepsius: Mehlitz, Lepsius, 100 mit Anm. 12. Rifaud, Égypte, 115. Lepsius, Briefe aus Aegypten, 286f. (Zitat : 286). Vyse, Gizeh, Bd. 1, 233. Vyse, Gizeh, Bd. 1, 137 (»exclusive privileges«). Wortlaut und Analyse der Verordnung: Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 37-56. Tagher, Conservation des antiquités, 13. Vyse, Gizeh, Bd. 2, 165. Reid, Whose Pharaohs, 54-58; Gady, Pharaon, 151-161.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

sich somit nur halbherzig um die Altertümer bzw. benutzten ihre persönliche Souveränität,204 um sich, wenn es Ausländer freute, über eigene Anordnungen hinwegzusetzen. Der Verfall bzw. die Zerstörung antiker Stätten ging also weiter – unter Mitwirkung westlicher Ausländer, von denen einige, wie der französische Forscher Émile Prisse d’Avennes (1807-1879) in den 1840er Jahren, schlichtweg heimlich oder mittels Bestechung arbeiteten.205 Aufgrund dessen mehr oder weniger selbstkritisch riefen andererseits mehr und mehr Abendländer zum Schutz der Altertümer in Ägypten auf: der englische Regierungsberater John Bowring (1792-1872) 1838, der US-amerikanische (aus England stammende) Konsul in Kairo George Gliddon (1809-1857) 1841, und der schottische Archäologe Alexander Henry Rhind (1833-1863) nach seinen von 1855 bis 1857 ausgeführten Grabungen in Theben.206 Veränderung brachte schließlich der Franzose Auguste Mariette. Ironischerweise grub und exportierte er in seinen ersten Jahren in Ägypten ab 1850 selbst illegal bzw. ließ beides durch diplomatischen Druck seines Landes nachträglich legalisieren.207 Andererseits beobachtete er mit Schrecken, wie Hunderte antiker Gräber bei Abusir und Saqqara binnen vier Jahren durch Plünderung »verschwanden« und dadurch für die »Wissenschaft« verlorengingen. Infolge dessen schlug er, der dauerhaft nach Ägypten übersiedeln wollte, 1858 dem Vizekönig vor, einen Antikendienst zu errichten – mit Erfolg: Im selben Jahr wurde Mariette zum Direktor (arab.: mamur) von Ägyptens Altertümern ernannt.208 Kraft der ihm verliehenen Autorität verbot Mariette Antikenexporte sowie alle nicht von ihm selbst oder seinen Mitarbeitern durchgeführten Ausgrabungen – gegen den Widerstand von »dealers and diplomats up to their necks in the antiquities trade«.209 Im nächsten Schritt sollte der Antikendienst die Altertümer instand halten bzw. setzen, erforschen und besondere Funde in der ägyptischen Hauptstadt ausstellen. Gewiss, Mariette musste sich mit einem kargen und nicht festgeschriebenen Budget begnügen,210 wenngleich ihn Grabungsarbeiter, solange es Zwangsarbeiter waren, kaum Lohn kosteten. Zudem gab der Vizekönig Ismail Pascha noch Ende der 1870er Jahre zwei Obelisken nach London bzw. New York.211 Überhaupt hatte sein Vorgänger Said der Idee eines – von einem Franzosen geleiteten – Antikendienstes insbesondere deshalb zugestimmt, um dem französischen, archäologiebegeisterten Prinzen und Kaisercousin

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Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 47. Fagan, Rape of Nile, 180. Colla, Conflicted Antiquities, 108-113; zu Rhind: u. Kap. 2.2.3. David, Mariette, 72-88. David, Mariette, 100-108 (1. Zitat Mariette: 100); Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 179 (2. Zitat Mariette). 209 Fagan, Rape of Nile, 185; vgl. France, Rape of Egypt, 138. Die Antikenhändler mögen einen Anteil daran gehabt haben, dass die ägyptische Regierung die Antikenverordnung von 1835 nicht konsequent umsetzte (Montet, Isis, 55, 60). 210 David, Mariette, 108, 116, 256-258; Fagan, Rape of Nile, 185. 211 Reid, Whose Pharaohs, 102f.

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Napoleon (1822-1891) zu gefallen, der 1857 einen (dann abgesagten) Ägypten-Besuch angekündigt hatte.212 1867 zeigte Ägypten einige Antiken auf der Weltausstellung in Paris. Der Schmuck einer Königin gefiel der französischen Kaiserin Eugénie (1826-1920) so sehr, dass sie Ismail Pascha darum bat, ihr die Sammlung zu schenken. Der Vizekönig verwies sie jedoch an Mariette, der die Bitte, obschon er dadurch in seinem Herkunftsland Frankreich in Ungnade fiel, entschieden ablehnte.213 Demnach war mit Gründung des Antikendienstes die Verfügungsgewalt über die Altertümer in Ägypten de jure vom Vizekönig auf den ägyptischen Staat bzw. die ägyptische Nation – zunächst vertreten durch Mariette – übergegangen214 und damit von der Willkür der Herrscherperson unabhängig geworden. Dieses Prinzip, im Dekret von 1835 noch nicht enthalten, wurde trotz der Rückschläge mit den Obelisken letztlich voll in die Praxis umgesetzt, nach der britischen Besetzung Ägyptens 1882 beibehalten und rechtlich weiter fixiert. Die Vizekönige erklärten 1883 und 1891 in Dekreten sowie 1912 in einem Gesetz die Altertümer in Ägypten ausdrücklich, und immer umfassender, zu Staats- bzw. öffentlichem Eigentum.215 Dementsprechend unterstand der Antikendienst ab 1883 nicht mehr direkt dem Vizekönig, sondern dem Ministerium für Öffentliche Arbeiten.216 Folgen für den Umgang mit den Altertümern ergaben sich aus der Existenz des Antikendienstes und den damit einhergehenden rechtlichen Vorschriften zum einen für die Einwohner Ägyptens bzw. Anwohner antiker Stätten, zum anderen für die (damals noch durchweg ausländischen) Archäologen. Auch Archäologen aus Frankreich oder Preußen konnten sich nun nicht mehr auf das Ansehen ihrer Konsuln bzw. Monarchen stützen, sondern mussten, wenn sie in Ägypten eine archäologische Unternehmung durchführen wollten, beim Antikendienst eine »Konzession« beantragen. Wurde sie bewilligt, erlaubte sie unter Mariette, wie es für Smyth und Petrie in Giza galt, lediglich, die Altertümer an ihrer Oberfläche zu untersuchen.217 Unter Maspero ermächtigten die Konzessionen zwar wieder dazu, Altertümer auch zu öffnen bzw. auszugraben; nur einzelne Stätten wie Saqqara blieben dem Dienst vorbehalten.218 Doch im Gegenzug mussten die Empfänger einer Grabungskonzession dem

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David, Mariette, 100-102, 104f.; zu Saids Streben nach der Freundschaft Frankreichs: Wilson, American Egyptology, 46. 213 Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 28f.; Attiatalla, Altertumsbehörde, 24; David, Mariette, 181f.; vgl. zu Mariettes diesbezüglicher Kompromisslosigkeit Wilson, American Egyptology, 48. 214 Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 3, 61f., 70. 215 Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 73f., 215; Wortlaute : 281-283 Nr. 6, 8; 286-291 Nr. 12. 216 Reid, Whose Pharaohs, 175; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 259. 217 Petrie führte seine Vermessungen zunächst ohne Konzession durch, da der kranke Mariette ihn schon nicht mehr hätte empfangen können, als Petrie im Dezember 1880 nach Ägypten kam. Der Antikendirektor starb im darauffolgenden Monat; von seinem Nachfolger Maspero (s.o. nächster Abs.) erhielt Petrie dann eine Konzession für Ausgrabungen bzw. Freilegungen an den Pyramiden von Giza, die für deren Vermessung erforderlich waren (Drower, Petrie, Kap. 3, bes. 37, 48f.; Petries Dank an Maspero: Petrie, Gizeh, 4). 218 Zu diesen Reservierungen: Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 41; Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 118, 143, 287; Drower, Petrie, 272f.; Reisner, Archaeological Fieldwork, 32. Giza scheint bis

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Antikendienst nach der Grabung eine von diesem bestimmte Hälfte ihrer Funde aushändigen. Die Abgaben gingen an das zusammen mit dem Antikendienst gegründete Kairener Museum, das nach verschiedenen Behelfsstandorten 1902 den Palast bezog, in dem es, als »Ägyptisches Museum«, heute noch residiert.219 Die Zeugnisse der deutschen Archäologen ab 1898 veranschaulichen, welche weiteren – expliziten oder impliziten – Auflagen eine Grabungskonzession nach sich zog (Kap. 3.2.3): Die Inhaber waren auf einen bestimmten Arbeitsort und -zeitraum beschränkt, hatten die Antikenwächter zu entlohnen, die der Dienst zur Bewachung ihrer Arbeitsstätte abstellte, und so weiter.220 Dass der Antikendienst externen Archäologen bzw. dem Ausland Funde überließ, stand nicht im Widerspruch, sondern vielmehr im Einklang mit den Staatseigentumserklärungen von 1883, 1891 und 1912, denn der Dienst war selbst Glied des ägyptischen Staates, und die Verordnungen von 1891 und 1912 sahen ausdrücklich vor, Ausgräbern einen – vom Dienst zu bestimmenden – Teil ihrer Funde abzutreten; die Verordnung von 1912 präzisierte : »la moitié des objets trouvés ou de leur valeur«.221 Wie in Kap. 2.2.1 erklärt, versuchte insbesondere der Antikendirektor Maspero – indem er den Fundanteil der Ausgräber schon vor 1912 großzügig als Hälfte veranschlagte – externen Archäologen Arbeiten an antiken Stätten zu ermöglichen, für die der Antikendienst selbst keine Mittel hatte. Die Ehrlichkeit von Masperos Absichten lässt sich daran erkennen, dass er bei Fundteilungen und in übrigen Angelegenheiten seine französischen Landsleute gegenüber anderen Konzessionären nicht bevorteilte.222 Der Antikendirektor Pierre Lacau (1873-1963; im Amt 1914-1936) überließ Ausgräbern ab 1923 nur noch ein Minimum ihrer Funde. Er wollte sicherstellen, dass Ägypten, zumal dort mittlerweile Nationalisten den Ton angaben, keine weiteren Funde vom Range der Nofretete-Büste verlöre, die 1913 bei der Fundteilung des Antikendienstes ihren deutschen Ausgräbern zugefallen war.223 Lacaus Neuerung ist der Grund, warum die Maske des Tutanchamun, die wenige Wochen nach Ankündigung der Neuerung entdeckt wurde, heute in Kairo statt in London, der Hauptstadt ihres englischen Ausgräbers Howard Carter (1874-1939), aufbewahrt wird. Doch schon vor 1898 bzw. dann 1914, dem Ende meines Untersuchungszeitraums, war die Archäologie in Ägypten deutlich reglementiert worden, seitdem sie 1798 in ihrer modernen Form begonnen hatte. Gewiss, beim Antikendienst hing vieles ab von der Person des Antikendirektors: Unter den für das Amt jeweils wenig geeigneten Direktoren Grébaut, Morgan und Loret (insgesamt 1886-1899) wurden illegale bzw. unkontrollierte Grabungen und Antikenexporte weniger erfolgreich verhindert.224 Anders war es

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etwa 1902 »reserviert« gewesen zu sein (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 363); vgl. Bissing, Vorwort (Ne-Woser-Re); Gady, Pharaon, 635. Reid, Whose Pharaohs, 103-107, 183, 192-195. Zu Konzessionsbefristung und Wächtern auch Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 142-144. Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 282 (1891, Art. 3), 288 (1912, Art. 11 [Zitat], 12). Georg, Recherche commune, 194f., 197f. Zu den drei teils anders gesinnten, aber weniger prägenden Antikendirektoren zwischen Masperos zwei Amtszeiten, d.h. zwischen 1886 und 1899 : Reid, Whose Pharaohs, 181-186; u. Kap. 3.2.4. Reid, Contesting Antiquity in Egypt, 65, 82-84, 89; Goode, Negotiating for the Past, Kap. 4. Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 279, 296-300, 307-313, 326f.

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bei dem davor und danach amtierenden, kompetenten und respektierten Maspero. Zwar wäre er schon zu seiner Zeit gerne strenger gegen Grabraub und andere Übergriffe auf antike Stätten vorgegangen, als Ägyptens damalige Gesetze bzw. Gerichte es zuließen; und nicht nur bezüglich der Fundteilung haben sich Ägyptens Vorschriften für Archäologen nach 1914 weiter verschärft.225 Nichtsdestoweniger legte diese Reglementierung schon von 1798 bis 1898 bzw. 1914 einen weiten Weg zurück: vom Vizekönig zur Antikenbehörde; vom Ferman zur Konzession; von latenter Willkür zu einem (potenziell) effektiven Regelwerk für archäologische Unternehmungen.226

2.2.3 Rationalisierung der Ägypten-Archäologie Parallel zu ihrer rechtlichen, äußeren Reglementierung durchlief die Ägypten-Archäologie im 19. Jahrhundert eine innere, methodische, die zum einen wie die äußere aus der Einsicht entsprang, die Altertümer in Ägypten vor Verfall und Zerstörung bewahren zu müssen. Nicht zufällig ging auch die äußere Reglementierung von einem professionellen Archäologen – Mariette – aus. Da sein Beruf von den Altertümern abhing, war Mariette eher auf deren Schutz bedacht als etwa Ägyptens und Europas Herrscher oder auch »gewöhnliche« Anwohner antiker Stätten, weshalb der Antikendirektor sowohl der Kaiserin Eugénie bzw. dem Vizekönig Ismail als auch zum Beispiel 1880 einem ägyptischen Dorfbewohner verwehrte, sich an den Antiken zu vergreifen. Nachdem letzterer beantragt hatte, für einen Hausbau Steine aus den Pyramiden von Giza zu entnehmen, empfahl Mariette dem Minister für Öffentliche Arbeiten, den Antrag »entschieden abzulehnen«. Denn »[e]n archéologie, rien n’est indifférent. Une pierre ne semble à un fellah être bonne à rien, qui peut mettre un archéologue sur la piste d’une découverte importante. D’ailleurs on enlèvera aujourd’hui une pierre en apparence inutile, et de proche en proche on arrivera à des pierres dont la perte sera un véritable malheur pour la science«.227 Demnach sorgte sich Mariette wie seine Fachkollegen Rhind (zu dem wir gleich kommen) und, vermutlich, Champollion um die Antiken in Ägypten vor allem aus wissenschaftlichen Gründen: Ohne die Hinterlassenschaften sei es Forschern unmöglich, Wissen über das alte Ägypten zu erlangen.228

225 Georg, Altes Ägypten besitzen, 42, 46. Die Fundteilung wurde 1983 durch ein Gesetz, das Antikenexport faktisch verbot, weitestgehend abgeschafft (Ikram, Collecting Egypt’s Past, 143f.; zu Ausnahmen, die de jure noch bis 2010 bestanden: Stevenson, Egyptology and Museums, 221-223, 260). Zur übrigen Entwicklung der Pflichten von Archäologen in Ägypten: Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 117-163; Weeks, Archaeology and Egyptology, 20. 226 Bei der Reglementierung von Altertümern und Archäologie war Ägypten der Vorreiter seiner Region; in anderen Teilen des Osmanischen Reiches kam die Reglementierung weniger schnell und war weniger effektiv (Magee, Antiquities Departments). 227 Mariette, Brief an den Minister, 8.4.1880, abgedruckt als : Une lettre inédite de Mariette, in : Sainte Fare Garnot, Mariette, 1f. 228 Rhind, Thebes, 274. Champollion warnte in seiner Denkschrift an Mohammed Ali außerdem vor der enttäuschten Neugier von Reisenden, die, »après tant de fatigues, n’ont souvent ainsi que des

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Belzoni hätte darüber kaum nachgedacht, sondern erzählte schamlos, wie er sich versehentlich auf in einem Grab erhaltene Mumien setzte, die daraufhin zerfielen; dass er manche Funde nicht für ausgrabungswürdig hielt, und dass er andere in Stücke schneiden ließ, um sie abzutransportieren.229 Doch nach den Maßstäben seiner Zeit hat bereits dieser Abenteurer zur ägyptologischen Wissenschaft beigetragen, indem er, wie andere Forscher seit den savants, zahlreiche Stätten beschrieb oder Artefakte gar in Museen brachte, die sonst verloren sein könnten.230 Vyse wollte in Giza den Boden einer Pyramidenkammer aufsprengen, um zu sehen, ob etwas darunter lag. Dann wurde in dem Boden aber ein mit losem Material verfülltes Loch entdeckt, sodass Vyse auf Sprengungen verzichten konnte. Er freute sich über den dadurch gesparten »great deal of trouble and expense«231 – nicht darüber, die Pyramidenkammer geschont zu haben. Umso weiter dachte Mariette, obwohl er noch als Antikendirektor bei Grabungen gleichfalls Sprengstoff benutzte. Für Mariette bestand der Schutz der Antiken vor allem darin, ihre Ausfuhr ins Ausland sowie ihre Zweckentfremdung als Bau- und anderes Gebrauchsmaterial zu unterbinden.232 Die Altertümer sollten der Forschung zur Verfügung stehen. Champollion und Lepsius wollten sie ebenfalls erforschen; mit dem Ergebnis, dass jener das Geheimnis der Hieroglyphen durchbrach und dieser die Chronologie Altägyptens erstmals ordnete.233 Diese Gründerväter der philologischen Ägyptologie bevorzugten es jedoch, ihre Forschungen in ihrer jeweiligen Heimat zu betreiben, weshalb ihre Expeditionen ganze Monumente von ihren Standorten rissen und nach Paris bzw. Berlin verschifften. Mariette hielt es für notwendig, die Antiken an einem Ort, Ägypten, zu belassen, ob an ihren originalen Stätten oder in einem Museum. In dieser Hinsicht beendete er die »reckless pillage in Egypt«. Wie die erhaltenen Antiken dann erforscht werden sollten, etwa ob mit Dynamit oder ohne, war jedoch eine Frage, die Mariette noch nicht beachtete. Deshalb bilden die drei Jahrzehnte seines Wirkens am Nil eine »transition period, in which the foundations of the modern science of Egyptology were being laid, but in which its aims and methods were as yet but partially and imperfectly understood«.234 Wie eben zitiert begründete Mariette seinen Konservationismus mit einer »découverte importante«, zu der ein unscheinbarer Stein den Archäologen führen könne. Allein, welche Entdeckung wäre wichtig, und welche nicht? Mariette und die Archäologen vor ihm setzten auf große und/oder »schöne« Objekte, da diese ihnen verständlicherweise ins Auge sprangen bzw., wenn beweglich, Sammlungen stolz machten : Grabkammern und Tempel; Reliefs mit Bildern und Text; Büsten und Statuen; Sarkophage und Mumien; Schmuck und andere Kunstwerke. Zugleich forderten die Philologen unter den

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regrets à exercer sur la perte de tant de sculptures ou de peintures curieuses« (zit.n. : Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 448). Belzoni, Egypt, 112, 149, 157; vgl. Fagan, Belzoni the Plunderer. Zatterin, Belzoni, 13; Noël Hume, Belzoni, 265f.; Fiechter, Moisson, 340f.; Ryan, Ancient Egypt, 13. Zur heutigen Unterscheidung zwischen Grabungen von Archäologen und von »Plünderern«: Tassie et al., Egypt’s Heritage, 17 Abb. 3.1. Vyse, Gizeh, Bd. 1, 223. Fagan, Rape of Nile, 185f. Bratton, Egyptian Archaeology, 74-76. Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 35; vgl. 33; Wilson, American Egyptology, 48f.

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Ägyptologen, dass die Archäologie vor allem mit Text beschriebene Objekte zutage fördere.235 Mariettes schottischer Zeitgenosse Rhind erkannte indes, dass nicht nur gefundene Objekte selbst, sondern auch ihr Fundort und ihre dortige Lage Informationen über die dazugehörigen Menschen enthielten. Obwohl in Europa zahlloses Zubehör altägyptischer Begräbnisse zusammengetragen worden sei, wisse man wenig über das altägyptische Bestattungswesen, weil bei vielen Stücken nicht einmal bekannt sei, aus welcher Gegend Ägyptens sie stammten. Die bisherigen Forscher hätten so etwas nicht festgehalten, da es ihnen eher um »the accumulation of relics« gegangen sei denn um »the circumstances under which these were found«.236 Rhind wollte es besser machen und teilte nach seinen Grabungen in Theben in den Jahren 1855 bis 1857 sorgfältig mit, welche Objekte er in welchen Gräbern unter welchen Umständen vorgefunden hatte.237 Damit wurde er zum ersten Ägypten-Archäologen »to apply truly scientific techniques in his excavation work«.238 Zunächst blieben die Methoden Rhinds, der bereits 1863 noch nicht dreißigjährig starb, in der Ägypten-Archäologie eine Ausnahme. Mariettes »excavation methods were atrocious. He had no systematic method for the removal of earth, no careful recording at all stages, and there was inadequate supervision of the poorly paid workers«. Ähnliches galt für den folgenden Antikendirektor Maspero.239 Erst Petrie griff Rhinds Methoden auf, erweiterte sie und gab das Ergebnis an zahlreiche Schüler weiter. Wie Rhind blickte Petrie, nachdem er 1880 nach Ägypten gekommen war, mit Schrecken auf die Archäologie seiner Vorgänger bzw. seines Zeitgenossen Mariette: »Nothing seems to be done with any uniform and regular plan, work is begun and left unfinished; no regard is paid to future requirements of exploration […]. It is sickening to see the rate at which everything is being destroyed, and the little regard paid to preservation«.240

235 Weeks, Archaeology, 107f.; vgl. die Bemerkung des italienischen Ägyptologen Sergio Donadoni (1914-2015), dass rein archäologische, textlose Objekte etwas nur bestätigen oder widerlegen, aber nicht »erzählen« könnten (zit. in : Pernigotti, Egittologia, 46). Redford ergänzt »the adage«: »a text is worth a thousand pots« (Writing the History of Ancient Egypt, 4). Dagegen betont Kemp, dass Archäologie bestimmte Arten von Daten liefere, die in Texten nicht enthalten, aber gleichfalls unerlässlich seien, um ein realistisches Bild des alten Ägypten zu erhalten (In the Shadow of Texts). 236 Rhind, Thebes, Kap. 3 (Zitat: 67f.); vgl. Kap. 9. 237 Rhind, Thebes, vi. 238 Wortham, British Egyptology, 89. Zu Rhind in Ägypten ferner Irving/Maitland, Rhind’s Excavations. 239 Wilson, American Egyptology, 48 (Zitat); Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 232f.; zu Maspero: ebd., 69; Fagan, Rape of Nile, 216; Tyldesley, Egypt, 241. Mariettes Methoden aus den Umständen seiner Zeit heraus zu erklären bemühen sich Ridley, Mariette, 146-148; Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 25, 30, 34, 42f.; vgl. Reisner, Archaeological Fieldwork, 31f. (»The policy that [Mariette] practiced was simply to forestall the plunderers […]. Mariette was a great man and a great excavator, but he knew only antiquities, not historical evidence aside from the objects themselves«). 240 Petrie, Seventy Years in Archaeology, 25.

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Unter diesem Eindruck ging Petrie seine eigenen Ausgrabungen (möglichst) so systematisch an, wie er es 1904 in seinem Lehrbuch Methods & Aims in Archaeology beschrieb. Neben dem Kontext eines Fundes zählten für Petrie als Funde insbesondere jene »trivialen« Objekte aus dem altägyptischen Alltagsleben, die andere Archäologen weggeworfen hätten, und deren Bedeutung Rhind lediglich angedeutet hatte. Petrie: »Most trivial things may be of value, as giving a clue to something else. Generally it is better to keep some examples of everything. No matter how broken the potsherds may be, keep one of each kind and form«.241 Mit dem »clue to something else« wiederum, den selbst zerbrochene und/oder schmucklose Tonscherben geben könnten, meinte Petrie vor allem, dass man vom Stil der Keramik auf deren und also das Alter auch sie begleitender anderer Funde schließen könne. Der Stil wandelt sich in der Töpferei nämlich schneller als in anderen Handwerken, und Tonscherben haben sich in den meisten antiken Stätten in Ägypten erhalten.242 Somit war auch nicht mehr entscheidend, ob ein Objekt mit lesbarem Text beschrieben war oder nicht. Obwohl Petries Methodologie sich in der Ägypten-Archäologie nur allmählich durchsetzte,243 und obwohl auch er nach späteren Maßstäben keineswegs frei von methodischen Fehlern war,244 stellte er seine Disziplin endgültig auf eine wissenschaftlich-professionelle Grundlage,245 die auch den Archäologien anderer Teile des Nahen bzw. Mittleren Ostens zum Vorbild wurde.246 Wie die äußere Reglementierung der Ägypten-Archäologie legte ihre innere bzw. Rationalisierung zwischen dem frühen 19. Jahrhundert und Petrie einen weiten Weg zurück. Am Anfang hießen die hier vorgestellten Forscher »Antiquare«, sprich Antikensammler. Erst Lepsius bezeichnete sich bzw. seine Kollegen als »Aegyptologen«; erst Brugsch sprach von »Archäologen«.247 Die »Antiquare« unterschieden sich nicht einmal besonders von anderen (westlichen) Reisenden in Ägypten: Oft reisten sie nicht nur aus archäologischen Gründen dorthin, verfolgten anschließend nicht nur archäologische Tätigkeiten und beschrieben Altertümer eher, als welche auszugraben, während umgekehrt die allermeisten Ägypten-Reisenden auch Altertümer besuchten und gegebenenfalls in Berichten beschrieben. Belzoni kam nach Ägypten, um

241 Petrie, Ten Years Digging in Egypt, 164; vgl. Rhind, Thebes, 161f., 213. 242 Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 18f. 243 Weeks, Archaeology and Egyptology, 11. Der schweizerische Ägypten-Archäologe Édouard Naville (1844-1926; u. Kap. 3.2.5.2), der wie Petrie für den britischen Egypt Exploration Fund grub, blieb wegen seiner philologischen Ausrichtung »primarily interested in clearing decorated and inscribed surfaces for study«, weshalb Petrie ihn als Archäologen ablehnte (Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 76-78). 244 Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 19-21; u. Kap. 3.2.5.2. 245 Tyldesley, Egypt, 164; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 280. 246 Davis, Biblical Archaeology, 28. 247 Lepsius, Briefe aus Aegypten, 97; Brugsch, Aegypten, 27, 47, 205; dagegen heißt es »antiquary« bei Hamilton, Ægyptiaca, 58, 168, 207, 300; Halls, Salt, Bd. 1, 454; d’Athanasi, Egypt, 135; »antiquarian« bei Belzoni, Egypt, 162, 338; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 50. Zur Geschichte der Bezeichnung »Ägyptologe«, die 1827 in Frankreich beginnt: Gady, Pharaon, 7.

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wie auch immer sein Glück zu machen; Vyse als Tourist. Salt amtierte als britischer Generalkonsul. Weder Denon noch Hamilton führten wirkliche Ausgrabungen durch. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts suchten Altertumsforscher in Ägypten nicht zuletzt Abenteuer, Ruhm, Reichtum; oder sie waren schlicht neugierig auf uralte Pyramiden und Mumien. Seitdem sind solche Antriebskräfte aus der Ägypten-Archäologie natürlich nicht verschwunden, und auch die frühen Forscher strebten, im Unterschied etwa zu bloßen Grabräubern, nach Wissen über das alte Ägypten.248 Doch erst Mariette machte letzteres zur obersten Priorität, und ordnete ihm sogar die Interessen von Vizekönigen und Kaiserinnen unter. Andererseits unterlag er noch dem Irrtum, man gewinne bei Ausgrabungen umso mehr Wissen, je mehr Funde man in je kürzerer Zeit mache.249 Nicht Mariette, sondern erst Rhind und dann Petrie erkannten den noch heute gültigen archäologischen Grundsatz: »Artifact context (physical location) is everything. It is the relationship of artifacts to one another and to the depositional unit within which an artifact was found that ascribes interpretive meaning to the object. […] Without artifact provenience, the site is nothing but a hole in the ground and the recovered objects no more than pieces of shelf-art«.250 Oder umgekehrt formuliert: »[I]t is to be assumed that the object of […] excavations [in Ägypten] is historical research, and that antiquities of museum value are to be a mere by-product of this research. It is futile from the standpoint of the historical archaeologist to hunt for antiquities«.251 Infolge dieser Einsichten begannen Ägypten-Archäologen seit Petrie damit, den Fundkontext festzuhalten, bevor Fundentnahme und Weitergraben ihn für immer zerstörten; und sie mussten Mariettes Unterscheidung zwischen »wichtigen« (»découverte importante«) und »scheinbar unnützen« (»pierre en apparence inutile«) Entdeckungen aufheben, weil durch den Kontext sogar Tonscherben grundsätzlich Bedeutung entfalteten. Alles in allem rationalisierten die Ägypten-Archäologen somit ihre Tätigkeit, indem sie deren hauptsächliches Ziel definierten und anschließend die Mittel entwickelten, dieses Ziel – Wissen über das alte Ägypten – bestmöglich zu erreichen.

2.2.4 »Archäologisierung« der Ägypter; »Ägyptisierung« der Archäologie Die beschriebenen Prozesse der Etablierung von Archäologen in Ägypten sowie der Reglementierung der Archäologie in Ägypten und Rationalisierung der Ägypten-Archäologie bedeuteten, dass in dem Land am Nil immer mehr (westliche) Archäologen mit im248 Obwohl Belzoni von »the antiquarians« sprach, als beanspruchte er selbst nicht, zu ihnen zu gehören (Egypt, 338), glaubte er zum Beispiel, mit seinen Entdeckungen Material zur Entzifferung der Hieroglyphen zu liefern (ebd., 162). 249 Fagan, Rape of Nile, 216 (»The objective was to find as much as possible in as short a time as practicable«). 250 Brewer, Archaeology of Ancient Egypt, 82. 251 Reisner, Archaeological Fieldwork, 84; vgl. 100f.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

mer stärkerer Organisation und immer strengerer Sorgfalt forschten und ausgruben. Die zunehmende Mitwirkung von Ägyptern an der Archäologie bzw. ihr zunehmendes Verständnis für sie waren sowohl Folge als auch Voraussetzung jener Entwicklung. Noch Rifaud beklagte die Unfähigkeit der Einheimischen, den geistigen Sinn der Archäologie bzw. des Antikensammelns in Ägypten nachzuvollziehen.252 Tatsächlich nannten Einheimische die Altertümer ursprünglich nur »alte« oder »beschriebene« »Steine«253 – was hätte daran so interessant sein sollen? Zugleich verwunderten sie Wissen und Werkzeuge der Archäologen so sehr, dass sie diesen magische Kräfte zuschrieben; zum Beispiel, nachdem Belzoni die tonnenschwere Memnon-Büste durch geschickten Einsatz von Arbeitern, einem Untersatz, Rundhölzern und Seilen auf ein Nilboot zu bewegen vermocht hatte.254 Außerdem flößten die antiken Ruinen bzw. ihr Inneres manchen Einheimischen geradezu Angst ein.255 Andererseits sammelten Ägypter seit jeher Antiken und verkauften sie an Reisende.256 Solche Antiken fanden Fellachen auch nebenbei, wenn sie in antiken Stätten nach Dünger oder Baumaterial suchten (Kap. 4.3 Anm. 313). Dies taten sie im 19. Jahrhundert immer öfter, wegen Ägyptens Bevölkerungswachstum, modernisierender Bautätigkeit und expandierender Landwirtschaft (4.1.2).257 Das Geschäft mit Antiken muss zugleich immer einträglicher geworden sein, denn seit Napoleons Expedition strömten immer mehr Reisende nach Ägypten. Sie kamen insbesondere wegen der Altertümer und wollten von Einheimischen durch sie geführt und durch das Land befördert sowie beherbergt und bewirtet werden.258 Und sie fragten Souvenirs in einem Maße nach, angesichts dessen Antikenverkäufer immer listigere Verkaufsstrategien entwickelten: Sie brachen Objekte in Stücke, um mehrfach zu kassieren, oder gruben welche wieder ein, um sie Besuchern dann als frische Funde zu präsentieren; oder sie fälschten schlicht Antiken.259 Wohl in den 1840er Jahren wurde der

252 Während Rifaud (Égypte, 116f.; o. Kap. 2.1.2) diesbezüglich d’Athanasi (Egypt, 135: »[Arabs] understand antiquities as well as a European antiquary«) widerspricht, entspricht er dem ägyptischen Chronisten Abd el-Rahman el-Jabarti (ca. 1753-1825), der 1817 beobachtete, wie »a group of the English Franks [Franks = Westeuropäer] set out to examine the celebrated Pyramids […] in […] Giza […]. This was because of their innate curiosity and desire to study unusual things and to peer into obscure details of knowledge, above all in regard to the ancient monuments […]. Some individuals of the Franks wander all over the face of the earth in pursuit of these aims, and for these purposes spend vast sums of money on general expenses, provisions, and hired workmen« (zit.n.: Bosworth, Al-Jabarti, 231). 253 Belzoni, Egypt, 403; Hartleben, Leben Champollion, 203, 237 (vgl. Lettres et journaux de Champollion, 192); Lepsius, Briefe aus Aegypten, 133. 254 Belzoni, Egypt, 43f.; vgl. 418-421, 432; Rhind, Thebes, 134; Smyth, Pyramid, 538. 255 Belzoni, Egypt, 409f.; Halls, Salt, Bd. 1, 157, 171. Laut Maspero fürchtete auch der Vizekönig Ismail sich derart vor Mumien, dass er das von Mariette gegründete Kairener Antikenmuseum nicht betreten würde (Reid, Whose Pharaohs, 107; France, Rape of Egypt, 142). 256 Ein Extremfall waren die über und in antiken Felsengräbern hausenden Einwohner Qurnas bei Luxor (Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, Kap. 3-5). 257 Davoli, Papyri, 94-105; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 87. 258 Sattin, Lifting the Veil, 95f., 222, 245; Lévi, Tourisme. 259 D’Athanasi, Egypt, 10, 109; zum Eingraben: Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 190; zum Fälschen: u. in diesem Abschnitt; o. Kap. 2.1.1.

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Antikenhandel in Ägypten zu einer regelrechten Industrie; mit entsprechender Dimension, berufsmäßigen Teilnehmern, festen Abläufen, und Zentren in Kairo und Theben bzw. Luxor.260 Zugleich wurden die Antikenfälscher – sie konzentrierten sich in der Gegend von Luxor – immer geschickter.261 Der allgemeine Tourismus wurde zur Industrie in den 1860er Jahren.262 Somit fühlten sich sogar und gerade Ägyptens ums Überleben kämpfende Fellachen (vgl. Kap. 4.1.2-3) mit dem Gegenstand der Archäologie in ihrem Land, den Altertümern, zwar nicht ideell, aber materiell mehr und mehr verbunden. Während laut dem deutschen Ägyptologen Georg Ebers (1837-1898) »die Araber« vor Napoleons Expedition »ganze Papyrusrollen verbrannten, um sich an dem Duft des Rauches zu ergötzen«, kenne »jetzt«, das war 1895, »auch der Fellah nur zu gut den materiellen Wert einer Handschrift«.263 So konnten im folgenden Jahrzehnt von den deutschen Archäologen insbesondere die nach Papyrus suchenden Rubensohn und Zucker sich auf die Hilfe von Antikenhändlern und Anwohnern antiker Stätten verlassen (3.2.2.1-2). Selbst die Bewohner der entlegenen Oase El-Bahriyya hatten, als Steindorff sie 1900 während seiner Siwa-Expedition besuchte, »leider von ihren Landsleuten im Niltal den Wert der Antiken bereits schätzen gelernt«; vermutlich plünderten sie die örtlichen antiken Gräber, und »[t]äglich kamen Händler zu uns, die allerlei Altertümer zum Kauf brachten«.264 Zweitens gingen die Archäologen in Ägypten in der Zeit Salts und Drovettis dazu über, Ausgrabungen statt nur oberflächliche Erkundungen von Altertümern durchzuführen. Ihre Fermane verpflichteten lokale Würdenträger dazu, ihnen für ihre Unternehmungen Arbeiter abzustellen. Deren Lohn, den die Archäologen zu entrichten hatten, wurde teils von den Würdenträgern einbehalten (Kap. 3.3.9.3), sodass die Fellachen von der Archäologie materiell umso weniger profitierten. Gleichwohl nahmen sie als Grabungsarbeiter noch direkter an ihr teil als durch Tourismus und Antikenhandel. Vyse beschäftigte bereits hunderte Grabungsarbeiter über Monate, und Mariette insgesamt

260 Rhind, Thebes, 247-256. Frühere Beispiele einheimischen Antikenhandels: Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 411; Bd. 3, 25; Bd. 4, 215; Hamilton, Ægyptiaca, 396; Belzoni, Egypt, 158-161, 181, 294f.; d’Athanasi, Egypt, 135; Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 88; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 57, 74; späteres Beispiel: Smyth, Pyramid, 312. Zum Handel mit (ggf. gestohlenen oder gefälschten) Antiken ferner France, Rape of Egypt, 172f.; James, Carter, 132f.; Fiechter, Moisson, 118; Siliotti, Egypt, 295; zum Antikenhandel in Ägypten zwischen 1880 und 1930: Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt. 261 Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 127; Wilson, American Egyptology, 34f., 77; Sattin, Lifting the Veil, 226f.; Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt, 147-152; Voss, Borchardts Berichte über Fälschungen im Antikenhandel; Wakeling, Forged Egyptian Antiquities, bes. Kap. 12; ferner, mit Bezug zur Gegenwart: Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, Kap. 9. 262 Reid, Whose Pharaohs, Kap. 2. 263 Ebers, Ausgrabungen in Aegypten, 86. Angezündet worden sein mag Papyrus allerdings eher zum Erhellen und Heizen denn um des Duftes willen (Wilson, American Egyptology, 11f.; Ikram, Ancient Egypt, 59; von »aromatic odour« spricht Bratton, Egyptian Archaeology, 232). 264 Steindorff, Libysche Wüste, 150. Insofern war es durchaus kein »accident«, wenn »einfache« Ägypter westlichen Reisenden z.B. Papyri verkauften, die sich danach als historisch höchst bedeutsam herausstellten (so Baikie, Papyri, 225) – »Zufall« war der Vorgang nur aus der Perspektive der Ausländer, die über Ägypten und seine modernen Bewohner so wenig wussten.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

Tausende265 über insgesamt Jahrzehnte. Für die Unternehmungen des Antikendirektors wurden die Ägypter von ihrer Regierung sogar zwangsweise herangezogen (bis mindestens 1865), während Belzonis Kaimakan den Bewohnern seines Amtsbezirks im Gegenteil verboten hatte, für die »Christian dogs« zu arbeiten. Petrie musste zwar zur Rekrutierung von Arbeitern wieder mit Dorfscheichs verhandeln, nachdem die Zwangsarbeit in Ägypten unwiderruflich abgeschafft worden war. Die Autorität der Zentralregierung, die seine Konzessionen deckte, zwang widerspenstige Scheichs jedoch zur Kooperation.266 Mariette erwählte unter den Fellachen einige Raise (arab. für »Vorarbeiter«), die, gegen großzügigen Lohn, einfache Arbeiter in den Dörfern einzogen und an der Arbeitsstätte beaufsichtigten. Als Raise kamen für Mariette Männer in Frage, die, wie er forderte, »habitués aux antiquités« waren.267 Einer seiner Nachfolger als Antikendirektor (1897-1899), Victor Loret, lobte als Beispiel dafür den Rais »Roubi qui, attaché au Service des antiquités depuis les débuts de Mariette, n’a peut-être pas passé un seul jour de sa longue existence sans acquérir quelque notion nouvelle sur les antiquités de la nécropole memphite, où il est né, et qui lui est chère. Son expérience du terrain et son étonnante mémoire m’ont souvent été d’un concours précieux«.268 Die westlichen Archäologen nutzten bei ihren Ausgrabungen demnach bewusst das Wissen über antike Stätten, das Menschen, die womöglich ihr ganzes Leben in deren Umgebung verbrachten, natürlicherweise besaßen. Zusätzlich zu seiner bloßen Lebenserfahrung muss Rubi (?-1904) von seinem Vater »Hamzaoui« gelernt haben, der Mariette bereits vor Gründung des Antikendienstes als Rais diente.269 Mit jeder archäologischen Unternehmung in Ägypten wuchs freilich die Zahl von Ägyptern, die bereits ein oder mehrere Male bei einer solchen Unternehmung gearbeitet hatten und bei jeder späteren auf dabei gemachte Erfahrungen zurückgreifen konnten. Brugsch beschäftigte einen ehemaligen Angestellten Champollions und Drovettis, Timsah (arab. für »Krokodil«), sowie einen Champollions und Lepsius’, Awad; Smyth einen Vyses, Ibrahim.270 Zwar verhinderten auch Mariettes Raise nicht, was Petrie dessen Ausgrabungen vorwarf: »Nothing seems to be done with any uniform and regular plan«. Zum Beispiel hätten Mariettes Arbeiter vor der Sphinx von Giza

265 266 267 268 269

Maspero, Mariette, XCVI, CXIII, CXLV. Petrie, Seventy Years in Archaeology, 42f., 137. David, Mariette, 106-111, 116 (Zitat: 106). Loret, Fouilles dans la nécropole memphite, 2. David, Mariette, 80, 99, 110. Zu Rubis Leben und Tod: Maspero, Service des antiquités 1899-1910, 124; Foto: David, Maspero, Bildtafeln. Rubis Sohn Chalifa wurde ebenfalls Rais; dessen Sohn Mahmud begann zumindest eine entsprechende Ausbildung beim Antikendienst (Maspero, Brief an Steindorff, 17.3.1903). 270 Zu Timsah: Brugsch, Aegypten, 132; Leben, 183f.; Hartleben, Leben Champollion, 296; zu Awad: o. Kap. 2.1.5; zu Ibrahim: 2.1.4. Zu weiteren langjährig für Archäologen tätigen Einheimischen bis Mitte des 19. Jahrhunderts: D’Athanasi, Egypt, 133; Hartleben, Leben Champollion, 237, 292; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 43, 266; Lepsius, Briefe aus Aegypten, 147.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

»dug down about fifteen feet to the bottom of a funnel pit of running sand. They filled baskets, with which children very slowly toiled up the sand slope, while more sand ran down from the top, to be carried up again. Not a twentieth of the labour was utilised«.271 Doch schlimmer noch als zu solcher Ineffizienz führte die Abwesenheit von Regeln und eines Planes dazu, dass Mariettes Ausgräber jene archäologische, auf Dokumentation und Kontext fußende Methodologie missachteten, die Petrie als Bedingung archäologischer Erkenntnis identifiziert hatte. Wie Mariette selbst stützten sich seine Raise mehr auf Intuition als auf Ratio.272 Petrie konnte das nicht zulassen und bildete daher seine Arbeiter aus, nachdem er sie ausgewählt hatte. Als besonders gelehrig erwiesen sich Arbeiter aus Quft in Oberägypten, weshalb Quftis Petrie über Jahrzehnte bei Ausgrabungen im ganzen Land als Stamm- und Vorarbeiter dienten und dann auch von den deutschen Archäologen übernommen wurden (Kap. 3.3.3.2). Damit wurde »archäologischer Arbeiter« endgültig zu einem Beruf, den Ägypter – nicht nur aus Quft – dauerhaft ergreifen konnten. Für sie rückte die Archäologie in den Mittelpunkt ihres Lebens, mehr noch als wenn sie für den Antikendienst antike Stätten bewachten oder, wie Smyths Arbeiter bisweilen, Touristen durch sie führten. Ein neuer, aber ausgebildeter Arbeiter unterschied sich für Petrie von einem seit Jahren Dienst tuenden, aber unausgebildeten wie ein »fellah« von einem »educated Englishman«. Gleichwohl könnten Arbeiter laut Petrie nur dann so gut werden, wenn man sie »freundlich« behandle, anstatt wie zumindest der Antikendienst die Peitsche gegen sie einzusetzen.273 Damit erwies Petrie jenen Ratschlag als richtig, den bereits d’Athanasi an Belzoni gerichtet hatte. Für Fellachen wurde es damit, neben dem von den Archäologen gezahlten Lohn, umso attraktiver, sich als archäologische Arbeiter zu verdingen. Umgekehrt lernten die Archäologen nun den Beitrag ägyptischer Arbeiter zu ihren Unternehmungen wirklich zu schätzen. Belzoni mag seine noch als notwendiges Übel betrachtet haben, als er sich mit Kaschefs und Kaimakans herumschlagen musste, um welche zu bekommen. Doch während Belzoni Arbeiter »nur« zum »Einsammeln« von Antiken benötigte, setzten die Archäologen sich im Laufe der Jahrzehnte immer anspruchsvollere Arbeitsziele, und waren umso dankbarer, wenn sie über Arbeiter bzw. bestimmte Arbeiter verfügen konnten. Smyth wurden seine zu Freunden, und Petrie legte in seinem archäologischen Lehrbuch dar, dass »[t]he better class of [the] workers are one’s personal friends, and are regarded much as old servants are in a good household. Their feelings and self-respect must be thought of, as among our own equals, and they will not put up with any rudeness or contempt«.274

271

Petrie, Seventy Years in Archaeology, 25f. (Erläuterung zu dieser Beobachtung, die Petrie wohl nicht selbst gemacht hatte: Hyvernat, Heredity, 240f.). Zu Mariettes methodischen Mängeln ferner Tyldesley, Egypt, 124, 153f. 272 Zu Mariettes »géniale intuition« : Sauneron, Égyptologie, 18; zu seinem »instinct for the possibilities of the various Egyptian sites«: Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 96. 273 Petrie, Methods in Archaeology, 22; zum Einsatz der Peitsche: u. Kap. 4.2.2.3. 274 Petrie, Methods in Archaeology, 22.

2 Vorgeschichte: Westliche Archäologen und Einheimische in Ägypten, 1798-1898

Die Verwissenschaftlichung der Ägypten-Archäologie, zu der auch die in Kap. 2.2.3 erläuterte Rationalisierung gehörte, drängte, wie in 1.3.1 erläutert, die ägyptischen archäologischen Arbeiter immer weiter aus archäologischen Feldberichten heraus. Mariette ist vielleicht der erste Ägypten-Archäologe, der nach seinen Unternehmungen jene »highly technical reports« verfasste, die heute – noch umso technischer – üblich sind.275 Für die Unternehmungen, von denen die Berichte handelten, wurden hingegen die Arbeiter im Zuge ihrer eigenen Professionalisierung nicht weniger bedeutend, sondern immer bedeutender. Ja, ihre Rolle wurde zur wichtigsten, die die Einheimischen in Ägypten für die westlichen Archäologen spielen konnten, während vor allem einheimische Wegführer und Transportdienstleister an Bedeutung verloren. Doch während ein Belzoni in Ägypten antike Stätten aufsuchte und zu ihrer Bearbeitung Fellachen anstellte, die zufällig in der Gegend wohnten, holte ein Petrie seine Facharbeiter aus Quft zu Altertümern irgendwo in Ägypten, weil nur sie ihm ermöglichen würden, diese Altertümer angemessen zu erforschen; und die Quftis folgten Petries Ruf. Erstens wegen dieser Herausbildung des Grabungsarbeitertums; zweitens wegen des Antikenhandels in Ägypten, den Einheimische wie umrissen aufbauten; drittens wegen ihrer zunehmenden Dienstleistungen für altertumsinteressierte Touristen276 spreche ich für das 19. Jahrhundert von einer »Archäologisierung« der Ägypter und einer »Ägyptisierung« der Ägypten-Archäologie.

275 Zu solchen Berichten: Weeks, Archaeology and Egyptology, 21 (Zitat); Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 133; beklagt schon 1950 von Cottrell, Egyptian Archaeology, 240. Mariettes ägyptologische Bibliographie: David, Mariette, 286-290. Ein »highly technical report« von ihm ist z.B. Mariette, Abydos (1869/70). 276 Zu den beachtlichen »Karrieremöglichkeiten« in Ägyptens Tourismusgewerbe: Legrain, Famille copte, 40.

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3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Zwischen 1898 und 1914 leiteten die deutschen Archäologen Borchardt, Steindorff, Möller, Rubensohn und Zucker mit wechselnden deutschen Assistenten insgesamt 21 archäologische Unternehmungen an, abhängig von der Zählweise, mindestens 18 verschiedenen Orten in Ägypten, die ich in dieser Studie berücksichtigen will:

3.1 Untersuchte archäologische Unternehmungen bzw. Kampagnen Archäologische »Unternehmungen« sind in folgender Liste Forschungen an einem Ort unter gewöhnlich einem Chefarchäologen über gegebenenfalls Jahre oder, bei den Papyrusbeauftragten Rubensohn und Zucker, an mehreren Orten innerhalb einer Arbeitssaison, die von der zweiten Hälfte eines Jahres bis in die erste des folgenden lief.1 Denn die Papyrusbeauftragten arbeiteten jeweils eher kurz an vielen Orten als länger an wenigen, und auch ihre Feldtagebücher fassen jeweils verschiedene Arbeitsorte zusammen. Die 21 zu untersuchenden Unternehmungen bestanden aus insgesamt 58 archäologischen Kampagnen, das heißt (Teil-)Unternehmungen an einem Ort oder einer Gruppe von Orten innerhalb einer Arbeitssaison: 2 Expeditionen; 8 Reisen zwecks Antikenkauf und Erkundungen; 48 Ausgrabungen. Die Liste vermerkt auch für jede Kampagne die verfügbaren Textquellen zu ihr: • • • •

1

T = Feldtagebücher; P = Publizierte Feldberichte, die auf ägyptische Arbeiter eingehen; L = Lohnlisten; D = Von Dritten hinterlassene Quellen (nach Kap. 1.2.3.1).

Gadys Statistik archäologischer Unternehmungen in Ägypten zwischen 1899/1900 und 1912/13 (o. Kap. 1.1.3) würde, bei den deutschen Archäologen, von meiner obigen Liste insofern abweichen, als Gady meinen Zeitraum nicht voll abdeckt und er auch innerhalb dieses Zeitraums Unternehmungen auslässt sowie einige (Teil-)Unternehmungen anders bzw. stärker zusammenfasst.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Fotografien von Grabungen (Kap. 1.2.1.4) sowie sonstige Dokumente (1.2.1.5) lässt die Liste außen vor, weil die Dokumente zu heterogen sind und die Fotografien sich oft nicht einer einzelnen Kampagne oder gar Unternehmung zuordnen lassen. Im folgenden Kap. 3 werde ich dennoch sämtliche von Deutschen hergestellten Quellen im Hinblick auf ägyptische Arbeiter auswerten. Der in der Liste genannte Zeitraum der Unternehmungen/Kampagnen entstammt den Tagebüchern oder, wo keine verfügbar sind, den publizierten Berichten. Er enthält gegebenenfalls den Auf- und Abbau bzw. die weitere Vorbereitung der Ausgrabung oder gar die innerägyptische An- und Abreise der deutschen Archäologen. Liste 3.1: Untersuchte archäologische Unternehmungen bzw. Kampagnen 1a: Unternehmung Borchardt, Schäfer, Abusir/Abu Gurob (1) Grabungskampagne I, 31.10.1898-4.2.1899 (P) (2) Grabungskampagne II, 11.1.-28.2.1900 (P) (3) Grabungskampagne III, 5.12.1900-17.4.1901 (P)

1b: Unternehmung Borchardt, Abusir (4) (5) (6) (7) (8)

Grabungskampagne I, 30.12.1901-6.5.1902 (T, P, L) Grabungskampagne II, 2.1.-10.4.1903 (T, P, L) Grabungskampagne III, 11.11.1903-19.5.1904 (T, P, L) Grabungskampagne IV, 28.1.-5.6.1907 (T, P, L) Grabungskampagne V, 26.7.1907-28.3.1908 (T, P, L)

2: Unternehmung Borchardt, (Tell el-)Amarna (9) Grabungskampagne I, 28.12.1906-20.1.1907 (T) (10) Grabungskampagne II, 8.2.-12.3.1908 (T) (11) Grabungskampagne III, 14.1.-15.4.1911 (T, P, D) (12) Grabungskampagne IV, 4.11.1911-28.3.1912 (T, P, D) (13) Grabungskampagne V, 11.11.1912-31.3.1913 (Haupt-), 12.-22.1.1913 (Nebengrabung2 ) (T, P, L, D) (14) Grabungskampagne VI, 13.11.1913-31.3.1914 (T, P, D)

3: Unternehmung Borchardt, Illahun (15) Grabungskampagne, 10.-30.6.1899 (T)

4: Unternehmung Steindorff, bes. Siwa (16) Expedition, 21.11.1899-29.1.1900 (T, P) (archäologisch erforscht wurden auf dem Rückweg von Siwa vor allem auch Zeitun und El-Bawiti) 2

In Tuna el-Gebel (»Amarna West«) unter Honroth, s. dessen separates Tagebuch.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

5: Unternehmung Steindorff, Nubien (17) Expedition, 3.3.-19.4.1900 (T)

6: Unternehmung Steindorff, Giza (18) Grabungskampagne I, 10.3.-14.6.1903 (T) (19) Grabungskampagne II, 30.1.-28.4.1905 (Haupt-), 16.2.-22.4.1905 (Nebengrbg.3 ) (T) (20)Grabungskampagne III, 25.1.-20.4.1906 (T, L) (21) Grabungskampagne IV, 18.1.-21.3.1909 (T, P) (22) Grabungskampagne V, 13.1.-10.4.1910 (T, P)

7: Unternehmung Steindorff, Abusir (23) Grabungskampagne, 23.2.-22.3.1910 (T)

8: Unternehmung Steindorff, Aniba (24) Grabungskampagne I, 31.12.1911-11.4.1912 (T) (25) Grabungskampagne II, 24.1.4 -28.3.1914 (Haupt-), 27.1.-9.3.1914 (Teilgrabung5 ) (T)

9: Unternehmung Steindorff, Qau (el-Kebir) (26) Grabungskampagne, 3.10.1913-23.1.6 1914 (T)

10: Unternehmung Möller, Abusir el-Meleq (27) Grabungskampagne I, 25.7.-3.11.1905 (T, P, L, D) (28) Grabungskampagne II, 29.9.-26.11.1906 (T, P, L)

11: Unternehmung Möller, Theben (29) Grabungskampagne I, 3.2.-13.3.1911 (T) (30) Grabungskampagne II, 18.2.-31.3.1913 (T)

12: Unternehmung Rubensohn, diverse Orte (1901/02) (31) Reise zu Antikenhändlern, antiken Stätten, Archäologen: Diverse Orte in Oberägypten (I), 3.-28.12.1901 (T) (32) Grabungskampagne Theadelphia, 3.2.-9.3.1902 (T, D)

3 4 5 6

Sphinxtempel, s. Nebentagebuch. Hauptgrabung: Friedhof. Grabungskampagne Aniba 1914 beginnt bereits in Tgb. Qau, 24.1. Stadtruine, s. Nebentagebuch. Hauptgrabung: Friedhof. Grabungskampagne Aniba 1914 beginnt bereits in Tgb. Qau, 24.1.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter (33) Grabungskampagne Abu Hamid, 10.-22.3.1902 (T, D) (34) Grabungskampagne Tebtunis, 23.3.-3.4.1902 (T, D) (35) Grabungskampagne Abusir el-Meleq (I), 3.-20.4.1902 (T, D)

13: Unternehmung Rubensohn, diverse Orte (1902/03) (36) Reise zu Antikenhändlern, antiken Stätten, Archäologen: Diverse Orte in Oberägypten (II), 29.11.-11.12.1902 (T) (37) Grabungskampagne Abusir el-Meleq (II), 9.2.-30.3.1903 (T) (38) Grabungskampagne Hermopolis (Magna) (I), 31.3.-28.4.1903 (T)

14: Unternehmung Rubensohn, diverse Orte (1903/04) (39) Reise zu Antikenhändlern, antiken Stätten: Diverse Orte im Fayyum (I) und in Oberägypten (III), 6.-27.11.1903 (T) (40) Grabungskampagne Abusir el-Meleq (III), 26.12.1903-9.3.1904 (T) (41) Grabungskampagne Hermopolis (Magna) (II), 10.-20.3.1904 (T)

15: Unternehmung Rubensohn, diverse Orte (1904/05) (42) Reise zu Antikenhändlern, antiken Stätten, Archäologen: Diverse Orte in Oberägypten (IV), 13.11.-3.12.1904 (T) (43) Grabungskampagne Hermopolis (Magna) (III), 5.12.1904-1.2.1905 (T) (44) Grabungskampagne Abusir el-Meleq (IV), 1.2.-17.3.1905 (T)

16: Unternehmung Rubensohn, diverse Orte (1905/06) (45) Reise zu Antikenhändlern: Diverse Orte in Oberägypten (V), 7.-mind.7 16.11.1905 (T) (46) Grabungskampagne Hermopolis (Magna) (IV), vor8 12.12.1905-30.1.1906 (T, L) (47) Grabungskampagne Elephantine (I), 30.1.-3.3.1906 (T, P)

17: Unternehmung Rubensohn, Elephantine (1906/07) (48) Grabungskampagne II, 9.12.1906-22.2.9 1907 (T, P, L)

18: Unternehmung Zucker, diverse Orte (1907)

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In Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 fehlen S. 13-26. In Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 fehlen S. 13-26. Lohnlisten von Kampagne 46 beginnen am 26.11.1905. Tagebuch nur bis einschließlich 23.1.; der sehr umfangreiche Eintrag unter diesem Datum berichtet aber offenbar auch Wesentliches aus den restlichen Grabungstagen (Müller, Elephantine 1. und 2. Kampagne, 87).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen (49) Reise zu Antikenhändlern, antiken Stätten, Archäologen: Diverse Orte im Fayyum (II) und in Oberägypten (VI), 10.-28.3.1907 (T)

19: Unternehmung Zucker, diverse Orte (1907/08) (50) Reise zu Antikenhändlern: Qena (I), El-Aschmunein (II), diverse Orte im Fayyum (III), 5.-9.8.1907 (T) (51) Grabungskampagne Elephantine (III), 14.10.1907-2.1.1908 (T, P) (52) Grabungskampagne Kom Ombo, 3.1.-8.3.1908 (T)

20: Unternehmung Zucker, diverse Orte (1908/09) (53) Reise zu Antikenhändlern, antiken Stätten, Archäologen: Diverse Orte in Oberägypten (VII) und im Fayyum (IV), 29.8.-15.9.1908 (T) (54) Grabungskampagne (bei) Abusir el-Meleq (V),10 15.-28.12.1908 (T) (55) Grabungskampagne Philadelphia, 28.12.1908-22.2.1909 (T) (56) Grabungskampagne Dimai (el-Siba) (I), 23.2.-12.3.1909 (T, P)

21: Unternehmung Zucker, diverse Orte (1909/10) (57) Grabungskampagne Dimai (el-Siba) (II), 12.12.1909-13.1.1910 (T, D) (58) Grabungskampagne Medinet Madi, 13.1.-3.2.1910 (T, D)

Die folgenden Abschnitte von Kap. 3 behandeln diese Fragen: Wie sind die archäologischen Unternehmungen hinsichtlich ihrer ägyptischen Arbeiter abgelaufen? (3.3). Wie haben die deutschen Archäologen mit den Arbeitern und über sie gesprochen? (3.4). Und welches Bild hatten die Archäologen von den Arbeitern? (3.5). Doch zuvor müssen wir den Unternehmungen den Ort zuweisen, an dem sie in der Geschichte der Ägypten-Archäologie stehen (3.2). Dieser Kontext, dessen Vorgeschichte wir in Kap. 2 verfolgt haben, wirkte sich nämlich, wie in 1.5 bemerkt, auf Rolle und Arbeitsbedingungen der Arbeiter aus. Abzulesen ist der Kontext an den Profilen der deutschen Archäologen (3.2.1); ihren Arbeitsorten (3.2.2), ihrem Verkehr mit dem ägyptischen Antikendienst (3.2.3), ihrem Verhältnis zu Deutschland und Archäologen aus anderen Ländern in Ägypten (3.2.4), und, womit Kap. 3.2.1-4 zusammen- und weitergeführt werden, an ihren archäologischen Ansprüchen bzw. ihrer Arbeitspraxis (3.2.5).

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Laut Tagebuch »Gäbäl Abusir«. Das war ein »niedrige[r] Wüstenhügel« (gebel ist arab. für »Berg«), 14 Kilometer lang und 3 bis 4 Kilometer breit; das Dorf bzw. Rubensohns und Möllers antiker Grabungsplatz Abusir el-Meleq lagen am »Nordostende« des Hügels (Rubensohn/Knatz, Ausgrabungen Abusir el Mäläq 1903, 1).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

3.2 Die Unternehmungen im archäologiehistorischen Kontext Über ein halbes Jahrhundert nach den letzten großen Forschungen eines deutschen Archäologen in Ägypten – Karl Richard Lepsius in den Jahren 1842 bis 1845 (denn Heinrich Brugsch bzw. Johannes Dümichen beließen es in den 1850er bzw. 1860er Jahren [Kap. 1.1.3] bei bloßen Aufnahmen von Altertümern) – kehrten Lepsius’ Landsleute 1898 im großen Stil an den Nil zurück und gruben dort von Jahr zu Jahr, bis sie im Sommer 1914 aufgrund des Weltkriegs aus Ägypten vertrieben wurden. Adolf Erman, nach wie vor der unbestrittene Doyen der deutschen Ägyptologie, blieb zwar »Schreibtisch«-Ägyptologe, genauso wie seine Schüler und Fortführer der philologischen »Berliner Schule« (Kap. 1.1.2), die Deutschen Kurt Sethe (1869-1934) und Hermann Grapow (1885-1967). Letzterer erblickte noch 1952 den »Mittelpunkt« der Ägyptologie in der »Bemühung um Schrift und Sprache und Texte«. Denn »[k]önnten wir die Hieroglyphen nicht lesen, verständen wir die ägyptische Sprache nicht, so schwebte auch alles, was die ägyptische Archäologie (Denkmälerkunde) erarbeitet, völlig in der Luft«.11 Doch nicht weniger, als Grapow und Sethe zu den wichtigsten Vertretern dieser dritten Generation deutscher Ägyptologen gehörten – sofern Lepsius die erste und Erman die zweite anführte –, gehörten zu ihr die Archäologen Ludwig Borchardt und Georg Steindorff, und zwar wesentlich aufgrund ihrer archäologischen Tätigkeit, die jeweils in meinem Untersuchungszeitraum ihren Höhepunkt erreichte, und die sie beide als wesentlichen Bestandteil des Ägyptologenberufes ansahen. Mit Borchardts Konsulatsposten (1899-1907) bzw., ab 1907, dem von ihm geleiteten Kaiserlich-Deutschen Institut für Ägyptische Altertumskunde besaßen die deutschen Archäologen eine institutionelle Basis in Kairo (Kap. 1.1.3), die ihnen die Umsetzung ihrer Feldvorhaben erheblich erleichterte. Die nötigen Geldmittel konnten das deutsche Generalkonsulat bzw. das Institut zwar nicht zur Verfügung stellen, doch die Archäologen fanden verschiedene andere Finanziers: vor allem die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG) bzw. ihr Mäzen, der deutsche Industrielle James Simon (1851-1932; Ausgrabungen Abusir unter Borchardt; Abusir el-Meleq unter Möller; Tell el-Amarna); weitere deutsche Privatmäzene wie der Baron Friedrich Wilhelm von Bissing (1873-1956; Ausgrabung Abusir/Abu Gurob), der Industrielle Ernst (ab 1907: von) Sieglin (1848-1927; Siwa- und Nubien-Expedition; Ausgrabungen Giza 1909/10; Abusir unter Steindorff; Qau el-Kebir, Aniba) und der Geschäftsmann Wilhelm Pelizaeus (1851-1930; Ausgrabung Giza 1903-1906), sowie der preußische Staat bzw. die Berliner Museen (Papyrusunternehmen).12

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Grapow, Erforschung des alten Ägypten, 112. Zu Grapow ferner Gertzen, École de Berlin, 227-231; zu Sethe: ebd., 158-186; Helck, Ägyptologie an deutschen Universitäten, 10f. Zur Finanzierung von Abusir/Abu Gurob, Abusir el-Meleq unter Möller und des Papyrusunternehmens: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 72, 80, 82; zur DOG: Wilhelm, Deutsche Orient-Gesellschaft; zu ihrer frühen Zeit: Meyer, Deutsche Orient-Gesellschaft; zu Simons Mäzenatentum: Matthes, Nofretete, 427f.; zur Finanzierung der Unternehmungen Steindorffs: Felber et al., Karawane nach Siwa, 12f.; Raue, Steindorff Ausgrabungen, 407f. mit Anm. 29; 435, 446.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

3.2.1 Die deutschen Chefarchäologen und ihre deutschen Assistenten Bei einer Grabung wurden die Archäologen in der Regel von mindestens einem deutschen Assistenten unterstützt. Denn wenn der Grabungsleiter krank oder zwecks Besorgungen oder anderer Geschäfte vorübergehend abwesend war, mussten die Arbeiten von einem anderen Deutschen geleitet werden; wären im Laufe einer Grabung alle Deutschen ausgefallen, hätte man sie womöglich abgebrochen.13 Nur jeweils ausnahmsweise, für höchstens wenige Wochen, gezwungenermaßen und zu seinem Leidwesen blieb ein Deutscher bei Grabungen »allein«, wenn seine bisherigen oder die für ihn vorgesehenen deutschen Assistenten wegen anderer Verpflichtungen nicht mehr oder noch nicht vor Ort waren.14 Da es uns aber nicht um die deutschen Teilnehmer der Unternehmungen, sondern um deren ägyptische Arbeiter geht, verzichte ich auf eine vollständige Aufstellung der deutschen Assistenten und ihrer Einsätze. Ohnehin gibt es zu den meisten von ihnen kaum Literatur – einer der Gründe, warum ich beschlossen habe, die Feldtagebücher nur unter dem Namen des jeweiligen Chefarchäologen anzuführen (Kap. 1.2.1.1). Doch auch die Personen der Chefarchäologen interessieren uns hier nur bedingt. Es genügt, in diesem Abschnitt zu skizzieren, um welche Typen von Forschern es sich bei den Chefs und Assistenten handelte. Dreh- und Angelpunkt der deutschen Archäologie in Ägypten im Untersuchungszeitraum war Ludwig Borchardt (1863-1938). Als dauerhaft in Kairo ansässiger archäologischer Attaché des deutschen Generalkonsulats (1899-1907) bzw. Direktor des Kaiserlich-Deutschen Instituts für Ägyptische Altertumskunde (1907-1929) leitete er zum einen selbst Ausgrabungen und leistete zum anderen den Unternehmungen Steindorffs, Möllers und der Papyrusbeauftragten maßgebliche Unterstützung, indem er die Kollegen gegenüber dem Antikendienst vertrat (Kap. 3.2.3), ihnen einige ägyptische Arbeiter beschaffte (3.3.3.2), ihnen archäologisch-ägyptologische Ratschläge erteilte und so fort. Borchardt hatte in Berlin nicht nur Ägyptologie (unter Adolf Erman), sondern zugleich Architektur studiert und, bevor er 1895 nach Ägypten ging, in Preußen als »Regierungsbaumeister« gearbeitet. Infolge dessen interessierten ihn an Ägyptens antiken Stätten vor allem die Bauwerke. Trotzdem übernahm er im April 1901 auch den Auftrag, für die »Berliner Papyruskommission« im ägyptischen Antikenhandel nach Papyri zu suchen,

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Z.B.: Zu einem möglichen Abbruch: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 164; Vertretung des kranken Rubensohn: ebd., 170; des abwesenden: Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Hermopolis, 36. Zucker vertritt den nach Kairo reisenden Möller für 24 Stunden in Abusir: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 98-101. Ferner Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 47 (»Da H[inrichs] infolge einer Darmerkrankung verhindert ist die Arbeiten persönlich zu leiten werden die [Arbeiter] bis auf weiteres bei der Friedhofsgrabung [d.h. unter einem anderen Deutschen] beschäftigt«). Vgl. u. Kap. 5.1. Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 27f. (Möller für drei Wochen »allein«; dazu auch ders. et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 50f.); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 49, 102; 1908/09 Philadelphia, 228, 246 (Zucker jeweils für zweieinhalb Wochen »allein«); Borchardt, Ne-Woser-Re, 80 (Borchardt für zweieinhalb Wochen »allein«, zum Preis »manche[r] Fehler« und »Unterlassungssünde«). Zur archäologischen Notwendigkeit für einen Grabungsleiter, qualifizierte Assistenten (möglichst mehr als einen) an seiner Seite zu haben: Reisner, Archaeological Fieldwork, 102.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

bevor im Oktober des Jahres der erste hauptamtliche Mitarbeiter der Kommission (sowie später des »Deutschen Papyruskartells«), Rubensohn, an den Nil kam.15 Georg Steindorff (1861-1951) war ebenfalls von Erman, aber auch in Göttingen, zum Ägyptologen ausgebildet worden und ab 1893 außerordentlicher; ab 1904 ordentlicher Professor in Leipzig (-1934). Nach bedeutenden Forschungen zur koptischen Sprache wandte er sich, beginnend mit den Expeditionen nach Siwa und Nubien 1899/1900 und der ersten Giza-Grabung 1903, der Feldarchäologie zu – was ihm 1904 dabei geholfen haben mag, zum Ordinarius aufzusteigen.16 Andererseits fehlten Steindorff im Feld die Kenntnisse in »Vermessungstechnik und Bauaufnahme«, die Borchardt in seinem Architekturstudium erworben hatte. Aufgrund dessen war der Leipziger zumindest bei seinen frühen Grabungskampagnen besonders auf Borchardts Hilfe angewiesen.17 Dieser half dann nicht nur selbst (auch durch Teilnahme an Steindorffs Nubien-Expedition 1900), sondern vermittelte unter anderem deutsche Regierungsbaumeister als Grabungsassistenten.18 Gleichfalls Borchardts Hilfe benötigten die beiden Gesandten der Berliner Papyruskommission und des Deutschen Papyruskartells. Denn während Steindorff Ägyptologe, aber ursprünglich kein (Feld-)Archäologe war, war Friedrich Zucker (1881-1973) keines von beidem, sondern er war altgriechischer Philologe; und sein Vorgänger Otto Rubensohn (1867-1964) war zwar Archäologe, aber kein Ägyptologe, sondern Klassischer Archäologe und, wie Zucker, Gräzist. Bevor Rubensohn 1901 für die Berliner Papyruskommission (bzw. ihr »Preußisches Papyrusunternehmen«) nach Ägypten ging, hatte er 1898/99 bei der deutschen Grabung in Abu Gurob ausgeholfen,19 aber hauptsächlich in Griechenland gegraben. Deswegen ließ er sich später »in ägyptologischen Fragen« ebenso wie Zucker, der ihn 1907 in Ägypten ablöste, von Borchardt und anderen Ägyptologen beraten.20 Für die Papyruskommission bzw. das -kartell waren Gräzisten insofern die richtigen Männer, als sie aus Ägypten griechische Papyri, aus der Epoche der griechisch-römischen Herrschaft (4. Jahrhundert v.-4. Jahrhundert n. Chr.), beschaffen sollten.21 Dennoch haben weder Rubensohn noch Zucker nach Ende ihres jeweiligen Papyrusauftrags 1907 bzw. 1910 jemals wieder in Ägypten gearbeitet. Für ihre »sachkundige Unterstützung« dankte Rubensohn an der zitierten Stelle seines Abusir-el-Meleq-Berichts auch den Ägyptologen Möller und Schäfer – zwei weitere Erman-Schüler. Georg Möller (1876-1921), von 1904 bis 1907 Borchardts Assistent am

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Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 82f. Raue, Steindorff Ausgrabungen, 403f. Raue, Steindorff Ausgrabungen, 404f. (Zitat: 404). Borchardt unterwies Steindorff auch in organisatorischen Dingen wie der Rechnungsführung (u. Kap. 3.3.9.3) einer Grabung (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 183). Zu Steindorffs deutschen Assistenten: Raue, Steindorff Ausgrabungen, 405f., 426f., 435, 445. Borchardt, Ne-Woser-Re, 79f.; Kuckertz, Rubensohn (2015), 45f. Rubensohn/Knatz, Ausgrabungen Abusir el Mäläq 1903, 21 Anm. 1; vgl. Kuckertz, Rubensohn (2020), 50. Zucker wurde 1907 bei seiner Grabung auf Elephantine von dem deutschen Ägyptologen Günther Roeder (1881-1966) besucht, um von ihm Auskunft zu erhalten »über verschiedene Dinge, in denen wir als Nicht-Ägyptologen ganz verlassen sind« (Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 212). Primavesi, Papyruskartell, 174.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Kairener Generalkonsulat, setzte 1905 und 1906 die vorher von Rubensohn geleitete Ausgrabung in Abusir el-Meleq fort, an deren zweiter Kampagne 1903 und vor allem dritter 1903/04 er bereits mitgewirkt hatte. 1905/06 half Möller Rubensohn in Hermopolis; 1903 und 1907 grub er auf Borchardts zweiter und vierter Abusir-Kampagne;22 1903, 1905 und 1906 auf Steindorffs Kampagnen in Giza. Anfang 1907 erkundete er mit in Tell el-Amarna. 1911 und 1913 leitete er Kurzgrabungen in Theben. Er starb 1921 an den Spätfolgen seines Weltkriegseinsatzes. Heinrich Schäfer (1868-1957) leitete die Ausgrabungen in Abusir bzw. dem angrenzenden Abu Gurob der Jahre 1898 bis 1901 im Wechsel mit Borchardt. Für einen Monat der Saison 1898/99 wurde Schäfer wie eben erwähnt von Rubensohn vertreten, welcher damit zum ersten Mal nach Ägypten kam. Nach Abusir/Abu Gurob unternahm Schäfer, der eigentlich am Berliner Ägyptischen Museum von 1893 bis 1914, als er selbst Direktor wurde, als Ermans Direktorialassistent fungierte, in Ägypten keine Grabungen mehr, sondern »nur« noch archäologische Aufnahmen sowie Forschungen zur nubischen Sprache.23 Bereits 1900 hatte er an Steindorffs Nubien-Expedition teilgenommen und dabei neben archäologischen Forschungen zu Altertümern auch ethnologische und linguistische zu den lebenden Nubiern angestellt.24 Bei den Ausgrabungen in Abusir (ab 1901/02) und Amarna beschäftigte Borchardt neben einem Ägyptologen wie Möller verschiedene deutsche Regierungsbaumeister25 – teils dieselben, die er auch Steindorff schickte. Der bedeutendste war Uvo Hölscher (1878-1963), der sich zum renommierten Experten für altägyptische Bauwerke entwickelte und nach 1914 noch viele weitere Jahre in Ägypten grub. Er verstärkte Borchardt bei der vierten und fünften Kampagne in Abusir 1907 und 1907/08 sowie der zweiten und dritten in Amarna 1908 und 1911, und Steindorff 1909 und 1910 in Abusir bzw. bei der vierten und fünften Kampagne in Giza. In Abusir 1907 und 1907/08 half übrigens auch Friedrich Zucker aus.26

3.2.2 Wahl der Arbeitsorte Der englische Naturforscher und Reisende Edward Daniel Clarke (1769-1822) wunderte sich, als er 1801 in Ägypten weilte und für die britische Armee zusammen mit Hamilton (o. Kap. 2.1.1) die von Napoleons savants gesammelten antiken Monumente sicherstellte, über »the scarcity of those antiquities which appear so common in all the museums of

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Entgegen Voss (Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 75) scheint Möller an der dritten Abusir-Kampagne 1903/04 nicht teilgenommen zu haben (Borchardt, Ne-User-Re, 168). Z.B. Schäfer/Junker, Bericht Nubien Expedition. Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, bes. 11-14. Zu diesen: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 75, 88f., 93, 95, 98; Mode, Amarna (1983), 32-39. Zur Tätigkeit der Archäologen bei den untersuchten Unternehmungen (zu diesen selbst weiter u. Kap. 3.2.2.1): Borchardt, Schäfer, Möller: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 64-98; Steindorff: Raue, Steindorff Ausgrabungen, 402-450; Rubensohn: Kuckertz, Rubensohn (2015), 41-58; Zucker: Schmidt, Zucker, 298f.; Hölscher: Loeben, Hölscher, 145-148. Jeder der in diesem Abschnitt namentlich genannten Archäologen hat überdies einen Eintrag in Bierbrier, Who Was Who in Egyptology (sc. Borchardt: 68f.; Hölscher: 261f.; Möller: 378f.; Rubensohn: 477f.; Schäfer: 490f.; Steindorff: 524f.; Zucker: 599f.).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Europe«.27 In meinem Untersuchungszeitraum, einhundert Jahre später, waren Ägyptens antike Stätten besser bekannt. Andererseits waren viele inzwischen von Archäologen bearbeitet oder von Räubern geplündert worden; und allein zwischen 1899/1900 und 1912/13 liefen in Ägypten neben den 32 deutschen Feldprojekten insgesamt 213 von vor allem britischen, französischen, US-amerikanischen und italienischen Archäologen, zuzüglich jener des Antikendienstes selbst.28 Archäologen aus Deutschland wie anderswo standen also, wenn sie ein neues Projekt beginnen wollten, vor zwei Fragen. Erstens: Welche antiken Stätten waren noch oder wieder »frei«? Zweitens: Welche von diesen enthielten voraussichtlich noch lohnende Funde? Und wo innerhalb der mitunter sehr ausgedehnten Stätten befanden sie sich?

3.2.2.1 Antike Stätten Die Oase Siwa in der Libyschen Wüste, deren Orakel Alexander der Große im 4. Jahrhundert v. Chr. besucht hatte, war so abgelegen, dass Steindorff 1899/1900 der erste Altertumswissenschaftler – im Gegensatz zu Natur- oder Volkskundlern oder aber vorwissenschaftlichen Reisenden – war, der sie untersuchte – auf Anregung und in Begleitung des Freiherrn Curt von Grünau (1871-1939), der die Oase 1898/99 voruntersucht hatte,29 nachdem er Militärattaché am deutschen Generalkonsulat in Kairo geworden war. In Siwa und der auf dem Rückweg passierten Oase El-Bahriyya wurden Altertümer aufgenommen; gegraben wurde nur vereinzelt, weil man vorher nicht wusste, was die als aggressiv verrufenen Siwis zulassen würden.30 Von der Oase El-Bahriyya kehrte die Siwa-Expedition im Januar 1900 über das Fayyum zum Nil zurück, anstatt vorher in der Libyschen Wüste weitere Oasen zu besuchen. Mit den dadurch eingesparten Geldmitteln unternahm Steindorff von März bis April 1900 zusammen mit Grünau, Borchardt, Schäfer und dem deutschen Klassischen Archäologen Hermann Thiersch (1874-1939) eine Expedition nach Nubien, zur Erforschung vor allem der altägyptischen Grenzfestungen südlich Wadi Halfas (2. Nil-Katarakt). Dort und auf dem Weg dorthin wurde jedoch aus Zeitmangel wie auf der Siwa-Expedition nur vereinzelt gegraben.31 Trotzdem brachten beide Expeditionen reichen wissenschaftlichen Ertrag, und Steindorff konnte sich vor allem durch die nach Siwa als unerschrockener Feldforscher profilieren, der drei Jahre später große Ausgrabungen in Giza beginnen durfte.32 Die Pyramiden von Giza, zusammen eines der Sieben Weltwunder, bilden die berühmteste antike Stätte in Ägypten – vor Steindorff erforscht von Vyse, Smyth und Petrie, wie unter Kap. 2.1 beschrieben; aber auch von Napoleons savants, Lepsius und Mariette. Die alten Ägypter hatten jedoch nicht nur in den Pyramiden selbst, sondern auch auf dem sie umgebenden Gelände hochgestellte Tote begraben. Ende des 19.

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Clarke, Travels, 184. Gady, Pharaon, 1163. Grünau, Reise nach Siwah. Felber, Expedition zur Oase Siwa, 10, 13f.; Siwa – Bahrija, 48f., 54. Zu Steindorffs ursprünglichen Bedenken: Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 44. Steinmann, Nubien (2000); Borchardt, Altägyptische Festungen. Raue, Steindorff Ausgrabungen, 402-404.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Jahrhunderts lagen diese Friedhöfe größtenteils immer noch unter Sand und Schutt, sodass sich mehrere Archäologen um sie bewarben: der US-Amerikaner George Andrew Reisner (1867-1942), der Italiener Ernesto Schiaparelli (1856-1928), und Steindorff nach der Mitteilung von Borchardt, dass der Antikendirektor Maspero gerne auch die Deutschen an Giza beteiligen wolle. Maspero loste den drei Parteien dann jeweils einen Teil der Nekropole zu. Steindorff bzw. der ihn vertretende Borchardt erhielt den Mittelstreifen des sogenannten Westfriedhofs, westlich der Cheops-Pyramide, sowie den Bezirk der Chephren-Pyramide, dessen Tempel den Bauforscher Borchardt besonders interessierten.33 Von 1903 bis 1906 widmete sich Steindorff dem Friedhof; 1905 daneben, auf Anregung und Kosten Borchardts, dem sogenannten Sphinxtempel, südlich der Großen Sphinx.34 1909 und 1910 arbeitete Steindorff, inzwischen unterstützt von dem Bauforscher Hölscher, bei den übrigen Chephren-Tempeln. Von Giza versprachen sich die Deutschen offenbar »hauptsächlich […] Proben der Kunst des a[lten] R[reiches] für unsere Museen«.35 Die Stätte von Abu Gurob, etwa zehn Kilometer südlich von Giza, stammt ebenfalls aus Ägyptens »Altem Reich« (ca. 27.-22. Jahrhundert v. Chr.). Das Berliner Ägyptische Museum erwarb 1898, über das Kairener Generalkonsulat, im Kairener Antikenhandel ungewöhnliche Reliefs, deren Ursprung nach Abu Gurob zurückverfolgt wurde. Da die Reliefs zu einem Tempel zu gehören schienen, identifizierte Borchardt die Ruinen von Abu Gurob im Gegensatz zu manchen früheren Forschern als Sonnentempel des Pharaos »Ne-Woser-Re« (Niuserre), und schlug vor, sie freizulegen. »[G]rosse Funde für ein Museum« seien zwar, berichtete er nach einer Ortsbegehung an die Berliner Museen, »wohl kaum zu erwarten«, weil »die Reliefs […] wohl schon alle fortgeholt sein werden. […] Ein grosses wissenschaftliches Interesse liegt jedoch immer noch vor, […] da wir hier die erste bekannt gewordene grössere Tempelanlage aus dem alten Reiche vor uns haben«.36 Wie in Giza folgte Borchardt hier seinen architektonischen Interessen, wenngleich sich in Abu Gurob dann doch noch »eine beträchtliche Anzahl« »farbige[r] Reliefs« fanden, »von denen ein beträchtlicher Teil in das Berliner Museum überging«.37 1901 musste Borchardt die Stätte vorzeitig aufgeben, weil der Finanzier Friedrich Wilhelm von Bissing sich mit ihm und den Berliner Museen, die die Grabungskonzession hielten, überworfen hatte.38 Darum wechselte Borchardt am Jahresende, nachdem die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG) als neue Trägerin gewonnen worden war, nach Abusir, etwa eineinhalb Kilometer – einen zwanzigminütigen Eselsritt39 – südöstlich Abu Gurobs.

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Spiekermann/Kampp-Seyfried, Giza Ausgrabungen Steindorff, 9f.; Der Manuelian, Giza, 139-146. Dass Maspero gleich drei Gruppen von Archäologen an die Pyramiden setzte, lag auch daran, dass er diese berühmtesten aller altägyptischen Stätten besonders dringend vor Zerstörung bewahren wollte (Tyldesley, Egypt, 144f.; vgl. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 229; Bd. 3, 106). Zu Reisners Grabungsalltag in Giza: Der Manuelian, March 1912. Spiekermann/Kampp-Seyfried, Giza Ausgrabungen Steindorff, 61f.; Borchardt zum Sphinxtempel: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 192. Raue, Steindorff Ausgrabungen, 408. Borchardt, Ne-Woser-Re, 1-6 (Zitate: 6). Borchardt, Ausgrabungen Abusir (1901), 4f. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 74. Borchardt, Ne-Woser-Re, 2.

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Aus dem Pyramidenfeld von Abusir, das wie Giza zu den wichtigsten Nekropolen des Alten Reiches gehört, waren 1893 Papyri in den Handel gekommen.40 Nachdem dort 1899 außerdem Wächter des Antikendienstes nach einem Gewitterregen einen bisher unbekannten Mauerzug aus dem Schutt hatten treten sehen, beging Borchardt die Stätte und fand vielversprechende Überreste eines Totentempels (des Pharaos Ne-User-Re – alternative Schreibweise für Abu Gurobs Ne-Woser-Re/Niuserre).41 1900 unternahm Borchardts Kollege in Abu Gurob Schäfer eine Versuchsgrabung an einem weiteren Abusir-Tempel (dem des Pharaos Nefer-Ir-Ke-Re).42 Schließlich gruben Borchardts Mannschaften in Abusir diese zwei und einen weiteren königlichen Totentempel bzw. die jeweiligen Ruinen aus: von 1901 (30.12.)/1902 bis 1904 den Tempel des »Ne-User-Re« (Niuserre), 1904 und 1907 den des »Nefer-Ir-Ke-Re« (Neferirkare) (weitere Versuchsgrabung: 1903) sowie 1907 und 1908 den des »Sahu-Re« (Sahure). Zusätzlich wurden zwischen 1902 und 1908 für mögliche (doch niemals verwirklichte) zukünftige Projekte an anderen Stellen von Abusir Versuchsgrabungen durchgeführt.43 Steindorff half 1900, nach seiner Rückkehr aus Siwa, Borchardt für eine Woche in Abu Gurob aus.44 1910 führte Steindorff, während seiner Grabung in Giza, seinerseits eine Versuchsgrabung in Abusir, auf einem Gräberfeld, durch, weil (Grabungs-?)Arbeiter aus Abusir beim Bau eines Hauses an der Grenze ihres Dorfes antike Steingefäße gefunden hatten.45 Steindorff hoffte, mehr davon für seine Leipziger Sammlung auszugraben.46 Borchardt indes musste Abusir 1908 verlassen, da in den Augen der DOG er zu eigenmächtig und die Kosten zu hoch geworden waren. Der Bauforscher hätte nämlich von dem Abusir-Komplex gerne nicht nur jene drei Totentempel, die jeweils an eine Pyramide angeschlossen sind, freigelegt, sondern so viel wie möglich. Die DOG, die sich weniger an Altertumswissenschaftler als an eine breite Öffentlichkeit wandte, bevorzugte hingegen Reliefs, Statuen und andere sozusagen schöne Einzelfunde, die man ausstellen konnte.47 An einer Stätte weit weg von Abusir gelang es Borchardt jedoch, beide Interessen zu vereinen: Tell el-Amarna in Mittelägypten, die Hauptstadt des rätselhaften, monotheistischen Pharaos Echnaton (geb. Amenophis IV.; 14. Jahrhundert v. Chr.).48 1899 hatte Borchardt dortige Altertümer mit Steindorff, der anschließend nach Siwa weiterreiste, fotografiert und für das Berliner Wörterbuch (o. Kap. 1.1.2-3) Inschriften kopiert.49 Seit Napoleons savants hatten Champollion, Lepsius und viele andere europäische Archäologen

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Borchardt, Nefer-Ir-Ke-Re, 1. Borchardt, Ne-User-Re, 1f.; Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 74. Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1899/1900, 101-103. Zu Ablauf und Ergebnissen von Borchardts Grabungen in Abusir neben seinen eigenen Feldberichten und Monographien ferner Krauss, Abusir; Voss, Zeltlager Borchardt Abusir. Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 294, 306-316; Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1899/1900, 100. Borchardt, Vorjährige Ausgrabungen (Klio 1911), 264; Steindorff, Vorwort (Abusir). Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 1; Raue, Steindorff Ausgrabungen, 427. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 80f. Lipson, Akhenaten. Kampp-Seyfried, Amarna.

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in Amarna geforscht bzw., seit den 1880er Jahren, gegraben und beachtliche Entdeckungen gemacht.50 Doch einzigartig war Amarna vor allem insofern, als die alten Ägypter es fünfzehn Jahre nach seiner Erbauung, als Echnaton gestorben war, plötzlich verlassen und dann nie mehr überbaut hatten. Somit »bot sich hier […] die einmalige Chance, einen altägyptischen Siedlungsverband in seiner ursprünglichen Anlage auszugraben«.51 Die antiken »Prachtstücke« aus Amarna, die 1905/06 in den ägyptischen Antikenhandel kamen, legten außerdem nahe, dass diese Stätte hinsichtlich »Funde[n] für Museen […] noch nicht erschöpft« war.52 Unter Verweis hierauf überzeugte Borchardt die DOG bzw. ihren Mäzen James Simon, eine Versuchsgrabung zu finanzieren, die 1906 (28.12.)/1907 erfolgreich verlief. Im Jahr darauf errichtete Borchardts Mannschaft, parallel zu den Grabungen in Abusir, ein Grabungshaus in Amarna; die Ausgrabung selbst musste dort jedoch warten, da Abusir die Geldmittel der DOG verschlungen hatten.53 Erst in den Jahren 1911 bis (März) 1914 wurden in Amarna dann in vier Kampagnen verschiedene Häusergruppen freigelegt.54 Unterdessen verlagerte Steindorff seine Arbeit in Ägypten von Giza bzw. Abusir noch weiter nach Süden als Amarna: nach Nubien. Dieses Nachbargebiet der altägyptischen Zivilisation, südlich des ersten Nil-Katarakts bei Assuan, war von Belzoni oder auch Lepsius durchquert, danach aber kaum mehr erforscht worden. Steindorff erkundete es zuerst auf seiner Expedition 1900 und fand dort die noch weitgehend von Sand bedeckten Ruinen von Aniba, der Hauptstadt des antiken Unternubien, besonders bemerkenswert.55 Von 1907 bis 1910 grub, in US-amerikanischem Auftrag, der Brite David Randall-MacIver (1873-1945) in der Gegend; und 1911/12, in österreichischem Auftrag, der Deutsche Hermann Junker (1877-1962).56 Laut Junker tauschte Steindorff aber schon 1911, als die beiden Archäologen im Sommer bei einer Museumseröffnung in Hildesheim zusammentrafen, seine Konzession für Giza mit Junkers für die Gegend von Aniba; Steindorff selbst behauptete, er habe MacIvers Konzession übernommen. Wie dem auch sei, während Junker ab Januar 1912 in Giza grub, tat Steindorff es 1911 (31.12.)/1912 sowie 1914 auf Friedhöfen in Aniba (1914 zusätzlich in der Stadtruine), bevor der Weltkrieg die Unternehmung bis 1930 unterbrach.57 50 51 52 53 54

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Mode, Amarna (1983), 1-11. Krauss, Amarna, 82. Borchardt, Voruntersuchung Amarna, 14, 31 (Zitate: 31). Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 87-89. Ohne den Weltkrieg hätten die nach seinem Ausbruch (Juli 1914) aus Ägypten verwiesenen Deutschen weitere Kampagnen angeschlossen. Zu ihren vergeblichen Bemühungen nach dem Krieg, die Grabungskonzession für Amarna, die dann an die Briten überging, zurückzuerlangen: Gertzen, Anglo-Saxon Branch of Berlin School, 40-46. Steinmann, Nubien, 79-81. Zu MacIver: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 274f.; zu Junker: Jánosi, Österreich vor Pyramiden, 28. Steinmann, Steindorff in Nubien; zur Frage des Tausches auch Raue, Steindorff Ausgrabungen, 436; Helmbold-Doyé, Forschungsgeschichte (Aniba), 6. Steindorffs Kollegen Möller wurde am Ende seiner Grabung in Theben im März 1911 von Arthur Weigall, dem Inspektor des Antikendienstes für Oberägypten (u. Kap. 3.2.3 Anm. 95), Folgendes gesagt: »[W]enn wir [d.h. die deutschen Ägyptologen] je wieder innerhalb seines Bezirkes zu graben beabsichtigten, so empfehle er uns dringend Anib[a], das die Amerikaner (MacIver) aufge-

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1913/14 erlaubten die Mittel des Mäzens Ernst von Sieglin Steindorff zudem, eine Grabungskampagne an den Fürstengräbern von Qau el-Kebir in Mittelägypten einzuschieben; eine von der Archäologie vernachlässigte Stätte des Mittleren Reiches (ca. 21.-17. Jahrhundert v. Chr.), die Steindorff auf der Durchreise 1912/13 aufgefallen war.58 Das Preußische Papyrusunternehmen grub selbstverständlich dort, wo Aussicht auf griechische Papyri bestand. In der Tat haben sich in Ägypten, mit Ausnahme des feuchten Nildeltas, wegen einerseits der reichen Produktion und andererseits des trockenen Klimas mehr antike Papyri erhalten als im übrigen Mittelmeerraum – vor allem in Gräbern, Hausruinen und Abfallhaufen der griechisch-römischen Zeit.59 Die dazugehörigen, recht unscheinbaren Stätten waren weniger erforscht worden als die monumentalen Pyramiden und Tempel früherer Epochen. Ab den 1870er Jahren fanden aber Bauern, die an antiken Stätten aus Lehmziegelresten Dünger (arab.: sebach) entnahmen, teilweise große Mengen von Papyri, und gaben sie in den Antikenhandel. Flinders Petrie sowie seine britischen Landsleute Bernard P. Grenfell (1869-1926), Arthur S. Hunt (1871-1934) und David G. Hogarth (1862-1927) gruben daraufhin vor allem an Fundstellen im Fayyum – mit hohem Papyrusertrag.60 Dies regte den deutschen griechisch-römischen Papyrologen Ulrich Wilcken (1862-1944) dazu an, 1898/99 in Herakleopolis Magna seinerseits nach Papyri zu graben.61 Zuvor erkundete er in Ägypten die Überreste anderer griechischer Siedlungen. Auf seiner Ägypten-Reise begleitete ihn Heinrich Schäfer. Im Sommer 1899 grub außerdem Borchardt für zwei Wochen in Illahun für die Berliner Museen nach Papyri, nachdem welche von dort im Kairener Antikenhandel erschienen waren.62 Der Erfolg von Wilckens und sicherlich auch Borchardts Papyruserkundungen trug 1901 bzw. 1902/03 zur Gründung der Berliner Papyruskommission bzw. des Deutschen Papyruskartells bei;63 in letzteres trat Wilcken für seine Universität Würzburg ein.64 Rubensohn und Zucker gruben für die Kommission dann an den von Wilcken erkundeten Stätten Elephantine, Kom Ombo und Hermopolis (Magna) (beim modernen El-Aschmunein),65 sowie an den Stätten Theadelphia (bei Batn Ehrit), Abu Hamid, Tebtunis (bei Umm el-Baragat), Philadelphia (arab.: Kom Darb Girza),66 Dimai el-Siba und Medinet

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geben hätten. Der [Antikendienst] könne den Friedhof […] nicht weiter schützen, es läge ihm viel daran, daß er ausgegraben würde. Wir könnten MacIver wegen der Aussichten einer Grabung befragen« (Möller et al., Tgb. Theben 1911, 137). War diese Empfehlung einer der Gründe oder sogar der Grund, warum Steindorff nach Aniba ging? Raue, Steindorff Ausgrabungen, 446; Steindorff, Allgemeines (Qâw), 1f. (2: Im März 1913 reiste Möller, von seiner Grabung in Theben aus, nach Qau, um die Stätte für Steindorff noch einmal zu begutachten; im Ergebnis empfahl Möller eine [Versuchs-]Grabung [vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1913, 78f.]; Möllers Bericht an Steindorff: Möller, Reise nach Qaw). Capponi, Egypt, 70; zu den Fundstellen: Cuvigny, Papyri, 44-54; Baikie, Papyri, 226-228. Cuvigny, Papyri, 32-34; allgemein zur Suche nach antiken Papyri in Ägypten: Baikie, Papyri, Kap. 3, 11; Davoli, Papyri. Wilcken, Papyrusgrabungen. Borchardt, Papyrusfund von Kahun, 89. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 82. Primavesi, Papyruskartell, 176, 179. Zu dieser Stätte und Rubensohns Funden: Maehler, Hermupolis, XIV-XIX. Zu dieser Stätte: Viereck/Zucker, Philadelphia, 1-13.

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Madi, die wie Wilckens Grabungsplatz Herakleopolis (bei Ehnasya el-Medina) im Fayyum-Becken liegen.67 In jener Gegend am Nil, in der das Fayyum-Becken nach Westen aus dem Tal des Flusses abzweigt, liegt Abusir el-Meleq. Aus dieser Stätte, die in der Antike als Friedhof des unweiten Herakleopolis diente, kursierte seit 1893 Raubgut im Antikenhandel, das unautorisierte Salzgräber zutage gefördert hatten.68 Rubensohn aber scheint Abusir el-Meleq noch nicht gekannt zu haben, als es ihm während seiner (enttäuschenden) Grabung in Theadelphia 1902 von Arbeitern als »gute[r] Ausgrabungsort«, oder von einem ansässigen Beduinen als »Stätte […], wo du findest, was du suchst« empfohlen wurde.69 Jedenfalls suchte er hier einen Monat später ebenfalls nach Papyri. Doch auch jenseits dieser erwies sich der Friedhof, der bis in die prädynastische Zeit (4. Jahrtausend v. Chr.) zurückreicht, als so interessant, dass Rubensohn in Abusir el-Meleq, von Borchardt bestärkt,70 bis Anfang 1905 drei weitere Grabungskampagnen anschloss. Später 1905 sowie im Jahr 1906 setzte Möller, mit einem Teil der DOG-Mittel für das Abusir bei Kairo (auch Abusir »el-Riga« genannt), die Grabungen im anderen Abusir (»el-Meleq«) fort, da Rubensohn hier bei seiner letzten Kampagne auf prädynastische Hockergräber gestoßen war.71 1908, unter Zucker, kehrten die Grabungen des Papyrusunternehmens letztmals auf jenen Hügel zurück, an dessen Rand sich Abusir el-Meleq befindet. Möller wurde 1907, nachdem er die Assistentenstelle bei Borchardt aufgegeben hatte, Mitarbeiter des Berliner Ägyptischen Museums. In dieser Eigenschaft führte er 1911 und 1913 jeweils eine kurze Grabung in Theben (westliche Nilseite) durch. 1911 wurden antike Bauten nahe des dortigen »Deutschen Hauses« (ein archäologisches Gästehaus) untersucht; 1913 weitere Teile des vom Berliner Museum gehaltenen Thebener Konzessionsgebiets erkundet (durch den Weltkrieg fiel die Konzession dann an die Franzosen).72 Hermann Junker wählte für 1911/12 das nubische Toschka als Grabungsort, nachdem sowohl ein Inspektor des Antikendienstes, der Engländer Arthur Weigall (1880-1934),

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In Herakleopolis konnte das Papyrusunternehmen anders als Wilcken nicht graben, da der Antikendienst die Stätte dann schon anderweitig vergeben hatte (Kap. 3.2.3). Kuckertz, Rubensohn (2015), 49; Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 2. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 139 (Arbeiter bzw. »die Leute«); Rubensohn, Grabungen in Ägypten, 688 (Beduine, abgebildet: 689). Laut Scharff, der sich auf Aufzeichnungen Möllers stützt, erhielt Rubensohn den Hinweis auf Abusir el-Meleq dagegen von dem Antikenoberwächter Rizq Abdallah (Scharff, Abusir el-Meleq, 2; zu Rizq: u. Kap. 3.2.2.2). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 240. Krauss, Abusir el-Meleq; Finneiser, Abusir el-Meleq; Welte, Abusir el-Meleq, 18-25 (auch zu Rubensohns Papyrusgrabungen); zur Entdeckung der Gräber und der Übergabe der Stätte weiter Rubensohn, Briefe an Familie, 533f., 537, 539, 542 (Abusir el-Meleq/Kairo, März 1905); Rubensohn zur Besprechung der Entdeckung mit Borchardt und Möller: Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 124; über die Entdeckung zu Steindorff: Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 66. Zu den DOG-Mitteln: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 80. Anthes, Theben, 1. In den Tagebüchern der Grabung 1911 wird deren baugeschichtlicher Schwerpunkt besonders deutlich: Möller et al., Tgb. Theben 1911, 103 (»Von der Architectur ist bis jetzt nur eine […] Kalksteinmauer und etwas Pflaster frei gelegt«), 107 (»[In der Nordgrabung] kommt heute mehr Architectur heraus«), 124 (»Die Grabung ist als archäologisch wie architecturgeschichtlich hoffnungslos aufzugeben«); ähnlich 14, 17, 20, 39f., 120-122.

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als auch Junkers nubischer Koch Abazid Gebril (?-?) ihn auf bestimmte dort vorhandene Grabanlagen hingewiesen hatten.73 Auch Rubensohn und also Möller gingen nach Abusir el-Meleq mindestens teilweise infolge des Hinweises von Rubensohns »Leuten«. Es waren wiederum Antikenhändler, die mit ihren Auskünften Rubensohn bzw. Zucker endgültig davon überzeugten, auf Elephantine bzw. in Philadelphia zu graben.74 Natürlich wären Rubensohn und Zucker Hinweisen zu Stätten nicht gefolgt, wenn sie sich von diesen keine Papyri erwartet hätten. Im ersten Schritt wählten sie wie Borchardt oder Steindorff ihre Arbeitsorte strategisch entsprechend ihrer jeweiligen Hauptinteressen: Papyri, Bauforschung oder Museumsstücke. Die Archäologen wären nicht nach Quft, dem antiken Koptos, gegangen, wenn ihre von dort stammenden Arbeiter in der Gegend bemerkenswerte Ruinen beobachtet, diese aber den genannten Interessen nicht entsprochen hätten. Was jedoch durchaus von archäologischen Arbeitern und anderen Ägyptern, ob persönlich oder mittelbar, beeinflusst wurde, war die Entscheidung, welche jener interessanten Stätten die Deutschen bearbeiteten, und vor allem: welche Stellen innerhalb von ihnen. Die besagten Ortswahlen des Papyrusunternehmens sowie Borchardts Entscheidungen für Abu Gurob, Abusir und Amarna und Steindorffs für Abusir gingen jeweils zu einem mehr oder weniger großen Teil auf Antikenhändler bzw. Anwohner zurück, die jene Antiken gefunden bzw. selbst ausgegraben bzw. Händlern geliefert hatten, die dann die Aufmerksamkeit der Deutschen erregten. Umgekehrt war es für Borchardt »charakteristisch […], daß es ihm nicht genug war, die großen bekannten Händler aufzusuchen, sondern er trat selbst zu den kleinen Leuten in Beziehung, von denen jene ihre Altertümer bezogen. Daß er dabei auch so manches erfuhr, was anderen verborgen blieb, liegt auf der Hand«.75 Bevor er die Grabungen in Abusir begann, erfuhr Borchardt von den dortigen Anwohnern zwar wenig Brauchbares.76 Andererseits anerkannte er die dortigen Antikenwächter als Entdecker des Mauerzugs nach dem Gewitterregen 1899.77 Und zu Abu Gurob befragte er den alten Rais des Antikendienstes Rubi Hamsawi (Kap. 2.2.4), der unter Mariette bzw. Maspero an der Stätte gearbeitet hatte, wenngleich er sich nicht mehr gut daran erinnern konnte.78

3.2.2.2 Stellen innerhalb der antiken Stätten Die antiken Stätten bzw. Konzessionsgebiete, welche die Archäologen bearbeiten wollten bzw. durften, hatten teils gewaltige Ausmaße – die Nekropole von Abusir el-Meleq beispielsweise erstreckte sich über eine Länge von mindestens einem Kilometer; die antike Stadt Aniba über eine Fläche von 80.000 Quadratmetern; die antike Stadt Amarna

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Jánosi, Österreich vor Pyramiden, 28. Honroth et al., Elephantine, 14; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Oberägypten/Fayyum, 24f., 30. Erman, Borchardt Bibliographie, 8. Borchardt, Nefer-Ir-Ke-Re, 1. Borchardt, Ne-User-Re, 1. Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1899/1900, 99; Borchardt, Ne-Woser-Re, 3; vgl. u. Abb. 9. 1903/04 konnte Rubi dagegen Petries Mitarbeiterin Margaret Murray (1863-1963) aus dem Gedächtnis die Eingangsstelle von Gräbern nennen, die er unter Mariette, also vor 1881, ausgegraben hatte (Murray, Hundred Years, 125f.).

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über 7 Quadratkilometer.79 Die Konzessionen in Tebtunis, Hermopolis und Qau waren so weitläufig, dass die Archäologen sich in ihnen auf Eseln reitend fortbewegten.80 Die antiken Überreste, nach denen sie suchten, waren erstens über solche Stätten verstreut und zweitens womöglich meterhoch von Schutt, Schluff oder Sand bedeckt. Um die knappe Zeit und die begrenzten Mittel einer Grabungskampagne dennoch so ertragreich wie möglich zu verwenden, orientierten sich die Archäologen, neben eigenen Sondierungen, einerseits an den Berichten vorhergehender Grabungen von (westlichen) Archäologen am selben Ort, und andererseits an dem Wissen bzw. den Beobachtungen von Anwohnern, Antikenhändlern, Grabungsarbeitern und anderen Ägyptern. Das Papyrusunternehmen hatte insofern das schwierigste Ziel, als es nicht nach beliebigen Papyri suchte, sondern nach solchen, die zugleich gut erhalten, interessant, griechisch und literarisch waren. Zutage kamen stattdessen oft Papyri dokumentarisch-bürokratischen Inhalts und/oder hieratischer, demotischer, koptischer, aramäischer oder arabischer Sprache; oder aber griechisch-literarische Exemplare, die »leider« den altbekannten Homer wiedergaben.81 Ein weiteres Problem lag in der natürlichen Zerbrechlichkeit von Papyri – im Gegensatz zu anderen Beschreibstoffen wie der Tonscherbe (Ostrakon). Sogar im trockenen Ägypten musste man damit rechnen, dass »the exploration of a large and important site fails to yield a single shred of papyrus«.82 Die von Wilcken erkundeten und dann vom Papyrusunternehmen durchsuchten Fayyum-Stätten lagen größtenteils am Rande der Wüste, wo Wilckens Überlegungen zufolge einerseits in der Antike noch gesiedelt worden war und andererseits sich hieraus entstandene Papyri am ehesten erhalten hatten.83 Doch Papyrus verrottet nicht nur, wenn es zu feucht ist, sondern zerbröselt, wenn es zu trocken ist. Zudem sind begrabene Papyri, wie auch das Papyrusunternehmen bei seinen Grabungen in Ägypten es erleben musste, mehr oder weniger zerstückelt, durchlöchert und abgerieben; besonders, wenn sie schon von ihren antiken Benutzern auf den Müll geworfen worden sind.84 Sicherlich im Bewusstsein dessen verkehrten Rubensohn bzw. Zucker in Ägypten regelmäßig mit Antikenhändlern – um einerseits Papyri anzukaufen und andererseits sich die Fundorte von den Händlern mitteilen oder sogar zeigen zu lassen. Die Archäologen liefen vor fast allen ihren Grabungssaisons für eine bis drei Wochen Händler im Fayyum und/oder Oberägypten ab. Während ihrer Grabungen besuchten sie weitere Händler oder wurden von welchen besucht.85 Weitere Hinweise erhielten sie von Anwohnern antiker Stätten sowie 79 80 81

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Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 117; Schleif, Miam-Aniba, 1; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 8. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 175; 1904/05 Hermopolis, 24 (vgl. Kuckertz, Rubensohn [2020], 46); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 41, 65, 76, 156f. Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 154; 1904/05 Hermopolis, 47 (jeweils »leider«); ähnlich 52; weitere unpassende Papyrusfunde: z.B. ebd., 36f.; Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 18; ferner Rubensohn, Briefe an Familie, 719f., 724, 729, 738f. (Elephantine, Januar-Februar 1907). Zu Papyri in Ägypten: Capponi, Egypt, 70-74. Peet, Egyptological Studies, 6. Wilcken, Papyrusgrabungen, 335. Frösén, Conservation of Papyrus, 79f. Ein Fund von Papyrus in der Nähe des Fruchtlands, der deshalb »ganz vermodert erscheint«: Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 128. Beispiele für Besuche bei Händlern: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 10, 13-16; 1902/03 ebd., 2, 4; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, 395-397, 399; für Besuche von Händlern: Ruben-

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von Sobhi Effendi Arif, von 1901 bis zu seinem Tod 1905 Inspektor des Antikendienstes für das Fayyum, und von dem Beduinen »Rizq«/»Risk«/»Rysk«/»Reisk« Abdallah, der Antikenoberwächter gewesen und nun vom Antikendienst als Vertreter des Kairener Museums dem grabenden Papyrusunternehmen beigeordnet worden war (Kap. 3.2.3).86 Im Allgemeinen blieben die antiken Stätten hinsichtlich Papyri »unberechenbar« bzw. die Papyrusgrabungen von »Glück«, vom »blinden Zufall« abhängig.87 Selbst anfangs vielversprechende Stellen konnten sich als »ergebnislos« herausstellen – eben ohne »ein[en] Fetzen Papyrus«; eine Stätte wie Hermopolis als einziges »Drecksnest«; Theadelphia war »zum verzweifeln«. Und wenn die Ausgräber am Ende doch »30 Blechschachteln voll Papyri« zusammengelesen hatten, war davon vielleicht nur »die Hälfte […] brauchbares Zeug«.88 Trotzdem oder deswegen leisteten bestimmte Antikenhändler den Papyrusgrabungen »unschätzbare« Dienste, und Rizq kannte »wohl am besten die Antikenplätze im u. ums Fajum«.89 Wie viel weniger »brauchbares Zeug« hätten Rubensohn und Zucker ohne die einheimische Hilfe nach Deutschland bringen können? Der Bauforscher Borchardt suchte in Abu Gurob, Abusir und Amarna nicht nach Papyri, sondern nach etwas deutlich Größerem und Haltbareren: den Überresten von Gebäuden bzw. Gebäudegruppen. Doch selbst, wenn an jenen Stätten eine Mauer bereits

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sohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 166f.; 1904/05 Hermopolis, 20, 26, 41, 45; 1905/06 ebd., 55f.; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 175, 178; Rubensohn in Briefen von 1901 und 1902 zu seinem Verkehr mit Händlern: Kuckertz, Rubensohn (2020), 52f.; Schilderung, wie Zuckers Grabungsassistent Wilhelm Schubart und seine Frau Frida 1910 bei Händlern in Mittel- und Oberägypten nach Papyri suchten und mit einem bei Kairo einen Kauf aushandelten: Schubart, Wüste, 62-77. Möller besuchte während seiner Grabungen in Theben 1911 und 1913 ebenfalls regelmäßig die zahlreichen Händler in Luxor, um für Borchardt bzw. das Berliner Museum Antiken anzukaufen und Fundorte in Erfahrung zu bringen (bes. Möller et al., Tgb. Theben 1911, 5f., 8, 43f., 47f., 50-52, 83, 106, 117-119, 128, 133f.; 1913, 10, 26f., 40, 48-50, 53f., 57f., 60-62, 79f.). Zu den damaligen Antikenhändlern in Ägypten: Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt, bes. 99-115 (Händler im Fayyum und in Oberägypten), 115-133 (Praktiken der Händler). Anwohner: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 149, 155; Zucker et al., Tgb. 1907 Fayyum/ Oberägypten, 20-22; 1908/09 Abusir el-Meleq, 39f.; Philadelphia, 105; Sobhi: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 191; 1903/04 Oberägypten, 24; 1904/05 Hermopolis, 29f., 62; Rubensohn, Briefe an Familie, 505 (Hermopolis, 7.1.1905: Sobhi »mir sehr nützlich«); zu Sobhi auch Maspero, Service des antiquités 1899-1910, 34, 64, 167, 170; »Rizq«/etc.: Scharff, Abusir el-Meleq, 2; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 191, 193f., 204; 1903/04 ebd., 68; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 167, 185. Auch Borchardt erhielt bei seiner Papyrusgrabung in Illahun Hinweise von Grabungsarbeitern, Antikenhändlern und anderen Ortsansässigen (Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 6-8, 14, 23). Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 168 (1. Zitat), 198 (2. Zitat); Dimai, 244 (2. Zitat); Rubensohn, Briefe an Familie, 63 (bei Hermopolis, 14.12.1901: 3. Zitat), 611, 614 (Hermopolis, Dezember 1905; 611: »In einer Papyrusgrabung muß man vor allem Geduld haben«); ders. et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 185; vgl. Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, 391. »Ergebnislos«: z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 102, 105f., 118; 1903/04 Abusir el-Meleq, 41, 68, 73 (»Fetzen«), 135; Zucker et al., Tgb. 1908/09 ebd., 12f., 43; Philadelphia, 53, 83, 116, 140, 143, 164, 171, 173, 206, 219; »Drecksnest«; »verzweifeln«: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 158 (vgl. Kuckertz, Rubensohn [2020], 45); 1901/02 Theadelphia, 77; der zitierte Ertrag: 1904/05 Hermopolis, 59. Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 61 (unschätzbar); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Oberägypten/Fayyum, 24 (Rizq).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

vor der Ausgrabung aus dem Boden ragte, stand Borchardt vor der Frage, wo sie anfing und endete, und zu welchem Teil welches Gebäudes sie gehörte. Orientierung suchte er zu Abu Gurob/Abusir vor allem in den Berichten der Archäologen John Shae Perring (1813-1869) sowie Lepsius bzw. Georg Gustav Erbkam (1811-1876) (Kap. 3.2.4).90 Perring, zuvor Assistent Vyses in Giza, hatte die Stätte(n) 1838 erforscht; die Lepsius-Expedition, mit Erbkam als Bauzeichner, 1842/43. In Amarna führte Borchardt zuerst eine eingehende, dreiwöchige, sich rege mit Antikenhändlern und anderen Anwohnern austauschende Voruntersuchung durch und ließ dann, zwischen 1911 und 1913 während der entsprechenden Hauptgrabungskampagnen, den erwähnten deutschen Militärtopographen Paul Timme (1.2.3.1 Abs. 4) eine »Messtischaufnahme« des gesamten antiken Stadtgebiets erstellen.91 Steindorff suchte weniger nach Bauten als nach Einzelfunden. Da er, anders als Borchardt, die meiste Zeit des Jahres nicht in Ägypten, sondern an seiner Universität in Leipzig verbrachte, griff er bei seinen Ausgrabungen nicht nur auf Borchardts Unterstützung zurück. In Giza hörte er auf den dort neben ihm grabenden US-Amerikaner Reisner (Kap. 3.2.4); ebenda und noch mehr in Aniba und Qau ließ er seinen Rais (Vorarbeiter) Mohammed el-Senussi (3.6.1) die Stätten mit oder allein erkunden; in Aniba befragte er außerdem den Rais Ibrahim Salah, der dort, wenige Jahre früher, unter MacIver (3.2.2.1) gegraben hatten.92 Den Archäologen mag die Orientierung innerhalb ihrer Stätten jeweils nicht nur von den genannten und einigen weiteren ägyptischen Anwohnern und Antikenhändlern – die eine Geldprämie mitunter »sehr gesprächig« machte – erleichtert bzw. ermöglicht worden sein,93 sondern vor allem auch stärker von ihren (auch ortsfernen) Grabungsar90 91 92

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Bes. Borchardt, Ne-Woser-Re, 3; Ne-User-Re, 5-7; Grabdenkmal Sahu-Re, 72f., 145-147. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, bes. 11-14, 19-21, 29f., 51-59, 119-121; Timme, Amarna, bes. 65-78. Reisner bzw. sein Assistent Mace (u. Kap. 3.2.4): Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 72; 1905, 35, 92-94; 1906, 8f., 34; 1909, 165; 1910, 10f., 36, 94; Senussi: Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 87, 142, 144; Aniba 1912, 6f., 111, 155f., 163; 1914, 0f., 466; Qau 1913/14, 13, 27, 41f., 53, 65, 102, 230-232, 261; Ibrahim: Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 209f. Als Möller Anfang 1913 die Stätte von Qau für Steindorff begutachtete (o. Kap. 3.2.2.1 Anm. 58), »fragte« er zu ihr auch Fellachen »aus«, die dort gerade »Raubgrabungen« betrieben (Möller, Reise nach Qaw). Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 6 (Zitat); weitere Hinweise von (mitunter als Grabungsarbeiter beschäftigten) Anwohnern (sich als stichhaltig erweisend oder auch nicht): bes. Giza 1910, 6f., 77f. (»Am Torbau ist […] in den Schuttbergen ein großer Granitstein gefunden worden […]. Lächerlicherweise lag der Stein an einer Stelle über die wir im vorigen und diesem Jahre wohl tausendmal weggegangen sind, nur ca. 10-20 cm unter der Oberfläche mit der beschrifteten Seite nach oben. Ein Mann aus Kafr, der hier früher wahrscheinlich Raubbau getrieben hat, kannte die Stelle und zeigte sie uns, wofür er einen Bakschisch in Aussicht gestellt bekommen hat«); Qau 1913/14, 69; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 8 (»Das andere isolierte Haus wurde auf Angabe eines notorischen Antikendiebes hin ausgegraben, der vorgab dort mir aus dem Antikenhandel bekannte Stücke gefunden zu haben. Solche Angaben nachzuprüfen, ist stets gut, selbst wenn sie, wie in diesem Falle, von vornherein wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben«); ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 143f.; Abusir 1903, 110f., 117f., 152, 168f.; 1907, 123-125, 130f.; 1907/08, 11-13; Steindorff, Libysche Wüste, 147 (»Von den Dorfleuten [eines Ortes in der Oase El-Bahriyya] erfuhren wir aber bald, daß hier noch andere alte Monumente vorhanden waren«); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 39f., 76, 85f.; 1906, 26. In Theben traten an Möller wiederholt Männer der Familie Abd el-Rasul

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beitern, als sie es in den Tagebüchern und Feldberichten ausdrücken. Wenn Steindorff schreibt: »Ich lasse [die Arbeiter] an« der Nordostecke des Tempels »anfangen«, ging die Wahl dieser Stelle anscheinend auf Steindorff zurück; wenn eine »Arbeiterkolonne […] unter Führung [des Vorarbeiters] Ali Alej[a]n nach« einer »südöstlich gelegenen« Stelle »abrückt«, »um dort eine Versuchsgrabung vorzunehmen«, ist hingegen unklar, ob oder inwieweit dies Alejans eigene Idee war; und noch weniger erfahren wir bei Versuchsgrabungen, die »[a]n verschiedenen Stellen […] heute […] angestellt [wurden]« – von wem und auf wessen Initiative auch immer.94 Warum und mit welchen weiteren Folgen die Archäologen diese unpersönliche Sprache benutzen, erörtere ich in Kap. 3.4.3.1.

3.2.3 Verkehr mit dem bzw. Verhältnis zum ägyptischen Antikendienst Mein Untersuchungszeitraum deckt sich bis auf das Jahr 1898 mit der zweiten Amtszeit des Antikendienstdirektors Maspero (1899-1914). Er saß dem »Comité d’archéologie« vor, das qualifizierten Antragstellern Grabungskonzessionen gewährte, »on the understanding that proper scientific records would be made and published«; dass die Behörde »had the right to intervene and stop or rearrange the work at any time«, und dass »everything found belonged to the Egyptian nation, but that half the antiquities would be given to the excavator whenever such a gift was consistent with the interests of the national museum in Cairo«.95 Neben ägyptischen und britischen Vertretern des ägyptischen Staates hatte ab 1907 auch Borchardt, als Direktor des Deutschen Instituts für Ägyptische Altertumskunde, einen Sitz in dem Ausschuss.96 Über seine eigenen Anträge durfte er aber wohl nicht entscheiden – zumindest teilte Maspero ihm im November 1907 die Genehmigung des Ausschusses für Abusir und Amarna mit, als wüsste er, Borchardt, noch nichts davon.97 Wie dem auch sei, die untersuchten Archäologen erhielten die Konzessionen, die sie, meist über Borchardt, beantragten, nur dann nicht, wenn die jeweiligen (Teil-)Stätten bereits an andere Ausgräber vergeben waren – 1903 mussten deshalb Steindorff dem US-Amerikaner Lorenzo Dow Covington (1862-1935) ein Grab in Giza überlassen, und

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(Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, bes. 141-145) heran, die neben seiner Grabungsstätte wohnte (teils in antiken Gräbern) und in Antikenhandel und -raub involviert war (Möller et al., Tgb. Theben 1911, 8f., 14f., 21-25, 28f., 31-33, 35, 46, 90f.; 1913, 87). Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 19 (Tempel); Qau 1913/14, 18 (Kolonne); Giza 1903, 63 (Stellen). Vgl. u. Kap. 5.3 Abs. 1; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 13 (»Rundgang durch […] Teile unsrer Konzession […]. In der Nähe anscheinend unberührte Stelle, die ich angraben will. Dieser Rundgang mit Ahmed Musa und den [Wächtern] von Der el Medine« – war es allein Möllers Idee, jene Stelle anzugraben?). Weigall, Excavation in Egypt, 64. Der britische Ägyptologe Weigall war selbst, von 1905 bis 1914, als Inspektor für den Antikendienst tätig (o. Kap. 3.2.2.1; mit ihm in dieser Funktion zu tun hatten Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Hermopolis, 54; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 48, 87-89, 101, 188, 247; Kom Ombo, 374, 376, 389; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 5, 41, 54, 87, 89f., 128-130, 136f.). Das Comité auch erwähnt in: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 131; 1903/04 Fayyum, 9; 1904/05 Oberägypten, 18; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 2, 5; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 208. Maspero, Service des antiquités 1899-1910, VI; vgl. Gady, Pharaon, 689 mit Anm. 5. Brinkmann, Sahure, 333 Nr. 72f.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Rubensohn dem Engländer Petrie Herakleopolis Magna, wo der Deutsche an die Papyrusgrabung Wilckens hätte anknüpfen können (Kap. 3.2.2.1; zu Petrie: 3.2.4).98 Und wenn sich bis zu einer Sitzung des »Comité d’archéologie« neben den Deutschen andere Archäologen um dieselbe Stätte beworben hatten, wurde diese vom Dienst oder den Bewerbern selbst geteilt und jede Partei erhielt eine Teilkonzession, was in Giza, Hermopolis Magna und auf Elephantine geschah (3.2.4). Zusätzlich hatte Borchardt in Amarna die französische Konzession für Tuna el-Gebel zu respektieren, deren Gebiet ein Stück in das von Amarna hineinragte. Umgekehrt wies Maspero den in Tuna tätigen Franzosen Raymond Weill (1874-1950) in die Schranken, nachdem dessen Grabungen in den »deutschen« Teil von Amarna übergetreten waren. Und Rubensohn und Zucker wurden kurzfristig neue Konzessionen gewährt, wenn sie in ihrer bisherigen Grabungsstätte keine Papyri fanden bzw. unvorhergesehene Empfehlungen für andere Stätten erhielten (3.2.2.1-2).99 Seine kurzen Grabungen während der Expedition nach Siwa scheint Steindorff zumindest an einem Ort »trotz ausdrücklich verweigerter Genehmigung« des Antikendienstes ausgeführt zu haben, obwohl er wegen anderer Orte durchaus »Eingaben« an Maspero »abfasste«.100 Davon abgesehen hielten die untersuchten Archäologen die Konzessionspflicht für Grabungen strikt ein. Andernfalls hätte das Papyrusunternehmen bei seinen kurzfristigen Anträgen nicht sehnsüchtig auf Antwort aus Kairo gewartet101 – was an Vyse in Giza erinnert (Kap. 2.2.2); Borchardt hätte sich nicht über besagten Ausläufer des »französischen« Tuna im »deutschen« Amarna geärgert; und Möller hätte in Theben nicht ständig an die Grenzen seines Konzessionsgebiets gedacht.102 »[O]hne Masperos Erlaubnis«, fasste Zucker die Bedingungen für Grabungsvorhaben zusammen, »ist nichts zu machen«.103 Von den Grabungskonzessionen, die der Antikendienst den Archäologen ausgestellt hat, sind die für Abusir inklusive Abu Gurob und die für Amarna in Publikationen abgebildet; die für Giza 1905 und Aniba 1911/12 sind online verfügbar. Die Dokumente sind unterzeichnet von Maspero oder in seiner Vertretung von dem Deutschen Emil Brugsch (1842-1930), Konservator des zum Dienst gehörenden Kairener Museums, der auch die meisten der jährlich notwendigen Verlängerungen bestätigt hat, die unter die Konzessionen gesetzt wurden. Der rein französische Wortlaut der Konzessionen verbot Borchardt bzw. Steindorff, die die Genehmigungen im Namen der Berliner Museen bzw. James Simons (Kap. 3.2) bzw. der Universität Leipzig bzw. der »Sieglin-Expedition« (ebd.) erhielten, jeweils, auf privaten, bebauten oder kultivierten Flächen zu graben, und verpflichtete sie dazu, die Kosten der Ausgrabung selbst zu tragen sowie nach deren Ende

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Cappel, Erman und Steindorff, 36f.; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Fayyum, 9. Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 40; ders. et al., Tgb. Amarna 1911/12, 251-259; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 147, 158; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 170, 188, 207. 100 Raue, Steindorff Ausgrabungen, 404 (verweigert); Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, vor 1 (Eingaben). 101 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 100, 107, 118, 122, 137; 1902/03 Abusir el-Meleq, 24, 26f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 47. 102 Möller et al., Tgb. Theben 1911, 19, 28, 35f., 59; 1913, 10, 13f., 64, 67, 83. 103 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 47; ähnlich Kom Ombo, 380.

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die Funde mit dem Antikendienst zu teilen, die Grabungsstätte ordentlich zu hinterlassen, und eine Dokumentation ihrer Arbeit einzureichen. Die Konzession für Abu Gurob, in dieser Form erstmals 1899 erteilt, ist vollständig handgeschrieben; die 1905 bzw. 1906 bzw. 1912 aufgesetzten für Giza bzw. Amarna bzw. Aniba bestehen aus dem gleichen Vordruck, der 1905 und 1912 hand- und 1906 maschinenschriftlich ausgefüllt worden ist.104 Schon diese äußerlichen Unterschiede mögen veranschaulichen, wie die Reglementierung der Archäologie in Ägypten auch während des Untersuchungszeitraums fortschritt. Die erstmals 1915, also unmittelbar nach ihm erteilte Konzession des Engländers Howard Carter (1874-1939) für das Tal der Könige reglementierte diesen dann noch deutlich stärker als zuvor die Deutschen, etwa indem sie Königsmumien sowie sämtliche intakt aufgedeckten Gräber von vornherein für den Antikendienst reklamierte.105 In den Feldtagebüchern deuten die deutschen Archäologen weitere Verpflichtungen gegenüber dem Antikendienst an, die damals, weil zumindest die vorgestellten Konzessionen sie verschweigen, folglich noch Gewohnheitsrecht darstellten – oder umgekehrt: der Antikendienst setzte mittlerweile voraus, dass die in Ägypten tätigen Archäologen bereits erfahren bzw. professionell genug waren, um die rechtlichen Bedingungen für eine Ausgrabung von sich aus zu kennen. Jedenfalls musste der tatsächliche Beginn einer konzessionierten Grabung dem Dienst angezeigt werden; und die Grabung auf dem konzessionierten Gebiet musste innerhalb einer gewissen Frist beginnen, damit die Konzession nicht verfiel. Ein Grabungshaus durfte nur mit besonderer Genehmigung gebaut werden. Die bei der Fundteilung vom Dienst für Kairo bestimmten Stücke mussten die Ausgräber auf eigene Kosten zum dortigen Museum transportieren (lassen); die ägyptische Eisenbahn durfte allerdings Antiken ausschließlich mit besonderem »Erlaubnisschein« des Antikendienstes befördern – dass Zucker dies zuerst nicht wusste, brachte ihm einige Tage »nutzlosen Wartens« ein.106

104 Konzession Abusir, 1899-1902: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 73 Abb. 12a-b; Konzession Amarna, 1906-07; 1910-14: Matthes, Nofretete, 429 Abb. 3; Konzessionen Giza, 1905, und Aniba, 1911/12: Service des antiquités, Autorisations de fouilles. 105 Wortlaut der Konzession: James, Carter, 413-415; die angeführten Klauseln: 414 Nr. 8f. Allgemeiner Wortlaut einer ägyptischen Grabungskonzession nach 1912: Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 326-329 Nr. 30. 106 Anzeige Grabungsbeginn: Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 48; Frist für Beginn: Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Hermopolis, 198; 1905/06 ebd., 54; Grabungshaus: Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 1; Maspero, Brief an Steindorff, 1903 (o.D.); Museum: Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 208f.; 1906, 97; 1910, 183; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 43-45, 52, 55f.; Theben 1911, 140; 1913, 95f.; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 302; Transportschein: Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 285, 290, 374-377 (Zitat: 376); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 136f. Die Erlaubnis zum Antikentransport verlangte die ägyptische Eisenbahn gemäß einem Ministerialerlass von 1905 (Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 253; Wortlaut: 284 Nr. 10). Rubensohns Grabung in Hermopolis im März 1904 (sechs Grabungstage) war laut ihm selbst eine »Scheingrabung«, um »unsere Rechte« an der Stätte aufrechtzuerhalten (Rubensohn, Briefe an Familie, 399 [Abusir el-Meleq, 11.2.1904], 409 [ebd., 3.3.1904]). Andernfalls wäre seine dortige Konzession verfallen und dann womöglich auf die ebenfalls dort tätigen Italiener (u. Kap. 3.2.4) übergegangen (Kuckertz, Rubensohn [2015], 47). Ein Sitzungsprotokoll des Antikendienstes von 1909 (bezüglich Borchardts ungenutzter Konzessionen für Amarna und Abusir) präzisiert, dass Konzessionen bei Nichtnut-

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Dagegen explizierte die Konzession für Abusir, dass Borchardt sich für die Dauer der gesamten Grabung von einem »délégué« des Antikendienstes begleiten lassen und diesem einen Tageslohn von 20 Piastern sowie Reisegeld zahlen müsse. In Abusir fungierte als »délégué du Musée« Ahmed Lutfi, laut Borchardt »der Saaldiener aus dem großen Sarkophagsaal im Erdgeschoss des [Kairener] Museums«; beim Papyrusunternehmen waren es der erwähnte Rizq (Kap. 3.2.2.2) und andere, die von den Archäologen auch als »Museumsghaffire« bezeichnet wurden (arab.: ghaffir; Plural: ghufara heißt »Wächter«); einer hieß Agub.107 Die Ausgrabung einer konzessionierten Stätte durfte erst beginnen, wenn der entsprechende Ghaffir dort eingetroffen war.108 Echte Aufsicht über die Grabungen scheinen diese ständigen Delegierten des Antikendienstes dann aber nicht geführt zu haben – im Gegenteil: Rizq erledigte für Rubensohn Besorgungen.109 In der Konzession für Amarna bzw. den Berichten aller übrigen Grabungskampagnen bis auf, wie ebenfalls angemerkt, Amarna 1906/07 und Illahun 1899 fehlen die Delegierten ganz; in Giza wunderten sich die Deutschen 1903 am Ende der Kampagne, dass Museumswächter nie erschienen seien.110 Es blieben die vom Dienst angestellten Antikenwächter bzw. Ghaffire, welche die antike Stätte, an der sie lebten, vor Räubern schützen sollten, und die während dortiger Grabungen, wie die Amarna-Konzession es auch besagte, ebenfalls von den Ausgräbern (mit) zu bezahlen waren.111 In der Hierarchie des Antikendienstes unter dem Direktor Maspero standen fünf Chefinspektoren: stets europäische Ägyptologen, die die Altertümer in jeweils einer Region Ägyptens – dem Nildelta, Alexandria, der altägyptischen Hauptstadt Memphis (mit Giza), Mittel- und Oberägypten – verwalteten, instand hielten, selbst erforschten und dortige Forschungen externer Archäologen beaufsichtigten. In den größten Amtsbezirken Delta, Mittel- und Oberägypten wurden Teilbereiche von bis zu vier Unterinspektoren wie dem erwähnten Sobhi Effendi Arif (Kap. 3.2.2.2) verantwortet, die Ägypter waren.112 Allerdings verhinderte sicherlich schon die Größe der Chef- und sogar Unterinspektorate, dass die Ausgrabungen der untersuchten Archäologen von den Inspekto-

zung üblicherweise neu vergeben wurden, sobald jemand anderes sie beantragte (Comité d’archéologie, Procès-Verbal). 107 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 19f. (Zitate), 52, 134, 184, 322, 331, 379; 1903, 18, 22f., 202f.; Papyrusunternehmen außer Rizq: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 4; Theadelphia, 62f., 70, 132, 144; Abu Hamid, 162-164; Abusir el-Meleq, 191, 222, 226; Amarna: Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 119; Illahun: Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 2f., 5, 7, 30 (2f.: »Museumsinspektor« Ali Fuli). 108 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 28. 109 Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 228; 1902/03 ebd., 53, 94f., 106, 109, 126; 1903/04 ebd., 52; 1904/05 ebd., 71, 76. 110 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 227. Für diese Ausgrabung hatte der Antikendienst laut Grabungskorrespondenz zumindest in der Saison 1903 Mahmud Chalifa, Rais in Ausbildung und Enkel des Raises Rubi von Saqqara (o. Kap. 2.2.4), zum Aufseher bestellt (Maspero, Brief an Steindorff, 17.3.1903). 111 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 1; 1907, 69f.; 1907/08, 83; Amarna 1913/14, 109; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 3f.; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 111; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 138; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 6f.; 1914, 0f. Die Ghaffire aus Sicht des Antikendienstes: Maspero, Service des antiquités 1899-1910, XVIIIf., XXVIf. 112 Maspero, Service des antiquités 1899-1910, XIX-XXVI.

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ren mehr als nur sporadisch besucht wurden. Sie kamen, wenn sie zufällig in der Gegend waren oder etwas Bestimmtes anlag113 – vor allem die Teilung der Funde am Ende einer Grabungskampagne. Diese Teilungen nahmen die Chefinspektoren bzw., wenn er selbst übernahm, Maspero dann in einer Weise vor, die die Deutschen fast durchweg als »befriedigend«, »gerecht«, »günstig«, »menschlich«, »vernünftig«, »liberal« und ähnlich empfanden114 – auch, nachdem 1913 die Teilungsregeln verschärft wurden: Antiken, die eigentlich zur Fundhälfte des Antikendienstes gehörten, von denen das Ägyptische Museum aber bereits ähnliche Stücke (Dubletten) besaß, sollten auf Geheiß des ägyptischen Finanzministeriums nun nicht mehr den Ausgräbern geschenkt, sondern zugunsten der Staatskasse verkauft werden. Zumindest dem französischen Inspektor Gustave Lefebvre (1879-1957) scheint diese Teilung »à moitié exacte« geradezu »peinlich« gewesen zu sein, und er tat sein Bestes, um bei der Teilung den untersuchten Archäologen weiterhin so weit wie möglich entgegenzukommen.115 In seinen Berichten an die deutsche Regierung äußerte Borchardt am Antikendienst bzw. Maspero deutliche Kritik nicht nur hinsichtlich der neuen Teilungsregel. Vor allem seien die ägyptischen Antikeninspektoren unzureichend ausgebildet und manchmal selbst in Antikenraub bzw. illegalen -handel verwickelt; und gegen Antikenkriminalität gehe der Dienst allgemein nicht genügend vor.116 Hinsichtlich der archäologischen Praxis beglaubigen die Feldtagebücher der Archäologen dagegen jene »freundschaftliche« bzw. »liebenswürdige« Zusammenarbeit zwischen den Deutschen und dem ägyptischen Antikendienst, von der Borchardt bzw. das Papyrusunternehmen in Publikationen sprachen.117 Vor allem bemühte sich der Dienst, unerwünschte Düngersammler (Sebachin; Kap. 4.1.2) von den deutschen Grabungsstätten fernzuhalten sowie diese gegen Besitzansprüche privater Anwohner zu verteidigen, wenngleich die Macht der Behörde gerade in letzterer Hinsicht zuweilen nicht ausreichte (4.2.2.1). Ernsthafte Konflikte haben die

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Zu ihrer »schwach ausgeprägt[en]« Kontrolle von Steindorffs Ausgrabungen: Raue, Steindorff Ausgrabungen, 408f. (Zitat: 409), 417f., 427f., 442f., 446. Ein zufälliger Inspektorenbesuch: Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 280. Zur Übergröße der Inspektorate: Tyldesley, Egypt, 188. In dieser Reihenfolge: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 49; ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 336-339; Amarna 1911, 195f.; 1911/12, 262f.; Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 301; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 129; ähnlich z.B. Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 31; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 160f.; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 146-149; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 94f.; Theben 1911, 87; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 274-276. Unzufriedenheit bei Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 126; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 84; anscheinende Unzufriedenheit der Deutschen bei den Grabungskampagnen vor 1901, deren Feldtagebücher uns fehlen (o. Kap. 1.2.1.1): Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 340. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 226-231 (Zitat: 227; meine Hervorhebung); 1913/14, 236-240; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 55; zum Hintergrund der Teilung »à moitié exacte«: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 138f. Auch Maspero scheint die Neuerung insofern gestört zu haben, als sie nicht auf ihn selbst, sondern auf die britischen Kolonialherren unter dem neuen Generalkonsul Herbert Kitchener (1850-1916; im Amt 1911-1914) zurückging (Savoy, Nofretete, 23-25, 33). Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 134-139; vgl. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 366f.; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 2-4. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 49 (freundschaftlich); Honroth et al., Elephantine, 14 (liebenswürdig); ähnlich Zucker et al., Tgb. 1907 Fayyum/Oberägypten, 28.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Deutschen mit ihr jedoch nicht gehabt – abgesehen davon, dass Borchardt Maspero in einem Tagebucheintrag unterstellte, Archäologen aus anderen Ländern durch entsprechende Konzessionsvergabe prinzipiell an Grabungsstätten zu »hetzen«, an oder neben denen auch die Deutschen arbeiteten.118 Dies leitet über zum …

3.2.4 Verhältnis der Archäologen zu Deutschland und Archäologen aus anderen Ländern Der Franzose Mariette erklärte, zumindest nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, die von ihm initiierte und geleitete Antikenbehörde in Ägypten auch als Kampfmittel »gegen den deutschen Einfluss« in der Ägypten-Archäologie zu verstehen.119 Dementsprechend sorgte Frankreich dafür, dass auf Mariette 1881 in seinem Amt Maspero, und 1886 auf Maspero der Franzose Eugène Grébaut nachfolgte, jeweils statt des Deutschen Heinrich Brugsch (Kap. 1.1.3). 1899 wäre ohne französischen Widerstand statt zum zweiten Mal Maspero vielleicht Borchardt Antikendirektor geworden.120 Grébaut wiederum, der als Direktor von 1886 bis 1892 amtierte, tat auch aus nationalistischen Gründen alles, um am Nil britische Archäologen zu behindern.121 Maspero dagegen war so wenig an Politik interessiert, dass manche Landsleute es ihm vorwarfen. Dabei war er durchaus französischer Patriot122 – aber auch leidenschaftlicher Ägyptologe. Darum tat er, was in seinen Augen seiner Wissenschaft bzw. den ägyptischen Altertümern am meisten nützte: Er ließ qualifizierte Archäologen aus allen (westlichen) Ländern so viel wie möglich unter so angenehmen Umständen wie möglich zur Erforschung der Altertümer beitragen.123 Selbst Borchardt hätte nicht bestreiten können, dass Masperos entsprechende Liberalität nicht zuletzt den Deutschen zuteilgeworden ist. Wie dem auch sei, obwohl die deutschen Archäologen in Ägypten von ihrer Regierung viel weniger unterstützt bzw. instrumentalisiert wurden als die französischen (Kap. 1.1.3), und obwohl Borchardts Posten als Konsulatsattaché bzw. Institutsdirektor in Kairo formal keinen »hochpolitischen« Charakter hatten,124 arbeiteten die untersuchten Archäologen in Ägypten als »deutsche« Archäologen, die sich deutlich als zueinander gehörig und von anderen Archäologen verschieden empfanden. Sie behaupteten zwar nicht, »zur Ehre« ihres »Volkes« zu graben, wie Steindorffs Leipziger Professur-Vorgänger Ebers (1.1.3) es sich 1895 vorgestellt hatte.125 Doch erstens bewegten sie sich in Ägypten meist innerhalb des um Borchardt kreisenden deutschen archäologischen Apparats, bestehend aus organisatorischen Mechanismen, gegenseitigem Kontakt,

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Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 5f.; auch wurde Maspero vor der Teilung der Stätte von Giza in ironischem Sinne der »Deutschfreundlichkeit« bezichtigt in Borchardt, Brief an Steindorff, 25.1.1903. 119 Brief an einen französischen Archäologen, 1873, zit. in: David, Mariette, 226f. 120 Voss/Pilgrim, Borchardt und deutsche Interessen am Nil, 296; Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 51. 121 Reid, Whose Pharaohs, 181f.; Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 26-28. 122 Savoy, Nofretete, 15-23; Gady, Pharaon, 361-371, 377-393, 725-727. 123 Kap. 2.2.1; David, Antikendienst, 499-503. 124 Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 166f. 125 Ebers, Ausgrabungen in Aegypten, 84; vgl. Gertzen, École de Berlin, 92.

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»deutschem« ägyptischem Personal, und Infrastruktur wie dem deutschen Generalkonsulat, dem Deutschen Institut für Ägyptische Altertumskunde und, ab 1904, einem deutschen archäologischen Gästehaus in Theben; im benachbarten Luxor fungierte außerdem der ägyptische Antikenhändler Mohareb Todrus (ca. 1847-1937) als deutscher »Konsularagent«.126 Steindorff wollte bzw. konnte sich auch dann nicht aus Borchardts Apparat lösen, als er mit dessen Person in Streit geriet.127 Zweitens zeigte sich das Deutschsein der Archäologen an ihren Grabungsstätten: Sie hissten dort die Reichsflagge, feierten den »Kaisergeburtstag« am 27. Januar, und wurden vornehmlich von deutschen Reisenden, darunter preußischen und anderen Prinzen, besucht.128 Drittens konkurrierten die untersuchten Archäologen mit Archäologen aus anderen Ländern. Der Finanzier Bissing (Kap. 3.2), der selbst Ägyptologe war, betrachtete die Ausgrabung in Abu Gurob als Ehrensache für die »deutsche Wissenschaft, die an den ägyptischen Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte unbeteiligt geblieben war«.129 Tatsächlich hatte das Deutsche Reich in der Ägypten-Archäologie wie zuvor bei Nationalstaat und Kolonialismus, da es jeweils spät damit begann (1.1.3), den Vorsprung anderer Länder aufzuholen. Deutsche Archäologen sollten in Ägypten deutsche Unternehmungen durchführen und mit den dabei gefundenen bzw. angekauften Antiken altägyptische Sammlungen in Deutschland bereichern, weil etwa die Berliner Papyrus-

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Konsulat: z.B. Steindorff, Libysche Wüste, 10, 12; ders. et al., Tgb. Giza 1903, 153, 211; 1905, 125f.; 1909, 35; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 56f.; 1903/04 Hermopolis, 196, 200; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 347, 355, 358f., 361, 368f., 373-375, 393; Amarna 1912/13, 20, 249, 290; Gästehaus: Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Oberägypten, 4; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Qena etc., 44; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 53, 83, 130f., 134f.; 1913, 9, 62; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 5f.; Todrus: Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 331f., 334, 338, 340-342; ders. et al., Tgb. Qau 1913/14, 6; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 1f., 6-8; 1902/03 ebd., 16, 20; 1903/04 ebd., 14f.; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 277, 299; Zucker et al., Tgb. 1907 Fayyum/Oberägypten, 5f., 11f., 14; 1907/08 Kom Ombo, 387, 391; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 5-8, 24f., 36-38, 43f., 51f., 83, 118, 128, 138f.; 1913, 8f., 15f., 19, 48, 50, 60, 95. Ferner zu dem Gästehaus: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 99-108; Polz, Deutsches Haus; zu Todrus: Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt, 248-250; Lehnert, Ägyptenreise Meyerhof, 127-135. Raue stellt anhand Steindorff fest, dass die deutschen Ausgrabungen in Ägypten damals »vor allem sich selbst wahrnahmen« (Steindorff Ausgrabungen, 443). Vgl. Raue, Steindorff Ausgrabungen, 435f.; zu dem Streit auch o. Kap. 1.1.3. In den Feldtagebüchern hätten die Archäologen freilich untereinander keine Kritik geübt. Flagge: Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 7; ders. et al., Tgb. Aniba 1914, 347; Timme, Amarna, 72; u. Abb. 27f., 33a; Kuckertz, Rubensohn (2020), 47 (Rubensohn in Brief zu Flagge auf Elephantine 1906); Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 62 (Flagge an Schiff); Kaisergeburtstag (teils mit besonderer Flagge): Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 124; 1903, 41; Amarna 1912/13, 244; 1913/14, 205; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 123; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 3; 1909, 27; vgl. Kuckertz, Rubensohn (2020), 47; Prinzen: o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 5 mit Anm. 155; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 130; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 494f., 508; Zucker et al., Tgb. 1907/08, Elephantine, 278, 281; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 6f., 16f.; 1913, 44, 48. Zu anderen Besuchern von Steindorffs Ausgrabungen: Raue, Steindorff Ausgrabungen, 420-426, 432-434, 443-445, 466-468; zur deutschen Feier des Geburtstags Kaiser Wilhelms II. (r. 1888-1918): Schellack, Nationalfeiertage, 44-66. Bissing, Vorwort (Ne-Woser-Re).

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sammlung gegenüber der des British Museum zurückgefallen war.130 Dementsprechend sah Borchardt »deutsches Interesse« darin, bedeutende Funde der deutschen Ausgrabungen nicht, wie es zu seinem Ärger das Generalkonsulat bzw. ein deutscher Reporter jeweils einmal taten, voreilig öffentlich zu machen131 – um die »deutschen« Stätten vor Räubern und vor Archäologen anderer Länder zu schützen. Wir dürfen gleichwohl annehmen, dass um 1900 nicht nur die deutschen Archäologen in Ägypten bewusst ihr Herkunftsland vertraten, denn zum Beispiel hissten auch Franzosen oder Italiener an Grabungsstätten ihre Flagge;132 und im Allgemeinen führten Archäologen unterschiedlicher Nationalität in Ägypten selten gemeinsame Unternehmungen durch. Borchardt unterstellte, dass die Franzosen, mithilfe Masperos angeblicher Komplizenschaft, »sich überall da einnisten wollen, wo wir [die Deutschen] arbeiten«.133 In der Tat musste das Papyrusunternehmen sich Elephantine (1906-1908) mit Charles Clermont-Ganneau (1846-1923) und Jean Clédat (1871-1943) teilen. Des Weiteren teilte es sich Hermopolis (Kampagnen 1903 und 1904) mit den Italienern Ernesto Schiaparelli (1856-1928) und Evaristo Breccia (1876-1967).134 Rubensohn ärgerte sich über beide Teilungen.135 Steindorff musste sich Giza (1903-1910) wie erwähnt mit Schiaparelli und dessen Landsmann Francesco Ballerini (1877-1910) (in Giza 1902-1905) teilen sowie mit dem US-Amerikaner Reisner und dessen britischem Assistenten Arthur C. Mace (1874-1928) (in Giza 1902-1942, mit Unterbrechungen). Bei Medinet Madi verzichtete Zucker auf eine bestimmte Grabungsstelle unter anderem deshalb, weil er sie mit dem Franzosen Émile Chassinat (1868-1948) hätte teilen müssen.136 An nicht-deutschen Archäologen bemängelten die Deutschen oftmals die Grabungsmethodik (Kap. 3.2.5.2). Zudem stellten die »anderen«, wenn sie an der gleichen Stätte oder in der weiteren Umgebung gruben, ägyptische Arbeiter ein, die dann nicht mehr den Deutschen zur Verfügung standen (3.3.3.1). Nichtsdestoweniger gab es zwischen deutschen und vielen anderen Archäologen bzw. Ägyptologen – einschließlich derer des

130 Primavesi, Papyruskartell, 174f. mit Anm. 14; zur nationalen Zielsetzung des Deutschen Papyruskartells und des Preußischen Papyrusunternehmens weiter Kuckertz, Rubensohn (2020), 39 mit 67 Anm. 17. Zur Verteilung der Erträge der untersuchten Archäologen in Deutschland: Primavesi, a.a.O., 177; Voss/Pilgrim, Borchardt und deutsche Interessen am Nil, 296f.; Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 110 Anm. 1; Erman, Borchardt Bibliographie, 8. 131 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 253, 267, 271; Amarna 1912/13, 217f. (Zitat: 217); vgl. Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 29f. 132 Franzosen: Delange, Éléphantine, Bd. 2, 12 Abb. 4; Italiener: Del Vesco/Moiso, Missione Egitto, 152 Abb. 5, 272 Abb. 1, 274 Abb. 4. 133 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 5f. (Zitat: 5); vgl. Rubensohn, Briefe an Familie, 715 (Elephantine, 28.12.1906: »Masperos Deutschenfeindschaft«). 134 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 39f., 139f., 146f., 160f. (zu Hermopolis); 1906/07 Elephantine, 1. 135 Rubensohn, Briefe an Familie, 276f. (Hermopolis, 18.4.1903), 400 (Abusir el-Meleq, 11.2.1904: ebenfalls zu Hermopolis), 710f., 715f. (Elephantine, Dezember 1906). 136 Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 102-104, 115-117; zu Giza: o. Kap. 3.2.2.1; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 36f. Zu den Grabungen der Franzosen auf Elephantine: Delange, Éléphantine; der Italiener in Hermopolis: Moiso, Schiaparelli, 207, 210, 216; der Italiener in Giza: Del Vesco/Ugliano, Giza, 223-230; von Reisner und Mace in Giza: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 229-231.

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Antikendienstes über ihre behördliche Funktion hinaus – in Ägypten damals gegenseitig interessierten Austausch, regelmäßige Besuche und bereitwillige Hilfe – gerade zwischen dem Papyrusunternehmen und den Franzosen auf Elephantine, wo einmal die beiden Grabungsmannschaften sogar vereinigt wurden, um ein Monument auszugraben, das sich über beide Konzessionsgebiete erstreckte.137 Und im Fayyum und Umgebung beobachtete Rubensohn namentlich die dort vorher und gleichzeitig ausgeführten Forschungen der Briten Grenfell und Hunt (o. 3.2.2.1), mit denen er auch in Briefkontakt stand138 – obwohl er die Briten wie andere Nationen als Konkurrenz wahrnahm.139 Vorbei waren jedoch die Zeiten, in denen sich in Ägypten die Agenten des britischen Konsuls Salt und des französischen Konsuls Drovetti einen, nach Belzonis Erzählung, teils bewaffneten Kampf um Antiken lieferten (o. Kap. 2.1.2).140 Knapp hundert Jahre später hatten die Ägyptologen bzw. Ägypten-Archäologen der verschiedenen (westlichen) Länder keineswegs vergessen, dass sie aus unterschiedlichen Ländern kamen; dessen ungeachtet pflegten und schätzten sie in Ägypten ein in der Tat »kollegiale[s] Verhältnis« zueinander.141

3.2.5 Archäologische Ansprüche bzw. Arbeitspraxis Nach den zurückliegenden Abschnitten unter 3.2 waren die untersuchten Archäologen professionelle Altertumswissenschaftler (Kap. 3.2.1). Zumindest die Chefarchäologen Steindorff, Möller, Rubensohn und Zucker hatten jeweils an einer Universität Ägyptologie oder eine andere Altertumswissenschaft bis zur Promotion studiert (nur Borchardt nicht142 ) und forschten in Ägypten im Namen wissenschaftlicher Institutionen wie den Berliner Museen, der Deutschen Orient-Gesellschaft, der Universität Leipzig, dem 137 138

Georg, Recherche commune, 195. Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 71; Tebtunis, 172; 1902/03 Abusir el-Meleq, 111; Hermopolis, 156; 1903/04 Abusir el-Meleq, 12, 33, 132. 139 Rubensohn, Briefe an Familie, 120 (Abusir el-Meleq, 5.4.1902), 504 (Hermopolis, 7.1.1905), 538 (Abusir el-Meleq, 16.3.1905). Die untersuchten Archäologen und ihre Kollegen Capart (Belgien): Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 185f.; Carter (Großbritannien/Antikendienst): Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 333-337; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 61-67, 75, 107, 123, 127, 134f.; 1913, 16f., 24f.; Davis (USA): Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 47f., 53f.; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 35, 37f.; Gardiner (Großbritannien): Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 232, 245; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 12f., 27, 31, 37, 39, 46, 53f.; Hyvernat (USA): Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 159f.; Legrain (Frankreich/Antikendienst): Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Oberägypten, 17f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 44; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 5; MacIver (Großbritannien/USA): Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, 382f.; Naville (Schweiz): Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 116; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 28; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 286; Newberry (Großbritannien): Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 104; 1906, 65; Somers Clarke (Großbritannien): Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 345f., 350, 353f.; Reisner außer mit Steindorff: Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 6; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 31; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 121f.; zu Reisner mit Steindorff sowie zu den Kollegen Petrie und Schiaparelli: u. Kap. 3.2.5.2; zum Kollegen Quibell: u. Kap. 3.3.3.1(Abs. 4)-2; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 3-5. 140 Zum Zusammenstoß Belzonis mit Drovetti auf der Insel Philae: Fagan, Rape of Nile, 129-136. 141 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 40. 142 Er hatte zwar Ägyptologie (bei Erman in Berlin) studiert, doch einen Abschluss nur in seiner parallelen Ausbildung zum »Regierungsbaumeister« erworben; seinen Doktortitel in Ägyptologie er-

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Deutschen Papyruskartell oder dem Kaiserlich-Deutschen Institut für Ägyptische Altertumskunde (1.1.3, 3.2, 3.2.1, 3.2.2.1). Damit unterschieden sich die Männer klar von jenen Amateuren ohne wissenschaftlichen und/oder staatlichen Auftrag, denen der Leitungsausschuss des ägyptischen Antikendienstes (3.2.3) ab 1902 keine Grabungskonzessionen mehr zu erteilen beschloss.143 In Ägypten forschten die untersuchten Archäologen mit bestimmten Zielen an, mithilfe verschiedener Informationsquellen, entsprechend ausgewählten Stätten bzw. Stellen (Kap. 3.2.2.1-2). Sie erkannten die Autorität des Antikendienstes an bzw. hielten dessen Vorschriften ein, weil sie um seine Bedeutung für den Erhalt der Altertümer in Ägypten – ihres Arbeitsmaterials – wussten und Borchardt die Behörde deshalb sogar noch mächtiger sehen wollte (3.2.3).144 Die deutschen Archäologen arbeiteten außerdem mit ihren Kollegen aus anderen (westlichen) Ländern zusammen, weil sie ihre gemeinsame Wissenschaft, die Ägyptologie, miteinander weiter voranbringen würden als gegeneinander (3.2.4). In all diesen Aspekten spiegelten die untersuchten Archäologen die kontinuierliche Weiterentwicklung der Ägyptologie bzw. Archäologie in Ägypten wider, deren frühere Schritte ich unter 2.2 herausgearbeitet habe. Darüber hinaus äußerte die Weiterentwicklung sich darin, dass die Archäologen an ihre bzw. die Archäologie allgemein bewusst oder unbewusst gewisse methodische Ansprüche stellten, die die Ägypten-Archäologie zu erfüllen habe, um zeitgemäße, seriöse Ägypten-Archäologie zu sein.

3.2.5.1 Intra- und interdisziplinäre Arbeitsteilung Während der im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts tätige Karl Richard Lepsius noch die volle Bandbreite ägyptologischer Forschung (und Lehre) in seiner Person vereinigte – von der Vollendung der Hieroglyphenentzifferung über eine monumentale Ägypten-Expedition bis zur Gestaltung des Berliner Ägyptischen Museums –, sehen wir in meinem 1898 beginnenden Untersuchungszeitraum Spezialisten nicht nur der ägyptischen Philologie wie Erman und der Archäologie wie Borchardt (Kap. 1.1.3), sondern die Archäologen haben sich weiter auf, wie Borchardt und Hölscher, Bauforschung oder, wie Rubensohn und Zucker, Papyruskunde spezialisiert. Auch Steindorff, der seine ägyptologische Karriere als Philologe des Koptischen begonnen hatte (1.1.3) und Archäologie zunächst ohne

hielt er 1897 in Berlin ehrenhalber für seinen Beitrag zur Katalogisierung der Bestände des Kairener Ägyptischen Museums (Voss, Borchardt Ägyptologe, 105f.; zu der Katalogisierung: o. Kap. 1.1.3). 143 Maspero, Service des antiquités 1899-1910, 70f., 102 (jeweils »amateurs«). Gesetzlich festgeschrieben wurden Qualifikationsbedingungen für Ausgräber in Ägypten aber erst 1952 (Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 121f.). 144 Es ist den Deutschen immer wieder unterstellt worden, dass ihnen bei der Fundteilung am Ende ihrer Grabungskampagne in Amarna 1912/13 die Nofretete-Büste nur deswegen überlassen worden sei, weil Borchardt deren volle Pracht vor dem teilenden Antikendienstinspektor, dem erwähnten Franzosen Lefebvre (Kap. 3.2.3), verborgen habe (z.B. Simons, Raub der Nofretete, 192; für »very likely« gehalten von Siehr, Nefertiti, 117f.). Doch die zugegeben merkwürdigen Vorgänge, die Teilung und Fund umgaben, lassen sich jeweils anders erklären (Gertzen, Wissenschaftsgeschichte der Ägyptologie, 170-173; Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 95-98, 182-185); und bisher sind keine Forschungsarbeiten erschienen, die zwingende Beweise für eine Täuschung vorlegen. Das schließt nicht aus, dass es solche Beweise gibt und sie irgendwann gefunden und veröffentlicht werden.

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eindeutigen Schwerpunkt betrieb, fand einen solchen dann mit Nubien (3.2.2.1) – das vielleicht nicht zufällig wie die Oase Siwa, 1899 Steindorffs allererstes Forschungsziel in Ägypten, am Rande der altägyptischen Zivilisation lag. Über ihr jeweiliges Spezialgebiet bzw. dessen Grenzen waren sich die untersuchten Archäologen im Klaren; doch die Grenzen waren für sie kein Grund zur Scham, sondern Grund dafür, zu ihren Forschungen wo immer möglich Experten anderer Gebiete innerhalb der Ägyptologie sowie darüber hinaus hinzuzuziehen. Steindorff ließ in Giza seine fehlenden Kenntnisse in Archäologie bzw. Bauforschung durch Borchardt, Hölscher und andere Regierungsbaumeister ausgleichen; Rubensohn und Zucker ihre fehlenden in Ägyptologie durch Borchardt und andere Ägyptologen (Kap. 3.2.1). Rubensohn untersuchte bei seinen Grabungen Mauern mit Hölscher und las Hieroglyphen mit Möller;145 und nachdem er, Rubensohn, in Abusir el-Meleq prädynastische Hockergräber entdeckt hatte, trat er die Stätte gleich ganz an Möller ab (3.2.2.1), den Steindorff sogar zu den letzten universal befähigten Ägyptologen rechnete.146 Umgekehrt erteilte Borchardt archäologische und architektonische Ratschläge (letztere auch an Möller in Theben 1911), suchte aber, wenn er bei Ausgrabungen griechische Texte und andere griechische Artefakte entdeckte, den Rat Rubensohns und anderer Gräzisten bzw. Klassischer Archäologen, da ihm »auf diesem Gebiet« als »völligem Laien« keine Urteile zustünden.147 In großen Grabungsberichten lieferten dann etwa Borchardt oder Hölscher die baugeschichtlichen Ergebnisse, während etwa Möller die gefundenen Inschriften oder Steindorff die Einzelfunde darlegte.148 Und auf der Nubien-Expedition 1900 waren »[d]ie Arbeiten […] derartig verteilt, daß Borchardt und Schäfer die Baudenkmäler […] untersuchten, Steindorff den altägyptischen Darstellungen und Inschriften, [der Klassische Archäologe] Thiersch den griechisch-römischen sich widmeten, während die photographischen Aufnahmen von [dem Militärattaché] Gr[ü]nau besorgt wurden«.149 Ferner kooperierten die Archäologen nicht nur mit Altertumswissenschaftlern, zu denen auch Hebraisten und Assyriologen gehörten, sondern auch mit Naturwissenschaftlern wie Medizinern, Botanikern und Chemikern, die ausgegrabene Skelette, Überreste von Pflanzen oder andere Substanzen auswerteten – bei den Ausgrabungen selbst oder im Labor in Deutschland.150 Vor allem wurde Möllers Grabungskampagne in Abusir el-Meleq 1905 von dem erwähnten Anatomen Müller begleitet (Kap. 1.2.3.1 145

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Hölscher: Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 33; Möller: Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 34f.; 1905/06 ebd., 36. Schäfer hilft Zucker: Zucker et al., Tgb. 1908/09 Oberägypten/ Fayyum, 8. Steindorff, Möller, 144. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 47f. (Zitat: 48); Grabdenkmal Sahu-Re, 135-138; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 164-166, 337; vgl. 1903/04, 271. Hölscher et al. [sc. Borchardt, Steindorff], Grabdenkmal Chephren; Borchardt, Nefer-Ir-Ke-Re, 59 (Möller). Zur Notwendigkeit, dass eine Ausgrabung von Archäologen verschiedener Spezialisierungen durchgeführt wird: Montet, Isis, 169. Borchardt, Altägyptische Festungen, Vorwort. Z.B. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 22f.; Ausgrabungen Amarna 1913/14, 35; Nefer-Ir-Ke-Re, 73, 78; Grabdenkmal Sahu-Re, 77; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 96f.; Amarna 1913/14, 197, 209; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 117; Möller, Ausgrabung Abusîr el-Meleq 1906, 12; ders. et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 18, 31f., 53; Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 44 Anm. 1; Steindorff, Libysche Wüste, 18.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Abs. 3), und Steindorffs in Giza 1905 von dem Anatomen August Friedrich (von) Froriep (1849-1917) besucht, der wie Müller an der Universität Tübingen wirkte.151 Somit setzten die untersuchten Archäologen bereits systematisch jene naturwissenschaftlichen »Hilfswissenschaften« ein, die in der heutigen Ägypten-Archäologie eine noch größere Zahl und Vielfalt erreicht haben.152

3.2.5.2 »Systematische« Ausgrabungen Doch während die deutschen Archäologen sich wenn nötig auf Wissenschaftler anderer Fächer verließen, setzten sie ihr Tun dezidiert von dem bestimmter anderer Ägypten-Archäologen ab, weil sie dieses für fehlerhaft erachteten: Die französischen Grabungen in Abu Roasch nahe Giza – durchgeführt zwischen 1900 und 1902 unter Chassinat (Kap. 3.2.4), Direktor des Kairener Institut français d’archéologie orientale (1.1.2) – seien »leider nicht sehr sorgfältig« geraten; der Italiener Schiaparelli habe in Giza nicht gegraben, sondern »gebuddelt«; sein Landsmann und Assistent Breccia (3.2.4), von 1904 bis 1931 Direktor des Griechisch-Römischen Museums in Alexandria, habe »[v]on Archaeologie […] keinen Dunst«; die Aufnahme Amarnas durch den Briten Petrie (1891/92), der es mit seinem Landsmann Howard Carter »umgewühlt« habe, sei »kindisch«.153 Zumindest die Kritik an den Franzosen hing zusammen mit dem Antagonismus zwischen der deutschen bzw. »Berliner« und anderen »Schulen« der Ägyptologie (Kap. 1.1.2). Der Berliner Erman und seine Schüler führten die ägyptologische Philologie an; die Briten um Petrie die Archäologie. Die französischen Ägyptologen – und vielleicht auch die italienischen, mit ihren Schwerpunkten Museum und Papyrus – schwebten irgendwo dazwischen, sodass sie in den Augen der Berliner weder Philologie noch Archäologie wirklich beherrschten.154 Insbesondere warf Erman Maspero und dessen Schülern – die auch in Italien zu finden seien – vor, in Ägypten »flüchtige«, »geradezu unbrauchbar[e]« Ergebnisse hervorbringende »Schnellarbeit« zu machen, denn mit

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Zu Froriep: Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 75, 86, 93f., 151; ferner Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 94, 99. Bard, Introduction to Archaeology of Egypt, 16f.; Tassie, Excavation Methodology, 1775. Die Einbeziehung von Naturwissenschaften in die Archäologie forderte schon Ebers, Ausgrabungen in Aegypten (1895), 85f. Sethe bezeichnete die Verbindung zwischen Ägyptologie und anderen Disziplinen schon 1921 als »selbstverständlich« (Ägyptologie, 33). Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 89 (Franzosen); 1905, 70 (»Buddellöcher der Italiener«; vgl. Rubensohn, Briefe an Familie, 267 [Abusir el-Meleq, 26.3.1903: »Italienische Ausbuddelungs-Kommission«]; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 14 [»Ziegelmauerwerk, das die Italiener freigekratzt haben«]); zu Breccia: Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 163f.; ähnlich 1902/03 ebd., 140; zu Petrie: Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 19; ähnlich 68f.; Petrie als »Wühler« bzw. schlechter Ausgräber auch bei Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 12; ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 196; 1913/14, 90; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 6f. (vgl. u. Kap. 3.4.2 Anm. 603); Carter bzw. sein Finanzier Carnarvon als »Wühler«: Möller et al., Tgb. Theben 1911, 22f. Georg, Recherche commune, 194; zu den Merkmalen der italienischen Ägyptologie bis 1914: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 186f. Dass Breccia etwas von Papyrus verstand, erkannte auch Rubensohn an (ders. et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 163f.). Die ägyptologischen Schulen unterschied Petrie in inhaltlicher Hinsicht wie folgt: Die Franzosen konzentrierten sich auf Altägyptens Religion und Recht; die Deutschen auf die Sprache; die Briten auf Kunst und materielle Kultur (zit. in: Gertzen, École de Berlin, 24).

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solcher »Betriebsamkeit« würden sie versuchen, »die ihnen fehlende wissenschaftliche Bildung« zu »ersetzen«. Erman gab diese Ansichten an seinen Schüler Borchardt weiter;155 Steindorff mag sie ebenfalls von seinem Lehrer Erman, von Borchardt oder von beiden erhalten haben. Die nötige wissenschaftliche, ägyptologische Bildung sprach Borchardt also nicht nur dem US-Amerikaner Dow Covington (3.2.3) und dem Spanier Vicente Galarza y Pérez Castañeda (1881-1938) ab, die tatsächlich Amateure waren,156 sondern auch dem jahrzehntelangen Antikendirektor und Pariser Ägyptologie-Professor Maspero – während umgekehrt französische Ägyptologen die deutschen wegen deren philologischer Perspektive als wirklichkeitsfremde Theoretiker abtaten.157 Der Engländer Petrie war im Gegensatz zu den Deutschen ägyptologischer bzw. archäologischer Autodidakt, doch war dies nicht der Grund für ihre zitierte Kritik an ihm. Petries Maxime, bei antiken Überresten auch das »Geringste« »genau« zu »beobachten« (o. Kap. 2.2.3) – die Formulierung stammt von Erman, der die Maxime allerdings dem deutschen Afrika-Forscher Georg Schweinfurth (1836-1925) zuschrieb –, machten die untersuchten Archäologen sich zu eigen, indem sie erstens etwa nicht nur Fürstengräber, sondern auch »humbler cemeteries« wie Abusir el-Meleq erforschten, oder von königlichen Monumenten die stark zerstörten, touristisch wertlosen von Abusir/Abu Gurob.158

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Erman, Werden und Wirken, 258f. mit 259 Anm. 8 (259: flüchtige Schnellarbeit); Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 150-154 (152: restliche Erman-Zitate); Georg, Egyptology as Area Study, 280f. Ähnliche Ansichten vertrat Ermans Schüler Kurt Sethe (Ägyptologie, 30). Dem okkultistischen Orientalisten »Graf« Galarza genehmigte Maspero 1907 gegen den Willen des Comité d’archéologie seines Antikendienstes, am Sphinxtempel von Giza zu graben – in Steindorffs Konzessionsgebiet, was vor allem Borchardts Unmut erregte, obwohl Maspero Galarzas Grabungen, die bis 1909 stattfanden, unter die Leitung des Antikendienstkonservators Ahmed Kamal (Kap. 4.2.2.1) stellte (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 18 [Galarza als »verrückt« bezeichnend]; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 67, 150, 162). Zu Covington und Borchardts Protest gegen ihn: Raue, Steindorff Ausgrabungen, 417 Anm. 93; zu Galarza: García Benasach/Martín Pérez, Galarza. Georg, Egyptology as Area Study, 280; ähnlich der britische Ägyptologe Stephen R.K. Glanville (1900-1956): »[W]ith the language as our only source [zum alten Ägypten] we should be left with a two-dimensional sketch, a diagram for the class-room wall. It is here that archaeology comes to the rescue« (Egyptology, 33); ähnlich auch der oben im nächsten Absatz zu besprechende Archäologe Petrie: »Egyptology has been too often taken as a name for the study of the language alone. It is far more than that«. Im Übrigen: »[T]here is much need of trained hands for excavation and exploration […]. No greater mistake is made than supposing that an excavator must needs be a scholar. Totally different qualities are needed by the two. […] The excavator needs many qualities which are quite outside the province of the scholar, but he does not need all the scholar’s knowledge of the language and history. For either to take up the other’s work, would produce as unhappy a result as for the astronomer and the navigator to exchange their functions« (Introductory Lecture, 1893, abgedruckt in: Janssen, Egyptology at University College London, 98-102, Zitate: 100f.). Maspero klagend über die Intoleranz der Deutschen gegenüber anderen ägyptologischen Ansätzen als ihren eigenen: Gady, Regard des égyptologues français sur collègues allemands, 163. Kritisch zur Vorherrschaft der Philologie in der Ägyptologie noch in den 1980er Jahren: Kemp, In the Shadow of Texts. Erman, Werden und Wirken, 211 (als Pionier naturwissenschaftlicher Archäologie erscheint Schweinfurth bei Ebers, Ausgrabungen in Aegypten, 86); Peet, Egyptological Studies, 5 (Freilegung von »humbler cemeteries« als Fortschritt in der Geschichte der Ägypten-Archäologie); Borchardt/ Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1900/01, 103 (zum Touristischen).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Zweitens konservierten und dokumentierten sie bei ihren Grabungen gefundene Tongefäße bzw. -scherben – jene auch von ihnen oft mit dem englischen Begriff bezeichnete »pottery«, die Petrie als »the greatest resource of the archaeologist« erkannt hatte.159 Drittens interessierten sich Rubensohn und Zucker sogar vorrangig für Papyri – ein in der Ägyptologie ebenfalls von Petrie etablierter, »revolutionärer« Quellentypus, den vorherige Archäologen bei ihrer Suche nach großen bzw. schönen Antiken bestenfalls weggeworfen und schlimmstenfalls zerstört hatten.160 Viertens suchten Borchardt und Steindorff – wie auch Petrie es musste – jeweils zwar durchaus nach Museumsstücken, um die Deutsche Orient-Gesellschaft bzw. Geldgeber zu befriedigen. Die mit diesem Versprechen eingeworbenen Mittel nutzten sie jedoch umso mehr für Bauforschung bzw. die Suche nach »Kleinkunst und Gebrauchsgegenstände[n]«, womit Steindorff in seinem Leipziger Museum für seine Studenten und andere »neben der Geschichte der Kunst auch die Vielfalt ägyptischen Alltagslebens anschaulich« machen wollte.161 Allerdings gaben die Deutschen, die in Berlin zu den unbestrittenen Meistern der ägyptologischen Philologie aufgestiegen waren, sich in der Archäologie in Ägypten nicht damit zufrieden, den britischen Meistern lediglich zu folgen – sie wollten diese auch hier übertrumpfen: Während Petrie für sich beanspruchte, »systematische« Archäologie zu betreiben,162 versagten die deutschen Archäologen ihm dieses Prädikat bzw. beanspruchten es für sich allein. Konkret sprachen sie damit Mängel an, die Petries Archäologie tatsächlich auch aus unbefangener Sicht aufwies: Da er in Ägypten fast jede Saison zu einer neuen Stätte wechselte, fehlte ihm bei sowohl den Grabungen selbst als auch der Veröffentlichung der Ergebnisse die Zeit für lückenlose Sorgfalt; und die Lust hierzu fehlte ihm ebenfalls. Dies und sein Verlass auf sein außergewöhnliches visuelles Gedächtnis führten in seiner Feld- und Schriftarbeit zu Ungenauigkeiten, Fehlern, Auslassungen und Widersprüchen.163

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Petrie, Methods in Archaeology, 15f.; bes. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 154, 355; 1903, 207; 1907, 390; 1907/08, 281, 387, 400; Amarna 1906/07, 115; 1911, 37, 61; 1912/13, 259; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Hermopolis, 197; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 77, 86, 96f., 100; Theben 1913, 37, 59, 61, 64; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 34f.; 1910, 100; Aniba 1912, 33, 48; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 52, 234, 248, 250f. 160 Bowman, Recolonising Egypt, 216f. (217: »revolutionary«); Fagan, Rape of Nile, 181. 161 Zu Borchardt und der DOG: Kap. 3.2.2.1; zu Steindorff und seinen Geldgebern: Cappel, Erman und Steindorff, 37; zu Steindorffs Museumskonzept: Blumenthal, Ägypten in Leipzig, 16 (Zitat). Dieses Konzept folgte Petrie, der »seine« Pottery genauso wie »schönere« Objekte im Museum ausstellen ließ (Exell, Egyptology, 481). Zu Petries Schuld gegenüber Geldgebern: Gertzen, Petrie, 287-289; vgl. ferner Franzmeier, Petrie’s Project Funding. 162 Petrie, Methods in Archaeology, Kap. 11 (»Systematic Archaeology«); vgl. Peet, Egyptological Studies, 5 (»Petrie first began the systematic excavation of Egypt«); ähnlich Hornung, Ägyptologie, 11. 163 Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 19-21; zu Petries Publikationen: Drower, Petrie, 432f.; Spencer, Petrie Earliest Egypt, 24. Petrie zur Wichtigkeit von »a visual memory of the site and excavations«: Methods in Archaeology, 18f. Chronologische Übersicht über Petries Grabungsstätten: Drower, a.a.O., 472. Kritik an archäologischen Aussagen Petries bei Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 12f.; Grabdenkmal Sahu-Re, 133; Ausgrabungen Amarna 1912/13, 19, 23; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 77; 1911/12, 210-212; Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 321-323. Zugleich Lob und Tadel für Petrie bereits von Ebers, Ausgrabungen in Aegypten (1895), 85.

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Petries visuelles Gedächtnis entsprach der »Intuition« bzw. »Genialität«, mit der Mariette grub und Maspero oder Heinrich Brugsch altägyptische Texte übersetzten.164 Derartige »Instrumente« waren etwas zu leisten imstande, im Allgemeinen aber unberechenbar und deshalb mit der fortschreitenden Verwissenschaftlichung der Ägyptologie unvereinbar. Den tatsächlichen, durch die nationale Konkurrenz aber auch dramatisierten Mängeln der britischen, französischen und italienischen Ägypten-Archäologie stellten die Deutschen ihre »systematische«, »methodische« Ausgrabungsweise entgegen, wie sie von Borchardt, dem »Meister moderner Grabungswissenschaft«, entwickelt worden war und immer weiterentwickelt wurde.165 Das Papyrusunternehmen grub zwar – wegen seines eng begrenzten Fundzieles – an den meisten Stätten nur jeweils einmal und/oder für wenige Wochen (und zumindest Rubensohns Methodik entsprach auch nicht Borchardts oder Petries Standards166 ). Borchardt bzw. Steindorff blieben hingegen in Abu Gurob, Abusir, Amarna und Giza für bis zu sechs Saisons, die in der Regel mehrere Monate umfassten. Sie nutzten die Zeit zur »völlige[n] Freilegung« »gesamte[r]« antiker »Bezirk[e]«, wie der Finanzier und Ägyptologe Bissing in Bezug auf Abu Gurob eine »methodische Ausgrabung« definierte.167 Derartige Großunternehmungen, zumal mit baugeschichtlichen Fragestellungen, führten deutsche Archäologen seit den 1870er Jahren bereits in Kleinasien (Wilhelm Dörpfeld [1853-1940]) und dann, teils wie Borchardt für die Deutsche Orient-Gesellschaft, in Mesopotamien (Robert Koldewey [1855-1925]) durch.168 In Ägypten unterschieden sich die Deutschen damit vor allem von den Franzosen und deren über eine Stätte verteilten Versuchsgräben, die auch Petrie ablehnte, weil solche Stichproben den übergeordneten Kontext einer Stätte außer Acht lassen, ja Entdeckungen aus ihm herausreißen würden.169 Petrie selbst benutzte Gräben, um Stätten »umzuwälzen« (engl.: turning over): Er ließ eine Seite der Stätte freilegen und diesen Langgraben dann über die gesamte Fläche wandern, indem die Arbeiter den Graben in der Breite vortrieben und den Aushub hinter sich warfen. Petrie empfahl das Umwälzen als schnell und kostengünstig. Da er somit jedoch 164 Zu Mariette: Kap. 2.2.4 (Sauneron, Égyptologie, 18; Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 96); zu Maspero: Naville, Égyptologie française, Tl. 3, 11; Sethe, Antrittsrede, CXVII; Wilson, American Egyptology, 69; Helck, Ägyptologie an deutschen Universitäten, 9; zu Brugsch: Sethe, Ägyptologie, 40; Kees, Geschichte der Ägyptologie, 5. Zu »Intuition« als Charakteristikum französischer ägyptologischer Forschung seit Champollion: Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 127; Bd. 2, 164; Bd. 3, 162f. 165 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 12; Voruntersuchung Amarna, 14 (jeweils »systematisch«); Bissing, Vorwort (Ne-Woser-Re) (»methodisch«); Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, Vorwort (zu Borchardt); Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 50 (»es zeigt sich [bei uns] wieder, dass systematisches Graben u[nd] nicht blosses Buddeln die besten Resultate gibt«). 166 Kuckertz, Rubensohn (2020), 37. 167 Bissing, Vorwort (Ne-Woser-Re). 168 Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 71f. 169 Petrie, Methods in Archaeology, 41. Noch 1908 glaubte Maspero rechtfertigen zu müssen, warum er nach Beratung mit zuallererst den deutschen Ägypten-Archäologen die Ausgräber des Antikendienstes angewiesen hatte, antike Stätten ganz freizulegen anstatt mit Einzelgräben zu durchziehen – trotz des immensen Geld- und Zeitverbrauchs könne man an einer Stätte nur so sicher sein, nichts zu übersehen (Service des antiquités 1899-1910, 265f.).

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seine Stätten »nicht freilegt[e], sondern nur durchwühlt[e]«,170 verlor er nach den Maßstäben der Deutschen spätestens in seinen Publikationen den Überblick über sie. Im Unterschied dazu befreiten Borchardt bzw. seine Regierungsbaumeister ihre Stätten großflächig vom Erdreich, und das nicht nur von einer Seite zur anderen, sondern entlang architektonischer Strukturen, die sie zum einen fortlaufend zeichneten, zum anderen den Plänen früherer Forscher entnahmen.171 Vor allem in Abusir/Abu Gurob waren dies die Pläne der Lepsius-Expedition bzw. ihres Architekten Erbkam; in Amarna war es der Vergleich mit der von der Lepsius-Expedition angefertigten Aufnahme – der Borchardt die Aufnahme Petries wie eingangs dieses Abschnittes zitiert als »kindisch« belächeln ließ.172 Um den enormen Aushub, der bei solchen systematischen Freilegungen anfiel, »möglichst weit und auf freies Terrain zu befördern«, statt ihn, »wie fast bei allen ägyptischen Grabungen bisher geschehen, einfach neben die Grabung auf irgend ein anderes antikes Denkmal zu werfen«, betrieben die Deutschen in Abu Gurob, Abusir, Giza und Amarna eine Feldbahn173 – während Petrie den Aushub schlicht hinter sich warf.174 Ihre Funde bzw., in der Bauforschung, Befunde versuchten die Deutschen dann auch bei riesigen Grabungsflächen vollumfassend zu dokumentieren – in Feldtagebüchern, Plänen, Fundjournalen, Fotografien und schließlich Publikationen –, während dies in ihren Augen Petrie und vor allem den Franzosen nicht einmal bei kleineren Flächen gelang.175 Und während der schweizerische Ägypten-Archäologe Édouard Naville (1844-1926) Petries Forderung, auch die Position von Funden in einer Stätte aufzuzeichnen, entgegenhielt: »[Y]ou might as well make a plan of the position of raisins in a plum pudding«, nahmen die Deutschen die Herausforderung an und teilten die Stätten von Abusir el-Meleq (ab 1905), Abusir (ab 1908), Amarna und Aniba in Planquadrate ein, sodass die Funde neben anderen Beschreibungen zusätzlich Koordinaten

170 Sethe, Ägyptologie, 29 (Zitat); Petrie, Methods in Archaeology, 43f.; Kees, Geschichte der Ägyptologie, 7; Wortham, British Egyptology, 119. 171 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 14-20. Zu den Regierungsbaumeistern bei Borchardts und Steindorffs Ausgrabungen: o. Kap. 3.2.1; zu Lepsius bzw. Erbkam: o. 3.2.2.2. Zur Methode der Bauforschung in der Ägypten-Archäologie: Sählhof, Bauforschung, 220-223. 172 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 19; zur preußischen Expedition: Borchardt, Ne-Woser-Re, 3 (Erbkams Aufnahme von Abu Gurob »die beste, die davon gemacht wurde«); Ausgrabungen Abusir 1901/2, 5 (Erbkams Aufnahme von Abusir »die bisher einzig brauchbare«); Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 9 (Erbkams Lageplan von Giza »bis heute unübertroffen«). 173 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77; u. Kap. 3.3.5.2. In Giza mussten die Grabungsmannschaften Schutthügel abtragen, die einst Mariette an Stellen abgeworfen hatte, wo sie nun die Ausgrabung behinderten (Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 1f., 5; 1910, 65, 85; das gleiche war z.B. in Abydos nötig: Borchardt, Diesjährige Ausgrabungen [Klio 1915], 498). Zu der entsprechenden Praxis Mariettes: Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 93f.; Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 232; zu der Navilles in den 1900er Jahren: Bratton, Egyptian Archaeology, 204. 174 Zu weitergehenden Differenzen zwischen Borchardt und Petrie sowie zu Borchardts Kritik an der Qualifikation anderer britischer Archäologen: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 154-156. 175 Sethe, Ägyptologie, 29.

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erhielten. In Amarna erhielt außerdem jedes ausgegrabene Haus einen bautechnischen »Steckbrief«.176 Borchardt, Möller, Rubensohn und Zucker publizierten schließlich nach Ende einer Grabungssaison in der Regel einen Kurzbericht in einer Fachzeitschrift;177 und insbesondere zu den Ausgrabungen in Abu Gurob und Abusir brachte Borchardt überdies Monographien mit Ergebnissen heraus. Folgerichtig ist bei Steindorff bedauert worden, dass er »die Publikation seiner [frühen, vor Aniba 1911/12 stattgefundenen] Ausgrabungen anderen überließ«; und bei der Unternehmung in Amarna, dass die Hauptpublikation jahrzehntelang auf sich warten ließ.178 Der einzige der damals in Ägypten tätigen nicht-deutschen Archäologen, dem die untersuchten deutschen in meinen Quellen echte methodische Anerkennung ausgesprochen haben, ist der US-Amerikaner Reisner (Kap. 3.2.2.1). Er wird heute methodisch als würdigster Nachfolger Petries angesehen, hatte Ägyptologie jedoch bei Erman in Berlin studiert und kombinierte dann bei seinen Ausgrabungen die Ansätze Petries mit deutschen.179 In Giza ließ Steindorff sich von dem gleichfalls dort grabenden Reisner helfen und anregen; 1910 lobte Hölscher Reisners Grabungsbereich als »mustergültig«, danach seine Arbeit als »sorgfältig« und »sachkundig«, obwohl sie »in architektonischer Beziehung […] zu wünschen übrig« lasse.180 Steindorffs Entscheidung, seine Ausgrabungen 1911 von Giza nach (Unter-)Nubien zu verlegen, mag auf Reisner zurückgehen, da die-

176

Naville zit.n.: Drower, Petrie, 283; zu den Differenzen zwischen Naville und Petrie außerdem ebd., 280-282; Wortham, British Egyptology, 109f. Planquadrate bzw. »Koordinatennetze«: Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, bes. 10; 1906, 8f., 30-32, 36; Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 5; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 457f.; Amarna 1911, 28f., 35f., 38, 41f., 80, 148, 154, 215; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 7f.; Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 48; Aniba 1912, 41, 48; »Steckbriefe« u.a.: Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 6f.; zur Grabungsdokumentation in Amarna weiter Finneiser, Amarna, 438, 440 Abb. 2, 443. 177 Quellen und Literatur Abs. b; Kap. 1.2.1.2. 178 Bonnet, Steindorff, 23f. (Zitat: 23); Mode, Amarna (1983), 49-53; ferner Sethe, Ägyptologie, 29; Helck, Ägyptologie an deutschen Universitäten, 14. Zur »ethical obligation« von Ägyptologen »to not only meticulously collect and record the archaeological data but to fully publish their findings within a reasonable timeframe«: Tassie, Excavation Methodology, 1781. 179 Reisner als Nachfolger Petries: Weeks, Archaeology and Egyptology, 12; ähnlich Drower, Petrie, 430f.; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 340; zu seiner deutschen Ausbildung und Lob seiner Ausgrabungen durch Borchardt: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 134; zu Reisners Methodik ferner Wilson, American Egyptology, 147-149; zu Reisner allgemein: Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, Kap. 6; Lacovara, Reisner; zu seinen fünf Grundregeln: David, Experience of Ancient Egypt, 142f. (1. Geeignete Arbeiter; 2. Totale statt selektive Ausgrabung einer Stätte; 3. Schichtweise Ausgrabung von oben nach unten [d.h. entgegen der Chronologie]; 4. Umfassende Aufnahme; 5. Umfassende Veröffentlichung; aus: Reisner, Naga-ed-Dêr, VIIf.). 180 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 31; Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 2, 6; zur Zusammenarbeit zwischen Steindorff und Reisner bzw. dessen Assistenten Mace: o. Kap. 3.2.2.2; u. 3.3.3.2; weiter Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 130; 1905, 10f., 48-50, 67, 77; 1906, 31, 103; 1910, 90, 129, 158f.; Raue, Steindorff Ausgrabungen, 416f., 431f. (hier auch zu Reisners »fortschrittliche[r] Methodik«), 446; ferner Steindorff, Reisner, hier 92 (»Reisner and his co-workers have established the most splendid record in diligent archaeological detail work ever made by any excavator«). Lob für Reisner auch von Sethe, Ägyptologie, 29.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

ser das Gebiet von 1907 bis 1909 grundlegend aufgenommen hatte.181 Jedenfalls benutzte Steindorff in Aniba zur Datierung von Funden jene Buchstaben, mit denen der Amerikaner Kulturphasen Altnubiens unterschieden hatte.182 Ohne ihr methodisches Selbstbewusstsein bzw. ihre, wie man es teils nennen muss, Herablassung gegenüber Ägypten-Archäologen aus anderen Ländern hätten die deutschen an einer Stätte wie Amarna 1907 vielleicht gar nicht angefangen, weil sie darauf vertraut hätten, dass es in einem solchen »Gebiet«, das in den vorherigen Jahrzehnten von Franzosen, Briten und dem Antikendienst »schon zu wiederholten Malen wissenschaftlich durchforscht« worden war, nichts Lohnendes mehr zu finden gebe183 – trotz der Auffälligkeiten im Antikenhandel (Kap. 3.2.2.1). Dass die Deutschen dann dort die Nofretete-Büste fanden, gibt ihrer Einstellung Recht. Auch ohne nationalistische Überhöhung, und obwohl die untersuchten Archäologen von manchen Disziplinhistorikern übergangen werden, müssen wir Borchardt und den nach seinen Innovationen arbeitenden Deutschen das Verdienst zubilligen, wegweisende Beiträge zur ägyptologischen »Grabungswissenschaft« und Bauforschung geleistet zu haben.184 Allerdings beruhte Borchardts System nicht nur auf den in diesem Abschnitt skizzierten archäologischen Methoden, sondern auch auf ägyptischen Arbeitern, mit denen diese Methoden adäquat umzusetzen waren:

3.3 Ablauf der Unternehmungen hinsichtlich ihrer ägyptischen Arbeiter185 »Als wir im Jahre 1898 die Grabung in Abu Gurab begannen«, erklärte Borchardt 1905, »war mit Ausnahme kleiner, kaum nennenswerter Arbeiten seit Lepsius’ Expedition, also seit über 50 Jahren, keine deutsche Ausgrabung in Ägypten unternommen worden. Wir konnten also nicht, wie die Gelehrten anderer Nationen, uns auf eine durch jahrzehntelange Arbeit gefestigte Tradition stützen, wir mussten vielmehr den ganzen Arbeitsbetrieb erst durch Erfahrung selbst lernen und die Organisation allmählich Stein für Stein aufbauen«.186

181

Raue, Steindorff Ausgrabungen, 441. Zu dem von Reisner geleiteten »Archaeological Survey of Nubia«, den die ägyptische Regierung wegen der fortschreitenden Flutung Nubiens durch den ersten Assuan-Staudamm in Auftrag gegeben hatte: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 268-273. 182 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 19, 97, 220f.; Qau 1913/14, 6f.; zu Reisners Klassifikation: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 271f. 183 Borchardt, Voruntersuchung Amarna, 14f. (Zitate: 14); ähnlich Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 1f. 184 In diesem Sinne Bednarski, Egyptology (2013), 2334 (Borchardt verantwortlich für »[t]he first extensive study of ancient Egyptian architecture«); Wilson, American Egyptology, 128 (Borchardt »conducted a number of excellent excavations and gave us a far firmer understanding of Egyptian architecture«); David, Experience of Ancient Egypt, 144; Kees, Geschichte der Ägyptologie, 8; Verner, Abusir (2010), 153. 185 Zentrale Inhalte dieses Abschnitts finden sich auch in Georg, Hinter den Kulissen; Archaeologists as Human Resource Managers. 186 Borchardt, Ne-Woser-Re, 76.

155

156

Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Wie gestaltete sich diese Organisation hinsichtlich der ägyptischen Arbeiter in Abu Gurob und bei den folgenden deutschen archäologischen Unternehmungen in Ägypten?

3.3.0 Ablauf eines Arbeitstags Um der ägyptischen Mittagshitze möglichst auszuweichen, begannen die Deutschen einen Grabungstag »nach alter Sitte […] mit den ersten Strahlen der Sonne«187 zwischen sechs und sieben; im Sommer zwischen fünf und sechs Uhr. Die bis dahin aus ihren Dörfern zur Grabungsstätte gekommenen Ortskräfte (Kap. 3.3.3.1) versammelten sich, um von den Deutschen nach den Arbeiter- bzw. Lohnlisten (1.2.1.3) namentlich aufgerufen bzw. neu in diese eingetragen zu werden; bei nicht ortsansässigen Stammkräften (3.3.3.2) war kein Aufruf nötig, da sie meist während der gesamten Grabung, auch nachts (3.3.6), bei ihr blieben. Der sogenannte »Aufruf« (Abb. 6f.) dauerte je nach Arbeiterzahl wohl zwischen 10 und 30 Minuten; bei Neueinstellungen entsprechend länger.188 Danach wurde gearbeitet, bis die Vorarbeiter zur Mittagszeit zu einer Pause pfiffen. Sie dauerte eine, bei extremer Hitze auch eineinhalb Stunden. Danach ging die Arbeit weiter, bis die Arbeiter gegen fünf Uhr, kurz vor Sonnenuntergang, wiederum per Pfiff für den Tag entlassen wurden.189 Ein Arbeitstag umfasste somit zwischen neun und zehn Arbeitsstunden. Der sechste Arbeitstag der Woche endete bereits zwischen 15 und 16 Uhr; den Arbeitern wurde dann ihr Wochenlohn ausgezahlt (Kap. 3.3.9.3), was bis zu zwei Stunden dauerte.190 Am siebten Tag hatten die meisten Arbeiter frei; höchstens einige Stamm- bzw. Spezialarbeiter unterhielten dann die Feldbahn (3.3.5.2) oder führten mit den Deutschen, sofern diese keine Ausflüge machten oder sich in Ruhe der archäologischen Aufnahme widmen wollten, kleinere bzw. dringende Grabungsarbeiten weiter.191 Während der islamischen Hochfeste – des zweitägigen Opfer- und des dreitägigen Zuckerfestes (4.2.3) – ruhten auch jene Zusatzarbeiten. Den wöchentlichen Ruhetag legten die Deutschen meist auf Donnerstag, Freitag oder Samstag bzw. den Tag des örtlichen Marktes (3.3.7). Gegen Ende einer Grabungskampagne fielen diese Ruhetage oft aus, da die bearbeiteten Grabungsplätze dann ohne Verzögerung abgeschlossen bzw. Funde 187 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 118. 188 Zu Aufrufen: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 7f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 255f., 268 (Aufruf von 502 Arbeitern binnen einer halben Stunde); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 52; 1909, 44; Qau 1913/14, 30; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 151; Kom Ombo, 293 (oberägyptische Stammarbeiter müssen nicht aufgerufen werden, sodass mehr Arbeitszeit bleibt); Schilderung eines Aufrufs: Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 704f.; vgl. u. Kap. 5.4: Alfons Kalb. 189 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77; Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 712; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 184, 186; Aniba 1912, 10, 191; Schubart, Wüste, 25; Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 135, 137 (Abu Gurob, Dezember-Januar 1898/99 [bei Grabung Borchardt]); zum Tagesablauf ausführlich Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 7-14. 190 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 74; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 32, 93, 123, 143, 167f.; 1907, 137; 1907/08, 83, 97, 131, 226; Amarna 1911, 83; 1911/12, 13, 29, 64, 141, 172, 199, 227; 1913/14, 132, 191; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 108; 1909, 137; zur Auszahlung zusammenfassend Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 12. 191 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 124, 197f.; 1903/04, 46; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 75, 77f.; Qau 1913/14, 107, 134f., 271f.; Aniba 1914, 427, 514.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

verpackt und abtransportiert werden mussten. Andere Ruhetage wurden abgesagt, weil während der Woche Arbeitstage zumindest teilweise Regen, Sturm oder Feiertagen zum Opfer gefallen waren.192

Abb. 6: Morgendlicher Aufruf (?) der Grabungsarbeiter (Borchardt, Abu Gurob/ Abusir 1898-1908)

SCA, Scan 478, Foto 11154. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

192

Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 161; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 23, 29; 1906, 8; 1909, 173; Aniba 1912, 240; Qau 1913/14, 244; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 286, 349f., 411, 432, 454; Amarna 1911/12, 47; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Dimai, 62f. Muslime hatten keinen religiösen Grund, an irgendeinem Wochentag nicht zu arbeiten. Auch am Freitag, dem islamischen Sonntag, schlossen daher in Ägypten z.B. Händler ihre Läden nur kurz, zum Freitagsgebet (Luthi, Vie quotidienne, 199; Klunzinger, Oberägypten, 167).

157

158

Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Abb. 7: Morgendlicher Aufruf der Grabungsarbeiter durch Steindorff (Aniba 1912)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Aufruf1912).

3.3.1 Arbeiterzahlen Wie viele Arbeiter bei einer Grabung pro Tag beschäftigt waren und woher sie kamen, steht zusammengefasst in einigen Feldberichten; mehr oder weniger unregelmäßig in den Feldtagebüchern, und vollständig sowie aufgeschlüsselt in den Lohnlisten. In den Feldberichten steht zum Beispiel: »Die höchste Arbeiterzahl betrug in diesem Jahre 235, Männer und Jungen zusammengerechnet«; in den Tagebüchern unter einem 22. Dezember auf Elephantine: »21 Männer aus dem Dorf und aus Gebel Toro, 15 Männer aus [Quft], also 36 im ganzen, 60 Jungen«; oder unter einem 16. März in Giza auch nur: »Leutezahl etwa 260«.193 Art und Dichte der Tagebuch-Angaben variieren von Woche zu Woche, von Kampagne zu Kampagne und von Schreiber zu Schreiber. Die Lohnlisten – die für vergleichsweise wenige Kampagnen vorliegen (Kap. 1.2.1.3) – enthalten für jeden Tag einer Grabung die Namen und in der Regel Herkunftsorte der dann beschäftigten bzw. bezahlten Arbeiter. Deren Summen – die Lohnlisten enthalten nur die Lohnsummen – könnten wir selbst auszählen, was jedoch einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde. Ohnehin genügt es in dieser Studie zunächst, anhand der Zahlenangaben in den Feldberichten und -tagebüchern für jede Grabungskampagne soweit die Daten es zulassen zwei statistische Kennwerte – Arbeitermaximum und -durchschnitt – zu ermitteln, die in folgenden Tabellen aufgeführt sind. Zu den Herkunftsorten der Arbeiter komme ich in Kap. 3.3.3.

193

Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1900/01, 103; Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 6f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 184.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Tab. 3.3.1: Arbeiterkennzahlen nach Feldberichten und -tagebüchern Arbeitstage = Tage der Grabungskampagne, an denen laut Tagebuch unter Beteiligung ägyptischer Arbeiter gegraben oder die Grabung auf- oder abgebaut oder Funde von der Grabungsstätte transportiert wurden; nicht als Arbeitstage rechne ich Ruhetage (in der Regel einer pro Woche, zuzüglich muslimischer Feiertage) sowie Tage der An- und Abreise der Archäologen bzw. Arbeiter. e. = laut Quelle ausdrücklich ohne; i. = ausdrücklich mit Vor- bzw. Spezialarbeitern (Kap. 3.3.2.1, 3.3.2.3). Die Durchschnitte sind, wie unter den Tabellen erklärt, imputiert.

Unternehmungen Borchardt (Abu Gurob: mit Schäfer) Ort

Saison

Arbeitstage

1898/99 Abu Gurob

1900

(Tell el-) Amarna

?

150

?

235

1901/02

93

326 i.

123

1903

76

400

181

1903/04

130

350

112

1907

111

392 i.

200

1907/08

215

600 i.

221

1906/07

17

90

43

1908

13

50

25

1911

70

275 i.

120

110

300

137

1911/12 1912/13

Illahun

Durchschnitt

150

1900/01

Abusir

Maximum194

195

115/9

180/33 i.

97/22

1913/14

105

236

93

1899

13

22 i.

9

194 Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1898/99, 8; Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1899/1900, 99 (dagegen schätzte Steindorff, als er die Kampagne für eine Woche vertretungsweise leitete [Kap. 3.2.2.1], ihre Arbeiterzahl auf 180 [Tgb. Siwa 1899/1900, 11.2.]); Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1900/01, 103 (zu den Kampagnen in Abu Gurob jeweils ebenso Borchardt, Ne-Woser-Re, 78); Borchardt, Ne-User-Re (zu Abusir 1901/02), 163; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 8.2.; Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 2; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 16.2.; Borchardt, Ne-User-Re (zu Abusir 1903/04), 163; ders. et al., Tgb. Abusir 1907, 4.4. (in Nefer-Ir-Ke-Re [81] gibt Borchardt die höchste Arbeiterzahl [»Männer und Jungen zusammengerechnet«] mit 340 an); Borchardt, Ausgrabung Abusir 1907/8, 2; ders. et al., Tgb. Amarna 1906/07, 7.1.; 1908, 29.2.; 1911, 10.3. (in Ausgrabungen Amarna 1911 [10] gibt Borchardt die höchste Arbeiterzahl mit »rd.« 250 an); Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 3; ders. et al., Tgb. Amarna 1911/12, 27., 30.12.; 1912/13, 6.12./Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 12.-15.1.; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 31.12.; Illahun 1899, 16.6. 195 Hauptgrabung Amarna/Nebengrabung Amarna West.

159

160

Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Unternehmungen Steindorff Ort

Saison

Siwa

1899/1900

Arbeitstage

Maximum196 34 e.

--Nubien

Giza

Durchschnitt

1900

--24 e.

1903

83

144

72

1905197

77/58

202 e.+166

141/104

1906

73

195

141

1909

53

360

214

76

510

265

26

20 i.

20

76

125

69

1914

37/57

221/198 e.

127/75

1913/14

91

251

154

1910 Abusir 1911/12 Aniba Qau el-Kebir

198

196 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 20.1. (Grabung bei El-Bawiti); Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 113; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 11.4.; 1905 (mit Nebengrabung Sphinxtempel), jeweils 18.3.; 1906, 23.3.; Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren (zu Giza 1909), 116; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 3.2. (in Grabdenkmal Chephren [118] behaupten Hölscher et al., mit 640 die höchste bisherige »Leutezahl« bei einer deutschen Grabung in Ägypten erreicht zu haben; im dazugehörigen Tagebuch findet sich ein solcher Rekord jedoch nicht wieder); Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 23.2. mit Hölscher, Brief an Steindorff, 27.2.1910; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 24.2.; 1914, 23.2. (Teilgrabung), 21.3. (Hauptgrabung) (während der vom 27.1. bis 9.3. laufenden Teilgrabung mit ihren bis zu 221 Arbeitern arbeiteten bis zu 139 [28.2.] in der Hauptgrabung); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 20.11. 197 Hauptgrabung+/Grabung am Sphinxtempel. 198 Teilgrabung/Hauptgrabung.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Unternehmungen Möller Ort

Saison

Arbeitstage

Maximum199

Abusir el-Meleq

1905

82

39 e.

1906

42

25

1911

25

123

70

1913

30

202

158

Arbeitstage

Maximum200

Durchschnitt

25

80

56

9

60

50

Tebtunis

10

103

80

Abusir el-Meleq

15

63

39

38

157

106

Durchschnitt ?

Theben

Unternehmungen Rubensohn Ort

Saison

Theadelphia Abu Hamid 1902

1903 Hermopolis Abusir el-Mel.

26

140

97

1903/04

62

167

116

1904

7

48

?

1904/05

43

165

121

1905

37

140

70

Hermopolis Abusir el-Mel.

199 Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 13.8.; Möller, Ausgrabung Abusîr el-Meleq 1906, 13 (da die Grabung keine Ortskräfte, sondern ausschließlich Stammarbeiter [aus dem Abusir bei Kairo und aus Quft] beschäftigte [vgl. ebd., 2; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 1-3, 50f.], gilt deren von Möller genannte Gesamtzahl von 25 theoretisch für jeden Arbeitstag der Grabung. In der Praxis fielen dagegen an manchen Tagen Arbeiter krankheitsbedingt aus – wegen des Ramadans waren sogar »fast ständig 2-3 unserer Leute wegen Magenkrankheiten in Behandlung« [Möller, Ausgrabung Abusîr el-Meleq 1906, 13] –, und die Abusiris wurden schon vor den zwei letzten Arbeitstagen entlassen [Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 50f.]); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 15.2.; 1913, 3., 7.3. 200 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02, 23.2. (Theadelphia); 22.3. (Abu Hamid); 25., 27.3. (Tebtunis); 9.4. (Abusir el-Meleq); 1902/03, 1.3. (ebd.); 11.4. (Hermopolis); 1903/04, 24.1. (Abusir el-Meleq); 11.3. (Hermopolis); 1904/05, 11.1. (ebd.); 5.2. (Abusir el-Meleq); 1905/06, 7.1. (Hermopolis); 15.-22.2. (Elephantine; dagegen spricht Rubensohn in Elephantine-Papyri [2] von insgesamt 60 Arbeitern); 1906/07, 19.1. (ebd.).

161

162

Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter Hermopolis

1905/06

43201

158

122

1906

30202

65-77

53

1906/07

65203

121

80

Elephantine

Unternehmungen Zucker Ort

Saison

Arbeitstage

Maximum204

Durchschnitt

Elephantine

1907/08

64

269

163

40

82

13

?

Kom Ombo 1908 (bei) Ab. el-M. Philadelphia

1908/09

48

75 e.

Dimai (el-Siba)

1909

15

?

1909/10

28

125 e.

Medinet Madi

1910

18

25

?

Die Summe der hier aufgeführten Arbeitstage beträgt 2.599 (es fehlt Abu Gurob 1898-1901). Der Gesamtdurchschnitt der Arbeiterzahlen beträgt, wenn wie unten erklärt berechnet, 131. Die Arbeiterhöchstzahlen werden in den Feldberichten ausdrücklich als solche bezeichnet; in den Tagebüchern ergeben sie sich aus dem Vergleich aller angegebenen Arbeiterzahlen. Die Durchschnittszahlen sind das arithmetische Mittel aller angegebenen Arbeiterzahlen. An Ruhetagen erledigte oft eine Handvoll (Spezial-)Arbeiter kleinere Aufgaben (Kap. 3.3.0); da die meisten (Grabungs-)Arbeiter indes fortblieben, habe ich allein »echte« Arbeitstage bzw. deren Arbeiterzahlen in meine Berechnungen einbezogen. Bei der Aufnahme der Zahlen habe ich Einschränkungen in den Quellen wie »circa«, »rund« oder »fast« ignoriert. Wo Arbeiterzahlen in Spannen zusammengefasst sind, habe ich die Mittelzahl aufgenommen. Für Tage, an denen das Tagebuch zur Arbeiterzahl »wie gestern«, »wie vorher«, »konstant« oder ähnliches vermerkt, habe ich die Zahl des Vortags, falls vorhanden, eingefügt. Neben den einfachen (Grabungs-)Arbeitern führen die Quellen Vor- und Spezialarbeiter bzw. -dienstleister (Kap. 3.3.2.1, 3.3.2.3) selten auf. Dort, wo sie dies erkennbar 201 Ohne den in den Tagebüchern fehlenden Grabungsbeginn – bis zu dreieinhalb Wochen. 202 Für das im Tagebuch nicht beschriebene Kampagnenende (23.2.-3.3.1906) ist die Anzahl der Arbeitstage geschätzt. 203 Für das im Tagebuch nicht beschriebene Kampagnenende (24.1.-22.2.1907) ist die Anzahl der Arbeitstage geschätzt. 204 Zucker et al., Tgb. 1907/08, 12.12. (Elephantine); 4.1. (Kom Ombo); 1908/09, 20.2. (Philadelphia); 1909/10, 16.12. (Dimai; vgl. Schubart, Wüste, 21: »Ungefähr 100 Männer und 30 Jungen waren mit uns nach [Dimai] gekommen«); 17.1. (Medinet Madi).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

tun, sind diese Zusatzzahlen in den Arbeiterzahlen der Tabellen enthalten (bei den Maxima mit »i.« gekennzeichnet). Im Umkehrschluss geben die Tabellen eher »nur« die Zahlen der einfachen Arbeiter wieder; insofern sind diese Zahlen als Mindestzahlen ägyptischer Arbeiter bei den archäologischen Unternehmungen anzusehen. Andererseits verdeutlichen Tagebuch-Angaben wie »[Es wird] mit einer Mannschaft von 73 Männern und 52 Jungen begonnen«,205 dass die Arbeiterzahl, die beim morgendlichen Arbeiteraufruf festgestellt wurde, im Laufe des Arbeitstags durchaus schwankte. Bei den Unternehmungen in Siwa 1899/1900 und Nubien 1900 enthält die entsprechende Tabelle nur die jeweilige Höchstzahl von Arbeitern, weil es sich um Expeditionen statt um Grabungskampagnen handelte, während derer nur an einzelnen Tagen und Orten gegraben wurde – meist mit weniger als jenen Maxima von 34 bzw. 24 Arbeitern.

Abb. 8: Grabungsmannschaft mit Steindorff (Giza 1903)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Belegschaft1903).

Von den insgesamt 2.599 erfassten Arbeitstagen der untersuchten Grabungskampagnen geben die Quellen (Tagebücher) nur für 747 Tage (29 Prozent) die Arbeiterzahl an. Bei einigen Kampagnen – darunter die meisten unter Zucker – erfahren wir die Arbeiterzahl gar nur an einem einzigen Tag. Entsprechend weniger Aussagekraft haben die Durchschnitte der gegebenen Arbeiterzahlen. Aufgrund dessen habe ich die Lücken zwischen letzteren in einem zweiten Schritt jeweils mit dem arithmetischen Mittel des vor-

205 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 160.

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hergehenden und des folgenden gegebenen Werts aufgefüllt (ein Verfahren der »Imputation«).206 Sind zum Beispiel für den 12. Januar 124 Arbeiter, für den 19. Januar 151 und dazwischen keine Zahlen gegeben, habe ich für jeden Tag dazwischen 137,5 Arbeiter eingetragen. Fehlen der oder die ersten bzw. letzten Tage der Kampagne, habe ich sie jeweils mit dem arithmetischen Mittel des ersten bzw. letzten gegebenen Werts und Null aufgefüllt – außer bei den Grabungen des Papyrusunternehmens 1901/02 bis 1905/06 sowie 1907/08, wo die verschiedenen Kampagnen innerhalb der Saison jeweils nahtlos ineinander übergingen. Die Grabungsmannschaften wurden währenddessen zumindest im Stamm nicht vollständig ausgewechselt, sondern begleiteten die Archäologen von Stätte zu Stätte, sodass ich nur vor der ersten und nach der letzten Kampagne jeder Saison eine Arbeiterzahl von Null angesetzt habe. Bei Kampagnen, für die nur eine einzige (oder gar keine) Arbeiterzahl gegeben ist, können die restlichen Tage natürlich nicht sinnvoll aufgefüllt werden.

Abb. 9: Grabungsmannschaft mit Borchardt (helles Hemd); vorne rechts stehend mit Stock wohl Antikendienst-Vorarbeiter Rubi Hamsawi (Kap. 3.2.2.1) (Borchardt, Abusir 1903-1903/04)

Wildung, Preußen am Nil, 51 Abb. 33 (Archiv: DOG). Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

Für alle anderen Kampagnen ergeben die vervollständigten Daten Arbeiterdurchschnittszahlen, die realistischer sein dürften als jene Durchschnitte, die durch zahlreiche 206 Für diesbezügliche Beratung danke ich Florian Meinfelder (Bamberg).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

und große Datenlücken stark verzerrt sind. Insgesamt ergibt sich für die 2.571 Arbeitstage jener 46 Grabungskampagnen (einschließlich der drei Nebenkampagnen in Amarna, Giza und Aniba), für welche mindestens eine Tagesarbeiterzahl vorliegt (keine gibt es für Abu Gurob 1898-1901, Abusir el-Meleq 1908 und Dimai 1909), eine durchschnittliche Arbeiterzahl von 158, und für die 2.306 Arbeitstage bzw. 39 Kampagnen, deren Daten vervollständigt werden konnten, ein imputierter, »realer« Durchschnitt von 131 – so viele Arbeiter waren an jedem Tag der Kampagnen bei diesen beschäftigt. Die insgesamt höchste Zahl an Grabungsarbeitern wurde am 28.10.1907 in Abusir erreicht: 562. Mit hierin offenbar nicht enthaltenen Vor- bzw. Spezialarbeitern erreichte die Zahl »lange Zeit hindurch« 600207 – »eine für die damalige Zeit hohe und gar für heutige Verhältnisse [sc. 1998] unerhörte Zahl«.208 Borchardt selbst war bewusst, dass es sich bereits bei der Abusir-Kampagne von 1903 mit ihren bis zu 400 Arbeitern »vielleicht« um die »größte [in Ägypten] seit den Marietteschen Zeiten der Frohnarbeit [o. Kap. 2.1.7] überhaupt durchgeführte Grabung« handelte – Mariette mag um 1860 an einigen Stätten über bis zu 1.000 (Zwangs-)Arbeiter verfügt haben.209

3.3.2 Arbeiteraufgaben und -klassen Sobald die Archäologen mithilfe ihrer verschiedenen ägyptischen Helfer ihre Arbeitsstätten ausgewählt und dann innerhalb von ihr die archäologisch vielversprechendsten Stellen bestimmt hatten (Kap. 3.2.2.1-2), stellten sich ihnen bzw. ihren ägyptischen Arbeitern als Aufgabe »the three Cs of classic ›Egyptian archaeology‹: Clearance, Cleaning, and Claiming«210 – zu Deutsch: Freilegen (grobe Ausgrabung), Reinigen (feine Ausgrabung) und Aufnehmen (Dokumentieren bzw. Interpretieren). Das dritte wurde meist von den deutschen Chefarchäologen bzw. ihren deutschen Assistenten selbst ausgeführt (5.1) und bestand bei den meisten Funden in mehreren der folgenden Operationen: (Auf-)Messen, Zeichnen (und Ausziehen), Malen, Abklatschen, Fotografieren (und Entwickeln); bei mitzunehmenden Funden: Ordnen, Inventarisieren, Konservieren. Im »Aufmessen«, im »Ausziehen« oder auch im »Nivellieren« kommt der bautechnische Ansatz der deutschen Grabungen zum Ausdruck. Die grobe und feine Ausgrabung sowie die Verpackung und der Abtransport mitzunehmender Funde oblagen hauptsächlich den ägyptischen Arbeitern. Die eigentlichen Grabungsarbeiter bzw., mangels einer besseren Bezeichnung, »einfachen« Arbeiter gruben aus oder an, verfolgten (z.B. Mauern), legten frei, trugen fort und warfen ab (den Aushub), brachen ab (z.B. hinderliche Mauern), räumten aus, durchsuchten, reinigten bzw. fegten aus, bargen bzw. hoben (Funde), schütteten wieder zu (z.B. ein Grab nach seiner Aufnahme). Bei alledem wurden die einfachen Arbeiter von Vorarbeitern geführt und beaufsichtigt. Für Fundverpackung und -transport sowie später zu nennende archäologische und nicht-archäologische Aufgaben zogen die Deutschen einerseits einfa-

207 562: Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 142f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 28.10.; 600: Borchardt, Ausgrabung Abusir 1907/8, 2. 208 Krauss, Abusir, 78f. 209 Reid, Whose Pharaohs, 100; vgl. Maspero, Mariette, XCVI. 210 Giddy, Egyptian Archaeology, 109.

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che bzw. von ihnen so genannte »bessere« bzw. Vorarbeiter der Grabung, andererseits von mir so genannte »Spezialdienstleister« heran. Wie viele aller Arbeiter bei einer Grabung Vor- bzw. Spezialarbeiter waren, wird in den Feldberichten nicht und den -tagebüchern selten aufgeschlüsselt. In jenen (Teilen der) Lohnlisten, die Vor- bzw. Spezialarbeiter klar kennzeichnen, liegt ihr Anteil (einschließlich »besserer Arbeiter«) bei schätzungsweise bis zu 15 Prozent. Die auf den drei Klassen einfache, Vor- und Spezialarbeiter basierende »Organisation« archäologischer Ausgrabungen, die die Deutschen ab 1898 »allmählich Stein für Stein« aufbauten (Kap. 3.3), fasst Borchardt im Bericht der Grabung in Abu Gurob 1898-1901 (Ne-Woser-Re) zusammen, für die wir keine Tagebücher besitzen. In den folgenden Abschnitten unter 3.3 rekonstruiere ich die verschiedenen Bereiche jener Organisation mithilfe von Feldberichten, -tagebüchern und anderen Quellen für die Jahre bis 1914. Dort, wo der jeweilige Bereich von Borchardts Zusammenfassung berührt wird, nehme ich deren entsprechende Angaben als Ausgangspunkt.

3.3.2.1 Vorarbeiter bzw. Aufseher (Raise) und »bessere« Arbeiter »Die von Hause aus sicher nicht militärisch veranlagten Arbeiter aus dem Dorfe Abusir […] lernten sehr schnell, sich in die Arbeit in Kolonnen unter Aufsehern und Vorarbeitern [zu] schicken. Für die Beaufsichtigung und Ordnung auf dem Arbeitsfelde war uns ein früherer Arbeiter unseres Freundes Quibell, den dieser so liebenswürdig war, uns zu überlassen, äusserst nützlich. Mohammed Achmed es Senussi aus Kiman bei Qeft, der als einfacher Arbeiter bei uns eintrat, hat es schliesslich im Laufe der Jahre so weit gebracht, dass er eine Arbeiterzahl von gegen 400 Mann ohne Schwierigkeit dirigiert. Ihm sind die Aufseher der einzelnen Abteilungen unterstellt gewesen. Die Abteilung zählte in Abu Gurab höchstens 50 Leute, Männer und Jungen zusammen. Später haben wir sie bis auf 100 gebracht, dann aber zwei Aufseher bezw. Antreiber darüber gesetzt. […] Die besten [Arbeiter] wurden natürlich solche, welche schon als Jungen bei uns eingetreten waren und später als Vollarbeiter weiter beschäftigt wurden. Aus diesen bildete sich bald ein Stamm von guten Arbeitern, die dann auch ihrer besseren Leistung entsprechend höheren Lohn erhielten« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).211 Dass es Ägypter gab, die sowohl willens als auch, zumindest nach einiger Übung (Kap. 3.3.4), fähig waren, archäologische Grabungsarbeiter zu »dirigieren« oder als »Stammarbeiter« über Jahre auf archäologischen Grabungen zu arbeiten – dieser von Borchardt veranschaulichte Umstand schreibt jene »Archäologisierung« der Ägypter bzw. »Ägyptisierung« der Archäologie fort, die spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte (2.2.4). Indem die deutschen Archäologen ihre Vorarbeiter einerseits aus Quft in Oberägypten heranholten, knüpften sie an die Praxis Petries an. Andere Vorarbeiter kamen aus Abusir, wo die Deutschen ab 1898 zuerst und bis 1914 insgesamt am längsten gruben. Bewohner dieses Dorfes holten die Deutschen auch an andere Grabungsstätten (3.3.3.2). Die Vorarbeiter führten sowohl technische als auch disziplinarische Aufsicht über die anderen Arbeiter und fungierten als Bindeglied zwischen diesen und den deutschen Archäologen. Sie rekrutierten Arbeiter, berieten die Deutschen bei archäologischen und 211

Borchardt, Ne-Woser-Re, 76f.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

organisatorischen Fragen, und assistierten ihnen bei der Dokumentation und Konservierung von Funden. Sie ließen die einfachen Arbeiter die von den Deutschen geforderten Arbeiten ausführen; »trieben« sie »an« und bestraften sie bei Widersetzlichkeit, Diebstahl und anderem unerwünschten Verhalten. Die Vorarbeiter meldeten, wenn sie bzw. »ihre« Arbeiter besondere Funde gemacht hatten, diese den Deutschen oder überbrachten sie ihnen. Sie kommunizierten für die Deutschen, deren Arabisch oft nicht ausreichte, mit Würdenträgern und anderen Anliegern der Grabungsstätten. Gute Vorarbeiter besaßen sowohl archäologischen Sachverstand als auch persönliche Autorität (Kap. 3.3.3.2, 3.3.4, 3.4.2-3, 3.5, 4.2.2.3, 5.3). Es gab mindestens zwei Stufen von Vorarbeitern: Einerseits die »nur« Vorarbeiter genannten; darüber bis zu drei »Raise« (Singular rais, Plural ruasa ist arab. für »Leiter«, »Anführer« oder »Chef« im Sinne von »Vorarbeiter«, »Fahrzeugführer«, »Präsident« u.a.), die wohl von den Archäologen und Arbeitern mit diesem arabischen Titel angesprochen wurden bzw. ihn selbst für sich beanspruchten.212 Der oder die Raise führten unter dieser oder den Bezeichnungen »1. Vorarbeiter« oder »Oberaufseher« offenbar die gesamte Arbeiterschaft oder wenigstens eine Kolonne (Kap. 3.3.2.2) von ihr.213 Da bereits eine Kolonne über 100 Arbeiter und die gesamte Arbeiterschaft noch deutlich mehr Personen umfassen konnte, waren zusätzlich sogenannte »Vorarbeiter« oder »Aufseher« nötig, die jeweils eine kleinere Zahl von Arbeitern einer Kolonne oder an einer Grabungsstelle führten bzw. als Bindeglied zwischen Oberaufsehern und einfachen Arbeitern fungierten. Größtenteils aus Quft oder Abusir kamen jene von den Deutschen als »bessere« Arbeiter bezeichneten Männer und Jungen, die sich durch langjährige Erfahrung bzw. besondere Verlässlichkeit auszeichneten.214 Sie wirkten (noch) nicht als Vorarbeiter, wurden aber mit anspruchsvolleren Grabungsstellen bzw. anspruchsvolleren Tätigkeiten wie dem Reinigen freigelegter Stellen oder der Verpackung und dem Transport von Funden betraut.215 Die »besten« Arbeiter unterhalb der Vorarbeiter bildeten die »Garde«, die ursprünglich aus zehn Männern und »ihren« Jungen bestand und daher auch »die Zehn« bzw. »Aschera« (arab. für »zehn«) hieß. Später zählte sie weit mehr als zehn Mitglieder, was den allgemeinen Erfahrungszuwachs der Arbeiter bei den deutschen Grabungen bezeugt.216

212

Unterscheidung beider Stufen: Borchardt et al., Lohnliste Amarna 1912/13, Woche 5.-11.12., (S.) 1 (drei »Ruasa«, bis zu 14 »Vorarbeiter«); Tgb. Amarna 1913/14, 105; Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 2; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 10. Vgl. u. Kap. 4.2.2.3. 213 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905 (Sphinxtempel), 15f.; Qau 1913/14, 32, 41; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 176. 214 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 78; 1903/04, 64. In manchen Lohnlisten stehen »bessere Arbeiter« und »bessere Jungen« in einer entsprechenden Rubrik, z.B. Borchardt et al., Lohnlisten Abusir 1902-1904. 215 Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 142. 216 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 10; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 204; 1903, 128, 144f., 202; 1907, 165; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 2f., 52; 1905, 29, 81; 1905 (Sphinxtempel), 7 (»Es wurden […] 32 [Männer] von den ʿAschera […] eingestellt«); 1909, 33, 128, 141, 144; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 9.

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Abb. 10: Grabungsarbeiter bewegen einen Steinblock mit Seilen unter den Augen eines Vorarbeiters (Borchardt, Abusir 1902-1908) (vgl. zu Kap. 3.3.2.1 ferner Abb. 42-44)

SCA, Scan 576, Foto 11171. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

3.3.2.2 Einfache Arbeiter: Kolonnen; Männer-Jungen-Gespanne; Arbeiterinnen »Die Abteilung zählte in Abu Gurab höchstens 50 Leute, Männer und Jungen zusammen. Später haben wir sie bis auf 100 gebracht, dann aber zwei Aufseher bezw. Antreiber darüber gesetzt. Jedem Arbeiter waren 1 oder 2, wenn der Schutt sehr weit zu tragen war, auch ausnahmsweise 3 Jungen beigegeben. Mädchen, die in Grabungen in der Nähe auch beschäftigt wurden, wurden nicht eingestellt« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).217 Bei (Grabungs-)Arbeiterzahlen, die in die Hunderte gingen, versteht es sich von selbst, dass die Arbeiter in Gruppen eingeteilt werden mussten, um sie überblicken und steuern zu können. Zudem waren einfache Arbeiter in der Regel kurzfristig angestellte Fellachen aus der Umgebung der Grabungsstätte (Kap. 3.3.3), die im Vergleich zu Vor- und »besseren« Arbeitern nicht regelmäßig auf Grabungen tätig und also hierin ungeübt waren. Sie mussten von Aufsehern entsprechend eng geführt werden, sodass ein Aufseher umgekehrt keine unbegrenzte Zahl einfacher Arbeiter betreuen konnte.218 Die Deutschen nannten ihre Arbeitergruppen meist »Abteilungen«, »Kolonnen« oder »Fergen« (wohl von arab. firqa = Truppe). Innerhalb einer Grabungsstätte arbeiteten bis zu fünf von diesen gleichzeitig an jeweils einer Stelle, jeweils unter mindestens einem 217 218

Borchardt, Ne-Woser-Re, 76. Vgl. Borchardt, Ne-User-Re, 163.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Vorarbeiter bzw. Aufseher219 – von denen somit eine Mindestzahl verfügbar sein musste.220 Während die Kolonnen in Abu Gurob, wie zitiert, zuerst aus insgesamt 50 und dann 100 Personen bestanden, wuchsen sie in Abusir auf, den vorhandenen Angaben zufolge, bis zu 132 (52 Männer, 80 Jungen) an.221 Bei einer Papyrusgrabung konnte die Zahl auch auf 10 sinken (5 Männer, mindestens 5 Jungen); Quftis konnten beispielsweise zu sechst eine Kolonne bilden.222 Unter Umständen setzten die Archäologen sich für ihre Kolonnen eine Zielgröße und versuchten, sie durch entsprechende Einstellungen zu erreichen.223 Im Laufe einer Grabung oder auch eines Arbeitstags konnten Kolonnen bei Bedarf verstärkt, verkleinert oder miteinander vereinigt werden.224 Manche Kolonnen wurden, wie besagte Qufti-Kolonne, aus Arbeitern der gleichen Herkunft zusammengestellt, wenngleich die Vorarbeiter Quftis oder Abusiris blieben.225 Nach Abschluss der (groben) Grabungsarbeiten wurden »Kolonnen« auch zu Reinigung, Verpackung und Transport eingesetzt; sie bestanden dann zumindest größtenteils aus den oberägyptischen Stammarbeitern (Kap. 3.3.2.1), während die meisten Ortskräfte entlassen wurden.226 Zuvor hatten die in Kolonnen eingeteilten Arbeiter zu tun, was dem Wortsinn von »ausgraben« am nächsten kommt: Sie entfernten den Schutt oder Sand, der an den antiken Stätten die von den Deutschen zu erforschenden Stellen bedeckte. Hierzu arbeitete ein Erwachsener im Gespann mit einem oder mehreren Jungen. Der Mann löste das zu Entfernende mit einer Hacke; der oder die Jungen trugen es in Körben fort (Kap. 3.3.5.1). Meist beschäftigten die Deutschen pro Mann zwei Jungen227 – zumindest je-

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Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia 67-69 (»Colonne I unter Hassan« – »Colonne II unter Sama[n]«), 74 (vier Kolonnen); Tebtunis, 172 (»Hauptkolonne […] unter Umbarek Hassan, Ali Farag und Said el Feʾi«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 137 (»Colonne Ahmed Mûse’s« – »Colonne Umbarek’s«); 1909, 53-55, 114f. (zwei Kolonnen); 1910, 7 (fünf Kolonnen); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 251, 256 (vier Kolonnen); Amarna 1911/12, 7 (»zwei Fergen […], die Senussi und Abul Hassan unterstehen«); Zucker et al., Tgb. 1909/10 Dimai, 6 (drei Kolonnen). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 179, 215. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 125. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 77 (Papyrus); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 14 (Quftis). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 64, 135f. (30 Männer, 60 Jungen); Amarna 1911/12, 174f. (es werden »aus einem reichlichen Angebot nur soviel Leute eingestellt als an der oben genannten Zahl [170] noch fehlten«). Verstärkt: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 79f., 161f., 172, 196, 346f.; 1907/08, 112, 119, 208, 298; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Dimai, 59; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 14, 18-20; Qau 1913/14, 145, 259; verkleinert: Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 50, 63; vereinigt: Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 99, 159; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 282; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 117. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 153, 161; Tebtunis, 178; Abusir el-Meleq, 204; 1906/07 Elephantine, 16; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 32. Dagegen Arbeiter aus der Umgebung, die »verstreut zwischen« den Quftis angestellt werden (zwecks Anleitung; vgl. u. Kap. 3.3.4): Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 382; ähnlich Qau 1913/14, 88, 298 (zu Aniba 1914; es wird »nötig sein, die [Quftis] durch Dorfleute zu verstärken«). Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 245; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 234, 237. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 154; Amarna 1911/12, 6f. (»Muster des vorigen Jahres«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 39 (Verhältnis »vernünftig«); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 113 (»Grundregel unserer Arbeitsordnung«). In Abusir el-Meleq arbeitete Rubensohn dagegen zumin-

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weils bei den meisten Männern, denn Verhältnisse wie das eben zitierte (52 Männer, 80 Jungen) bezeugen, dass nicht immer genau doppelt so viele Jungen wie Männer zur Verfügung standen.228 Gewiss gab es stets genug Arbeiter, um bei Kleinkolonnen von beispielsweise zehn Männern und zwanzig Jungen, die für Aufgaben mit weniger Erdbewegung gebildet wurden, ein gerades Verhältnis herzustellen.229 Doch bezogen auf die gesamte Arbeiterschaft herrschte oft sogenannter »Jungenmangel«, infolge dessen keine »vollständigen«, »vollzähligen« Großkolonnen gebildet werden konnten und die Grabung sich entsprechend verlangsamte.230 Umgekehrt beschleunigte sie sich, wenn auf einen Mann drei oder gar vier Jungen kamen. Einmal stellten die Archäologen sogar fest, dass bei weniger als drei Jungen »die Männer während [der Grabung] im Verhältnis zu den Jungen zu wenig zu arbeiten hatten und oft müßig herumstanden, bis die Knaben mit den entleerten Körben von der Schüttstelle zurückkamen«.231 Wie dem auch sei, jedes Verhältnis von Männern zu Jungen ließ sich nur erreichen, wenn entsprechende Arbeiterzahlen verfügbar waren, eingestellt und gehalten wurden. Bei »Jungenmangel« – dadurch, dass sich keine neuen Jungen meldeten und/oder bereits eingestellte nicht wiederkamen – mussten die Archäologen mithin Männer entlassen bzw. abweisen oder auch sie statt mit der Hacke mit dem Korb arbeiten lassen.232 Um »Jungenmangel« von vornherein zu verhindern, stellten sie Männer und Jungen möglichst schon im gewünschten Verhältnis ein oder verlangten von jedem Mann, selbst zwei Jungen mitzubringen.233 Kamen hingegen verhältnismäßig zu viele Jungen, mussten auch Quftis bzw. Stammarbeiter mit Jungen arbeiten,234 was sie wegen ihrer anspruchsvolleren Aufgaben sonst nicht immer taten – allerdings gehörten zur »Garde« der »besseren« Arbeiter bzw. »Aschera« (Kap. 3.3.2.1) auch – »bessere« – Jungen.235

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dest anfangs ohne Jungen, weil »ich [sie] hier nicht brauchen [kann]« – wegen der Beschaffenheit der Grabungsstätte? (Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 194). Ähnlich z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 58; 1907, 111; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 188. Z.B. Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 72. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 85, 114, 160 (»Jungenmangel«), 195; 1903, 34, 73 (jeweils »Jungenmangel«); 1903/04, 128, 233f. (verlangsamte Arbeit); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 73; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 21 (»Großer Jungenmangel«); 1906, 17 (»Jungenmangel«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 109; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 49. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 136 (Zitat), 138; drei Jungen auch in Abusir 1907/08, 211, 215; bei Möller et al., Tgb. Theben 1913, 11 (Verhältnis »ungewöhnlich«, aber »richtig«, da »Schuttbewegung« an Grabungsstelle »schwierig«); bis zu vier bei Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 68, 132. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 131; Amarna 1911, 64; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 108; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 5, 80; Aniba 1912, 23. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 17; 1907/08, 143, 194, 197; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 113; 1910, 62; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 10 (Jungen aus Quft mit welchen aus der Umgebung der Grabungsstätte ergänzt). Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 99; »zu viele« Jungen auch 1905, 9; 1906, 79. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 10; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 33; vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1913, 10 (Männer und Jungen aus Quft).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Abb. 11: Grabungsarbeiten (Steindorff, Giza 1910)

ÄMULA, N3973. Scan: ÄMULA.

Wenn die Deutschen von Männern und »entsprechenden«, »dazugehörigen« oder »ihren« (deren) Jungen sprechen,236 verweist das nicht nur auf das zahlenmäßige Männer-Jungen-Verhältnis, sondern auch darauf, dass ein -gespann idealerweise dauerhaft zusammenblieb, um einen eingespielten Arbeitsfluss zu gewährleisten.237 Feste Gespanne ergaben sich vermutlich von selbst, wenn Väter oder Onkel mit ihren Söhnen oder Neffen zur Grabung kamen.238 Überdies werden Gespanne meist, wie bereits einige Kolonnen, aus Bewohnern des gleichen Dorfes bestanden haben. Wer oder was darüber hinaus entschied, welcher Mann mit welchen Jungen zusammenging, ist unklar – bis auf den Umstand, dass diese sich nach jenen richteten, denn wenn Erwachsene entlassen wurden, blieben danach auch viele Kinder weg.239 Fest scheint die Zuordnung (bei dauerhaft Anwesenden) immerhin gewesen zu sein, denn aufgrund dieser Eigenschaft weckte sie 1907/08 in Abusir erstmals das Interesse der Archäologen: Sie erkannten in der Zuordnung ein Mittel, »dem in letzter Zeit sich fühlbar machenden Mißverhältnis zwischen der Zahl der Männer u. der Jungen abzuhelfen«

236 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 85; 1905, 81; 1905 (Sphinxtempel), 1, 9, 22; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 229; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 267. 237 Vgl. eine entsprechende Praxis in Assiut zwischen 2009 und 2014: Beck, Perspektivenwechsel, 45 Anm. 218. 238 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 159; Amarna 1913/14, 103. 239 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 67.

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– sie stellten nun »bei sämtlichen Jungen de[n] zugehörige[n] Hackenmann« fest und trugen »dessen Nummer hinter den Namen des Jungen in die Lohnliste« ein. »So können wir in Zukunft wenn Jungen schwänzen den zugehörigen Hackenmann rausschmeißen«.240 In der Tat hatten die Lohnlisten zuvor Männer und Jungen jeweils blockweise ohne gegenseitige Zuordnung verzeichnet. In Amarna wurden die einfachen Arbeiter dann gespannweise aufgelistet.241 Dass das Verhältnis von Männern und Jungen sich von Tag zu Tag verändern konnte, wird am Beispiel der Grabung auf Elephantine 1907/08 deutlich, deren Tagebuch die entsprechenden Zahlen (Orts- und Stammkräfte zusammengenommen) über die Kernwochen der Grabung hinweg aufschlüsselt, sodass wir im folgenden Diagramm das Verhältnis im Zeitverlauf ergänzen können. Die Tage ohne Zahlen waren Ruhe- bzw. Feiertage; am 5. Dezember ist das Eintragen der Zahlen im Tagebuch vergessen worden.

Diagr. 3.3.2.2:: Verhältnis von Männern und Jungen bei den Arbeitern auf Elephantine 1907/08

Im Gegensatz zu Abu Gurob beschäftigten die Deutschen später in Abusir sowie in Qau und Aniba auch Mädchen; in Aniba zudem erwachsene Frauen als einfache Arbeiterinnen.242 In Aniba (Teilgrabung) wurde aus den Frauen bzw. Mädchen nach einer Weile

240 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 281; umgesetzt ist dies in Borchardt et al., Lohnliste Abusir 1907/08, Woche 15.-28.11., (S.) 9ff. und folgende Wochen. Das Vorgehen bewährte sich – es führte zu einem Jungenüberschuss (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 305). 241 Borchardt et al., Lohnliste Amarna 1912/13. 242 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 17, 24, 233; Aniba 1914, 322; 1914 (Teilgrabung), 6, 10, 19, 22, 29, 34f., 46.

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eine eigene, weibliche Kolonne gebildet, nachdem das erste Mädchen, das sich gemeldet hatte, zunächst lediglich (Trink-)Wasser herantragen sollte. In Qau arbeiteten Mädchen mit Jungen zusammen, weil das für sie als Koptinnen nicht wie für Musliminnen unziemlich war. Für die Grabung in Giza 1906 erwogen Steindorff und Möller wegen eines befürchteten Mangels an Arbeitern die Einstellung von Mädchen. Möller erwartete davon keine Probleme, solange die Mädchen zum Schlafen in ihre Dörfer zurückkehren könnten. Steindorff blieb dennoch skeptisch.243 Jedenfalls kam die Grabung dann ohne Mädchen aus. In Abusir griffen die Deutschen versuchsweise auf Mädchen zurück, da andere Arbeiter fehlten. Während Hölscher (?) ihre Leistungen dort zunächst als »befriedigend« bewertete, wollte er in der folgenden Kampagne »von der Verwendung von Mädchen im Laufe der Zeit wieder abkommen; wenigstens ihre Verwendung für […] Amarna nicht empfehlen. Sie pflegen nämlich die übliche Rücksichtnahme auf das weibliche Geschlecht etwas zu sehr zu mißbrauchen«.244 Dementsprechend scheinen dann in Amarna nur 1908, beim Bau des Grabungshauses, sechs Frauen Wasser getragen zu haben, bis sie durch eine Wasserleitung ersetzt wurden.245 Unter den Stammarbeitern bzw. Quftis und Abusiris der Deutschen waren niemals Frauen oder Mädchen. Die Menschen in Quft bzw. seiner oberägyptischen Umgebung scheinen bezüglich Geschlechterrollen besonders konservativ gewesen zu sein; Frauen verließen das Haus nur für ausgewählte Besorgungen und arbeiteten nicht mit Männern zusammen – anders als etwa in Mittelägypten oder im Nildelta.246 Die Tagebücher von Abusir 1907/08 und Aniba 1914 schlüsseln die Arbeiterzahlen regelmäßig nach Geschlechtern auf. Danach waren in Aniba bis zu 60 Frauen bzw. Mädchen beschäftigt (Teilgrabung, 24., 26.2.), was an den jeweiligen Tagen einem knappen Drittel der Gesamtarbeiterschaft entsprach. In Abusir bewegte sich die Zahl der Mädchen ungefähr zwischen 15 und 20, gegenüber bis zu elfmal so vielen Jungen (11.9.: 20 Mädchen, 219 Jungen).

3.3.2.3 Spezialdienstleister »Für besondere Fertigkeit erfordernde Arbeiten, wie die der Steinhauer und Eisenbahnbauer, wurden nur in der ersten Zeit gelernte Handwerker eingestellt. Bald fanden wir es zweckmäßiger, Leute aus unseren gewöhnlichen Arbeiterkolonnen zu Spezialarbeiten selbst auszubilden« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).247 Neben dem Entfernen von Schutt und Sand mit Hacken und Körben durch einfache Arbeiter, dessen Beaufsichtigung durch Vorarbeiter sowie dem Reinigen freigelegter Stellen durch »bessere« Arbeiter brachte eine archäologische Ausgrabung bzw. Erkundungsreise weitere Notwendigkeiten mit sich, deren Erledigung mehr oder weniger besondere Kenntnisse erforderte. Bereits genannt habe ich die Verpackung und den Abtransport mitzunehmender Funde. 243 244 245 246 247

Möller, Brief an Steindorff, 1.12.1905; Steindorff, Brief an Möller, 9.1.1906. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 229f.; 1907/08, 193. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 13-15. Griffith, El-ʿAmarnah, 300; zu Geschlechterrollen in Oberägypten: Winkler, Bauern, 73-75. Borchardt, Ne-Woser-Re, 77.

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Für schlichte Tätigkeiten wie das Herantragen von Trinkwasser konnten natürlich ohne Weiteres »Leute aus unseren gewöhnlichen Arbeiterkolonnen«, deren eigentlicher Beruf meist Bauer bzw. Tagelöhner war, verwendet werden (Kap. 3.3.2.2). Anderes mussten diese erst lernen, doch obschon die Leute dies durchaus konnten, verzichteten die Deutschen nach Abu Gurob keineswegs auf die Dienste von jeweils bis zu einer Handvoll Fachleuten aus der Umgebung der Arbeitsstätte. Im Folgenden betrachte ich einerseits letztere, andererseits sozusagen multifunktionale Arbeiter jeweils als von mir so genannte »Spezialdienstleister« der Deutschen; zu ihrer Entlohnung komme ich, wie bei den Grabungsarbeitern, unter 3.3.9. Jene Arbeiter, die wo vorhanden die Feldbahn der Grabung betrieben, sowie die Korbflechter für die Sand- bzw. Schuttkörbe bespreche ich unter 3.3.5.

Abb. 12: Grabungsarbeiter bzw. Schreiner fertigen Kisten für Funde; zweiter Mann von links wohl Obervorarbeiter Senussi (Steindorff, Qau 1913/14?)

ÄMULA, N360.332. Scan: ÄMULA.

(1) Schreiner bzw. Zimmerleute: Für den Transport von der Arbeitsstätte ins Museum von Kairo (Kap. 3.2.3) oder für die Verschiffung nach Deutschland wurden Funde in Holzkisten verpackt (Abb. 12), die meist von herbeigerufenen Schreinern angefertigt wurden.248 Papyri, menschliche Überreste oder auch andere Kleinfunde kamen in ein-

248 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 341f.; 1903, 197, 203; 1903/04, 255; 1907, 386f.; 1907/08, 348, 400; Amarna 1912/13, 234; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 238f., 241; 1902/03 ebd., 106, 108, 141; 1903/04 ebd., 149, 151, 178; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 89, 96; 1910, 175, 178; Qau 1913/14, 236, 243; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 90.

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gekaufte Blechkisten.249 Die Holzkisten für alles andere konnten die Archäologen nicht mitbringen, da sie vor einer Grabung nicht wussten, welche (teils sehr großen) Funde sie machen würden. Schreiner bzw. Zimmerleute wurden außerdem für Holzarbeiten an und in den Gebäuden des Feldlagers (Kap. 3.3.6) engagiert.250 Manche Schreiner arbeiteten »ganz gut«; einer namens Mohammed aus Abusir war sogar so »geschickt«, dass die Deutschen ihn nach Amarna entsandt hätten, wenn er dazu bereit gewesen wäre.251 Andere enttäuschten bzw. mussten noch »zulernen«.252 Umgekehrt wurden die von den Grabungsarbeitern Ali Aussife und Hassan Mulbruk – die keineswegs wie ihr Kollege Hissen Muse eigentlich Schreiner waren – gebauten Kisten »auch nicht schlechter als die der Dorftischler«.253 Trotzdem konnte der Kisten- bzw. Lagerbau im Allgemeinen nicht beginnen, bevor ein professioneller Schreiner eingetroffen war, sodass Möller in Giza welche aus dem entfernteren Abusir holte, als in der näheren Umgebung »keiner aufzutreiben« war.254 (2) Maurer wurden ebenfalls für Bau und Instandhaltung des Feldlagers engagiert (Abb. 27) – oder auch für die Befestigung freizulegender Monumente, die einsturzgefährdet waren.255 Grabungsarbeiter selbst mauerten seltener als sie zimmerten,256 obgleich die professionellen Maurer von den Archäologen öfter als die Schreiner für »dumm« gehalten wurden.257 (3) Steinhauer mussten Steinbrocken, die der Grabung an bestimmten Stellen einer Stätte im Wege lagen und wegen ihres Gewichts nicht am Stück fortgeschafft werden konnten, in bewegliche Stücke zerschlagen, sowie Steinblöcke mit Reliefs, die die Archäologen mitnehmen wollten, in transportierbare Teile zersägen.258 Bei letzterem konnten Stammarbeiter helfen; und bei ersterem, als »Steinschlepper«, einfache Arbeiter.259 Der 249 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 53, 56; 1903/04 ebd., 63, 117, 132, 142; 1904/05 ebd., 76, 82, 90; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 113; 1903, 4; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 53; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 31. 250 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 72; 1907, 4; Amarna 1908, 16, 21f., 26; 1911, 20, 23f.; 1911/12, 5; Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 32, 49; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 13, 44. 251 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 29 (ganz gut); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 477 (geschickt), 479. 252 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 35; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 13 (Zitat). 253 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 177f. (Zitat); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 152 (Muse). 254 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 252; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 5f. (Zitat), 149f. 255 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 11; 1909, 8, 16, 37; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Hermopolis, 194; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 3f., 6; 1907/08, 396 (Befestigung); Amarna 1908, 11, 16, 26; 1911, 23f., 88, 96. 256 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 288 (zu Aniba 1914). 257 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 19 (»2 neue Maurer eingestellt, die aber nach einigen Stunden wegen zu großer Dummheit wieder entlassen werden«), 27 (»Man sieht [dem Küchengebäude] an, daß die dümmsten Maurer an ihm gearbeitet haben«); Abusir 1903, 16 (»Man muss den Maurern doch den geringsten Handgriff zeigen«), 25. 258 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 67, 73, 200, 203, 206; 1903/04, 13, 216; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 68, 144; 1910, 5. 259 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 140 (Stammarbeiter); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 348 (Stammarbeiter), 463 (größere Jungen als »tüchtig[e]« Steinschlepper).

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in den Tagebüchern fast einzige namentlich genannte Steinhauer ist der Abusiri Tabit Ibrahim.260 (4) Boten: Verschiedene Arbeiter sowie zwischenzeitlich Steinhauer wie Tabit Ibrahim und Ali Farag261 dienten den Ausgrabungen als Boten für Post, Geld und Einkäufe. Geld und Arbeitsmaterialien (Kap. 3.3.5) besorgten die Deutschen auch selbst,262 doch nicht immer konnte einer von ihnen die Grabungsstätte verlassen, um in die nächste Stadt zu reisen. Der Posten als Bote war gewiss einer jener »Vertrauensposten«, der laut Borchardt den »besseren« bzw. Stammarbeitern – wenn nicht unbeschäftigten Steinhauern – zukam,263 da die Boten mehr oder weniger wichtige Dokumente zu überbringen hatten und mehr oder weniger viel Bargeld der Deutschen handhabten, mit dem die Boten einkauften oder das sie zur Auszahlung der Arbeiter von der Bank abholten (3.3.9). Dementsprechend waren die Archäologen sich der Namen ihrer Boten derart bewusst, dass sie sie auch in den Tagebüchern wiederholt nennen, zum Beispiel jenen Farags oder des Oberägypters Ahmed Muse.264 Manchmal entsandten sie zu Botengängen sogar Vorarbeiter.265 In der Tat hören wir auch von keinem Fall, wo ein Bote die Deutschen bestohlen bzw. ihr Vertrauen missbraucht hätte. Allenfalls »Nachlässigkeiten bei Einkäufen« ließ sich der Vorarbeiter Ahmed Ramadan zuschulden kommen, infolge derer er zum Arbeiter degradiert wurde; und der Postbote Khalil Atije wurde wegen »einige[r] Kleinigkeiten auf dem Kerbholze« durch den oberägyptischen Vorarbeiter Ahmed Mahmud el-Gamal ersetzt.266 Zuvor war Atije, der aus der Umgebung von Abusir kam, dagegen Opfer geworden – eines Überfalls durch ihm offenbar sein Feld neidende Anwohner. Andererseits hatte er sich Jahre vorher als Postbote wegen seiner Furchtlosigkeit zur Verfügung gestellt, nachdem sein Vorgänger um des von ihm vermeintlich mitgeführten Geldes willen überfallen worden war. Das gleiche widerfuhr seinem Nach(nach)folger Takremi, der einen solchen Schock davontrug, dass er die Ausgrabung verließ.267

260 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 46; 1907, 300; 1907/08, 479; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 109f., 135. 261 Ibrahim: Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 165; Farag: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 114, 119, 131, 133; Tebtunis, 186, 188. 262 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 114; 1903/04, 50; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 178; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 18; 1906, 7, 34; Theben 1913, 19, 40, 84; Rubensohn, Briefe an Familie, 260f. (Abusir el-Meleq, 13.3.1903), 393 (ebd., 20.1.1904). 263 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 10. 264 Muse: Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 170, 187, 194f., 206-208, 220. Ein Ahmed Musa, mit dem Muse identisch sein dürfte, war bei der Grabung in Abusir 1903 vom »besseren« zum Vorarbeiter befördert worden und wurde in Theben 1911 »probeweise« Rais (Borchardt et al., Lohnliste Abusir 1903, Woche 16.-22.1., [S.] 2; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 10; vgl. u. Liste 3.3.3.2; Kap. 3.3.4). 265 Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 14, 99 (jeweils Senussi); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 118 (Senussi); Amarna 1911, 52 (Mahmud Ali); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 127 (Ali »Ajân« = Alejan?). 266 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 55 (Ramadan); Abusir 1907, 297 (Atije; er auch bei Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 2). 267 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 53; 1901/02, 65, 71; 1907/08, 463-465, 468f., 476, 478; zum Neid auf Atijes Feld: u. Kap. 4.1.3. Vgl. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 13 (»Für [den Dienst als Bote]

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

(5) Köche: Auch die Lebensmittel für die Deutschen, die sich im Unterschied zu den Arbeitern nicht selbst verpflegten (Kap. 3.3.7), mussten eingekauft und natürlich zubereitet werden. Für beides war der Koch einer Grabungskampagne (Abb. 13) zuständig.268 Dieser wurde von den Deutschen möglichst ausgewählt bzw. von Vorkampagnen übernommen, noch bevor sie zu irgendeiner Arbeitsstätte reisten,269 und er war dann vor Ort so schwer zu ersetzen, dass er nie wegen schlechter Küche entlassen wurde, sondern nur etwa dann, wenn er das Einkaufsgeld wie Rubensohns Abdallah in allzu »unverschämt[em]« Maße veruntreute.270 Doch gerade weil die Deutschen nicht irgendwen für sich kochen ließen, bekamen sie von ihren Köchen durchaus auch gutes Essen, sofern die Köche ihre Erwartungen verstanden.271 Der meistgenannte Koch der Deutschen ist der Nubier Mohammed Abdu, der zuvor Diener bei Rubensohn und Steindorff gewesen war.272 Er kochte in Amarna offenbar

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ist ein wegen seiner Körperkräfte gefürchteter, aber dabei grundgutmütiger Arbeiter ausgesucht, nachdem früher, als wir noch mehr Wert auf die Schnelligkeit der Boten legten, die schwächlichen Burschen mehrere Male angehalten und [ihre] Postsachen durchsucht worden waren«). In Dimai 1909/10 hieß der Postbote mit Vornamen Ali; er war »ein beschränkter Kopf« und diente »immer als Zielscheibe des Spottes« (der anderen Arbeiter) (Schubart, Wüste, 50). Marktgänge des jeweiligen Kochs, von denen er manchmal nicht nur Lebensmittel mitzubringen hatte: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 152; 1904/05 ebd., 37; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 75; Schubart, Wüste, 12. Umgekehrt kauften die Boten manchmal auch Lebensmittel ein: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 75, 102; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Dimai, 63; Schubart, Wüste, 11. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 7; 1907/08, 262; Amarna 1911/12, 1; 1912/13, 1; 1913/14, 2; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 4; Aniba 1912, 1f.; Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 2; Rubensohn, Briefe an Familie, 77 (Kairo, 17.2.1902), 488 (ebd., 25.11.1904). Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Hermopolis, 38 (meine Hervorhebung) (»Aber wir haben [jetzt] zunächst kein[en] Koch!«); ähnlich Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 220; dagegen Veruntreuung offenbar ohne Entlassung bei Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 31; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 299. Den Deutschen nicht schmeckendes oder gar verdorbenes Essen: Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 9, 18; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 23; Amarna 1911/12, 262; vgl. Steindorff, Brief an Möller, 9.1.1906 (»Hoffentlich bekommen wir diesmal einen besseren Koch als voriges Jahr«). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 103; 1903/04 Abusir el-Meleq, 4; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 13; 1907/08, 360; Amarna 1908, 0; 1912/13, 240; 1913/14, 115; Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 712. Rubensohn weiter zu seinen Köchen und deren »vorzüglichen« Menüs: Rubensohn, Briefe an Familie, 97 (Theadelphia, 13.2.1902: Zitat), 99f. (ebd., 22.2.1902), 117 (Tebtunis, 30.3.1902), 263 (Abusir el-Meleq, 20.3.1903), 501 (Hermopolis, 30.12.1904). Lob auch für das kreative Kochen des Nubiers Abdallah (wohl identisch mit dem erwähnten, kurz darauf bei Rubensohn in Hermopolis entlassenen Koch gleichen Namens): Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 199. Dagegen Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 13 (gegenüber dem Koch »gilt es, die Zügel straff zu halten, denn wenn die Phantasie eines […] [nubischen] Kochs losgelassen wird, dann ist kein Aufhören mehr«); vgl. Schubart, Wüste, 10-12 (10: Der Grabungskoch »liebte es nicht, wenn man sich in seine Angelegenheiten mischte«). Vgl. einen Zusammenstoß Mariettes mit seinem ebenfalls nubischen Koch: (É.) Mariette, Mariette, 259-261. Bes. Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 50; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 7; Amarna 1911, 1; 1912/13, 1; 1913/14, 2, 299; Timme, Amarna, 69, 72; wohl auch bei Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 135 (Abu Gurob, 20.12.1898 [bei Grabung Borchardt]); (S.) 554, 553a (Kairo, Mai 1905), 706 (ebd., 30.11.1906). Mohammed Abdu (Hamadun) hieß auch der Nubier aus Ermenne, der 1910 als Diener

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während aller Kampagnen zwischen 1911 und 1914. Der (namenlose) erste Koch der Abusir-Kampagne 1907/08 kündigte dagegen vorzeitig, weil ihm »wegen andauernder Bummelei« Lohn abgezogen worden war. Daraufhin suchte Borchardt persönlich – vielleicht in Kairo – nach Ersatz und fand einen Ahmed Mohammed, der aber erst knapp eine Woche nach der Kündigung eintraf.273 Was die Archäologen in der Zwischenzeit aßen, verschweigen sie.

Abb. 13: Nubischer Koch in Feldküche (Borchardt, Abu Gurob/Abusir 1898-1908)

SCA, Scan 40, Foto 11468. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

(6) Lasttiertreiber und Bootsleute: Die untersuchten Ausgrabungen mit Hunderten von Arbeitern in meist sehr warmem Klima erforderten beträchtliche Mengen von Trinkwasser, welche die Archäologen bereitstellen mussten, ohne dass ihnen dabei, wie bei ihrem Essen, ein Koch helfen konnte. Arbeiter(-innen) konnten als Wasserträger eingesetzt werden.274 Wo es nicht möglich war, einen Brunnen zu graben oder eine Wasserleitung zu legen (Kap. 3.3.7), bevorzugte man jedoch Kamele oder Esel bzw. die dazugehörigen Lasttiertreiber (Abb. 30). Beim Transport von Ausrüstung, Einkäufen und Funden zwischen der Grabungsstätte und dem nächsten Ort, Bahnhof (Abb. 14) oder Nilufer war man noch stärker auf Lasttiere angewiesen.275 In Abusir, Abusir el-Meleq und Theben wurden von Borchardts Institutsassistenten Hans Abel (u. Kap. 3.4.1) diesem eine Erzählung im Dialekt seines Heimatorts diktierte (Abel, Erzählung, 3). 273 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 352f. (353: Zitat), 356, 360. 274 Kap. 3.3.2.2; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 26; 1913/14, 210; vgl. u. Abb. 29. Vielleicht waren einige dieser Arbeiter sogar von Beruf Wasserträger (zu diesem: Winkler, Volkskunde, 142). 275 Kamel(e) für Wasser: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 7; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 38, 184; 1903/04, 16; 1907, 317; 1907/08, 51; Amarna 1911/12, 25f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903,

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

sogar Stiere bzw. Ochsen eingesetzt, um besonders schwere Fundkisten auf Schlitten zu ziehen.276 Kamele und (mitunter von Jungen geführte) Esel benötigten die Archäologen außerdem zum Reiten, wenn sie längere Wegstrecken zurückzulegen hatten.277

Abb. 14: Kamele tragen Funde und Ausrüstung zum Bahnhof (Steindorff, Qau 1913/14)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Abmarsch(b)1913).

117; 1909, 59; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Dimai, 4; Esel für Wasser: Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 57; 1908, 13-15; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 382; Kamele bzw. Esel für Sonstiges: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 365, 368f., 395; 1907, 324, 392, 394f.; 1907/08, 396, 398, 401, 445f., 449; Amarna 1908, 19; Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 145; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 3-6; 1909, 136, 145; 1910, 180; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 103; 1906, 54; Theben 1911, 136; 1913, 95; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 44; Philadelphia, 226; Rubensohn, Briefe an Familie, 378-380 (Abusir el-Meleq, 31.12.1903; vgl. ders. et al., Tgb. 1903/04 ebd., 2f.). 276 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 369f., 372-376, 380, 383f., 392; 1903, 218; 1907/08, 390f., 393, 396, 398f., 405; Borchardt, Ne-User-Re, 165 Abb. 141 (zu Abusir 1902-1904); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 103-105; Theben 1911, 131. 277 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 1; ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 438; Amarna 1911/12, 284; 1912/13, 239; 1913/14, 117, 153, 192, 267; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 175; 1902/03 Oberägypten, 15; Abusir el-Meleq, 93; 1903/04 Fayyum, 6; Oberägypten, 20, 22; 1904/05 Hermopolis, 24 (vgl. Kuckertz, Rubensohn [2020], 46); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 17; 1905 (Sphinxtempel), 5; Aniba 1912, 115, 121, 123; Qau 1913/14, 41, 65, 76, 156f.; Zucker et al., Tgb. 1907 Fayyum/ Oberägypten, 24. Bes. zu Eseljungen: Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 714; Sladen, Egypt, Kap. 16 (»donkey-boys«).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Vielleicht, weil die Treiber bzw. Vermieter zumindest der Lastkamele um ihre Unverzichtbarkeit wussten, zwangen sie die Archäologen wiederholt zu langwierigen Lohnverhandlungen (Kap. 4.2.1.1). Das gleiche (ebd.) taten die Bootsleute, die für die Archäologen an bestimmten, am besten (oder nur) zu Wasser erreichbaren Stätten ebenfalls Sachen sowie Menschen beförderten, einmalig oder während einer ganzen Kampagne.278 Während der vorbereitenden Kampagnen in Amarna 1906/07 und 1908 sowie der ersten in Aniba 1912 wohnten und arbeiteten die Archäologen auf einer gemieteten Dahabije (Nilsegelschiff), dessen Bootsmann in Aniba Sijam hieß.279 Sein Schiff, die »Abu Simbel«, hatte in Nubien bis dahin den deutschen Archäologen Heinrich Schäfer bzw. Hermann Junker gedient.280 (7) Diener: Der Koch Mohammed Abdu war wie eben erwähnt vorher Diener Rubensohns bzw. Steindorffs gewesen. Ein Diener wurde von den Deutschen bei jeder Grabungskampagne beschäftigt und zusammen mit dem Koch möglichst noch vor Grabungsbeginn ausgewählt. Abdu erscheint in den Tagebüchern zunächst als persönlicher Diener Rubensohns; ein Khalil als der persönliche Borchardts281 – da zumindest diese beiden Archäologen sich auch außerhalb ihrer Ausgrabungen für längere Zeit in Ägypten aufhielten, hatten sie entsprechenden Bedarf. Im Gegensatz zu solch einem »Stadtdiener« blieb der Diener einer Grabung von Anfang bis Ende bei ihr, um deren Koch zu unterstützen und den sozusagen Haushalt der Archäologen zu führen.282 Der wie Abdu und Khalil aus Nubien stammende Sijam (identisch mit besagtem gleichnamigem Bootsmann?) half in Qau auch bei Erkundungen sowie beim Konservieren, Ordnen, Verpacken und Abtransportieren von Funden.283 Aus dem oberägyptischen Qus stammte Mohammed Ahmed Ismail, der 1909/10, 19-jährig, als persönlicher Diener der Schubarts unter anderem bei Zuckers Grabungen

278 Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 28; ders. et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 102f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 291; 1909/10 Dimai, 6, 77f., 81; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 437, 445f.; Amarna 1911, 7, 212, 215f.; 1911/12, 5; 1913/14, 10; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 181f. Ferner mietete Rubensohn ein Boot für seine erste Reise zu Papyrushändlern (Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 1-3, 6). 279 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 4, 10, 21, 43, 48, 54, 89, 110, 121; 1908, 13f., 28f.; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 1f., 5, 9, 12, 22-24, 95, 115, 124, 126f. 280 Vgl. Schäfer/Junker, Bericht Nubien Expedition. Junker vermittelte dann das Schiff samt Besatzung an Steindorff (Erläuterung der Mietkonditionen: Junker, Brief an Steindorff, 26.1.1912). 281 Abdu: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 7; Khalil: Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 1, 30; Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 360; Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 82 (in Ermenne, Khalils Heimatort), 146, 165f. (da Khalil schon als Junge nach Kairo gekommen war, konnte er kaum Nubisch); Khalil wohl auch bei Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 31; Theadelphia, 58; Rubensohn, Briefe an Familie, 88 (Kairo, 31.1.1902). 282 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 1 (»Stadtdiener«); Beispiele für zu Grabungsbeginn eingestellte bzw. in der Küche helfende Diener: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 12, 14 (Ahmed); ders. et al., Tgb. Amarna 1911, 5 (Mohammed Soliman); 1912/13, 240; 1913/14, 3, 79 (Sadik); Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 25 (Ahmed el-Sajadi aus Saqqara); Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 4 (Mohammed Eid); 1910, 75 (Mohammed). 283 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 8, 41, 49, 53, 65, 97, 156f., 182, 242, 249. Einmal ist von der »Feluke Si[j]ams« die Rede (ebd., 289). Ein weiterer nubischer Diener hieß Ahmed (Giza 1903, 56f.).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

in Dimai und Medinet Madi (Kap. 1.2.3.1 Abs. 2) fungierte, sowie in den »vorhergehenden Jahren« als »Diener der Deutschen« (Zucker bzw. Rubensohn?) bei Ausgrabungen »im südlichen Ägypten« (Elephantine?). Bei den Grabungsarbeitern war er »sehr angesehen […], weil er Lesen und Schreiben konnte und den Korân auswendig gelernt hatte«.284 (8) Wächter (arab.: ghaffir; Plural: ghufara) mussten die Grabungsstätte sowie das Feldlager mit den dort aufbewahrten Funden und anderen Wertgegenständen vor Räubern, Düngersammlern (Sebachin; Kap. 4.1.2) und anderen unbefugten Besuchern schützen. Zum einen standen an allen antiken Stätten in Ägypten unabhängig von archäologischen Unternehmungen Wächter des Antikendienstes (3.2.3; Abb. 15). Insofern, als diese »Regierungswächter«285 ebenfalls – gemäß den Konzessionsbedingungen – von den Deutschen bezahlt wurden, rechne ich sie hier ebenfalls zu deren Spezialdienstleistern. Zusätzlich stellten die Deutschen je nach Bedrohungslage bis zu einer Handvoll Anwohner oder Stammarbeiter als Wächter an – gerade für die (Sommer-)Monate zwischen zwei Grabungssaisons, während derer die Deutschen meist nicht in Ägypten weilten. Nach der überaus erfolgreichen Kampagne in Amarna 1912/13, die die Nofretete-Büste und anderes zutage gefördert hatte, wurde die Zahl der dortigen Wächter von fünf auf acht erhöht, »da die Raubgräber auf der Westseite mindestens drei Wächter ständig in Atem halten können«.286 Zum Ende einer Saison stellte sich folglich die »Wächterfrage« – welche Männer waren vertrauenswürdig genug für diese Aufgabe?287 Doch auch während einer Grabung wurden (potenziell) wichtige Entdeckungen, wenn sie noch nicht fertig ausgegraben oder ins Fundmagazin gebracht worden waren, über Nacht bewacht, da sie sonst, wie Grabungen von Rubensohn und Borchardt es erfahren mussten, gestohlen werden konnten.288 Vor dem Wetter boten Wächter Schutz, wenn sie bei Sturm als »Zeltwachen« dafür sorgten, dass die Zelte des Feldlagers nicht fortgerissen wurden.289 Bei den vorbereitenden Kampagnen in Amarna 1906/07 und 1908 sowie der ersten in Aniba 1912

284 Schubart, Wüste, 12f. (13: angesehen), 52-61 (52: vorhergehende Jahre). 285 Zucker et al., Tgb. 1908/09 Oberägypten/Fayyum, 18; Philadelphia, 111; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 109. 286 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 55; ähnlich ders. et al., Tgb. Abusir 1903/04, 102. 287 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 291; 1907, 395; 1907/08, 513 (»Wächterfrage«); Amarna 1906/07, 113f., 121f.; 1913/14, 298; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 136; Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 28; ders. et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 106; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 143; 1910, 160 (»Wächterfrage«), 183. 288 Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 116 (Schlussfolgerung: »Wir müßen die Bewachung der Nekropole schleunigst regeln«); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 153; dagegen (rechtzeitige) Nachtwachen: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 37f., 53; 1903/04 ebd., 121; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 27, 34, 127; 1903, 154; 1903/04, 101f.; 1907, 384f.; Amarna 1911/12, 149; 1912/13, 44, 60, 193; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 129, 186; 1906, 26; Abusir 1910, 24; Qau 1913/14, 106f., 117; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 15f.; Theben 1913, 75; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 67. 289 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 119f.; ders. et al., Tgb. Giza 1905, 90; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 299, 310; 1903, 26; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 32.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

gaben die dortigen »Regierungswächter« den Deutschen sogar Hinweise auf mögliche Fundstellen.290

Abb. 15: Mahmud Mohammed el-Itr, Wächter des Antikendienstes in Abusir

Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern (1903), Frontispiz. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

Ungewöhnliche Vorkommnisse oder gar räuberische Angriffe während der Grabung meldeten die Wächter den Archäologen oder den Vorarbeitern. Gegen menschliche Bedrohungen und auch wilde Tiere wie Schlangen (Kap. 3.3.8) oder Schakale waren die Wächter teilweise mit Gewehren bewaffnet.291 Obschon die Archäologen diese für ihre Wächter selbst besorgten, war ihnen nicht immer wohl dabei, da sie deren Umgang mit 290 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 86; 1908, 20; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 6-8. Vgl. o. Kap. 3.2.2.1-2. 291 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 271; 1903, 76; 1907/08, 25, 108, 442; Amarna 1911/12, 258f., 281, 289; 1912/13, 117f.; 1913/14, 218; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 149; Steindorff et al.,

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Gewehren misstrauten. Ein (beduinischer) Wächter schoss denn auch – ohne jemanden zu treffen – auf drei deutsche Assistenten Borchardts, als diese im Abenddunkel zu antiken Gräbern spazierten.292 Andererseits mussten die Wächter in Qau einen (nicht näher beschriebenen) »Anschlag auf unsere Zelte« vereiteln; in Amarna vertrieben bzw. stellten sie bewaffnete Raubgräber, die sich »nur durch Flintenschüsse« beeindrucken ließen.293 (9) Reisebegleiter: Fast alle Textstellen, auf denen ich diesen Abschnitt aufgebaut habe, gehören zu Ausgrabungen der Archäologen. Bei den Kauf- bzw. Erkundungsreisen, die Rubensohn und Zucker für das Papyruskartell bzw. -unternehmen zu Händlern bzw. Stätten unternahmen, beschränkten sich die Spezialdienstleister natürlich weitestgehend auf Diener (o. Abs. 7) und Reittiertreiber bzw. -vermieter (6). Steindorffs Karawane nach Siwa und zurück bestand aus dem Karawanenführer Saijid Abu Faijad (Abb. 16), dem Wegführer Abd el-Kader Gehami, zehn Kameltreibern, dem nubischen Koch Mohammed, dem Vorarbeiter Mohammed el-Senussi sowie dem Diener von Steindorffs deutschem Begleiter Grünau, Abdallah Hussen aus dem Fayyum. Der Karawanenführer, der auch die Kamele und Treiber auswählte, sowie Abd el-Kader und einige Treiber waren in Giza niedergelassene Beduinen; andere Treiber waren Beduinen, die noch mit ihren Zelten von Ort zu Ort zogen. Beim Verlassen Siwas über eine Route, die Abd el-Kader nicht kannte, folgte die Expedition dem lokalen Wegführer Ali.294 Für die Expedition nach Nubien mieteten Steindorff und Gefährten in Assuan eine Dahabije (Nilsegelschiff) mit Besatzung.295 Steindorff wurde wieder von Senussi begleitet; Grünau von seinem Diener Abdallah; Borchardt von seinem selbst aus Nubien stammenden Diener Khalil.296 Für Erkundungen am Ufer bestellten die Forscher wenn nötig Wegführer sowie Esel oder Kamele.297

292

293 294 295 296 297

Tgb. Giza 1903, 184, 215; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 103; Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Abusir el-Meleq 1903/04, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 54. Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 3f.; ders. et al., Tgb. Amarna 1913/14, 91 (zu dem Vorfall weiter u. Kap. 3.3.8 Anm. 496); die Archäologen unwohl wegen geladener Gewehre: 1911, 153 (»Hoffentlich passiert den Wächtern damit kein Unglück«). Wenn Vorarbeiter über Nacht Grabungsstellen bewachen sollten, gaben ihnen die Archäologen stillschweigend ungeladene Waffen (so bei Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 10). Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 269; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 40; vgl. Borchardts Lob für die Wächter in: Ausgrabungen Amarna 1911, 32; 1912/13, 3f. Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 278f.; Libysche Wüste, 9f., 19f., 129 (Ali). Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 35, 45, 62, 83, 201, 223, 226; Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 350f., 353f., 361f., 367. Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 166, 178; Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 360; zu Khalil weiter o. Abs. 7. Bes. Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 113, 118f., 126, 137, 140, 170, 172.

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Abb. 16: Saijid Abu Faijad, Karawanenführer der Siwa-Expedition (Steindorff, Siwa 1899/1900)

Steindorff, Libysche Wüste, 10 Abb. 8. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

3.3.3 Herkunft, Anwerbung und Verfügbarkeit »Die von Hause aus sicher nicht militärisch veranlagten Arbeiter aus dem Dorfe Abusir […] lernten sehr schnell, sich in die Arbeit [… zu] schicken. Für die Beaufsichtigung und Ordnung auf dem Arbeitsfelde war uns ein früherer Arbeiter unseres Freundes Quibell, den dieser so liebenswürdig war, uns zu überlassen, äusserst nützlich[:] Mohammed Achmed es Senussi aus Kiman bei Qeft […]. Die Auszahlung der Löhne geschah […] stets direkt. Trotzdem wurde im Anfang von einigen Vorarbeitern aus Saqqara das bei Lohnzahlungen durch Mittelspersonen und auch sonst geübte System der Besteuerung der Arbeiter versucht. Die Schuldigen wurden, soweit wir dies tun konnten, streng bestraft.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Seitdem wurden stets Vorarbeiter aus Oberägypten herangezogen« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).298

3.3.3.1 Ortskräfte Aus evidenten finanziellen bzw. logistischen Gründen nahmen die Deutschen ihre einfachen Arbeiter sowie die meisten Spezialdienstleister aus den die Grabungsstätte umgebenden Ortschaften – auch wenn die Leute sich erst an archäologische Arbeit bzw. die spezifische Arbeitsorganisation der Deutschen gewöhnen mussten. In Abu Gurob waren die Ortschaften, wie Borchardt angibt, Abusir und – wohl nicht nur bei Vorarbeitern – Saqqara. Welche waren es bei den übrigen untersuchten Grabungen? Folgende Liste beantwortet diese Frage vor allem anhand der Grabungstagebücher. Liste 3.3.3.1: Herkunft der Ortskräfte bei den Ausgrabungen (vgl. Karten 3.3.3.1) Nach Tagebüchern, Berichten und Lohnlisten. Herkunftsorte jeweils in alphabetischer Reihenfolge. Hinter jedem seine Entfernung (Luftlinie) zum Grabungsort in Kilometern.299 Die Ortsnamen mit * kommen nur vereinzelt vor; (die wenigen) Ortsnamen, die ich noch seltener gelesen habe, lasse ich in dieser Liste weg. Grabungsorte Borchardt • • •



Abu Gurob (1898-1901): Abusir (3,1), Saqqara (6,7). Abusir (1901-1908): Abu el-Numrus (6,1), Abusir (1,8), El-Harrania300 * (8,3), Kafr = Semman301 * (10,9), Saqqara (5,4), Schobrement (5,0), Zawije (-t Abu Messallem) (6,1). (Tell el-)Amarna (1911-1914; dagegen 1906-1908: keine Ortskräfte): El-Amarieh (1,2), El-Aschmunein (19,7), El-Hagg Qandil (0,8), El-Hawata (3,6), El-Tell = Tell Beni Emran (Abb. 41) (2,3).302 Illahun (1899): Ehnasya el-Medina (16,0), Hawara (-t el-Maqta) (6,7).

298 Borchardt, Ne-Woser-Re, 76f. 299 Entfernungen nach Ministry of Finance (Egypt), Atlas of Egypt (1914) (Maßstab: 1:50.000); Ermenne, Ibrim und Toschka (bei Steindorff, Aniba) nach Baines/Málek, Atlas of Ancient Egypt (1980), 179 (1:1 Mio.). Wegen des großen Maßstabs des Atlas of Egypt (1914) haben Grabungsstätten und Herkunftsorte auf seinen Karten eine gewisse Ausdehnung ohne Mittelpunkt. Infolge dessen kann die tatsächliche Entfernung um den hier jeweils angegebenen Wert herum geschwankt haben. 300 Sofern das von den Deutschen angegebene »Errera«/»Errira« diesen Ort meint. 301 Das von den Deutschen genannte »Kafr el-Haram«/»Kafr el-Ahram« (d.h. »Kafr [= Weiler] bei der/n Pyramide/n [von Giza]«) wird gleichgesetzt mit »Kafr el-Semman« in Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt, 94 Abb. 84. »Kafr el-Semman« erscheint in Ministry of Finance (Egypt), Atlas of Egypt (Nr. 93) sowie (als »Sâmman«) in Boinet, Dictionnaire géographique (484). Es handelte sich um ein Beduinendorf an der nordöstlichen Böschung des Gizaer Pyramidenplateaus; beschrieben wird es in Hamann, Pharaonenland, 105. Das Dorf beherbergte viele (illegale) Antikenhändler (Hagen/Ryholt, a.a.O., 93-99). Zu den Dörfern bei den Pyramiden weiter Mutter/Fishman, Kafr – hier heißt es jedoch unbegründeterweise, dass um 1902 zwischenzeitlich kein Dorf mehr an Kafr el-Semmans Stelle bestanden habe (12). 302 Zu El-Amarieh, El-Hagg Qandil, El-Hawata und El-Tell: Timme, Amarna, 7-16.

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Grabungsorte Steindorff • • •

• • •

Siwa (1899/1900): Siwa bzw. Umgebung (genauer Herkunftsort innerhalb der Siwa-Oase unklar). Nubien (1900): Umgebungen der antiken Festungen Schalfak und Mirgissa (≈ 0?). Giza (1903-1910) (vgl. Abb. 39): Abu el-Numrus (8,0), Abu Roasch* (8,5), Abusir (13,0), Hawamdieh* (15,7), Kafr = Semman (vgl. o. Borchardt, Abusir) (0,9) u.a.,303 Kerdasse304 (6,5), Saqqara* (16,0), Schobrement* (6,8), Zawije (-t Abu Messallem) (5,0). Abusir (1910): Abusir (1,8). Aniba (1911-1914): Aniba (Abb. 40) (≈ 0?), El-Derr* (18,6), Ermenne (37,1), Ibrim (2,9), Toschka (17,1). Qau (el-Kebir) (1913/14): Dörfer um Qau305 wie El-Etmanieh, Ezbet el-Aqbat (Lage jeweils nicht identifiziert).

Grabungsorte Möller • •

Abusir el-Meleq (1905; dagegen 1906: keine Ortskräfte): Abusir el-Meleq (1,8). Theben (1911/13): Armant (13,5), Bairat (2,9), Karnak (5,2), Qurna (0,5).

Grabungsorte Rubensohn • • • • • •

Theadelphia (1902): Batn Ehrit (3,5). Abu Hamid (1902): Abu Hamid (≈ 0?), Illahun (23,5), Tutun (6,2). Tebtunis (1902): ? Abusir el-Meleq (1902-1904; dagegen 1905: Orte unbekannt): Abusir el-Meleq (1,8), Hawara* (19,9), Illahun (11,9); 1902/03 zusätzlich: El-Nawamis* (3,2). Hermopolis (Magna) (1903-1904; dagegen 1905/06: Orte unbekannt): El-Aschmunein (0,5), Roda (1903*) (6,2). Elephantine (1906-1907): Assuan (1,0), Gezireh (-t Assuan) (= Elephantine-Insel) (0,3), Gebel Toro* (nicht identifiziert306 ).

Grabungsorte Zucker •

Elephantine (1907/08): wie bei Rubensohn.

303 Hier meinen die Deutschen nicht (nur) das in der vorletzten Anmerkung genannte »Kafr el-Haram/ Ahram«, sondern (auch) »Kafr el-Ruhajim« (Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 42; vgl. 1910, 67: die »verschiedenen ›Kafr‹«). Letzteres findet sich weder bei Boinet, Dictionnaire géographique, noch in Ministry of Finance (Egypt), Atlas of Egypt, doch laut Bénédite, Égypte (336) lag ein »Koufoûr Rahim« südlich von Giza, an der Grenze zwischen Fruchtland und Wüste. Im Atlas of Egypt (Nr. 93) liegt nordwestlich von »Kafr el-Semman« ein »Kafr Nassar«. 304 Zu diesem Ort um 1980: Lynch, Kerdassa. 305 »Eine Ortschaft Qâw el-kebîr existiert offiziell nicht mehr. Sie ist in Einzeldörfer (Etmânîje, Ezbet el-ʿAgbâṭ, verschiedene Nugûʿ [= Weiler]) zerfallen. Die Leute von Etm[anije] sagen aber, wenn man fragt, woher sie sind: ›min el-Qâw‹ = ›aus Qâu‹« (Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 19). 306 Genannt in Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 7.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

• • • • •

Kom Ombo (1908): Kom Ombo = Umm Hamid (3307 ). (Bei) Abusir el-Meleq (1908): keine Ortskräfte? Philadelphia (1908/09): ungenannte Dörfer. Dimai (el-Siba) (1909-1910): keine Ortskräfte. Medinet Madi (1910): ungenannte Dörfer.

Der Median der Luftlinien beträgt 5,4 Kilometer. Von den 40 verschiedenen Herkunftsorten sind für alle außer dem von mir nicht identifizierten Gebel Toro die Einwohnerzahlen von 1899 verfügbar;308 sie lagen zwischen 613 (El-Nawamis) und 13.101 (Assuan). Ihr Durchschnitt lag bei knapp 3.700, ihr Median bei rund 2.700. Die Ortskräfte kamen an den meisten Stätten aus mehreren verschiedenen Orten, da es in den Gegenden viele Siedlungen gab, die jedoch oft so wenig Einwohner hatten, dass keine allein alle von den Deutschen benötigten Arbeiter hätte stellen können.309 Überdies ließen Leute wie die Qandilis in Amarna (u. Abs. 9) sich derart »langsam an Ordnung gewöhnen«, dass sie mit anderen Arbeitern, etwa aus dem weiter entfernten El-Aschmunein, sozusagen verdünnt werden mussten.310 Trotz oder wegen solcher Unterschiede kristallisierte sich zumindest an langjährigen Stätten eine Gruppe regelmäßiger Herkunftsorte heraus, während aus anderen Orten der Umgebung keine oder nur vereinzelte Arbeiter kamen bzw. eingestellt wurden. Mit dem Herkunftsort blieb auch ein Teil der dorther kommenden Personen über weite Strecken einer Saison wenn nicht mehrere Saisons hinweg identisch,311 sodass diese Ortskräfte den Archäologen bald nicht mehr völlig unbekannt waren. Hatten die Archäologen aus finanziellen bzw. organisatorischen Gründen Ortskräfte zu entlassen, traf es zuerst jene aus weniger regelmäßigen Herkunftsorten.312 307 Gemessen von dem Dorf Umm Hamid; als »das Dorf« wird von den Deutschen das von mir nicht identifizierte »El Schahb« genannt (Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, 293) – ein Ortsteil Umm Hamids? 308 Boinet, Dictionnaire géographique (dort auch die arabischen Schreibweisen der Ortsnamen): 30 (Abou el Nomros), 31 (Abou Hamed), 36 (Abou Rouwèche), 38 (Abou Sir [Kreis Giza]; Abou Sir el Malak), 41 (El Achmounein), 82 (Aneba), 86 (Armant; Armenna), 88 (Assouan [Stadt]), 103 (El Ba’eirat), 112 (Batn Ehrit), 130 (Chabramant), 162 (El Dâr wel Diwan), 178 (Ehnassieh el Madina), 181 (El Emarieh [Kreis Deirout]), 183 (El Etmanieh), 186 (Ezbet el Akbat), 217 (Guéziret Assouan; Guéziret Ebrim), 223 (El Hag Kandil), 236 (El Harraniah), 248 (El Hawamdieh; Hawaret el Makta’h; El Hawata [Kreis Deirout]), 312 (El Karnak [Kreis Louksor]), 317 (Kerdassa), 340 (El Korna [Kreis Louksor]), 342 (El Lahoun), 439 (El Nawamis [Kreis Wasta]), 449 (Om Hamed [Kom Ombo]), 465 (El Roda [Kreis Mallawi]), 475 (Sakkara [Kreis Ayat]), 484 (Sammân [Kreis Guizeh]), 504 (Siwa [Oase]), 515 (Tall Beni Emran), 522 (Tochka [beiderseits des Nils]), 523 (Totoun), 542 (Zawiet Abou Messallem). 309 Vgl. Borchardt, Ne-User-Re, 163. 310 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 3. 311 Z.B. Rubensohn, Briefe an Familie, 380 (Abusir el-Meleq, 31.12.1903: Bei Ankunft wurden »wir von vielen unseren vorjährigen Arbeitern empfangen«); vgl. ferner Borchardt et al., Lohnlisten Abusir 1902-1908. Eine umfassende statistische Auswertung der erhaltenen Lohnlisten in dieser und anderer Hinsicht wäre eine lohnende Aufgabe für die Zukunft. 312 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 62 (»Den Leuten aus Kafr wird gesagt dass morgen Abend Schluss der Grabung für sie ist«), 67 (»Heute Abend sind sämtliche Männer aus den verschiedenen ›Kafr‹ […] ausgelost worden, um den Betrieb einzuschränken«).

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Die Ausgrabung im mittelägyptischen Qau el-Kebir beschäftigte nicht nur muslimische, sondern auch koptische Arbeiter. Unter Ägyptens 11,3 Millionen Einwohnern (1907) befanden sich rund 700.000 Kopten (Muslime: 10,3 Millionen).313 Die meisten lebten in Städten oder, im südlichen Ägypten, wo überhaupt die meisten Kopten lebten, auch in großen Dörfern (darunter Quft). In Ober- bzw. Mittelägypten »trieben« einige hingegen »auch Landwirthschaft und wohn[t]en auf dem platten Lande«.314 In der Umgebung von Qau gab es Dörfer wie Ezbet el-Aqbat, die nur von Kopten bewohnt waren, sowie gemischte Dörfer wie El-Etmanieh.315 Steindorff, der Grabungsleiter in Qau, rechnete die Kopten wie damals üblich formell nicht zu den – muslimischen – »Fellachen«, sah jedoch in der »Körperbeschaffenheit«, »Tracht« und »Lebensweise« koptischer und muslimischer Bauern keinen Unterschied,316 sodass die koptischen Arbeiter seiner Grabung keine besondere Behandlung erfahren haben mögen. Wie fanden die Ortskräfte zu den Archäologen? Bei einigen Grabungskampagnen – zumal, wenn sie zum wiederholten Male am jeweiligen Ort stattfanden – wird sich die Ankunft der Deutschen herumgesprochen haben, sodass Anwohner sich von selbst als Arbeiter meldeten und sogar aus der ferneren Umgebung kamen.317 Bei weiterem Bedarf sandten die Archäologen Boten bzw. Stammarbeiter oder Antikenwächter in die umgebenden Ortschaften aus, um Arbeiter anzuwerben; oder sie taten letzteres selbst oder baten Arbeiter darum, weitere Bewohner ihres Dorfs mitzubringen.318 Die Tagebücher der Grabungen in Abusir 1907 und 1907/08 schlüsseln an insgesamt 20 Tagen (meist zu Arbeitswochenbeginn) die Arbeiter tabellarisch nach Herkunftsort auf. Wenn wir Männer, »Burschen« (d.h. ältere Jungen), Jungen und Mädchen zusammenfassen, erhalten wir folgendes Diagramm:

313 314 315 316 317 318

Quelle, Ägypten. Fircks, Aegypten, Bd. 1, 140; vgl. Mühl, Ägypten, 78. Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 19, 23. Zu politischen Spannungen zwischen Kopten und Muslimen im damaligen Ägypten: Tagher, Christians in Egypt, 208-223. Steindorff, Aegypten, 194f.; vgl. u. Kap. 3.5.4 Abs. 2. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 3; Ne-User-Re, 163; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 195. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 101, 355; 1907, 6, 230, 294; 1907/08, 2f., 22, 39, 443; Amarna 1911, 190; 1911/12, 35; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 193, 199; 1903/04 ebd., 5; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 21; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 79; 1909/10 Dimai, 82; Medinet Madi, 88; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 121; Aniba 1912, 8-10.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Diagr. 3.3.3.1a:: Zahlenmäßige Herkunft von Orts- und Stammkräften in Abusir 1907 und 1907/08

Die Stammkräfte (Kap. 3.3.3.2) sind in diesem Diagramm Teile der Ortskräfte aus Abusir, wo die Deutschen zu diesem Zeitpunkt bereits (mit Unterbrechungen) seit fast zehn Jahren gruben, sowie die Arbeiter aus Quft in Oberägypten. Die fast horizontalen Linien der letzteren veranschaulichen, dass die Deutschen eine Grabung mit einer bestimmten Zahl von Stammarbeitern begannen, die dann Tag für Tag bis zum Kampagnenende zuverlässig ihren Dienst taten. Die Zahl der Ortskräfte und damit die Gesamtzahl der Arbeiter, deren deutliche Mehrheit die Ortskräfte ausmachten, schwankte hingegen beträchtlich, wie neben obigem Diagramm auch Zahlen aus dem Tagebuch von Amarna 1913/14 im folgenden Diagramm veranschaulichen. Die Tage ohne Zahlen waren Ruhetage.

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Diagr. 3.3.3.1b:: Arbeitergesamtzahlen in Amarna 1913/14

Obwohl die Archäologen für diese Kampagne eine Arbeiterzahl von »etwa 180« anvisierten,319 wurde diese Zahl an den meisten Tagen um mindestens 20 Personen unter- oder überschritten. Nicht einmal während ein und derselben Arbeitswoche blieb die Arbeiterzahl konstant. Auch bei anderen Kampagnen hatten die Deutschen die Unbeständigkeit ihrer Arbeiterschaft zu beklagen: »[W]enn die Kerle nur alle Tage in gleicher Anzahl kommen wollten«.320 Meldeten sich »zu viele« Leute zur Arbeit, stellten die Archäologen sie vermutlich, solange es Organisation und Budget der Grabung nicht überlastete, trotzdem ein, um eine gewisse Reserve aufzubauen. Denn manche Arbeiter würden die Grabung irgendwann unvermittelt wieder verlassen; andere würden irgendwann als ungeeignet entlassen werden. Dass sich Ortskräfte als sozusagen Fehlgriffe herausstellen würden, war gewiss; welche es sein würden, konnten aber die Archäologen bei der Einstellung nur bedingt vorhersehen. Ein Mangel an Arbeitern dagegen war ein Problem, das den archäologischen Erfolg einer Grabung deutlich beeinträchtigen konnte, sich der Kontrolle der Archäologen jedoch weitgehend entzog. Aus welchen Gründen mussten oder wollten Anwohner der antiken Stätten darauf verzichten, für die untersuchten Archäologen zu arbeiten?

319 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 14 (26.11.). 320 Diesbezüglich explizit: Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Hermopolis, 27; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 123; 1908/09 Philadelphia, 143 (Zitat).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen (1) Die Leute arbeiteten auf dem Feld.321 Dank des Bewässerungssystems, das der Vizekönig Mohammed Ali begründet hatte und die britische Kolonialverwaltung während meines Untersuchungszeitraums ausbaute, konnte in Ägypten dreimal im Jahr ausgesät werden: vor dem Winter, vor dem Sommer, vor dem Herbst. Geerntet wurde dann, je nach Region und Frucht, vor allem im Oktober und November sowie von März bis Mai.322 Die untersuchten Ausgrabungen lagen größtenteils dazwischen. Zogen sie sich zu weit ins Frühjahr hinein, konnten sie indes zum Beispiel mit der Bohnen- oder Gurkenernte kollidieren sowie an ihrem Beginn im Herbst bzw. Winter zum Beispiel mit der von Baumwolle oder Zuckerrohr.323 Bei Heuschreckenplagen waren Jungen des Weiteren damit beschäftigt, die Eier der Schädlinge einzusammeln.324 Dies geschah bei der Grabung 1903/04 in Abusir. Ende April lief sie immer noch, doch diese »vorgerückte Jahreszeit [rief] die Arbeiter zu ihrer Feldarbeit [bzw. zur Heuschreckenbekämpfung] zurück«, weshalb eine neu in Angriff genommene Pyramide nicht »völlig beendigt« werden konnte. 1907 wiederum wurde die Ausgrabung in Abusir zwischen Mai (Schluss der Kampagne 1907) und August (Beginn der Kampagne 1907/08) unterbrochen, da wegen der Feldarbeit erst »Anfang August […] wieder Arbeiter zu bekommen waren«.325 (2) Die Leute waren zu nicht-archäologischen Erdarbeiten an (Bewässerungs-)Kanälen, Deichen oder Straßen angestellt.326 (3) Die Leute waren mit der Lohnhöhe (Kap. 3.3.9.1) oder anderen von den Archäologen gebotenen Arbeitsbedingungen unzufrieden. Jungen in Giza und Nubier auf Elephantine fühlten sich von Stamm- bzw. Vorarbeitern zu grob bzw. gewalttätig behandelt; Sudanesen (bzw. Nubier: 1.1.1), die von weit her nach Aniba kamen, wollten nach einer Nacht im Freien nicht mehr arbeiten, weil die Archäologen ihnen zunächst kein Haus zum Übernachten zur Verfügung stellten. In Amarna hätten es einige Leute offenbar als demütigend empfunden, (Feldbahn-)Schienen zu schleppen.327 (4) Die Leute zogen es vor, bei anderen Ausgrabungen zu arbeiten, die zeitgleich mit den deutschen in der jeweiligen Gegend stattfanden, weil sie dort, ihren Erwartungen zufolge, mehr verdienen und/oder anderweitig bessere Arbeitsbedingungen genießen würden. Die Deutschen spürten dies namentlich bei den Italienern in Hermopolis, den Franzosen auf Elephantine, dem Spanier Galarza in Giza, dem italienischen

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324 325 326 327

Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 270f., 363; 1907, 193, 227, 263; Amarna 1913/14, 19; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 150; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 79; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 101f.; 1905, 52; Aniba 1914, 22; Steindorff, Libysche Wüste, 124. Vgl. u. Kap. 4.1.2-3. Richards, Agricultural Development, 69-74; Banse, Ägypten, 52-54; Ayrout, Fellahs, 68f.; Baedeker, Ägypten, LXXV. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 193, 198f.; 1905/06 Hermopolis, 32; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 81; 1906, 33; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 315; 1907/08, 81; Amarna 1912/13, 2; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 21; Möller, Brief an Steindorff, 12.1.1905. Borchardt, Nefer-Ir-Ke-Re, 81; ders. et al., Tgb. Abusir 1903/04, 269; vgl. 288. Borchardt, Diesjährige Ausgrabungen (Klio 1904), 384; Vorjährige Ausgrabungen (Klio 1908), 129. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 19, 33f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 121; vgl. u. Kap. 4.2.2.2. Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 49f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 59, 81; Aniba 1912, 10; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 113.

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Antikendienstmitarbeiter Alessandro Barsanti (1858-1917) in Dahschur nahe Abusir, dem Briten Carter und dem US-Amerikaner Davis in Theben,328 sowie dem als Inspektor für den Antikendienst tätigen Briten James Edward Quibell (1867-1935). Obwohl letzterer seine Amtspflichten gegenüber den Deutschen – darunter einige Fundteilungen – mit »Liebenswürdigkeit« zu erledigen pflegte, zog seine Ausgrabung in Saqqara (1905-1914) 1907/08 allzu viele Arbeiter von der deutschen in Abusir ab (in Diagr. 3.3.3.1a besonders erkennbar an dem Schwund von Abusiris zum 13. und 20.9.). Schon in vorherigen Saisons hatten die Deutschen mit ihm vereinbart, dass sie keine Saqqaris und er dafür keine Abusiris einstelle während der Zeit, in der beide Unternehmungen parallel liefen. 1907/08 bestand Quibell jedoch auf einigen Abusiris, weil seine Saqqaris allein offenbar zu viel gestohlen hatten. Die Deutschen gestanden ihm 60 namentlich aufgelistete Abusiris zu und übernahmen dafür beliebig viele Saqqaris für unsensible Tätigkeiten. Kurz darauf erfuhren sie, dass Quibells Werber trotzdem wieder nach Abusir gegangen waren und dort einen höheren als den von den Deutschen gezahlten Lohn versprochen hatten, sodass einige von deren Abusiris zu Quibell sozusagen überliefen. Letztendlich machten die Deutschen für dieses »höchst ›unfaire‹« Verhalten übrigens nicht den britischen »Gentleman und Freund« verantwortlich, sondern dessen ägyptischen Sekretär, der es Abusiris erlaubt habe, sich bei dem nichtsahnenden Quibell als Saqqaris »einzuschmuggeln«.329 (5) Die Leute mussten Militärdienst leisten bzw. sich dafür mustern lassen.330 (6) Die Leute, zumal Jungen, waren wegen heftigen Regens, Sturm oder Sandsturm am Morgen offenbar außerstande, von ihrem Dorf zurück zur Grabungsstätte zu gehen; bei Nebel neigten sie zumindest dazu, sich zu verspäten.331 Versuchten sie so, ihre Gesundheit zu schützen, oder waren die Wege zu den Ruinen bei schlechtem Wetter nicht begehbar?332 (7) Arbeiter mussten die Grabung verlassen, weil sie krank oder verletzt waren. Dies scheint nur in seltenen Einzelfällen geschehen zu sein – bis auf Medinet Madi, wo

328 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 157; 1906/07 Elephantine, 14f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 189, 247; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 228; 1907/08, 19, 30-34, 48, 117 (vgl. Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 4, 52); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 46f.; 1913, 17, 83. Zu Italienern und Franzosen ferner o. Kap. 3.2.4; zu Galarza: o. Kap. 3.2.5.2; zu Davis: u. Kap. 5. 329 Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 22; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 6f., 12, 71 (Liebenswürdigkeit), 79; 1907/08, 35, 72f., 76-78, 80, 83-86 (unfair, Gentleman: 85), 88, 94, 99-101, 113f., 121, 137f. (einschmuggeln: 137), 238, 249, 256, 263f. Borchardt schätzte Quibell, weil er ihn, anders als andere Briten (o. Kap. 3.2.5.2), für einen kompetenten Archäologen hielt; auch sprach Quibell Deutsch (Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 155). 330 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 8; 1907/08, 316. Zum Militärdienst in Ägypten: u. Kap. 4.2.2.2. 331 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 186, 188; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 77f.; 1903/04, 162; 1907, 196; 1907/08, 424; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 109; 1905 (Sphinxtempel), 19f.; 1909, 157, 181; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 102; Nebel: Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 119; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 52; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 31; Abusir 1907, 174; 1907/08, 26, 159, 341. 332 Vgl. Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, 6: »Zur Ausgrabungsstelle ist der Weg oft weit und für die Phantasie eines Fellachenjungen lauern überall […] Diebe« und »böse Geister«. Zum »Aberglauben« der Fellachen: u. Kap. 4.2.2.1.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

ein Influenzaausbruch bei acht Stammarbeitern Zucker (mit) dazu veranlasste, die Grabung vorzeitig einzustellen.333 (8) Stamm- bzw. nicht ortsansässige Arbeiter mussten in ihren Heimatort zurückkehren, weil ihr Vater, ihre Mutter oder ihre Frau erkrankt oder verstorben war.334 (9) In Amarna wagten die Bewohner von El-Tell sich zuerst nicht zur Grabungsstätte, weil sie ihre dort beschäftigten Nachbarn aus El-Hagg Qandil fürchteten wegen einer Blutfehde, die zwischen beiden Dörfern herrschte (Kap. 4.1.3). Der ihnen deshalb von den Deutschen beigegebene Schutz durch bewaffnete Antikenwächter335 scheint wenige El-Teller zur Mitarbeit ermutigt zu haben.

333

Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 119; 1905/06 Hermopolis, 43; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 17, 29; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 66, 79; Amarna 1911, 110; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 132, 136f. (vgl. jedoch u. Kap. 5.3 Anm. 87). 334 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 150; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 100f.; 1910, 160; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 120; 1911/12, 158; 1913/14, 119; Abusir 1907/08, 481. 335 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 54, 108; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 4.

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Karte 3.3.3.1a: Die antiken Stätten von Giza, Abusir/Abu Gurob und Saqqara sowie die meisten Herkunftsorte von Grabungsarbeitern bei den untersuchten Ausgrabungen in Giza (G) und Abu Gurob/Abusir (A). Im Osten der Nil; westlich davon Felder und Kanäle; bei Großgütern stehen die Namen der Besitzer

Ministry of Finance (Egypt), Atlas of Egypt (1914), Nr. 93 (Originalmaßstab: 1:50.000). Scan: David Rumsey Map Collection, David Rumsey Map Center, Stanford Libraries.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Karte 3.3.3.1b: Die antike Stätte von Amarna (9 = Grabungsgebiet der Deutschen) und umliegende Dörfer; am rechten und unteren Rand die Planquadrateinteilung der Archäologen336

Mode, Amarna (1988), 474 Abb. 1. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

3.3.3.2 Mobile bzw. Stammkräfte Laut dem in Kap. 3.3.3 zitierten Borchardt gingen die Deutschen in Abu Gurob zu Vorarbeitern aus Oberägypten über, nachdem Saqqaris diese Position dazu missbraucht hatten, den ihnen unterstehenden Arbeitern einen Teil von deren Löhnen vorzuenthalten. Die Vorarbeiter aus Saqqara kamen vermutlich aus dem Umfeld des Raises Rubi Hamsawi, den Borchardt auch zur Stätte von Abu Gurob befragt hatte (3.2.2.1). Er war der Sohn

336 Zur Planquadrateinteilung: o. Kap. 3.2.5.2. Karte der Stätte und Umgebung mit mehr Details als Beilage in Timme, Amarna.

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des Raises Hamsawi, der schon vor Gründung des Antikendienstes die Grabungen Mariettes in Saqqara in den frühen 1850er Jahren geleitet hatte (neben anderen Raisen).337 Zuvor ließen die europäischen Archäologen ihre Grabungsarbeiter von Europäern oder Kawassen bzw. Janitscharen beaufsichtigen bzw. anleiten (wie z.B. bei Vyse, o. Kap. 2.1.4). Mariette probierte das ebenfalls, machte dann jedoch durchweg bessere Erfahrungen mit Fellachen »nés en quelque sorte sur les ruines«, die er an »ihren« Ruinen dauerhaft als Vorarbeiter einsetzte: »Ils savent ce que c’est que les antiquités, ils les ont maniées depuis leur jeune âge; ils connaissent les moyens de les trouver, ils sont en possession de ces mille petits secrets des ruines égyptiennes que moi-même, malgré ma longue expérience, je ne possède encore qu’imparfaitement. […] Un bon réïs passe ses journées sous terre, au fond des puits; il pioche de ses propres mains; il a surtout l’avantage de ne pas user ses hommes à des travaux inutiles. Un cavass, au contraire, marche au hasard et n’a pas plus de raison pour diriger ses ouvriers d’un côté que de l’autre : il ne sait pas, comme le réïs, suivre une piste. Bref, le métier de réïs est un métier plus difficile qu’on ne pense et qu’on ne fait pas sans apprentissage. Le réïs est aux fouilles ce que le mécanicien est à la machine«.338 Unter dem Antikendirektor Mariette liefen so viele Ausgrabungen in ganz Ägypten gleichzeitig, dass er jeweils selten selbst vor Ort sein konnte und auf kompetente Raise umso mehr angewiesen war. Doch bereits Smyth mag 1865 in Giza mit dem »Rais« Ali Dobree oder dem »alten« Ibrahim (o. Kap. 2.1.4) Mariettes Modell des ortsansässigen, antikenerfahrenen Raises übernommen haben. Petrie begann seine Tätigkeit am Nil in den 1880er Jahren mit Dobree = Dobry (den er Gabry/i nannte) und sogar den Raisen des Antikendienstes.339 Deren Ortsansässigkeit wandelte sich für den auf hohe Effizienz bedachten Petrie indes vom Segen zum Fluch. Ein alter Rais Mariettes erzählte Petrie, dass seine Rais-Kollegen damals zuallererst darauf bedacht waren, die lukrative Ausgrabung so lange wie möglich an ihrem jeweiligen Ort zu halten: »So when their digging did not produce enough results to be encouraging, they used to buy from dealers […] sufficient miscellaneous antikas to keep up Mariette’s interest in the place«, während »a good find was kept back so far as was prudent«.340 Solange die Ausgrabung dann lief, versuchten gewisse Raise, so viel wie möglich an ihr zu verdienen, indem sie die Einkäufe der Archäologen zu mit ihnen verschworenen Wucherläden leiteten, an deren Einnahmen sie beteiligt wurden; indem sie wertvolle Funde an mit ihnen verschworene

337 David, Mariette, 110. 338 Zit.n.: David, Mariette, 169. Dabei besaß schon Mariette selbst ein außerordentliches Gespür für in Stätten verborgene Antiken (Montet, Isis, 60; Sauneron, Égyptologie, 18; Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 96). 339 Doyon, Archaeological Labor, 148; zu Dobry/Gabry: Quirke, Hidden Hands, 51 (Fotos: ebd., 275 Abb. 9.7; Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt, 196 Abb. 129f.); Petrie, Seventy Years in Archaeology, 21; Petrie, Gizeh, 3 (»G is universally pronounced hard by Egyptians, soft by Arabs; thus either Gabri or Jabri«). 340 Petrie, Seventy Years in Archaeology, 49f.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Antikenhändler verkauften; und/oder indem sie den Arbeitern einen Teil von deren Löhnen abpressten.341 Letzteres mag für Raise leichter, wenn nicht gar sozial geboten gewesen sein, wenn sie in derselben Gegend wie die Arbeiter wohnten und/oder in der örtlichen Sozialhierarchie über den Arbeitern rangierten und entsprechenden Druck auf sie ausüben konnten. Insgesamt hinderten lokale Verflechtungen Arbeiter somit daran, ganz den Interessen der Archäologen zu dienen – wie auch die deutschen es im Fall ihrer Saqqaris feststellen mussten. Sogar der Rais Rubi selbst bestrafte in Abusir ihm unterstehende Antikenwächter, die von den Deutschen Kaffee gestohlen hatten, lediglich mit Lohnabzug und bat die Deutschen, »nichts an Maspero zu sagen«342 – konnte oder wollte er die Wächter nicht entlassen, weil er mit ihnen in persönlichen Beziehungen stand? Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen beschäftigte Petrie dann 1884 in Tanis (Nildelta) teilweise Arbeiter, die nicht aus der dortigen Umgebung stammten, sondern aus dem 125 Kilometer (Luftlinie) entfernten Giza, wo er mit ihnen zwischen 1881 und 1883 gegraben hatte. Später folgten ihm zu Stätten in ganz Ägypten Arbeiter aus dem Fayyum bzw. Quft nach seinen Ausgrabungen in deren Gegenden (1887-1891 bzw. 1893-1895).343 Die mobilen Arbeitskräfte waren nicht nur frei von »local ties«,344 sondern befreiten gerade einen Archäologen wie Petrie, der fast jedes Jahr eine neue Stätte in Angriff nahm, von der Notwendigkeit, zu Beginn jeder Kampagne nach geeigneten Ortskräften zu suchen – deren »Eignung« sich danach als Irrtum herausstellen konnte. Es ist unbekannt, warum gerade die Quftis Petrie so gefielen, dass er sie nach seiner Grabung an den Tempelruinen ihres Dorfes 1893/94 zum »backbone of my upper Egyptian staff« machte, von denen er hoffte, »that I may keep these good friends so long as I work anywhere within reach of them«. Petrie fand unter den Bewohnern von Quft »a small percentage of excellent men; […] faithful, friendly, and laborious«, fügte jedoch selbst hinzu, dass dies an anderen Orten nicht anders sei. Der Rest der Anwohner in Quft erwies sich als »the most troublesome people that I have ever worked with«.345 Quft (griech.: Koptos) wurde dort gegründet, wo der Nil dem Roten Meer am nächsten kommt, sodass es in der Antike zu einem Handels- und dann auch religiösen und Verwaltungszentrum aufstieg – Wüstenkarawanen brachen hier zum Roten Meer auf und kamen von dort an. Die Tempel- und übrigen Ruinen der antiken Stadt sind, vor allem im Vergleich zu jenen des 40 Kilometer entfernten Luxor, unspektakulär und kein Touristenziel. Besucht wurden sie zwar von Napoleons savants einschließlich Denon sowie von Hamilton, Rifaud, Champollion, Lepsius und anderen frühen Forschern; zu Ausgrabungen schritten aber erst Petrie 1893/94 und, in geringerem Ausmaß, der Antikendirek-

341 342 343 344 345

Petrie, Methods in Archaeology, 25; ferner Seventy Years in Archaeology, 43f.; vgl. Quirke, Hidden Hands, 41f. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 237, 243 (Zitat). Quirke, Hidden Hands, 299-303; Petrie/Quibell, Naqada and Ballas, viii; ferner Petrie, Hawara, 3. Petrie/Quibell, Naqada and Ballas, viii. Petrie, Koptos, 1f. (meine Hervorhebung). Laut seinem amerikanischen Kollegen Reisner erlebte Petrie die Bewohner von Quft als »quick to learn, skillful, and loyal« (Archaeological Fieldwork, 103).

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tor Maspero 1882/83.346 Gleichwohl lagern sich Qufts moderne Ortsteile um die Ruinen herum und eine Straße führt durch diese hindurch, sodass die Bewohner wie Mariettes Raise sozusagen mit den Ruinen aufwuchsen und lebten. Der Name des Ortsteils (El-)Kiman, aus dem Senussi und andere Vorarbeiter der Deutschen kamen, bedeutet »(die) Haufen« – und zwar der Trümmer der antiken Bauten.347

Karte 3.3.3.2: Quft und Umgebung, 1910 (Originalmaßstab: 1:80.000)348

Weill, Koptos, 106. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

Zweitens: Quirke bemerkt, dass Petries vielleicht wichtigster Rais Ali Suefy/i aus Illahun (Fayyum) eine Frau aus der Gegend von Quft heiratete, die er vermutlich bei Pe-

346 Traunecker, Coptos, 3, 17-21; hier die genannten Forscher in Koptos; zusätzlich Hamilton, Ægyptiaca, 178-185. 347 Winkler, Bauern, 41. Die arabische Einzahl von »Kiman«, »Kom«, begegnet uns in Bezeichnungen antiker Stätten wie Kom Ombo; sie bedeutet dann, wie auch »Tell« in »Tell el-Amarna«, »Siedlungshügel« – ein Hügel entstanden aus den aufeinandergeschichteten Resten diachroner Besiedlungen. (Amarna ist allerdings gar keine Stätte dieses Typs, sondern erhielt den Beinamen von frühen Reisenden, die den Namen des angrenzenden Dorfes El-Tell irrtümlich auf die gesamte antike Stätte übertrugen: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 34.) 348 Vgl. die Kartenskizze von Petries Ehefrau und Mitarbeiterin Hilda (1871-1956) in Quirke, Hidden Hands, 234 Abb. 8.1.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

tries dortigen Ausgrabungen (1893/94, s.o., und 1894/95, s.u.) kennengelernt hatte;349 sie könnte dann ihre Dorfgenossen bei dem Briten »untergebracht« haben. Drittens sollen die Quftis ein so starkes kollektives Ehrgefühl besessen haben, dass sie einen der ihren, der auf einer Grabung etwa Funde stehlen würde, gnadenlos verstießen, sodass Archäologen Qufti-Arbeitern gefahrlos vertrauen konnten.350 Viertens waren in Quft unter den 9.600 Einwohnern (1899)351 offenbar langfristig einige Hundert Leute, die zur Erwerbstätigkeit ihre Heimat für mehrere Monate im Jahr verlassen konnten, wollten und/oder mussten (vgl. Kap. 4.1.2-3), denn Quftis arbeiteten bald in ganz Ägypten für britische, deutsche, US-amerikanische und andere Archäologen.352 Wie dem auch sei, der Brite Quibell (o. Kap. 3.3.3.1 Abs. 4) machte die Bekanntschaft der Quftis, als er 1894/95 Petrie an den jeweils wenige Kilometer von Quft entfernten Grabungsstätten Naqada und Deir el-Ballas assistierte. Bereits 1896/97 nahm Quibell welche mit zu seiner eigenen Grabung im etwa 100 Kilometer (Luftlinie) von Quft entfernten El-Kab.353 Somit wird es sich auch bei jenen zweien von Quibells »besten früheren Arbeiter[n]«, die er 1898/99 seinem Freund Heinrich Schäfer für Abu Gurob »überließ«,354 um Quftis gehandelt haben. Zumindest scheint einer davon Mohammed Ahmed el-Senussi aus dem Vorort Kiman gewesen zu sein.355 Mit den Quftis erhielten die Deutschen bewährte, ja professionelle archäologische Arbeiter, die nicht zugleich aus der Umgebung ihrer Grabungsstätten kamen, denn in der Gegend von Quft führten deutsche Archäologen im Untersuchungszeitraum keine Ausgrabungen durch, wenn wir Möllers Kurzkampagnen in Theben-West (40 Kilometer entfernt) 1911 und 1913 außer Acht lassen. In Abusir – zumindest nachdem sich die Ausgrabung 1901 von Abu Gurob zum eigentlichen Abusir verlagerte – beförderten die Deutschen aber auch Abusiris (die sie auch »Busiris« nannten) zu Stamm- bzw. (niederen) Vorarbeitern, und diese begleiteten sie dann wie die Quftis auch zu fast allen anderen hier untersuchten Ausgrabungen in Ägypten – so wie Petrie als mobile Stammkräfte zugleich Quftis und Fayyumis beschäftigte. Dem Papyrusunternehmen standen im Fayyum inklusive Abusir el-Meleq und in Hermopolis teilweise keine Quftis und/oder Abusiris zur Verfügung, weshalb an jenen Stätten zwischen 1902 und 1904 als Stammarbeiter Illahunis dienten, deren Dorf bei Abusir el-Meleq, aber weit weg von Hermopolis lag. Illahun war die Heimat von Petries besagtem Rais Ali Suefi, den Rubensohn dann auch per Bote um Leute bat.356 Steindorff

349 350 351 352

Quirke, Hidden Hands, 235, 301. Dunham, Recollections, 24-26. Boinet, Dictionnaire géographique, 315. Vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1913, 62f. (aus Quft bzw. Vororten »rekrutieren bekanntlich alle deutschen, englischen und amerikanischen Ausgrabungen die Kernmannschaft ihrer Arbeit seit ungefähr 20 Jahren«). Zu den Quftis der US-Amerikaner: Reisner, Archaeological Fieldwork, 103f.; Doyon, Archaeological Labor, 148-152. 353 Petrie/Quibell, Naqada and Ballas, viii; Quibell, El Kab, 1. 354 Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1898/99, 9 (»Überlassung«). 355 Borchardt, Ne-Woser-Re, 76 (zit. in o. Kap. 3.3.3); u. Kap. 3.6.1. 356 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 199. Bei Borchardts Grabung in Illahun 1899 fungierte Mahmud Suefi (Alis Bruder?) als Vorarbeiter neben Senussi sowie als ortskundiger Informant (Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 5-8, 13, 18f.).

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beschäftigte in Aniba und Qau Quftis, aber keine Abusiris – vielleicht, weil zumindest Nubien diesen dann doch zu weit von ihrer Heimat weg war, oder weil Steindorff in Aniba »tüchtige« Sudanesen aus El-Derr bekam, die unmittelbar zuvor, im Winter 1911/12, bei Hermann Junkers Ausgrabungen der benachbarten Stätten von Ermenne und Toschka gearbeitet hatten.357 Umgekehrt beschäftigten zumindest Borchardt bei den Vorbereitungen in Amarna zwischen 1906 und 1908, Möller bei der Grabung in Abusir el-Meleq 1906 und Zucker bei denen in Dimai zwischen 1909 und 1910 ausschließlich Arbeiter aus Quft und Abusir.358 Wer waren die Quftis und Abusiris der untersuchten Archäologen? In den Tagebüchern sind neben dem Obervorarbeiter Senussi am sichtbarsten die Vorarbeiter Umbarek Hassan, Abu el-Hassan Mohammed, Mahmud Ali, Ali Alejan und Kerim Hamdan aus Quft bzw. seinen Vororten, sowie aus Abusir der Vorarbeiter Abu Guma und der Feldbahnverantwortliche Hissen Mabruk. Zu dreien dieser Männer kann ich unter Kap. 3.6 jeweils ein Porträt zusammenstellen. Weitere Stammarbeiter verraten uns die Lohnlisten. Solche liegen im Archiv der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts (DAIK) von zehn verschiedenen Grabungskampagnen vor. Im Folgenden liste ich (alphabetisch geordnet) auf, welche Personen bei wie vielen dieser Kampagnen in einer jeweils zufällig (bis auf die in Amarna 1912; vgl. Kap. 5.3 Abs. 7) ausgewählten Arbeitswoche als »Vorarbeiter« (oder »Ruasa«) in der Lohnliste stehen, und welche/r Herkunftsort/e gegebenenfalls für sie angegeben ist/sind. Die vielfältigen Weisen, in denen die arabischen Namen in den Lohnlisten geschrieben werden, habe ich vereinheitlicht. Liste 3.3.3.2: »Vorarbeiter« in zufälligen Arbeitswochen359 der Lohnlisten im DAIK360 Herkunftsorte (Einwohnerzahlen361 ): A = Abusir (2.587); Q = Quft (mit 13 Vororten: 9.615; ohne: 4.187); Vororte: G = Galla (nicht in Boinet, Dictionnaire géographique; in Quft enthalten?); K = Kiman (1.747); O = Oweidat (1.331); ? = kein/e Ort/e angegeben.

357 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 6 (Zitat), 8. 358 Zu Beginn der zweiten Kampagne in Dimai erklärte Zucker dies damit, dass »in dem abgelegenen Dimê natürlich keine Leute aus der Umgebung zu haben sind« (Tgb. 1909/10, 1; vgl. 1908/09 Abusir el-Meleq, 2f.). Vgl. zu Dimai 1909/10 Schubart, Wüste, 21 (»In unserem Lager hatten wir wohl 30 Oberägypter, die schon mehrere Jahre in deutschen Ausgrabungen gearbeitet hatten und den zuverlässigen Stamm bildeten; die übrigen Arbeiter waren aus einem Dorf nicht weit von Kairo«). 359 Abusir (Borchardt), 28.2.-6.3.1902*; 20.-26.2.1903*; 7.-14.1.1904*; 19.-25.4.1907; 5.-11.9.1907; Giza (Steindorff), 22.-28.3.1906; Abusir el-Meleq (Möller), 14.-20.10.1905; Hermopolis (Rubensohn), 10.-18.12.1905; Elephantine (ders.), 13.-20.12.1906* (von mir erfasste Männer in Lohnliste nicht ausdrücklich als »Vorarbeiter« bezeichnet, aber höher bezahlt als Ortskräfte); Amarna (Borchardt), 5.-11.12.1912. Von diesen Lohnlistenwochen enthalten nur die vier mit * Herkunftsorte der »Vorarbeiter«. 360 Außerdem nennt Schubart (Wüste, 23f.) die drei (obersten) Vorarbeiter der Grabungen in Dimai 1909/10 und Medinet Madi 1910; ihre Namen stehen bereits in obiger Liste: Abu el-Hassan, Mahmud Ali, Ahmed Ramadan (Senussi war bei diesen Grabungen nicht zugegen). 361 Nach Boinet, Dictionnaire géographique (dort auch die arabischen Schreibweisen der Ortsnamen): 38 (Abou Sir [Kreis Giza]), 315 (Keft), 331 (El Kiman), 184 (El Eweidat).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

(Eingetragen bei) 10 Kampagnen •

Mohammed Ahmed el-Senussi (Q/K; vgl. Kap. 3.6.1)

6 Kampagnen • •

Mahmud Ali (Khalil) (Q) Mohammed Etman (G)

5 Kampagnen •

Abu el-Hassan Mohammed (Q/G/K/O; vgl. Kap. 3.6.2)

4 Kampagnen • •

Kerim Hamdan (Q) Osman Rajan (G)

3 Kampagnen • • • • •

Abu Bakr Mahmud (Q) Ali Alejan (Q) Ali Mansur (Q/O) Derdir Abd el-Rahman (Q/K) Kerim Rajan (?)

2 Kampagnen • • • • • • • • • •

Ahmed Abd el-Rafar (Q) Ahmed Mahmud (?) Ahmed Mohammed Abd el-Rahman (Q) Ahmed Musa (G) Ali Radwan (?) Bedawi Ibrahim (Q) Hamdan Abd el-Latif (?) Hassan Mohammed (Awad Allah) (Q) Hissen Ibrahim (Q) Ismain Hassan (G)

1 Kampagne • • • •

Abd el-Halim Hissen (G) Abu Guma (A; vgl. Kap. 5.3 Anm. 113) Ahmed Gabran (Q) Ahmed Hagazi (Q)

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• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

Ahmed Jussuf (Q) Ahmed Ramadan (?) Ahmed Salame (?) Ali Jussuf (G) Ali Mohammed (Abd el-Rahim) (G) Gode Musa (?) Hassanen Issa (Q) Hissen Ahmed (Q) Hissen Mabruk (A; vgl. Kap. 3.6.3) Hissen Osman (Q) Ibrahim Nefa (G) Isleman el-Bedani (?) Ismain Mohammed (?) Ismain Musa (?) Ismain Salah (Q) Mihsin Hassan (G) Mihsin Salim (?) Mohammed Abdallah Scherif (Q) Mohammed Ahmed Abd el-Rafar (Q) Mohammed Musellim el-Bedani (Q) Musa Mohammed (?) Rars Abdallah (?) Salman Musellim (?) Saman Ismain (?) Umbarek Hassan (Q) Zein Abdallah (?)

Wir sehen, dass der Obervorarbeiter Senussi an jeder Kampagne teilnahm, während es bei anderen »Vorarbeitern« bis zu sechs – nicht unbedingt räumlich oder zeitlich zusammenhängende – waren, und bei wieder anderen nur einzelne. Eine Vorarbeitermannschaft bestand somit aus einerseits mehr oder weniger erfahrenen Altgedienten und andererseits nachwachsenden Neulingen. Im Durchschnitt kam jeder der hier aufgeführten 51 Vorarbeiter auf 1,96 Einsätze. Die meisten stammten aus Quft oder drei Vororten, wobei diese in den Lohnlisten – wenn sie die Arbeiterherkunft überhaupt angeben – zuweilen ebenfalls als »Quft« erfasst wurden;362 die in die Liste übertragenen Herkunftsdetails der Quftis sind entsprechend unsicher. In den Tagebüchern werden die Quftis ohne Ortsunterscheidungen als aus »Quft«, als »Koptosleute«/»-männer« oder als »Oberägypter« bzw. »Saiden«/»Saidis« (el-Said ist arab. für »Oberägypten«) bezeichnet. Abusiris erscheinen in den Lohnlisten insbesondere der Grabungen in Abusir kaum als »Vor-«, sondern höchstens als »bessere«

362 Z.B. gibt Lohnlistenwoche Abusir, 28.2.-6.3.1902, Senussis Herkunft mit »Quft« an, obwohl wir aus anderen Quellen wissen, dass es in Wirklichkeit Kiman war. Andererseits gingen die Vororte zumindest in den 1930er Jahren »zum Teil ineinander und in [Quft] über« (Winkler, Bauern, 39; zur Ortsgeographie ferner 40f.).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Arbeiter (und Jungen) (zu solchen: Kap. 3.3.2.1). Trotz Ausnahmen wie Abu Guma setzte sich die erste Riege der Stammarbeiter bei den untersuchten Ausgrabungen tatsächlich größtenteils aus Quftis zusammen, während Abusiris eine ebenfalls herausgehobene, aber »nur« zweite Riege bildeten. Die Stammarbeiter aus Quft und Abusir (wenn nicht ortsansässig) reisten zu Beginn einer Grabung mit dem Zug oder (in Aniba) Schiff – die Fahrkarten bezahlten die Deutschen – jeweils geschlossen unter Führung eines oberen Vorarbeiters an.363 Die Auswahl der Arbeiter in ihren Heimatorten trafen einerseits diese Vorarbeiter, etwa Senussi; andererseits warben vor allem Borchardt und Rubensohn persönlich ausgesuchte Quftis oder Abusiris an, wenn sie zu diesem oder anderen Zwecken nach Quft bzw. Luxor oder nach Abusir kamen.364 Zu gegebener Zeit »bestellten« (wie sie es manchmal formulierten) die Archäologen bzw. Borchardt die entsprechenden Kräfte dann bei den besagten Vorarbeitern.365 Nach Beginn einer Grabung waren sozusagen Nachbestellungen möglich; andererseits wurde ein Teil der Stammarbeiter (wie auch der Ortskräfte) bereits vor Kampagnenende nach Hause entlassen, wenn die eigentliche Grabung abgeschlossen war und »nur« noch Reinigungs-, Verpackungs- und Transportarbeiten übrig blieben.366 Ferner erhielten die Deutschen einzelne Oberägypter wiederholt durch den britischen Archäologen Quibell sowie den US-amerikanischen Reisner, die ihnen welche empfahlen bzw. aus ihren eigenen Mannschaften »überließen« (Borchardt in o. Kap. 3.3.3). Namentlich kamen von Quibell, neben Senussi, Abd el-Latif (vorzeitig entlassen),367 und von Reisner Ahmed Musa, Ahmed Abd el-Rifai, Leid Hassan (vorzeitig

363 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 10; 1903/04, 15; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 58; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 211; 1909/10 Dimai, 1-3; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 4, 6; 1914, 553; Qau 1913/14, 7, 282 (zu Aniba 1914); Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 3; 1906, 2. 364 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 23 (Borchardt); 1902/03 Abusir el-Meleq, 24-26; 1903/04 Oberägypten, 14; 1904/05 ebd., 8; 1906/07 Elephantine, 3, 5; Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 1; Ausgrabungen Abusir 1903/4, 1f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 1f., 8; 1903/04, 1 (hier bringt Senussi in Luxor »Luxorleute« zu Borchardt, von denen dieser 16 Männer und einen Jungen auswählt – die »Oberägypter« der Deutschen mögen also nicht ausschließlich aus Quft gestammt haben; allerdings wird in den Quellen sonst für oberägyptische Arbeiter kein anderer Herkunftsort genannt); Amarna 1911, 3, 8, 11f.; 1911/12, 1, 6; 1912/13, 2, 9; 1913/14, 1; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 193; zur Auswahl durch Senussi ferner u. Kap. 3.6.1. 365 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 63; 1911, 29; 1913/14, 10; Abusir 1907, 5; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 49; 1908/09 Abusir el-Meleq, 1; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 1, 11, 18; 1910, 2; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 8f. 366 Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 104; 1906, 50f.; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 69f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 211; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 183; Aniba 1912, 232; 1914, 553. 367 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 151f.; namenlose Arbeiter von Quibell: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 66; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 24-26; 1909, 98; erfolglose Anfrage an Quibell: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 190, 192. Quibells Landsmann Petrie sagte seinerseits: »the German work at Abusir has used our trained Quftis for headmen« (Petrie, Abydos, 2). Es ist unklar, ob Petrie damit noch andere Quftis meinte als jene, die sein ehemaliger Assistent Quibell wie eben erwähnt an die Deutschen gab.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

entlassen), Umbarek Ismain und Salman Salim.368 Für die Grabung in Giza 1905 bot Reisner Möller, der Steindorff vertrat, sogar an, »3-400 Mann, also unsern ganzen Bedarf [an Arbeitern] aus [Reisner] bekannten Saidis zusammenzubringen«. Ausschließlich Reisners Quftis wollte Möller zwar nicht beschäftigen, da sie durch die »unverhältnismäßig großen Bakschische« des Amerikaners »zu sehr verwöhnt« seien. Als Vorarbeiter nahm er einige von ihnen jedoch gerne an, da sie »vorzüglich eingedrillt« seien und Reisner »uns sicher das Beste geben« werde, »was für ihn disponibel ist, um sich nicht zu blamieren«. Dagegen sei mit »Borchardts Saidis […], von Senussi abgesehen natürlich, nicht viel Staat zu machen«.369 Trotz dieser Unzufriedenheit Möllers wurden viele sowie die wichtigsten Stammarbeiter der deutschen Archäologie in Ägypten von dem zentralen Koordinator Ludwig Borchardt angeworben bzw. dann sozusagen bei der Stange gehalten. Im Laufe einer Saison wurden daher Quftis und Abusiris wenn nötig und möglich vom Arbeitsort eines deutschen Archäologen zu dem eines anderen geschickt, dessen Unternehmung gerade begann oder bereits lief und Verstärkung benötigte. Dies galt vor allem für den Obervorarbeiter Senussi (s. folgende Tab.), den Borchardt sogar dem in österreichischen Diensten stehenden Deutschen Hermann Junker für Antikenhändlerreisen und Ausgrabungen zur Verfügung stellte. Gleich dutzendweise Arbeiter von Borchardt (von seinen Grabungen in Abusir) erhielten Rubensohn bzw. Steindorff jeweils zu Beginn ihrer Grabungskarrieren in Ägypten im Fayyum 1902 bzw. in Giza 1903 – was diesen Beginn sicherlich erleichterte.370 Zudem gaben Borchardt bzw. Möller Arbeiter an die Badischen Grabungen (Kap. 1.2.1.1) in Mittelägypten 1913 und 1914.371

368 In dieser Reihenfolge: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 173f.; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 37; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 16, 33f.; Qau 1913/14, 32; namenlose Arbeiter von Reisner: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 1; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 3. 369 Möller, Briefe an Steindorff, 12.1. (Zitate); 20.1.1905. 370 Rubensohn, Briefe an Familie, 88 (Kairo, 31.1.1902: »25 zuverläßige Arbeiter von Borchardts Stammpersonal«), 90 (Fayyum, 7.2.1902: »mit […] 13 Arbeitern aus Abusir […] hierher abgerückt«); zu Steindorff: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 32; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 158f., 173, 178, 185f., 196; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 25f., 31, 102. 371 Möller et al., Tgb. Theben 1913, 41 (vier Quftis); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 119, 142f. (jeweils Mahmud Ali), 206, 208, 294; Habermann, Badische Grabungen, 268 (Mahmud Ali). Weitere Ortswechsel von Arbeitern: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 31f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1907, 28f., 193, 395; 1907/08, 166, 175, 179, 190, 456; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 73; 1905, 4, 20; 1906, 22; 1909, 1f., 6, 11, 52; 1910, 128; Aniba 1912, 83; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 61.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Tab. 3.3.3.2:: Wechsel Senussis zwischen den untersuchten Unternehmungen nach Feldtagebüchern Datum 1902

von … 20.3.

nach … Abu Hamid (zurück am 22.3.)

Abusir 11.3.

Abusir el-Meleq

1903 29.4.

Hermopolis

Giza

1904

6.3.

Abusir

Abusir el-Meleq (zurück am 12.3.)

1905

20.3.

Abusir el-Meleq

1906

5.3.

Giza Elephantine 24.2.

Abusir

8.3.

Abusir

Oberägypten (zu Junker)

30.3.

Fayyum/Oberägypten (bei Zucker)

3.8.

Assuan (bei Zucker)

1909

2.2.

Kairo (bei Heinrich Schäfer)

Philadelphia

1910

16.1.

Turah (bei Kairo, Junker)

Giza

1911

27.1.

El-Kubanieh (bei Assuan, Junker; vgl. auch Junker, Grabungen El-Kubanieh, VI)

Amarna

1912

13.1.

Amarna

Aniba

1907 Abusir

Im Februar 1909 hörten die Archäologen, dass in Quft die Pest wütete, sodass sie in Giza zwischenzeitlich keine (neuen) Quftis einstellen konnten. 1903 wollten in Giza »[m]ehrere Saïdi’s« kaum zwei Wochen nach Grabungsbeginn wieder nach Hause fahren, »vielleicht«, wie Steindorff vermutete, »weil bei uns zu wenig Bakschisch herauskommt« – wusste er bei seiner ersten Grabungskampagne in Ägypten noch nicht, wie Quftis zu behandeln waren? Ebenfalls 1903 waren in Giza vermutlich von den Abusiris nur wenige »bereit«, Borchardts Aufforderung zu folgen, zu Rubensohn ins 250 Kilometer (Luftlinie) entfernte Hermopolis zu reisen.372 Und 1909 zweifelte Zucker daran, dass er Anfang März, »wo […] die Feldarbeit am dringendsten ist, eine genügende Anzahl von Qufti’s bekommen kann«.373 Ansonsten standen »bestellte« Stammarbeiter den Deutschen einigermaßen pünktlich und so lange wie gewünscht zur Verfügung374 – mit Ausnahme vor allem des obersten Vorarbeiters Senussi. Da er während der Saison dauernd von irgendwelchen der untersuchten Archäologen gebraucht wurde,

372 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 130; 1903, 36; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 213-215. 373 Zucker, Brief an Steindorff, 14.9.1909. 374 Nochmals Zucker, Brief an Steindorff, 14.9.1909 (»Wenn man die [Quftis] vom Winter her in der Grabung hat, macht es ja keine Schwierigkeiten, sie länger zu behalten« – bis zum Beginn der Feldarbeit).

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mussten die einen ihn irgendwann abgeben und die anderen womöglich tagelang auf ihn warten.375

3.3.4 Ausbildung bzw. Laufbahn »Die tüchtigsten Arbeiter waren meist die jüngeren, etwa von 20 Jahren. Diese erfassten schnell, auf was es ankam. Von den älteren waren es nur wenige Ausnahmen, die besonders anstellig und vorsichtig waren. Die besten wurden natürlich solche, welche schon als Jungen bei uns eingetreten waren und später als Vollarbeiter weiter beschäftigt wurden. Aus diesen bildete sich bald ein Stamm von guten Arbeitern« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).376 Die grabungstechnischen Fähigkeiten der archäologischen Arbeiter beruhten wohl auf dreierlei: auf Intuition (begünstigt durch Aufwachsen und Leben neben antiken Ruinen377 ), Anlernung durch erfahrene Arbeiter (sowie ausländische Archäologen?378 ) und schließlich eigener Praxiserfahrung. Die Anlernung besorgten im Allgemeinen Quftis und Abusiris, die dazu auch »zwischen« den Ortskräften »angestellt« wurden.379 Zudem gab es »Arbeiterfamilien« (Borchardt): »Mancher, der als junger Bursch vor 15 Jahren angelernt wurde, tritt heute schon mit seinen Söhnen bei uns an«.380 Auch unter den in Liste 3.3.3.2 aufgeführten Vorarbeitern sehen wir Personen mit dem gleichen Familien- bzw. Vatersnamen, von denen vielleicht nicht alle, aber einige miteinander verwandt waren. Sie werden Anleitung jeweils auch von ihrem Vater, Onkel, Bruder, Vetter oder 375 376 377

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Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 194; 1902/03 ebd., 92, 94; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 122. Borchardt, Ne-Woser-Re, 76. Vgl. Quirke, Hidden Hands, 306. Wie beschrieben wohnten Fellachen dort, wo es antike Ruinen gab, oft, wie in Quft (Kap. 3.3.3.2), unmittelbar neben ihnen. Sie betraten sie dann regelmäßig auf der Suche nach Dünger (sebach; bes. 4.1.2), Bausteinen (bes. 4.3) oder verkäuflichen Antiken (bes. 2.2.4). Dadurch erlangten manche Fellachen jene intime Kenntnis örtlicher antiker Stätten, die ausländische Archäologen wie Mariette (3.3.3.2) oder Loret (2.2.4) so erstaunte. Dies erscheint logisch, doch explizit hervor geht aus meinen Quellen nur, dass die deutschen Archäologen Arbeiter in Dokumentationsassistenz anlernten (s.o. nächster Abs.). Inwiefern auch Grabungstechnisches von den Archäologen selbst vermittelt wurde, ist auch bei Petrie oder Reisner unklar (Petrie, Methods in Archaeology, 21f.: »When once selected, the education of the workers begins« – doch durch wen?; Reisner, Principles, 42: »It is indispensable to a thorough, scientific examination of a site that the work be performed by a trained staff, and a trained gang of workmen who go through the necessary operations as a matter of habit« – doch durch wen erhielten die Arbeiter ihr »training«?; dagegen Reisner, Archaeological Fieldwork, 104: In Ägypten »almost everywhere men will be found who are capable of learning archaeological work, especially if there are a few trained men to teach them«). Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 4; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 382 (Zitate). Bezeichnung von Arbeitern als »gelernt«, »geschult«, »bewährt« oder »erprobt«: Steindorff, Libysche Wüste, 20 (Senussi); ders. et al., Tgb. Giza 1909, 6 (Abu Guma [auch 121], Saman Ismain); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 132 (dies.), 17 (namenlose). Vgl. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 3 (»unsere alten Leute [werden] von Jahr zu Jahr mehr an unsere Ordnung gewöhnt […] und [unterweisen] auch neu hinzukommende Arbeiter aus Dörfern, die bisher noch nicht bei uns gearbeitet hatten, schnell darin«). Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 5.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

entfernteren Verwandten381 erhalten haben, zumal, wenn sie mit ihnen irgendwann ein Männer-Jungen-Gespann (Kap. 3.3.2.2) bildeten.382 Die Deutschen selbst lernten Arbeiter an, die ihnen beim Zeichnen von Entdeckungen oder Entwickeln von Fotografien assistieren sollten.383 In Amarna nahm Timme vier Männer aus Quft bzw. Abusir mit zur Vermessung des Geländes: »Für das Auffinden [antiker] Stellen waren [sie] auffallend wenig geeignet«; »[z]u den Handgriffen für die Messungen waren sie jedoch bald leidlich, zum Teil sehr gut abzurichten, zur Sache angeregt und brauchbar, ganz wie die Schantung-Chinesen [mit denen Timme 1898/99 Vermessungen in der deutschen Kolonie Kiautschou durchgeführt hatte] – gleichfalls einfache Landleute«.384 Neue Arbeiter und insbesondere Stammkräfteanwärter aus Quft und Abusir wurden während der Grabungsarbeit »beobachtet«385 und erwiesen sich dann als mehr oder weniger fähig. Die Fähigsten gelangten vor der nächsten Grabung auf jene Liste zu »bestellender« Stammarbeiter, die die Archäologen bzw. die Vorarbeiter aufstellten.386 Je nach Alter bzw. Leistungsvermögen wurden die Arbeiter als »Jungen«, »Burschen« (ältere Jungen) oder »Männer« beschäftigt bzw. bezahlt.387 Höheren Lohn erhielten sie, wenn sie zu »besseren« Männern oder Jungen (Kap. 3.3.2.1) ernannt wurden.388 Manche Abusiris oder Quftis seien dagegen »minderwertige Kerle« oder »Trottel« gewesen,389 hatten also offenbar kein archäologisches Talent. Sofern solche Personen nicht umstandslos zu entlassen waren – mangels Ersatz oder aus sozialen Gründen (5.4) –, wurden sie vielleicht

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Vor allem in Oberägypten hatte bzw. hat Verwandtschaft freilich einen weiteren Sinn als im Westen (Bach, Kinship). Im heutigen Ägypten geben archäologische (Fach-)Arbeiter aus Quft ihre Fertigkeiten von Generation zu Generation weiter, indem die Dienstjüngeren bei der Grabung von den Dienstälteren angeleitet werden. Sie beginnen ihre Laufbahn jeweils als »einfacher« Arbeiter (arab.: aml; mit Korb), und steigen nach ausreichender Übung zum »Techniker« (fanni; mit Hacke und/oder Bürste) auf (El Dorry, Workmen of Guft, 54f.; Kawatoko, Grabungsarbeiter, 165; Sonbol, Weltwunder, 58f.; Beck, Perspektivenwechsel, 46; eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015) (das Rais-Amt »gehört« hingegen bestimmten Familien: u. Kap. 5.2). Auch in meinem Untersuchungszeitraum hing in Ägypten der Status einer Person wesentlich von ihrem Alter ab (Toledano, Social and Economic Change, 277; zu heute vgl. Sonbol, a.a.O.; zur großen Autorität des Vaters in einer Fellachenfamilie: Nahas, Fellah, 73f.). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 456, 490f., 495, 501; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 17. Timme, Amarna, 67. Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 11 (»Beobachtung«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 66f., 93. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 8, 37; 1912/13, 2. Unterscheidung von »Burschen« neben »Männern« und »Jungen«/»Knaben«: z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 270; 1907/08, 453; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 33 (»Junge Männer (die zum Teil bei Quibell mit der Hacke arbeiten, dagegen bei uns Steine tragen)«). Borchardt et al., Lohnliste Abusir 1907, Woche 12.-18.4.: Junge Mohammed Schahin (aus Zawije) »am 16.IV. in die Jungburschenliste eingetragen«; 1902, Woche 7.-13.2., (S.) 4: Ali Abu Hebe (Abusir) und Ibrahim Bakr (Saqqara) zu »besseren Arbeitern« befördert; J1: Ahmed Harb zu »besserem Jungen« befördert; 1903, Woche 16.-22.1., 5: Arbeiter Saad el-Habiri (Abusir) zu »besserem Arbeiter« befördert; 13.-19.2., J1: Junge Todrus Marzuk (Abusir) zu »besserem Jungen« befördert. In dieser Reihenfolge: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 152; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 5.

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von Archäologen oder Vorarbeitern (3.3.2.1) besonders überwacht, oder auf die einfachsten Tätigkeiten beschränkt. Zumindest manche Vorarbeiter besaßen Spezialkenntnisse entsprechend der Grabungsstätten bzw. Archäologen, an bzw. unter denen sie früher gearbeitet hatten: Der von Reisner übernommene Salman Salim war »besonders in der sauberen Aufdeckung von Gräbern geschult«; ein anderer »unter« Reisner ausgebildeter Vorarbeiter erwies sich in Abusir el-Meleq 1905 als »wahrer Künstler« in der Behandlung von Skeletten: Er legte sie »aus dem umgebenden Sand und Schutt in bewunderungswürdiger Weise frei und konnte sogar einzelne Knochen und Knochenteile des Schädels von anderen, z.B. der Extremitäten oder der Wirbelsäule, unterscheiden«.390 Der Obervorarbeiter Senussi konnte eine prähistorische Nekropole von einer dynastischen unterscheiden,391 nachdem er unter Petrie bzw. Quibell zwischen 1895 und 1898 an den prähistorischen Stätten von Naqada, Deir el-Ballas und eventuell Hierakonpolis (Kom el-Ahmar) gegraben hatte (Kap. 3.6.1). Wenn die Archäologen bei einer Grabung nach bestimmten Objekten wie Tontafeln mit Keilschrift suchten, waren entsprechend angewiesene Vorarbeiter nach Überzeugung der Deutschen in der Lage, ihr Vorgehen danach auszurichten.392 Die Grabung im Friedhof von Abusir el-Meleq 1905 ging zunächst »langsamer als gedacht«, bzw. es wurden zunächst »nur wenige, meist unbrauchbare Skeletteile gewonnen«, da die Arbeiter (»die besten Abusirleute sowie gute Koptosmänner«) fast alle »noch nicht auf Knochengrabung eingearbeitet« waren. Einen Monat später begannen sie jedoch, »in der sehr schwierigen und subtilen, fast allen bisher unbekannten Arbeit an Hockergräbern Übung zu bekommen«.393 Neben archäologischem Sachverstand benötigte ein Vorarbeiter bzw. Aufseher jedoch persönliche Autorität bzw. Führungsqualitäten. Erstere musste aufgebaut bzw. aufrechterhalten, letztere zusätzlich erworben werden. Wegen dieser hohen Anforderungen konnte das Amt eines Vorarbeiters weniger leicht als untere Stammarbeiterposten innerhalb einer Familie weitergegeben werden – Senussis Brüder Saman und 390 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 32 (Salim); Müller, Gräberfeld Abusir el-Meleq, 2; vgl. VI. Die Vorarbeiter in Abusir el-Meleq 1905 waren laut Möllers Lohnliste Senussi, Abu el-Hassan, Osman Rajan und Mahmud Ali. Wir können nur von Senussi sagen, dass er nicht von Reisner gekommen war (u. Kap. 3.6.1). Bei derselben Grabung bezeichnete Möller den Qufti Ali Alejan als »[m]it dem Bergen von Knochen, soweit das ohne sofortiges Kleben von Bruchstücken möglich ist, […] vorzüglich vertraut« (Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 50f.; vgl. 82) – wo auch immer Alejan diese Vertrautheit erworben hatte. 391 Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 110; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 230. 392 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 109f. 393 Möller, Briefe an Schäfer, 17.8. (langsamer, Abusirleute, Knochengrabung); 14.9.1905 (Übung); Müller, Gräberfeld Abusir el-Meleq, 2 (nur wenige); vgl. u. Kap. 5.3 Abs. 5. Im heutigen Ägypten spezialisieren sich archäologische (Fach-)Arbeiter aus Quft auf bestimmte Grabungsstätten wie feuchte oder trockene; auf bestimmte Fundarten wie Ziegelmauern, Keramik oder Skelette, oder auf bestimmte Aufgaben wie Fundkonservierung, Bohrungen oder das Bergen schwerer Fundstücke. Manche sind »Allrounder«. Quftis haben keine Schwierigkeiten, neuartige Methoden bzw. technische Hilfsmittel anwenden zu lernen (El Dorry, Workmen of Guft, 54f.; Rowland, Qufti Archaeological Workforce, 11; Jeffreys, Egyptian Colleagues, 13; Sonbol, Weltwunder, 58; Hawass, Ancient Egypt, 152; eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Mohammed hatten damit offenbar nicht gerechnet und kündigten verärgert, als die Deutschen ihnen den Vorarbeiterrang verweigerten, weil Saman ein »[als Aufseher] völlig unbrauchbarer Mensch« war und Mohammed »noch nie in irgendeiner Grabung gearbeitet« hatte.394 Vorarbeiter wurde wohl stattdessen, wer seine archäologischen und sonstigen Qualitäten kontinuierlich unter Beweis stellte, daraufhin zu den »besseren« Arbeitern aufstieg und schließlich, zuerst probeweise, zum »Vorarbeiter« ernannt wurde, der von den Archäologen Stück für Stück Verantwortung für mehr und mehr Aufgaben bzw. Aufsicht über mehr und mehr Arbeiter erhielt.395 Ein guter Vorarbeiter war nicht ohne Weiteres ersetzbar, weshalb Senussi für die Deutschen im Dauereinsatz war und auch kurzfristig zu eigentlich ohne ihn stattfindenden Grabungen reiste (Tab. 3.3.3.2), wenn dort plötzlich Schwierigkeiten auftraten. Zum Beispiel stand bei Rubensohn in Abu Hamid 1902 der Vorarbeiter Hassan (restlicher Name ungenannt) im Verdacht, Butter gestohlen zu haben. Der angereiste Senussi bestätigte dann Hassans Schuld und Rubensohn entließ diesen; da Senussi danach weiter in Abusir gebraucht wurde, schickte Borchardt Rubensohn den Vorarbeiter Umbarek Hassan als Ersatz.396 Doch trotz und wegen ihrer Unersetzlichkeit war es nicht zu verhindern, dass »gelernte Vorarbeiter« bzw. »eigentliche Raise« hier und da vorübergehend fehlten. Zum Beispiel kam in Giza 1909 Abu el-Hassan erst zweieinhalb Wochen nach Grabungsbeginn dazu, nachdem er bisher bei Zucker in Philadelphia gearbeitet hatte und Senussi weder hier noch in Giza helfen konnte, da er gerade von Heinrich Schäfer in Kairo beschäftigt wurde. In solchen Fällen wurden die eigentlichen Vorarbeiter von anderen bewährten Stammarbeitern vertreten,397 die sich bei dieser Gelegenheit vielleicht selbst als ständige Vorarbeiter empfahlen. Umgekehrt konnte ohne Autorität bzw. Führungsqualitäten und zugleich Bescheidenheit auch ein guter Ausgräber nicht Vorarbeiter sein. Ein Vorarbeiter durfte gegen untergebene Arbeiter zwar Gewalt, aber keine übermäßige Gewalt anwenden, da manche Arbeiter die Grabung sonst verlassen bzw. sich gar nicht erst für sie gemeldet hätten. Dennoch sollten die Arbeiter einen Vorarbeiter respektieren und davor zurückschrecken, ihrerseits sich ihm mit schlimmstenfalls Gewalt zu widersetzen. Ihre Macht durfte Vor-

394 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 155 (Saman); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 17 (Mohammed). 395 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 193 (ein Oberägypter hat »die erste Stufe zum späteren R[ai]s erklommen«); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 10 (»Ahmed Musa probeweise als R[ai]s«); ferner z.B. Borchardt et al., Lohnliste Abusir 1903, Woche 16.-22.1., (S.) 2 (»bessere Arbeiter« Ahmed Musa, Ibrahim Nafa, Abd el-Halim Hissen [aus Quft/Galla] »Vorarbeiter seit 18.I.«); 23.-29.1., 2 (»besserer Arbeiter« Mihsin Hassan [Quft/Galla] »Vorarbeiter« ab 28.1.); 30.1.-5.2., 2 (»bessere Arbeiter« Ismain Hassan, Osman Rajan bzw. Mohammed Etman [Quft/Galla] »Vorarbeiter seit 4.« bzw. »3.II.«); 1904, Woche 12.-18.2., 2 (»besserer Mann« Mahmud Ali Khalil »am 14.II. Vorarbeiter geworden«). 396 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 162-165; Tebtunis, 171f.; zu Hassan in Abu Hamid auch u. Kap. 4.2.1.2. 397 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 1f. (Abu el-Hassan und Senussi jeweils als »eigentlicher R[a]is«; Kerim Hamdan vertritt ersteren), 18 (Abu Guma und Feldbahnverantwortlicher Hissen Mabruk vertreten die »gelernten Vorarbeiter« Kerim und Saman); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 119f. (Wächter Soliman Musellim vertritt Kerim Rajan). Zucker zu Abu el-Hassan bzw. Senussi: Tgb. 1908/09 Philadelphia, 176.

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arbeiter aber auch nicht dazu verleiten, sich mit anderen Vorarbeitern zu streiten, die sie für noch mächtiger bzw. für von den Deutschen bevorzugt hielten. Wenn Vorarbeiter diesen Anforderungen nicht gerecht wurden, wurden sie von den Archäologen verwarnt, degradiert oder entlassen.398 Degradiert wurden zudem Vor- und andere Stammarbeiter bei geringeren Vergehen wie »Nachlässigkeit«; im Ergebnis mussten sie womöglich zumindest vorübergehend als einfache Arbeiter bzw. »Hackenmänner« (Kap. 3.3.2.2) arbeiten (4.2.1.2). Nichtsdestoweniger blieben manche Stammarbeiter für Jahre und Jahrzehnte in deutschen Diensten, und wenn es bereits sieben waren wie bei dem Vorarbeiter Zein Abdallah (vgl. Liste 3.3.3.2), dann genoss er einen gewissen Kredit, aufgrund dessen die Deutschen »Nachlässigkeit und Ungehorsam« bei ihm 1913 nicht mit Entlassung, sondern lediglich mit dreitägiger Hackenarbeit bestraften.399

3.3.5 Arbeitsmittel 3.3.5.1 Hacken, Körbe »Es wurde mit der landesüblichen, breiten Hacke gearbeitet. Der damit in einen Korb gezogene Schutt wurde von den Jungen auf dem Kopfe fortgetragen. Ein Versuch, die Leute an Schaufeln nach europäischer Art zu gewöhnen, wurde nicht gemacht, da der zu bewältigende Schutt sich für Schaufeln nicht eignete« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).400 Die Hacke war für die erwachsenen Grabungsarbeiter charakteristisch, sodass die Deutschen sie »Hackenmänner«, »-leute«, »Hacker« oder »Hackarbeiter« nannten.401 In der Landwirtschaft benutzten die Ägypter die Hacke zum Auflockern des Bodens, Ziehen von Ackerfurchen und Untergraben der Saat – auch dann, wenn sie von einem Pflug unterstützt wurden. Dank ihres breiten Blattes konnte die Hacke also auch zum Schaufeln benutzt werden; auf dem Feld selbst, bei Bewässerungskanälen und anderem. Wegen der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten besaßen sogar ärmste Fellachen zumindest eine Hacke (arab.: fas) und wussten sie geschickt zu gebrauchen; ja, jedes Dorf bildete einen spezifischen Hackentyp aus (Abb. 18), von dem kein Bewohner abwich.402 Während Vyse die Hacken seiner Arbeiter als für seine Zwecke unzureichend empfand,403 gab Borchardt in obigem Zitat indirekt zu, dass ägyptische Hacken bei einer archäologischen Ausgrabung

398 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 125f.; 1905, 16f.; 1909, 59; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 206, 210; Amarna 1911/12, 52f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 80; u. Kap. 4.2.1.3. 399 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 105f. 400 Borchardt, Ne-Woser-Re, 76. 401 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 99; 1907/08, 281, 287, 305, 443, 515; Amarna 1911, 85, 111, 128f., 170; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 33, 77, 114, 151, 163, 166, 187f. Auf Arabisch hieß ein »Hackenmann« fawwas (Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 8); vielleicht wurde diese Bezeichnung von den Arbeitern selbst gebraucht. 402 Ayrout, Fellahs, 59; Winkler, Volkskunde, 168f. mit u. Abb. 18. 403 Vyse, Gizeh, Bd. 1, 185; vgl. den vergeblichen Versuch eines britischen Landbesitzers in Ägypten, »seine« Fellachen zu bewegen, für das Ausheben eines Kanals statt ihrer Hacke einen Spaten zu benutzen (Olin, Egypt, 44).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

in Ägypten europäischen Schaufeln überlegen waren. Tatsächlich konnte die Hacke offenbar sowohl Schutt und Sand lösen als auch ihn – dank ihrer Breite – »in einen Korb ziehen«.404 Außerdem brachten fast alle Arbeiter der Deutschen ihre Hacke selbst mit.405

Abb. 17: Grabungsarbeiten; vorne links ein Mann mit Hacke; im Hintergrund tragen Kinder Körbe zur Feldbahn (Steindorff, Giza 1910)

ÄMULA, N4001. Scan: ÄMULA.

404 Vorgang gezeichnet in Chubb, Nefertiti, 100; beschrieben beim Ausheben eines Kanals in Olin, Egypt, 44. 405 Ausnahme: Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 23. Vgl. International Museums Office, Technique of Excavations, 113f.: Schaufeln waren ungewohnt für Landarbeiter im Nahen Osten, und ausschließlich für tiefen Sand geeignet, wohingegen Hacken flache und tiefe Sand- und Trümmerschichten entfernen, Löcher ausschachten oder füllen, Gräber ausräumen und Böden durchbrechen konnten. Rubensohn und Zucker erwähnen Hacken bzw. andere Werkzeuge allerdings selten – ein Hinweis darauf, dass die Arbeiter ihrer Papyrusgrabungen wegen der Zerbrechlichkeit von Papyri (o. Kap. 3.2.2.2) vor allem mit den Händen gruben? So war es jedenfalls bei den britischen Papyrusgräbern Grenfell und Hunt (o. 3.2.2.1) (Turner, Graeco-Roman Branch, 168).

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Abb. 18: Typische Hacken verschiedener ägyptischer Orte

Winkler, Volkskunde, Taf. 50. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

Körbe (arab.: maqtaf ) aus Palmbast mit zwei Handschlaufen benutzten Fellachen und Fellachinnen auf dem Feld; zum Sammeln von Sebach (Dünger) und Brennmaterial, zum Beschaffen von Lebensmitteln sowie zum Entsorgen von Abfall. Frauen und auch Kinder trugen – wie Borchardts erwähnte Jungen – den Korb auf dem Kopf.406 Für die Grabung wurden Körbe für gewöhnlich von den Archäologen gestellt, weil wohl nicht jeder Arbeiter seinem Haushalt welche entziehen konnte, und der bei der Grabung transportierte Schutt Körbe (zumal weniger stabile) rasch verschliss.407 Körbe wurden in den meisten Dörfern hergestellt bzw. auf Märkten angeboten,408 sodass die Archäologen sie auch während einer Grabung manchmal problemlos in Mengen von über 100 Stück einkaufen (lassen) konnten, wenn Körbe ersetzt oder zusätzliche für zusätzliche Arbeiter beschafft werden mussten. In anderen Fällen musste man eine Weile warten.409 Vielleicht auch 406 Blackman, Fellahin, 155f. 407 Vgl. International Museums Office, Technique of Excavations, 113: »The bottom of the basket should be reinforced with palm-fibre, otherwise the cost of renewal becomes excessive«. Zur Herstellungsweise der Körbe: Blackman, Fellahin, 157-160. 408 Zum traditionellen Korbhandwerk in Kerdasse bei Giza (Liste 3.3.3.1: Grabungsorte Steindorff): Lynch, Kerdassa, 31-34. 409 Erfolgreiche Beschaffung: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 150f.; 1903, 12; 1907/08, 4, 153; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 2; 1909, 122, 146; Probleme: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 37, 113f.; 1903, 13; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 21; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909,

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

deshalb beschäftigten manche Grabungen einen tageweise bezahlten, vermutlich professionellen »Korbflechter« bzw. »-flicker« aus der Umgebung, um beschädigte Körbe schnell und zum Pauschalpreis (zuzüglich Materialkosten) auszubessern.410

Abb. 19: Korbtragende Kinder (Steindorff, Qau 1913/14)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Ausgrabungsarbeiten(b)1912).

3.3.5.2 Feldbahn »Da es bei Arbeiten, wie die unseren, von höchster Wichtigkeit ist, den Schutt möglichst weit und auf freies Terrain zu befördern und ihn nicht […] einfach neben die Grabung auf irgend ein anderes antikes Denkmal zu werfen, so bemühten wir uns, bald eine Förderbahn zu beschaffen, die hier, so viel mir bekannt, zum ersten Male bei ägyptischen Ausgrabungen in Tätigkeit trat.411 […] Da die Gleisrahmen nur 2 m lang und mit sehr praktischen Verbindungslaschen ohne Schrauben versehen waren, so bekamen

16; Aniba 1912, 10, 20, 83, 98 (wegen Nachschubverzögerung »muss jetzt [jeder neu eingestellte Arbeiter] seinen eigenen Korb von Hause mitbringen«), 102. Zum Korbhandwerk mit Fotos von Korb und Flechter: Blackman, Fellahin, 155, 157f. 410 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 13; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 31; 1903, 185f.; Lohnlisten ebd. 1902-1904 (hier: Mohammed Isleman); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 73; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 116; Lohnliste ebd. 1906 (hier: Mutuelli Ibrahim). 411 Feldbahnen wurden allerdings schon seit mindestens 1886 bei Ausgrabungen des Antikendienstes benutzt (Azim/Réveillac, Karnak Georges Legrain, Bd. 1, 49 Anm. 32; zur Feldbahn 1886 bei der Freilegung der Sphinx von Giza unter dem Antikendirektor Maspero: Maspero, Fouilles, 246-249).

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unsere Leute bald solche Fertigkeit im Verlegen der Bahn, dass sie im dritten Jahre einmal eine Strecke von über 50 m einschliesslich Drehschreibe in 8 Minuten aufnahmen, umlegten und betriebsfertig neu verbanden. […] Zur Bedienung zweier Züge waren, nachdem die Bahn einmal eingefahren war, stets nur 3 Mann nötig. Zwei schoben die auf der mit geringem Gefälle verlegten Bahn hinausfahrenden Wagen des einen Zuges, der dritte wartete bei dem Zuge, der inzwischen gefüllt wurde. Am Ende der Bahn standen je nach Beschaffenheit des Schuttes 5-6 Mann zum Verteilen. Die Weichen wurden von je einem Jungen bedient« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).412 Da die Deutschen antike Stätten zwecks Bauforschung großflächig bzw. »systematisch« freilegen und den Aushub also »möglichst weit auf freies Terrain befördern« wollten (Kap. 3.2.5.2), unterstützten sie in Abusir, Giza und Amarna ihre Hackenmänner und Korbkinder mit einer (einzigen, von Stätte zu Stätte weitergegebenen) »Feldbahn«, wie sie sonst in Landwirtschaft, Bergbau oder an Kriegsfronten verwendet wurde. Ohne sie wäre es innerhalb der jeweils gegebenen Grenzen von Zeit, Geld und Arbeiterzahlen nicht möglich gewesen, die jene Stätten bedeckenden Sand- und Schuttmassen im gewünschten Maße zu entfernen. In Abusir waren an einer Stelle »nach oberflächlicher Schätzung« 6000 Kubikmeter zu bewegen; Schutt lag »bis zu 5 Meter über dem Tempelpflaster«; in Giza wurden »rund 17500 cbm Sand durchschnittlich 8 m hoch getragen«, bevor die Feldbahnen sie abtransportierten.413 An einer Stätte wurden bis zu vier Feldbahnstränge gleichzeitig betrieben; auf einem liefen bis zu sechs Wagen, die jeweils zwischen 0,5 und 0,75 Kubikmeter fassten.414 Wagen und Schienen waren teils vom preußischen Kriegsministerium auf Antrag der Berliner Museen »freundlichst hergeliehen«, teils von der Kairener Filiale des Berliner Kleinbahnherstellers Orenstein & Koppel angemietet.415 Damit die Wagen von zwei Männern geschoben werden konnten, durften die Schienen nur wenig Gefälle aufweisen. Darum mussten Arbeiter für eine Bahn zunächst grobe Unebenheiten wie Schutthaufen aus dem Weg räumen bzw. Löcher zuschütten, dann eine Trasse planieren oder aufschütten, und schließlich die Schienen mit einer das Gefälle kontrollierenden Wasserwaage verlegen.416 Je nach Abraumanfall, der von Grabungsfortschritt und Arbeiterzahl abhing, musste ein Schienenstrang irgendwann versetzt bzw.

412 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77; vgl. Ausgrabungen Abusir 1901/02, 8; Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 136f. (Abu Gurob, Dezember-Januar 1898/99 [bei Grabung Borchardt]). 413 In dieser Reihenfolge: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 172; 1907/08, 88; Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 118. 414 Bis zu vier Bahnen: Borchardt, Ne-Woser-Re, 78; Ausgrabungen Abusir 1902/3, 31; sechs Wagen pro Bahn: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 254; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 18; Fassungsvermögen: Borchardt, Ne-Woser-Re, 77; Ausgrabungen Abusir 1901/2, 8; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 58. 415 Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1899/1900, 99 (Zitat); Borchardt, Ne-Woser-Re, 77; Ne-User-Re, 164; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 4, 33, 358; 1907, 157f.; 1907/08, 312; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 124-126. Zu dem Hersteller: Bengs, Orenstein & Koppel (9: Foto einer Feldbahn der Firma bei deutschen archäologischen Ausgrabungen in Kleinasien). 416 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 13f., 18, 21, 27-29, 31; 1903, 119; 1903/04, 42f.; 1907, 229; 1907/08, 208; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 5, 8; ferner Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

hinzugefügt oder abgebaut werden.417 Dies wurde nach Möglichkeit an Ruhetagen erledigt, an denen speziell für die Feldbahn berufene Stammarbeiter außerdem erschienen, um die Bahnwagen zu reinigen, zu schmieren und zu reparieren.418 Bei größeren Materialschäden sandte Orenstein & Koppel einen – nicht unbedingt ägyptischen – Feldschmied.419

Abb. 20: Grabungsarbeiten; im Hintergrund: Betrieb zweier Feldbahnstränge; dahinter geht die Wüste ins Fruchtland über (Borchardt, Abusir 1902-1904)

SCA, Scan 156. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

Betrieben wurden die Feldbahn ebenfalls von der genannten Handvoll spezialisierter Grabungsstammarbeiter.420 Ihr Chef bzw. der scherzhaft-respektvoll so genannte »Eisenbahnminister« der Deutschen war Hissen Mabruk, ein früherer Eisenbahnarbeiter aus Abusir (Kap. 3.6.3). Männer schoben und entleerten die (kippbaren) Wagen der Bahn; 417

Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 59, 62, 97f.; 1907/08, 188; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 32, 80, 181. 418 Z.B. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 14; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 111, 150f., 182; 1903/04, 70, 95, 133, 237; 1907/08, 273; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 97, 127. 419 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 101f., 119f., 127f., 131-133, 150 (133: »ein russischer Jude namens Rosenfeld«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 136f., 150, 157, 174. 420 Auf Arabisch hießen sie askarije el-sikka (»Eisenbahnsoldaten«) (Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9).

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Jungen bedienten die Weichen. Da letzteres ein »Ruheposten« war, wurde er gegebenenfalls verletzten Jungen überlassen. Aufmerksam mussten sie dennoch stets sein, um kein »Eisenbahnunglück« zu verursachen.421

Abb. 21: Arbeiterkinder bringen Körbe mit Sand oder Schutt zur Feldbahn (Borchardt, Abu Gurob/ Abusir 1898-1908)

SCA, Scan 426, Foto 11134. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

421 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77; ders. et al., Tgb. Abusir 1903/04, 69 (Unglück); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 28 (Ruheposten).

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Abb. 22: Kamele tragen Schienenstücke der Feldbahn (Borchardt, Abusir 1902-1908)

SCA, Scan 373, Foto 2527. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

Abb. 23: Feldbahnbetrieb (Steindorff, Giza 1910)

ÄMULA, N3901. Scan: ÄMULA.

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Insgesamt konnten die Feldbahnarbeiter Beeindruckendes leisten, nicht nur bei der von Borchardt angesprochenen Verlegung der Schienen: In Giza bewegten sie 1905 anfangs 200 Kubikmeter am Tag (280 gefüllte Wagen in 9 Arbeitsstunden, was Steindorff allerdings nicht ausreichte); 1910 wohl mindestens 230.422 In Abusir bewegten Bahn- bzw. andere Stammarbeiter außerdem Steinreliefs oder -säulen, die für Lasttiere zu schwer waren, in Wagen von Orenstein & Koppel auf oder ohne Schienen von der Grabungsstätte zum Bahnhof, wobei selbst manche Wagen und Schienen unter der Last nachgaben. Für seine 14 Kilometer brauchte der Transport zwei Wochen.423

Abb. 24: Grabungsarbeiter rollen Funde auf Schienen zum Bahnhof (Borchardt, wohl Abusir 1908)

SCA, Scan 185. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

3.3.5.3 Sonstige Arbeitsmittel bzw. -materialien Sonstige bzw. gelegentlich eingesetzte Arbeitsmittel, die wie Körbe und Feldbahn von den Archäologen gestellt wurden, waren abgesehen von den Geräten zur archäologi-

422 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 57f.; 1910: 17.500 Kubikmeter (Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 118) in höchstens 76 Arbeitstagen (o. Tab. 3.3.1). 423 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 282, 284-288; 1907/08, 98, 101f., 120f., 127, 335, 361-364, 394, 462f., 469f., 473, 476f., 480, 485; Borchardt, Ne-User-Re, 165 (bei den tonnenschweren Säulen war es »nicht angezeigt«, sie »durch Abmeißeln und Sägen leichter« zu machen); Grabdenkmal Sahu-Re, 141.

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schen Aufnahme, an der die Deutschen die ägyptischen Arbeiter wenig beteiligten: Besen, um freigelegte Stellen zu reinigen; Siebe, um Schutt nach kleinen Antiken zu durchsuchen; Seile, um in Schächte zu steigen, Körbe mit Aushub aus ihnen heraufzuziehen sowie Funde zu heben; dazu Walzen, Winden und Flaschenzüge, um schwere Funde zu heben; Brechstangen, um Reliefplatten abzulösen; schließlich zum sicheren Verpacken von Funden in den Transportkisten: Baum- oder Holzwolle; Stroh, Watte oder Seidenpapier.424 Externe Handwerker wie Schreiner, Maurer oder Steinhauer (Kap. 3.3.2.3) brachten ihre Werkzeuge größtenteils selbst mit, während die Archäologen Materialien wie Holz, Nägel, Eisenbeschläge, Bausteine oder Dachpappe einkaufen ließen sowie den Steinhauern manche Steinsägen und -hämmer bereitstellten.425 Neben dem an einem Holzgerüst aufgehängten Flaschenzug hatten die Archäologen in Abusir für schwere Funde auch einen Kran, der sich »dekorativ sehr gut gemacht hat«, aber »nie benutzt worden ist«.426

3.3.6 Unterkunft Das Feldlager an einer Grabungsstätte umfasste Schlaf-, Speise-, Bade- und Arbeitsräume (etwa Zeichenatelier und Dunkelkammer) für die Deutschen; Lagerräume für Ausrüstung und Funde; Küche und Vorratskammer, und Unterkünfte für Koch, Diener und Stamm- bzw. nicht ortsansässige Grabungsarbeiter (vor allem aus Quft), die nicht wie die ortsansässigen jeden Abend zum Schlafen in ihr Dorf zurückgehen konnten. In Abusir el-Meleq brachte Rubensohn nicht nur Quftis und Abusiris, sondern auch Illahunis an der Grabungsstätte unter; in Giza verließen auch Ortskräfte aus etwa Abusir und Saqqara die Grabung einzig für den wöchentlichen Ruhetag.427 Tatsächlich ist Illahun fast 12 Kilometer (Luftlinie) von Abusir el-Meleq entfernt; und zwischen Giza und 424 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 198, 206, 209; 1903/04, 26, 199; 1907, 251; 1907/08, 132, 312, 324, 327, 357, 418; Amarna 1912/13, 70; 1913/14, 280; Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 14, 34, 45; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 22f., 90f., 170; Qau 1913/14, 247; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 129; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 22, 26; 1906, 28; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, 357, 370; Verpackungsmaterial: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 334, 340; 1903/04, 260; Amarna 1912/13, 250; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 186; 1903/04 Abusir el-Meleq, 62, 102f., 132, 142, 170f., 177, 179; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 178, 187; Abusir 1910, 73; Aniba 1912, 234; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 38; Theben 1913, 40. Die Eingipsung besonders empfindlicher Funde scheinen die Deutschen indes ohne Hilfe ägyptischer Arbeiter ausgeführt zu haben (Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 148f., 154, 194; 1912/13, 185, 245f.; unklar: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 114, 119, 142). 425 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 332, 343-348; 1903, 202f., 206; 1907, 387; 1903/04, 260, 263; 1907/08, 127, 364, 394f.; Amarna 1912/13, 75; 1913/14, 242; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 238; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 170; Abusir 1910, 73, 75; Aniba 1912, 74; Qau 1913/14, 181f., 234; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 271; Kom Ombo, 367; Steinwerkzeuge: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 9; 1907/08, 350, 357f.; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 114, 131; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 58, 73; Theben 1913, 19; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 14; 1910, 167. 426 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 509. 427 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 32f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 3, 16, 19, 59; 1905, 23, 29; 1910, 40. Beschreibungen eines Feldlagers: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 5-7; Schubart, Wüste, 9; Rubensohn, Briefe an Familie, 247 (Abusir el-Meleq, 18.2.1903).

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Abusir bzw. Saqqara liegen 13 bzw. 16 Kilometer. In Abu Gurob liefen Arbeiter laut dem Grabungsgast Rubensohn jeden Tag zwei Stunden nach Hause zurück,428 doch solche Märsche waren der Arbeitsleistung sicherlich abträglich; und manche »Ortskräfte« der untersuchten Ausgrabungen lebten noch weiter von der jeweiligen Stätte entfernt (Liste 3.3.3.1). Wohnten »Ortskräfte« aus der weiteren Umgebung also während der Arbeitswoche auch dann an der Grabungsstätte, wenn die Archäologen es nicht erwähnen; kampierten sie auf eigene Faust irgendwo, oder kamen sie in weniger entfernten Dörfern unter? Das Feldlager (Abb. 25f., 28) war in Zelten untergebracht oder, bei den längeren Ausgrabungen in Abusir, Giza, Abusir el-Meleq,429 Hermopolis und Amarna, zumindest teilweise in eigens dafür gebauten Häusern oder Hütten/Baracken. Einrichtung und Zelte brachten die Archäologen mit;430 Häuser wurden auf ihre Anweisung hin von Stammarbeitern und externen Handwerkern errichtet (Abb. 27) bzw., wo bereits in früheren Saisons errichtet, instand gesetzt; sie bestanden aus Stein oder Holz431 und waren teils, dank der Architekten unter den deutschen Archäologen (Kap. 3.2.1), durchaus aufwendig bzw. solide konstruiert – mit Estrich, vorgefertigten Fenstern und Türen, Dachpappe.432 In Amarna diente die Kampagne von 1908 sogar hauptsächlich dem Bau der Grabungshäuser. Erleichtert wurde das Bauen durch das an antiken Stätten sozusagen natürlich vorhandene Baumaterial: Aus manchem Schutt konnten Steine zum Mauern verwendet werden, Scherben zum sogenannten »Bewerfen« von Dächern, und antike Lehmziegel aufgeweicht als Mörtel.433 Unter Umständen wurden für Arbeiter auch antike Kammern hergerichtet. Ferner wohnten in Qau nicht nur die Stammkräfte, sondern auch die Archäologen und zeitweise Ortskräfte in dortigen Höhlen, da die Zelte nach einem »Anschlag« durch Anwohner abgebrochen wurden. In Aniba wurde 1914 ein Haus im Dorf angemietet, in dem sowohl die Archäologen als auch die Stammarbeiter unterkamen.434 428 Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 139f. (Abu Gurob, Januar 1899 [bei Grabung Borchardt]). 429 Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 28 Abb. 28 (Grabungshaus); ders. et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 4 (dessen Grundriss). 430 Vgl. Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 703 (»Das Aufschlagen der Zelte ging schnell von statten, da die Leute diese Arbeit nicht zum erstenmal verrichteten«); dagegen Timme, Amarna, 72 (»das Aufschlagen und Einrichten des Lagers« war »mit den ungeübten Leuten nicht so ganz einfach […]; es waren eben nur Fellachen«). 431 Baracken bzw. »Windschutzhütten« konnten auch nur aus Stroh bestehen (Möller, Brief an Steindorff, 20.1.1905 – »Zelte hält Borchardt für zu teuer«). 432 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 61-63, 65f.; Abu Hamid, 148; 1902/03 Abusir el-Meleq, 148; 1903/04 Hermopolis, 3f., 193f.; 1904/05 ebd., 19f.; Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1903/4, 2f., 5-7; Ausgrabungen Amarna 1911, 1-3; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 8-12, 19; 1907, 2-6, 9f.; 1907/08, 2; Amarna 1911, 20-25, 33; Möller, Ausgrabung Abusîr el-Meleq 1906, 4; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909 (besonders aufwendig), 1-7, 9-20, 22f., 26-29, 31, 35-37, 41, 44. 433 Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 3-5, 51f.; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 2; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 8; 1907, 5; Amarna 1908, 14, 22, 25; 1911/12, 4f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 35. 434 Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 5 (zwei antike Häuser für Arbeiter); Abusir 1903, 11f. (Vorarbeiter in Kammer, da ihnen »die Zelte zu klein u. kalt sind«); 1907, 32 (Grab als Schlafraum für Arbeiter aus Zawije – obwohl bzw. weil ihr Dorf nicht weit war?); 1907/08, 273 (Grab für Oberägypter); Möller et al., Tgb. Theben 1913, 10 (ortsfremde Arbeiter schlafen in »Wohngrab«); Steindorff et al., Tgb.

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Die Unterkünfte der Arbeiter waren getrennt nach Koch bzw. Diener, Vorarbeitern, und sonstigen ortsfremden Arbeitern. Für gewöhnlich bekamen die Arbeiter eines Dorfes, teils getrennt nach Männern und Jungen, je ihre eigene Wohnung, wenn nicht gar jeder einzelne Vorarbeiter sein eigenes Zimmer.435 Geschlafen wurde auf dem Boden, da die ägyptischen Arbeiter von den Archäologen, die für sich durchaus (Feld-)Betten hatten, höchstens Matten bekamen und selbst offenbar weder Decken noch anderen Hausrat mitbrachten.436 In den Arbeiterwohnungen wäre auch kaum Platz gewesen, wenn, wie in Giza kalkuliert, jeder Mann nicht einmal einen halben Quadratmeter zur Verfügung hatte.437 Zusätzlich zu den Unterkünften ließen die Archäologen außer ihrem eigenen mindestens einen »Arbeiter-« bzw. »Vorarbeiterlokus« ausheben, der nach Möglichkeit überdacht wurde. Rubensohn belegte das »Besuchen einer anderweitigen Stätte« mit einer Geldstrafe von 1 Piaster438 – ob aus allgemeinen hygienischen Gründen oder, um (potenzielle) Grabungsstellen zu schützen. Die Baderäume der Feldlager blieben offenbar den Deutschen vorbehalten, welche dort die »nach dem Staub und der Hitze des Tages so

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Giza 1910, 40 (Grab für Arbeiter aus Abu el-Numrus); Qau 1913/14, 70, 86 (jeweils Arbeiter in Felsgräbern), 104, 130, 134, 227, 242, 254, 263f., 269 (Anschlag); zu Aniba 1914: ebd., 285-288. Schon Archäologen des 19. Jahrhunderts wohnten in Ägypten unter Umständen in antiken Monumenten (z.B. Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 246, 276, 385; Brugsch, Aegypten, 128, 132, 200; o. Kap. 2.1.4: Smyth, Pyramid, 59-63; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 214). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 66 (»4 Aufseherzimmer«); Abu Hamid, 148 (Zelt für Vorarbeiter); 1902/03 Abusir el-Meleq, 32f. (jeweils Zelt für Illahunis, Abusiris und Aufseher); Hermopolis, 152 (jeweils Zelt für Oberägypter und Abusiris, Haus für Vorarbeiter Senussi); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 67 (Zelte für Oberägypter); 1903/04, 23 (Räume für sie); Amarna 1911, 20f. (2 »Kammern für je 1 R[a]is«; 8 Kammern für je 10 Arbeiter), 187f. (Oberägypter und Abusiris nach Konflikten in getrennten Zelten); 1913/14, 174 (»Hütten der Abusirmänner«); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, 293 (»Baracke für die [oberägyptischen J]ungen«); 1909/10 Medinet Madi, 81 (»Bettenhaus für die Jungen«), 84, 87; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 6 (jeweils Haus für Arbeiter und Vorarbeiter); Aniba 1912, 22 (Zelte der Oberägypter). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 62; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 23; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 31; Qau 1913/14, 255f. (Archäologen mit, Arbeiter ohne Decken). In Philadelphia und Amarna wurden Arbeiter krank, als die Nächte stark abkühlten (Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 76; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 167). In ihren eigenen Häusern schliefen Fellachen ebenfalls auf Bodenmatten und deckten sich mit Baumwolle oder schlicht Säcken zu; Betten aus Palmstängeln oder gar Matratzen besaßen wenige (Ayrout, Fellahs, 138). Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 6: 100 Quadratmeter für bis zu 250 Mann; letztendlich scheinen allerdings an dieser Kampagne weniger Arbeiter teilgenommen zu haben (o. Tab. 3.3.1). Bei Zuckers Grabung in Dimai 1909/10 lagen die Arbeiter in den Zelten »nachts wohl wie die Heringe übereinander. Der eine Vorarbeiter sagte neulich zu Dr. Zucker: ›Hier hast du die Leute alle wie in einer Schachtel, morgens klappst du sie auf, da kommen sie heraus‹« (Frida Schubart, Brief von Grabung an Marie Peppmüller, 3.1.1910, zit.n.: Fikentscher, Schubart, 44; fast wortgleich Schubart, Wüste, 20). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 72 (Zitat); ferner ebd., 65 (Lokus »gezimmert«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 21-23, 29, 71; 1903, 117; 1903/04, 20, 23f. (24: Zelt um Lokus); Amarna 1908, 26f. (gemauerte Grube als Lokus); 1912/13, 37.

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notwendige Douche« nahmen;439 wo und wie die Arbeiter sich wuschen, wird nirgendwo erwähnt.440 Die bei der Grabung wohnenden Stammarbeiter mögen am Ruhetag ihre Kleidung gewaschen haben.441

Abb. 25: Feldlager aus Zelten innerhalb eines Steinkreises (den Arbeiter nicht betreten durften: Kap. 5.1) (Borchardt, Abusir 1902-1908)

SCA, Scan 183. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

439 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 6 (Zitat); Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 711; Schubart, Wüste, 10, 12. 440 Die rituelle, den Muslimen vorgeschriebene Waschung vor dem Gebet führten sie, wenn sie kein Wasser hatten, mit Sand durch (Schubart, Wüste, 26f.). 441 Schubart, Wüste, 26.

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Abb. 26: Plan des Feldlagers (Borchardt, Abusir 1901/02): 1)-7) Arbeits- und Schlafzelte der Deutschen; 8) Küche (aus Bruchstein); 9) Dienerzelt; 10)-11) Magazinzelte; 12) Lokuszelt; 13) Badezelt; 14) Abfallgrube; 15) Wächterhütte

Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 9 (Skizze), 10 (Legende). Scan: Archiv Ägyptisches Museum Berlin.

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Abb. 27: Grabungsarbeiter bzw. Handwerker decken das Dach des Grabungshauses (Steindorff, Giza 1909)

ÄMULA, N3900. Scan: ÄMULA.

Abb. 28: Fertiges Feldlager, ebenfalls innerhalb eines Steinkreises (Kap. 5.1), mit Flagge des Deutschen Reiches; links vor der Pyramide Gleise und Wagen der Feldbahn (Steindorff, Giza 1909-1910)

ÄMULA, N3982. Scan: ÄMULA.

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3.3.7 Verpflegung Die Küchen der Feldlager dienten ebenfalls ausschließlich den Deutschen und wohl noch Koch und Diener. Trinkwasser für alle besorgten die Archäologen; mit Essen mussten sich dagegen die im Lager wohnenden Arbeiter sowie zu Mittag auch die Ortskräfte zumindest weitgehend selbst verpflegen.442 Während die Archäologen für sich selbst unter Umständen in Flaschen abgefülltes Mineralwasser mitbrachten,443 wäre dies für die vielen ägyptischen Arbeiter zu aufwendig bzw. teuer und insofern unnötig gewesen, als ihre Mägen im Gegensatz zu den deutschen an Wasser aus örtlichen Brunnen oder Gewässern gewöhnt waren. Solches ließen die Archäologen zum Trinken für ihre Arbeiter fortlaufend von Menschen, Kamelen oder Eseln herbeitragen (Kap. 3.3.2.3 Abs. 6; Abb. 29f.). In Amarna senkten sie Kosten, indem sie die Wasserträgerinnen 1908 durch eine -leitung ersetzten; sie ging von einem dem Staat gehörenden Brunnen mit drei Schöpfhebeln (arab.: schaduf ) aus, die die Archäologen dem bisherigen Pächter abkauften. Als die Hauptgrabung dann erst 1911 anfing, scheint die Leitung nicht mehr bestanden zu haben, denn die Archäologen beschäftigten zunächst wieder ein Wasserkamel. Doch nach einem Streik des Treibers ließen sie ihre Arbeiter wie schon in Abusir einen Brunnen (arab.: bir) ausheben, weil weder in Abusir noch in Amarna der Nil oder ein Kanal nah genug waren.444 In Dimai wiederum war Süßwasser, wie von Zucker allgemein vorhergesehen, nur in knappen Mengen bzw. einiger Entfernung verfügbar, sodass dort nur mit wenigen Arbeitern gegraben werden konnte. Bei der ersten, versuchsweisen Kampagne wurde Wasser von einem Hotel bezogen, das über den (salzigen) Qarunsee per Boot erreicht wurde. Bei der zweiten wurde ein Fischer unter Vertrag genommen, der täglich mit seinem Boot zu einem Süßwasserkanal fuhr.445 Transportiert wurde das Wasser in Dimai in eigens angeschafften Blechkästen, und sonst in Tonkrügen (arab.: ballas u.a.), die an der Grabungsstätte aufgestellt wurden,446 oder in Schläuchen. Die Krüge trugen Frauen, wie die Jungen ihre Schuttkörbe, auf dem Kopf; Männer benutzten eine Tragestange.447

442 Der Archäologe Friedrich Rösch (u. Kap. 3.3.8), Borchardts Institutsassistent und Grabungsassistent in Amarna 1913/14, war hier nach eigener Aussage für die Verpflegung auch aller ägyptischen Arbeiter (nämlich von »300 Köpfe[n]«) verantwortlich; laut Borchardt für die »Aufsicht über die Verpflegung« (zit.n.: Grünewald, Rösch, 49, 52). Eine solche Verantwortung eines Deutschen ist mir sonst bei keiner untersuchten Grabung bekannt; und bei Rösch ist unklar, was genau er für die Verpflegung der Arbeiter tat und was ihnen umgekehrt immer noch selbst zu tun blieb. 443 Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 200; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 95; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 79; Schubart, Wüste, 22. 444 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 197; 1903, 73; Amarna 1908, 10f., 13-15, 22, 28f.; 1911/12, 26f., 29, 31, 34f., 37; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 2. 445 Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 213, 221, 224f., 227; Dimai, 234, 237; 1909/10 ebd., 4, 6, 63, 65f.; Schubart, Wüste, 18, 21f. 446 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 11; Schubart, Wüste, 22. 447 Zur Trageweise und zu Wasserkrügen in Ägypten: Winkler, Volkskunde, 140-142 (Abbildungen: Taf. 25f.); vgl. Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, Abbildungen zw. 706/707 (Wasserträgerinnen mit Krügen), 710/711 (Wasserträger mit Schläuchen).

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Abb. 29: Wasserträgerinnen (Steindorff, Qau 1913/14)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Ausgrabungsarbeiten(d)1912 = N1450).

Abb. 30: Wasserträger (oder Koch?) mit Kamel und Esel (Steindorff, unbekannte Grabung)

ÄMULA, N360.262. Scan: ÄMULA.

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Was die Arbeiter – vor allem in der Mittagspause (Abb. 32) – aßen, fasst für Möllers Grabung in Abusir el-Meleq 1905 der Grabungsarzt Friedrich Wilhelm Müller zusammen: Ihre »Nahrung bestand vorwiegend aus Brot und gekochten Hülsenfrüchten, daneben aus Früchten. Sehr beliebt waren in der ersten Zeit Zwiebeln, die roh, wie bei uns die Äpfel gegessen wurden, ferner Melonen an Markttagen, während zuletzt auch schon die Datteln eine grosse Rolle spielten. Fleisch war ein seltnerer Genuss, den sich auch nur die Wohlhabenderen an Markttagen leisten konnten. Zum Salzen wurde das rohe Salz benutzt, welches bei der Arbeit in den Gräbern gefunden wurde. Wenn auch sehr schöne grosse Kristallmassen häufig vorkamen, so waren doch stets eine Menge Verunreinigungen dabei, die aber nicht weiter genierten.448 Das Brot wurde alle 14 Tage ›frisch‹ in Säcken aus dem Heimatsort bezogen, da es sich in dem ursprünglichen Zustand lange erhält. Was ich davon sah, waren rundliche platte Fladen von etwa 12 cm Dicke, graubraun in der Farbe und steinhart. Stücke davon hielt ich zuerst für abgelaufene und zerrissene Schuhsohlen! Das Mehl ist jedenfalls sehr grob und enthält einen grossen Teil der Hülsen. Eine Gärung macht es nicht durch, sondern es werden aus Mehl und Wasser Fladen hergestellt, welche auf der Asche von Kamelsmist schnell getrocknet und etwas angeröstet werden«.449 Das von Müller beschriebene Brot war das Hauptnahrungsmittel der ägyptischen Fellachen. Sie aßen es zum Frühstück gegebenenfalls mit nichts anderem, und zum Mittag- und Abendessen mit Beilagen. In ihren Dörfern backte jede Familie mehrmals pro Woche Brot in ihrem Haus in einem Ofen oder, seltener, auf einer Backtafel über offenem Feuer (öffentliche Bäckereien gab es nicht). Für gewöhnlich wurde Mohrenhirse (arab.: dhura) oder Mais grob gemahlen und mit Wasser und Salz zu Fladen (bittaw) geformt,450 die offenbar dank der von Müller erwähnten Trocknung wochenlang haltbar waren und in Säcken transportiert bzw. gelagert wurden. Die ortsfremden, im Feldlager wohnenden Arbeiter der Deutschen brachten große Brotsäcke mit aus ihren Dörfern, wo vor einer Grabungskampagne entsprechend mehr gebacken wurde. Während der Grabung erhielten sie Nachschub gesandt; zumindest in Aniba backten sie es auch selbst mit angeliefertem Mehl (Abb. 31) (in entzündeten Sandlöchern, wie Karawanen in der Wüste

448 Vgl. Möller, Brief von Grabung Abusir el-Meleq an Schäfer, 17.8.1905 (»Von den Salzmassen, die wir hier finden, macht man sich schwer einen Begriff. Wir haben hier z.B. ein Stück eines Röhrenknochens, der durch Salz gesprengt ist. Innen sitzt ein mehr als Wallnußgroßer Kristall von reinem Salz. Die [Arbeiter] bringen täglich Körbe voll Salz in ihr Zelt und erklären vergnügt, jeder könne soviel mit [nach Oberägypten] nehmen, daß er ein Jahr lang seine [Linsen] damit kochen könne«). An dieser Stätte zu Antiken, die durch Salz beschädigt oder gar darin »eingebacken« waren, sowie zu Salzschichten im Boden, die nur mit harten Werkzeugen durchbrochen werden konnten auch Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 9f., 17f., 31f., 35f., 40, 42, 48f., 61, 73f., 77, 79, 83. 449 Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 204. Zu Mittagspause bzw. -schlaf der Arbeiter auch Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 712. 450 Winkler, Bauern, 77f.; Volkskunde, 127-134; Ayrout, Fellahs, 107f.

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es taten?451 ). Zumindest den Transport des Brots bezahlten die Archäologen. Ortskräfte konnten ihr Brot morgens oder wöchentlich mitbringen.452

Abb. 31: Stammarbeiter backen ihr Brot; ganz rechts Obervorarbeiter Senussi (Steindorff, Aniba 1912)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Brotbacken1912).

451 Winkler, Volkskunde, 129f. 452 Zum Brot der Arbeiter: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1903/4, 1f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 228; Amarna 1911, 3; Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 27; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 2, 226; 1909, 130; Aniba 1912, 74; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 189; 1908/09 Abusir el-Meleq, 45; 1909/10 Dimai, 5; Medinet Madi, 81, 84; Schubart, Wüste, 20. Zu den Brot- und Zwiebelsäcken anderer Wanderarbeiter in Ägypten: Richards, Agricultural Development, 63.

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Abb. 32: Grabungsarbeiter essen zu Mittag (Borchardt, Abu Gurob/Abusir 1898-1908)

SCA, Scan 103, Foto 11756. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

Die gekochten Hülsenfrüchte, die laut Müller das Brot begleiteten, waren wohl Bohnen (arab.: ful), Linsen (ads) oder Okra (bamija).453 Gemüse und Obst, das sie als Fellachen nicht selbst herstellten, ferner Fleisch und Tabak sowie Handwerkserzeugnisse kauften die Arbeiter bzw. ihre Familien auf dem örtlichen Wochenmarkt,454 an dessen Tag die Grabungskampagnen deshalb für gewöhnlich ihren Ruhetag einlegten – selbst wenn die Archäologen dann hätten arbeiten wollen, wären wenige Arbeiter gekommen.455 Lediglich in Abusir und zumindest kurzzeitig Giza kamen während der Grabung Gemüsehändler, angelockt von den Hunderten von Arbeitern bzw. Kunden, auch zur Grabungsstätte.456 Neben den von Müller genannten Zwiebeln, Melonen und Datteln mögen die Arbeiter der untersuchten Ausgrabungen an Rohkost je nach Ort und Jahreszeit Gurken, Rüben, Paprika oder Salat gegessen haben; die einzige oder zumindest wichtigste warme

453 Ayrout, Fellahs, 107. 454 Ayrout, Fellahs, 125-127; zu solchen Märkten ferner Legrain, Fellah de Karnak, 309f.; Blackman, Fellahin, 164-168; u. Kap. 4.2.2.1 (Larson, Rural Marketing System). 455 Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 21; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 193, 226; 1902/03 Hermopolis, 151; 1903/04 Abusir el-Meleq, 4; 1904/05 ebd., 62; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 73; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 121. Zum Markttag als Ruhetag auch Schubart, Wüste, 13, 21. 456 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 20f., 24f. (auch zu Abusir).

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Mahlzeit des Tages gab es abends etwa in Form einer Zwiebelsuppe.457 Es ist unklar, ob die von Müller genannten »gekochten Hülsenfrüchte« von den Arbeitern selbst gekocht oder aufgewärmt, oder aber mitgebracht und/oder kalt gegessen wurden. Rubensohn zufolge fügten die Arbeiter Brot und Zwiebeln eine Sauce aus Büffelfett und Zwiebeln hinzu, »wenn sie sich was feines leisten« wollten.458 Ebenso nicht alltäglich bzw. teuer war für die Arbeiter wohl das, was die Archäologen ihnen vor allem zu islamischen Feiertagen als Bakschisch überreichten (Kap. 3.3.9.2): den Männern Zigaretten; den Jungen Apfelsinen, Mandarinen oder Zuckerrohr; den Stammarbeitern Hammel zum Braten.459 Zuckerwaren verkaufte in Giza am Auszahlungstag ein fahrender Händler.460 Fleisch aßen Fellachen höchstens einmal in der Woche, da sie mangels Weideflächen bzw. Futtermitteln in Ägypten höchstens etwa einige Ziegen oder Hühner hielten, aber keine eigentliche Viehzucht betrieben.461 Tabak war teuer, seitdem die ägyptische Regierung 1890 seinen Anbau untersagt hatte und er somit importiert werden musste; dies sollte Zolleinnahmen generieren. Die seit den 1880er Jahren sich ausdehnende Zigarettenindustrie Ägyptens versorgte dennoch weite Teile des Landes mit Produkten in verschiedenen Preislagen; noch günstiger wurde es, wenn die Arbeiter aus Tabak vom Markt ihre eigenen Zigaretten drehten.462 Übrigens duldeten die untersuchten Archäologen Rauchen nicht während der Arbeit463 (ob zum Schutz der archäologischen Oberfläche oder allgemein vor Bränden), sodass die Arbeiter ihren Tabak wohl abends oder an Ruhetagen genossen. In Steindorffs Karawane nach Siwa aßen die beduinischen Kameltreiber gekochte Linsen oder Bohnen mit Brot, für das sie einen (wie in Abusir el-Meleq ungesäuerten) Teig aus Wasser und Roggenmehl auf einem Teller über dem Feuer zu Fladen backten. 457 Ayrout, Fellahs, 106; Baedeker, Ägypten, LIIf. (ähnlich Steindorff, Aegypten, 188); Fikentscher, Schubart, 44 (Frida Schubart in Brief von Grabung Zucker, Dimai 1909/10: Stammarbeiter machten sich abends »ein Feuerchen, um ihr bisschen Essen zu kochen, meist Zwiebeln und Bohnen«; vgl. Schubart, Wüste, 25); vgl. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 11f. (12: Die Arbeiter aßen mittags »Zwiebeln, Rettige und Brotfladen«); Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 706. Zum Essen der Fellachen auch Piot, Fellah, 223-225. 458 Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 135 (Abu Gurob, 20.12.1898 [bei Grabung Borchardt]). 459 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 33, 325, 329; 1903/04, 188; 1907/08, 237, 245; Amarna 1906/07, 117; 1908, 6; 1911, 169; 1912/13, 132, 236; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 74; 1905, 24; Abusir 1910, 47; Aniba 1912, 127; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 186; 1904/05 Hermopolis, 61; 1906/07 Elephantine, 16 (ferner Rubensohn in einem Brief von dieser Grabung, zit. in: Kuckertz, Rubensohn [2020], 55); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 42; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 101; 1908/09 Philadelphia, 54. 460 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 189; vgl. Schubart, Wüste, 21 (Arbeiter kaufen Zuckerrohr auf Wochenmarkt). Zu Süßigkeiten in Ägypten allgemein: Steindorff, Aegypten, 188; zur Süßigkeit Zuckerrohr: Miethe, Oberägypten, 101-103. 461 Saleh, Petite propriété rurale, 75; Ayrout, Fellahs, 106; Fircks, Aegypten, Bd. 1, 218-220; Grunzel, Wirtschaftliche Verhältnisse, 42-46; Steindorff, Aegypten, 188. 462 Ayrout, Fellahs, 105f.; Steindorff, Aegypten, 188f.; Shechter, Egyptian Tobacco Market, 34f., 37-41, 50, 81-84. In Abusir el-Meleq waren 1906 100 Zigaretten für 8 Piaster zu haben (Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 42), was etwa zwei Tageslöhnen eines einfachen archäologischen Arbeiters entsprach (u. Kap. 3.3.9.1). Zum Tabakkauf der Arbeiter: Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 714. 463 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 65; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 31.

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Das Wasser zum Backen musste die Karawane zusätzlich zum Trinkwasser mitführen. Die »Zeltbeduinen« (Kap. 3.3.2.3 Abs. 9) nutzten zum Backen bzw. Rösten auch die Glut von Kamelmist – wie Müller es auch in Abusir el-Meleq beobachtete.464

3.3.8 Verletzung bzw. Krankheit und Verarztung »Wesentliche Unfälle sind in den ganzen drei Jahren nicht vorgekommen. Nur einmal wurden infolge mangelhafter Anlage der Seitenböschungen des Grabens an der Nordfuttermauer Leute verschüttet, konnten aber sofort wieder befreit werden ohne Schaden genommen zu haben. Besondere Schutzvorrichtungen für die Arbeiter brauchten wir nur im Eingang in den Obelisken, wo wir durch ein sehr starkes hölzernes Schutzdach die Leute gegen herabfallendes Geröll decken mussten« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).465 Beim Ausgraben von Ruinen, die von steinernem Schutt bedeckt und stellenweise womöglich seit Jahrtausenden nicht angefasst worden waren, drohten Gefahren von oben wie von unten: Die Ausgräber konnten von herabfallenden oder -rutschenden Steinen getroffen oder gar verschüttet werden; andererseits konnten sie in Hohlräume fallen oder einsinken. In unbelüfteten Grabkammern konnten Ausgräber in Ägypten sogar ersticken,466 doch die untersuchten Ausgrabungen spielten sich größtenteils unter freiem Himmel ab. Da sie vor allem Gebäude(-reste) freilegten, kam es bei ihnen vor allem zu Einsturz bzw. Abrutschung. Dass Arbeiter dadurch verletzt wurden, konnten die Archäologen bzw. Vorarbeiter nicht völlig, aber offenbar weitgehend verhindern, indem sie nach Möglichkeit Deck- bzw. Stützanlagen wie die von Borchardt erwähnten errichten und gefährliche Objekte entfernen ließen sowie Arbeiter, zumal Kinder, nicht an gefährlichen Stellen beschäftigten.467 Angesichts der unermesslichen Steinmassen, die bei den untersuchten Ausgrabungen bewegt oder auch nur berührt wurden, verzeichnen die Archäologen bemerkenswert wenige Verletzungen (oder auch nur Beinaheverletzungen) durch Steinschlag.468 464 Steindorff, Libysche Wüste, 42, 139; Tgb. Siwa 1899/1900, 58, 79, 106; zum Backen über offenem Feuer oder mit Glut im Sand auch Winkler, Volkskunde, 129f. 465 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77f. 466 Weigall, Report on Suffocation; vgl. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 276. 467 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 71, 80, 141f.; Abusir el-Meleq, 235f.; 1902/03 ebd., 43f.; 1903/04 ebd., 59, 136, 162, 168, 185; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 166; 1903/04, 26, 46, 48; 1907/08, 125f., 297f., 321, 396, 475; Amarna 1911, 151; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 218; 1905, 82f., 87; 1909, 49; 1910, 65; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 203f., 253, 267f.; Kom Ombo, 354, 357-360; 1908/09 Philadelphia, 176. In Amarna West wurde die Grabung an einer einsturzgefährdeten Stelle erst eingestellt, als Arbeiter das Fortsetzen verweigerten (Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 19f., 23f.; vgl. 44f., 47, 51). 468 Borchardt, Ne-User-Re, 165; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 162/187 (Arbeiterjunge Ali Jussuf von Einsturz Knochenbruch davongetragen); 1903, 136 (Steinhauer Abd el-Mahdi Azim beinahe von Steinblock erschlagen; vgl. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 13), 154, 159f.; 1903/04, 46f.; 1907, 40 (Arbeiterjunge Ali Abd el-Rani durch herabstürzenden Stein am Bein verletzt), 143 (Junge durch herabstürzenden Stein am Daumen verletzt); 1907/08, 51 (Abusiri durch herabstürzenden Stein an der Hand verletzt); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 229 (Arbeiter sinkt in Boden ein); 1904/05 ebd., 80, 99 (Arbeiter mit Seilen gesichert, an denen sie aus antikem Brun-

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Andere Verletzungen entstanden beim Bewegen von Funden469 sowie durch die Feldbahn, deren Wagen bzw. Räder den die Bahn betreibenden Männern und Jungen bei mangelnder Vorsicht oder Aufmerksamkeit Verstauchungen, Quetschungen und Fleischwunden zufügen konnten. Bei Mohammed Sid Ahmed und Hissen Mabruk musste daraufhin jeweils ein Teil eines Fußes; Mabruk schließlich der ganze Unterschenkel amputiert werden.470 Insgesamt gab es jedoch wenige Bahnunfälle, da die Arbeiter »sich sehr bald an die Handtierung der Kipper gewöhnt« hatten.471 Bisse durch Schlangen waren ebenfalls selten, erstens weil die Arbeiter deren »Gefährlichkeit kannten« und deshalb »sehr vorsichtig waren«.472 Zweitens wurden Schlangen bei Entdeckung in oder im Umkreis der Grabungsstätte von Archäologen, Vorarbeitern oder Antikenwächtern erschossen, erschlagen oder in Alkohol ertränkt.473 Drittens waren Schlangen in den Wintermonaten, in denen die Ausgrabungen sich konzentrierten, weniger aktiv.474 Das gleiche galt für Skorpione und Taranteln, weshalb umgekehrt bei der im August beginnenden Grabung in Abusir el-Meleq 1905 Arbeiter (und Archäologen) oft von ihnen gestochen bzw. gebissen wurden.475 Darüber hinaus erlitten jene durchschnittlich 131 Arbeiter, die an jedem der erfassten 2.599 Arbeitstage der untersuchten Ausgrabungen tätig waren (Kap. 3.3.1), wahrscheinlich dauernd Bagatellverletzungen, die von den Autoren der Feldtagebücher und -berich-

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nen herausgezogen werden, nachdem er eingestürzt ist); 1905/06 Hermopolis, 29 (verschütteter Arbeiter mit Quetschungen geborgen); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 48, 65 (Mahmud Soliman von Stein am Arm verwundet); Abusir 1910, 13 (Oberägypter fällt Stein auf den Kopf); Qau 1913/14, 205f./210 (Oberägypter Hassanin Hamid verschüttet, aber kaum verletzt). Bei Ausgrabungen anderer Archäologen in Ägypten starben Arbeiter durch einstürzende Strukturen in der Grabungsstätte: bei Petrie 1884 ein Junge (Quirke, Hidden Hands, 105); bei Reisner 1919 vier Arbeiter (Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, 128). Borchardt, Ne-User-Re, 165 und ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 351/355 (Junge Ahmed Harb bricht sich beim Tragen von Steinen bzw. Fundfragmenten den Finger so unglücklich, dass dieser nach Nähversuch amputiert werden muss); 1907, 80f.; 1907/08, 356; Amarna 1912/13, 239 (Mahmud Ali fällt Sargbrett auf den Fuß); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 38 (Abd el-Mahsin Soliman verhebt sich). Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 70f., 119f., 197, 298f.; 1903, 31; 1907/08, 284 (zu Ahmed: ebd., 401, 433, 472, 482, 484, 486, 500; zu Mabruk: ebd., 509-511; u. Kap. 3.6.3; zu beiden auch Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 141); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 27f. (Junge Jussuf Ali; vgl. Sphinxtempel, 25), 37; 1906, 13 (schon einmal Mabruk, hier jedoch lediglich Fingerquetschung); 1910, 85f. Borchardt, Ne-User-Re, 164. Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 203; trotzdem durch Schlangen erlittene Verletzungen: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 63-65 (Junge Harb Hebaje), 258; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 124-127 (Obervorarbeiter Senussi). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 19, 187, 271, 325; 1903/04, 10; 1907, 328f.; 1907/08, 193f.; Amarna 1911, 147; 1912/13, 107; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 133; Abusir el-Meleq, 207 (auch hier weichen Arbeiter vor einer Schlange umsichtig zurück); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905 (Sphinxtempel), 5; 1910, 181; Qau 1913/14, 22 (Schlange erregt – wohl bei Arbeitern – »grosses Entsetzen«), 36, 38, 48, 124f. (124: Schlange beunruhigt Arbeiter). Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 141. Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 202f.; Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 4; ders. et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 3-8, 88-90; vgl. Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Abusir el-Meleq 1903/04, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 55 (Skorpionbisse im Februar).

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te weder erwähnt noch medizinisch behandelt oder gar bemerkt worden sind. Einzig der Arzt Friedrich Wilhelm Müller gibt uns in seinem Bericht über die Grabung in Abusir el-Meleq 1905 eine Ahnung davon, wie scharfe Kanten an Grabungsstellen die Haut der Arbeiter aufrissen.476 Tatsächlich blieben bei der Arbeit sowohl Hände als auch Füße der Arbeiter nackt; an den Fußsohlen hatten die Fellachen, die Schuhe allgemein nur auf längeren Wegen und zu feierlichen Anlässen trugen,477 indes laut Müller eine solche Hornhaut ausgebildet, dass Abschürfungen erst oberhalb der Knöchel begannen. Wie Müller ebenfalls erklärte, hatten »[d]ie früheren Grabungen […] gelehrt, dass der Grabungsleiter bisweilen in die Lage kommen kann, ärztliche Hilfe leisten zu müssen, und es war deshalb alte Gewohnheit, stets eine kleine Notapotheke mitzuführen, in der die wichtigsten Medikamente enthalten waren«.478 In der Tat behandelten die Archäologen, obwohl sie keine medizinische Ausbildung besaßen, kleinere Verletzungen von Arbeitern selbst – zumindest konnten sie Blutungen stillen, Wunden desinfizieren (mit Kognak), Verbände anlegen und Schmerzmittel spritzen.479 Neben den von Müller erwähnten Medikamenten führten sie also – zumal für den eigenen Bedarf – grundlegende medizinische Geräte mit sich.480 Rubensohn verabreichte Arzneien wie Glaubersalz und »operierte« Skorpionbisse sogar mit einem Messer.481 Arbeiter mit schwereren bzw. sich nicht rasch bessernden Verletzungen, die mehr als »nur laienmäßige[r] Verarztung« bedurften, schickten die Archäologen dagegen zumindest von Abusir und Giza aus nach Kairo zum Arzt.482 Dort stand ihnen namentlich der – archäologisch interessierte – deutsche Arzt Emil Bannwarth (1862-1929) zur Verfügung, der die Ausgrabungen in Giza und Abusir gelegentlich auch besuchte und von Zucker zu einem Notfall (der sich vorher erübrigte) sogar ins Fayyum gerufen wurde.483 Ansonsten wandte Zucker sich dort und auf Elephantine jeweils, wenn nicht an ein »Regierungshospital«, an westliche Missionsärzte oder an »Bezirksärzte«. In Amarna wurden der »Kreisarzt« von Deirut sowie das Krankenhaus in Assiut in Anspruch genommen. In Aniba wurde einmal der die Grabungsstätte zufällig besuchende Berliner Mediziner Hans Wilhelm Carl Friedenthal (1870-1942) um Hilfe gebeten.484 476 477 478 479 480 481 482 483 484

Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 201. Winkler, Bauern, 84; Ayrout, Fellahs, 98. Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 201. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9; 1902/3, 4; ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 21f., 135, 258; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 103; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 31; 1905, 65. Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 1; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 509. Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Abusir el-Meleq 1903/04, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 55f. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 308, 348, 351; 1907, 300; 1907/08, 51, 135, 275, 284, 401, 458 (Zitat); Amarna 1911, 127; 1912/13, 239; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 24; 1905, 40, 65. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 65, 74, 469, 482, 484f., 500, 510; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 71, 126; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 138 (vgl. u. Kap. 3.6.2). Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 48f./212 (Dr. Fröhlich, s.u.), 245/263 (Regierungshospital); 1909/10 Medinet Madi, 99f. (Bezirksarzt), 132 (Dr. Askren, s.u.); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 7-9, 16, 19, 23; 1911, 115, 120, 127; 1912/13, 94, 96, 184, 193, 247; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 358-361, 365. Zu dem Schweizer Missionsarzt Willi Fröhlich (?-?) und seinem Missionskrankenhaus

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Ständig anwesend war ein professioneller Arzt lediglich bei Möller in Abusir el-Meleq: 1905 der genannte Friedrich Wilhelm Müller (Kap. 1.2.3.1 Abs. 3), 1906 ein A. Boerger aus Potsdam.485 Ihre eigentliche Aufgabe bestand wohl weniger in der Betreuung der Grabenden als in der fachmännischen Bergung menschlicher Überreste in dem antiken Friedhof; einen reinen »Grabungsarzt« hätten die Deutschen nicht finanzieren können. Gleichwohl blieb sowohl Müller als auch Boerger Zeit, regelmäßig Grabungsarbeiter zu behandeln (Abb. 33). Der Archäologe Friedrich Rösch war kein Arzt, übernahm jedoch, als er 1913/14 mit in Amarna grub, den »ärztlichen Dienst […] freiwillig« bzw. mit besonderem Eifer.486 Der studierte Ägyptologe war seit 1913 Assistent an Borchardts Institut für Ägyptische Altertumskunde. Zuvor hatte der Methodist vier Jahre als Missionar in Algerien gewirkt, was ihn sprachlich sowie vielleicht menschlich besonders zum in den Tagebüchern so bezeichneten »Grabungshakim« (arab. für »Heilkundiger«) befähigte.487 Anders als Verletzungen ergaben Krankheiten sich höchstens mittelbar aus Grabungstätigkeiten. Die Archäologen behandelten sie trotzdem nach Möglichkeit488 bzw. schickten die Betroffenen in Behandlung, aus sozialem Verantwortungsgefühl heraus und/oder, weil Krankheiten Arbeiter ebenso arbeitsunfähig machen konnten wie Verletzungen. Müller fand hauptsächlich Augen- und Hauterkrankungen sowie Verdauungsbeschwerden vor. Wenn die Arbeiter nicht genug tranken, verstopften die in ihrer Nahrung reichlich enthaltenen Ballaststoffe ihren Darm.489 Wenn die Arbeiter im Ramadan fasteten, kamen Magenbeschwerden hinzu.490 Haut- und Augenerkrankungen ergaben sich aus unzureichender Hygiene. Reizungen oder Ekzeme der Haut führte Müller auf die verschmutzte Kleidung der Fellachen sowie Läuse und Flöhe aus ihrer häuslichen Umwelt zurück.491 Tatsächlich konnte sich ein armer Fellache nur eine Handvoll Kleidungsstücke leisten,492 die gerade bei Grabungsarbeit so stark verschmutzten,

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in Assuan (1906-1915): Fröhlich, Missionsbilder; Boulos, Evangelicals in Egypt; zu dem im Fayyum ansässigen US-Missionsarzt David L. Askren (1875-1939): Elder, American Mission in Egypt, bes. 95. Möller, Ausgrabung Abusîr el-Meleq 1906, 2, 12f. Scharpff, Rösch, 17; zu Rösch weiter o. Kap. 1.2.1.5. Rösch als Hakim: Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 4 (»Von seiner […] Missionstätigkeit […] her hatte er in ambulanter Behandlung der Eingeborenen eine große Geschicklichkeit«); ders. et al., Tgb. Amarna 1913/14, 79, 91, 131, 177; zu seinen Arabischkenntnissen: u. Kap. 3.4.1. Bes. Schubart, Wüste, 26 (Zucker behandelt Magenverstimmungen und Kopfausschläge und wäscht sandige Augen aus; »[w]ir erlebten einige male, daß die Leute liebevoll einander pflegten«); vgl. Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 9 (»Ein Magenkranker kommt in Behandlung«). Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 204f. Möller, Ausgrabung Abusîr el-Meleq 1906, 13. Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 206-208; vgl. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 120 (Junge Ahmed mit »Geschwüre[n]« – auf der Haut?). Zu hygienischen Verhältnissen auch Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 704 (beim Aufruf der Arbeiter »ging von dieser Menschenmasse ein den Atem benehmender ekelhafter Geruch aus, welcher ihren Kleidern und Körpern noch von dem heimischen Herde her anhaftete, der bekanntlich in dem holzarmen Lande mit dem getrockneten Miste der Büffel, Kamele und Esel geheizt wird«). Legrain, Fellah de Karnak, 328.

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dass sie, wie Müller mutmaßte, nicht mehr saubergewaschen werden konnten, aber trotzdem erst ersetzt wurden, wenn sie zu »Fetzen« zerfielen.493 Die Parasiten gediehen in den Fellachendörfern, wo Menschen und Haustiere auf engem Raum unter ärmlichen Bedingungen in Staub und Hitze lebten (Kap. 4.1.3). Zu den von Müller beobachteten Läusen und Flöhen kamen Würmer, welche die Infektionskrankheiten Bilharziose und Ankylostomiasis verursachten;494 und natürlich jene Fliegen, die, neben Staub und Sandwind, Bakterien in die Augen der Menschen trugen. Infolge dessen brach dort Ophthalmie, namentlich in Form des Trachoms, aus, welche unbehandelt zur Erblindung führt. Ophthalmie war in Ägypten – wie Vyses Arbeiter veranschaulichen (o. 2.1.4) – seit jeher weit verbreitet und verschonte auch die untersuchten Archäologen ebenso wenig wie ihre unter 2.1 (bes. Anm. 111) besprochenen Vorgänger.495 Unter den Arbeitern der Deutschen stieß Müller auf eine »ausserordentlich gross[e]« Zahl von Augenkranken; in Giza bescheinigte der in Kairo ansässige deutsche Augenarzt Max Meyerhof (1874-1945) »völlig gesunde« Augen einzig »den beiden Negern Jadim Hassan und [dessen] Sohn Hamid Jadim«; die Arbeiter aus Zawije zeigten »das ungünstigste Bild«; in Hermopolis (wohl bei einer Grabung Rubensohns) war laut Giza-Tagebuch Ähnliches festgestellt worden.496 Auf eine dem Vernehmen nach Unterleibserkrankung ging schließlich der einzige Tod eines Arbeiters zurück, von dem die untersuchten Archäologen berichten: Der etwa zwölfjährige Mansur Hassanen aus Abusir wurde bei Zuckers Grabung in Medinet Madi eines Vormittags in seiner Unterkunft tot aufgefunden. Nach Einschaltung von Polizei und Gerichtsmedizin wurde der Junge im nächsten Hauptort, El-Gharaq, bestattet.497 493 Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 207. 494 Ayrout, Fellahs, 100f.; Tignor, British Rule in Egypt, 355-357. 495 Ayrout, Fellahs, 100; Bountah, Ophtalmie d’Égypte; Deutsche mit Augenleiden: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 107, 109; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 137; Aniba 1912, 102; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 85f. 496 Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 207-209 (Zitat: 207); Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 26f. (Zitate: 27; zu dem jungen »Sudanesen« Hamid Jadim ferner Schubart, Wüste, 24f., 50); ferner 83 (augenkranker Tabit Ibrahim von Meyerhof behandelt); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 292/300 (augenkranker Tabit Ibrahim zum Arzt bzw. ins Krankenhaus geschickt); Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 4 (Antikenwächter bittet wie »üblich« um Augentropfen, nachdem er offenbar wegen Sehschwäche versehentlich auf deutsche Grabungsassistenten geschossen hatte; o. Kap. 3.3.2.3 Abs. 8). Zu dem sozial engagierten und archäologisch interessierten Meyerhof: Lehnert, Meyerhof Augenarzt, 337. 497 Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 84-88; Schubart, Wüste, 40; weiter Borchardt, Vorjährige Ausgrabungen (Klio 1911), 260. Weitere bzw. nicht spezifizierte Krankheiten von Arbeitern: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 137 (Mandelentzündung); 1902/03 Hermopolis, 160 (ansteckende Magenkrankheit); 1904/05 Hermopolis, 22 (Husten); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 29 (einige Arbeiter krank nach Feiertag; Hissen Chalifa mit Fieber), 37f., 70 (an Ruhetag »überfressen«); 1906, 9 (Kerim Hamdan mit Rheumatismus); 1910, 70/107 (kranker Abu el-Hassan von Zucker aus dem Fayyum zum Auskurieren in sein Dorf [Quft] zurückgeschickt); Abusir 1910, 74f. (Koch mit Blutvergiftung); Qau 1913/14, 184 (Diener Yakub mit Rheumatismus; vgl. 210); Aniba 1914, 359 (Vorarbeiter Ibrahim mit Lungenentzündung); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 45 (Abu el-Hassan krank); Amarna 1911, 120/127 (Abu Guma mit Unterleibsbeschwerden); 1912/13, 96/184/193 (Vorarbeiter Ahmed Ramadan mit Fieber); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 212 (Abu el-Hassan mit Influenza; Junge mit Lungenentzündung; vgl. 245, 263).

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Da bei einer Ausgrabung womöglich Hunderte von Menschen Tag für Tag auf engem Raum zusammenarbeiteten, aßen und wohnten, würden sich hochansteckende Krankheiten rasch ausbreiten. Um dies zu verhindern, wurden Arbeiter mit Anzeichen von etwa Influenza, Typhus, Syphilis oder Lungenpest von den Archäologen isoliert oder entlassen bzw. betroffene Arbeiterhäuser desinfiziert; unter Umständen wären alle Arbeiter geimpft worden.498 In Amarna wurde einmal auch die Gesundheitsbehörde von Deirut tätig: Wegen Pestverdacht ließ sie Arbeiter untersuchen und dann die Arbeiterhäuser desinfizieren. In Abusir kam einmal eine »Kommission« ins Lager, um Arbeiter zu impfen. Im Dorf Zawije sollten einmal alle Einwohner geimpft werden, sodass die dorther kommenden Arbeiter die Grabung in Giza an einem Tag vorzeitig verlassen mussten.499 Derartige Vorgänge deuten wie die zuvor von mir bzw. den Archäologen erwähnten »Kreis-« oder »Bezirksärzte« und »Regierungshospitäler« auf das staatliche, professionelle Gesundheitssystem hin, das die britischen Kolonialverwalter seit den 1880er Jahren in Ägypten ausbildeten. Unter Führung des Sanitary Department in Kairo erhielt jede Großstadt bzw. Provinz (arab.: mudirije) ein öffentliches, modernes Krankenhaus und einen Gesundheitsinspektor; jeder Provinzbezirk (markaz) einen öffentlich bestellten Arzt. Die Ärzte waren auf beiden Ebenen in westlicher Medizin ausgebildete Ägypter.500 Bei der Bekämpfung epidemischer Krankheiten – noch 1883 hatte ein Cholera-Ausbruch in Ägypten 100.000 Tote gefordert – erzielte dieser Apparat Erfolge. Die Landbevölkerung erreichte er freilich weniger. Die hygienischen Verhältnisse waren dort schwerer zu verbessern als in den Städten. Und obwohl die Armen für die staatliche Gesundheitsfürsorge nichts zu zahlen brauchten, lag der nächste Hauptort, wo sie angeboten wurde, von den meisten Dörfern weit entfernt, und überhaupt misstrauten die Fellachen den – westlichen – Methoden der Gesundheitsbehörden: »The isolation of an infected village, disinfection practices, restrictions on places where drinking water could be drawn, autopsies, and immediate burials of the dead all constituted challenges to significant traditions and routines of peasant life«. Nach ihrer Tradition gingen kranke Fellachen zu den Medizinleuten ihres Dorfes: Männer bzw. Frauen (arab.: hakim/a), die eigentlich Beschneidungs- und Barbier- bzw. Hebammendienste leisteten, und Krankheiten und Verletzungen mit einer Kombination aus Erfahrung und »Magie« behandelten.501 Die untersuchten Archäologen hegten gegenüber den Dorfheilern Vorurteile, die sich als ungerecht erweisen konnten: In Abusir mussten die Archäologen zugeben, dass ein

498 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 115f., 120; 1913/14, 131; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 87; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 11f., 126; vgl. ferner den sozusagen Einstellungsstopp für Arbeiter aus Quft nach dem dortigen (vermeintlichen) Pestausbruch 1909 (o. Kap. 3.3.3.2). 499 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 5; ders. et al., Tgb. Amarna 1913/14, 276-281; Abusir 1903/04, 236; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 64, 76. 500 Tignor, British Rule in Egypt, 348-357; Chamberet, Fellah, 152-205; Cromer, Modern Egypt, 504-513; vgl. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 281f., 284f. (Pestverdacht bei dieser Grabung stellt sich als Irrtum der Behörden heraus); Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 99f. 501 Tignor, British Rule in Egypt, 351f. (The isolation …: 351), 354-357; Ayrout, Fellahs, 102f.; Chamberet, Fellah, 157f.; Blackman, Fellahin, Kap. 12; Michalla, Gesundheitsdienst, 15-18, 39-49, 83-86; Walker, Folk Medicine.

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von einer Giftschlange gebissener Junge »seine Rettung in erster Linie dem Dorfquacksalber« verdankte, der »ganz richtig die Bisstelle angeschnitten und den Unterschenkel dreifach unterbunden« hatte.502 Die Barbiere und Hebammen hatten für ihre medizinische Tätigkeit inzwischen sogar, wenngleich sie Analphabeten blieben, vor der Regierung eine praktische Prüfung abzulegen und wurden dann von ihr beauftragt, Verdachtsfälle ansteckender Krankheiten an die Behörden zu melden.503 Sobald die Künste der Dorfheiler jedoch an ihre Grenzen stießen, waren Fellachen einerseits geneigt, Krankheiten als Schicksal bzw. gottgegeben hinzunehmen und auf die Konsultation formell ausgebildeter Ärzte zu verzichten.504 Dementsprechend ahnten die Archäologen, dass die Eltern eines an Lungenentzündung erkrankten Arbeiterjungen überzeugt waren: »Wenn Allah es will, dann stirbt der Junge«, sodass die Eltern ihn wieder aus dem Krankenhaus holen wollten, in das die Archäologen ihn geschickt hatten. »Es erforderte«, schreibt Hölscher, »viel Überredung meinerseits und der Bestätigung [der Arbeiter] Hissen Mabruk und Ahmed [H]arb, welche dort als Patienten gelegen haben, um den Vater zu beruhigen« – »[d]ie Leute sind doch zu dumm!«505

Abb. 33a-b: Grabungsarbeiter bzw. Angehörige von ihnen werden von Arzt Müller behandelt (Möller, Abusir el-Meleq 1905)

Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 206 Abb. 1 (l.), Abb. 2 (r.). Scans: Deutsche Nationalbibliothek, Leipzig.

Andererseits vermissten manche Fellachen einen »wirkliche[n] Arzt«, denn als sie von der Anwesenheit Müllers in Abusir el-Meleq hörten, kamen nicht nur Grabungsarbeiter, sondern auch andere Anwohner, um sich von ihm behandeln zu lassen – was er 502 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 75; vgl. 63-65, 74; ferner Amarna 1913/14, 177 (Rösch »bemüht […] sich, einen Jungen, der […] auf Fellachenweise mit Kuhmist bedeckte Brandwunden zeigte, zu verarzten«); Steindorff, Libysche Wüste, 103 (»Die ägyptische Regierung hat jetzt in [Siwa] einen Arzt stationiert, gegen den aber die Bewohner vorläufig noch ein unüberwindliches Mißtrauen haben. Sie konsultieren lieber ihren einheimischen Barbier und lassen sich von ihm zu Tode kurieren«). 503 Chamberet, Fellah, 157f. 504 Tignor, British Rule in Egypt, 351. 505 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 129f.; vgl. 145.

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tat, »[s]oweit die beschränkten Bestände unserer Grabungsapotheke ausreichten«. Ähnlichen Zulauf erhielten der »Grabungshakim« Rösch in Amarna, der medizinisch anscheinend ebenfalls geschickte Rubensohn in Abusir el-Meleq, oder auch die britische Ethnologin Winifred S. Blackman (1872-1950), als sie in den 1920er Jahren mit ihrer Reiseapotheke durch Ägypten reiste.506

3.3.9 Entlohnung 3.3.9.1 Grundlöhne »Der Lohn für den gewöhnlichen Arbeiter betrug 3, für den Jungen 2 Piaster. […] Die besseren Arbeiter, Aufseher und Vorarbeiter erhielten entsprechend mehr. Der höchste überhaupt gezahlte Tageslohn betrug 6 Piaster. Diese Lohnverhältnisse sind die in der Gegend üblichen. Es waren, solange die Jahreszeit die Leute nicht zwang ihre Felder zu bestellen, stets genügend Arbeitskräfte dafür zu haben. Ein Streikversuch, der ohne jeden inneren Grund nur in der Voraussetzung unserer Unkenntnis der üblichen Lohnsätze […] gemacht wurde, ist aber doch zu erwähnen« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).507 Bei allen untersuchten Ausgrabungen erhielten die Grabungsarbeiter für jeden geleisteten Arbeitstag einen festen Lohn, dessen Höhe sich nach ihrer Stellung in der Arbeiterhierarchie (Kap. 3.3.2.1-2) richtete. Aus den in Lohnlisten, Tagebüchern und Feldberichten angegebenen Daten ergeben sich folgende Größenordnungen:

Diagr. 3.3.9.1a: Lohnspannen der verschiedenen Grabungsarbeiterklassen in Piastern pro Tag, 1898-1914

Zugrundeliegende Grabungen: u. Diagr. 3.3.9.1b.

506 Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 26 (Zitate); Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 4; ders. et al., Tgb. Amarna 1913/14, 35, 299; Parlasca, Rubensohn in Abusir el-Meleq, 73 (Grabung 1903/04; vgl. Kuckertz, Rubensohn [2020], 55); Blackman, Fellahin, 214-216; vgl. ferner Schubart, Wüste, 42; Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, 87, 399. 507 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77.

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Nicht nur bei Vorarbeitern bzw. Aufsehern, sondern auch bei einfachen und »besseren« Arbeitern konnten bei derselben Grabung manche Arbeiter einen etwas höheren Lohnsatz erhalten als andere derselben Klasse508 – vielleicht, weil sie sich besonders bewährt hatten oder von den Archäologen mit der Anlernung von Arbeitern beauftragt waren, die neu in die jeweilige Klasse eintraten? Darüber hinaus veränderten sich die Lohnhöhen, die wir den Quellen entnehmen können, mit Zeit und Ort der Grabung, wie folgendes Diagramm sichtbar macht:

Diagr. 3.3.9.1b: Durchschnittliche Tageslöhne erwachsener einfacher Arbeiter nach Saisons und Grabungsstätten509

Mit der Zeit stieg das Lohnniveau wegen Inflation im Allgemeinen und einer Spekulationsblase auf Acker- und Bauland im Besonderen. Warum sank es in Giza und Aniba zumindest zeitweise? Bei seiner ersten Grabung in Ägypten 1903 in Giza versprach Steindorff den (potenziellen) Arbeitern womöglich mehr als nötig, weil er mit den ägyptischen Lohnverhältnissen noch nicht vertraut war oder er sich von den an der gleichen Stätte grabenden Italienern und Amerikanern (Kap. 3.2.4) nicht überbieten lassen wollte. Bei der zweiten Kampagne in Aniba wiederum begannen die Archäologen mit den Lohnhöhen der Kampagne in Qau, die der in Aniba unmittelbar vorausging; und tatsächlich

508 Z.B. Borchardt et al., Lohnlisten Abusir 1902-1908 (z.B. bekommen einzelne erwachsene Arbeiter oder nur ein einziger 0,5 Piaster mehr als die anderen; oder manche Jungen bekommen 0,25 Piaster mehr). 509 Außerdem: In Dimai 1909/10, wo ausschließlich Stammarbeiter (aus Quft und Abusir) beschäftigt wurden, erhielten die Männer »täglich wohl vier Piaster, die Aufseher etwas mehr, die Jungen weniger« (Schubart, Wüste, 28). Und die Nubien-Expedition 1900 beschäftigte zweimal Grabungsarbeiter jeweils für einen Tag: Die vom einen Tag erhielten 1,5, die vom anderen (an anderer Grabungsstelle) 3 Piaster (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 99, 113).

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konnten die Löhne dann unter dem Niveau der ersten Kampagne in Aniba gehalten werden.510 In Acker- und Bauland wurde in Ägypten massiv investiert, seitdem die Preise für Baumwolle, Ägyptens wichtigstem Agrarprodukt, sich 1903 steil nach oben orientiert hatten und Banken freigebig Kredite gewährten. Da jetzt mehr einfache Arbeitskräfte gebraucht wurden, stiegen deren Löhne. Die Grabungskampagnen in Abusir 1907 bzw. 1907/08 sowie Giza 1909 bekamen dies zu spüren, denn obwohl die Spekulationsblase im Frühjahr 1907 wegen Kreditverknappung platzte, ließ die daraus entstehende Finanzkrise die Löhne erst im Laufe des Jahres 1909 wieder auf ein normales Niveau fallen.511 Da in der Gegend von Abusir damals zudem Grabungen Quibells und anderer archäologischer Konkurrenten stattfanden (Kap. 3.3.3.1 Abs. 4), musste Borchardt die Löhne der einfachen Arbeiter von anfangs 3 (Männer) bzw. 2 (Jungen) Piaster auf 3,5 bzw. 2,25/2,5; 4 bzw. 3 und gar 4,5 bzw. 3,5 Piaster erhöhen. In Giza blieb man 1909 auf einem erhöhten Niveau, obwohl man die Löhne kurz nach Grabungsbeginn etwas abzusenken wagte.512 »[I]n Oberägypten«, sprich an den Grabungsstätten südlich der Gegend von Kairo mit Giza und Abusir, hatten die Löhne, wie Borchardt erklärte, ihren »normalen Stand« auch während der Spekulationsjahre »nie verloren«.513 Die Wirtschaft war im Süden Ägyptens nämlich weit weniger entwickelt. Der Nil floss hier durch ein felsiges Wüstental, sodass Landwirtschaft auf nicht mehr als einem schmalen Streifen betrieben und größere Städte kaum entstehen konnten. Ägyptens Wirtschaftszentren waren, neben der Hauptstadt Kairo, für Handel und Industrie die Seehäfen und der Suezkanal; für (profitorientierte) Landwirtschaft das Nildelta und das Fayyum-Becken.514 Dementsprechend lagen etwa die Löhne in Abusir el-Meleq (Fayyum-Eingang) höher als zur gleichen Zeit in Abusir, oder in Amarna (Mittelägypten) noch 1912/13 so hoch bzw. niedrig wie in Abusir 15 Jahre früher. In Qau (ebd.) lagen sie in der folgenden Saison nur wenig höher, denn »trotz der Fruchtbarkeit dieser mittelägyptischen Provinzen ernähren die Felder doch nur einen Teil der [zahlenmäßig] reichen Bevölkerung«.515 Beeinflusst wurden die Lohnhöhen also von Nord-Süd-Gefälle, Konjunktur und Konkurrenzgrabungen, aber auch vom Stand der Feldarbeit und, worauf all diese Faktoren hinausliefen, dem »Angebot« an Arbeitern. Sobald in der Gegend einer Stätte gesät oder geerntet wurde, waren Arbeiter, sofern sie kamen (Kap. 3.3.3.1 Abs. 1), teurer; in einer zwar südlichen, aber dünn besiedelten bzw. entlegenen Gegend wie Aniba waren sie teurer; günstiger waren sie dagegen, wenn eine Gegend besondere wirtschaftliche Not litt. Aufgrund solcher konnte in Giza 1909 die besagte, zu Kampagnenbeginn vorgenomme-

510 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 292 (zu Aniba 1914); Aniba 1914, 300f., 304, 314, 482; (Teilgrabung), 3f. 511 Zu der Finanzkrise: Owen, Cotton, 283-287; Gorst, Reports on Egypt, 4-6; Ilbert, Spéculation; zu möglichen Gründen des fortdauernden Preishochs: Legrand, Fluctuations de prix, Kap. 2. 512 Borchardt, Nefer-Ir-Ke-Re, 80; Grabdenkmal Sahu-Re, 141f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1907, 25, 27f., 36f., 271, 276, 295, 384; 1907/08, 3-5, 7, 16-21, 23f., 31, 34f., 41-43; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 29. 513 Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 142. 514 Banse, Ägypten, 58f., 64-68. 515 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 28.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

ne Lohnsenkung durchgesetzt und in Qau Forderungen nach höheren Löhnen abgelehnt werden – in beiden Fällen kamen trotzdem genug Arbeiter.516 Laut Steindorff waren die 3 bis 4 bzw. 2 bis 3 Piaster, die Männer bzw. Jungen »[b]ei unseren Ausgrabungen« erhielten, »keineswegs geringe Löhne, jedenfalls höhere, als bei staatlichen Erdarbeiten oder für die Tätigkeit auf dem Felde oder beim Schöpfrad bezahlt werden«.517 Das zu überprüfen fällt nicht leicht, da die verfügbaren Daten zu Landarbeiterlöhnen in meinem Untersuchungszeitraum »highly fragmentary, questionable, and contradictory« sind. Unter diesem Vorbehalt mögen die durchschnittlichen Tageslöhne in der ägyptischen Landwirtschaft 1899 zwischen 2 und 3; 1906 bei 2,5; 1910 zwischen 3,5 und 4,5; und 1914 zwischen 2,5 und 3 Piastern gelegen haben,518 was Steindorffs Aussage bestätigt. In dieser Hinsicht zahlten die Deutschen im Allgemeinen angemessene Löhne, obwohl bestimmte andere Arbeitgeber sie durchaus übertrafen: 1907 erzählte der Arbeiter Jussuf el-Chabiri aus Saqqara den Archäologen, sein Bruder habe im Mai des Jahres auf dem Feld eines Großspekulanten pro Tag 8 Piaster bei freier Verpflegung verdient; und für die im selben Jahr beginnende Erhöhung des Staudamms bei Assuan wurden offenbar im ganzen Land Arbeiter mit der Aussicht auf, dem Archäologen Quibell zufolge, 7 bis 10 Piaster Tageslohn angeworben.519 Im Gegensatz zu solch großer Land- bzw. Bauwirtschaft war eine archäologische Ausgrabung allerdings weder vom ägyptischen Staat subventioniert noch eine Wirtschaftsunternehmung mit Investoren und finanzieller Gewinnperspektive, sondern Archäologen hatten mit mühsam eingeworbenen Mitteln öffentlicher und privater Geldgeber möglichst neue Erkenntnisse über bzw. schöne Artefakte aus dem alten Ägypten zu gewinnen, welche die Mäzene hoffentlich zur Finanzierung weiterer Kampagnen bewegen würden. Somit mussten die Deutschen vor allem die Lohn- bzw. Arbeitskosten, 516

517 518

519

Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 142 (Feldarbeit); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 33f., 91, 160; Aniba 1912, 44-47; Qau 1913/14, 292f. (zu Aniba 1914); 12f. (zu Qau); vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1913: Bei Arbeitereinstellung »[r]iesiges Überangebot, etwa 700 Leute melden sich. Es wird wohl möglich sein, die Löhne der Qurnawis auf 3 P[iaster] für den Mann, 2 P[iaster] für den Jungen zu drücken« (11). Doch auch nachdem Möller das getan hatte (17), war der »Andrang« von Arbeitswilligen »wieder sehr groß« (26). Zur Grabung in Abusir el-Meleq 1905 dagegen kamen wegen der beginnenden Baumwollernte genug ältere Jungen erst, als Möller ihnen »eine kleine Zulage« versprach (Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 21). Steindorff, Aegypten, 186. Richards, Agricultural Development, 95-97 (Zitat: 95); vgl. Petrie, Methods in Archaeology, 29 (»The day pay in Upper Egypt is 2 12 to 3 piastres […] a man, and 1 12 to 2 […] for a boy«; ähnlich Chamberet, Fellah, 17f.). Zu Löhnen in der ägyptischen Landwirtschaft und ihrer theoretischen Erklärung ferner Owen, Agricultural Production, 537-539. Während Tageslohnsätze in Ägypten um 1900 im Piasterbereich lagen, hat in den bis heute folgenden Jahrzehnten eine enorme Inflation die Größenordnung »Piaster« geradezu wertlos gemacht: Archäologische Arbeiter zum Beispiel verdienten bei den deutsch-ägyptischen Ausgrabungen in Heliopolis 2015 als Ortskräfte pro Tag 50 ägyptische Pfund (= 5.000 Piaster), und bei den deutschen Ausgrabungen auf Elephantine 2014/15 als Quftis zwischen 78 (Hacker) und 113 (Rais) Pfund pro Tag (eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 3f., 21. Für die Kampagne in Amarna 1908 gaben die Archäologen jedoch zu, dass die gezahlten Löhne mit 3 Piastern pro Mann und 2 pro Junge »knapp« gewesen seien (Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 30). Zu der Staudammerhöhung: Gorst, Reports on Egypt, 19.

241

242

Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

die den größten Teil der Grabungskosten ausmachten, so niedrig halten, dass mit dem vorhandenen Budget die für den Grabungserfolg nötige Zahl von Arbeitern beschäftigt werden konnte. Jeder auch nur halbe Piaster Lohn für einen Arbeiter vervielfachte sich durch womöglich Hunderte von Arbeitern zu beträchtlichen Gesamtkosten.520 Erhöht werden durften Löhne daher nur dann, wenn andernfalls so wenig Arbeitswillige zu erwarten waren, dass die Grabung archäologisch-organisatorisch nicht effektiv würde weitergeführt werden können.521 »Bessere« bzw. Stammarbeiter aus Quft und Abusir sowie Aufseher und Vorarbeiter erhielten aufgrund ihrer Fähigkeiten bzw. Verantwortung wie in Diagr. 3.3.9.1a abgebildet höhere Löhne als die einfachen Arbeiter. Zur Wahrung der Arbeiterhierarchie achteten die Archäologen darauf, dass bei einer Grabung eine Arbeiterklasse stets weniger verdiente als die über ihr stehende. Aus diesem Grund konnte Erhöhungsforderungen einer unteren Klasse nur dann nachgekommen werden, wenn bis zu den Löhnen der nächsthöheren noch Spielraum bestand oder diese ebenfalls erhöht wurden.522 Umgekehrt veränderten sich die Lohnsätze Senussis und der (oberen) Vorarbeiter im Allgemeinen nicht während einer Grabung oder nach Grabungsort, sondern sie blieben grabungsübergreifend über mehrere Jahre konstant und wurden dann um einen Piaster erhöht. So erhielt Senussi ab wohl spätestens 1901 6 Piaster; ab 1906 7 und ab spätestens 1912 8 Piaster; Vorarbeiter von der Klasse eines Abu el-Hassan anfangs 5; ab etwa 1907 6 und ab etwa 1912 7 Piaster – an nicht nur sechs, sondern allen Tagen der Woche, weil diese und andere Stammkräfte auch an Ruhetagen den Archäologen zur Verfügung standen bzw. von ihnen unterhalten werden mussten. Diese Dauerbezahlung sowie die Ortsunabhängigkeit ihrer Löhne deuten darauf hin, dass zumindest die obersten Vorarbeiter von den Deutschen vertraglich zu festen Bedingungen über einen längeren Zeitraum gebunden wurden – für Senussi ist ein solcher Vertrag erhalten (Kap. 3.6.1). In gewissen Abständen wurde der Tarif dann erhöht bzw. angepasst. Auf der Siwa-Expedition erhielt Senussi übrigens pro Tag 10 Piaster bzw., bei Verpflegung, 8,5.523 Wiederum andere Lohnsätze galten für die von mir so genannten Spezialdienstleister – das heißt mit Sonderaufgaben betraute Grabungsarbeiter oder externe Fachleute (Kap. 3.3.2.3). Einige davon erhielten ihren Lohn monatsweise – zum Beispiel ein Koch 250 Piaster, ein Bootsmann (mit Fährboot) 130, ein Wächter einer Grabungsstätte außerhalb der Saison 120 (zuzüglich Gewehrpatronen und gegebenenfalls Wachhundefutter).524 Pro Tag gezahlte Löhne fielen wie in folgendem Diagramm aus; wenn externe Handwerker nur für einen halben Tag benötigt wurden, erhielten sie entsprechend weniger. 520 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 20; Arbeits- im Vergleich zu übrigen Grabungskosten: Steindorff, Kassenbuch (Grabungen Qau 1913/14, Aniba 1914). Die relativ kleine Grabung in Abusir el-Meleq 1905 kostete bereits zwischen 3,5 und 4 ägyptische Pfund (= 350-400 Piaster) pro Tag – zuzüglich Verpackung und Transport der Funde (Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 91). 521 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 25, 27f., 36f., 270f., 276, 295, 384; 1907/08, 5, 20, 34f., 39f., 413; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 46f.; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 3f. 522 Forderungen aus diesem Grund abgelehnt: Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 16; Aniba 1912, 46. 523 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, vor 1. 524 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 0 (Koch); 1913/14, 10 (Bootsmann); Wächter: Borchardt, Abrechnung Kosten Bewachung Amarna 1907/08; Abrechnung Bewachungskosten Abusir 1908.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Diagr. 3.3.9.1c: Lohnspannen von Spezialdienstleistern in Piastern pro Tag, 1901-1913

Zugrundeliegende Grabungen: o. Diagr. 3.3.9.1b außer (da ohne einschlägige Daten) Abu Gurob 1898-1901; Abusir el-Meleq 1902; Giza 1903; 1905; Amarna 1906/07; Philadelphia 1908/09; Aniba 1912; 1914; Qau 1913/14. In den Löhnen der Wasserträger, für diese Aufgabe überraschend hoch, waren wohl ein oder mehrere Lasttiere enthalten.

3.3.9.2 Zuschläge »Von dem in anderen Ausgrabungen üblichen Bakschischsystem, das Diebstähle nicht verhindert, und wenn es gerecht gehandhabt wird, den Arbeiter nur auf den hohen Verkaufswert einzelner Funde aufmerksam macht, wurde von vornherein verzichtet. Nur bei Funden von Goldwert wurde ein beträchtlicher Teil desselben vergütet. Sonst traten Belohnungen nur für gute Ausführung besonders schwieriger und anstrengender Arbeiten ein« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).525 Das besagte »Bakschischsystem« (»Trinkgeld«; ursprüngl. pers.) pries der Engländer Petrie als bestes Mittel gegen »the ignorance, the carelessness, and the dishonesty« von Grabungsarbeitern. Zumindest wenn diese zahlreicher seien als jenes halbe Dutzend, das ein Archäologe noch allein beaufsichtigen könne, müsse man ihnen grundsätzlich Belohnungen für Antikenfunde zahlen. Andernfalls würden sie Schönes an Händler verkaufen und Kleines bzw. Unscheinbares, das Petrie so wichtig war (o. Kap. 2.2.3), übersehen oder zerbrechen. Er selbst fügte seinen Tageslöhnen gegebenenfalls 5 bis 10 Prozent als Bakschisch hinzu, dessen Höhe sich nach Art, Marktwert und Erhaltungszustand der Funde richtete. Dieses System, schwärmte Petrie, habe seine Arbeiter zu Höchstleistun-

525 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

gen angetrieben und ihm selbst einzigartige bzw. einzigartig vollständige Fundstücke eingebracht.526 Dem zitierten Borchardt bzw. seinen deutschen Kollegen in Abu Gurob und an manch anderer Stätte ging es weniger um Einzelfunde als vielmehr um Bauforschung. Insofern ist verständlich, dass in Abu Gurob Belohnungen eher für praktische Leistungen denn für Fundstücke gezahlt wurden. Bei den übrigen untersuchten Ausgrabungen kam beides vor: vorab versprochene oder nachher beschlossene Bakschische einerseits etwa für das Erreichen eines verschütteten Mauerzugs oder eine »Kraftleistung« beim Feldbahnverlegen am »Ruhetag«, andererseits für besondere Einzelfunde bzw. solche, die zuvor gemachte Funde ergänzten527 – trotz der damit einhergehenden Gefahr, eingeschmuggelte Antiken oder gar Fälschungen sozusagen verkauft zu bekommen.528 Hinzu kamen Bakschische am Vorabend islamischer Feiertage in teilweise Lebensmittelform, und Entlassungsgelder zum Schluss einer Grabungskampagne bzw. ihres Hauptteils.529 Die Bakschische sollten für die Arbeiter Anreiz dazu sein, einerseits die Arbeitsaufträge der Archäologen zu erfüllen und andererseits regelmäßig bzw. in der nächsten Saison erneut zur Grabung zu kommen.530 Höhen und Häufigkeit der Geldprämien sind vor allem den Lohnlisten zu entnehmen. Deren Vordrucke (o. Kap. 1.2.1.3) enthielten für jeden Wochentag neben der Spalte »Tagelohn« eine eigene für »Zuschlag«. Nach einer Arbeitswoche wurden die in ihrem Verlauf gezahlten Löhne und Zuschläge auf einem gesonderten Bogen (mit dem gedruckten Titel »Zusammenstellung«) zusammengerechnet. Demzufolge beliefen sich die der Arbeiterschaft einer Grabung gezahlten Wochenlöhne auf durchschnittlich 3.600 Piaster (das Maximum markierten die ersten Wochen von Abusir 1907/08 mit über 20.000 Piastern), die Zuschläge auf durchschnittlich 200 Piaster. Wie viel Prozent der Wochenlöhne die Zuschläge ausmachten, zeigt folgende Tabelle: 526 Petrie, Methods in Archaeology, 33-35 (Zitat: 33; dort auch die Bezeichnung »bakhshish system«); ferner Petrie, Seventy Years in Archaeology, 95; Drower, Early Years (Egypt Exploration Society), 19, 33; Spencer, Petrie Earliest Egypt, 22; Fagan, Rape of Nile, 224 (»Basically, Petrie was buying the contents of [his excavation] site in competition with the dealers«); Woolley, Dead Towns (1920), 34-37 (35: »In Egypt, where the workman acknowledges no real loyalty to his employer, and has no scruples about stealing what he has found, the rule has grown up of paying him as a reward the sum that a travelling dealer would be likely to offer for the antiquity in question«). Zur Tradition des »Bakschisch« im »Orient«: Forsten, Bachschisch, 43-58. 527 Für gute Arbeit: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1903/4, 12 (Mauerzug); ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 220f.; 1907/08, 463 (Steinschleppen), 515 (Fundtransport zum Bahnhof); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 121, 137; 1910, 78 (»Kraftleistung am ›Ruhetag‹«); für Funde: Steindorff et al., Tgb. Giza 1905 (Sphinxtempel), 4; Aniba 1912, 124, 127; Qau 1913/14, 227; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 288, 380; Amarna 1912/13, 79; 1913/14, 188. Zumindest Rubensohn kaufte an seinen Grabungsstätten auch Anwohnern, die (illegal) in der Stätte gegraben hatten, Antiken bewusst zu »ordentlichen Preisen [ab], damit sie diese ihm und nicht jemand anderem anböten«. Mit dieser Praxis hatte er schon bei seinen Ausgrabungen in Griechenland Erfolg gehabt (Kuckertz, Rubensohn [2020], 53). 528 Kap. 5.3 Abs. 6; vgl. Raue, Steindorff Ausgrabungen, 430; Droop, Excavation, 73. 529 Festbakschische: Kap. 3.3.7; Entlassungsgelder: Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 102; 1910, 155, 178, 183; Abusir 1910, 71; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 175, 332, 402; Amarna 1908, 30; 1911, 193; 1913/14, 285. 530 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 106; 1907/08, 515; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 137.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Tab. 3.3.9.2:: Zuschläge während einer Arbeitswoche im Verhältnis zu den Wochenlöhnen (nach Lohnlisten, gerundet) Zuschläge:

Drei höchste Werte (Grabungswoche)

Kampagne

Wochen

Median

1.

2.

3.

Abusir 1901/02

20

4,4 %

184 % (20.)

29 % (19.)

26 % (1.)

Abusir 1903

13

2,5 %

74 % (9.)

70 % (13.)

19 % (11.)

Abusir 1903/04

22

0,7 %

379 % (22.)

2 % (15.)

2 % (9.)

Abusir 1907

18

1,1 %

144 % (18.)

32 % (13.)

15 % (12.)

Abusir 1907/08

21

0,7 %

18 % (16.)

5 % (19.)

4 % (14.)

Abusir el-Mel. 1905

7

10,0 %

56 % (7.)

56 % (1.)

20 % (3.)

Amarna 1912/13

17

5,5 %

713 % (17.)

152 % (16.)

88 % (9.)

Giza 1906

12

0,1 %

16 % (6.)

7 % (2.)

3 % (8.)

Hermopolis 1905/06

9

0,9 %

20 % (8.)

2 % (6.)

1 % (7.)

Elephantine 1906/07

11

1,7 %

91 % (11.)

6 % (7.)

5 % (8.)

Wir sehen hier, dass die größten Bakschische als »Schlussbakschische« gezahlt wurden; solche führten auch zu den meisten hohen Spitzen während einer Grabung (wie in der 9. Woche von Amarna, die mit 3.228 Piastern auch die in absoluten Zahlen höchste Zuschlagssumme markierte), da Ortskräfte bzw. die Mehrzahl der Arbeiter bereits nach Abschluss der eigentlichen Grabungsarbeit entlassen wurden, bevor die Stamm- bzw. restlichen Arbeiter restliche Arbeiten alleine erledigten. Das höchste relative Maximum von 713 Prozent (Amarna, letzte Woche, 1.151 von 162 Piastern) honorierte die Nofretete-Büste bzw. andere Funde jener spektakulären Kampagne (Kap. 5.3 Abs. 7); mit dem zweithöchsten von 379 Prozent (Abusir 1903/04, letzte Woche, 2.280 von 602 Piastern) mag Borchardt sich nach sechs Saisons deutscher Grabungen bei Abusir von den treuen Arbeitern verabschiedet haben, da er für diese Stätten vorerst keine Mittel mehr bewilligt bekam.531 Die während der Grabungsarbeit für Einzelleistungen bzw. -funde gezahlten Zuschläge betrugen pro Woche für gewöhnlich weniger als 10 Prozent der Löhne. Einen verständlichen Ausreißer markierte die 3. Woche von Amarna (Dezember 1912), in der die Nofretete-Büste und andere Schätze gefunden wurden (2.147 Piaster Zuschläge = 52 Prozent von 4.168 Piastern Lohn). Doch in 73 von 150 erfassten Grabungswochen gab es weniger als 1 Prozent Zuschläge, also fast keine. Wegen der hohen und zuverlässig eintretenden Schlussbakschische erreichte der Durchschnitt aller Zuschlagsarten – in der

531

Zu den Mitteln: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 79f.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Tabelle sind zudem »Festbakschische« enthalten532 – zusammen pro Grabungswoche trotzdem rund 17 Prozent der Löhne. Auf der individuellen Ebene richtete sich die Höhe der Entlassungs- und Feiertagsgelder nach der Klasse bzw. dem Lohnsatz des jeweiligen Arbeiters. Tagebücher und Lohnlisten geben uns folgende Beispiele: Liste 3.3.9.2: Klassenabhängige Zuschläge bei Grabungskampagnen in Piastern pro Person und im Verhältnis zu den Tageslohnsätzen (… %)533 1. Zum islamischen Opferfest a) Abusir 1901/02: Einfache Arbeiter (Jungen) 1,5 (60-65 %); einfache Arbeiter (Männer) 2,5 (65-70 %); Spezialdienstleister 2,5 (50-70 %); Vorarbeiter 10 (200-220 %); Senussi 20 (335 %). b) Giza 1905: Bessere Arbeiter (Männer) 4 (100 %?); Diener 10 (? %); Koch 15 (? %); Aufseher 6 (75 %?); Vorarbeiter 10 (≥ 50 %). 2. Zum Kampagnenschluss a) Abusir el-Meleq 1905: Bessere Arbeiter (Männer) 30 (≥ 750 %); Vorarbeiter 150 (3.000 %); Senussi 700 (11.670 %). b) Giza 1910: Einfache Arbeiter (Jungen) ≥ 3 (100 %); einfache Arbeiter (Männer) ≥ 6 (150 %); bessere Arbeiter (Jungen) ≤ 5 (165 %); bessere Arbeiter (Männer) ≤ 50 (1.100 %); Aufseher 120 (2.670 %?). c) Amarna 1911: Einfache Arbeiter (Jungen) 20 (1.000 %?); einfache Arbeiter (Männer) 40 (1.300 %?); Vorarbeiter 100 (1.600 %?). Diese Zuschlagsarten kamen also den oberen Arbeiterklassen deutlich mehr zugute als den unteren. Fundprämien scheinen dagegen zumindest bei Borchardt nie Aufsehern bzw. Vorarbeitern, sondern lediglich den von ihnen beaufsichtigten Grabungsarbeitern gewährt worden zu sein. Dies sollte vielleicht verhindern, dass die Aufseher ihre Macht dazu missbrauchten, Funde ihrer Untergebenen als eigene zu reklamieren. Jedenfalls blieben Fundprämien namentlich in der Woche der Funde um die Nofretete-Büste in Amarna 1912/13 auf mit Hacke und Korb tätige sowie vielleicht »bessere« (da nicht gespannweise aufgeführte) Männer und Jungen beschränkt.534 Diese spektakulärste Phase aller von mir untersuchten Ausgrabungen brachte auch die wohl höchsten Fundprämien mit sich: bis zu 400 Piaster für eine Person (mit einem Tageslohn von 4 Piastern) (Abb. 532 Borchardt et al., Lohnliste Abusir 1902, Woche 2.-9.1. [= 1. Woche der Kampagne Abusir 1901/02], Zusammenstellung (»Die Höhe der Zuschläge [26 %] ist durch das Beiramfest u. den Fund des Familiengrabes des m[ittleren] R[eiches] hervorgerufen«). Andererseits sind in den Rechnungen einiger Kampagnen Lohnabzüge enthalten, mit denen Arbeiter bestraft wurden (u. Kap. 4.2.1.2). 533 Quellen: Borchardt et al., Lohnliste Abusir 1902, Woche 14.-20.3., Zuschläge 18.3.; Tgb. Amarna 1911, 193; Möller et al., Lohnliste Abusir el-Meleq 1905, Woche 14.-20.10.; Tgb. ebd. 1905, 105f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 24; 1910, 155. Da mir für die Kampagnen von Giza 1905 und 1910 sowie Amarna 1911 keine (vollständigen) Lohnsätze vorliegen, habe ich sie aus anderen Kampagnen an diesen Orten extrapoliert. 534 Borchardt et al., Lohnliste Amarna 1912/13, Woche 5.-11.12.; ähnlich auffällig Abusir 1904. Dagegen scheint etwa Rubensohn nach Lohnliste Elephantine 1906/07 Fundprämien auch Aufsehern bzw. Vorarbeitern gewährt zu haben (z.B. 10.1.). Zu Männer-Jungen-Gespannen: o. Kap. 3.3.2.2.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

48). Bei »normalen« Funden, die alle paar Tage gemacht wurden, bewegten sich die in den Lohnlisten verzeichneten Prämien freilich zwischen einem halben und wenigen Piastern für jeweils einzelne Arbeiter.

3.3.9.3 Rechnungsführung und Auszahlung »Die Auszahlung der Löhne geschah wöchentlich und zwar stets direkt« (Bericht Grabungen Abu Gurob 1898-1901).535 Was geschehen konnte, wenn Archäologen den Lohn ihrer Arbeiter nicht ihnen direkt, sondern einem Dorfscheich oder Vorarbeiter auszahlten, wusste bereits Champollion: Das Geld kam bei den Arbeitern zumindest nicht vollständig an.536 Petrie vermied Zahlungsumwege wohl infolge der Geschichten über die Raise Mariettes;537 und die untersuchten deutschen Archäologen wussten ebenso, dass »Lohnzahlungen durch Mittelspersonen« diesen die traditionelle »Besteuerung der Arbeiter« erleichterten (Kap. 3.3.3). Da die Moral von Grabungsarbeitern unter einer solchen Besteuerung natürlich leiden würde, riefen die Archäologen bei allen ihren Ausgrabungen am letzten Tag einer Grabungswoche die Arbeiter persönlich zur Auszahlung, die vom jeweiligen Chefarchäologen bzw. seinen deutschen Assistenten durchgeführt wurde (Abb. 34f.).538 Dazu Borchardt an anderer Stelle: »Zur Löhnung wird ein Tisch in die Mitte des [Feld-]Lagerplatzes gerückt, an dem einer von uns nach der vorher schon addierten Lohnliste die einzelnen Arbeiter aufruft; ihm gegenüber sitzt ein zweiter von uns und giebt aus bereitstehenden Säcken mit Silber- und Nickelgeld die jedem einzelnen zukommende Summe gleich abgezählt heraus. Senussi übergiebt sie dem Arbeiter, der noch am Tisch den richtigen Empfang mit einem ›tamâm!‹ [arab. für] ›in Ordnung!‹ zu bestätigen hat«.539 Den Auszahlungsbetrag – Grundlöhne für Anwesenheitstage plus etwaige Zuschläge minus etwaige Abzüge (zu diesen: Kap. 4.2.1.2) – entnahmen die Archäologen also der von ihnen täglich geführten Lohnliste der Grabungskampagne. Das Geld für die Löhne und übrigen Grabungsausgaben überwiesen die deutschen Geldgeber an Banken in Ägypten, in deren Filialen die Archäologen bzw. ihre Boten es abheben konnten.

535 Borchardt, Ne-Woser-Re, 77; ähnlich Ne-User-Re, 164. 536 O. Kap. 2.1.3 (Hartleben, Leben Champollion, 341f.); eine ähnliche Erfahrung machte Belzoni (Egypt, 100). 537 Kap. 3.3.3.2; in der Tat wurden die archäologischen Arbeiter des Antikendienstes in Saqqara durch den Rais Rubi Hamsawi (s. ebd.) »abgelohnt« (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 230). 538 Weiteres Foto einer Auszahlung (Borchardt, Abusir 1902-1904): Borchardt, Ne-User-Re, 164 Abb. 139. 539 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 12f.; ähnlich Schubart, Wüste, 27f. Später erfolgte die Auszahlung wegen einer erhöhten Arbeiterzahl an zwei Tischen: »Mit diesem neuen Modus konnten wir unsere 400 Leute in 50 Minuten ablohnen« (Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 2).

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Abb. 34: Auszahlung (?) der Grabungsarbeiter (Borchardt, Abu Gurob/Abusir 1898-1908)

SCA, Scan 520, Foto 2554. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

Die größte Währungseinheit im Land war das Pfund, das 100 Piastern entsprach. Für die Größenordnungen der Arbeitslöhne eigneten sich die (Nickel-)Münzen im Wert von 0,5 und 1 Piaster, oder die (Silber-)Münzen zu 2, 5, 10 und 20 Piastern. Banknoten hatten einen Wert von 0,5, 1 und mehr Pfund; sie wurden jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts zumal auf dem Land noch kaum benutzt.540 Folglich mussten die Archäologen stets säckeweise kleines Münzgeld bereithalten bzw. es regelmäßig von der nächsten Bankfiliale anfordern bzw. holen (lassen).541 Lag das Geld allerdings in zu kleinen Münzen vor, dauerte die Auszahlung länger; und bei zu großen mussten Arbeiter in Gruppen ausgezahlt

540 Mühl, Ägypten, 18-21. 541 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 1f., 65; 1903, 70f. (»Kein Kleingeld! Viele zum Teil berechtigte Reklamationen [bei der Auszahlung]!«); 1903/04, 8, 28, 246, 266f.; 1907, 67f., 87, 104, 157, 187, 213, 331; 1907/08, 10, 182f.; Amarna 1906/07, 19, 22, 31, 36; 1911, 5, 106; 1911/12, 149f.; 1912/13, 78f.; 1913/14, 30, 73, 188; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 222, 226, 228; 1902/03 ebd., 106, 108; 1903/04 ebd., 101f., 117, 149; 1904/05 Hermopolis, 50; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 150, 208, 215; 1905, 15, 40; 1909, 3, 63, 152; 1910, 13f., 60; Aniba 1912, 3, 223; Qau 1913/14, 24, 137f.; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 6f.; Theben 1913, 19, 40; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 65, 115; 1908/09 Philadelphia, 98, 100, 164f.; 1909/10 Medinet Madi, 93; Schubart, Wüste, 42, 49f.; Rubensohn, Briefe an Familie, 375f. (Kairo, 24.12.1903: »Eine entsetzliche Not herrscht hier an Kleingeld«, Umtausch kostet hohen Zuschlag).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

werden.542 Wenn eine Bank den Archäologen ihr Geld verspätet bereitstellte, liehen sie sich zur Not welches von Touristen.543

Abb. 35: Auszahlung der Grabungsarbeiter; links am Tisch sitzend Steindorff; rechts daneben stehend Obervorarbeiter Senussi (Aniba 1912)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Löhnung1912).

Am Zahlungstag konnten Arbeiter sich ihren Wochenverdienst entweder auszahlen oder von den Archäologen als Guthaben festhalten lassen. Hiervon Gebrauch machten wohl vor allem jene Arbeiter, die während der Kampagne im Feldlager wohnten und viel Bargeld dort nicht sicher aufbewahren konnten und es auch für ihre Familie vorerst nicht benötigten.544 Für diese Guthaben legten die Archäologen eigene Beutel an.545 In Dimai

542 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 40f. (Münzen aus Gold, d.h. zu mindestens 50 Piastern); 1910, 125f. (»wir [müssen] alle Beträge unter 5 P[iastern] in halben Piasterstücken zahlen«). 543 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 279-281; Aniba 1914, 300; weitere Verzögerungen seitens einer Bank bzw. deutscher Überweiser: Giza 1909, 56f.; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 3f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, zw. 299/350 (einige Arbeiter können infolge dessen noch nicht entlassen werden; ähnlich 1908/09 Dimai, 253f.); 1909/10 Medinet Madi, 122; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 4-7. 544 Schubart, Wüste, 28. 545 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 13; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 34; 1903/04, 264; Amarna 1911, 16, 83; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 102; Steindorff, Brief an Möller, 9.1.1906 (Bevorzugung von Beuteln gegenüber dem »vorjährige[n] System, jedem Mann ein Conto zu eröffnen« – dies habe »die Uebersicht über die Finanzen sehr erschwert«); ferner Steindorff et al., Tgb.

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1909/10, wo ausschließlich Stamm- bzw. mitgereiste Arbeiter (aus Quft und Abusir) beschäftigt wurden, wurde allen »der Lohn nicht wöchentlich ausgezahlt, sondern gutgeschrieben, und sie erhielten immer nur eine kleine Anzahlung« (wohl für den Einkauf auf dem örtlichen Wochenmarkt).546 Wenn viele Arbeiter unregelmäßig kamen, hielten die Archäologen am Zahltag einen Teil der Löhne auch zwangsweise zurück, um die Leute mit dieser Kaution zum Wiederkommen zu zwingen.547 Umgekehrt konnten vertrauenswürdigen Arbeitern Vorschüsse auf ihren Lohn gewährt werden, wenn sie aus persönlichen Gründen darum baten.548 In den Lohnlisten stehen Vorschüsse und Guthaben übrigens eventuell, aber dann nicht explizit, in der Spalte »Bemerkungen«. Zusätzlich führten die Archäologen zumindest für Vorschüsse separate Listen (über deren Verbleib ich nichts weiß).549

3.4 Das Sprechen der deutschen Archäologen mit und über ihre ägyptischen Arbeiter Damit ihre Unternehmungen so abliefen, wie in den Abschnitten unter 3.3 beschrieben, mussten die Archäologen mit ihren ägyptischen Arbeitern sprechen. Anschließend haben sie in ihren Texten über diese Abläufe bzw. die Tätigkeit der Arbeiter gesprochen, sodass wir davon erfahren können. Was wir aber erfahren, hängt von der Ausdrucksweise der Archäologen ab.

3.4.1 Die deutschen Archäologen und die arabische bzw. nubische Sprache In Ägypten sprachen die Fellachen den ägyptischen Dialekt des Arabischen mit seinen regionalen Unterdialekten; in Nubien die vom Arabischen sehr verschiedenen nubischen Sprachen. Deren nördliche Verbreitungsgrenze lag bei Zuckers Grabungsplatz Kom Ombo. In Assuan, rund 40 Kilometer weiter südlich, sprach man sowohl Arabisch als auch Nubisch; auf Elephantine wie wohl in der Gegend von Aniba eher letzteres. Von den Beduinen sprachen nur manche Stämme in Oberägypten, die weit vom Nil entfernt lebten, statt Arabisch eine andere – afrikanische – Sprache. Koptisch – die ursprüngliche, vom Arabischen verschiedene Sprache der ägyptischen Christen – war im 17. Jahrhundert ausgestorben; die Kopten sprachen seither ebenfalls Arabisch.550

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Aniba 1914, 377 (viele Quftis »holen« ihr »ganzes Guthaben« »ab«; um all das auszuzahlen, leihen sich die Archäologen Geld vom lokalen Omden, d.h. Ortsvorsteher). Schubart, Wüste, 28. Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 52, 101; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 80; Abusir 1907, 378f.; 1907/08, 16, 113f., 395; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 100f. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 32f.; 1911/12, 29 (Vorschüsse von bis zu 40 Piastern pro Junge und 50 pro Mann); 1912/13, 107 (»Es werden von allen Leuten hohe Vorschüße verlangt. Es wird aber nur so viel gewährt, daß Jeder bei der nächsten Auszahlung wieder ins Plus kommt«); 1913/14, 5, 37 (Quft-Jungen Abadi Muse und Ahmed Mahmud el-Abd mit ihrem Vorschuss »durchgebrannt«; ebenso ein Mann aus Abusir: 44f.), 81, 97f., 295, 299; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 17; Philadelphia, 79 (Vorschuss für neue Arbeiter abgelehnt). Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 107. Hall, Egypt, 29-31; zu den nubischen Sprachen und Dialekten ferner Beckett, Nubia, 201.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

In größeren Orten sprach man neben Arabisch: Französisch, Italienisch, Englisch oder sogar Deutsch, weil viele Menschen vom internationalen Tourismus lebten und viele Gewerbetreibende selbst aus dem westlichen Ausland stammten. In der ägyptischen Verwaltung war das osmanische Türkisch bereits 1870 durch das Arabische ersetzt worden. In der Praxis sprachen Behörden bzw. gebildete Ägypter daneben Französisch und, spätestens in meinem Untersuchungszeitraum, zunehmend Englisch.551 Beim Antikendienst standen den untersuchten Archäologen ohnehin meist Beamte aus Frankreich (wie Maspero) oder Großbritannien (wie Quibell) gegenüber, wenn nicht gar der Deutsche Emil Brugsch (Kap. 3.2.3). Als deutsche Bildungsbürger beherrschten die Archäologen neben ihrer Muttersprache zumindest Französisch und (etwas) Englisch. Die meisten Grabungsarbeiter und Spezialdienstleister sprachen hingegen (ägyptisches) Arabisch. In Deutschland lernten Ägyptologen dies – wie heute552 – auch in ihrem Studium nicht. Steindorff musste sich 1903 den arabischen Brief des Obervorarbeiters Senussi an ihn von seinem Leipziger Professorenkollegen für Orientalistik, August Fischer (1865-1949), übersetzen lassen (Abb. 4).553 Wer wie Borchardt den größten Teil des Jahres (seit spätestens 1898) in Ägypten verbrachte, eignete sich die Landessprache, wenn er wollte, sicherlich bald an. Bei anderen der untersuchten Archäologen wuchsen die Kenntnisse langsamer – aber mit jeder Feldsaison, die sie absolvierten. Wenn sie Zeit fanden, lernten sie in Ägypten Arabisch auch aktiv vor bzw. während einer Grabung – abends oder am Ruhetag.554 Rubensohns Arabischkenntnisse, die er sich 1898, bevor er für drei Monate bei der deutschen Ausgrabung in Abu Gurob aushalf (Kap. 3.2.1), anzueignen begann, »scheinen soweit gereicht zu haben, um mit seinen Arbeitern zu kommunizieren« – wenngleich er die arabische Schrift erst 1903 beherrschte.555 Möller soll in Ägypten »die arabische Landessprache sich ausgezeichnet« angeeignet haben; ebenso Zucker durch die Tätigkeiten »als Ausgräber und erfolgreicher Aufkäufer von Papyri«.556 Borchardt bescheinigte seinem Grabungsassistenten Friedrich Rösch ein »gründliches praktisches Können« des »Ägyptisch-Arabischen, in das er nach kurzer Übung vom Algerisch-Arabischen her hineinkam«, das er während seiner vierjährigen Missionstätigkeit in Algerien gelernt

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Mühl, Ägypten, 15f.; Zucker, Von Kairo bis Assuan, 3; Schubart, Wüste, 3, 36; Fénoglio, Langues, 264f. 552 Hansen, Arabic and Its Role in Egyptology. 553 Ebenso bat Steindorff Fischer um die Übersetzung seiner Antwort an Senussi (Steindorff, Brief an Fischer, 22.9.1903). 554 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 39, 43; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 2; 1907/08, 248, 424; Amarna 1911/12, 173; 1912/13, 108; 1913/14, 13f., 95. 555 Kuckertz, Rubensohn (2020), 36, 41f. (Zitat: 41); vgl. Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 134f. (Abu Gurob, Dezember 1898 [bei Grabung Borchardt]); (S.) 64c (oberägyptischer Nil, 20.12.1901), 370 (Kairo, 19.12.1903), 478 (ebd., 28.10.1904). 556 Schäfer, Möller, 2 (vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1913, 15f.); Koerner et al., Zucker. Zucker war es somit möglich, ihn beeindruckende »Gespräche mit seinen Grabungsarbeitern« zu führen: »Bis ins hohe Alter [vermochte] er längere Passagen daraus in der Originalsprache zu zitieren, stets mit dem Hinweis, wie tief ihn die Volksweisheit, die aus den Worten der einfachen Fellachen sprach, berührt habe« (Schmidt, Zucker, 299; vgl. Zucker, Von Kairo bis Assuan, 4; o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 2).

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hatte.557 Heinrich Schäfers Arabisch, das er erst während seiner bis dahin zwei Jahre in Ägypten nebenbei gelernt hatte, reichte offenbar aus, um jene Volkslieder aufzuschreiben und grob zu übersetzen, die ihm 1900/01 in Abu Gurob seine Informanten aus Saqqara mitteilten; dabei erhielt er von Borchardt kleineren arabistischen Rat und von Senussi Hilfe beim Verständnis.558 Zudem erforschte Schäfer das Nubische, unter anderem auf Steindorffs Expedition durch (das nördliche) Nubien 1900, wo viele Menschen, auf die man traf, nicht gut Arabisch sprachen.559 Auch der Ägyptologe Hans Abel (1883-1927), der von 1908 bis 1911 Borchardts Institutsassistent in Kairo war und währenddessen Steindorffs Grabungen in Giza und Abusir sowie Borchardts in Amarna begleitete, beherrschte neben dem Arabischen das Nubische in beachtlichem Maße: Er ließ sich 1910 von drei nubischen Kontaktpersonen eine Erzählung im Dialekt von Ermenne diktieren und erläutern und edierte sie dann in lateinischer Umschrift und deutscher Übersetzung mit linguistischem Kommentar.560 Auf dolmetschende Dragomane verzichteten die untersuchten Archäologen wie schon Petrie (o. Kap. 2.2.1). Trotzdem erwähnen sie selten Wortwechsel zwischen ihnen und Arbeitern; und noch seltener zitieren sie Arbeiter wörtlich – dafür aber manchmal auf Arabisch: Arbeiter nennen einen ausgegrabenen aus Ziegeln gemauerten Behälter »ṣafaḍ«, einen Kalksteinknopf »râs el-aemûd«, oder Kalksteinplatten »loaḫ ḥagar abiad«; Arbeiter aus Abusir antworten auf die Frage, wo ihre nicht erschienenen Dorfgenossen seien: »fi eiʿ Šuġl el quibb« (bei Quibells Ausgrabung); als Senussi bei einer Mumie nicht die erwarteten Beigaben findet, flucht er: »Ibn el-Kalb« (Hundesohn); ein Arbeiterjunge meldet eine Sonnenfinsternis während der Grabung mit den Worten: »Esch Schems mât« (Die Sonne ist gestorben).561 Auf der Siwa-Expedition ließ Steindorff sich von den mitreisenden Beduinen die arabischen Bezeichnungen für Pflanzen und anderes zu Beobachtende nennen.562 Borchardt notierte, wie Schäfer in seinem erwähnten Buch, zwei von jeweils einem Arbeiter gedichtete Lieder in lateinischer Umschrift und deutscher Übersetzung.563 In den Tagebüchern verwenden die Archäologen, um Dinge zu beschreiben und Gefühle zu äußern, immer wieder, variierend mit Schreiber und Kampagne, bestimmte (ägyptisch-)arabische Ausdrücke – in lateinischer, variierender Schreibweise:

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Zit.n.: Grünewald, Rösch, 51 (vgl. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 123 mit Anm. 1346); zu Rösch auch o. Kap. 3.3.8, 1.2.1.5. Kap. 1.2.2; Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, VIII-X, XIIIf. mit XIV Anm. 1; Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 184. Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 77, 172, 183. Abel, Erzählung, bes. 3; zu Abel: Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 121f.; Mode, Amarna (1983), 32. Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 69 (safad); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 85 (ras); Aniba 1912, 148 (Senussi); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 99 (quibb); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 24 (Schems), 76 (loah). Z.B. Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 52-54, 71f., 77, 275. Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 5f. (vgl. ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 108f.); ders. et al., Tgb. Amarna 1913/14, 106f.; zum ersten Lied: u. Kap. 4.3; zum zweiten: u. 4.2.2.1 Anm. 229.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Liste 3.4.1: In den Feldtagebüchern am häufigsten verwendete arabische Ausdrücke In alphabetischer Reihenfolge; mit a) allgemeiner564 und b) archäologischer Bedeutung. Lateinische Schreibweise jedes Ausdrucks von mir vereinheitlicht. 1) afsch565 ( ‫)عفش‬: a) Gepäck; Hausrat; b) Gepäck; Ausrüstungsgegenstände (der Grabung); bei Möller zudem: gefundene Antiken; beim Papyrusunternehmen zudem: antike Abfallschicht, die u.a. Papyrus enthalten konnte.566 2) beled567 (‫) بلد‬: a) Land; Stadt; Dorf; b) Heimatdorf von Arbeitern. 3) chawagat568 (‫ ;خواجات‬Pl.): a) Herren; Herrschaften i.S.v. engl. gentlemen; b) dito; in Amarna zudem: Borchardts deutsche Grabungsassistenten. 4) el-hamdu li-Llah569 ( ‫) الحمد ﷲ‬: a) und b) Gott sei Dank; glücklicherweise. 5) ferge570 ( ‫) فرقة‬: a) Truppe; Abteilung; Verbund; b) Arbeiterkolonne (o. Kap. 3.3.2.2).

564 Vgl. Spiro, Arabic-English Vocabulary (1895), 403 (o. Nr. 1), 56 (2), 184 (3), 151 (4), 452 (5), 93 (6), 525 (8), 528 (9), 468 (11), 411 (12), 315 (13), 653 (14), 363 (15); English-Arabic Vocabulary (1897), 215 (7), 224 (10). Aus Spiro auch die in der Liste angegebenen arabischen Schreibweisen. 565 Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 67-69, 71, 73, 84, 88, 94, 108-110, 117f., 121, 126, 138, 143-146; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 178, 186f., 200, 208f., 220, 225; 1905, 2, 24; 1910, 3; Qau 1913/14, 59; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 101, 103; 1906, 52, 54-56; Theben 1911, 9, 29, 128, 138, 140; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 53, 100, 127, 130, 142, 144, 211, 213f., 222, 229, 231, 260f., 271, 280; Kom Ombo, 372f.; 1908/09 Abusir el-Meleq, 33; Philadelphia, 51, 230, 242, 246, 257; Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 2f., 9, 30, 54. 566 Vgl. Grenfell/Hunt, Introductory (Fayûm Towns and Papyri) (1900), 24: »the papyrus-digger has to follow a stratum […] of what the natives call afsh, – one of those convenient ›blank-cheque‹ words which in the limited vocabulary of the fellahin can take a variety of meanings. […] It is the more difficult to describe afsh in general terms because, although we can from experience to some extent state the conditions under which antiquities, and papyri in particular, are as a rule found in ancient towns, we are not able in most cases to explain how these conditions arose. Afsh consists of earth mixed with little bits of twig or straw; and the depth of a stratum of it may vary from a few inches to several metres. […] No doubt in a general way afsh is to be explained as house-rubbish, in the sense of what was rubbish at the time the house was being used, but how afsh comes to lie in the particular ways in which it is found is not in our power to explain«. 567 Bes. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 270f.; 1907/08, 478; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 23; 1910, 160. 568 Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 116f.; 1905/06 Hermopolis, 33; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 89; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 138, 169; 1913/14, 36, 56, 87, 115f., 148, 153, 188, 192f., 200, 207, 211, 283, 285f., 293, 295; vgl. Zucker, Von Kairo bis Assuan, 3 Anm. 1 (im Singular »Anrede an den Europäer«). 569 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 263; 1908/09 Philadelphia, 56; 1909/10 Medinet Madi, 139; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 89; Aniba 1912, 253; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 215; 1912/13, 60. 570 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 71, 98, 104, 125, 127f., 134, 176, 178, 181, 183, 187, 202; Amarna 1911/12, 7, 27, 34, 50, 79, 125, 209, 214, 226, 239, 241.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter 6) gebel571 ( ‫)جبل‬: a) Berg; b) Hügel, an dem Abusir el-Meleq liegt (o. Liste 3.1 Nr. 54); erhöhte Fläche; Ablagerungen (geologisch: »Mergel«) unter der losen oberen Sandschicht der Wüste; der gebel kann so stark zusammengepresst bzw. hart sein, dass die alten Ägypter ihre Bauten an bzw. auf ihn setzten, nachdem sie ihn zugeschnitten hatten.572 7) in-scha-Llah573 ( ‫) ان شاء ﷲ‬: a) und b) so Gott will; hoffentlich. 8) kalam574 (‫)كالم‬: a) Gespräch; b) streitendes Reden seitens Ägyptern; langwierige Verhandlungen mit ihnen z.B. über Löhne bzw. Bezahlung; Palaver. 9) kenise575 ( ‫)كنيسة‬: a) Kirche; b) Schutzhaus, das in Amarna über einem bemalten Fußboden errichtet worden war, den Petries Ausgrabung 1891 in den Überresten des Königspalastes entdeckt hatte.576 10) mabsud577 (‫)مبسوط‬: a) und b) glücklich; zufrieden. 11) mafisch578 ( ‫) ما فيش‬: a) es gibt nicht …; b) es gibt keine Funde. 12) malesch579 (‫)ما عليش‬: a) und b) schade; so ist es nun einmal; macht nichts. 13) schurl580 (‫)شغل‬: a) Arbeit; b) Ausgrabung(-skampagne; -platz). 14) tandif581(‫)تنضيف‬: a) Reinigen; Säubern; b) Reinigen bzw. Ausfegen freigelegter Baustrukturen in der Grabungsstätte, damit sie aufgenommen werden konnten (auch als Verb: »tandifen«).

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Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 219; 1907/08, 53, 63, 512; Amarna 1911, 178; 1911/12, 52, 178, 209f., 260, 291; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 18; Aniba 1914, 346, 472, 518; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 149; Kom Ombo, 299, 355, 357f., 360, 365; 1908/09 Abusir el-Meleq, 2, 10, 28, 39; Philadelphia, 53, 67, 128, 178; 1909/10 Medinet Madi, 92. Murray, Abydos, 1. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 32; Abusir 1907/08, 478; Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 30; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 14; Theben 1913, 50; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 125; 1910, 114. Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Hermopolis, 36; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 18; Amarna 1911/12, 80, 83, 133, 267; 1913/14, 56, 218, 285; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 46; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 556; vgl. Schubart, Wüste, 28, 57. Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 11; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 15, 85f., 111f., 119; 1911, 24, 168, 182, 189; 1911/12, 50, 183, 190, 213, 218, 261, 263, 265, 269, 280; 1912/13, 16. Weatherhead, Painted Pavements Amarna, 179f. mit Taf. XXIV:1. Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Oberägypten, 13; Hermopolis, 162, 170; 1904/05 Abusir el-Meleq, 102; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 182; Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 83, 179. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 7; 1903/04 Abusir el-Meleq, 101; 1904/05 Hermopolis, 52; Abusir el-Meleq, 69; Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 32f.; 1909, 170; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 33; Amarna 1913/14, 124. Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 92, 118; Hermopolis, 162; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 55. Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 57, 66; 1902/03 Abusir el-Meleq, 122, 125; 1904/05 Hermopolis, 20, 23; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 19, 152, 175, 180, 237; Amarna 1911, 86, 88, 95, 100; 1911/12, 39, 49, 69, 75, 83, 88, 127, 132-134, 136; 1913/14, 97; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 52, 66, 75, 85, 89, 91, 96f., 103, 105, 112, 118, 129, 196f., 206; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 233; 1914, 445, 472, 488. Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 79, 170, 172, 175, 177, 181, 230, 340f.; Amarna 1911/12, 9f., 13, 36, 42f., 175, 177, 224, 243, 245, 296; 1912/13, 161, 237, 239, 244, 253, 269; Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 15, 54, 59, 74, 137, 155; Aniba 1914, 528; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 42, 44, 84, 104.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen 15) tard582 (‫)طرد‬: a) Entlassung; Ausweisung; Vertreibung; Paket(-sendung); b) Transport von in Kisten verpackten Fundstücken zum nächsten Bahnhof.

Im Hinblick auf Steindorffs Ausgrabungen bezeichnet Raue diese Ausgrabungssprache etwas salopp als »Slang«, der sich bei Steindorff und seinen Mitarbeitern »[s]ehr bald [heraus]bildete«, da sie anders als Borchardt »nur über rudimentäre Kenntnisse des modernen Arabisch verfügten«.583 Allerdings ist es umso bemerkenswerter, dass die Deutschen arabische Ausdrücke wie die obigen in den Tagebüchern auch für eigene Formulierungen verwendeten statt nur, um Aussprüche von Ägyptern wiederzugeben. Mit dem unbestreitbaren Humor der Archäologen (Kap. 3.4.3.2) allein lässt sich diese Sprache nicht erklären; vielmehr bezeugt sie, dass die Deutschen mit ihren Arbeitern und die Arbeiter mit den Deutschen regelmäßig Arabisch sprachen. Andernfalls wären viele der arabischen Ausdrücke nicht nötig gewesen bzw. schon deshalb nicht gewählt worden, um externen Lesern der Tagebücher in Deutschland (1.2.1.1) das Verständnis nicht zu erschweren. Wir können uns leicht vorstellen, wie obige Ausdrücke zwischen Deutschen und Arbeitern benutzt worden sind. Jene wiesen diese bzw. die Vorarbeiter an, eine »ferge« zu bilden oder an den »tandif« zu gehen; umgekehrt meldeten die Arbeiter zu Funden an einer Stelle »mafisch« oder aber, dass sie etwas im »afsch« gefunden hätten. Des Weiteren sprachen die Arbeiter die Deutschen als »chawagat« an. Einen neu einzustellenden Arbeiter fragten die Deutschen nach seinem »beled«. Bei der Auszahlung verneinte ein Arbeiter die Frage, ob er Einwände gegen den Auszahlungsbetrag anzumelden habe, mit »mabsud«. Manchmal deuten die Tagebücher auch den konkreten Gesprächskontext an: »Abd el Gajid […] muß leider in sein Beled zur Aussaat« – mit dieser Erklärung wird er um seine Entlassung gebeten haben. »Abul Hassan befindet sich heute viel besser – el hamdu lillâh! – so daß man wohl keine weiteren Besorgnisse zu haben braucht« – mit dem arabischen Ausruf wird er die Frage nach seinem Befinden beantwortet haben. »Papyrus wird heute leider auch nicht gefunden, S[e]nussi macht darob ein so trauriges Gesicht, daß ich obwohl selbst auch gar nicht mabsud ihn noch trösten muß« – mit der Verneinung des Wortes »mabsud« mag Senussi seiner Enttäuschung Ausdruck verliehen haben. »Nach Tisch Ritt zum Tard […]. Die schwierige Stelle« auf dem Weg des Wagenzugs zum Bahnhof »wird erst morgen – inschaʾallahʿ – erreicht werden« – mit diesem Ausruf werden auch die betreffenden Arbeiter gegenüber dem Tagebuchschreiber den Fortschritt des »Tards« bzw. Transports kommentiert haben.584

582 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 476, 478f., 482f., 485, 491, 494, 500, 508-510, 512-514, 516. 583 Raue, Steindorff Ausgrabungen, 409 mit Anm. 34. 584 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 270f. (Gajid); 1907/08, 478 (Tard); Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 139 (Hassan); Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 102f. (Senussi). Außerdem Möller, Brief an Schäfer, 17.8.1905 (die oberägyptischen Arbeiter in Abusir el-Meleq »bringen täglich Körbe voll Salz [aus der Grabungsstätte] in ihr Zelt und erklären vergnügt, jeder könne soviel mit ins Sʿaîd [arab. für »Oberägypten«] nehmen, daß er ein Jahr lang seine ʿAds [»Linsen«] damit kochen könne«); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 88 (»Auszahlung der Qurnawijungen um 5 Uhr, die übrige Gesellschaft bekommt morgen früh ihr fulûs [»Geld«]«).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Auf der anderen Seite stieß die arabische Kommunikationsfähigkeit der Deutschen früher oder später an ihre Grenzen. Zumindest jene Ortskräfte, die die Gegend ihres Dorfes selten bis nie verließen, sprachen wohl ein stark von regionalem Dialekt gefärbtes Arabisch; von Ort zu Ort unterschieden sich Begriffe nicht nur in ihrer Aussprache, sondern mitunter in ihrer ganzen Gestalt.585 Ein grundsätzlicher Unterschied bestand darin, dass Oberägypter den Buchstaben Qaf (‫ ;ق‬hocharabische Aussprache ähnlich »q«) wie »g«; Unterägypter ihn dagegen gar nicht aussprachen. Hierdurch »entstellten« Arbeiter aus der Gegend von Giza, Abusir oder Saqqara manche Wörter für die Deutschen »bis zur Unkenntlichkeit« (»Saqqara« würden sie zum Beispiel als »Sa’ara« bezeichnen), weshalb Schäfer sich bei seiner Liedersammlung in Abu Gurob ihm unverständliche Wörter, die er von seinen unterägyptischen Informanten gehört hatte, von Arbeitern aus Quft aussprechen ließ.586 Langjährige Stamm- bzw. Vorarbeiter insbesondere aus Quft werden umso mehr in der Lage gewesen sein, mit den deutschen und anderen westlichen Archäologen Arabisch so einfach, langsam und deutlich zu sprechen, dass die Ausländer es verstanden. Deutsch oder eine andere europäische Sprache scheint zwar selbst Senussi, der jahrzehntelange Obervorarbeiter aus Quft, nicht gesprochen zu haben – zumindest wird Gegenteiliges weder von den Archäologen mitgeteilt noch von Hans Alexander Winkler, der den Rais in den 1930er Jahren nach dessen sozusagen Pensionierung interviewte (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 6a). Trotzdem verstanden die Deutschen das Arabisch zumindest der Vorarbeiter; und umgekehrt verstanden diese, aufgrund ihrer archäologischen Kompetenz, die Anweisungen bzw. Ziele und Wünsche der deutschen Archäologen und konnten sie, aufgrund ihres muttersprachlichen Arabisch, in Anweisungen umwandeln, die den einfachen Arbeitern verständlich waren. Und auch gegenüber Anwohnern der Grabungsstätte oder Behördenvertretern konnten die Vorarbeiter das grobe Arabisch der Deutschen in feinere Sprache übersetzen bzw. komplexe, nicht alltägliche Gespräche für sie führen.587 In dieser Weise dienten Vorarbeiter als Sprachmittler, wenngleich die Deutschen diese Funktion selten so deutlich wie in den folgenden drei Fällen beschreiben: »Am Abend ließ ich Ibrahim Feijid [einen Anwohner, der von der deutschen Grabungsstätte in Giza Steine zum Bauen nehmen wollte] […] erneut kommen, erzählte ihm die ganze Sache [dass die Steinentnahme nicht möglich sei], ließ sie ihm auch durch Senussi vortragen«. »Für uns alle […] war es schwer, dem Gange der Verhandlung [mit Omden, d.h. Ortsvorstehern, wegen eines Angriffs eines Dorfbewohners auf einen Vorar585 Winkler, Volkskunde, Kap. 4 mit 453. 586 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, IX mit Anm. 1; vgl. Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 184. Zu dieser und anderen Eigenschaften arabischer Dialekte im ländlichen Ägypten: Woidich, Rural Dialect; zum Dialekt in Quft: Nishio, Dialect of Qifṭ (1995); ausführlich: Ders., Dialect of Qifṭ (1994). Nishio führte seine Untersuchungen an drei Männern aus Quft durch, die als Arbeiter an japanischen Ausgrabungen in El-Tur (Sinai) teilnahmen. 587 Vgl. Schubart, Wüste, 4 (Mahmud Ali, »der zwar auch kein Wort Deutsch konnte, aber schon an mehreren Grabungen teilgenommen hatte und gewohnt war, sich mit Europäern zu verständigen«; er für die Archäologen verhandelnd mit einem Eisenbahnbeamten: ebd., 34). Senussi half Schäfer auch beim Verständnis unterägyptischer sowie nubischer Lieder (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 183f.).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

beiter der Deutschen] zu folgen, da der Omde von Etmanîje, ein würdiger alter Herr, […] nur sehr schwer zu verstehen war, da er sehr undeutlich und schnell sprach. Sen[u]ssi musste uns die wichtigsten Teile der Verhandlung in ein Arabisch übersetzen, das uns allen leidlich verständlich war«. »Senussi fragte heute die [Ab]usiris warum sie denn jetzt nicht in hellen Haufen« sich zur deutschen Grabung meldeten, »da sie doch nichts zu tun hätten? Antwort: Sie warteten auf den Beginn von Quibells Schu[r]l. Senussi darauf: Aber er nimmt dann doch keine [Ab]usiris […]. Antwort: […]«.588 Sprachmittlung war sicherlich auch ein Zweck, zu dem Senussi Rubensohn und Zucker auf den ersten ihrer jeweiligen Reisen zu Antikenhändlern begleitete.589 Doch wie kamen die Deutschen mit den nubischen Sprachen zurecht, die im tiefen Süden verbreitet waren? Als in Aniba die sudanesischen Arbeiter streikten, schickten die Archäologen den Vorarbeiter Ali Ajan (= Alejan?; aus Quft?), um mit ihnen zu sprechen590 – weil er bzw. die Sudanesen (vgl. Kap. 1.1.1) Nubisch sprachen? Heinrich Schäfer und Hans Abel erforschten, wie eben erwähnt, sogar die nubische(n) Sprache(n); die anderen der untersuchten Archäologen zeigten hingegen kein dahingehendes Interesse. Ihre Diener und Köche stammten teils aus Nubien (4.1.2) – sprachen diese bei Bedarf auch mit nubischsprachigen Arbeitern? Andererseits mag das Arabische von vielen Nubiern zumindest verstanden worden sein.591 Nubischen Dienstboten wurde zwar, in einem Reiseführer, vorgeworfen, »auch bei langem Aufenthalt in Alexandrien oder Kairo meist nur mangelhaft Arabisch« zu lernen, doch legte solch ein Urteil wohl allzu hohe Maßstäbe an die Sprachkenntnis an, wie ein anderer Reiseführer vermuten lässt: »Es wäre ein großer Irrtum zu glauben, daß man von seinem [nubischen] Diener arabisch lernen könne. Weder grammatische Form noch Aussprache sind in seinem Munde exakt«.592 Andere Autoren jedenfalls bescheinigten Nubiern ein »bewundernswertes Sprachtalent«; nubische Kellner in Ägyptens großen Hotels würden beispielsweise »zum großen Teile fließend englisch« sprechen.593 Wie dem auch sei, sprachliche Probleme mit nubischen Arbeitern oder anderen potenziell Nubischsprachigen werden von den untersuchten Archäologen nirgendwo erwähnt – im Gegensatz etwa zu Belzoni (o. Kap. 2.1.2). Und auch von Problemen wegen des Arabischen hören wir erstaunlich selten.

3.4.2 Zur Tätigkeit der Arbeiter: Was die Archäologen sagen Dass die Arbeiter der untersuchten archäologischen Unternehmungen Großes geleistet haben, wird letztlich durch deren Anzahl bzw. Dauer beglaubigt: 21 Unternehmungen 588 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 186 (Feijid); Qau 1913/14, 197f. (Omden); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 41f. (Quibell; zum Anlass des Gesprächs: o. Kap. 3.3.3.1 Abs. 4). Vgl. Winkler, Bauern, 13 (Senussi »übertrug« Winkler die »schnelle [arabische] Rede« eines Dorfvorstehers »in gemäßigte Sprache«). 589 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 8; 1902/03 ebd., 1, 9; 1903/04 ebd., 22; Fayyum, 1, 5; Zucker et al., Tgb. 1907 Fayyum/Oberägypten, 1, 6, 17. 590 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 10. 591 Beckett, Nubia, 201; Baedeker, Ägypten, LXI. 592 Mühl, Ägypten, 79 (1. Zitat); Baedeker, Ägypten, LXI (2. Zitat). 593 Magnus, Aegypten Wirtschaftsleben, 49.

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mit insgesamt 58 Kampagnen (darunter 48 Grabungskampagnen) an insgesamt mindestens 18 verschiedenen Orten in Ägypten (Kap. 3.1) in insgesamt jedem Jahr zwischen 1898 und 1914. Wären die Arbeiter größtenteils »unbrauchbar« gewesen, hätten die Archäologen zumindest Ausgrabungen nicht in diesem Maße durchführen können. Ihre insgesamt 2.599 erfassten Grabungstage mit durchschnittlich jeweils 131 Arbeitern (Kap. 3.3.1) entsprechen aufseiten der Arbeiter 340.469 Personenarbeitstagen und, wenn wir pro Arbeitstag eine Dauer von »nur« 9 Stunden ansetzen (3.3.0), 3.064.221 -arbeitsstunden. Während dieser Zeit bewegten die Arbeiter Hunderttausende Kubikmeter Abraum (3.3.5.2), legten Zehntausende Quadratmeter antiker Stätten frei (in Amarna waren es insgesamt rund 530 Wohneinheiten; in Abusir el-Meleq wurden 1905 fast 1.000 Gräber geöffnet), und bargen Zehntausende Funde – das Fundjournal mancher Kampagne schloss mit allein über 1.000 Einträgen.594 Eine Vorstellung davon, was diese Leistungen körperlich bedeuteten, vermitteln die in dieser Studie abgebildeten Grabungsfotografien. Die Grabungstagebücher vermitteln die Tätigkeit der (einfachen) Arbeiter mit Verben, die ich in Kap. 3.3.2 aufgezählt habe: ausgraben, forttragen, reinigen und so weiter. Konkret kann das so klingen: »1 Arbeiter räumt den Schacht aus, dessen Ausräumung wir am 17 März unterbrochen haben«. »Die Colonne Illahun gräbt oben […] in der Höhle und legt sie zu einem großen Teil bis zum Abend frei«. »Leute arbeiten im Thaltempel am Fortschaffen des Sandes«. »Leute vom Transport beginnen mit dem Bereitlegen der Blöcke für den 3. Transport im Säulenhof«. »Die Kolonne Senussi hat ein bescheidenes Wohnhaus in Angriff genommen«. »Abulhassan gräbt an O 51/1. Er findet darin 2 Bronzemesser […]. Die andere Hälfte seiner Mannschaft hat in den Häusern N 50/6 etc Tandif gemacht und geht auf ein neues Haus, nördlich davon, über«. »Abulhassan [bringt] endlich, unter aller erdenklichen Vorsicht – eine runde Säulenbasis […] heraus!«. »Senussi gräbt an P 47,3 u[nd] 4 weiter, und legt den bisher vermißten Zugang zu P 47 3 frei«. »Eine […] Mannschaft verfolgt einen riesigen Mauerzug«. »Dicht dabei stoßen die Leute auf Schachtgräber«. »[D]ie Leute haben [an den anderen Kammern] vorbeigegraben und dem Nachrieseln des Schutts durch vorgelegte Ziegel vorgebeugt«. »Im Schutt von Grab 33 finden die Leute eine schöne Kopfstütze«. »Eine […] Kolonne […] zieht […] Versuchsgräben durch das Gebiet«. »Bei C kommen die Leute bald auf Ziegelmauerwerk«. »In F1 stoßen die Arbeiter heute auf die Grabkammer«.595 Auch qualitativ erreichten die Ausgrabungen bzw. ihre Ergebnisse ein hohes Niveau – wenngleich heutige Archäologen freilich um einiges sorgfältiger bzw. langsamer arbeiten würden (Kap. 5). Nichtsdestoweniger wurden unter Borchardt wegweisende

594 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 266 (1.660); 1912/13, 285 (1.697); zu Amarna: Finneiser, Amarna, 443; zu Abusir el-Meleq: Rubensohn, Archäologische Funde 1905, 126. 595 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 173 (1 Arbeiter); Abu Hamid, 153 (Illahun); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 278 (Taltempel); 1907/08, 453 (Transport); Amarna 1911, 86 (Wohnhaus), 121f. (Bronzemesser); 1912/13, 64 (Säulenbasis), 99f. (Senussi); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 40 (Mannschaft verfolgt); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 55 (Dicht dabei …); Theben 1911, 78 (vorbeigegraben), 121 (Kopfstütze); 1913, 12 (Kolonne zieht), 20 (Bei C …), 85 (F1).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Erkenntnisse über altägyptische Architektur (3.2.5.2), unter Rubensohn und Möller in Abusir el-Meleq wegweisende Erkenntnisse über Ägyptens Prähistorie gewonnen.596 In Amarna wurden zusätzlich spektakuläre Kunstwerke wie die Nofretete-Büste gefunden. Die Ausgrabungen unter Steindorff bis 1914 (und später) verschafften dessen Leipziger Institut den größten Teil seiner Sammlung bzw. die »größte ägyptische Universitätssammlung im deutschen Sprachgebiet«.597 Und die Ausgrabungen des Papyrusunternehmens zumindest unter Rubensohn verschafften den Berliner Museen und, da Berlin Dubletten weitergab, anderen Institutionen neben anderen Objekten insgesamt kistenweise Papyri, darunter durchaus bedeutsame Stücke.598 Dass manche Kampagnen, etwa Theadelphia 1902, in Bezug auf Papyri enttäuschten, lag wohl nicht an den ägyptischen Arbeitern, sondern an der Unberechenbarkeit von Papyrusvorkommen (Kap. 3.2.2.2) bzw. der Stättenwahl der deutschen Archäologen. Zumindest teilweise aus ähnlichen Gründen hatten Zuckers Ausgrabungen insgesamt wenig Erfolg; vielleicht auch deswegen beendete das Papyrusunternehmen bzw. die Berliner -kommission 1910 die Grabungstätigkeit am Nil, um sich auf Papyruskäufe zu beschränken; die Stelle eines ständigen Vertreters in Ägypten wurde mit Zuckers Abberufung gestrichen.599 Der Anteil der Arbeiter an besagten »deutschen« Erfolgen wird ex negativo deutlich, wenn wir daran denken, was ohne sie geschehen bzw. nicht geschehen wäre. Vyse (o. Kap. 2.1.4) erklärte, er habe 1836/37 in Giza nicht wie geplant »the entire area round the Sphinx« freilegen können, weil sein Antrag, »the constant attendance of a sufficient number of people [d.h. Arbeiter]« anzuordnen, nicht an den Vizekönig Mohammed Ali weitergeleitet worden sei – doch »from the immense quantity and the looseness of the sand to be removed in order to make the operation of any real utility, without the constant attendance of a considerable number of people the undertaking would have been almost indefinite as to time and expense«. Hinzu kamen die Betrügereien der anwesenden Arbeiter. Vyse blieb somit nichts übrig, als den Rest seines Plans nachfolgenden Archäologen anzuempfehlen.600 Andererseits hatte Vyse immerhin die Geldmittel, um Arbeiter zu bezahlen; Archäologen, die sie nicht erlangten, mussten sich generell auf weniger personalintensive Forschungen wie das Kopieren von Inschriften beschränken.601 Dagegen »hatten« die untersuchten Archäologen erstens Arbeiter und zweitens solche, die es ihnen erlaubten, ihre Grabungskampagnen jeweils mehr oder weniger un-

596 Finneiser, Abusir el-Meleq, bes. 63, 69; Welte, Abusir el-Meleq, 18-25. 597 Blumenthal, Ägypten in Leipzig, 16, 19-23 (Zitat: 23); Kampp-Seyfried/Raue, Steindorff und Ägyptisches Museum Leipzig, 42-46. 598 Kuckertz, Rubensohn (2020), 37f.; (2015), 46-50; Maehler, Hermupolis, XVI, XXVI. Als gewissenhafte Archäologen warfen Rubensohn und Zucker andere Antiken als Papyri, die sie bei ihrer Suche nach solchen entdeckten, nicht weg, sondern sie dokumentierten sie ebenfalls und bargen die wichtigen (vgl. z.B. Rubensohn, Archäologische Funde 1904, 67; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 175f., 275; 1908/09 Philadelphia, 72; Parlasca, Rubensohn in Abusir el-Meleq, 63-73). 599 Zucker, Archäologische Funde, 238f. mit 238 Anm. 1; Borchardt, Vorjährige Ausgrabungen (Klio 1911), 261; Schmidt, Zucker, 298. 600 Vyse, Gizeh, Bd. 1, xviif. (Zitat); zu den Betrügereien: France, Rape of Egypt, 102f. 601 Siliotti, Egypt, 221: verweisend auf den Briten John Gardner Wilkinson (1797-1875).

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gehindert durchzuführen sowie mehr oder weniger vollständig abzuschließen. Gewiss fehlten manchmal Arbeiter, um die Ausgrabung mit der gewünschten Geschwindigkeit voranzutreiben; und wir können nicht wissen, was die Arbeiter in den Stätten noch alles hätten finden können oder müssen (Kap. 5.3). Doch geben die Archäologen niemals ihren Arbeitern die Schuld, wenn eine Kampagne ihre Ziele einmal nicht vollständig erreichte. Stattdessen konnten Teile von Stätten zumindest vorläufig nicht bearbeitet werden, weil sie unter zu viel Sand und Schutt lagen und/oder den Archäologen das Budget oder die Zeit ausging.602 Und Steindorff bzw. sein Mitarbeiter Hölscher verzichteten aus eigenem Entschluss ganz auf eine Ausgrabung in Hawara (Fayyum), für das sie 1909 die Konzession beantragt hatten – stattdessen wollten sie 1910 länger in Giza graben.603 Dabei erläuterte Hölscher, dass die Giza-Grabung »zu einem ordentlichen Abschluß gebracht werden [muss,] 1.) um die Publikation der Grabdenkmalsanlage des Che[ph]ren leidlich vollständig geben zu können, 2. um die Aufnahme vollständiger machen zu können«.604 Hölscher unterstrich damit die hohen methodischen Ansprüche, die die untersuchten Archäologen an ihre »systematischen« Ausgrabungen (Kap. 3.2.5.2) stellten. Zumindest die Ausgrabungen Borchardts und Steindorffs – die des Papyrusunternehmens und Möllers verfolgten jeweils ein engeres Ziel – sollten aus ihren antiken Stätten möglichst viele bzw. gesicherte Erkenntnisse über das alte Ägypten gewinnen, die dann mit der Fachwelt zu teilen waren.605 Dass die Deutschen dies in vergleichsweise hohem Maße auch erreichten und sie es überhaupt für realistisch hielten, vergrößert die Leistung ihrer Arbeiter um einen weiteren Faktor. Um den deutschen Ansprüchen zu genügen, müssen die Arbeiter entsprechende archäologische Fähigkeiten besessen haben. Natürlich traf dies nicht auf jeden einzelnen zu, aber wenigstens auf (die meisten) Stamm- bzw. Vorarbeiter. Die Vorarbeiter führten die einfachen Arbeiter dann so, dass selbst unerfahrene Tagelöhner die Grabung im Sinne der Deutschen vorantrieben. In der Tat erscheinen Vorarbeiter in den Grabungstagebüchern mitunter als sehr selbstständig. Namentlich in Aniba und Qau war Senussi »der Organisator und Vertrauensmann für alles, was mit der praktischen Arbeit zusammenhängt«.606 In Amarna werden die Arbeiten des Tages bzw. der verschiedenen Arbeiterkolonnen jeweils mit deren Vorarbeitern gleichgesetzt, nach dem Muster: »Mahmud Ali legt x frei …; Soliman Musellim gräbt an y weiter …«. Und in Giza heißt es 1910: »Abul Hassan der vorläufig selbstständiger R[a]is hier ist, [beginnt] […] die Grabung [an der Nebenpyramide] mit rund

602 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 285; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 8; Aniba 1914, 10; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 236. 603 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 1f., 52f., 89; Hölscher, Brief an Steindorff, 31.1.1910; Blumenthal, Ägypten in Leipzig, 22; Raue, Steindorff Ausgrabungen, 431 mit Anm. 231. Allerdings ließ Steindorff 1913 Möller auf dessen Durchreise in Hawara prüfen, »wie es dort nach Petries Tätigkeit [Grabung 1910/11] aussieht« (Möller et al., Tgb. Theben 1913, 6f.; Zitat: 6). 604 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 52f. 605 Vgl. Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 112f., 151 (die Archäologen machen sich »Notizen« für die »Publikation«); Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 48 (»Zu einem ordentlichen Ausgrabungsbericht gehört auch noch die Aufzählung der Einzelfunde«). 606 Raue, Steindorff Ausgrabungen, 438f., 446f. (Zitat).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

10 Mann und 25 Jungen«; und zwei Tage später: »Die Arbeiten von der Nebenpyramide schreiten unter Abul Hassans Leitung tüchtig vorwärts«.607

3.4.3 Zur Tätigkeit der Arbeiter: Was die Archäologen unterdrücken Was die Archäologen auf die im vorigen Abschnitt beschriebene Weise zur Tätigkeit ihrer Arbeiter sagen, fasst das, was diese während ihrer 3,1 Millionen Arbeitsstunden im Einzelnen getan haben, notwendigerweise sehr grob zusammen. Details wie »Arbeiter a hielt seine Hacke in der Weise b« oder »der Sand von Stelle c landete um 9.17 Uhr im Korb von Junge d« hätten die jeweils wenigen Archäologen pro Grabungsstätte bzw. die ihnen berichtenden Vorarbeiter auch, wenn sie gewollt hätten, gar nicht verfolgen können. Hier unter 3.4.3 geht es aber um etwas anderes: Zusätzlich zu dem, was die Archäologen zur Tätigkeit der Arbeiter mehr oder weniger direkt mitteilen, haben sie einen größeren Teil davon ebenso wahrgenommen, ihn in ihren Texten aber mehr oder weniger unterdrückt. Durch Quellenkritik will ich versuchen, jene unterdrückte Tätigkeit auszuloten. Die Unterdrückung geschieht durch folgende sprachliche Mittel:

3.4.3.1 Unterdrückende Sprache (1a) Im Gegensatz zu den in Kap. 3.4.2 aufgeführten Beispielen aktiver Verbformen werden die meisten Vorgänge in der Ausgrabung (3.3.2) im Passiv berichtet – manchmal unter Hinzufügung zumindest eines von möglicherweise mehreren irgendwie Handelnden: »In der Pyramide wird mit 3 Mann und 4 Jungens das Geröll […] fortgeschafft«. »Der Wagen ist vom Dorfschmiede wieder geflickt worden«. »Außerdem wird von Abul Hassan Haus O. 50.1. und von Senussi N. 48.1 in Angriff genommen«. »Bei S[o]liman Musellim, der mit seiner Ferge P. 46.5. ausgräbt, wird ein stelenartiger Stein […] gefunden«. »[Auf Karrenwagen] wird die Statue […] u[nd] die Skulpturen […] unter Aufsicht von Abu’l Hassan u[nd] Isamain in d. Stadt befördert«. »Auf dem Hauptfriedhof werden unter Leitung von R[a]is Ibrah[i]m die 3 Schächte in Angriff genommen«. »Am Morgen kommt […] H[ö]lscher, mit dem zusammen die Mauer untersucht wird«. »Von dem Gros der Mannschaft werden in 3 starken Kolonnen […] 3 Parallelgräben gezogen«.608 In den meisten Fällen fehlt dagegen jedes Agens – es »wird« von wem auch immer »gegraben« oder »gefunden«: »Einige der in Arbeit befindlichen Schachte werden (ohne Resultate) erledigt«. »Nachmittags wird […] angebaut an Mastaba [d.i. bestimmter Grabtyp] V […] ein neuer Schacht beim Reinigen gefunden«. »S[chacht]21 wird beendet. […] Gefunden wird wenig: […] In S23 wird heute die O[st]-Kammer fertig gemacht«. »[Aus dem Schutt] 607 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 128, 132. 608 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 69 (Pyramide); 1907/08, 476 (Dorfschmied); Amarna 1911/12, 7 (Außerdem …); 1913/14, 170 (Musellim); Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 97 (Karrenwagen); Aniba 1912, 212 (Hauptfriedhof); Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 33 (Hölscher); Zucker et al., Tgb. 1909/10 Dimai, 6 (Parallelgräben).

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wird eine […] Opfertafel gefördert. […] Ein neuer Schacht 110 wird angegraben. […] Bei der Ostarbeit wird die Verfolgung des Ziegelmauerwerks […] aufgegeben«. »Bei a wird vergeblich versucht […] in den benachbarten Raum einzudringen«. »Im Säulenhofe wird die erste Papyrusbündelsäule […] gefunden […], auch Farbreste werden […] erkannt«. »Die Reinigung der […] Schachtgräber wird beendigt. […] Mastaba C wird […] von oben abgeräumt. […] Im Sande der Kammer werden […] Näpfe und Becher gefunden. […] Nach [dem] Serdab [d.i. bestimmter Grabraum] wird gesucht, aber nichts gefunden. […] Die Ziegelmauer […] wird weiter verfolgt. […] Innerhalb dieser Mauer werden 3 Kalksteinkammern gefunden. […] Aus dem Brunnen […] vor Mastaba A wird der gestern gefundene Holzsarg herausgeschafft. […] Der Sarg wird unten auseinander genommen und die Stücke heraufgebracht. […] Die Knochen werden gesammelt. Nördlich von diesen Brunnen werden Mauern neuer Mastabas gefunden«. »Es wurde mit drei Förderbahnen gearbeitet. [… Z]uerst wurde das Innere des Hofes völlig ausgeräumt und […] der Gang im Innern des Obelisken zu säubern begonnen […]. Hier wurde zuerst von Süden her in den Obeliskenunterbau hineingearbeitet und dann später […] der Schutt und das Geröll herausgehoben. Gleichzeitig wurde an Schnitten auf allen Seiten der Anlage gearbeitet, die nördliche Futtermauer verfolgt und das Sonnenschiff bis auf die unteren Schichten ausgegraben. Vom 17. Februar an wurde der Aufweg […] freigelegt und mit der Ausgrabung des Portalbaues im Tale, der Untersuchung der Stadtmauer und der Terrassen auf der Ostseite begonnen. […] Nur an wenigen Stellen wurde unter Wasser das Pflaster erreicht«. »[Die Grabung an dieser Stelle] wird als erfolglos aufgegeben. Südlich […] wird ein andres Schachtgrab ausgeräumt, doch noch nicht erledigt. Im Schutt des Schachtes […] werden zwei niedliche Körbchen […] gefunden. In der N[ord]-O[st]-Ecke […] wird ein weiterer Speicher […] aufgedeckt«. »[Bei] D wird weiter nach Süden vorgedrungen und ein neuer Kammernkomplex […] angegraben«. »An der neuen Stelle […] wird der […] Schacht tiefer ausgegraben […] ohne daß eine Grabkammer erreicht wird. Die beiden daneben liegenden Vertiefungen werden ebenfalls tiefer getrieben […]. Bei Fundstelle G. wird das angegrabene Felsgrab ebenfalls bis zu erheblicher Tiefe entleert«.609 (1b) Unpersönliche Passivsätze wie »Es wurde [mit drei Förderbahnen] gearbeitet« reduzieren das Subjekt gar auf ein inhaltsloses »es«, wenn überhaupt: »Es wird […] mit 25 Mann gearbeitet«. »Es wird stramm geschafft«. »Den ganzen Tag wird eifrig gepackt«. »Es soll zunächst in die Tiefe gegangen werden«. »Hauptplatz […], wo jetzt […] vorgerückt wird«. »Es wird vorläufig nur so tief gegraben als notwendig ist«.610

609 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 107f. (Einige der …); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 68-72 (Die Reinigung …), 204 (Nachmittags …); Aniba 1912, 54 (S21/23); Qau 1913/14, 89f. (Opfertafel); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 76 (benachbarter Raum); 1907/08, 130f. (Säulenhof); Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1900/01, 102 (Förderbahnen); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 76 (Die Grabung …); 1913, 46 (Bei D …), 75 (neue Stelle). 610 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 63 (25 Mann); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 256 (stramm); Amarna 1913/14, 300 (gepackt); Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 99 (Tiefe); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 28 (vorgerückt); Aniba 1914 (Teilgrabung), 6 (vorläufig).

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(2) Andere Sätze stehen zwar im Aktiv, benutzen als Subjekt jedoch »wir« oder »man«, während mehr oder weniger unklar bleibt, wer sich hinter diesen Pronomen verbirgt: »Bei Kolonne 2 finden wir die nördl. Bekleidung der Tempel-Außenmauer«. »Man hat […] angefangen die Reliefblöcke des Nebeneingangs abzuarbeiten und wird in den nächsten Tagen dieselben herunternehmen«. »Die zum Brunnen bei O. 48.10 führende Treppe wird weiter ausgegraben, doch ist man bisher noch auf keinen Absatz gestossen«. »Stellenweise sind wir 3 m […] unter angegrabenem Niveau, haben uns zum größten Teil durch die ziemlich lose obere Schuttschicht […] hindurchgearbeitet u. befinden uns in einer starken Lage dichten, festen Schuttes«. »Schon gestern haben wir begonnen, einen großen unbearbeiteten Platz auf der Ostseite der Hauptstraße in Angriff zu nehmen«. »An [dieser] Stelle der Nekropole […] arbeiten wir mit 6 Leuten u. stoßen auf die Reste eines […] Gebäudes. […] Wir haben [den Gipsestrich] beseitigt, um darunter in die Tiefe zu gehen. […] Wir haben bisher umsonst nach einem Grabschacht gesucht. […] [An dieser Stelle] haben wir wieder einmal ziemlich viel Sand fortzuschaffen. […] In der Nekropole kommen wir […] auch heute nicht weiter, nirgends eine Spur eines Grabzuganges zu entdecken«. »Im Innern des Tempels rückt man gut vorwärts«. »Wahrscheinlich werden wir von der Ecke D aus in N[ord-]O[st]-Richtung den Schutt abführen«. »Kurz vor Schu[r]lschluss stößt man in Loch 18 auf […] Grabbeigaben«. »Es erscheinen […] einige Röhrenperlen […]. Als man ihnen nachgeht findet man […] die Figuren noch deutlich erkennbar in ihrer Lage«.611 (3a) Bei archäologischen Ausgrabungen handeln Menschen – ägyptische Arbeiter wie deutsche Archäologen – an Sachen bzw. Altertümern. Passiv macht letztere – die Objekte der Handlung – zu Subjekten. Das gleiche tun die untersuchten Autoren darüber hinaus in Aktivsätzen, in denen sie den Altertümern mehr oder weniger belebte Prädikate beigeben. Altertümer »finden sich« oder »kommen heraus«, »zum Vorschein« oder »zutage«; Hohlräume »öffnen sich«; Grabungsstellen »entwickeln sich« in bestimmter Weise und »ergeben«, »bringen« oder »liefern« Erkenntnisse oder Sachen, die wiederum bestimmte Eigenschaften »zeigen«, »verraten« oder »vermuten lassen«.612 Weitergehende Beispiele: »Das eine Skelett hat uns genarrt«. »Von Schächten warten nur noch« zwei »der letzten Erledigung«. »[Grab] 32 […] hält [nicht das], was es gestern versprach«. »Die beiden Elternmumien präsentieren sich nach Freilegung als vollkommen intakt«. »Am wenigsten Ergebnisse hatten […] die westlichen Arbeitsplätze gebracht, […] da gestern auch

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Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 292 (Kolonne), 432 (Reliefblöcke); Amarna 1911/12, 198 (Brunnen); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 81f. (Stellenweise …); 1908/09 Philadelphia, 125 (Ostseite), 177-180 (Nekropole); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 71 (Im Innern …), 75 (Wahrscheinlich …); Abusir 1910, 31 (Schurlschluss); Qau 1913/14, 228 (Röhrenperlen). Ein solches »reversal of agency, in which the objects discovered seem to discover the onlookers«, war laut Colla »the most common feature of aesthetic travel writing in Egypt« (Conflicted Antiquities, 182; vgl. 35, 70f., 183). Archäologen wie die untersuchten mögen mit dieser Selbstverleugnung die besondere moralische Legitimation gestärkt haben, derer sie als Ausländer bedurften, um in Ägypten zu arbeiten (u. Kap. 4.2.2.1: Chadha, Wheeler, 389f.; ferner Pratt, Imperial Eyes, 7; Kap. 3 [»anti-conquest« als »strategy of innocence«]).

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die Umgebung des Korridors, aus der einige Bruchstücke [Papyrus] gekommen waren, völlig versagt hatte«. »Bes. Ärger verursacht uns ein sehr großes zusammengefaltetes Stück [Papyrus], auf dem nur 2 dreizeilige Quittungen stehen, von denen die eine nicht einmal vollständig ist«. »Die betr. Hausanlage aber gibt uns noch weiter zu tun«. »Die […] Treppe verspricht nach dem bisher Ausgegrabenen eine anständige Anlage«.613 (3b) Die Autoren vollenden die Personifizierung der antiken Sachen, indem sie ihnen belebte Substantive oder einen eigenen Willen zuordnen: »In dem Haus […] werden […] Pithoi [d.s. antike Gefäße] gefunden, […] einer ganz ordentlich erhalten, der andere mit leichten Verletzungen«. »Der Tempel bekommt heute […] endlich sein richtiges Gesicht«. »Das vielversprechende Tonnengewölbe erweist sich leider als ein Genosse der vielen bisher gefundenen Tonkrüge: es ist […] zerstört«. »So scheint auch dieser Schacht […] eine Enttäuschung werden zu wollen«. »[D]ie große Mastaba scheint sehr stattlich werden zu wollen«. »Die […] 4. [Säulenbasis] aber will sich nicht finden«. »Östl. vom […] Zeltplatz wollen sich […] überhaupt keine Gräber zeigen«. »Die […] Grabung an der Hauptstraße scheint etwas lohnender werden zu wollen«. »Das Haus scheint gar keine Funde liefern zu wollen«.614 (3c) Auch Arbeitsvorgänge werden – auf Kosten der sie bewirkenden Menschen – zu Subjekten nicht nur von Passivsätzen (wie »die Grabung wird fortgesetzt«), sondern auch von Aktivsätzen gemacht: Grabungen »gehen ihren Gang« oder »nehmen ihren Fortgang«, »rücken vor«, »nähern sich« bestimmten Stellen oder ihrem Abschluss, »ergeben« oder »bringen« Funde; Funde »setzen sich fort« oder aber »hören auf«.615 Des Weiteren: »Am nächsten Morgen konnte endlich der Weitertransport vonstatten gehen«. »Die [Oberägypter], deren Ankunft [in der Gegend] […] um 10 Uhr am vorigen Tage stattgefunden hat, […] treffen [an der Grabungsstätte] ein«. »[E]s wird ein Rundgang [durch die antike Stätte] unternommen«. »Die Freilegung macht […] viel Arbeit«. »Die Einrichtung unseres Wohnhauses ist inzwischen […] tüchtig weiter gediehen«. »[…] die Friedhofsgrabung, wo sich längst eine Verstärkung nötig macht, […]«. »Bei der Ostarbeit wird die bisherige Vorwärtsbewegung verlassen«. »Die Ostarbeit bringt […] noch keine Klärung der Sachlage«. »Die Arbeit legt ein paar Ziegelmauern frei«. »Ferner wird ei-

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Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 169 (Skelett); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 135 (Von Schächten …); Aniba 1912, 71 (Grab 32); Qau 1913/14, 141 (Elternmumien); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 85 (Am wenigsten …), 195 (Ärger), 204 (Hausanlage); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 193 (Treppe). 614 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 101 (Pithoi); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 161 (Tempel); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 62 (Schacht); 1906, 22 (Mastaba); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 239 (Tonnengewölbe), 251 (Säulenbasis); 1908/09 Abusir el-Meleq, 16 (Zeltplatz); Philadelphia, 188 (Hauptstraße); Dimai, 238 (Das Haus scheint …). 615 Z.B. Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 107 (Gang); Aniba 1912, 83 (Fortgang); Qau 1913/14, 112 (aufhören); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 146 (weitergehen), 159 (sich nähern); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 111 (vorrücken), 262 (fortgesetzt werden); 1908/09 Philadelphia, 54 (sich fortsetzen).

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ne Tastung an der südlichsten Pyramide vorgenommen«. »Die Arbeiten im Säulenhof werden forciert«.616 (4) In seltenen Fällen werden Arbeiter sprachlich durch von ihnen geführte Werkzeuge bzw. Tiere ersetzt, mithin entmenschlicht: »Die nächste Umgebung wird vergeblich nach Gräbern abgesucht, überall stößt die Hacke auf festen Boden«. »Ein Kamel war um Wasser zu holen in Kairo«.617 (5) Ebenso zu passiven Werkzeugen werden die Arbeiter, wenn die Archäologen sie in der Grabungsstätte »bewegen« wie Schachfiguren auf dem Brett: Arbeiter bzw. Gruppen von ihnen werden an bestimmte Stellen »gesetzt«, »gestellt« oder »gezogen«, oder von ihnen »weggenommen«, und so weiter: »Bald […] die meisten [Leute] aus dem Tempel […] herausgezogen und an die Nordseite des Aufweges gesetzt«. »Die Leute werden alle weiter nach Osten an ein neues Haus gestellt«. »[D]ie ganze Belegschaft [wird] in die westl. Abteilung [der Grabung] hinübergezogen«. »Nach Mittag wird die ganze Arbeiterschaft nördlich dirigiert um […] nach […] Skeletten zu suchen«. »[…] danach wird die ganze Kolonne nach Norden befördert um […] auf Papyruscartonnage […] zu graben«. »Um Mittag wird die Arbeiterschaft wieder an die vorgeschichtliche Nekropole gesetzt«. »Im Norden werden nur die Arbeiter belassen, die am Treppengrabe arbeiten. Die übrigen werden in eine kleine Lücke [einer vorherigen Grabung] gesetzt«. »Grabung C [wird] einstweilen eingestellt und die freiwerdenden Leute teils bei E teils bei D angesetzt«. »Infolgedessen wird das Gros der Leute wieder auf den Arbeitsplatz am Südende unserer Nekropole geschickt«. »[D]a jedoch die Fortsetzung [der Grabung an den Häusern] immer mehr zwecklos erscheint, wird nur eine kleine Gruppe [von Arbeitern] im Südwesten belassen […]. Alle übrigen Leute werden nach Norden auf den höher gelegenen K[o]m [d.i. antiker Siedlungshügel] gezogen und z.T. auf dem gestern begonnenen Platze, z.T. noch weiter nördlich angesetzt«. »Aus [besagtem] K[o]m […] werden heute die meisten Leute weggenommen u. nur an der Stelle des S[üd]O[st]-Abhanges, die vorgestern mehrere Fragmente älteren Datums lieferte, einige Arbeiter zurückbehalten«. »[D]as Graben westl. der Straße [ist] ganz ergebnislos […], weshalb die dort beschäftigten Leute entfernt werden«. »Mittags wird die Hauptmannschaft von der Mastaba weggenommen und bei der Königinnenpyramide angestellt«.618

616 Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 4 (Weitertransport); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 11 (Oberägypter); Aniba 1912, 24 (Rundgang), 70 (Freilegung); 1914, 308 (Einrichtung), 368 (Verstärkung); Qau 1913/14, 63 (Vorwärtsbewegung), 111f. (Klärung), 161 (Ziegelmauern); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 176 (Tastung); 1907/08, 167 (forciert). 617 Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 180 (1. Zitat); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 318 (2. Zitat). 618 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 280 (Tempel); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 71 (neues Haus); 1903/04 Abusir el-Meleq, 96 (Belegschaft); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 18 (Nach Mittag …), 32f. (befördert), 37 (Um Mittag …), 44 (Im Norden …); Theben 1913, 35 (Grabung C); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 39 (Gros); 1909/10 Medinet Madi, 95 (Fortsetzung), 105 (Abhang), 122 (Das Graben …); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 175 (Mittags …).

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Zudem können Arbeiter »mitgenommen« oder »verwandt«, oder Arbeiten »mit ihnen vorgenommen« werden.619 Wenn die Archäologen solche Sätze nicht im Passiv formulieren, sondern ausgehend von einem »wir«, das für die Archäologen selbst steht, dann zeigen sie zudem, dass ihr »wir« (o. Abs. 2) die ägyptischen Arbeiter durchaus nicht einschließen muss: »Eine Strecke südlich […] setzen wir 4 Arbeiter an«. »[…], so daß wir die meisten Leute bald wieder von [dieser Grabungsstelle] wegnehmen«. »[Wir] schicken […] die Leute, die […] an der Straße nahe dem Ostende frei werden, wieder nach der großen Südnordstraße«.620 (6) Individuelle Grabungsarbeiter verlieren ihre Namen und ihre gesamte Individualität hinter Kollektiven, die als handelnde Einheit erscheinen: (»die«) Leute/Arbeiter/ Kolonne/Mannschaft und so fort. Doch aus je mehr Individuen eine solche Gruppe besteht, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie wirklich alle das gleiche taten und zu Recht so pauschalisiert wurden: »Es werden besonders vorsichtige Leute an die Fundstelle gesetzt«. »Wegen Nebels verspäten sich die Arbeiter etwas«. »Die Leute stoßen sehr bald auf Ziegelmauerwerk«. »Die Kolonne Senussi hat ein bescheidenes Wohnhaus in Angriff genommen«. »Für die abgegangenen 10 Arbeiter stellt sich heute eine Ersatzkolonne von über 50 Mann ein, die aber alle bis auf 6 Mann heimgesandt werden«. »Die andere Kolonne der Arbeiter gräbt […] in den eingefallenen Häusern«. »Die Leute legen […] den Grundriss eines römischen Hauses frei«.621 Wenn trotzdem differenziert wird, sieht das zum Beispiel so aus: »Die Hälfte der Arbeiterschaft setzt die Grabung am bisherigen Platze fort, die andere nimmt den […] Raum zwischen dem vorjährigen Süd- und Mittelschu[r]l in Angriff«. »Fast die ganze Mannschaft geht jetzt […] gegen den Hof des Tempels vor«. »Es arbeitet hier nur ein kleiner Teil der Mannschaft«.622 (7) Während die Archäologen auch in den Tagebüchern sich meist nicht in Stichwörtern, sondern in ganzen und miteinander zusammenhängenden Sätzen ausdrücken, werden einige Vorgänge in der Grabung durch sehr allgemeine bzw. ungenaue Begriffe oder durch Ellipsen stark verkürzt:

619 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 269 (»Mit [17 Oberägyptern] werden die letzten Reinigungsarbeiten am Ibugrabe vorgenommen […]. Die […] Mannschaft wird […] dazu verwandt den Weg [zu einem Grab] auf Kammern hin zu untersuchen«); Aniba 1914, 466 (»Am Nachmittag fahren [Steindorff und deutsche Assistenten] nach Kasr Ibrim, wohin auch S[e]nussi mitgenommen wird, um das [südliche] Gelände […] nach Grabstätten abzusuchen«). 620 Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Hermopolis, 48 (Strecke); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 181 (wegnehmen), 187 (schicken). 621 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 192 (vorsichtige Leute); 1907, 174 (Nebel), 196 (Ziegelmauerwerk); Amarna 1911, 86 (Kolonne Senussi); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 133 (Ersatzkolonne), 137 (andere Kolonne); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 86 (Grundriss). 622 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 65f. (Hälfte); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 86 (Hof); Qau 1913/14, 231 (Teil).

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»Funde = Ø«. »In der Nordbahn nichts von Bedeutung«. »An der Versuchsstelle im Osten ist fast gar nichts los«. »Ausser den gestrigen sind 14 neue Gräber […] in Arbeit«623 – doch wer verrichtet an den Gräbern jeweils welche Arbeit?

3.4.3.2 Ein Teil der Gründe für diese Sprache Mit diesen und vielleicht noch anderen sprachlichen Mitteln unterdrücken die Archäologen die Tätigkeit der ägyptischen archäologischen Arbeiter vor allem in den Tagebüchern nicht nur an den angeführten Beispielstellen, sondern insgesamt unentwegt. In einem großen Teil der Fälle tun sie dies allerdings nicht in dieser Absicht oder gar diesem Bewusstsein, sondern weil praktische oder zumindest konventionelle Erfordernisse sie zu der beschriebenen Sprache zwingen: (0) Je mehr Menschen an einem Vorgang beteiligt sind, desto stärker müssen sie bei dessen sprachlicher Darstellung zusammengefasst werden. Wenn eine Armee kämpft, ein Volk wählt oder eben viele Arbeiter die gleiche Arbeit verrichten, können die Soldaten, die Bürger oder die Arbeiter außerhalb von Verzeichnissen nicht einzeln aufgezählt werden. Versuchte man dies (sofern man überhaupt alle Namen wüsste), würde man den Kommunikationsakt ins schier Endlose verlängern und damit unmöglich machen. Nur mithilfe von Sammelbegriffen lässt sich über größere Gruppen von Menschen (oder Dingen) überhaupt sinnvoll sprechen. Insofern kann ihr Gebrauch weder jemandem vorgeworfen werden noch bedeutet er (in Ägypten oder sonst wo) irgendeine Wertung des Zusammengefassten. Nichtsdestoweniger kann man bedauern, dass Individuen in den Sammelbegriffen nicht mehr sichtbar sind, und versuchen, etwas über sie herauszufinden – dies ist schließlich eine Aufgabe von Geschichts- bzw. Sozialwissenschaft. (1) Pauschalisierungen (Kap. 3.4.3.1 Abs. 6) und Verkürzungen (ebd., Abs. 7) auch dessen, was die Archäologen wahrgenommen hatten, waren schon insofern unvermeidbar, als der Tagebuchschreiber unter ihnen am Abend eines langen Grabungstages weder die Zeit noch die Kraft gehabt hätte, den Tag auf mehr als ein paar Seiten festzuhalten. (2) Mehr Informationen, als auf diese paar Seiten passten, wären für den Zweck der Tagebücher auch gar nicht nötig gewesen. Diese dienten den Archäologen dazu, sich selbst und anderen an der Grabung bzw. deutschen Ägyptologie Beteiligten Rechenschaft über den Verlauf der Grabungskampagne abzulegen; und sie dienten den Archäologen als Rohmaterial ihrer anschließend zu publizierenden Feldberichte über ihre Ausgrabungen (Kap. 1.2.1.1). Das inhaltliche Interesse von sowohl Tagebüchern als auch Publikationen war demnach so wie das von Ausgrabungen: archäologisch – und nicht ethnologisch, soziologisch, geologisch oder anders. Aufgrund dessen konzentrieren sich die Tagebücher, und die kürzeren Feldberichte umso mehr, auf das Archäologische bzw. das alte Ägypten. Altertümer werden zu Satzsubjekten oder gar Personen erhoben (3.4.3.1 Abs.

623 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 99 (Funde); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 222 (Nordbahn); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 109 (Versuchsstelle); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 386 (Gräber).

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3a-b), wohingegen Grabungsarbeiter bzw. das moderne Ägypten zu jenen »nebensächlichen Einzelheiten« gehören, über denen »wir« zum Beispiel »nicht die Hauptaufgabe dieses Berichtes außer Auge lassen [dürfen]: die Darstellung der Resultate der zweiten Ausgrabungsperiode in Abusir«624 – oder welcher Grabung auch immer. In ihrem Schreiben sind die Archäologen also an einen bestimmten Zweck gebunden gewesen. In den Publikationen sorgten auch ihre Verlage und die Erwartungen ihres Fachpublikums dafür; in den Tagebüchern müssen die Schreiber sich jeweils bzw. kollektiv selbst auferlegt haben, nicht vom »eigentlichen« Thema abzuschweifen. So wie sie zuvor auch die Grabungsarbeit auf ihr oberstes Ziel ausrichteten, Erkenntnisse über das alte Ägypten zu gewinnen. Deshalb ließen sie Altertümer »nur so weit« freilegen, »wie es für die [archäologische] Aufnahme notwendig sei«625 – bzw. für die Feststellung und Sicherung von Funden.626 Deshalb sahen sie ihre menschlichen Arbeiter mitunter als bloße Werkzeuge (Kap. 3.4.3.1 Abs. 4-5) oder trennten deren Tun bzw. Funktion von deren Person ab (ebd., Abs. 3c). Und deshalb blieben sicherlich viele Arbeiterangelegenheiten Nebenschauplätze, die in den Texten von vornherein ausgeschlossen waren – selbst wenn die Autoren vermelden, dass an einem Tag »[s]onst nichts neues« geschehen oder »sonst nichts los« sei, beziehen sie sich meist auf Funde bzw. archäologische Entdeckungen.627 (3) Das oberste Ziel der Archäologen war Ägyptologie, die Wissenschaft vom alten Ägypten. Sowohl das Ausgraben als auch das Schreiben darüber waren Methoden dieser Wissenschaft: Das eine gewann Erkenntnisse; das andere teilte sie, in Tagebüchern indirekt, in Publikationen direkt, anderen Ägyptologen mit, damit diese die Erkenntnisse vermehren würden. Aufgrund dessen verwenden die untersuchten Autoren eine Fachsprache: die der Wissenschaft im Allgemeinen, und die der Ägyptologie bzw. Ägypten-Archäologie im Besonderen – wie es die Normen ihres Berufs vorschrieben. Fachsprachen sind ihrerseits zumindest in informeller Weise spezifisch normiert bezüglich ihres Vokabulars und ihrer Grammatik. Die Archäologen verwenden von mir teils schon erläuterte Fachbegriffe aus Grabungstechnik (»Kolonne«, »angraben«, »aufmessen«), altägyptischer Architektur (»Mastaba«, »Serdab«, »Scheintür«), Kunstgeschichte (»Fayence«, »Säulenbasis«, »Relieffragment«), und anderen archäologischen Teilgebieten. Grammatik haben Fachsprachen freilich keine eigene. Sie unterliegen den gleichen sprachbaulichen Regeln wie die Gemeinsprache. Von den hiernach möglichen Konstruktionen allerdings verwenden Fachsprachen manche mehr, manche weniger; und je stärker sie sich auf bestimmte Konstruktionen – sowie bestimmte Fachbegriffe – beschränken, desto stärker unterscheiden sie sich von der Gemeinsprache – in unserem Fall dem alltäglichen hochsprachlichen Deutsch vom Anfang des 20. Jahrhunderts.628

624 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 5. 625 Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 116. 626 Vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1911, 120 (»Bis Montag wird im Amenophistempel weitergegraben, dann sind etwaige Fundstücke sämtlich freigelegt«). 627 Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 142; 1904/05 ebd., 69; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905 (Sphinxtempel), 13; 1906, 40; Aniba 1912, 217; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 66, 327. 628 Hoffmann, Fachsprachen und Gemeinsprache, 159, 161-163.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Grammatikalisch beobachten wir in den untersuchten Texten eine Vorliebe für das passivische Genus Verbi (Kap. 3.4.3.1 Abs. 1a-b) – Aktivsätze mit einem unbestimmten »man« oder »wir« als Subjekt (ebd., Abs. 2) sind nichts anderes als Ersatzformen des Passivs.629 Im textlichen Zusammenhang kann das Passiv zwei Funktionen erfüllen: Es verändert den Bau des Satzes (»Argumentrestrukturierung«), und es rückt das Agens, den »Täter« des Gesagten, in den Hintergrund oder verschweigt ihn sogar (»Argumentreduktion«).630 Die Archäologen bezwecken die Reduktion, da diese wiederum drei Anforderungen wissenschaftlicher Fachsprache631 erfüllt: (3.1) Fachsprachen sollen die Kommunikation zwischen Angehörigen des gleichen Faches erleichtern. Dies gelingt umso besser, je »ökonomischer«632 die Fachsprache ist; das heißt, je stärker sie sich auf das eigentlich Mitzuteilende beschränkt und alles (vermeintlich) Unwichtige weglässt. Das Passiv rückt »die Sache« in den Vordergrund633 – in unserem Fall das, was in einer Grabungsstätte getan wurde, sowie das, was dabei im wörtlichen Sinne herauskam. Aus diesen Informationen würden die lesenden Fachkollegen der Archäologen das für sie Entscheidende ableiten können – zum Beispiel, dass die alten Ägypter an der jeweiligen Stätte in einer bestimmten Epoche diese oder jene Objekte besessen haben. Die zusätzliche Information, dass der Grabungsarbeiter x ein entsprechendes Objekt mit seiner Hacke freigelegt habe, würde an jener Erkenntnis über die alten Ägypter nichts ändern. Und insofern die Leser Fachkollegen waren, wussten sie ohnehin, wie eine archäologische Ausgrabung in Ägypten ablief (Kap. 1.3.1). In der Tat setzen Fachsprachen ein gewisses »kollektives Wissen« von Sender und Empfänger voraus, das ihnen ihre charakteristische Ökonomie bzw. Sparsamkeit ermöglicht,634 ohne die zugleich von ihnen geforderten Prinzipien der Exaktheit und Explizitheit zu verletzen.635 (Bei Äußerungen über Grabungsarbeiter spielen diese Prinzipien dagegen keine Rolle, weil die Archäologen sich zu diesem nicht-archäologischen »Nebenschauplatz« nicht fachsprachlich – also etwa soziologisch oder ethnologisch – äußern wollten bzw. konnten.) (3.2) In einem Aktivsatz wie »Arbeiter x gräbt eine Säulenbasis aus« unterliegt das wissenschaftliche Ergebnis – »im alten Ägypten stand dort eine Säule« – scheinbar der spezifischen Person des Arbeiters x. Hat er die Säulenbasis während des Ausgrabens beschädigt oder sie zuvor gar selbst an diese Stelle gelegt? Der Passivsatz »Eine Säulenbasis wird ausgegraben« ist frei von solcher Kontingenz. Durch die Reduktion des Agens erscheint

629 Eroms, Stil, 179. 630 Zifonun, Tempus, Modus und Genus Verbi, 325-328. 631 Zur konstitutiven Bedeutung von bzw. ihrer Sprache für die Wissenschaft: Kretzenbacher, Fachsprache als Wissenschaftssprache, 134 (»Wissenschaftliche ›Fakten‹ […] sind […] vor allem in Form sprachlicher Aussagen vorhanden«). 632 Allgemein: Fijas, Ökonomie für Fachsprachengebrauch. 633 Eroms, Stil, 96. 634 Möhn, Fachsprache als Gruppensprache, 155. 635 Baumann, Exaktheit; Hahn, Explizitheit.

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die »Sache« anonym, unpersönlich, objektiv, allgemeingültig;636 mit einem Wort: wissenschaftlich. (3.3) Auch Fachsprachen unterliegen dem stilistischen »Variationsgebot«.637 Da das Agens in vielen Sätzen identisch wäre (»der Arbeiter gräbt hier, dann gräbt der Arbeiter dort«), werden mit dem Agens zugleich stilistisch unerwünschte Wiederholungen reduziert.638 Auch der Nominalstil (einschließlich substantivierter Infinitive), den die Archäologen bisweilen an den Tag legen, sowie verbfreie Kurzsätze wie die unter Kap. 3.4.3.1 Abs. 7 angeführten gehören zur Fach- bzw. Wissenschaftssprache, weil sie Anonymität und Ökonomie fördern.639 Andererseits sind die untersuchten Texte (a) weitgehend narrativ; (b) sie erwähnen durchaus Arbeiterangelegenheiten, die nicht unbedingt zur archäologischen »Sache« gehören (etwa Verpflegung und Verarztung); (c) sie enthalten eine Prise Humor bzw. Ironie;640 und (d) sie wählen Aktiv statt Passiv mitunter dort, wo das Passiv ökonomischer wäre (3.4.3.1 Abs. 3c). Allerdings widerspricht all das nicht dem wissenschaftlichen Anspruch der Texte: (a) ergibt sich aus dem narrativen (»schildernden«) Charakter der Textsorte »Tagebuch«641 und dem »deskriptiven« Charakter archäologi636 Oksaar, Anonymität für Fachsprachengebrauch, 397-399. 637 Zu diesem: Eroms, Stil, 24-26, 93f. (»stilistische Kompensationen des zur Eintönigkeit neigenden Beschreibens«), 96, 179. 638 Zu diesen und weiteren Leistungen des Passivs: Veiser, Passiv. 639 Oksaar, Anonymität für Fachsprachengebrauch, 399f.; Fijas, Ökonomie für Fachsprachengebrauch, 393. Besonders auffällige Beispiele für Nominalstil: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 43f. (»Mit vielen Mühen wird dieser [Sarg] herausgeholt, bei dem fortwährend drohenden Einsturz [der Grabkammer] kann aber leider nicht mit der üblichen Vorsicht gearbeitet werden, beim Herausholen erleidet der äußere Sarg daher kleine Beschädigungen«); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 31f. (»Dem Diener Mohamed kündige ich […,] weil seine Ehrlichkeit mir nicht sicher ist. […] [Zu diesen Ausgaben] kommen noch einige kleinere Posten, so daß aber auf jeden Fall eine kleine Ersparnis eingetreten ist«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 173 (»Beim Abarbeiten der Steine sind heute 10 Männer in Tätigkeit«), 175f. (»Früh kommt Tischler Ali Jussuf aus Abusir, um mit dem Anfertigen der Kisten […] zu beginnen. Das Abarbeiten wird fortgesetzt. Die Grabung im O[sten] […] geht vorwärts«); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 125 (»Der Befund schließt die Annahme aus, daß der Stein etwa in späterer Zeit, etwa bei einer Ausbesserung, in die Mauer gekommen ist. […] [D]ie Angaben der Funde über das zuerst gekaufte Stück lassen sich mit der Annahme vereinbaren, daß […]«); 1913, 74f. (»Der Inhalt des kleinen Holzsarges wurde, durch vorsichtiges Lüften des Deckels als eine […] Holzfigur festgestellt«). 640 Z.B. Steindorff, Libysche Wüste, 130 (»Wenn die Leute in Siw[a] gedacht hatten, wir würden jetzt ihrer schönen Oase den Rücken kehren […], so hatten sie sich geirrt«); ders. et al., Tgb. Qau 1913/14, 21 (»Wir haben nun die Freude, den Schutt wegräumen zu dürfen«); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Oberägypten, 18 (»Die Nacht war durch Wanzen verschönt«); Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 2 (»Für das Beiramsfest wurden ein Truthahn und Hämmel erworben, und zur allgemeinen Belustigung ein Pelikan, von dem angenommen wurde, daß er auf den Namen ›Pascha‹ hörte. So war also der übliche zoologische Garten in der Grabung wieder vorhanden«). 641 Sowinski, Deutsche Stilistik, 295. Der Sonderfall »archäologisches Grabungstagebuch« erscheint als eine Kombination von »Tagebuch« und der »berichtenden«, aber auch wissenschaftlichen Textsorte »Protokoll« (zu dieser: ebd., 284; Kretzenbacher, Fachtextsorten der Wissenschaftssprachen, 496-498). Somit unterscheidet sich das Grabungstagebuch von dem »klassischen«, sprich priva-

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scher Fachsprache.642 (b) und (c) folgen aus (a) sowie der Zielgruppe einiger Feldberichte bzw. der ihnen zugrundeliegenden Tagebücher: Die Archäologen wollten nicht immer nur Fachkollegen, sondern teilweise auch eine breitere Öffentlichkeit ansprechen (1.2.1.2). (d) durchbricht die Monotonie, die fortlaufende Passivsätze mit sich bringen, und folgt somit dem besagten Variationsgebot.643 Doch vor allem war die Verwissenschaftlichung der Ägypten-Archäologie vor über hundert Jahren selbstverständlich noch nicht so weit vorangeschritten wie heute (Kap. 2.2.4). In der Ich-Form erzählte Abenteuergeschichten wie jene Belzonis (1.3.1) hatten die untersuchten Archäologen gewiss weit hinter sich gelassen. Andererseits hielt ihr englischer Kollege Petrie es noch zu ihrer Zeit, nämlich 1904, für nötig, die Ägypten-Archäologen daran zu mahnen, dass »[t]o empty the contents of note-books on a reader’s head is not publishing. A mass of statements which have no point, and do not appear to lead to any conclusion or generalisation, cannot be regarded as an efficient publication«.644 Wir haben gesehen, wie die untersuchten Archäologen dies befolgten. Mit ihrer (für die Zeit) professionell kalkulierten und disziplinierten Sprache mögen sie selbst zur Verwissenschaftlichung der Ägypten-Archäologie beigetragen haben, denn die Wissenschaftlichkeit eines Faches wird auch an seiner Fachsprachlichkeit gemessen.645 Vielleicht in diesem Bewusstsein steigerten die Archäologen ihren Passivgebrauch bisweilen ins Unnötige oder gar Lächerliche: »Heute Vormittag wird das [Grab-]Zimmer […] von Umbarek gereinigt«. »[Der Wächter] fliegt hinaus und das Geld was von ihm zu erhalten war […] [wird] eingezogen«. »Unter der […] Mauer wird von einigen Leuten […] gegraben u. […] eine große Menge […] Fragmente gefunden«. »Im Südschu[r]l werden von unseren Leuten […] ein paar Jungen aus dem Dorf gesehen«. »Da nichts gefunden, wird hier deshalb aufgehört«. »Beim Unterfahren der Ostwand […] wird auf Reste einer […] Kalksteinmauer gestoßen«.646 Und die Archäologen sprachen sogar von sich selbst im Passiv:

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ten Tagebuch, das »Erlebnisse und Reflexionen des [es führenden] Ich für den privaten Gebrauch fest[hält] und […] in spontaner, nicht überarbeiteter Sprache verfaßt sein [kann]« (Große, Texttypen, 338). Beckmann, Archäologische Publikationen, 310-312, 315f. Beckmann unterscheidet diese »Deskriptionssprache« von »den Theoriesprachen, deren primäres Ziel nicht die objekt-bezogene Deskription, sondern die Explikation systematischer Zusammenhänge ist« (310f., im Original mit Hervorhebungen). Die Deskriptionssprache diene dagegen der »anschauliche[n] Darstellung von Artefakten und den Zusammenhängen, in denen sie stehen«, weshalb sie statt eines reduzierten, »instrumentalen« einen komplexen, »kommunikativ-erzählenden Sprachstil« verwende, dem sogar »ein gewisser Plauderton anhaftet« (315f.; Zitate: 316). Eroms, Stil, 94, 96. Petrie, Methods in Archaeology, 50. Beckmann, Archäologische Publikationen, 309. Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 49 (Grabzimmer); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 447 (Wächter); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 98 (Mauer), 103 (Südschurl); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 8 (aufgehört), 31f. (Ostwand).

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»[Am Ausgange des Tals] erhebt sich ein […] Berg, dem von uns die Bezeichnung ›Ratzel-Berg‹ gegeben wurde«. »Die Leute werden 6 14 [Uhr] aufgerufen«. »Die oberste Kammer schon früher von uns erreicht«. »Auf der Terrasse wird Abendbrot gegessen u. um 9 [Uhr] zu Bett gegangen«. »Kurz vor Sonnenaufgang wird aufgestanden«. »Den derzeit Quibell von mir im T[a]g[e]b[uch] gemachten Vorwurf muss ich übrigens insofern modifizieren, als […]«.647 Andererseits stellt sich die Frage, inwieweit der Sprachstil dieser Archäologen schlicht im allgemeinen Wesen der deutschen Sprache begründet lag. Deren Vorliebe fürs Passiv zum Beispiel ist bekannt. Wurde damals in englisch- oder französischsprachigen Feldtagebüchern und -berichten der Ägypten-Archäologie weniger Passiv verwendet und Grabungsarbeiter deshalb häufiger erwähnt? Die Texte der deutschen Archäologen müssten mit denen anderssprachiger Kollegen verglichen werden.

3.5 Das Bild der deutschen Archäologen von Arbeitern und anderen Ägyptern Insofern die sprachliche Unterdrückung der Arbeiter in den Texten der Archäologen, wie im vorigen Abschnitt erklärt, von Funktionsbedingungen menschlicher Sprache, von Arbeitsökonomie sowie von archäologischer Zweckmäßigkeit und »Wissenschaftlichkeit« gefordert wurde, und da die Archäologen auch sich selbst dem Passiv unterwarfen, bedeutet die unterdrückende Sprache, die ich in Kap. 3.4.3.1 festgestellt habe, keine Abwertung, sondern eine wertneutrale Ausblendung der Arbeiter. Gleichwohl standen die untersuchten Archäologen Grabungsarbeitern und anderen Ägyptern keineswegs neutral gegenüber. Das Bild, das sie sich insgesamt von all diesen Personen machten, kommt in den beschriebenen sprachlichen Mitteln ebenso zum Ausdruck wie in anderen, sowie natürlich in expliziten Aussagen, die wir über insbesondere Arbeiter lesen.

3.5.1 Sprachliche Abgrenzung der Archäologen von ihren Arbeitern Bei den Ausgrabungen arbeiteten und lebten die deutschen Archäologen monatelang auf engem Raum mit zahlreichen ägyptischen Arbeitern zusammen. Das heißt jedoch nicht, dass die Archäologen mit den Arbeitern auch gedanklich zusammenwuchsen. Sie hörten nicht auf, sich von den Arbeitern und anderen Ägyptern mehr oder weniger stark abzugrenzen. Auch äußerlich bestand eine Trennung, die teils von dem unveränderlichen ethnischen, sozialen und kolonialen Kontext herrührte, teils von den Archäologen absichtlich ausgeübt wurde: Deutsche waren Deutsche und Ägypter Ägypter; die Archäologen waren eine Elite, die Arbeiter eine Unterschicht; Europäer waren im damaligen Ägypten in gewissem Sinne Herrscher, und Ägypter Beherrschte. Infolge dessen sahen die deutschen Archäologen anders aus und sprachen eine andere Sprache als die ägyptischen Arbeiter; sie beschäftigten und bezahlten die Arbeiter und nicht umgekehrt; sie 647 Steindorff, Libysche Wüste, 152 (Tal); ders. et al., Tgb. Giza 1903, 42 (Leute), 190f. (Kammer); Qau 1913/14, 12 (Terrasse); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 191 (Sonnenaufgang); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 137 (Quibell).

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übten gewisse andere Tätigkeiten aus als sie und wohnten und aßen auch an der Grabungsstätte anderswo. Zu diesen äußerlichen Unterschieden komme ich in Kap. 4.2.2.1 und 5.1. Hier in 3.5.1 geht es zunächst um die – bewusste oder unbewusste – Abgrenzung durch sprachliche Mittel. Indem die Arbeiter von den Archäologen durch Passiv und andere Mittel teilweise bis zur Unkenntlichkeit hinter die archäologischen Sachen und Arbeitsvorgänge gedrängt (3.4.3.1 Abs. 1a-b, 3a-5, 7) oder in Kollektiven zusammengeworfen (ebd., Abs. 6) werden, werden sie verdinglicht und entmenschlicht; deindividualisiert und als willenlose Verfügungsmasse dargestellt; ja verdrängt und verleugnet. Die Archäologen dagegen bleiben schon allein dadurch, dass sie die Ich- bzw. Wir-Erzähler der Ereignisse sind, unangefochten präsent, und zwar als Menschen und Individuen; als Handelnde statt Leidende. Ihre Objektifizierung648 der Arbeiter zeigt sich besonders an folgenden Beispielen: (1) Einstellungen und Gefühle von Arbeitern werden durch Nominalstil von ihnen bzw. ihrem Willen abgekoppelt: »Es hatte sich« unter den Oberägyptern »eine bedenkliche Neigung zur Insubordination gezeigt«. »Um 5 41 [Uhr] ist Auszahlung, die […] durch die wohlverdienten Bakschische nicht geringe Freude bei den […] Arbeitern hervorruft«.649 Und sogar jener unglückselige Arbeiterjunge, der in Medinet Madi seiner Erkrankung erliegt (Kap. 3.3.8), »lebt« und »stirbt« nicht »selbst«, sondern: »[Wir] finden [ihn] […] tot daliegend. Wir verbringen längere Zeit damit, um […] festzustellen, ob wirklich kein Leben mehr vorhanden ist. Der Tod muß unmittelbar vor unserem Erscheinen eingetreten sein«.650 (2) Aus logistischer Sicht bilden die Arbeiter zusammen keine Gruppe von Menschen, sondern ein Material; eine Ware, von der bald mehr, bald weniger vorhanden ist. Die Archäologen verzeichnen ein »Leute-« oder »Arbeiterangebot«, eine «-zahl« oder einen »-bestand«; und diese Quantitäten können jeweils etwa »gut« oder »schlecht«, »kläglich« oder »reichlich« ausfallen sowie »abnehmen« oder unter etwas »leiden«, oder aber »anwachsen«, »sich steigern« oder »gesteigert« werden. Auch kann »Leute-« oder »Jungenmangel« herrschen.651 Ironischerweise bekennen die Archäologen damit, wie auch sie

648 Nussbaum (Objectification, 256f.) nennt folgende »ways to treat a person as a thing«: (1) »instrumentality«; (2) »denial of autonomy«; (3) »inertness«; (4) »fungibility«; (5) »violability«; (6) »ownership«; (7) »denial of subjectivity«. Bei den untersuchten Archäologen finden wir mindestens (1) bis (4) und (7). Vgl. u. Kap. 5.1. 649 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 19 (1. Zitat); Aniba 1912, 124 (2. Zitat). 650 Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 84f. 651 Z.B. Kap. 3.3.2.2 (»Jungenmangel«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 11 (»Reichliches Jungenangebot«), 85 (»Die Arbeiterzahl hat […] abgenommen«); 1909, 157 (»Leuteangebot sehr schlecht«), 181 (»die Leutezahl hat [unter dem Sturm] gelitten«); Aniba 1912, 91 (»Leutebestand wie gestern«); 1914, 308 (»Die Arbeitermannschaft ist bereits wieder auf 19 Männer und 49 Jungen angewachsen und scheint sich weiter zu steigern«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 27 (»Großer Leutemangel, wie vorausgesehen«); Amarna 1911, 88 (»Leutezahl heute kläglich«); 1911/12, 90 (»gutes Leutean-

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von den Arbeitern abhängen statt nur die Arbeiter von ihnen, denn als »Konsumenten« einer Ware haben die Archäologen auf deren Gestalt bzw. Verfügbarkeit weniger Einfluss als die »Produzenten« – die Produzenten sind die aktiven Geber, die Konsumenten die passiven Empfänger. Das heißt jedoch nicht, dass die Arbeiter die umgekehrt ihnen theoretisch zufallende Macht der Produzenten auch wirklich ausüben würden – hierzu müssten sie jene handelnde Einheit bilden, die sie entgegen des von den Archäologen vermittelten Eindrucks gerade nicht bilden (Kap. 3.4.3.1 Abs. 6). Stattdessen zerfällt ihre Gesamtheit in Arbeiter aus einem einzelnen Dorf oder gar in einzelne Arbeiter, die allein umso weniger am kollektiven »Leuteangebot« ändern können. An Stellen wie den in Kap. 3.4.3.1 Abs. 2 genannten benutzen die Archäologen die nicht explizit bestimmten Subjektpronomen »wir« oder »man« immerhin in Zusammenhängen, die die Pronomen zugleich auf Archäologen und Arbeiter oder sogar stärker auf letztere beziehen: Wenn Arbeiter bei ihrer Grabung »vorrücken«, tut dies im übertragenen Sinne die gesamte Grabung, also auch und gerade die Archäologen, die die Grabung steuern. Doch »sich durch Schutt hindurcharbeiten« und »Sand fortschaffen« – das tun eher die Arbeiter; die Archäologen lassen es tun. Indem die Archäologen hier dennoch von »wir« sprechen, rechnen sie zwar Leistungen der Arbeiter ungerechterweise sich selbst zu, verbinden sich aber zugleich mit ihren Angestellten. Vor allem in den Tagebüchern sprechen die Archäologen sogar, wenn nicht im Passiv, regelmäßig in der 1. Person Plural. Gleichwohl erklären (oder entscheiden?) sie fast nie, auf wen sie ihr »wir« beziehen – und auf wen nicht.652 Denn das Pronomen »wir« schließt sowohl ein als auch aus – ihm steht ein »sie« (oder »ihr«) gegenüber, dessen Bezugspersonen nicht zum »wir« gehören, sondern irgendwie »anders« sind.653 Am meisten gemein hatte der jeweilige Tagebuchschreiber an der Stätte mit seinen deutschen Mitarbeitern. Dass bzw. wo ägyptische Arbeiter ebenso innerhalb des deutschen »wir« stehen, können wir wie oben allenfalls vermuten. Klar ist hingegen, dass sie es an den in Kap. 3.4.3.1 Abs. 5 genannten und anderen Stellen nicht tun: »Wir laßen 90 Arbeiter auf dem Kom […] arbeiten«. »Die [Nubier] kommen überhaupt nicht [zur Arbeit], die [Oberägypter] werden mit dem Bau des dringend notwendigen Magazins beschäftigt. Wir selbst haben genügend mit schriftlichen Arbeiten zu tun«.

gebot«), 150 (»Leutezahl durch überreiches Angebot […] auf etwa 300 angeschwollen«); Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 116 (»Die Leutezahl, die zuerst nur gering war, steigerte sich nach und nach«). 652 Ausnahmen: Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 28 (»Am 1. November konnten wir – meine Frau und ich – nach Kairo zurückkehren«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 107 (»wir selbst d.h. ich und 12 [oberägyptische] Arbeiter und 2 Vorarbeiter, werden morgen [nach Abusir] gehen«). Dass die Autoren das »wir« lediglich in der Bedeutung von »ich« benutzen, um das fachsprachliche »Ich-Tabu« zu befolgen (zu diesem: Oksaar, Anonymität für Fachsprachengebrauch, 398), kommt wohl selten vor, da eine Ausgrabung in der Tat von mehr als einer Person verantwortet wird – im Gegensatz zu vielen wissenschaftlichen Publikationen. 653 Zumindest im Deutschen und, worauf sich folgender Artikel bezieht, im Englischen: Pennycook, Pronouns, 175f. (175: »›We‹ is always simultaneously inclusive and exclusive, a pronoun of solidarity and of rejection, of inclusion and exclusion«).

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»Auszahlung u. Entlassung unserer Arbeiter«. »[W]ir lassen nur hie u. da ein paar Arbeiter eine Mauerecke […] freilegen«. »Die ersten schweren Feldbahnwagen kommen von unseren Leuten gezogen […] an«. »Die Anmaßung des [Bahn-]Stationsvorstehers, der glaubt über unseren Senussi […] ohne weiteres verfügen zu können, führt zu einem scharfen Konflikte«. »Wir haben hier jetzt zur Verfügung 4 [Oberägypter], 4 Wächter […] und Senussi; außerdem den Koch und den Diener«. »Wir haben noch 27 Arbeiter«.654 Einzig ägyptische Vorarbeiter hätten in manchen dieser »wir«-Sätze noch Platz, da sie wie die deutschen Archäologen über den einfachen Arbeitern stehen bzw. über sie verfügen. Allerdings scheinen die Archäologen den Vorarbeitern jenen Platz eher nicht einzuräumen, da sie sogar den Obervorarbeiter Senussi außerhalb von »wir« bzw. »unser« stellen. Die deutschen Mitarbeiter einer Grabungskampagne werden dagegen in keine solche Opposition gebracht – allenfalls unterscheidet der Tagebuchschreiber, welchen Einzeltätigkeiten die Deutschen am jeweiligen Tag jeweils nachgegangen sind: »Vormittag hat Marcks, nachmittags Hölscher Aufsicht. Borchardt u. Hölscher bringen die Lohnlisten definitiv in Ordnung, Timme macht eine 100m-Meßleine, Abel verpackt Funde«.655 Manchen der Deutschen wird gelegentlich auch eine Berufsbezeichnung beigegeben: »Professor Borchardt«, »Regierungsbaumeister Hölscher«. Doch davon sowie von ihren (Nach-)Namen (ihre Vornamen werden nie genannt) abgesehen, stellt der Schreiber seine jeweiligen Mitarchäologen und sich selbst als homogene Gruppe dar – sodass wir nicht ohne Weiteres erkennen könnten, wer überhaupt gerade Schreiber ist. Unterschiedliche Persönlichkeiten, Meinungen, Ausbildungen (Kap. 3.2.5.1) oder Herkunftsorte innerhalb Deutschlands kommen kaum zur Sprache. Ob Ägyptologe aus Leipzig (Steindorff), Philologe aus Bayern (Zucker), Architekt aus Hannover (Hölscher) oder auch Arzt aus Tübingen (Müller) – an der Grabungsstätte gehen alle Deutschen erstaunlich stillschweigend in der archäologischen Unternehmung auf. Demgegenüber sprechen die Archäologen in ihren Tagebüchern und Feldberichten in funktionaler Abgrenzung von ägyptischen »Arbeitern«, »Leuten« und so weiter, und in regionaler von »Abusiris«, »Oberägyptern« bzw. »Saidis« (Kap. 3.3.3.2), und so weiter. Ich habe erklärt, dass die Arbeiter so ihrerseits in nicht unerheblichem Maße homogenisiert werden (3.4.3.1 Abs. 6). Doch wer die Menschen hinter diesen Etiketten auch sind, sie gehören nicht zu jener Gruppe »deutsche Archäologen«, da diese selbst »andere« Mitglieder kaum zulässt. Zu Wurzeln dieser deutschen Abgrenzung gegenüber Ägyptern komme ich in 3.5.4.

654 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 155 (90 Arbeiter); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 102f. (Nubier); 1908/09 Dimai, 260 (Auszahlung); 1909/10 ebd., 70 (Mauerecke); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 330f. (Feldbahnwagen), 408 (Stationsvorsteher); Amarna 1911, 18 (jetzt zur Verfügung); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 178 (27 Arbeiter). 655 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 59.

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3.5.2 Werturteile der Archäologen über Arbeiter und andere Ägypter Wenn die untersuchten Archäologen ägyptische Arbeiter sprachlich somit als Sachen und »andere« darstellen, werten sie sie implizit ab. Explizit werten sie Arbeiter und andere Bewohner Ägyptens mit Äußerungen wie den folgenden ab: »Schließlich noch in die Schimsebar [in Kairo], […] ein scheußlich orientalisches Lokal«. »Um 4 […] zum Lager der Bischarin[-Nomaden]. […] Die Gesellschaft unglaublich schmutzig, da sie sich nicht waschen«. »[Das Dorf Kerdasse] ist wegen seiner rowdy-haften Bevölkerung berüchtigt«. »Nachmittag kommt es noch einmal zu einem grossen Krach zwischen Ahmed Muse u. Umbarek. […] Ich nehme sie ins Gebet; die grossen Kerle heulen wie die Kinder«. »Ich photographiere Vormittags in [einer Grabkammer]. Abd el-Mihsin hilft mir. Auf meinem weißen Tuch hüpfen unzählige Flöhe herum, auch eine Laus schleicht langsam darauf hin; das sind die Abgaben des Assistenten!« »[V]on den [erschienenen] Kafrawis, welche als unzuverlässiges Volk gelten, niemand eingestellt«. »Am Vormittag kommt der [für den verletzten Senussi] langersehnte Arzt aus Badari (Dr. Selim Ibrahim […]). […] Interessant ist der Mangel an Sauberkeit bei einem sonst scheinbar gut gebildeten arabischen Arzte, die nicht dazu ermutigt, einen solchen bei plötzlichem Bedarf auch für einen von uns [Deutschen] zuzuziehen«. »Weiterer Zuwachs der Arbeiterschaft […]. Hoffentlich besiegen auch die andern [Anwohner] bald ihre Faulheit [und melden sich als Arbeiter]«. »Das Gepäck ist durch eine Eselei des [Bahnbeamten] erst mit dem späteren Personenzug gegangen«.656 Früher schon haben wir gehört, wie die Archäologen Arbeiter als »faul« (Kap. 1.4.4), »minderwertig« oder »Trottel« (3.3.4) bezeichneten, oder Maurer (3.3.2.3 Abs. 2) oder den Vater eines kranken Arbeiterjungen (3.3.8) als »dumm«. Diese und alle in diesem Abschnitt bisher zitierten Äußerungen stammen aus den Tagebüchern. In den publizierten Feldberichten kommen Abwertungen augenscheinlich häufiger und schärfer bzw. allgemeiner – insbesondere bei Borchardt in den Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft: »Es ist ja gewiß auch schwer, Leuten [wie den Ägyptern], für die von Urväterzeiten her jede Antike eine res nullius war, nun plötzlich Respekt vor den zum Staatseigentum erklärten Altertümern beizubringen«. »Es ist […] bei dem an sich nicht stark zur Ehrlichkeit neigenden Charakter der Ägypter natürlich, daß wir in der Annahme der Arbeiter die größte Vorsicht walten lassen mußten«. »[U]nsere Arbeitsweise [mag] einem ägyptischen Bauern vielleicht am Anfang zu stramm erscheinen […]. Ich hoffe, daß nach einiger Zeit selbst die Leute aus Hagg Qandil zu ganz brauchbaren Ausgrabungsarbeitern erzogen sein werden. Vorläufig sind sie aber noch rechte Rüpel«. »Dieses Kunstwerk [ein bemalter antiker Fußboden in Amarna, der eines Nachts von Anwohnern 656 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 39 (Lokal), 352 (Bischarin); ders. et al., Tgb. Giza 1903, 78 (Kerdasse), 106 (Krach), 153 (Mihsin; dieser vielleicht identisch mit dem Abusiri gleichen Namens in Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 29f., sowie dem Vorarbeiter Abd el-Muhsin in Schubart, Wüste, 20, 59); 1909, 37 (Kafrawis); Qau 1913/14, 130 (Arzt); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 37f. (Faulheit); Amarna 1911 (Gepäck).

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zerhackt wurde] ist also nun […] unwiederbringlich zerstört, absichtlich zerstört aus Beweggründen, die jedem Europäer unverständlich sind. Aber wir lernen eben den Orientalen nie ganz verstehen, selbst nicht durch jahrzehntelanges Zusammenleben«.657 Und bei Steindorff in seiner Siwa-Monographie: »[Die Zeltbeduinen bereiten] einen […] Kuchen, der für einen Europäer nicht gerade appetitreizend ist«. »Die Hauptcharaktereigenschaft der Siwis, die allen europäischen Reisenden am meisten aufgefallen ist, da sie auch am meisten von ihr zu leiden gehabt haben, ist der glühende Fanatismus und Fremdenhaß«. »Unsere wichtigste wissenschaftliche Aufgabe in Siw[a] bestand darin, die noch vorhandenen Reste des Altertums […] zu untersuchen und der Wissenschaft zu retten. […] Leicht war das nicht; denn schon der erste Rundgang hatte uns die betrübende Gewißheit gegeben, daß barbarische Roheit gerade an dieser Stätte fürchterlich gehaust und die besten Zeugen aus alter Zeit verwüstet hatte«. »[An einem See vor einer mehrtägigen wasserlosen Strecke] hatten wir noch einmal die leer gewordenen Säcke und Lederschläuche füllen können und meinten genug zu haben […]. Wir hatten aber nicht mit der Einfalt und dem Leichtsinn unserer Araber gerechnet. ›Haben wir nur heute, für morgen wird schon Allah sorgen,‹ hatten sie sich gesagt und während der zweiten Nacht alle ihnen zur Verfügung stehenden Schläuche geleert«. »Viele dieser [in der Antike angelegten Wasser-]Leitungen [in der Oase El-Bahriyya] sind noch heute im Gebrauch; nicht wenige aber sind durch die Nachlässigkeit der Bewohner verstopft und daher unbrauchbar«.658 Vor allem in den Tagebüchern werden Grabungsarbeiter und Spezialdienstleister gleichwohl auch explizit gelobt: »Mit bewundernswerter Ruhe u. Sicherheit hat uns [Abd el-Kader], obwohl der Weg nirgends bezeichnet ist, seinem Instinkt folgend, geführt, bis wir […] wieder auf die Karawanenstraße kommen«. »Die [als Arbeiter beschäftigten] Kinder sitzen geduldig in tadelloser Ordnung bis die [Milchreis-]Schüsseln zu ihnen heruntergebracht werden«. »Die Leute von Illahun machen einen guten Eindruck«. »Dem unermüdlichen Eifer Mahmud Alis gelang es dann, auch die weitere engere Fortsetzung [der Katakomben] zu entdecken«. »Im Allgemeinen arbeiten die [beim Transport] angestellten Leute gut. Einige zeichnen sich aber bes. aus. An erster Stelle […] Ibrahim Ismain, der mit seiner mächtigen Stimme als Rufer im Streite unermüdlich die Leute zu höherer Leistung anfeuert und dabei selbst wie ein Bär mitarbeitet. Ich habe selten einen unverdrosseneren Arbeiter gesehen«.659

657 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 4 (nullius, Ehrlichkeit; »Staatseigentum« wurden Ägyptens Altertümer endgültig 1891: o. Kap. 2.2.2); Ausgrabungen Amarna 1911, 5 (Arbeitsweise); Ausgrabungen Amarna 1911/12, 5 (Kunstwerk). 658 Steindorff, Libysche Wüste, 42 (Kuchen), 110 (Hauptcharaktereigenschaft), 117f. (wissenschaftliche Aufgabe), 138f. (Säcke), 142 (Leitungen). 659 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 270 (Abd el-Kader); ders. et al., Tgb. Qau 1913/14, 233 (Kinder); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 207 (Leute von Illahun); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 36 (Mahmud Ali); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 460 (Transport).

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In den Briefen an seine Familie nennt Rubensohn »die Araber« (im Hinblick auf Grabungsarbeiter) einerseits »ein elendes Gesindel«, nennt Arbeiter »dreckig und faul und dumm« und ordnet sie aufgrund ihres Geruchs einer niederen »Culturstufe« zu; andererseits lobt er gegebenenfalls: »Meine Arbeiterschaft ist sehr gut. Ich habe bisher kaum Strafen verhängt, was immer etwas wert ist. Auch die Aufseher geben sich viel Mühe« – »wenn wir auch die Hauptarbeit selbst machen müßen«.660

3.5.3 Zwischenfazit Insgesamt betrachten die deutschen Archäologen ihre Arbeiter und andere Bewohner Ägyptens als von ihnen, den Deutschen, deutlich verschieden und ihnen in mehrfacher Hinsicht unterlegen. Ein »glühender Fanatismus und Fremdenhaß«, wie Steindorff ihn den Bewohnern von Siwa unterstellt, kommt bei den Archäologen selbst jedoch nicht zum Ausdruck. Über die »Fehler«, die sie bei den Ägyptern erblicken, klagen sie süffisant und sarkastisch – in Borchardts MDOG-Berichten und Steindorffs Buch dürfte ein Teil dieser Klagen jedoch lediglich auf den Willen zurückgehen, eine populärwissenschaftliche Leserschaft zu erfreuen (Kap. 1.2.1.2), während die Wirklichkeit in den Tagebüchern weniger dramatisch ausfiel. Keiner der untersuchten Autoren zeigt dagegen Hass oder Aggression, oder will den Ägyptern in irgendeiner Weise schaden (5.1). Gewiss definieren die Archäologen in rassistischer Weise die ihnen begegnenden Personen letztendlich als »Ägypter« oder »Orientale«, schreiben ihnen entsprechende negative Eigenschaften zu und glauben offenbar nicht, dass diese umfassend »gebessert« werden könnten – allenfalls können »die Leute aus Hagg Qandil zu ganz brauchbaren Ausgrabungsarbeitern erzogen« werden, doch letztlich »lernen [wir] eben den Orientalen nie ganz verstehen, selbst nicht durch jahrzehntelanges Zusammenleben«. Dennoch bleiben die untersuchten Quellen weit entfernt von der rassistischen bzw. kolonialistischen Menschenverachtung, die zur gleichen Zeit und später im 20. Jahrhundert in manchen Teilen Afrikas und der Welt vorherrschte. Die untersuchten Archäologen fanden sich mit den »fehlerhaften« Ägyptern, die sie antrafen, ab, verloren über allem nicht ihren Humor (Kap. 3.4.3.2), wünschten keinem Ägypter etwas Böses und sich etwa nicht die Zwangsarbeit aus der Zeit Mariettes (o. 2.1.7) zurück. Und die für uns so unheilschwangere Bezeichnung eines Arbeiters als »minderwertig« dürfen wir nicht missverstehen: Da die Archäologen zuallererst dem Fortschritt ihrer wissenschaftlichen Unternehmung dienen wollten und die Arbeiter als Werkzeuge bzw. Material dazu wahrnahmen (3.4.3.1 Abs. 4-5; 3.5.1 Abs. 2), hat dieses Werturteil keine existenzielle, sondern eine rein logistische Bedeutung: Der »minderwertige« Arbeiter verfügt, aus welchen Gründen auch immer, offenbar nicht über die Fähigkeiten, die Grabung ausreichend voranzubringen; deshalb muss er entlassen und an seiner Stelle ein anderer Arbeiter eingestellt werden. Vor dem gleichen Hintergrund werden (potenzielle) Arbeiterjungen, bei denen es besonders auf die Konstitution ankommt, als »unbrauch-

660 Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 137 (Abu Gurob, 5.1.1899 [bei Grabung Borchardt]: Gesindel), 140 (ebd., 19.1.1899: dreckig); zw. (S.) 397/398 (Abusir el-Meleq, 4.2.1904: Culturstufe), 388 (ebd., 14.1.1904: Lob; vgl. Kuckertz, Rubensohn [2020], 54).

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bar« oder gar »unbrauchbares Material«; als »klein«, »schwächlich« oder aber »kräftig« eingestuft.661

3.5.4 Ein Grund für das Bild von den Ägyptern: Orientalismus Die in Kap. 3.4.3.1 und 3.5.1-2 zitierten Beispiele für den sprachlichen Umgang der Archäologen mit Arbeitern und anderen Ägyptern bilden zusammen mit weiteren Textstellen eine bzw. mehrere sich überlagernde Serien von Aussprüchen und Formulierungen, die jeweils einen bestimmten Diskurs offenbaren (1.4.4). In 3.4.3.2 habe ich einen Diskurs »archäologische Wissenschaft (im westlichen Sinne)« herausgearbeitet. Den Diskursen »Kapitalismus«, »Bildungsbürgertum« und »Kolonialismus« widme ich mich in 4.2.2.1 und 4.3. Im jetzigen Abschnitt will ich den Diskurs »Orientalismus« Schritt für Schritt analysieren. Wie in Kap. 1.4.3 erläutert, verstehen wir unter »Orientalismus« westliche Stereotype über »den Orient« bzw. seine Bewohner. Ägypten gehört zu diesem (imaginierten) Raum; die deutschen Archäologen sind als Wissenschaftler charakteristische Vertreter der westlichen Zivilisation, und mein Untersuchungszeitraum ist Teil jener »periods immediately before and after World War I«, in denen der Orientalismus-Theoretiker Edward Said zumindest den »modern Anglo-French Orientalism« in seiner »fullest flower« sieht.662 Da Said »Orientalismus« als Instrument des »Okzidents« zur Herrschaft über den »Orient« behandelt, schreibt er Deutschen freilich keinen Orientalismus in jenem militanten Sinne zu, in dem er ihn Briten und Franzosen zuschreibt – dafür begann der deutsche Kolonialismus im Orient zu spät und währte nicht lang genug.663 Dagegen ist eingewandt worden, dass die Deutschen schon lange vor ihrem formellen Kolonialismus politische Beziehungen zum Orient unterhielten und dadurch einen Orientalismus hervorgebracht hätten, der sich wenig vom britischen oder französischen unterscheide.664 Die untersuchten Archäologen sind ein Beispiel für jenen »anderen« oder gar nicht so anderen, »deutschen« Orientalismus. Ihre Sprache bezüglich ihrer ägyptischen Arbeiter (Kap. 3.4.3, 3.5.1) ähnelt linguistisch in mancher Hinsicht jener Sprache, in der etwa die deutsche Zeitschrift Kolonie und Heimat zwischen 1908 und 1911 über die Bewohner deutscher Kolonien im subsaharischen Afrika schrieb: Pauschalisierung und Kollektivierung von Afrikanern; Abgrenzung von ihnen durch Personalpronomen; beides jeweils mit dem Ergebnis bzw. Ziel, »die Afrikaner« als »Andere« darzustellen.665 Dies bestätigt, dass Sprecher bzw. Autoren wie die deutschen Archäologen einen orientalistischen bzw.

661 »Unbrauchbares Material«: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 78; »unbrauchbar«: ebd., 91; 1903, 26f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 42; »klein«: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 21; 1907/08, 179; ähnlich 193, 224; »schwächlich«: 1903/04, 125; »kräftig«: Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 68; vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1911, 12f. (»Das Arbeitermaterial ist zu 9 Zehnteln ungeübt«). 662 Said, Orientalism, 255. 663 Said, Orientalism, 3f., 17-19. 664 Marchand, German Orientalism, xviiif.; Loimeier, Deutschsprachiger Orientalismus; Jenkins, German Orientalism; Polaschegg, Deutsch-morgenländische Imagination. 665 Waßmuth, Kolonisatorisches Sprechen, 330-335.

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kolonialistischen Diskurs auch bezüglich Gebieten wie Ägypten hervorbringen konnten, über die ihr eigenes Land formell keine Kolonialherrschaft ausübte.666 Inwiefern praktizierten die untersuchten Archäologen »ihren« Orientalismus? Die Begriffe »Orientale« und »orientalisch« haben wir sie bereits unmittelbar gebrauchen hören. Ja, die Worte »Wir lernen eben den Orientalen nie ganz verstehen« und »ein scheußlich orientalisches Lokal« (Kap. 3.5.2) könnten kaum »orientalistischer« sein. Auf weiteren, meist weniger offenkundigen Orientalismus prüfe ich die Archäologen im Folgenden nach Maßgabe der klassischen orientalistischen Stereotype:667 (1) »The Orient is timeless«: Während der Westen sich historisch fortentwickelt, ist der Orient vom Fortschritt ausgeschlossen, statisch und also rückständig. In der Tat machen die Archäologen sich kaum »Hoffnung«, dass Ägypten sich »bessert« (Kap. 3.5.3). Und zuweilen setzen sie das Ägypten ihrer Zeit mit einem viel früheren gleich: Die Bemerkung »Es ist schwer, Leuten, für die von Urväterzeiten her jede Antike eine res nullius war, nun plötzlich Respekt vor den Altertümern beizubringen« (3.5.2) kennen wir bereits. In antiken Stätten stießen die Archäologen auch auf Zimmereinrichtungen, Schmuckstücke, Geräte, Tänze oder Bauweisen, die sie an das erinnerten, was sie bei zeitgenössischen Ägyptern beobachteten.668 Des Weiteren: »Dem Europäer von heute, selbst wenn er zufällig Bürger einer kleinen Landstadt sein sollte, wird es nicht leicht werden, sich eine altägyptische Landschaft vorzustellen. Am ehesten wird es ihm noch gelingen, wenn er etwa ein ägyptisches Dorf von heute kennt«.669 Auch frühere und spätere Ägyptologen und Ethnologen beschrieben Gemeinsamkeiten zwischen modernem und antikem Ägypten.670 (2) »The Orient is strange«: »not just different«, sondern »oddly different – unusual, fantastic, bizarre«. Tatsächlich können die Archäologen den Widerwillen eines ägyptischen Vaters, seinen lungenentzündeten Jungen im Krankenhaus zu lassen, in keiner Weise nachvollziehen (Kap. 3.3.8) – vermutlich handelte der Vater aus der muslimischen Überzeugung heraus, dass »God has direct and ultimate control of all that happens. […] Indeed, too much self-confidence about controlling events is considered a sign of arrogance tinged with blasphemy«.671 Ebenso seien die »Beweggründe« für das Zerhacken 666 Inwiefern ihr »deutscher« Orientalismus sich dennoch von jenem anderer Ägypten-Archäologen derselben Zeit unterscheidet, wäre eine weiterführende Forschungsfrage. 667 McLeod, Postcolonialism, 52-55; vgl. Sattin, Lifting the Veil, 268f. 668 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 78, 101f.; Steindorff, Libysche Wüste, 64, 105, 142; ders. et al., Tgb. Qau 1913/14, 149; Aniba 1914, 516f., 523; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 60; Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 13f.; ders. et al., Tgb. Amarna 1911, 85f.; 1911/12, 205; Honroth et al., Elephantine, 18; Zucker, Von Kairo bis Assuan, 2, 6; Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 215. 669 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 12. 670 Früher: z.B. Jomard, Thèbes, 161-171; Hartleben, Leben Champollion, 195f. (jeweils Ägyptologen); später: z.B. Blackman, Fellahin, Kap. 18; Hocart, Legacy to Modern Egypt (jeweils Ethnologen). 671 Nydell, Arabs, 28. Dagegen: »Western thought has essentially rejected fatalism. Although God is believed by many Westerners to intervene in human affairs, Greek logic, the humanism of the Enlightenment, and cause-and-effect empiricism have inclined the West to view humans as having the ability to control their environment and destiny« (ebd.).

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des Fußbodens in Amarna »jedem Europäer unverständlich« (3.5.2; zu möglichen Beweggründen, die durchaus verständlich wären: 4.3). Die Archäologen wundern sich über »staubige« Züge, Bahnhöfe oder Ortschaften,672 obwohl Staub in einem Wüstenland wie Ägypten, wo es kaum regnet, nicht verwunderlich ist. Sie empfinden das Reden verschiedener Einheimischer als »Schreien« oder »Geschrei«673 – vielleicht, weil Ägypter bzw. Araber und ihre Sprache allgemein emotionaler sind als Deutsche bzw. Europäer.674 Und vielleicht, weil Araber Beredsamkeit lieben und einer komplizierten Etikette folgen,675 empfinden die Archäologen Verhandlungen mit Dienstleistern und Besuche bei oder von Würdenträgern als langwierig, ja »endlos«.676 So spaltet auch und gerade der Orientalismus Deutsche und Ägypter in ein »wir« und ein »sie« auf (3.5.1), in ein »Selbst« und ein »Anderes«.677 Obwohl sie rationale Wissenschaftler sind bzw. sein wollen, staunen die Archäologen über Ägypten. Vor allem Steindorff glaubt auf seiner Reise nach Siwa angesichts der Wüstenlandschaft, die sich ihm auftut, dass er und seine Begleiter »als verzauberte Prinzen durch ein Märchenland […] ziehen«.678 Doch selbst während einer profanen Grabungskampagne entgeht ihm und seinen Kollegen nicht »das Farbenspiel der untergehenden Sonne«, ein »herrlicher Mondschein« oder ein »malerisches Dorf«; oder das »Südende« der Insel Elephantine als »wunderbarste Stelle, die Ägypten überhaupt zu vergeben hat«.679 Und Rubensohn zeigt sich fasziniert von dem »feinen orientalischen Treiben« in den Straßen Kairos.680 Andererseits waren die untersuchten Archäologen in Ägypten so häufig und unter so geregelten Bedingungen tätig (Kap. 2.2.1), dass ihre »Verzauberung« sich im Vergleich zu früheren Forschern in engen Grenzen hielt. Vor allem die Bewohner Ägyptens sind für sie keine Faszinosa, sondern Werkzeuge ihrer archäologischen Unternehmungen, die mehr oder weniger gut funktionieren. Und der Islam, welcher die untersuchten jüdischen und christlichen Archäologen von den (meisten) Ägyptern deutlich unterschied und im Ori-

672 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 8; 1903/04 Fayyum, 4; Oberägypten, 12; Möller, Ausgrabung Abusir el-Meleq 1905, 3. 673 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 48, 103f.; Libysche Wüste, 12, 36, 40, 48; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 189; Kom Ombo, 379; 1908/09 Abusir el-Meleq, 45; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 30; 1913/14, 56, 267, 278. 674 Nydell, Arabs, 27f., 98f.; Klaylat et al., Arabic Speech (346 Tab. 13: Wegen seiner Prosodie sind im gesprochenen Arabisch Emotionen besser erkennbar als in anderen Sprachen). 675 Nydell, Arabs, 55, 97. 676 Steindorff, Libysche Wüste, 55f., 59; ders. et al., Tgb. Aniba 1912, 248; Qau 1913/14, 251f. (Zitat); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 12 (Zitat); 1911/12, 110 (Zitat); ähnlich Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Theadelphia 1902, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 48. Vgl. den von den Archäologen aus dem Arabischen übernommenen Begriff »kalam« (o. Liste 3.4.1 Nr. 8). 677 Richter, Orientalismus und das Andere, 313-321. 678 Steindorff, Libysche Wüste, 60; ähnlich fasziniert ebd., 154; ders., Tgb. Siwa 1899/1900, 9f., 335-338. 679 Z.B. Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 17, 78 (Dorf); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 47 (Farbenspiel); Amarna 1911, 147 (Mondschein); 1913/14, 116 (Dorf); Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Elephantine, 59 (Elephantine; ähnlich Rubensohn zur selben Zeit in einem Brief zit. in: Kuckertz, Rubensohn [2020], 46f.). 680 Rubensohn, Briefe an Familie, Kairo, 22.10.1901, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 51.

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entalismus als Kennzeichen, Fehler und Gefahr des Orients gilt,681 wird von den Archäologen trotzdem fast nie thematisiert. Zwar bemerkt Steindorff in der Siwa-Monographie zu den Siwis, dass sie »[w]ie alle Mohammedaner […] voll von Aberglauben« steckten, doch in anderen Feldberichten oder den Tagebüchern ist vom Islam nur noch im Zusammenhang mit dem Ramadan oder Festen die Rede, die bei einer Grabung zu berücksichtigen sind (4.2.3).682 Dagegen erfahren wir sogar kaum, ob und wie die Arbeiter während der Grabung ihren täglichen Gebetspflichten nachkommen. Ausnahmen: Senussi erscheint einmal als »strenger Moslim« – als er sich weigert, nach einem Skorpionstich zur Betäubung Rum zu sich zu nehmen.683 Timme notiert zu seinen vier Vermessungshelfern in Amarna, dass sie »gegen Abend, sobald sie einen Augenblick unbeobachtet standen, plötzlich verschwunden waren, um schnell am Boden das […] Abendgebet zu verrichten«; und laut Frida Schubart (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 2) führten die Frommen unter den (Stamm-)Arbeitern in Dimai »morgens, mittags und abends […] an irgend einem Platze vor den Zelten ihre Gebetsübung« aus; zusätzlich sangen sie an manchem Abend eine Zikr-Meditation (dient zur Vergegenwärtigung Allahs); beim islamischen Opferfest (4.2.3) »kam es unsern Arbeitern« hingegen »wohl weniger auf die religiöse Seite als auf das dabei übliche Hammelessen an«. Auch Zucker beobachtete, dass »der Fellach […] in der Religion« zwar »keinen Spaß« verstehe und sie mit seinem »Fühlen und Denken […] völlig verwachsen« sei; allerdings seien die religiösen Ausdrücke, in denen das hervortrete, »teilweise zu Phrasen geworden«.684

681 Said, Orientalism, 59f., 74f., 209f.; vgl. z.B. Brugsch, Aegypten, 104 (»Es fehlt [dem Muslim] die Liebe zu König und Vaterland und der Begriff der Ehre«). 682 Während des Ramadans passten die Archäologen den Grabungstag etwa dahingehend an, dass die Mittagspause um eine halbe Stunde verkürzt und somit der Arbeitsschluss um eine halbe Stunde vorgezogen wurde, damit die Arbeiter früher zum Abendessen nach Hause kamen (Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 139 [Abu Gurob, 14.1.1899 (bei Grabung Borchardt)]). Trotzdem leisteten die Fastenden nachmittags »nur sehr wenig« (ebd., Nr. 140 [ebd., 19.1.1899]). Doch abgesehen davon und von der Unterbrechung durch das Ramadan-Abschlussfest (u. Kap. 4.2.3) liefen die untersuchten Ausgrabungen während des Fastenmonats (wenn er in ihre jeweilige Saison fiel) offenbar unbeeinträchtigt weiter, während frühere Archäologen während dieser Zeit Schwierigkeiten haben konnten, genug oder überhaupt Arbeitswillige zu finden (o. Kap. 2.1.4: Smyth, Pyramid, 68, 108, 135, 218, 227; ferner Hamilton, Ægyptiaca, 215; Belzoni, Egypt, 206-208; Halls, Salt, Bd. 2, 33f.). 683 Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 88f.; dazu weiter Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 202: Senussi ließ sich schließlich dazu bewegen, ein improvisiertes Gemisch aus Arzneien zu trinken, in dem man den Alkohol nicht mehr schmeckte. Dagegen nahmen andere Arbeiter mit Skorpionstich oder Tarantelbiss laut Müller anstandslos Rum und Rotwein zu sich, um ihre Schmerzen auszuschlafen. 684 Timme, Amarna, 67; Schubart, Wüste, 17, 26f. (Zitate: 27); Zucker, Von Kairo bis Assuan, 4f. Vgl. die religiösen Arbeitslieder von Jungen bei den untersuchten Ausgrabungen (u. Kap. 4.2 Anm. 131). Womöglich beteten viele Arbeiter wenig bzw. unauffällig oder überhaupt nicht, denn im damaligen Ägypten waren Muslime im Allgemeinen »much less strict in their observances and customs than the Moslems of India and the Far East« (Cunningham, Egypt, 228); sie waren zwar »religious«, aber »broad-minded and practical« (Kelly, Egypt, 220; ähnlich Métin, Égypte, 62-64). Gleichwohl: »Le jeûne si rigoureux du Ramadan [s.o.] est observé strictement dans l’exercice des métiers les plus pénibles même quand ce mois tombe à l’époque des chaleurs accablantes et des jours interminables de l’été« (Arminjon, Situation économique, 154).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Mehr hören wir von christlichen Ägyptern, den Kopten – jedoch in abfälliger Weise: Der Christ Zucker ärgert sich über »die ganze Bande der kopt. [Antiken-]Händler«; auf dem »Geist des koptischen Christentums« sieht er »den Stempel ärgster Erstarrung«. Der 1885 vom Judentum zum Christentum konvertierte Steindorff hält die Mönche eines Klosters auf dem Weg nach Siwa für »dreckige stumpfsinnige Kunden« und einen koptischen Gottesdienst bei Qau für »wenig erhebend«.685 Allgemein beobachtete Steindorff: »Die auf dem Lande lebenden Kopten sind Bauern gleich den muhammedanischen Fellachen und unterscheiden sich von diesen weder durch ihre Körperbeschaffenheit, noch durch Tracht oder Lebensweise. […] Der koptische Bauer ist trotz seines Christentums, das er allenthalten stark betont, ein Muslim geworden, nur daß er manche guten Eigenschaften des Muhammedaners nicht teilt. Von dem Rechte, geistige Getränke zu genießen, macht er reichlichen Gebrauch und nimmt besonders den von ihm selbst bereiteten Dattelschnaps in übergroßen Quantitäten zu sich«.686 (3) »Orientalism makes assumptions about people«: Einer bestimmten Ethnie, Nationalität, »Rasse«, Religion oder anderen Gruppe werden bestimmte »angeborene«, vor allem negative Eigenschaften zugeschrieben, die pauschal auf individuelle Mitglieder der Gruppe übertragen werden.687 Tatsächlich sprechen die Archäologen von »den« Ägyp685 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Kom Ombo, 392 (Bande); Zucker, Von Kairo bis Assuan, 5 (Geist); Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 57 (analog Libysche Wüste, 23); ders. et al., Tgb. Qau 1913/14, 60; vgl. Baedeker, Ägypten, LVII (»Der koptische Gottesdienst bietet ein befremdliches Schauspiel«). 686 Steindorff, Aegypten, 194-196; vgl. Cromer, Modern Egypt, 201-208 (205f.: »for all purposes of broad generalisation, the only difference between the Copt and the Moslem is that the former is an Egyptian who worships in a Christian church, whilst the latter is an Egyptian who worships in a Mohammedan mosque«). Zur Lebensart der Kopten: Leeder, Copts of Egypt (1918). Im 19. Jahrhundert hatten westliche Besucher Ägyptens von den Kopten ein ambivalentes Bild (Reid, Whose Pharaohs, 260f., 282). Von den unter Kap. 2.1 vorgestellten Archäologen äußern sich manche positiv bzw. im Gestus der Verbundenheit (Denon, Égypte, Bd. 1, 150f., 235, 320; Bd. 2, cv; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 411; Bd. 4, 45 [»[des] chrétiens, nos amis naturels«], 395; Petrie, Seventy Years in Archaeology, 207f.), andere wie die untersuchten deutschen Archäologen negativ bzw. abgrenzend (Hamilton, Ægyptiaca, 374 [»The Christian inhabitants of [Damietta] appeared to me, even more than in other parts of Turkey [d.h. das Osmanische Reich], addicted to the excessive drinking of spirits«]; Vyse, Gizeh, Bd. 2, 12; Brugsch, Aegypten, 53 [»Die Kopten sind furchtsam und feige, dabei doch hinterlistig und verschlagen. Sittenreinheit ist einer der seltensten Vorzüge ihres Charakters«]; ferner Rhind, Thebes, 286-290 [287: »the Copts are too often more prominently worthless than the Mohammedans«]). In sich ambivalent: Lepsius, Briefe aus Aegypten, 299 (die Lepsius um Bakschisch bittenden Kopten sind »die ächtesten ungemischten Nachkommen jenes alten Pharaonenvolkes, […] in dessen Weisheit Moses erzogen worden«); dem widersprechend: Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 427f. (»Les Coptes sont le résultat du mélange confus de toutes les nations qui, successivement, ont dominé sur l’Égypte. On a tort de vouloir retrouver chez eux les traits principaux de la vieille race«). Zur Wahrnehmung der Kopten durch europäische Ägypten-Reisende im 19. Jahrhundert ferner Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 197; Gindi, Copts; Horbury, British and Copts; Lançon, Français en Égypte, 183-187. 687 Ein überdeutliches Beispiel dafür liefert uns der französische, in Ägypten tätige Richter Pierre Arminjon (1869-1960): »Vigueur, activité, endurance, sobriété, intelligence alerte et vive, tels sont les dons naturels et les qualités innées du fellah et de l’ouvrier égyptien; imprévoyance, insouciance, manque d’esprit de suite, désordre, crédulité superstitieuse, apathie routinière, tels

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tern oder Arabern; oder wie oben von »dem Orientalen«; von »den« Bewohnern der Orte Kerdasse, Kafr oder Siwa (Kap. 3.5.2); von einem entsprechenden Wesen: »Zu den wenigen guten Eigenschaften der Siwis gehört ihre große, durch die Religion vorgeschriebene Reinlichkeit«. »Im allgemeinen zeichnet sich der Siwi nicht durch großen Fleiß aus«. »Am Morgen kommt [der Antikeninspektor,] um die zweifelhaften Grenzen des Regierungslandes mit festzustellen. Über das fragliche Gebiet des [Anwohners, der Einspruch gegen die Ausgrabung erhebt,] gibt es keine schriftlichen Abmachungen. Man weiß nur daß davon ein Teil dem Staat gehört. Aber wie viel kann niemand feststellen. Echt ägyptisch!!« »Zum Schluß wird der Arzt um seine [Unterschrift zur Bestätigung der Behandlung] gebeten. Er lehnt es ab. Darauf ihm für jeden Besuch 1 [Pfund] gezahlt, außer seinen Auslagen. Damit war er gar nicht zufrieden! echt arabisch!«688 Diese Essentialisierung führt bei den Archäologen zu (negativen) Erwartungen, die sie verwundern, wenn sie in der Wirklichkeit nicht erfüllt werden: »[Beim Dinner eines Postmeisters:] Außer uns 2 rheinische Damen und ein einheimischer Richter aus Kairo, der sich als gebildete[r] [Mensch] zeigt«689 – bei einem europäischen Richter hätte Bildung sich wohl von selbst verstanden. Des Weiteren: »Wer weiß, wie viel Unruhe dazu gehört, bevor ein arabischer Bauhandwerker anfängt, wie viel Leute dabei stehen und dem Künstler zur Hand gehen müssen, […] der wird sich den Betrieb bei dem Hausbau [im Feldlager] vorstellen können. Im Allgemeinen bin ich aber ganz zufrieden mit den Leuten«. »Am Morgen besuchen uns[ere Grabung vier Ortsvorsteher]. […] Sie werden mit Kaffee und Zigaretten bewirtet, empfehlen sich aber nach kurzer amüsanter Unterhaltung bald wieder, da sie uns mitten in der Arbeit sehen – im Gegensatz zu sonstigen derartigen arabischen Besuchen, die oftmals [vgl. o. Abs. 2] kein Ende nehmen«. »Steindorff und [ein deutscher Assistent] [besuchen] das ausserordentlich saubere Haus des [Ortsvorstehers]«.690 Über diese »Enttäuschungen« trösten sich die Archäologen auf zweierlei Art hinweg. Entweder rechnen sie den, sozusagen, »Sieg des Orientalen« über sein »fehlerhaftes Wesen« nicht ihm selbst, sondern europäischem Einfluss, also ihrer eigenen Zivilisation zu: Jener »gebildete« Richter »hat in Marseille u. Aix Jura studiert«. Des Weiteren: »[Unser Feldlager wurde »durch die ägyptischen Sanitätsbehörden«] mit einer für ägyptische Beamte anerkennenswerten Gründlichkeit desinfiziert. Das hat natürlich einige Umstände für die Grabung gemacht, die aber gern in den Kauf genommen wurden, da wir hier einmal Gelegenheit hatten, selbst zu sehen, wie die Ägypter

sont les défauts, dans une certaine mesure sans doute fixés par l’hérédité, que lui ont infligé, peut-être du moins est-il permis de le conjecturer, tant les conditions du milieu géographique qu’un régime politique et social défectueux. La vitalité de cette race est des plus remarquables […]« (Situation économique, 152). 688 Steindorff, Libysche Wüste, 110 (Reinlichkeit), 113 (Fleiß); ders. et al., Tgb. Abusir 1910, 7 (Grenzen); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 127 (Arzt). 689 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 329 (Richter). 690 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 16f. (Bauhandwerker); Aniba 1914, 312 (Besuch), 379f. (Haus).

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sogar mit Übereifer die Weisungen ihrer deutschen Lehrmeister im Sanitätswesen ausführen«691 – hier wird die Leistung der Ägypter sogar zusätzlich durch den Vorwurf des »Übereifers« gemindert. Oder aber Steindorff billigt einer Gruppe Orientaler gute Eigenschaften zu, stellt die Gruppe jedoch einer anderen Gruppe gegenüber, welcher er die Eigenschaften abspricht: »[V]on der liebenswürdigen Freundlichkeit, mit der etwa der ägyptische Fellah jedem Fremden begegnet, habe ich bei den Bewohnern [von Siwa] keine Spur gefunden«. »Als wir durch die Straßen der […] Hauptdörfer [der Oase El-Bahriyya] schlenderten und uns dabei der Felsennester [und Oasen] Qara und Siwa erinnerten, glaubten wir fast wieder in einem Flecken des Niltals zu sein. So zivilisiert und ägyptisch kam uns alles vor«.692 (4) »Orientalism makes assumptions about gender«: »Orientale« Männer und Frauen werden dem westlichen Bild ihres Geschlechts nicht gerecht: Die Frauen sind wollüstig statt sittsam; die Männer schwach, weich und gefügig statt stark, tapfer und selbstbewusst. Zur Gefügigkeit oder dem Gegenteil kommen wir in Kap. 4.2.1-2. Bereits gesehen haben wir, dass die Archäologen ägyptische Männer entmännlichen, indem sie sie als »schreiend« (o. Abs. 2) oder »wie die Kinder heulend« (Kap. 3.5.2) beschreiben. Dass sie sie wie »Schachfiguren« durch die Grabungsstätte »bewegen« (3.4.3.1 Abs. 5), hat den gleichen Effekt. Zucker machte es explizit: »Der Fellach ist durchschnittlich großer, kräftiger Statur […]. Trotzdem hat er meist im Benehmen etwas Unmännliches, wenn auch nicht in dem Grade wie die [Nubier], die zum Teil wirklich Karikaturen männlicher Erscheinungen sind«.693 Einen Grabungsarbeiter, der so »unverdrossen« ist, dass er »wie ein Bär mitarbeitet«, wollen die Archäologen hingegen »selten« gesehen haben (3.5.2). Immerhin bewerten sie mit »klein«, »schwach« oder »unbrauchbar« jedoch keine Männer, sondern Jungen (3.5.3) – während der Engländer Petrie von ägyptischen Arbeitern ab einem Alter von 20 Jahren nur »a small proportion« als »worth having« erachtete.694 Der Grabungsarzt Müller »bemerkte« in Abusir el-Meleq »im Laufe der Zeit«, dass »die meisten unserer Leute sehr wehleidig [waren]; wenn ihnen das geringste fehlte, so meinten sie, es gehe ihnen an das Leben, und das vorhin erwähnte Zähneklappern ist eine typische Zugabe bei jeder Unpässlichkeit«.695 Weniger bemerkenswert fand er offenbar, dass die Arbeiter – einschließlich der Jungen – ihre neun bis zehn Arbeitsstunden an sechs Tagen pro Woche (Kap. 3.3.0) barfuß und in Wüstenstaub und Sonnenhitze absolvierten (4.2). Trocken konstatiert Müller die ständigen Abschürfungen bzw. die

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Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 5. Steindorff, Libysche Wüste, 110 (1. Zitat), 144 (2. Zitat). Zucker, Von Kairo bis Assuan, 5. Petrie, Methods in Archaeology, 20f. (und bei Jungen »the narrow feminine faces are seldom worth much«: 21). 695 Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 203; vgl. dagegen Petrie, Ten Years Digging in Egypt, 184 (»[The Egyptians’] feeling of pain is hardly comparable with our own: with bad injuries, such as torn or crushed fingers, they do not seem at all distressed«); u. Kap. 4.2 (Ayrout, Fellahs, 99f.; Piot, Fellah, 238f.).

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solche verhindernde Hornhaut der Arbeiter, und dass »trotz [deren] unzweifelhaft massenweise[r] Staubeinatmungen Lungenkrankheiten sehr selten« waren.696 Die Hitzetoleranz der Arbeiter erwähnt Müller, anders als Vyse oder Belzoni,697 nicht. (5) »The Orient is feminine«: Während seine Bewohner die westlichen Geschlechterbilder verfehlen, erfüllt der Orient als Ganzes – allerdings zu seinem Nachteil – das weibliche: Er ist passiv, unterwürfig und verführerisch. Ihm gegenüber steht der Westen als Mann: aktiv, dominant, rational. Dieses orientalistische Stereotyp leitet zur Frage des Kolonialismus über, die ich in Kap. 4.2.2.1 behandle. (6) »The Orient is degenerate«: Seine Bewohner »leiden« unter verschiedensten Schwächen, die dem Westen fernlägen: Feigheit, Faulheit, Unzuverlässigkeit, Gewalt, Wollust, Unmoral und anderes. Die Archäologen empfinden das Mena House, ein europäisch geprägtes Luxushotel bei den Pyramiden von Giza, als »die Kulturwelt«, in der sie »zivilisiert frühstücken«. Wenn sie von dort zu ihrer Feldforschung aufbrechen, nehmen sie von dieser Welt »Abschied«.698 Welche Schwächen sie an den Menschen »außerhalb der Kulturwelt« fanden, habe ich in Kap. 3.5.2 zitiert: Einzelne oder Gruppen von Ägyptern sind schmutzig, kindisch, unzuverlässig, faul und anderes. Auf die alten Ägypter hingegen greifen diese Abwertungen kaum über. Die untersuchten Archäologen zeigen mitunter tiefe Bewunderung für die künstlerische Qualität gewisser Funde.699 An einer langjährigen Grabungsstätte wie »unserem geliebten« Amarna »hingen« sie, wie sie 1914 nach Ausbruch des Krieges traurig bekannten, »mit Leib und Seele«, weshalb sie hofften, »nach dem Kriege dort wieder einzusetzen, wo wir vor ihm aufgehört haben«.700 Tatsächlich erforschten westliche Gelehrte Altägypten schon seit Napoleons Expedition hauptsächlich deshalb, weil sie in diesem Ägypten eine 696 Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 201, 209 (Zitat); zu den Füßen auch o. Kap. 3.3.8. 697 Kap. 2.1.4 (Vyse, Gizeh, Bd. 1, 155); Belzoni, Egypt, 50f. 698 Steindorff, Libysche Wüste, 12 (»das letzte zivilisierte Frühstück«), 14 (»Kulturland«, »Abschied«); ders. et al., Tgb. Giza 1909, 3 (»Kulturwelt«, »Abschied«); Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 1 (»Kultur«, »Abschied«). 699 Z.B. Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 13 (»Messer, die sämtlich hervorragend schön gearbeitet sind«), 32 (in einem Grab »wird ein wahres Prachtstück von einer Schminktafel gefunden«); Theben 1911, 73 (»Der Sarg war mal allererstklassig«), 80 (»Die erhaltenen Seitenbretter zeigen in köstlich schöner Flachschnitzerei Reihen von Götterbildern […].– Ein Meisterwerk ersten Ranges einst«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 50 (»zwei Holzschnitzereien [werden] gefunden […]. Die Stücke müssen einmal wunderbar prächtig gewesen sein«); 1907/08, 148 (»Die Reliefs sind allerfeinster Ausführung«); Amarna 1911/12, 194f. (»Die beiden kleinen Prinzessinnen [aus Kalkstein], nebeneinander hergehend. […] Sehr feine Arbeit, auch die Akte in Bewegung und Formen vorzüglich«); 1912/13, 23 (»[Der Prinzessinnenkopf] ist eine ganz hervorragende Arbeit […]. Die kleinsten Vertiefungen des Kopfes, die einzelnen Falten und Fältchen, Nacken, Hals, Ohren, alles ist mit großer Sorgfalt und Liebe gearbeitet. Besonders schön ist die Lippen[-] & Kinnpartie«); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 118 (»eine vollständige Grabstele […] von schöner Arbeit und köstlich erhaltener Farbe«); Aniba 1914, 527 (»das […] erwähnte hervorragend schöne Stück«), 535 (»Unter den sonstigen Funden ist noch ein Prachtstück besonders zu erwähnen, ein kleiner Fayencelöwe von wundervoller blauer Farbe«). 700 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 38f.

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der ersten menschlichen Hochkulturen erblickten, die letztlich zu ihrer eigenen, westlichen Hochkultur geführt habe: Über das antike Griechenland habe Ägypten seine kulturellen Errungenschaften – Schrift, Kunst, Wissenschaft – an Europa weitergegeben, dessen Stern damit aufgehen sollte.701 Ägypten selbst dagegen sei, Napoleons Gelehrten zufolge (o. Kap. 2.1.1), nach der Antike »plongée dans la barbarie«.702 Der deutsche Archäologe Brugsch kontrastierte, im Bericht seiner Ägypten-Reise 1853/54 (o. 2.1.5), Thebens antike Tempel mit der »ekele[n]« Gegenwart des Ortes, die ihm in Form bettelnder Anwohner gegenübertrat.703 Und die untersuchten Archäologen bemerkten bei der Ausgrabung in Tell el-Amarna zu einem Anwohner, der sie auf ein antikes Badezimmer hingewiesen hatte: »Der dreckige Abd el halim die feine Badestube eines seiner Vorfahren ausbuddelnd! Wie doch ein Volk herunterkommen kann«.704 Der orientalistische »Ekel« vor dem zeitgenössischen Ägypten mag die Bewunderung des alten etwas gedämpft haben. Dennoch zweifelten westliche Ägyptologen nie daran, dass sie eine Hoch-, also letztlich keine »orientale« Kultur erforschten.705 Das ist auch der Grund, warum die untersuchten und andere westliche Archäologen bis mindestens 1914 die zeitgenössischen Einheimischen Ägyptens eher als »Araber« denn als »Ägypter« bezeichneten. Ägypter selbst gebrauchen den Namen »Araber« nicht für sich, sondern für beduinische Nomaden oder für Einwohner der Arabischen Halbinsel.706 Die Abendländer machten den Namen »Ägypter« indes zu einer Art Ehrentitel, den sie dem antiken, »zivilisierten« Volk vorbehielten.707 Die orientalistischen Stereotype über die modernen Ägypter bedeuten umgekehrt, dass diese Ägypter die gegenteiligen, positiven Eigenschaften nicht haben »dürfen«, da sie sonst die orientalistische Definition der »modernen Ägypter« sprengen würden. Wenn die untersuchten Archäologen positive Eigenschaften dennoch feststellen, relativieren sie sie zugleich: »Wir kamen […] bald auf ausgetretene Kamelpfade, auf denen wir uns auch allein ohne Abd el-[K]aders Führung mit Hilfe der von den Beduinen als Wegmarken aufgeschütteten Steinhäufchen hätten zurechtfinden können« – der fähige (Kap. 3.5.2), aber orientale Wegführer darf niemand sein, von dem eine westliche Expedition abhängt. »[Senussi] schlägt vor, den Gang […] [an] der grossen […] Mastaba […] freizulegen […]. Der Gang scheint uns wenig zu versprechen« – sogar der Obervorarbeiter Senussi darf als Orientaler niemand sein, der das archäologische Potenzial eines Gangs besser erkennt als die deutschen Archäologen. »Gestern hatte Senussi berichtet, dass in einer […] Kammer […] eine merkwürdige Statue liege […]. Steindorff u. [ein deutscher Assistent] steigen heute früh in den Schacht [und] schieben sich auf dem Bauche langsam in die Kammer. Die Statue ist der Oberteil eines Sargdeckels 701 Georg, Egyptology as Area Study, 261; vgl. Reid, Indigenous Egyptology, 234; Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 169. 702 Fourier, Préface, if., v-ix (Zitat: v); ähnlich Jomard, Thèbes, 167. 703 Brugsch, Aegypten, 116; vgl. Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 86 (»[An] Arab village had grown up like an ugly parasite on [the] roofs« einiger altägyptischer Tempel). 704 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 50f. 705 Georg, Egyptology as Area Study, 274-277. 706 Hassan, Memorabilia, 209; Klunzinger, Oberägypten, 19. 707 Vgl. Reid, Indigenous Egyptology, 234.

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in Frauengestalt; die Arbeit ist die denkbar schlechteste, das ganze ein Scheusal […]. Trotzdem lohnt es sich das Stück heraufzuholen« – vielleicht ist die Arbeit gar nicht so schlecht, doch je besser sie ist, desto weniger darf Senussi sie gefunden bzw. erkannt haben. »[Die geübten Grabungsarbeiter] haben auch wirkliches Verständnis für die Arbeit und beurteilen die Funde nach dem, fast möchte ich sagen, wissenschaftlichen Wert, natürlich nicht ohne den Hintergedanken an die ›offene Hand‹, die nach guter und vorsichtiger Bergung von Funden bei uns aktiv, bei ihnen passiv in die Erscheinung zu treten pflegt« – sogar die geübten, aber orientalen Arbeiter dürfen nur »fast« wissenschaftlich denken, und dies »natürlich« nicht um der Wissenschaft selbst willen, was sie wiederum als eigentlich unwissenschaftlich erscheinen lässt.708 Schließlich geht auch die sprachliche Unterdrückung der ägyptischen Arbeiter in Tagebüchern und Feldberichten (Kap. 3.4.3.1) teilweise darauf zurück, dass diese Orientalen keinen nennenswerten Anteil an den archäologischen Arbeiten und Ergebnissen »der Deutschen« haben dürfen.

3.6 Porträts der in den Quellen sichtbarsten Arbeiter An jedem der 2.599 erfassten Grabungstage, die sie in meinem Untersuchungszeitraum abhielten, beschäftigten die Archäologen durchschnittlich 131 Arbeiter (Kap. 3.3.1). Die allermeisten von ihnen blieben für mehr als einen Grabungstag, wenn nicht gar Jahre (3.3.3.1; 3.3.3.2 mit Liste). Dennoch werden im Laufe der Jahre und an den verschiedenen Grabungsorten insgesamt Tausende verschiedener Individuen beschäftigt worden sein, das heißt Tausende von Menschen mit jeweils einer eigenen, einzigartigen Persönlichkeit und Geschichte. In den Quellen bleiben die meisten dieser Männer, Jungen, Frauen und Mädchen wie erwähnt hinter mehr oder weniger großen Kollektiven verborgen: »die Leute«, »die Arbeiter«, »die Mannschaft«, »die Oberägypter« und so fort (3.4.3.1 Abs. 6). Durch Namensnennung aus dem Kollektiv herausgehoben werden Arbeiter dagegen jeweils so selten bzw. mit so wenigen Worten, dass wir ihre Persönlichkeit und Geschichte nicht greifen können. Meine Quellen erlauben dies nur in drei Ausnahmefällen. Es handelt sich um langjährige leitende Arbeiter der Archäologen, die ich im Folgenden porträtieren will. Über Hassan (3.6.2) und Mabruk (3.6.3) wissen wir allerdings schon erheblich weniger als über Senussi (3.6.1).

708 Steindorff, Libysche Wüste, 45 (Kamelpfade); ders. et al., Tgb. Giza 1905, 87 (Vorschlag); Qau 1913/14, 64 (Statue); Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 5 (Verständnis). Außerdem Timme, Amarna, 71 (»Ich fand [in dem Ortsvorsteher] einen überraschend verständigen […] Beduinen, mit allem Entgegenkommen für meine Lage [Timme suchte Kamele für die Vermessung von Amarna]. Nur das nicht auszurottende ›langsam‹ des Landes bleibt auch bei ihm bestehen«).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

3.6.1 Mohammed Ahmed el-Senussi709 Vor 1914 und darüber hinaus war Mohamed Ahmed Abd el-Rahman el-Senussi710 der wichtigste ägyptische Arbeiter der untersuchten deutschen Archäologen in Ägypten. In meinem Untersuchungszeitraum erscheint er in fast jedem Grabungstagebuch und fast jeder -lohnliste. In Archiven finden sich außerdem ihm zuordenbare Fotografien (Abb. 36-38), sein Arbeitsvertrag mit den Berliner Museen (das Ägyptische Museum war eine von deren Abteilungen) sowie ein von ihm an Georg Steindorff gesandter Brief.711 Unvergleichlich viel über Senussi erfahren wir schließlich aus dem Buch und dem Nachlass des Ethnologen Hans Alexander Winkler, der Senussi 1932 besucht hat (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 6a). Geboren wurde Senussi um 1880 in Kiman, einem Dörfchen im Osten von Quft in Oberägypten (Karte 3.3.3.2). Trotz seines Beinamens »el-Senussi« bestritt er, etwas mit dem religiösen Orden der Senussi zu tun zu haben.712 Stattdessen erzählte er Winkler, dass schon sein Vater jenen Namen getragen hätte, während Ludwig Borchardt sich in einem Brief an Winkler erinnerte, von Senussi eine andere Erklärung gehört zu haben: Als kleiner Junge sei er »so zerlumpt herumgelaufen, dass die Leute zu ihm gesagt hätten, er sähe ja aus wie ein Senussi«.713 Wie dem auch sei, Winkler irrte sich mit der Angabe, Senussi habe seinen Namen erhalten, nachdem er mit deutschen Archäologen in Senussi-Gebiet gereist war – Senussi muss Steindorffs Siwa-Expedition 1899/1900 gemeint haben –, denn er war schon vorher so genannt worden.714 Laut Winkler begann Senussi seine archäologische Laufbahn an seinem Heimatort bei dem Briten Flinders Petrie, der 1893/94 in Quft, also dem antiken Koptos grub. Senussi lief »nach Bubenart« hinter dem Archäologen her, um Bakschisch oder Schokolade zu bekommen. Petrie gab ihm letztere und stellte ihn als Laufburschen für den Koch bzw. ihn selbst ein. In den folgenden Jahren arbeitete Senussi bei anderen Ausgrabungen unter Petrie bzw. dessen britischem Kollegen Quibell. Bald wurde er Vorarbeiter und konkurrierte mit Petries etabliertem Vorarbeiter Ali Suefi, der aus dem Fayyum stammte.715

709 Dieser Abschnitt ist größtenteils eine deutsche Übersetzung von Georg, Egyptian Workers, 249-252. 710 Voller Name laut Berliner Museen, Vertrag Senussi. 711 Auf den Vertrag verweist Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 76 mit Anm. 893. Dagegen fehlen uns die deutschen Tagebücher der Ausgrabung in Abu Gurob von 1898 bis 1901 (o. Kap. 1.2.1.1) – jene Ausgrabung, bei der Senussi für die Deutschen zu arbeiten begann. 712 Winkler, Bauern, 8. Dieser Angabe können wir glauben, denn wenn es anders gewesen wäre, hätte Steindorff doch spätestens dann darauf hingewiesen, als er den Senussi von Siwa einen eigenen Bericht widmete (Bei den Senûsis). 713 Winkler, Vita Senussi; Borchardt, Brief an Winkler, 26.4.1934. 714 Winkler, Bauern, 8; Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, vor 1 (»Mit Senussi über seine Teilnahme an der Siwah-Expedition konferiert; er ist bereit mitzumachen«). Dass Senussi »schon 1898 den Beinamen Senussi führte«, ist Winkler schon entgegengehalten worden von Scharff, Rezension, 1668. 715 Winkler, Bauern, 8; Vita Senussi (Zitat); zu Suefi: Quirke, Hidden Hands, 301f.; ferner o. Kap. 3.3.3.2; zu Petrie in Koptos: o. ebd.

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Ein »Senusi« erscheint jeweils in Petries Unterlagen seiner Ausgrabungen in Quft 1893/94 sowie Naqada und Deir el-Ballas 1894/95.716 Die beiden letzteren sind prähistorische Stätten. Bevor Petrie bzw. Quibell ihn 1898/99 an die deutschen Archäologen abgaben, könnte Senussi außerdem 1897/98 bei Quibell an der prähistorischen Stätte Hierakonpolis (Kom el-Ahmar) gearbeitet haben. Diese Erfahrungen würden erklären, warum Senussi bei den Deutschen in der Lage war, eine prähistorische Nekropole von einer dynastischen zu unterscheiden.717 Petrie war einer der Begründer der Vorgeschichtsarchäologie in Ägypten; schon seine Grabung in Koptos 1893/94 fand Objekte, die älter waren als die 3. Dynastie (27. Jahrhundert v. Chr.), und erstes Licht auf eine bis dahin unbekannte Zeit warfen.718 Jedenfalls war Senussi 1899, als Steindorff ihn mit nach Siwa nahm, »in Ausgrabungsarbeiten ausgezeichnet geschult«.719 Senussi erzählte Winkler, dass Quibell bzw. Petrie ihn den Deutschen überlassen hätten, weil sie keine Verwendung mehr für ihn gehabt hätten.720 Lag dies an besagter Rivalität zwischen Senussi und Suefi? Jedenfalls wurden er und ein weiterer, ungenannter Oberägypter aus Quibells Mannschaft dann von den Deutschen eingestellt, da Quibell mit Borchardts Mitarbeiter Heinrich Schäfer befreundet war, der 1898/99 die Ausgrabung in Abu Gurob leitete (Kap. 3.3.3.2). Schäfer freundete sich dann mit Senussi an: 1899 bat Schäfer Steindorff in einem Brief, Senussi von ihm zu grüßen;721 umgekehrt bat Senussi in jenem Brief, den er 1903 an Steindorff in Deutschland sandte, Schäfer und dessen Familie seine Grüße auszurichten. Zudem war es Schäfer, der Winkler vorschlug, 1932 in Quft bei Senussi zu wohnen.722 In Abu Gurob begann Senussi 1898/99 als einfacher Arbeiter.723 Nach wenigen Saisons hatte er es jedoch »so weit gebracht, dass er eine Arbeiterzahl von gegen 400 Mann ohne Schwierigkeit dirigiert«. Somit wurde er in Abu Gurob bzw. Abusir nicht nur Vorarbeiter (rais), sondern Vorarbeiter der Vorarbeiter: Er führte die »Aufseher der einzelnen Abteilungen« von Arbeitern.724 Die ihm unterstellten Arbeiter erkannten seine Autorität offenbar an – wenngleich er einmal »etwas mit Illahun-Leuten« »collidiert[e]«, da er sie »zu hart anfaßt[e]«.725

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Quirke, Hidden Hands, 137 (hier von Petrie als Arbeiter mit »good« bewertet, im Unterschied zu »medium« und »bad«), 175, 177, 179; außerdem ein Arbeiter namens Mohammed Ahmed: 177, 178. Kap. 3.3.4 (Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 110; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 230); Petrie/Quibell, Naqada and Ballas; Quibell/Green, Hierakonpolis. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, Kap. 4; Spencer, Petrie Earliest Egypt. Steindorff, Libysche Wüste, 20. Winkler, Vita Senussi. Schäfer, Brief an Steindorff, 11.12.1899. Winkler, Bauern, 1. Während der Siwa-Expedition fragte Borchardt Steindorff, wie Senussi »sich denn« mache (Brief vom 11.12.1899). Borchardt, Ne-Woser-Re, 76; vgl. Ne-User-Re, 163. Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 99.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Abb. 36: Obervorarbeiter Senussi, nach 1903

ÄMULA, NL Steindorff. Scan: ÄMULA.

Senussis archäologische Fertigkeiten waren ebenso bemerkenswert – als er 1903 zur Grabung in Giza stieß, schwärmte Steindorff: »[E]s ist eine Freude zu sehen, mit welchem Geschick und Verständnis [Senussi] alles macht; der geborene Archaeologe«.726 Tatsächlich gelang ihm bzw. den Arbeitern unter ihm eine Vielzahl von Funden – von manchen berichten die deutschen Tagebücher;727 andere würden ihm vielleicht in Fundjournalen und anderen Grabungsdokumenten zugeordnet, sofern diese in Archiven er-

726 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 144. Senussi und Steindorff in Giza abgebildet in: Spiekermann/ Kampp-Seyfried, Giza Ausgrabungen Steindorff, vorderer Deckel. 727 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 44, 96, 123f.; 1914, 458; Qau 1913/14, 102; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 71f.

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halten sind (Kap. 1.2.1.5). In Amarna war Senussi auch für die Ausgrabung des antiken Hauses P 47.2 zuständig, wo 1912 die Nofretete-Büste entdeckt wurde.728 Bei einem neuen Fund war Senussi in der Lage, den Grabungsleitern recht genau mitzuteilen, was es sein könnte: eine prähistorische Nekropole zum Beispiel, oder eine etwa 1,20 Meter hohe, der Sphinx von Giza (arab.: Abu el-Hol) ähnlich sehende Sandsteinstatue.729 Hatte eine Mauer einen unklaren antiken Zweck, stellte Senussi Vermutungen dazu an.730 Bei einem neuen Grab konnte er dessen Inhalt detailliert beschreiben, sobald er durch ein Loch in es hineingesehen hatte – »[e]r pflegt[e] richtig zu sehen«.731 Artefakte und Materialien wie Statuenköpfe aus Gips oder -füße aus Granit konnte er durch Schutt hindurch erfühlen.732 Bei Steindorffs Ausgrabungen erkundete Senussi mit oder allein die Grabungsstätte auf der Suche nach lohnenden Stellen.733 Überdies war er in der Lage, Funde zu bearbeiten: Er kopierte Inschriften oder präparierte Särge zur Konservierung mit Paraffinwachs.734 Anders als die meisten Landbewohner im damaligen Ägypten konnte Senussi sogar in gewissem Maße lesen, wenn nicht gar schreiben. Sein Brief an Steindorff belegt dies zwar nicht, da Senussi sich dafür eines professionellen Schreibers bedient haben mag (Kap. 1.2.2). Gleichwohl erkannte Senussi an einer Besucherinschrift in einer frisch geöffneten Pyramide, dass sie in englischer Sprache abgefasst war735 – er konnte also nicht nur lesen, sondern Fremdsprachen unterscheiden, obwohl er mit den Deutschen lediglich Arabisch sprach.736 Gegenüber Winkler erklärte Senussi, schon unter Petrie habe er zur Einteilung von Arbeitern die Namenslisten des Archäologen benutzt,737 die wahrscheinlich nur mit lateinischen Buchstaben geschrieben waren. Borchardt sandte Senussi 1899 in Illahun sogar zu einem Antikenhändler, um sich Papyri »anzusehen«, bevor Borchardt kam und sie kaufte.738 Als Archäologe – diese Bezeichnung verdient er – ebenso wie als Aufseher von Arbeitern und Grabungsstätten diente Senussi den Deutschen mit großer Beflissenheit und Loyalität. Wenn keine Funde kamen, wo er etwas erwartet hatte, war er sichtlich enttäuscht (Kap. 4.3). Er schützte die archäologischen Stätten vor Eindringlingen, selbst wenn er wie in Giza 1906 diese schlagen oder wie ebenda 1910 von ihnen Handgreiflich-

728 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 34, 39-44; u. Kap. 5.3 Abs. 7. Der Mann, der die Büste auf deren erster Fotografie in Händen hält, ist dagegen nicht Senussi (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 5). 729 Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 110 (Nekropole); ähnlich Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 230-232; Statue: ebd., 64 (zur arabischen Bezeichnung der Sphinx: Thompson, History of Egyptology, Bd. 1, 226). 730 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 228; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 117f. 731 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9f. 732 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 44. 733 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 87; Aniba 1912, 111, 155f., 163; Qau 1913/14, 41f., 53, 65. 734 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 187-189, 193, 197; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 86; Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 132. 735 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 43f. 736 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 228; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 193; Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 134f.; o. Kap. 3.4.1. 737 Winkler, Vita Senussi. 738 Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 21.

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keiten erleiden musste.739 Den ägyptischen Arbeitern erlegte Senussi die von den Deutschen vorgeschriebene Disziplin auf – sowohl den Ortskräften als auch den Stammarbeitern aus Oberägypten, von denen er manche selbst von dort zu einer Grabung mitbrachte.740 Wenn Arbeiter eine Lohnerhöhung forderten und die Deutschen sie ablehnten, unterstützte Senussi die letzteren,741 weshalb er einmal von Enttäuschten für die Nichterfüllung ihrer Forderungen verantwortlich gemacht und mit Gewalt bedroht wurde (4.2.2.3). Wenn Arbeiter außerdem stahlen oder betrogen, konnten die Deutschen Senussi hinzuziehen, um den Vorfall aufzuklären und zu bestrafende Schuldige zu ermitteln.742 Zugleich versuchte Senussi, Diebstähle zu verhindern, indem er bestimmte Funde bei der Bergung vor den Augen der Ortskräfte verbarg (ebd.). War Senussis Loyalität zu den Arbeitgebern der Grund dafür, warum er in Quft so »unbeliebt« war, dass Quftis des US-Amerikaners Reisner 1905 »nicht unter Senussi arbeiten« wollten?743 Zwischen 1898 und 1914 nahm Senussi an zumindest einem Teil fast jeder der untersuchten archäologischen Unternehmungen teil – Grabungskampagnen unter Borchardt, Steindorff, Möller, Rubensohn und Zucker; die Expeditionen Steindorffs nach Siwa und Nubien; Rubensohns und Zuckers Reisen zu Antikenhändlern;744 und sogar Reisen und Grabungen des für Österreich arbeitenden Deutschen Hermann Junker (Tab. 3.3.3.2). Wenn Senussi an mehreren Orten zugleich hätte sein können, hätte er keine Unternehmung verpasst – doch schon jene, denen er beiwohnte, fanden oft gleichzeitig statt, sodass er zwischen verschiedenen Stätten hin- und herreisen musste (ebd.).

739 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 184-186; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 234; zu Giza 1906 und 1910: u. Kap. 4.2.2.3 (Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 35; 1910, 131). 740 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 2; 1903/04, 1; Amarna 1911/12, 1; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 15; Aniba 1912, 6 (Senussi und »seine Leute«), 115f. (Senussi und »seine Leute«, im Gegensatz zu anderen Arbeitern). 741 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 76; 1914, 4, 314. 742 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 162-166; Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 3; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 164f.; 1907/08, 27-29; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 150-153, 213f.; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 5f.; Theben 1913, 70f. 743 Möller, Brief an Steindorff, 12.1.1905. Wegen Senussis damaliger Unverzichtbarkeit konnten die Deutschen diese Bedingung allerdings nicht erfüllen. 744 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 8; 1902/03 ebd., 1, 9; 1903/04 ebd., 22; Fayyum, 1, 5; Zucker et al., Tgb. 1907 Fayyum/Oberägypten, 1, 6, 17.

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Abb. 37: Obervorarbeiter Senussi; hinter ihm vermutlich andere Vor-/Stammarbeiter bzw. Quftis (Borchardt, Abusir 1902-1908) (Senussi bei Grabungen auch in Abb. 12?, 31, 35)

SCA, Scan 496, Foto 11122. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

Senussis Vertrag mit den Berliner Museen von 1901 verpflichtete ihn, jederzeit »jeden Dienst« zu erbringen, den die Museen von ihm verlangten.745 In den folgenden Jahren erfüllte er diese Verpflichtung gegenüber der deutschen Archäologie in Ägypten ganz allgemein – auch gegenüber einem Archäologen wie Steindorff, dessen Mittel nicht aus Berlin kamen. Offenbar wurde Senussi faktischer Angestellter des deutschen Generalkonsulats und dann des Instituts für Ägyptische Altertumskunde in Kairo (Kap. 1.1.3, 3.2.1), sodass Borchardt, der Konsulatsattaché bzw. Institutsdirektor, den Vorarbeiter jedem deutschen Archäologen zur Verfügung stellen konnte. Die Tageslohnsätze, die Senussi für seine Dienste erhielt, stiegen von 6 Piastern ab spätestens 1901 auf 7 Piaster ab 1906 und auf 8 Piaster ab spätestens 1912. Das heißt, dass er stets mindestens 1 Piaster mehr verdiente als alle anderen Vorarbeiter der jeweiligen Grabungskampagne.746 Zusätzlich gewährte ihm sein Vertrag eine Bezahlung von 5 Piastern für jeden Tag (des Jahres?), an dem er keinen Auftrag von den Deutschen hatte. Dieses Ruhegeld mag ebenfalls mit der Zeit erhöht worden sein, und es sollte Senussi wohl

745 Berliner Museen, Vertrag Senussi. 746 Borchardt et al., Lohnlisten Abusir 1902-1908; Amarna 1912/13; Rubensohn et al., Lohnliste Hermopolis 1905/06; Elephantine 1906/07; Steindorff et al., Lohnliste Giza 1906.

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dafür entschädigen, dass er kraft des Vertrages nur bei jenen Unternehmungen arbeiten durfte, für die die Berliner Museen (bzw. Borchardt) es ihm gestatteten.747 Spätestens 1907 hatte Senussi in Kiman sein eigenes Haus gebaut, denn in diesem Jahr wurde es von Zucker besucht und in dessen Grabungs- bzw. Reisetagebuch vermerkt.748 Wenn dieses Haus jenes war, das Senussi noch 1932 bewohnte, hatte es zwei Stockwerke749 und war demnach ein »besseres« Haus, im Unterschied zu den Hütten der meisten Fellachen in Oberägypten.750 Dies mag widerspiegeln, welch beträchtliche Einkünfte Senussi bereits in jenen frühen Jahren mit der deutschen Ägypten-Archäologie erzielte.751 Vielleicht überredete er deshalb die Deutschen, auch seine Brüder Saman, Mohammed und Abd el-Rahman sowie seinen Sohn Mahdi einzustellen, obwohl zumindest die ersten beiden als Vorarbeiter ungeeignet waren und ihren Dienst bald beenden mussten.752 Senussis eigene Position mag bis 1914 nur einmal bedroht gewesen sein: Spätestens 1907 hatte Abu el-Hassan Mohammed (Kap. 3.6.2) sich zu einem so eindrucksvollen Vorarbeiter entwickelt, dass Senussi laut den Archäologen »heraus[merkte], daß er [selbst] nicht unentbehrlich mehr ist«. Aufgrund dessen scheint Senussi 1907 zweimal einen Streit mit dem Rivalen angezettelt zu haben, wofür die Archäologen ihn zurechtwiesen. Senussi scheint generell ein aufbrausendes Temperament gehabt zu haben – im Streit der beiden Vorarbeiter nannten die Archäologen ihn eine »eifersüchtige kleine Kratzbürste«.753 Doch die Sache wurde irgendwie beigelegt, und Senussi setzte seine

747 Berliner Museen, Vertrag Senussi. 748 Zucker et al., Tgb. 1907 Fayyum/Oberägypten, 24. Rubensohn war 1901 in Kiman noch bei Senussis Vater »eingekehrt« (Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Oberägypten, 22f.). 749 Winkler, Bauern, 8. 750 Blackman, Fellahin, 27 (»a village house of the better sort«); vgl. Cooper, Women of Egypt, 74 (die Häuser in Dörfern »look like mere hovels, and it is rare that a more pretentious house of two stories is to be seen«). 751 In der Tat bat Senussi 1905 Rubensohn um eine »Gehaltserhöhung in irgendeiner Form«, um mit Frau und Kind aus dem Haus seines Vaters ausziehen und ein eigenes Haus bauen zu können. Rubensohn leitete die Bitte an Erman in Berlin weiter (Brief vom 14.12.). Die Baukosten habe Senussi auf 40 britische Pfund beziffert, was 3.900 Piastern entsprach (Wechselkurs um 1907 nach Hall, Egypt, 7). Das wäre gemessen an Senussis damaligem Arbeitstageslohn von etwa 7 Piastern (o. Kap. 3.3.9.1) eine sehr hohe Summe und verglichen mit anderen ein sehr teures Haus (oder Grundstück?) gewesen (vgl. Legrain, Fellah de Karnak, 307: Das Haus von Legrains archäologischem Arbeiter Ahmed Mahmud, erbaut vor 1902, hatte ca. 50 Piaster gekostet, das Grundstück 200 Piaster). Gleichwohl befürworteten sowohl Rubensohn als auch Borchardt eine Bewilligung, aufgrund der Inflation in Ägypten sowie Senussis jahrelangem Dienst für die deutschen Archäologen. Erman hat auf dem Brief vermerkt, ihn am 26.12. beantwortet zu haben; die Antwort selbst ist mir jedoch nicht bekannt. 752 Kap. 3.3.4 (Brüder); Winkler, Bauern, 9 (Mahdi). Heute scheint kein Mitglied einer Familie Senussi aus Quft mehr in der Archäologie in Ägypten tätig zu sein. Der heute aktive Ägyptologe und Archäologe Ashraf el-Senussi ist nach eigenen Angaben (persönliche Mitteilung, 2.12.2015) nicht mit dem untersuchten Senussi verwandt. 753 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 206 (Kratzbürste; vgl. Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 130: Senussi, nachdem er tags zuvor von einer Schlange Gift in die Augen gespritzt bekommen hat, »liegt den ganzen Tag ruhig und schläft viel, was bei seinem Temperament etwas heißen will«), 210 (unentbehrlich); 1907/08, 146.

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Arbeit für die deutsche Archäologie in Ägypten fort,754 bis er in den frühen 1930er Jahren in den Ruhestand trat. Vermutlich erhielt er fortan eine Altersrente aus Deutschland.

Abb. 38: Obervorarbeiter Senussi im Ruhestand, wohl 1932

Winkler, Bauern, Frontispiz. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

754 Im Jahr 1924 zum Beispiel versuchte der deutsche Ägyptologe Alexander Scharff (1892-1950), in Abusir el-Meleq nachträglich jenen »Gesamtplan des Friedhofs« zu erstellen, den Möller (1921 verstorben) bei seiner dortigen Ausgrabung 1905 und 1906 offenbar nicht erstellt hatte (u. Kap. 5). Zu diesem Zweck ließ Scharff Senussi, der auch Möllers Vorarbeiter gewesen war, zu dem Gräberfeld kommen. Es war allerdings »in den 19 Jahren seit der Grabung völlig verweht; nicht die Spur eines Grabes war mehr sichtbar, und daher konnte sich auch Senussi nach so langer Zeit nicht mehr zurechtfinden« (Scharff, Abusir el-Meleq, VIII). Zu Senussi bei Steindorffs letzter Grabung in Aniba, 1930/31 (auch Steindorffs letzte überhaupt): Raue, Steindorff Ausgrabungen, 455.

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Als Senussi 1932 gegenüber Winkler auf seine mehr als dreißigjährige Dienstzeit zurückblickte, habe er sich »voll Stolz« als »Almani« – »Deutscher« bezeichnet. Deswegen beherbergte er Winkler, der mit Empfehlungen von Senussis Freund Schäfer kam, kostenlos in seinem Haus (wo außerdem Senussis Frau und mindestens eine Tochter wohnten), und tat alles, um den Forschungsaufenthalt des Ethnologen in Quft so angenehm und erfolgreich wie möglich werden zu lassen.755

3.6.2 Abu el-Hassan (Abu’l Hassan) Mohammed Abu el-Hassan Mohammed war ein weiterer leitender Vorarbeiter der untersuchten Archäologen und ist uns im vorigen Abschnitt als Konkurrent Senussis begegnet. Wie die meisten (höheren) Vorarbeiter kam er aus Quft bzw. einem Vorort;756 1910 besuchte ihn das Ehepaar Schubart (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 2) in seinem dortigen Haus.757 Er stammte aus einer Beduinenfamilie.758 Hassan erscheint, unter dem Namen »Abu(’)l Hassan« bzw. »Abulhassan«, in den Unterlagen zu folgenden Ausgrabungen: Tagebücher: Steindorff et al., Giza 1903, 1905, 1906, 1909, 1910; Abusir 1910; Möller et al., Abusir el-Meleq 1905; Borchardt et al., Amarna 1906/07, 1908, 1911, 1911/12, 1912/13, 1913/14; Abusir 1907, 1907/08; Zucker et al., 1907/08 Elephantine, Philadelphia; 1909/10 Medinet Madi; jeweilige Lohnlisten falls vorhanden; außerdem Möller, Lohnliste Abusir el-Meleq 1906; Schubart, Wüste (zu Dimai 1909/10 und Medinet Madi 1910). Des Weiteren begleitete Hassan 1908 Friedrich Zucker auf dessen Händler- und Erkundungsreise in Oberägypten und dem Fayyum.759 Zum Zeitpunkt der Grabung in Dimai 1909/10 soll Hassan »sich schon zehn Jahre lang in deutschen Ausgrabungen als durchaus vertrauenswürdig und zuverlässig bewährt« haben.760 Demzufolge begann er seinen Dienst 1899 in Abu Gurob, war ab 1903 bei Steindorff in Giza und blieb dort bis zum Ende; währenddessen arbeitete er zwischen 1905 und 1908 bei Möller in Abusir el-Meleq, bei Borchardt in Amarna und Abusir sowie beim Papyrusunternehmen, bevor er ab 1911 an der gesamten Hauptausgrabung in Amarna teilnahm. 1903 in Giza gehörte Hassan bereits zu den »besseren« Arbeitern bzw. hatte sich zu einem solchen entwickelt (vgl. Kap. 3.3.2.1). Denn Steindorff bzw. seine Assistenten entließen am Ende der Grabung sämtliche Arbeiter bis auf Hassan und einen weiteren Oberägypter, Mahmud Abd el-Rali – sie sollten die Grabungsstätte vorläufig bewachen. Obwohl die Archäologen sie daraufhin in einer Nacht »beide schlafend« antrafen,761 wur-

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Winkler, Bauern, 8. Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 183; o. Kap. 3.3.3.2. Schubart, Wüste, 52-54, 57. Schubart, Wüste, 24; vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1911, 23; u. Kap. 4.1.2 Anm. 43. Zucker et al., Tgb. 1908/09 Fayyum/Oberägypten, 12. 1901/02 tritt bei Borchardt und dann Rubensohn ein Vorarbeiter namens Hassan auf, der jedoch 1902 von Rubensohn wegen Diebstahl entlassen wurde (o. Kap. 3.3.4) und daher nicht mit Abu el-Hassan identisch gewesen sein wird (vgl. weiter Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 19, 42 [Hassan Mohammed aus Ehnasya el-Medina?], 122, 155, 326; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia u.a., 58ff.). 760 Schubart, Wüste, 23. 761 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 221f., 227 (Zitat).

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de Hassan bei der nächsten Giza-Grabung, 1905, erneut eingestellt. Zunächst hatte er zusammen mit dem Abusiri Abu Guma den Transport des Feldlagermaterials von Kairo nach Giza zu begleiten. Hierbei und beim folgenden Aufbau des Lagers wurden Hassan und andere Oberägypter von den Archäologen »beobachtet«. Im Ergebnis wurden er und Osman Rajan zu Beginn der Grabung dazu auserwählt, einstweilen als Vorarbeiter zu fungieren – ein echter Rais fehlte nämlich.762 In den folgenden Tagen zeigten die untergebenen Oberägypter jedoch »eine bedenkliche Neigung zur Insubordination« gegenüber Hassan und Osman; einer namens Leid Hassan, »den uns [der US-Archäologe] Reisner besorgt hat«, verweigerte Hassan handgreiflich den Gehorsam. Leid wurde entlassen, doch die Archäologen schlussfolgerten, dass Abu el-Hassan und Osman zwar gute »sawwaqs« (arab. für »Antreiber«) seien, ihnen aber »noch die Autorität bei den Leuten« fehlte (vgl. Kap. 3.3.4). Die Archäologen übertrugen die Oberaufsicht in Giza deshalb einem anderen Leid Hassan – ein neu eingestellter Vorarbeiter, der früher bei Rubensohn gearbeitet hatte. Er amtierte, bis nach knapp sechs Wochen Senussi seinen Einsatz bei Rubensohn in Abusir el-Meleq beendete und als Obervorarbeiter nach Giza wechselte.763 Abu el-Hassan blieb nach Leids Einstellung (unterer) Vorarbeiter, doch ein anderer Vorarbeiter, der von Reisner empfohlene, »sonst recht brauchbare« Umbarek Ismain »machte« mit Hassan »Krakehl« und musste verwarnt werden. 1910 stellte Hölscher zudem fest, dass Hassan »weniger geschickt« sei als der Vorarbeiter Mahmud (Ali), und dass er, Hölscher, »[i]n einem Betriebe, wo es auf sorgfältige Arbeit und Verständnis ankommt«, Mahmud »entschieden« vorziehe.764 Vielleicht wegen solcher Schwächen Hassans bezüglich Autorität und Archäologie empfand Senussi es als ungerecht (Kap. 3.6.1), dass die Deutschen Hassan bald dauerhaft als Rais bzw. Obervorarbeiter beschäftigten.765 1909 wurde er in einem Atemzug mit Senussi als »eigentlicher Rais« bezeichnet; bis zur Ankunft Hassans – »unseres R[a]is« – in Giza konnte Kerim Hamdan »den Rais« nur »spielen«. Bereits 1907 »wehrte« sich Senussi wie beschrieben gegen Hassan (Kap. 3.6.1); 1910 waren die Archäologen in Giza erleichtert, dass Hassan wegen seiner kranken Mutter frühzeitig in sein Dorf zurückkehrte, denn sonst hätten »Kompetenzstreitigkeiten« zwischen ihm und Senussi gedroht.766 Andererseits mag Hassan selbst einen gewissen Stolz gehabt haben: 1914 scherzten die Archäologen in Amarna an einem Tag, dass »[i]n Ermangelung geeigneter Kräfte […] auch der grosse R[a]is Abulhassan als Messjunge fungieren« müsse. 1909/10 stritt er in Dimai derart mit einem von den Archäologen beschäftigten Fischer, dass dieser seinen Dienst quittierte. 1907 gerieten auf Elephantine Hassan und ein anderer Vorarbeiter mit einem Polizisten in Streit, nachdem dieser

762 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 2, 11 (»Beobachtung«). 763 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 16-20 (16: Reisner; 19: Neigung; 20: sawwaq, Autorität), 87. 764 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 33f. (Umbarek); Abusir 1910, 31 (zu Mahmuds Qualitäten auch u. Kap. 5.3 Abs. 3; Vergleich zwischen seinem und Hassans Charakter: u. 4.2.1.3 Anm. 177). 765 Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 176 (Hassan geht von Zucker »als 1. Vorarbeiter in die Gizehgrabung«); Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 31 (Hassan ist »nun erster R[a]is«). 766 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 1f. (eigentlicher Rais; Hamdan), 52 (unser Rais); 1910, 160 (Kompetenzstreitigkeiten).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

sie – laut Hassan – beschimpft hatte. Die beiden wurden festgenommen und nur dank Zuckers Fürsprache auf der Wache wieder freigelassen.767 Trotz seiner (nur ausnahmsweisen?) Schwächen und Senussis Widerstand stieg Abu el-Hassan zum wohl wichtigsten Vorarbeiter der Deutschen nach Senussi auf. Wie dieser beaufsichtigte und führte er andere Arbeiter, half bei der Grabungsorganisation, kommunizierte mit Anwohnern der Grabungsstätten, brachte Material und Personal (aus Abusir) heran, betreute den Abtransport von Funden.768 1909 erscheint er als »erfahrene[r] Mann«; als »langjährige[r] R[a]is«, der sich inzwischen eine Autorität erworben hatte, die seinem Stellvertreter Kerim Hamdan fehlte. Unter Hassans »energischer Aufsicht« machte die Grabung in Giza dann »schnell Fortschritte«. Die Archäologen beteiligten ihn sogar an der Einteilung der Arbeiter. 1910 leitete er in Giza als »selbstständiger R[a]is« die Freilegung einer Nebenpyramide, die unter ihm »tüchtig vorwärts[schritt]«. Des Weiteren blieb Hassan zumindest 1909 und 1910 nach Kampagnenschluss als Wächter beim Gizaer Grabungshaus.769 Bei folgenden Kampagnen, denen Senussi vollständig fernblieb, war Hassan Obervorarbeiter: in Dimai 1909/10 und Medinet Madi 1910 sowie bei den Vorbereitungen in Amarna zwischen 1906 und 1908.770 In Amarna kann man ihn gar als Borchardts Assistenten bezeichnen: 1906/07 wurden Hassan und der Koch in Amarna damit beauftragt, von den örtlichen Anwohnern bzw. Antikenhändlern durch »Anbiederung« Hinweise zu möglichen Fundstellen zu erlangen; anschließend führte Hassan mit Arbeitern mehr oder weniger selbstständig Versuchsgrabungen durch. Zu Kampagnenschluss 1907 besprach Borchardt mit ihm die »Wächterfrage«. Am Ende der Kampagne von 1908 ließen die Archäologen Hassan und den Abusiri Abu Guma in Amarna zurück, damit sie mit Arbeitern den Bau der Arbeiterwohnungen beendeten; zur Bezahlung der Arbeiter wurden Hassan 5 ägyptische Pfund (= 500 Piaster) anvertraut.771 Bei den vier Hauptgrabungen in Amarna zwischen 1911 und 1914 fungierte Hassan dann als Rais neben Senussi – beide führten jeweils Arbeiterkolonnen an bestimmten Stellen, und auch Hassan – »grossen Ehrgeiz« zeigend – bzw. seine Arbeiter machten ausweislich der Tagebücher viele Funde.772 767 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 283; Schubart, Wüste, 18, 22 (der Fischer, der die Grabung mit Trinkwasser versorgte [o. Kap. 3.3.7], wurde dann durch einen anderen ersetzt); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 247f. 768 Z.B. Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 97; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 20, 54-56, 69f., 121; 1911, 7-10, 27, 30; 1912/13, 6f., 97f., 259f., 276f., 289; 1913/14, 5, 274, 297; Abusir 1907, 196, 219. 769 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 59 (erfahren, langjährig), 64 (energisch, Fortschritte), 112 (Einteilung); 1910, 128 (selbstständig), 132 (tüchtig), 183 (Wächter). 770 Schubart, Wüste, 23f.; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 13, 31; 1908, 16; Abusir 1907, 395 (ebenfalls zu Amarna). 771 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 13 (»anbiedern«; vgl. o. Kap. 3.2.2.2), 113f. (Wächter; vgl. o. Kap. 3.3.2.3 Abs. 8), 25, 36, 104, 111f. (jeweils Versuchsgrabungen); 1908, 30f. 772 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 26 (Ehrgeiz); 1911, 121 (»Abulhassan gräbt an O 51/1. Er findet darin 2 Bronzemesser«); 1911/12, 6f. (»Nach dem Muster des vorigen Jahres werden […] wieder zwei [Kolonnen] gebildet, die Senussi und Abul Hassan unterstehen«), 9 (»Hassan macht […] in O. 50.1 Tandif und beginnt Haus O. 50.2«, »Senussi fährt mit […] N. 48.1 […] fort«), 10 (»Bei Abul Hassan ein […] Alabasterkrug«), 48f. (»An Funden bei Abulhassan: eine kupferne Pfeilspitze, das […] Modell eines Bettes […] und eine kleine […] Kalksteinbüste«), 63 (»An Funden bei Abulhassan: eine

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Die Grabungskampagne in Amarna 1913/14 war Abu el-Hassans letzte für die deutschen Archäologen, denn er starb 1918 an der Pest.773 Möglicherweise war er schon immer krankheitsanfällig gewesen (im Gegensatz etwa zu Senussi, von dem wir nichts Derartiges hören): 1914 in Amarna lag er für einige Tage »mit starkem Fieber zu Bett«; 1910 erkrankte er in Medinet Madi an »starke[r] Influenza«, sodass er keine Nahrung mehr zu sich nehmen konnte und Zucker voll Sorge den deutschen Arzt Dr. Bannwarth aus Kairo riefen ließ, da Hassan nicht mehr transportfähig schien (bevor der Arzt kommen konnte, besserte sich Hassans Zustand jedoch).774

3.6.3 Hissen (Hussein) Mabruk Hissen Mabruk aus Abusir war bei den untersuchten Ausgrabungen für Bau, Betrieb und Unterhalt der Feldbahn verantwortlich (Kap. 3.3.5.2), da er früher Arbeiter bei der Eisenbahn gewesen war.775 In den Quellen erscheint er zuerst in der Lohnliste von Abusir 1901/02. 1905 wird er in Giza als »unser alter Eisenbahnarbeiter« vorgestellt,776 sodass die Deutschen ihn vielleicht schon vor 1901 in Abu Gurob beschäftigten (eine Feldbahn hatten sie dort ab der ersten Kampagne, 1898/99; leider fehlen die frühesten Tagebücher: 1.2.1.1). Jedenfalls nahm er ab 1901/02 an allen Kampagnen in Abusir (bis 1907/08) teil; in Giza ist er zwischen 1905 und 1909 bezeugt, in Amarna von 1911 bis 1912/13, in Abusir el-Meleq 1906. An der Feldbahn führte Mabruk jeweils jene Handvoll Männer und Jungen, die auf die Bahn spezialisiert waren bzw. – von ihm? – dafür ausgebildet wurden (3.3.5.2). Die Archäologen nannten ihn scherzhaft-respektvoll ihren »Eisenbahnminister«, und unter seiner Leitung »klappte es natürlich« mit der Bahn.777 Aushilfsweise wurde er zudem als kleine Alabastervase, ein kupferner Dolch, das […] Auge einer […] Statue […], und der Knauf eines Stockes«), 140 (»Bei Abulhassan das Bruchstück eines […] Reliefs«); 1912/13, 13f. (»Abulhassan gräbt an Q 47.1 weiter, er findet dabei eine kleine Ente aus Ton«), 94 (»Abulhassan legt das Haus Q 46.1 […] frei«, »Senussi gräbt an P 47.3 und 4 weiter«), 99 (»Abulhassan [findet] […] ein hübsches, kleines Alabastergefäß«), 112 (»Abulhassan legt mit seinen Leuten die Magazine hinter Q 46.1 frei«), 146 (»Abulhassan legt […] Q 46,1 frei. Er findet vier weitere Kornspeicher«), 176 (»Bei Abulhassan wird ein Bruchstück eines […] Büchschens […] gefunden«); 1913/14, 96 (»Abul Hassan gräbt weiter […] und findet […] einige kleine Tongefäße, ein größeres Granitstück, einen Fayencering und einige […] Stücke von Figürchen«), 101 (»Bei O 47, dem [Grabungsplatz Hassans], kommen aus einer Grube eine Menge von Bruchsteinen und Splitter aus Granit, Syenit, Kalkstein und Alabaster zu Tage«), 112 (»Bei O 47,8, dem [Grabungsplatz Hassans], findet sich ein Stempel aus Kalkstein«), 122 (»Hassan gräbt […] weiter und findet unter anderem einige Ringformen, einen einfachen Broncering und eine kleine Steinplatte«). 773 Borchardt, Brief an Winkler, 26.4.1934. An der Pest erkrankten in Ägypten im frühen 20. Jahrhundert weniger als 1.000 Personen pro Jahr (die meisten jedoch in Oberägypten); etwa die Hälfte der Betroffenen starb daran (Jagailloux, Médicalisation, 225-230, bes. 230). 774 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 275 (Fieber), 280; Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 132 (Influenza), 138f. (138: Bannwarth; zu ihm: o. Kap. 3.3.8); vgl. Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 70; Schubart, Wüste, 41. 775 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 177. Sein eigentlicher Name war »Hussein« (s.u.: Güterbock, Brief an Landesfinanzamt Berlin, 5.6.1936), doch die Archäologen schrieben ihn stets »Hissen«. 776 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 3. 777 Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 45 (es klappte); Minister: ebd., 8, 14, 18; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 509.

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Bote, Wächter, Tischler oder gar Grabungsvorarbeiter eingesetzt.778 In Abusir el-Meleq muss er derartige Funktionen dauerhaft ausgeübt haben, denn eine Feldbahn kam dort nicht zum Einsatz. Die Bahnarbeiter liefen ständig Gefahr, von Bahnwagen und -rädern verletzt zu werden (Kap. 3.3.8). Mabruk wurden 1906 in Giza »Nagel und Kuppe des 1. Mittelfingers abgequetscht«. Die »nur noch an Hautlappen hängenden Fetzen« wurden von den Archäologen »abgeschnitten und 3 Finger verbunden«; Mabruk sei »sehr tapfer« gewesen,779 obwohl er also anscheinend eine Fingerspitze einbüßte. 1908 in Abusir kam es noch schlimmer. Die bei dieser Grabungskampagne (1907/08) bzw. der vorhergehenden (1907) geborgenen Steinreliefs und -säulen waren so schwer, dass sie auf Plateauwagen auf Schienen zum nächsten Bahnhof gerollt werden mussten (3.3.5.2). Am 21. März alarmierte der den Transport leitende Senussi die Archäologen wegen eines Unglücks. Der Archäologe Walter Wreszinski (1880-1935) eilte hin und sah, dass es Mabruk »getroffen« hatte: »am linken Fuss die Zehen und die Sohle sind fortgerissen; die Knochen sind böse zersplittert, es ist also grosse Vorsicht nötig«. Mabruk hatte laut Borchardt »beim Heranrollen eines der schwerbeladenen Wagen den einen Fuß unter das lose Ende einer eisernen Schwelle gesetzt, die sich herunterdrückte und [ihm] mit ihrer scharfen Kante den Fuß zerfleischte«. Der Verletzte wurde »[m]it vorläufigem Verband […] nach dem Bahnhof […] getragen«, von wo aus Hölscher mit ihm zur ärztlichen Behandlung nach Kairo fuhr. Am nächsten Tag teilte Hölscher mit, dass »dem armen Hissen Mabruk der linke Fuss bis zur Ferse abgenommen worden ist«. Eine Woche später musste der restliche Fuß bzw. ganze Unterschenkel ebenfalls amputiert werden.780 Nichtsdestoweniger setzte Mabruk seinen Dienst für die Deutschen wie erwähnt fort – beginnend zehn Monate später in Giza 1909. Denn obwohl Borchardt feststellte, dass Mabruks Unfall durch dessen »Unachtsamkeit hervorgerufen« worden war, bekam er auf Kosten der Deutschen »ein künstliches Bein«, dank dem er »seiner Tätigkeit wie vordem nachgehen« konnte.781 Gewisse Einschränkungen wird der invalide Mabruk dennoch gehabt haben. Wieso hielten die Archäologen dann an ihm fest? Um seine Feldbahn-Kompetenz nicht zu verlieren? Wohl nicht, denn sogar Senussi, ihr wichtigster ägyptischer Arbeiter, wurde von ihnen einmal als prinzipiell »entbehrlich« bezeichnet (Kap. 3.6.1). Stattdessen scheinen die Archäologen sich für Mabruk verantwortlich gefühlt zu haben 778 Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 141; ders. et al., Tgb. Abusir 1907, 4f., 9; Amarna 1911/12, 66f. (Mabruk und von ihm beaufsichtigte Grabungsarbeiter fördern Säulenschaft zutage!); 1912/13, 67, 107, 118, 254; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 177f.; 1909, 18. 779 Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 13. 780 Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 141 (Fuß zerfleischt); ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 509-511 (restliche Zitate), 516. 781 Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 141; vgl. Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 8 (»Der einbeinige Hiss[e]n Mabruk […] kommt und empfängt Anweisung die Feldbahn aus Abusir am Sonntag heranzuschaffen«). Zu den Aufwendungen der DOG für Mabruk nach seinem Unfall vom 21.3.1908: Borchardt, Nachtrag Abrechnung Abusir 1908 (»17.04. Rechnung Dr. Bannwarth [o. Kap. 3.3.8] 1480 P[iaster]; 02.05. ›Dem Amputierten Wagen zum Hospital‹ 25 P«); Abrechnung Bewachungskosten Abusir 1908 (»27.04. […] zwei Esel für Doktorbesuche 10 P, 16.06. ›Dem Amputierten bis zum Antritt seines Dienstes nach der Entlassung aus dem Hosp.‹ 50 P, 30.06. fünf Esel für Doktor- u. Bandagistenbesuche 45 P«); Abrechnung Bewachungskosten Abusir 1909 (»17.04. Schuhe etc. f[ür] Hissen 41 P«).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

– als seine Arbeitgeber, in deren Dienst er warum auch immer zum Invaliden geworden war. Denn seit seiner Verletzung zahlte die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG), die damals die Abusir-Grabungen finanziert hatte, Mabruk jährlich 27,60 ägyptische Pfund (= 2.760 Piaster) bzw. alle zwei Monate 4,60 Pfund (= 460 Piaster).782 Den Lohnlisten zufolge erhielt Mabruk als Bahn- bzw. sonstiger (besserer) Arbeiter bei den Unternehmungen pro Tag zuerst 3,5 (Abusir 1902) und zuletzt 5 Piaster (Abusir 1907/08, Amarna 1912/13); das macht bei monatlich mindestens 25 Arbeitstagen zwischen 87,50 und 125 Piaster. Jene DOG-Rente belief sich somit auf das doppelte des Arbeitslohns. Allerdings erhielt Mabruk sie »nicht unter dem Titel einer Entschädigung für die erlittene Körperverletzung oder einer Invalidenrente […], sondern als Entgelt für [eine] nutzbringende Beschäftigung, der er mit Eifer und Pünktlichkeit obliegt«: Er bewachte Grabungshaus und -stätte seines Heimat- und Wohnorts Abusir; vor allem, seitdem die Deutschen 1910 ihre letzte dortige Grabung beendet hatten. Inwiefern er diese Aufgabe tatsächlich wahrnahm bzw. wahrnehmen konnte und wahrzunehmen brauchte, ist eine andere Frage.783 Jedenfalls schickte der DOG-Schriftführer Bruno Güterbock (1858-1940) 1936 einen Brief an das Landesfinanzamt Berlin, aus dem ich gerade zitiere. Darin bat er um Genehmigung, jene »ausländische[n] Zahlungsmittel« zu erwerben, mit denen Mabruk über das Kairener Deutsche Institut für Ägyptische Altertumskunde (Nachfolger des Kaiserlich-Deutschen) sein »Gehalt« bezahlt werden sollte. Denn »[i]mmerhin ist die Entlohnung des Hussein Mabrouk eine Ehrenpflicht der Deutschen Orient-Gesellschaft, und es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß ein etwa notwendig werdendes Aufhören dieser Zahlungen das Ansehen des deutschen Namens bei den Ägyptern aufs schwerste beeinträchtigen würde«.784 Der Antrag wurde sowohl 1936 bewilligt als auch in den zumindest zwei Folgejahren, in denen er jeweils erneut gestellt wurde. 1942 dann erfuhr das Auswärtige Amt von der schwedischen Botschaft in Kairo, die Deutschland wegen des Weltkriegs in Ägypten vertrat, dass Mabruk am 2. Mai 1941 in Abusir verstorben sei. Seine »Gnadenpension« hatte er jedoch »auch noch während der Kriegszeit« erhalten, »und zwar aus der Kasse der Generaldirektion der [Berliner] Staatlichen Museen über das Archäologische Institut des Deutschen Reiches und die Legationskasse des Auswärtigen Amtes zum Konto der durch Schweden ausgeübten deutschen Interessenvertretung in Ägypten«. Wegen Mabruks nun zehn Monate zurückliegenden Todes fragte das Auswärtige Amt die DOG, ob es die »Rückerstattung der über das Todesdatum […] hinaus bezahlten Beträge veranlassen« solle, oder aber die DOG Mabruks Frau und vier Kinder weiterhin unterstützen würde. Die Familie hatte nach dem Todesfall nämlich die schwedische Botschaft »dringend« um weiteres Geld gebeten, das ihr einmalig »in Höhe einer Monatspension gewährt« worden war. Der Verantwortliche bei der DOG, der Mesopotamien-Archäologe

782 Güterbock (DOG), Brief an Landesfinanzamt Berlin, 5.6.1936. 783 In Abusir el-Meleq erwartete Möller von den zu Grabungsschluss auszuwählenden Wächtern nicht, dass sie »mit der That das ihnen übergebene Gebiet schützen werden«; sie sollten lediglich »Lärm […] schlagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist« (Brief an Schäfer, 7.10.1905). 784 Güterbock (DOG), Brief an Landesfinanzamt Berlin, 5.6.1936. Güterbock war schon während meines Untersuchungszeitraums der Ansprechpartner der untersuchten Archäologen bei der DOG gewesen (o. Kap. 1.2.1.1 Anm. 67).

3 Deutsche Archäologen, 1898-1914: Auswertung der deutschen Quellen

Walter Andrae (1875-1956), »befürwortete« in seiner Antwort an das Auswärtige Amt eine »Weiterzahlung« bis zum 30. Juni 1941, also für knapp zwei Monate nach Mabruks Tod.785

785 Auswärtiges Amt, Brief an DOG (mit Vermerk Andraes), 26.3.1942.

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4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

Im zurückliegenden Kap. 3 habe ich die Unternehmungen der deutschen Archäologen in Ägypten und insbesondere die daran beteiligten ägyptischen Arbeiter aus der Perspektive der Archäologen bzw. anhand der von diesen hinterlassenen Quellen analysiert. Im nun beginnenden Kap. 4 versuche ich, die Perspektive der Arbeiter einzunehmen. Denn aufgrund meines globalgeschichtlichen Ansatzes verstehe ich das grenzüberschreitende Phänomen der von Deutschen geleiteten Archäologie in Ägypten nicht als Einbahnstraße, sondern betrachte die ägyptischen Arbeiter ebenso als Akteure eigenen Rechts und eigener Wirkung wie die deutschen Archäologen (Kap. 1.4.2). Da die ägyptischen Arbeiter selbst bis auf (konventionalisierte) Briefe und Lieder keine Quellen hinterlassen haben (Kap. 1.2.2), können wir ihre Sicht der Dinge lediglich erahnen. Fest steht immerhin, dass die Arbeiter jenseits ihrer gewiss erheblichen soziokulturellen Unterschiede zu den deutschen Archäologen Menschen waren wie diese, weshalb anthropologisch-psychologische Verhaltensgrundsätze auch für die Arbeiter galten. »Menschliches Handeln ist organisiertes Verhalten und Erleben. Wahrnehmungen, Gedanken, Emotionen, Fertigkeiten, Aktivitäten werden in koordinierter Weise eingesetzt, um entweder Ziele zu erreichen oder sich von nicht lohnenden oder unerreichbaren Zielen zurückzuziehen«.1 Demnach arbeiteten die Arbeiter bzw. Fellachen in der Archäologie, weil sie dadurch bestimmte Ziele erreichen wollten bzw. bestimmte Erwartungen daran knüpften.2 Als ihre Ziele bzw. Erwartungen lassen sich folgende denken: (1) Die Arbeiter wollten Geld verdienen. (2) Sie wollten eine Arbeit verrichten, die ihnen aus irgendwelchen Gründen gefiel oder zumindest leichter fiel als andere. (3) Sie wollten zur Erforschung des alten Ägypten beitragen.

Um diese Möglichkeiten zu überprüfen, müssen wir Folgendes fragen:

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Heckhausen/Heckhausen, Einführung Motivation und Handeln, 3. Beckmann/Heckhausen, Erwartung und Anreiz.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Zu (1): Inwieweit hatten die Arbeiter das bei den archäologischen Unternehmungen der Deutschen zu verdienende Geld nötig, und inwieweit half es ihrem Lebensunterhalt? Zu (2): Welche Vor- und Nachteile hatten die bei den Unternehmungen herrschenden Arbeitsbedingungen für die Arbeiter? Zu (3): Welches Interesse hatten die Arbeiter am alten Ägypten? In den folgenden Abschnitten von Kap. 4 erörtere ich diese Fragen. Als Quellen benutze ich erstens Briefe und Lieder der von den untersuchten Archäologen beschäftigten und anderer ägyptischer archäologischer Arbeiter vom Anfang des 20. Jahrhunderts; zweitens die vergleichsweise wenigen Stellen der Tagebücher, Feldberichte und Briefe der untersuchten Archäologen, die jene Fragen betreffen; drittens Global- bzw. Kolonial- (1.4.2) und Sozialgeschichte (1.4.5). Von der Sozialgeschichte des modernen Ägypten leite ich die sozioökonomischen Verhältnisse der zu untersuchenden Arbeiter ab (Kap. 4.1), die vor allem obige Fragen zu (1) beantworten. Die zur Globalgeschichte gehörende Kolonialgeschichte, die anders als die Sozialgeschichte vom Politischen ausgeht, ordnet die zu untersuchenden Arbeiter in den kolonialen Kontext ein, der im Ägypten des Untersuchungszeitraums herrschte. Inwiefern wurden die Arbeiter von ihren deutschen bzw. westlichen Arbeitgebern kolonial unterdrückt im Sinne der Postcolonial Studies (Kap. 1.4.3); inwiefern waren sie ihnen gegenüber Subalterne im Sinne der Subaltern Studies (1.4.4)? Die Antworten darauf (4.2.2) beantworten einen Teil der obigen Frage zu (2). Subalterne in politischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht waren Fellachen jedoch nicht nur gegenüber westlichen Ausländern, sondern auch gegenüber ägyptischen Eliten. Durch Beachtung auch dieses innerägyptischen Verhältnisses (Kap. 4.2.2.2) vermögen wir die transnational-koloniale Situation besser einzuschätzen. Zu einem anderen Teil ergeben sich die von den Arbeitern empfundenen Arbeitsbedingungen ex negativo aus Momenten der Unzufriedenheit oder gar des Widerstands von Arbeitern gegen die untersuchten Archäologen (Kap. 4.2.1). Je mehr diese Momente den Fortschritt einer archäologischen Unternehmung gefährdeten, desto mehr zwangen die beteiligten Arbeiter die Archäologen dazu, sie, die Arbeiter, in ihre – deutschen – Texte, sprich meine Quellen aufzunehmen (vgl. 1.4.4) – obgleich die entsprechenden Stellen wegen ihrer strukturellen Unfreundlichkeit oder gar Feindseligkeit gegenüber den Arbeitern keineswegs direkte Quellen zu diesen darstellen.

4.1 Sozioökonomische Verhältnisse der Arbeiter Die Lebensverhältnisse des ägyptischen Erdarbeiters (terrassier) Ahmed Mahmud, der zumindest zu Beginn meines Untersuchungszeitraums unter dem französischen Archäologen Georges Legrain in Karnak arbeitete, sind von diesem detailliert beschrieben worden (Kap. 1.3.3). Die übrige mir bekannte Literatur zur ägyptischen Sozialgeschichte bezieht sich nicht ausdrücklich auf archäologische Arbeiter. Dafür bezieht sie sich auf Rahmenbedingungen, denen alle Einwohner Ägyptens unterlagen (wie das Rechtssystem oder die Wirtschaftsstruktur des Landes); oder auf Obergruppen, zu denen jeweils viele Arbeiter gehörten – ständig gehörten sie etwa zu der Einwohnerschaft

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

eines bestimmten Dorfes oder den Fellachen des Landes; zu Zeiten, wo sie nicht in der Archäologie tätig waren, gehörten sie etwa zur Landarbeiterschaft (vgl. 1.4.5).

4.1.1 Sekundärliteratur Zum modernen Ägypten verzeichnet René Mauniers Bibliographie économique, juridique et sociale von 1918 knapp 6.700 Werke, die zwischen 1798 und 1916 in französischer, englischer, deutscher oder italienischer Sprache veröffentlicht worden sind. Die Autoren waren in Ägypten oder im Ausland ansässig; westlicher Nationalität oder Ägypter (die damals noch kaum auf Arabisch veröffentlichten); akademische Wissenschaftler, Journalisten, Reiseschriftsteller oder Beamte der ägyptischen bzw. dann anglo-ägyptischen Regierung und Verwaltung. Dieser Apparat, dem, laut Titelblatt seiner Bibliographie, auch Maunier als Statistikdirektor im Justizministerium angehörte, veröffentlichte ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sogar regelmäßig die Ergebnisse von Volkszählungen und anderen Erhebungen.3 Es erfolgten Katasteraufnahmen, die Ägypten bis 1908 zu »one of the most closely mapped terrains in the world« machten.4 Überdies veröffentlichten staatliche bzw. gesellschaftliche Institutionen in Ägypten bis 1916 insgesamt 64 gelehrte Periodika zur Gegenwart des Landes.5 Jedes der von Maunier erfassten 119 Jahre hat im Durchschnitt rund 56 Werke hervorgebracht. Für ein afrikanisches Land ist diese Quote außergewöhnlich hoch, denn zu ganz West- bzw. Westzentralafrika mögen in den 101 Jahren von 1800 bis 1900 lediglich 1.300 »europäische« Werke, das heißt knapp 13 pro Jahr, erschienen sein.6 Der US-amerikanische Ägypten-Reisende Charles Dudley Warner (1829-1900) scherzte schon 1876: »I suppose that volumes enough have been written about Egypt to cover every foot of its arable soil if they were spread out, or to dam the Nile if they were dumped into it«.7 Wie erklärt sich Ägyptens außergewöhnliche sachliterarische Präsenz? Seines und andere Gebiete in Afrika erforschten die Europäer wissenschaftlich, um sie zu beherrschen und um, wie in einem »Labor«, überhaupt zu erproben, wie Mensch und Natur durch Wissen(schaft) zu beherrschen waren.8 Ägypten weckte außerdem das besondere Interesse des Westens wegen seiner faszinierenden Altertümer sowie seiner strategischen Lage zwischen Mittel- und Rotem Meer, das heißt zwischen Europa und Asien – die Briten zum Beispiel nutzten den Isthmus und dann Kanal von Suez als Durchgangsweg zu ihrer indischen Kolonie. Das ägyptische Klima war im Winter ebenfalls angenehm (viele westliche Reisende suchten aus gesundheitlichen Gründen Zuflucht vor der 3 4 5 6 7 8

Z.B. Egyptian Government, Census (des Jahres 1917); Boinet, Dictionnaire géographique (1899). Vgl. Fresco, Statistique officielle de l’Égypte, 343-388. Mitchell, Rule of Experts, Kap. 3 (Zitat: 86); Lyons, Cadastral Survey of Egypt. Maunier, Bibliographie, XXIIIf. Jones, Quellenproblematik Westafrika, 31. Zit.n.: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 214; vgl. Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 109. El Shakry, Social Laboratory; zu subsaharischen britischen Kolonien: Tilley, Living Laboratory. Zu den »administrative arts of census-taking« und »statistical measurement« als »forte« der britischen Kolonialverwaltung in Ägypten: Al-Sayyid-Marsot, British Occupation, 658.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

heimatlichen Kälte); und Ägypten war relativ leicht zu bereisen: Von Europa aus führte ein direkter, relativ kurzer Seeweg dorthin, und fast alle bewohnten Teile des Landes waren von dem schiffbaren Nil bzw. dann der Eisenbahn durchzogen.9 Neben gesellschaftswissenschaftlichen Untersuchungen und Daten ebenfalls nützlich sind die zahlreichen Bücher, die westliche Reisende zum Ägypten (grob) meines Untersuchungszeitraums in mehr oder weniger gelehrter Form und meist englischer, französischer oder deutscher Sprache veröffentlicht haben,10 sowie die jeweils umfangreichen Reiseführer aus der gleichen Zeit.11 Dabei versteht sich, dass westliche Autoren, die damals über Ägypten und seine Bewohner geschrieben haben, in besonderem Maße Diskursen wie Orientalismus (Kap. 3.5.4) unterlagen, weshalb wir ihre Aussagen mit entsprechender Vorsicht verwenden müssen.12 Zu dieser zeitgenössischen Sekundärliteratur kommt die reichhaltige wissenschaftliche Sekundärliteratur zur Sozialgeschichte Ägyptens, die zwischen dem Ende meines Untersuchungszeitraums 1914 und heute erschienen ist. Sie wächst weiter und deckt für den Untersuchungszeitraum viele verschiedene Aspekte ab. Im Westen gehört die Erforschung des modernen Ägypten zu den sogenannten Middle East Studies, die wiederum zu den sogenannten Area Studies gehören. Diese erhielten nach 1945 neue Impulse aus den USA, die sich vom Wissen über bestimmte Weltregionen Vorteile im Kalten Krieg erhofften.13 In den folgenden Jahrzehnten professionalisierten sich somit auch die Middle East Studies in Amerika, Europa und dem »Mittleren Osten« selbst;14 und sie erweiterten ihr thematisches und methodisches Spektrum, das sich ursprünglich auf politisch-diplomatische sowie im Saidschen Sinne orientalistische Kulturgeschichte konzentriert hatte.15 Die Forschung zu Ägypten scheint indes Sozialgeschichte und also Nicht-Eliten stärker bzw. früher berücksichtigt zu haben, als andere Middle East Studies es von sich behaupten können.16

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Zur Eisenbahn: Kap. 2.2.1; zum Nil: Macalister, Exploration and Excavation, 117: »The peculiar conformation of Egypt, a long narrow strip on each side of a river, and bordered by uninhabitable desert, makes it possible for a single expedition« – wie jene von Napoleons savants, von Champollion oder Lepsius (o. Kap. 2.1.1, 2.1.3, 2.1.5) – »to cover the whole ground in a way hardly possible in any other country«. Kalfatovic, Travelers’ Tales from Egypt, 319-373 (Berichte zu Reisen zwischen 1898 und 1914, Nr. 958-1139); Maunier, Bibliographie, 39-42 (Reiseberichte erschienen zwischen 1898 und 1914, Nr. 896-980). Bes. Bénédite, Égypte (1900); Hall, Egypt (1907); Mühl, Ägypten (1909); Baedeker, Ägypten (1913); weitere Reiseführer: Maunier, Bibliographie, 18f. Konkret zu damaligen Sichtweisen bzw. Verzerrungen des »Orients« durch westliche Beobachter z.B. Mitchell, Rule of Experts, Kap. 4 (The Invention and Reinvention of the [Egyptian] Peasant); Hopkins, Blackman; Hulme/Youngs, Travel Writing; Estelmann, Ägypten im französischen Reisebericht; Nash, British Travel Writing on Middle East. Mitchell, Middle East in Social Science (2004). Humphreys, Historiography of Modern Middle East (2006). Allgemein: Gershoni/Singer, Introduction (Middle East Historiographies) (2006), 3f.; zu Einzelgebieten: Lockman, Labor and Working-Class History in Middle East and North Africa (2006); Anderson, Social History of Workers and Peasants in Modern Middle East (2016). Studien z.B. zu Ägyptens Fellachen aufgelistet in: Coult, Jr./Durzi, Bibliography Fellah of Egyptian Nile (1958). Zum elitären Schwerpunkt von Historiographien zum Mittleren Osten und Nord-

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

Beispiele alter und neuer Studien, die für uns im Folgenden relevant sein könnten, behandeln Ägyptens allgemeine Sozial-17 und/oder Wirtschaftsgeschichte,18 Bauern bzw. Fellachen,19 Frauen,20 Nomaden bzw. Beduinen,21 Arbeiterklasse,22 landwirtschaftliche Entwicklung,23 Bildungs-,24 Verwaltungs- bzw. Rechts-,25 und Gesundheitswesen.26

4.1.2 Existenzbedingungen der ägyptischen Landbevölkerung 1907 lebten 86 Prozent der ägyptischen Bevölkerung auf dem Land; 1917 immer noch 84 Prozent.27 Dementsprechend waren von Ägyptens Männern 1907 49 Prozent (2,3 Millionen), 1917 44 Prozent (2,4 Millionen) in der Landwirtschaft tätig. Andere Sektoren – vor allem Handwerk und Industrie, freie Berufe, Handel, Verkehr und Staatsdienst – beschäftigten jeweils wenige Hunderttausend Männer und Frauen. Von den Frauen und Mädchen arbeiteten 1907 48 Prozent (2,3 Millionen), 1917 44 Prozent (2,4 Millionen) im eigenen Haushalt. Aus Alters- oder wirtschaftlichen Gründen ohne Arbeit waren 1907 31 Prozent (2,9 Millionen) der Erwachsenen, davon ein Drittel Männer.28 Ziehen wir diese und andere »nicht arbeitende« Männer bzw. Jungen von der männlichen Gesamtbevölkerung ab, waren 1907 sogar 65 Prozent der – arbeitenden – Männer in der Landwirtschaft tätig.29 Die hier untersuchten archäologischen Unternehmungen fanden größtenteils auf dem Land statt – auch Giza war damals noch nicht wie heute mit der Hauptstadt Kairo verwachsen, die 1907 650.000 Einwohner zählte. Von den 23 größten ägyptischen Städten, die in unserer Rechnung den Gegensatz zu »Land« bilden, war

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afrika: Cronin, Introduction (History from Below in Middle East and North Africa) (2008), 1; Burke III, Middle Eastern Societies and Ordinary People’s Lives (1993), 1. Métin, Égypte (1903); Baer, Social History (1969); Toledano, Social and Economic Change (1998). Grunzel, Wirtschaftliche Verhältnisse (1905); Arminjon, Situation économique (1911); Magnus, Aegypten Wirtschaftsleben (1913); Hershlag, Economic History (1964); Owen, Middle East in World Economy (1981). Piot, Fellah (1899); Nahas, Fellah (1901); Chamberet, Fellah (1909); Blackman, Fellahin (1927); Brown, Peasant Politics (1990). Cooper, Women of Egypt (1914); Abdel Kader, Egyptian Women (1987). Klippel, Folklore bédouin de l’Égypte (1911); Murray, Egyptian Bedouin (1935). Beinin/Lockman, Workers on Nile (1987); Besprechung diesbezüglicher Forschungen: Lockman, »Worker« and »Working Class« in Pre-1914 Egypt (1994); Goldberg, Social History of Egyptian Labor (1996). Foaden, Egyptian Agriculture (1904); Baer, Landownership (1962); Richards, Agricultural Development (1982); Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class (2011). Boktor, School and Society (1936); Heyworth-Dunne, Education in Modern Egypt (zuerst 1939); Russell, Egyptian Education (2001). Lamba, Droit de l’Égypte (1909). Jagailloux, Médicalisation (1986); Michalla, Gesundheitsdienst (1989). Owen, Middle East in World Economy, 217 Tab. 47 (1907: 9,69 von 11,29 Mio.; 1917: 10,76 von 12,75 Mio. Als »Land« gilt hier Ägypten ohne die 23 größten Städte). Egyptian Government, Census, Bd. 2, 380-405 Tab. 3. Dementsprechend Grunzel, Wirtschaftliche Verhältnisse, 1 (»Von der gesamten Bevölkerung Ägyptens sind etwa 61 % in der Landwirtschaft tätig«).

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Assuan 1907 mit rund 13.000 Einwohnern die kleinste.30 Zugleich war Assuan der größte Ort, aus dem Arbeiter zu den untersuchten Ausgrabungen gekommen sind; alle anderen Herkunftsorte zählten nur wenige Tausend oder gar wenige Hundert Einwohner (Kap. 3.3.3.1). Obschon nicht alle Land- und umgekehrt manche Stadtbewohner unmittelbar mit Landwirtschaft zu tun hatten,31 werden die Arbeiter der untersuchten Unternehmungen schon aus statistischen Gründen größtenteils aus diesem Sektor – bzw. die weiblichen aus den entsprechenden Haushalten – gekommen sein. Dafür spricht auch, dass Anwohner der untersuchten Ausgrabungen in der Regel eine eigene Hacke besaßen (3.3.5.1) und den Archäologen immer wieder wegen Feldarbeit nicht zur Verfügung standen (3.3.3.1 Abs. 1) – was in bestimmten Monaten sogar bei Quftis zu befürchten war (3.3.3.2). Der Grabungsarbeiter Hissen Muse war eigentlich Schreiner (Kap. 3.3.2.3 Abs. 1); viele Spezialdienstleister waren ebenfalls Handwerker; der Feldbahnverantwortliche Hissen Mabruk war ursprünglich Eisenbahnarbeiter (3.6.3). Köche und Diener (3.3.2.3 Abs. 5, 7) kamen oft aus Nubien bzw. dem Sudan (in den Nubien hineinreichte: 1.1.1) – wegen der großen Armut bzw. geringeren Fruchtbarkeit dieser Gegenden wanderten viele Männer in (nord-)ägyptische Städte aus, um sich als Koch, Diener, Pförtner, Pferdeknecht, Kutscher oder Bootsmann zu verdingen;32 Steindorff würdigte die »Ehrlichkeit und Reinlichkeit«, welche »die Nubier vor den Ägyptern aus[zeichnete]«.33 Spezialdienstleister machten gleichwohl mit Vor- und »besseren« Arbeitern höchstens 15 Prozent einer Grabungsmannschaft aus (3.3.2). Stammarbeitern wurde die Archäologie freilich irgendwann zum Beruf; in den ägyptischen Zensus findet sich jedoch keine entsprechende Berufsbezeichnung. Auf der Siwa-Expedition bzw. an offenbar zwei Grabungsstätten dienten den untersuchten Archäologen Beduinen als Wegführer und Kameltreiber bzw. Wächter und Grabungsarbeiter. Die Expeditionsbegleiter waren zum Teil keine Nomaden bzw. »Zeltbeduinen« mehr, sondern hatten sich in Giza niedergelassen (Kap. 3.3.2.3 Abs. 9).34 Ebenfalls niedergelassen waren jene Beduinen, die sich in Philadelphia (mit Männern und Jungen) und Medinet Madi als Grabungsarbeiter meldeten – sie kamen jeweils aus um-

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Baer, Social History, 134f. Tab. 2. Owen, Middle East in World Economy, 333 Anm. 4. Hall, Egypt, 31; Mühl, Ägypten, 79; Steindorff, Aegypten, 198; Sladen, Egypt, Kap. 2; Balls, Egypt, 91-93; Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 166, 202. Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des (anglo-ägyptischen) Sudan von 1898 bis 1919: Daly, Sudan, Kap. 5f.; zu seiner Wirtschaft weiter Grunzel, Wirtschaftliche Verhältnisse, Kap. 6; Arminjon, Situation économique, 543-588; zur Wirtschaft in Nubien: Beckett, Nubia, 202-204. Steindorff, Aegypten, 198; vgl. Hall, Egypt, 31 (Nubier »are preferred to Egyptian servants as being more honest and truthful, and generally cleaner«); Zucker, Von Kairo bis Assuan, 6; Beckett, Nubia, 204, 209. Zu den bei den Pyramiden von Giza lebenden Beduinen – die sich als Antikenwächter und -händler sowie Touristenführer betätigten – auch Fircks, Aegypten, Bd. 1, 167; Felberman, Land of Khedive, 112-117; Baedeker, Ägypten, 118, 122; Quirke, Hidden Hands, 112; Rubensohn, Briefe an Familie, 1901-1902, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 53.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

liegenden Dörfern, waren aber noch als Beduinen erkennbar.35 Die ägyptische Regierung hatte unter Mohammed Ali damit begonnen, die Beduinen (»Beduine« bedeutet dem arabischen Wortsinn zufolge »nomadischer Wüstenbewohner«) sesshaft zu machen, um sie der Staatsgewalt zu unterwerfen und ihre Überfälle auf Fellachendörfer zu beenden. 1897 zählte Ägypten noch 70.500 Nomaden, während 290.000 Beduinen in Dörfern und 241.000 »dispersed among the fellahs« lebten.36 Die meisten Beduinen lebten »in große[r] Armut«.37 An der Grabungsstätte von Abusir zelteten zuweilen Beduinen (»auf noch unbestellten Feldern und am Wüstenrande«).38 Im Fayyum, wo Philadelphia und Medinet Madi liegen, lebten welche in Strohhütten; andere zumindest im Sommer ebenfalls in Zelten.39 Manche niedergelassenen Beduinen blieben in Zelten wohnen bzw. halb nomadisch – darunter vielleicht jene, die »aus einer entfernteren Gegend« zur antiken Stätte von Amarna gekommen waren, um sie im Auftrag des Antikendienstes zu bewachen.40 An Ackerbau gewöhnten Beduinen sich schwer41 – sie blieben eher bei Viehzucht und Karawanenhandel. Vielleicht wegen solch anderer Aufgaben erschienen sie sehr unregelmäßig bei Zuckers Ausgrabungen; laut Frida Schubart (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 2) waren die Beduinen bei Zucker in Medinet Madi »ganz andere Menschen, als unsere Leute aus dem Niltal; sie hatten verschlossene, mißtrauische Gesichter, sahen etwas blöde aus und kamen schwerfällig einher«.42 Laut Steindorff konnte man »sich kaum einen größeren Gegensatz innerhalb der Bevölkerung eines Landes denken, als den zwischen der alten landeingesessenen Bevölkerung Ägyptens und den Beduinen«, wegen der »völlige[n] Verschiedenheit der Natur des Niltals und der Wüste«.43

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Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 105, 113, 119; 1909/10 Medinet Madi, 116; Schubart, Wüste, 41. Mit der Zeit gingen viele niedergelassene Beduinen im Volk der Fellachen auf; jene in Giza hielten länger an ihrer eigenen Tradition fest (Hall, Egypt, 30). Baer, Social History, Kap. 1 (Zitat: 3). Schwally, Städter, Fellachen und Beduinen, 37. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 3 (Zitat); ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 330; 1903/04, 206f. Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 280 (Strohhütten); Schwally, Städter, Fellachen und Beduinen, 32 (Zelte); Lozach/Hug, Habitat rural, 71-80 (beides). Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 3. Schwally, Städter, Fellachen und Beduinen, 32; Fircks, Aegypten, Bd. 1, 167; zur resultierenden Abneigung zwischen Beduinen und Fellachen: El Naggar, Fellah, 77f. Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 113; 1909/10 Medinet Madi, 116; Schubart, Wüste, 41. Steindorff, Aegypten, 199. Der Ethnologe Winkler bemerkte bei den Bewohnern Kimans bei Quft noch in den 1930er Jahren (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 6a), dass »diese Fellachen eben nicht Nachkommen von Fellachen, sondern von Beduinen sind, die erst in jüngerer Zeit, vielleicht seit ein paar Jahrhunderten, sich hier angesiedelt haben. Diese Araber […] übernahmen von den Fellachen […] im wesentlichen nur die materielle Kultur, nicht die geistige« (Bauern, 57f. [Zitat: 58]; vgl. Volkskunde, 255-258). Senussi erzählte Winkler, dass erst sein Urgroßvater die Wüste verlassen und sich in Kiman niedergelassen habe (Winkler, Vita Senussi) – dies könnte im Zuge von Mohammed Alis entsprechender Beduinenpolitik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (s.o.) geschehen sein. Auch der Qufti Abu el-Hassan, Senussis Vorarbeiterkollege, stammte »aus einer seßhaft gewordenen Beduinenfamilie« und nannte sich »mit Stolz« einen »Nachkommen der ersten arabischen Eroberer Ägyptens« (Schubart, Wüste, 24; vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1911, 23).

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Die Existenz der meisten archäologischen Arbeiter wurde hingegen vom Ackerbau bestimmt. Sie waren »Fellachen«, was im Arabischen (fellahin; Singular: fellah) wörtlich den bezeichnet, »der den Boden pflügt«. Im weiteren Sinne bezeichneten Ägypter (sowie Einheimische anderer arabischer Länder) und Ausländer mit dem Namen auch Landbewohner im Gegensatz zu Städtern.44 Schon in der Antike lebten die meisten Ägypter auf dem Land, und das Leben des ganzen Volkes fußte seit jeher auf der Landwirtschaft, die der Nil so großzügig ermöglicht: »Der Reichtum Ägyptens quillt aus dem Boden«.45 In meinem Untersuchungszeitraum änderte sich daran nichts: Noch in den 1930er Jahren – für die Zeit davor kennt man keine Daten – trug die Landwirtschaft die Hälfte zum Bruttoinlandsprodukt bei;46 und bis 1913 zum Beispiel bestanden bis zu 90 Prozent der Güter, die Ägypten exportierte, in einem landwirtschaftlichen Erzeugnis – Baumwolle.47 Das heißt: »In order to grasp the essence and logic of Egyptians one has to understand the fallah and his society. […] The Egyptian fallah is a microcosm of Egypt«.48 Auch um archäologische Arbeiter zu verstehen, müssen wir also Ägyptens Fellachen verstehen. Wie ging es ihnen in meinem Untersuchungszeitraum? Während der osmanischen Herrschaft in Ägypten bis Ende des 18. Jahrhunderts gehörte alles Land dem Staat, der es aber langfristig an Steuerpächter übertrug, die es ihrerseits gegen Steuern von Fellachen bewirtschaften ließen. Der osmanische Vizekönig Mohammed Ali, der Ägypten ab 1805 de facto eigenständig regierte, beendete jenes sogenannte Iltizam-System. Er zog alles Land von den Steuerpächtern zurück in die Gewalt des Staates, der es nun selbst gegen Steuern an Fellachen verteilte. Jede Fellachenfamilie erhielt etwas Land zur Nutzung.49 Manche konnten die damit verbundenen Steuern nicht erwirtschaften und ihre Nutzungsrechte somit nicht behalten,50 doch unter Mohammed Alis Nachfolgern wurde Mitte des 19. Jahrhunderts einiges Land an Arme zurückverteilt.51 Zudem ließ die Gesetzgebung der Vizekönige in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Fellachen allmählich zu Privatbesitzern ihres Landes werden.52 Trotzdem besaßen 1907 91 Prozent von Ägyptens 1,6 Millionen Bauernfamilien nicht genug Land für die Selbstversorgung; 21 Prozent waren sogar landlos.53 Wie war es dazu gekommen? Die Bodenreformen waren Teil der Modernisierungsbemühungen der ägyptischen Vizekönige, die dem Beispiel Europa folgen wollten (Kap. 2.2.1). Ihre Ziele für Ägypten waren eine moderne Verwaltung, Landwirtschaft, Industrie, Streitmacht und Bildung. Entsprechende Maßnahmen führten erstens zu einer Verdopplung der Bevölkerung, von 4,5 Millionen Menschen um 1800 auf 10 Millionen um 1900, wobei nur wenige Menschen 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

Baer, Fellah and Townsman. Grunzel, Wirtschaftliche Verhältnisse, 1 (Zitat); Nahas, Fellah, 1f.; zur Bedeutung von Landwirtschaft und Bauern für das alte Ägypten: Caminos, Peasants, 1. O’Brien, Agricultural Production, 162. Owen, Middle East in World Economy, 241f. mit Tab. 57. Al-Sayyid-Marsot, Egypt’s Liberal Experiment, 10. Baer, Landownership, 1-7, 13; Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 6-9. Baer, Landownership, 28f.; Cuno, Peasants, 147-155. Ghalwash, Land Acquisition. Baer, Landownership, 7-12; Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 9-14. Owen, Middle East in World Economy, 217f.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

in Städte zogen.54 Mit diesem Wachstum verringerte sich die durchschnittliche Größe eines bäuerlichen Grundstücks, zumal das islamische Recht ungeachtet wirtschaftlicher Gesichtspunkte einer großen Zahl von Verwandten Erbschaftsrechte zubilligte.55 Zweitens mussten die Fellachen zur Modernisierung beitragen durch hohe Steuern, Militärdienst und staatliche Zwangsarbeit. Infolge dessen mussten viele ihr Land aufgeben, da sie die damit verbundenen Steuern nicht mehr aufbringen konnten, oder die Zwangsdienste sie von einer ausreichenden Bewirtschaftung abhielten.56 Die staatliche Zwangsarbeit wurde erst in den 1880er Jahren (offiziell) abgeschafft (4.2.2.2). Drittens industrialisierten bzw. kommerzialisierten die Vizekönige die Landwirtschaft, damit sie dem Staat mehr Steuern und Devisen einbringe. Während zuvor in Ägypten Subsistenzwirtschaft vorherrschte, führte Mohammed Ali »cash crops« wie vor allem Baumwolle ein,57 deren Produktion und Export bis Ende des 19. Jahrhunderts zum Kern der ägyptischen Volkswirtschaft wurde.58 Um zu Investitionen in die neue Landwirtschaft anzuregen, gewährten die Vizekönige Privatleuten schrittweise das Recht, Land zu kaufen, zu verkaufen und zu vererben. Mehr als den Fellachen kam dies indes finanzkräftigen Unternehmern zugute, die große Flächen erwerben und bewirtschaften konnten – zusammengesetzt auch aus aufgegebenen Bauerngrundstücken.59 Die Großgrundbesitzer gehörten zunächst zur einheimischen Elite einschließlich der vizeköniglichen Familie. Ab den 1880er Jahren erwarben auch Kopten sowie westliche Investoren und Kapitalgesellschaften Großgrundbesitz in Ägypten.60 Im Ergebnis hielten Großgrundbesitzer 1913 über 44 Prozent des kultivierten Landes am Nil, während Kleinbauern eine durchschnittliche Fläche von 1,5 Feddan (im Jahr 1900) und dann 1 Feddan (1913) blieb – zur Selbstversorgung wären 5 Feddan nötig gewesen.61 In Anbetracht dessen versuchten die britischen Kolonialherren vor dem Ersten Weltkrieg, die Größe der ägyptischen Kleingüter zu erhöhen – ohne wesentlichen Erfolg.62 In meinem Untersuchungszeitraum konnten demnach die wenigsten Fellachen von eigenem Land leben. Was taten sie stattdessen? Wenige zogen in Städte, da in Ägypten die Landwirtschaft viel stärker wuchs als die Industrie. Eine Ausnahme war die Mittelmeerstadt Port Said, die seit der Eröffnung des hier nördlich mündenden Suezkanals 1869 zu einem Wirtschaftszentrum aufgestiegen war. Arbeitsuchende auch aus Oberägypten kamen hierher, darunter welche der von den untersuchten Archäologen beschäftigten Arbeiter sowie Legrains Ahmed Mahmud.63 Andere Oberägypter verdingten sich 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

Toledano, Social and Economic Change, 253f. Beinin/Lockman, Workers on Nile, 24; zum Erbschaftsrecht ferner Baer, Landownership, 25f., 38f. Baer, Landownership, 28-38. Hershlag, Economic History, 78-84. Owen, Cotton, Kap. 7-10; Lumbroso, Coton. Hershlag, Economic History, 81; Baer, Landownership, 13-28; Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 20-54. Baer, Landownership, 39-70; Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, Kap. 3. Owen, Middle East in World Economy, 217f. mit Tab. 48 (1 Feddan = 0,42 Hektar; ein »Großgrundbesitz« zählte in dieser Rechnung mehr als 50 Feddan). Baer, Landownership, 83-90. Baer, Social History, 144f.; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 22; Legrain, Fellah de Karnak, 317f. (Legrain diesbezüglich angeführt auch von Baer, a.a.O., 145 Anm. 38). Ahmed blieb für viereinhalb Jahre in Port Said und arbeitete wie viele Oberägypter beim Entladen von Kohleschiffen

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im Hafen von Alexandria, oder auf Baustellen am Assuan-Staudamm oder im wachsenden Kairo.64 Die meisten Fellachen blieben auf dem Land. Ohne selbst Land zu besitzen, konnten sie dort in der Landwirtschaft eines bestimmten oder von wechselnden (Groß-)Gütern arbeiten. Im ersten Fall bewirtschafteten sie entweder dauerhaft eine bestimmte Fläche (Ezbah-System), oder sie arbeiteten zu bestimmten Zeiten auf Feldern des Grundbesitzers. Im zweiten Fall arbeiteten die Fellachen wann und wo immer es Arbeit gab.65 Bezahlt wurde landwirtschaftliche Arbeit jeweils in Naturalien (wie einem Teil des jeweils geernteten Ertrags), in Geldlohn (pro Jahr, Monat oder Tag), oder in einer Kombination daraus.66 Ebenfalls als Kurzzeitarbeiter verdingten sich wann immer möglich jene Fellachen, die zwar Land, aber so wenig davon besaßen, dass sie seine Erträge durch andere Einkünfte aufstocken mussten.67 In meinem Untersuchungszeitraum gingen die Erträge von Kleingütern sogar zurück, weil die Fellachen sie intensiver bewirtschafteten (auch mit Cash Crops) und dadurch den Boden erschöpften.68 Nichtsdestoweniger waren Steuern aufzubringen und Kredite zu bedienen, die für Fellachen oft nur zu Wucherzinsen erhältlich waren.69 Umso mehr begehrten Kleingutbesitzer jenen kostenlosen Dünger, der in Vogelmist oder Tierkadavern,70 aber auch in antiken Ruinen steckte: in Form von Lehmziegeln, die einst aus fruchtbarem Nilschlamm geformt worden und mittlerweile zu Pulver zerfallen waren. Auch an den Grabungsstätten der untersuchten Archäologen erschienen Anwohner auf der Suche nach Dünger (arab.: sebach), sogenannte sebachin; oder die Stätten waren schon früher von solchen durchwühlt worden.71 Nach den Bestimmungen in Ägypten durfte Sebach an einer bestimmten Stätte mit entsprechender Erlaubnis des Antikendienstes und unter Aufsicht von dessen Wächtern ohne Entgelt gesammelt werden72 (einerseits wegen der landwirtschaftlichen Notwen-

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(zu dieser Arbeitergruppe: Beinin/Lockman, Workers on Nile, 27-31; Huber, Suez Canal, 116-123). Zur Lage von Ägyptens Landwirtschaft und Industrie vor dem Ersten Weltkrieg weiter Hershlag, Economic History, 118-123. Beinin/Lockman, Workers on Nile, 26f. Nahas, Fellah, 133-149; Richards, Agricultural Development, 58-69. Cartwright, Rent, Labour, 32-34. Métin, Égypte, 280; Richards, Agricultural Development, 82f. Richards, Agricultural Development, 70-92. Nahas, Fellah, 100-119; Saleh, Petite propriété rurale, 87-95. Saleh, Petite propriété rurale, 74. Gegenwärtige Sebachin: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 236, 370; 1903, 180f.; 1903/04, 218, 222; Amarna 1906/07, 93; 1911, 212; Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 157; 1905/06 Hermopolis, 53f.; Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Hermopolis 1904, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 45f.; Spuren früherer Sebachin: Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 16f., 70, 82; 1911, 137; 1913/14, 92, 109, 126, 194f.; Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 12; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 108, 127, 265. Im 19. Jahrhundert wurden die zerfallenen Lehmziegel in Ägypten nicht nur als Dünger verwendet, sondern der in ihnen enthaltene Salpeter diente auch zur industriellen Herstellung von Schießpulver (Davoli, Papyri, 94f.). Maspero, Service des antiquités 1899-1910, 15f., 36, 51-53, 310f.; ferner Baikie, Papyri, 242-244; vgl. Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 5. Zum gesetzlichen Rahmen dafür: Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 226-228.

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digkeit; andererseits, weil dabei gefundene Antiken dem Dienst auszuhändigen waren und somit für ihn kostenlos ausgegraben wurden73 ). Wenn die Archäologen an (bestimmten Stellen) ihrer Stätte keine Sebachin wollten, mussten sie den Antikendienst darum ersuchen, deren Erlaubnis zu widerrufen (bzw. abzuändern) – was dieser nicht unbedingt tat.74 Oder Sebachin gruben schlicht ohne jegliche Erlaubnis.75 Arbeiter eines festen Gutes (tamaliyya) erhielten von dessen Besitzer Kost und Logis.76 Die anderen mussten als Wanderarbeiter (tarahil) bzw. Tagelöhner umherstreifen und immer wieder neu darauf hoffen, irgendwo angestellt zu werden. In Oberägypten überwogen die Wanderarbeiter, doch gerade hier hatten sie es schwer: Bewässerung war hier schwieriger als in Unterägyptens Nildelta, sodass weniger Großgüter entstanden bzw. weniger von der personalintensiven Baumwolle angebaut wurde. Im Sommer zwang der Feuchtigkeitsmangel überdies zu einer besonders langen Brache, sodass es noch weniger Arbeit gab für die gleichwohl dichte Bevölkerung. Viele Oberägypter zogen deshalb im Sommer auf unterägyptische Baumwollfelder.77 In ihrer Heimat mochten Tagelöhner ansonsten wenn nicht unmittelbar in der Landwirtschaft im Laufe des Jahres in verschiedenen Bereichen aushelfen: beim Anlegen und Unterhalt von Bewässerungskanälen, dem Bau von Straßen und Gebäuden, der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Baumwolle und Zucker.78 Legrains Ahmed Mahmud besaß eine Dattelpalme, drei Ziegen und einiges Geflügel, und arbeitete daneben auf Deichen, am Bahnhof von Luxor, oder als Wachmann79 – und in gewissen Monaten in der Archäologie, wie es auch die Arbeiter der untersuchten Archäologen taten.

4.1.3 Sozioökonomische Verhältnisse und Motivation der archäologischen Arbeiter Die deutschen Archäologen sprechen in meinen Quellen kaum über die Lebensverhältnisse ihrer Arbeiter bzw. der Anwohner der Grabungsstätten. Angesichts der sozialen Lage der ägyptischen Landbevölkerung, die ich im vorigen Abschnitt aus der Sekundärliteratur abgeleitet habe, werden die meisten der Arbeiter jene landarmen oder -losen Fellachen gewesen sein, die nicht auf einem festen Großgut unterkommen konnten (oder wollten?) und somit ihren Lebensunterhalt als wandernde Tagelöhner zu bestreiten versuchten. Jene Arbeiter wiederum, die zu bestimmten Zeiten auf dem Feld anstatt auf der

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Davoli, Papyri, 103. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 259, 313f.; Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 149f., 152; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 98-102, 111, 175, 222f., 225, 231f. Zu Sebach ferner Fircks, Aegypten, Bd. 1, 207; Mosséri, Sébakh; Foaden, Manures, 257-265; zum Tun der Sebachin: Bailey, Sebakh; Quickel/Williams, Sibākh. Kuckertz, Rubensohn (2020), 55. Das besagte Ezbah-System hat seinen Namen von Häusergruppen zwischen einem Gut und den nächsten Dörfern, in denen der Gutsbesitzer seine Bauern unterbrachte (Richards, Agricultural Development, 34; Lozach/Hug, Habitat rural, 156-160). Nahas, Fellah, 144f.; Owen, Middle East in World Economy, 219; vgl. 228. Beinin/Lockman, Workers on Nile, 24f. Legrain, Fellah de Karnak, 300f., 303.

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Grabung arbeiteten (Kap. 3.3.3.1 Abs. 1), werden Grundbesitzer gewesen sein; oder Tagelöhner, die zu bestimmten Zeiten auf einem bestimmten Gut Dienst tun mussten und sich ansonsten anderswo aufhalten durften.80 Von Ägyptens arbeitender Landbevölkerung waren 1907 23 Prozent Landbesitzer, 40 Prozent -pächter und 37 Prozent -arbeiter, das entsprach 520.000, 920.000 und 830.000 Personen.81 Insofern, als Grabungskampagnen der deutschen und anderer Archäologen jeweils höchstens einige Hundert Arbeiter beschäftigten, stellte die Archäologie eine Nischenbeschäftigung dar, die es ohnehin nur dort gab, wo antike Stätten zahlungskräftige Ausgräber anzogen. Für ein Dorf wie Abusir mit insgesamt 2.600 Einwohnern82 war es dennoch nicht ohne statistische Signifikanz, wenn wie 1907 zeitweise über 300 von ihnen bei den Deutschen gruben (Diagr. 3.3.3.1a) – dies mag einem Viertel aller männlichen Dorfbewohner entsprochen haben; und einem noch höheren Anteil, wenn man die jüngsten und ältesten herausrechnet. Wandernde oberägyptische Tagelöhner fanden offenbar Anstellung(en) für insgesamt zwei bis sechs Monate im Jahr. Waren sie arbeitslos oder krank, mussten ihre Familien bald Hunger leiden,83 oder Verwandte bzw. Nachbarn um Essen bitten.84 In Ägypten waren Landarbeiterlöhne nämlich vergleichsweise niedrig,85 weil die Zahl der Einwohner sowie der landlosen Fellachen schneller wuchs als der Arbeiterbedarf der Landwirtschaft. Dessen ungeachtet stiegen die Lebenshaltungskosten,86 weshalb die Reallöhne fielen, obwohl die Nominallöhne insgesamt leicht stiegen87 – auch bei den

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Zu solchen Tagelöhnern: Nahas, Fellah, 140-144; Richards, Agricultural Development, 65. Richards, Agricultural Development, 60 Tab. 3.2; vgl. 61 Tab. 3.3; Schulze, Fallahin, 45-65. Boinet, Dictionnaire géographique, 38. Legrain, Fellah de Karnak, 319 (»Ce seront alors les longs jours d’abstinence qu’on passe en tâchant de dormir, où l’on trompe la faim avec de l’herbe, où les enfants sont inquiets, où le petit pleure«). Richards, Agricultural Development, 63. Wenngleich es in Ägypten Hunger gab, verhinderten zumindest auf dem Land soziale Netzwerke bzw. private Wohltätigkeit, dass jemand verhungerte. Im Islam ist das Almosengeben (arab.: zakat) sogar eine der fünf »Säulen« (Todd, Nile, 162; Milner, England in Egypt, 315f.; Ener, Managing Egypt’s Poor, 27). Nahas, Fellah, 145-148; zum niedrigen Lohnniveau in Ägypten im Vergleich zu anderen Ländern Nordafrikas und des Nahen/Mittleren Ostens: Issawi, Economic History of Middle East and North Africa, 157 (»In Egypt labor was cheap and [infolge dessen?] docile«); vgl. ferner Lecarpentier, Égypte (1925), 32 (»En somme la main-d’œuvre agricole est abondante et à très bon marché«); Foaden, Egyptian Agriculture (1904), 14 (»In Egypt there is a plentiful supply of cheap labor. […] Owing to its cheapness, a great deal of the labor which would be performed in Europe and in the United States by one or other of the various farm implements is in Egypt done by hand«). Zum weiteren Vergleich: Jene 3 bis 4,5 Piaster, die erwachsenen einfachen Arbeitern der untersuchten Ausgrabungen pro Tag gezahlt wurden (o. Diagr. 3.3.9.1a-b), entsprachen 1909 etwa 63 bis 95 deutschen Pfennigen (Wechselkurs nach Mühl, Ägypten, 21). In Deutschland verdienten erwachsene (männliche) Landarbeiter schon Anfang der 1890er Jahre pro Tag mindestens 1 Mark (= 100 Pfennig), und Anfang der 1910er Jahre waren es bis zu 3 Mark (Ritter/Tenfelde, Arbeiter, 480; Schütze, Arbeiter Norddeutschland, 20, vgl. 66-81), also etwa drei- bis fünfmal so viel wie die ägyptischen Grabungsarbeiter. Zur dieser Steigerung in Ägypten und ihren Gründen: Soucail, Cherté de vie. Beispiele für Preise von Waren und Dienstleistungen, die Fellachen kauften: Legrain, Fellah de Karnak, 299ff. Richards, Agricultural Development, 95-98.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

untersuchten Ausgrabungen (Diagr. 3.3.9.1b). Dementsprechend gaben die Fellachen ihren Verdienst wohl größtenteils für Lebensmittel aus88 – sofern ihr eigener Anbau nicht ausreichte bzw. aus zum Verkauf bestimmten Cash Crops bestand. Auch die Arbeiter der untersuchten Archäologen scheinen ihren Wochenlohn regelmäßig auf dem Wochenmarkt gelassen zu haben.89 Einige von ihnen verkauften dort auch selbst, besaßen also noch ein Feld oder, wie Legrains vorhin erwähnter Ahmed Mahmud, zumindest Nutzpflanzen und/oder -tiere und erzielten damit Überschüsse.90 Ebenfalls ein Feld besaß der von den Deutschen als Postbote beschäftigte Khalil Atije. Als er einmal in Kairo war, nutzten Nachbarn seine Abwesenheit, um ihr Vieh auf seinem Feld zu weiden. Als er überraschend zurückkehrte, verprügelten sie ihn.91 Vor allem Wanderarbeiter wurden folglich von der von den Archäologen gebotenen Aussicht angelockt, für ein paar Tage, Wochen oder gar Monate (mehr) im Jahr angestellt zu sein. Solche Arbeiter lebten vor allem in Oberägypten, das heißt zwischen Kairo und Assuan, wo fast alle untersuchten Ausgrabungen stattfanden. An den nördlicheren Grabungsorten (Giza und Abusir liegen bei Kairo) mögen die Grabungsarbeiter vermehrt landbesitzende Fellachen gewesen sein; doch auch hier konnten Menschen »durch ihre pekuniäre Bedrängnis gezwungen« sein, zu einer »Bargeldquelle« namens archäologische Ausgrabung zu kommen.92 Deren geldliche Entlohnung war in der Tat ein Vorteil gegenüber landwirtschaftlicher Arbeit, wo es, wie im vorigen Abschnitt erklärt, teilweise eher Naturalien zu verdienen gab.93 Je nach ihrer sozioökonomischen Stellung sowie Jahr, Jahreszeit und Region waren die Anwohner einer Grabungsstätte mehr oder weniger bedürftig (Kap. 3.3.9.1). Manche baten am ersten Arbeitstag um einen Vorschuss auf den Wochenlohn »nur um Brot kaufen zu können«, oder suchten in einem »riesige[n] Haufen« um Arbeit nach, »der nur mit Gewalt vom Lager weggetrieben werden konnte«. Andere hatten die Wahl zwischen verschiedenen Arbeitgebern und/oder, nach Einschätzung der Deutschen, »den guten Profit einer reichen Ernte eben eingeheimst«, sodass sie »ohne die Einnahmen einer Sommergrabung [auskommen]« konnten.94

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Legrain, Fellah de Karnak, 324-326 (auf Lebensmittel entfallen 56 Prozent der Jahresausgaben des vorhin erwähnten Ahmed Mahmud). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 241; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 15f. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 15f. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 53. Möller, Brief an Steindorff, 12.1.1905 (Zitate). Vgl. Zucker, Von Kairo bis Assuan, 4: »Die Geldgier muß man den armen [Fellachen] zugute halten; fast allein durch die Fremden« – das »fast allein« war wohl etwas übertrieben – »kommt ihnen bares Geld zu, da sie von den Großgrundbesitzern, die den größten Teil des Landes in Händen haben, meist in Naturalien abgelohnt werden«. Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 91 (Brot); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 81 (Haufen); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 34f. (Profit); vgl. Amarna 1911, 170 (»Das Angebot aus den Dörfern hier ist überreichlich, eine ganze Anzahl Leute wird wieder weggeschickt«); 1911/12, 143 (»Leuteangebot ist sehr reichlich, […] eine große Anzahl muß wieder nach Hause ziehen«); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 11 (»tolles Angebot von Arbeitswilligen, so daß ich alle zurückweise«); 1904/05 ebd., 64 (»kolossaler Andrang von Arbeitslustigen[,] mehr als die Hälfte mußte zurückgeschickt werden«).

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Die meisten Landlosen werden wegen niedriger Reallöhne und häufiger Arbeitslosigkeit eher mehr als weniger bedürftig gewesen sein. Bei einer Grabungskampagne erhielten sie zwar manchmal überdurchschnittlichen Lohn (Kap. 3.3.9.1), und am Schluss ansehnliche Entlassungsgelder (3.3.9.2). So konnten sie danach vielleicht einige Wochen überbrücken. Darüber hinausgehende Ersparnisse konnten einfache archäologische Arbeiter ohne Land auch mit Grabungslöhnen vermutlich nicht anlegen.95 Sie lebten von der Hand in den Mund. Kleingutbesitzer erhöhten durch Geldeinkommen immerhin ihre Chancen, ihr Land halten zu können anstatt es verkaufen zu müssen: Ein Fellache musste nicht nur sich selbst, sondern 1897 einen Haushalt mit durchschnittlich sieben Mitgliedern versorgen; auch später zählten viele Familien fünf (überlebende) Kinder.96 Diese wurden jedoch früh zu eigener Lohnarbeit geschickt – so wie die zahlreichen Jungen bei den untersuchten Ausgrabungen, die teilweise mit ihren Vätern oder Onkeln kamen (Kap. 3.3.2.2). Das Einkommen ihrer Kinder konnte es Fellachen irgendwann ermöglichen, verlorenes Land zurückzuerwerben oder bestehendes zu vergrößern.97 Eine Schulpflicht wurde in Ägypten übrigens erst 1923 eingeführt. Vorher besuchten die meisten Fellachenkinder höchstens die – wenig effektiven – Koranschulen (arab. [Singular]: kuttab) der Dörfer. Unter den britischen Kolonialherren wurde wenig in das allgemeine Bildungssystem investiert.98

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Ahmed Mahmud bzw. seine Familie besaßen keinerlei Ersparnisse (Legrain, Fellah de Karnak, 300, 320). »Dem« Fellachen wurde damals stereotyp vorgeworfen, sorglos in den Tag hinein zu leben (Nour ed-Din, Fellahs, 6) bzw. mit seinem Geld nicht vorausschauend umzugehen (El Naggar, Fellah, 27f.; Ayrout, Fellahs, 160f.). Wie aber soll jemand vorsorgen, der gar kein überschüssiges Einkommen hat, das er verplanen könnte? Vgl. auch Lecarpentier, Égypte (1925), 33 (»malgré des progrès considérables et rapides dans sa situation économique, le fellah égyptien compte toujours parmi les paysans les plus pauvres du globe«); und im Widerspruch zur angeblichen Sorglosigkeit: Schubart, Wüste, 28 (»Nur wenige [der Grabungsarbeiter in Dimai 1909/10] konnten lesen und schreiben; aber rechnen konnten sie alle und das Geld spielte eine große Rolle bei ihnen«). Panzac, Population of Egypt, 15 Tab. 1 (1897); Piot, Fellah (1899), 217; Felberman, Land of Khedive (1903), 111; Lecarpentier, Égypte (1925), 30; Ayrout, Fellahs (1938), 140, 143. Ahmed Mahmud hatte vier Kinder (Legrain, Fellah de Karnak, 294f.). Legrain, Fellah de Karnak, 319. Ahmeds fünfjähriger Sohn betreute mit die Nutztiere der Familie (ebd., 303); vgl. Kelly, Egypt, 184, 189 (»Even the children appear to have no childhood. At the earliest ages they begin the working life before them. The little girls collect dung as fuel for the domestic hearth, or watch the cattle in the fields; the boys are herding goats or taking beasts to water«); Piot, Fellah, 219f. Chamberet, Fellah, Kap. 2; Boktor, School and Society, 116-121; Yousef, Composing Egypt, 147-155.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

Abb. 39: Ein Dorf bei den Pyramiden von Giza (Hintergrund) »bei ziemlich hohem Nilstand«; von dort kamen womöglich Grabungsarbeiter der Ausgrabungen in Abusir und Giza

Jaeger, Ägypten (1907), Taf. 4.99 Scan: Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig.

Die Armut der Fellachen zeigte sich auch in ihren Behausungen. Georg Steindorff beschrieb jene in Unterägypten als »oft kaum mehr als eine einfache, aus Nilschlamm aufgebaute Kammer, die mit querübergelegtem Schilf oder Stroh, mit zerfetzten Matten oder Lumpen gedeckt ist. Etwas besser und geräumiger sind die Bauernhäuser in Oberägypten; sie enthalten Stallungen, Vorratsräume, ein turmartiges Taubenhaus und kleine Wohnräume für die Menschen. Der Hausrat ist überaus ärmlich und besteht oft nur aus mehreren Matten, einem Schaffell, Binsenkörben, einem kupfernen Kessel, Tonkrügen und einigen Holzschüsseln. Daß es in derartigen Hütten nicht besonders sauber aussieht, kann wohl als selbstverständlich gelten«.100 Gleichwohl bestanden nicht nur in 99

Das bei Jaeger namenlose Dorf wird auf einer standortgleichen Fotografie als »Kafr« bezeichnet in Wilmowsky, Fotografien Ägyptenreise, 96f. Nr. 37. Ob es ein bzw. welches Kafr (o. Liste 3.3.3.1: Grabungsorte Borchardt [Abusir], Steindorff [Giza]) es ist, habe ich jedoch nicht feststellen können. Zur Anlage ägyptischer Dörfer erklärt Jaeger, a.a.O., 82f.: »Die Dörfer der Fellachen sind ohne erkennbare Gesetzmäßigkeit im Alluvialland zerstreut oder lehnen sich an den Wüstenrand an, besonders, wo Schotterterrassen oder Dünensand zunächst einen sanften Anstieg bilden. Auch die im Niltal liegenden sind zum Schutz gegen Überschwemmung etwas erhöht gebaut wie die norddeutschen Marschgehöfte auf den Wurten. Wenn sie die vielen Dattelpalmen nicht für den Blick aus dem flachen Ackerlande heraushöben, würden sie einen höchst elenden und kümmerlichen Eindruck machen. Denn die niedrigen, viereckigen Häuser, die nur wenige Räume und Fenster enthalten, sind erbaut aus lufttrockenen Ziegeln aus Nilschlamm. Da man das flache Strohdach nicht sieht, sehen sie oft ruinenhaft aus, zumal da das graue, leicht zerstörbare Baumaterial recht griesgrämig und erbärmlich erscheint. In Ober-Ägypten [vgl. u. Abb. 41] verleihen die höher aufragenden, geweißten Taubenschläge dem Bilde einen freundlicheren Zug«. 100 Steindorff, Aegypten, 186f. (teils offenbar übernommen aus Baedeker, Ägypten, LII); ähnlich Piot, Fellah, 221f.; Chamberet, Fellah, 11-13; vgl. Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 135 (Abu Gurob,

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Unter-, sondern auch in Mittel- und Oberägypten gewöhnliche Häuser – die Bewohner bauten sie selbst binnen weniger Tage101 – aus Lehm für die Wände und Stroh oder Palmzweigen für das Dach. Über die getrennten Räume, die Steindorff aufzählt (fünf oder sechs), verfügten grundbesitzende Fellachen; landlose Familien mussten sich mit typischerweise drei Räumen begnügen, sodass das Schlafzimmer auch als Küche und Vorratskammer diente. Der zweite Raum war der Eingangs- und Empfangsraum; der dritte der Tierstall. Immerhin besaßen sesshafte Fellachen ohne Feld das Grundstück, auf dem ihr Haus stand; da solches Bauland aber ebenfalls teuer war, musste die Hausfläche, auf eine Ebene beschränkt, klein bleiben. Auf entsprechend engem Raum lebte die Großfamilie der Fellachen zusammen mit ihren Tieren, von denen die Menschen schon insofern wenig abgetrennt waren, als das Haus nur einen Ein-/Ausgang (und keine Fenster) aufwies.102

Abb. 40: Straße in Aniba (Steindorff, Aniba 1912)

ÄMULA, NL Steindorff (Scan: Strasse1912).

20.12.1898 [bei Grabung Borchardt]: »Ein solches Fellachendorf sieht von weitem sehr nett aus, es ist meist von Palmhainen umgeben, außerdem von grünen Gärten. Kommt man aber hinein, so sieht man eine Ärmlichkeit und einen Schmutz, wie man es nicht für möglich hält«); (S.) 47 (Fayyum, 22.11.1901: in einem »elenden Fellachendorf«). 101 Felberman, Land of Khedive, 110; vgl. Legrain, Fellah de Karnak, 307. 102 Lozach/Hug, Habitat rural, 80-135. Etwas weniger problematisch erscheinen die Wohnverhältnisse insofern, als die Menschen in Ägypten dank des warmen Klimas den größten Teil des Tages im Freien verbringen konnten und die Wohnung »fast nur als Nachtquartier« benötigten (Jaeger, Ägypten, 79 [Zitat]; Baedeker, Ägypten, LII). Zudem waren im Haus Kochstelle und Tierstall und ggf. andere Stellen gar nicht überdacht (Lozach/Hug, a.a.O., 121-135).

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

Inmitten dieser unhygienischen Wohnverhältnisse entsorgten die Fellachen ihre Abfälle nicht angemessen; sie wuschen sich bzw. ihre Kleidung nicht ausreichend und tranken das kostenlos zu schöpfende aber schmutzige Wasser aus dem Nil bzw. Kanälen; Brunnenwasser war ebenfalls nicht unbedenklich.103 Das alles erklärt die Augen- bzw. Hauterkrankungen, die bei den untersuchten Grabungsarbeitern in Abusir el-Meleq und anderswo festgestellt wurden, und mit denen auch andere Anwohner der Grabungsstätten zu den deutschen Archäologen kamen, um sich behandeln zu lassen (Kap. 3.3.8). Tatsächlich starben in Ägypten ein Viertel bis mindestens zwei Drittel der Kinder vor dem fünften Lebensjahr, und 1907 galten von der Gesamtbevölkerung 1,3 Prozent als blind und 3,2 Prozent als einäugig.104 Auf dem Land mag die Volksgesundheit neben fehlender Hygiene durch armutsbedingte Mangelernährung verschlechtert worden sein.105 Neben einem Einkommen boten die Ausgrabungen der untersuchten Archäologen den Vorteil, dass die – meisten (Kap. 3.3.6) – einfachen Arbeiter ihre Heimatdörfer dafür nicht verlassen mussten – sie kehrten jeden Abend dorthin zurück, konnten am Ruhetag die Lebensmittel ihrer Familie einkaufen und gegebenenfalls von heute auf morgen zu anderen Arbeitgebern wechseln. Die Archäologen unterschieden ihre Arbeiter nach deren Dörfern (3.3.3.1), und ein ägyptischer Fellache fühlte sich seinem Dorf traditionell eng verbunden. Hierauf bezog sich seine Identität – nicht auf das Land Ägypten: »Son village est tout parce qu’il est proche et présent. Il représente sa patrie et son patriotisme«.106 Allerdings begann die ägyptische Dorfgemeinschaft im 19. Jahrhundert, sich aufzulösen: Das vorher kollektive Land in Ägypten wurde in private Flächen aufgespalten; die Steuerpflicht ging dementsprechend vom Dorf auf die einzelnen Grundbesitzer über; und mit der staatlichen Zwangsarbeit entfiel eine weitere Gemeinschaftsverantwortung.107 Zugleich untergrub die mit der Privatisierung verbundene Kommerzialisierung bzw. Monetarisierung der Landwirtschaft nicht nur die dörflichen, sondern auch die familiären Bindungen eines Fellachen, indem sie ihn zwang, Beschäftigungen bei Arbeitgebern bzw. Fremden außerhalb seines Hauses bzw. Feldes nachzugehen.108 Bei den untersuchten Ausgrabungen zeigten Arbeiter des gleichen Dorfes einerseits Zusammengehörigkeit: In Amarna standen die Bewohner von El-Tell und von El-Hagg Qandil sich in einer Blutfehde gegenüber, nachdem vor einiger Zeit ein Mann aus dem zweiten Dorf einen El-Teller, als dieser auf einer Palme »Mundraub trieb«, erschossen

103 Jagailloux, Médicalisation, 15-17; Lecarpentier, Égypte, 36f.; Steindorff, Aegypten, 187; Zucker, Von Kairo bis Assuan, 15f.; zum Wasser: Piot, Fellah, 226-229; Ayrout, Fellahs, 103f.; Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 200 (Brunnen). 104 Jagailloux, Médicalisation, 254 (Augenleiden), 274 (Kindersterblichkeit); El Naggar, Fellah, 81-84 (ergänzend zu beidem). Wohl vor allem infolge der hohen Kindersterblichkeit lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Fellachen bei unter 25 Jahren (Luthi, Vie quotidienne, 90). 105 Jagailloux, Médicalisation, 263-266. 106 Ayrout, Fellahs, 128 (Zitat); El Naggar, Fellah, 96-98. 107 Baer, Social History, Kap. 2; Richards, Agricultural Development, 55; zum verbleibenden Maße dörflichen Zusammenhalts: El Naggar, Fellah, 95f. 108 Tucker, Decline of Family Economy; Issawi, Egypt since 1800, 3f.

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hatte.109 In Giza prügelten sich Abusiris und Arbeiter aus Kafr bzw. Zawije. In Abusir »sangen« sich »Jungen von Saqqara und von Abusir oft in nicht immer feinen Spottliedchen gegenseitig an«. Und 1903 »kam« einmal »das Dorf« von Abusir, also »[d]ie ganze nicht bei uns arbeitende Dorfbevölkerung, Männer, Weiber u. Kinder«, nachdem ein Wächter der Grabungsstätte angesichts eines Unwetters »das Gerücht verbreitet [hatte], die Pyramide«, an der gegraben wurde, »sei eingestürzt«.110

Abb. 41: Das Dorf El-Tell: »Die Südostecke des nördlichen Teiles […] mit Taubenhäusern« (Borchardt, Amarna 1911)111

Timme, Amarna, 9. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

Andererseits: Als die Deutschen 1902 im Fayyum einen Bewerber, der seine Nichteinstellung als Arbeiter nicht akzeptieren wollte, mit dem Stock schlugen, blieb »der größte Teil« der angenommenen Arbeiter »mit schadenfrohem Lachen in einiger Entfernung stehen, mit Spannung den Ausgang der interessanten Begebenheit erwartend«. Und nachdem 1913 in Amarna zwei Jungen aus Quft sowie ein Abusiri mit Lohnvorschüssen davongerannt waren, zogen die Archäologen die Vorschüsse »von dem Gehalt der betr. Ortsbewohner« ab, »um den Leuten Solidaritätsgefühl beizubringen«.112 Hatten sie es verloren?

109 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 3f.; Timme, Amarna, 11 (Zitat). Lepsius beobachtete eine Blutfehde bei Luxor (Briefe aus Aegypten, 357f.). Zu dieser Tradition in Ägypten: Blackman, Fellahin, 132-134; Winkler, Volkskunde, 252-254; Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, 191-198. 110 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 6 (Saqqara gegen Abusir); ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 76 (Dorf kommt; weiter Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 3-5; Ne-User-Re, 165); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905 (Sphinxtempel), 15; vgl. 1910, 135 (Abusiris gegen Jungen aus Kerdasse). Zu »Sticheleien« gegen Bewohner bestimmter Dörfer in Liedern der Grabungsarbeiter: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9. 111 Die Taubentürme ägyptischer Dörfer dienten als Anziehungspunkt für wilde Tauben, da ihr Mist als Dünger genutzt wurde (Grunzel, Wirtschaftliche Verhältnisse, 46; Blackman, Fellahin, 26f.). 112 Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 705 (Fayyum); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 37, 44f. (Zitate: 45).

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

Quftis und Abusiris waren, außer letztere an der Grabungsstätte Abusir, keine Ortskräfte, sondern folgten den Deutschen zu Stätten weit weg von ihrer Heimat (Kap. 3.3.3.2). Sie waren also wirkliche Wanderarbeiter, die ihr Dorf für Monate verließen.113 Manche Abusiris konnten sich letztlich nicht dazu entschließen, zur Ausgrabung nach Hermopolis (ebd.) oder, im Fall des Schreiners Mohammed, nach Amarna zu gehen (3.3.2.3 Abs. 1) – vielleicht aus familiären Gründen, oder weil sie Land zu bewirtschaften hatten. Wer dagegen aufbrach, konnte Stamm- oder gar Vorarbeiter werden und damit höhere Löhne und Zuschläge erzielen. Trotz oder wegen der Entfernung zu ihrer Heimat hielten die mobilen Arbeiter gleicher Herkunft dann insofern zusammen, als es in Amarna zum Beispiel Streit gab zwischen Abusiris und Arbeitern aus El-Hagg Qandil, oder in Abusir el-Meleq einen »kleinen Krakehl zwischen 2 Abusir- + 2 Illahunleuten«.114 Ihre Ursache fanden solche Auseinandersetzungen nicht nur in regionalen Unterschieden, sondern auch im Neid einfacher Orts- auf »bessere« Stammkräfte (vgl. Kap. 3.3.2.1-2), bzw. in der Herablassung dieser gegenüber jenen. Der zum »besseren« Arbeiter beförderte Senussi Ali aus Kerdasse wurde, laut den Deutschen, »aus Missgunst« sogar von einigen Dorfgenossen »verklatscht […], er hätte Kindern auf dem Heimwege Geld abgenommen« – er war aber unschuldig.115 Beim Papyrusunternehmen kam es »zu einem heftigen Auftritt zwischen den Abusirleuten + den Aufsehern einerseits und den anderen Arbeitern andererseits«, weil diese behaupteten, einer der ihren und nicht der von den Aufsehern gemeldete Abusiri Gadd Hilal habe einen Inschriftenstein gefunden und damit Anspruch auf die Fundprämie.116 Von dem Obervorarbeiter Senussi wissen wir, dass er sich bis spätestens 1907 in Kiman, seinem Dorf, ein Haus gebaut hatte (Kap. 3.6.1) – womöglich dank eines Wohlstands, den seine langjährige leitende Tätigkeit in der Archäologie ihm eingebracht hatte 113

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Lag die Mobilität der Quftis an der beduinischen Abstammung, die Winkler den Bewohnern Kimans und seiner Nachbardörfer attestierte (o. Kap. 4.1.2 Anm. 43)? Er fand dort nämlich »keinerlei organische Zusammengehörigkeit der Bauernschaft eines Dorfes, […] im Gegensatz zu altem Bauerntum« (Winkler, Bauern, 136). Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 5f.; Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 109f. (Zitat: 109); vgl. 1901/02 ebd., 225f. (Abusiris gegen Arbeiter aus Abusir el-Meleq); Tebtunis, 189 (Abusiris gegen andere Arbeiter). Vgl. die von einem oberägyptischen Fellachen geäußerte Abneigung gegen Unterägypter: Leprette, Égypte (1939), 71. Umgekehrt zum »Kulturschock« heutiger Quftis im Nildelta: Sonbol, Weltwunder, 62f. (»Culture-Crash«); zum Verhältnis Oberägyptens zum Rest des Landes: Hopkins/Saad, Upper Egypt. Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 66; u. Kap. 4.2.1.3. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 189 (»Aber die Revolte erstickt unter dem Sandsturm[,] wir müßen die Arbeit abbrechen«). Zum gegenseitigen Verhältnis von Arbeitern auch Schubart, Wüste, 21 (die Archäologen »wunderten sich manchmal, daß im Lager [in Dimai 1909/10, bewohnt von Quftis und Abusiris] nicht größere Mißhelligkeiten vorkamen. Aber die Ägypter neigen im allgemeinen dazu, das Leben hinzunehmen, wie Allah es schickt [o. Kap. 3.5.4 Abs. 2]; und daß die Mohammedaner keinen Alkohol trinken, mochte auch zum gemütsruhigen Zusammenleben beitragen«). Für uns unsichtbar mag das Verhältnis zwischen ägyptischen archäologischen Arbeitern auch von verwandtschaftlichen bzw. Abstammungsgeflechten beeinflusst worden sein, die vor allem in Oberägypten deutlich komplexer waren bzw. sind als »unsere« westlichen (Bach, Kinship). Menschen, die wie Senussi und andere Bewohner Kimans noch bewusst von Beduinen abstammten (Kap. 4.1.2 Anm. 43), mögen sogar in gewissem Maße noch in »Stämmen« oder Clans organisiert gewesen sein (Nielsen, Tribes and Tribalism in Edfu, bes. 77).

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(ebd.).117 Zumindest konnte er von seinem Vertrag mit den Deutschen (ebd.) zweifellos besser leben als viele andere Fellachen ohne derartige Anstellung. Vorarbeitern mag ihre Anstellung überdies einen sozialen Aufstieg verschafft haben. Während sie als Fellachen von der Obrigkeit und Großgrundbesitzern niedergehalten wurden (4.2.2.2), übten sie bei einer Grabung buchstäblich Gewalt aus über gegebenenfalls Hunderte anderer Fellachen (4.2.2.3). Das muss ihr Selbstwertgefühl und Ansehen in der Heimat erheblich befördert haben.118 Andererseits ist es möglich, dass manche Vorarbeiter bereits aus »besseren« Verhältnissen stammten (wie es heute mitunter der Fall ist119 ) und durch ihr Amt ihren Status nur festigten. Einzelne Vorarbeiter der Deutschen trugen eine ärmellose Weste mit vielen Knöpfen (Abb. 10, 29?, 34, 42) – dies war auf dem Land in Ägypten ein Statussymbol,120 doch wir können nicht sicher sein, wie die Vorarbeiter zu ihm gekommen waren.

4.2 Arbeitsbedingungen unter den deutschen Archäologen bzw. in Ägypten Ihre sozioökonomischen Verhältnisse, die ich in Kap. 4.1.2-3 ergründet habe, müssen der ägyptischen Landbevölkerung allgemein eine starke Motivation gegeben haben, sich und/oder gegebenenfalls ihre Kinder bei den Ausgrabungen der untersuchten Archäologen anstellen zu lassen. Diese zahlten den von ihnen versprochenen Lohn nach jeder Arbeitswoche zuverlässig aus (3.3.9.3). Zudem boten sie den ortsfremden Arbeitern kostenlose An- bzw. Abreise (3.3.3.2) und Unterkunft (3.3.6), und allen Arbeitern eine medizinische Versorgung von Verletzungen und Krankheiten, die sonst für die meisten Fella117

Auch die heimatlichen Häuser jener Nubier, die im nördlichen Ägypten als Dienstboten Geld verdienten (Kap. 4.1.2), waren vielleicht dank dieser Einkünfte »far more elaborate than those of the fellahin of Egypt« (Weigall, Lower Nubia [1907], 23); vgl. Fircks, Aegypten, Bd. 1, 153 (»die nach den nördlichen Provinzen fortgezogenen Nubier unterstützen ihre in der Heimat zurückgebliebenen Familien und kehren zu diesen zurück, sobald sie einige Ersparnisse gemacht haben«); zu sozusagen Rücküberweisungen sowie nubischen Häusern ferner Beckett, Nubia, 203f. Das Qufter Haus des Vorarbeiters Abu el-Hassan, in deutschen Diensten seit mindestens 1903 (o. Kap. 3.6.2), mag hingegen noch 1910 eher schlicht gewesen sein (Schubart, Wüste, 57; allerdings wird es hier mit einem recht reichen Haus verglichen). 118 Schon wenn sie als bewaffnete Wächter an Grabungsstellen gestellt wurden, waren Vorarbeiter »furchtbar stolz auf ihre Mission. […] ›Wächter‹ sein ist nämlich das Höchste für einen Fellachen« (Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 10). Vgl. Doyon, History of Archaeology, 184 (»Through their alliances with foreign archaeologists, [Quftis] fashioned themselves into a class of rural elites with a hybrid identity, which conferred certain rights and privileges that were otherwise unattainable to most rural Egyptians«). 119 Beispiel: Die Familie von George, dem Vorarbeiter der lokalen Grabungsarbeiter der deutsch-ägyptischen Ausgrabung in Assiut 2011, »besitzt Land und einen kleinen Laden und scheint im Ort gut vernetzt zu sein« (Beck, Perspektivenwechsel, 41). Andererseits »erben« heute viele Vorarbeiter (so war es auch bei George) das Amt von ihrem Vater (u. Kap. 5.2). Außerdem könnte etwa der Landbesitz von Vorarbeitern nicht nur Grund für ihr Vorarbeitertum sein, sondern umgekehrt auch Ergebnis langjähriger lukrativer Vorarbeitertätigkeit ihrer selbst und/oder ihrer Vorfahren. 120 Winkler, Bauern, 83; St. John, Village Life in Egypt (1852), 46; Foreign Areas Studies Division, Handbook Egypt (1964), 46. Arbeiter mit solcher Weste auch abgebildet in: Chubb, Nefertiti, Frontispiz und 100.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

chen nicht erreich- bzw. bezahlbar gewesen wäre (3.3.8). Nichtsdestoweniger brachte die archäologische Arbeit für viele Arbeiter auch tatsächliche oder vermeintliche Nachteile mit sich. Wie bereits ausgeführt bewegten die Arbeiter bei den untersuchten Ausgrabungen an sechs Tagen pro Woche für je neun bis zehn Stunden (Kap. 3.3.0) gewaltige Massen von Schutt und Sand und bargen eine Vielzahl kleiner und großer Funde (3.4.2). Somit verrichteten die Erwachsenen und insbesondere Kinder schwere körperliche Arbeit – umso mehr angesichts der Umweltbedingungen an den Grabungsstätten. Zwischen November und Februar, wo die meisten der untersuchten Grabungstage lagen, war es in Ägypten bedeutend kühler als im Sommer, doch auch während jener Winterzeit konnten die Temperaturen bei Grabungen laut Tagesvermerken der Archäologen auf 35°C im Schatten steigen; und in anderen Monaten auf 46°C in der Sonne oder gar 47°C im Schatten121 – doch Schatten gab es bei den untersuchten archäologischen Freilegungen (3.2.5.2) wenig. Nach Sonnenaufgang stiegen die Temperaturen in Ägypten »rasch bis gegen 11 Uhr [vormittags], dann langsamer bis 2 oder 3 Uhr, wo sie ihren Höhepunkt erreicht[en]«122 – trotz Arbeitsbeginn im Morgengrauen und Pause am Mittag spielte sich demnach ein großer Teil eines regulären Grabungstages, der von mindestens 7 bis mindestens 16 Uhr dauerte (3.3.0), in großer Hitze ab. Die Deutschen empfanden deren Ausmaß zuweilen als »blödsinnig«.123 Andererseits konnte morgens von der Nacht noch große Kälte herrschen,124 die gegebenenfalls durch Wind verstärkt wurde.125 Der Wind konnte ebenso »blödsinnig« wie die Hitze sein.126 Er wirbelte den Staub, der beim Graben in Schutt und Sand ohnehin entsteht, weiter auf und erfüllte die Luft zusätzlich mit Sand aus den ägyptischen Wüsten. Zwischen März und Mai wehte außerdem immer wieder für je drei Tage ein »Chamsin« – ein besonders starker, trockener, 121

Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 217 (Februar, Schatten: 35°C), 392 (Mai, Schatten: 44°C); 1907, 241 (April, Schatten: 34°C, Sonne: 46°C), 270 (April, Schatten: 47°C); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 172 (März, Schatten: 31°C, Sonne: 37,5°C), 221 (April, Schatten: 40°C); 1906/07 Elephantine, 17 (Januar, Schatten: 35°C); Müller, Hygienische Beobachtungen Abuṣir el Meleq, 194f. (Diagramm der Tagestemperaturen während der Sommergrabung: Tageshöchstwerte im August und September 1905 durchgängig 39-43°C). Zum Klima Ägyptens allgemein: Mühl, Ägypten, 58-61; Bénédite, Égypte, 36-41; zu dem Abusir el-Meleqs im Sommer: Müller, a.a.O., 193-197. 122 Mühl, Ägypten, 60; ähnlich Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 713. 123 Zitat jeweils Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 333 (März); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 240; 1902/03 Hermopolis, 162 (jeweils April); 1906/07 Elephantine, 17 (Januar); vgl. Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 34 (»furchtbare Hitze«), 35 (»wahnsinnig heiß«) (jeweils September); 1906, 6 (»Furchtbar heißer Tag«) (Oktober); Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 172 (sogar der Oberägypter Senussi »von der Hitze krank«) (April). 124 Im Februar im Fayyum z.B. »nur 5 bis 7 Grad« (Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 713); ferner Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 76 (»Fast täglich ist ein Mann oder ein Junge arbeitsunfähig gemeldet infolge von Erkältung. Bei Arbeitsbeginn waren in diesen Tagen [Januar] durchschnittlich 2-4 °C«); 1909/10 Dimai, 41 (»zunehmend[e] Kälte […], die die Arbeit der Leute am frühen Morgen sehr beeinträchtigt« [Dezember]); vgl. Schubart, Wüste, 17, 52; Rubensohn, Briefe an Familie, 501, 505 (Hermopolis, Dezember-Januar 1904/05). 125 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 423f. (Januar); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 65 (Februar); Rubensohn, Briefe an Familie, 256 (Abusir el-Meleq, 7.3.1903). 126 Zitat jeweils Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 45; 1904/05 Hermopolis, 53; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 241.

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heißer, staubiger Südwind aus der Wüste.127 Bei den untersuchten Ausgrabungen war der Wind manchmal so stark, dass die Archäologen den Arbeitstag unter- oder gar abbrechen mussten – mitunter sprachen sich die Arbeiter selbst dafür aus.128 Trotzdem wehte ihnen auch der schwächere Wind, bei dem sie noch arbeiteten, einigen Staub und Sand in Augen, Nase und Mund, da sie während der Arbeit zwar ihren Kopf (s. Grabungsfotos), aber wohl nicht ihr Gesicht bedeckten. »Besonders unerfreulich« war Wind beim Ausgraben von Koms (antike Siedlungshügel bzw. Schutthaufen): »[I]hr Inhalt hat sich im Laufe von mehr als tausend Jahren zu einer staubähnlichen, schwarzbraunen Erde aufgelöst […]. Diese staubförmige Masse wird durch den leisesten Windstoß aufgewirbelt […] und verwandelt in kurzem die Arbeiter in regelrechte schwarze Sandmänner«.129 So verwundert es nicht, dass die Arbeiter sich in ihren Arbeitsliedern ihr Trinkwasser, das Mittagessen, ein Ende der Hitze oder das Ende des Arbeitstages herbeisehnten: »Du feuchter, voller Wasserkrug!/[…] bittet euren Aufseher!« »Wandre weiter, Sonne, laß die Ziererei!« »Blick auf die Uhr,/[…] du findest uns ganz verhungert!« »Laßt uns um Gottes willen Mittag essen […]!/Lohn und Vergeltung werdet ihr von Gott erhalten!« »Wir haben gegessen und sind aufgestanden. Wenn doch erst Feierabend wäre!« 127

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Wie es einer Grabung bei einem Chamsin erging, schildert Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 709-711; vgl. Schubart, Wüste, 17f., 39; zum Chamsin allgemein: Mühl, Ägypten, 61; Bénédite, Égypte, 37-39. Arbeitsabbruch: z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 108 (»die Arbeiter wollen es selbst so«); 1905/06 Elephantine, 64; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 74-78 (»Den ganzen Tag Sturm, gelegentlich Regenböen, die [die Grabung] sehr hindern. […] Der Sturm dauert bis gegen 6 Uhr an, er zwingt uns, die Arbeiter um 4 Uhr gehen zu lassen«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 72 (»Wegen des scharfen Sandwindes wird die Arbeit heute eine Stunde eher abgebrochen […], wofür die Kinder, die kaum noch aus den Augen sehen können, sehr dankbar sind«), 134 (»regelrechte[r] Sandsturm […], der das Arbeiten in der Grabung nahezu unmöglich macht. Zwischen 9 und 10 brechen wir die Arbeit vorläufig ab und die Leute verkriechen sich an geschützten Stellen. Da keine Aussicht auf Besserung des Wetters werden die Leute gegen 11 Uhr entlassen«); Abusir 1910, 40 (»Der bereits in der Nacht aufgekommene Südwind verstärkt sich vormittags zu einem solchen Sandsturm, dass die Arbeit um 11 eingestellt werden muss und, da der Sturm bis zum Sonnenuntergang anhielt, auch nicht wieder aufgenommen wird«); keine Unterbrechung: z.B. Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 18 (»sehr starker, glühender Sandsturm. […] trotz des Sturms angefangen«), 20 (»starker Sandsturm, der die Nachmittagsarbeit fast unmöglich macht«); Amarna 1913/14, 184 (»Vormittags setzt ein bis gegen Abend anhaltender Südwind mit starkem Sandwehen ein, durch das die Arbeit […] erschwert […] wird«); Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 152 (»Entsetzlicher Chamesin-Tag«); 1905/06 ebd., 29 (»Starker Südwind treibt die Staubmassen in unser Lager, unangenehm«); 1903/04 Abusir el-Meleq, 168 (»Es herrscht sehr starker Sandsturm der in die Augen beißt«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 63f. (»[Am] Vormittag [macht sich] ein sehr starker Wind mit Sandtreiben auf, durch den die Arbeit sehr erschwert wird«); 1910, 136 (»Im Laufe des Nachmittags wird der Wind so stark, daß man die Arbeit eben noch fortsetzen kann«); Aniba 1914, 399 (Sandsturm, »der dichte Sandwolken aus der Wüste herüberweht, sodass die Leute kaum arbeiten können u. [der] erst nach Sonnenuntergang aufhört«); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 112 (»den ganzen Tag über sehr lästiger Wind«), 129. Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 706; weiter Schubart, Wüste, 22, 26; Rubensohn, Briefe an Familie, 99 (Theadelphia, 22.2.1902: »Ihr macht Euch keine Vorstellung, was für einen Staub so eine Papyrusgrabung in Müllhaufen hervorbringt«), 509 (Hermopolis, 13.1.1905: Grabung, »bei der ein unglaublicher Staub fortwährend aufwirbelt«), 719 (Elephantine, 8.1.1907: »Der von den Ausgräbern aufgewirbelte Staub ist grauenhaft«).

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

»Ihr, die ihr die Uhren habt,/seht, die Zeit des Feierabends ist schon vorüber!« »Ach mein Herr, mach doch Feierabend, es ist genug!/Wir sind ›fertig‹ [i.S.v. am Ende unserer Kraft], und die Arbeit hat uns blind gemacht«.130 Dass vor allem Jungen bei der Grabungsarbeit für gewöhnlich gemeinsam sangen – wie Fellachen es auch bei anderen Arbeiten taten –, muss für sie überdies selbst ein Mittel gewesen sein, sich einen harten und langen Arbeitstag erträglich zu machen. Manchmal klatschten die Jungen dazu auch in die Hände oder stampften mit den Füßen.131 Es ist eine Grundeinsicht des Menschen, dass vor allem schlichte und eintönige Tätigkeiten leichter gehen, wenn sie durch einen Rhythmus gegliedert werden.132 Arbeitslieder sind schon für das alte Ägypten bezeugt.133 Bei den untersuchten und anderen archäologischen Ausgrabungen wurde der Gesang mitunter von Vorsängern angeleitet.134 Die Feld- und meisten anderen möglichen (Lohn-)Arbeiten der Fellachen fanden jedoch ebenso im Freien statt, und ob die Fellachen anderswo weniger hart arbeiten mussten als in der Archäologie, kann bezweifelt werden.135 Landwirtschaft, Baustellen und Kanäle waren ebenfalls mit Erdarbeiten verbunden, und in der ägyptischen Landwirtschaft wurden damals noch kaum moderne Maschinen verwendet, die die menschliche Arbeit weiter erleichtert hätten; auch die in dem Land so unabdingbare Bewässerung beruhte teils auf Handarbeit.136 Außerdem bemühten die untersuchten Archäologen sich bei der Ausgrabung, die Unfallgefahr für Arbeiter zu minimieren – mit weitgehendem Erfolg (Kap. 3.3.8); vielleicht waren die an Erdarbeiten gewöhnten Arbeiter außerdem so geschickt, dass sie Unfälle selbst zu vermeiden wussten.

130 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, 28-34 Nr. 25-27, 29, 31, 33f.; ähnlich Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 10f.; Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 712; Schubart, Wüste, 25 (mit Notenzeile). 131 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, XII; zum Singen vor allem der Kinder unter den Arbeitern auch ebd., 1 Nr. 1 (religiöser Morgengesang), 5 Nr. 4 (Anrufung des Propheten), 8 Nr. 6 (Preis des Propheten); Schubart, Wüste, 25; jener unter den Fellachen auch Piot, Fellah, 242f. 132 Bücher, Arbeit und Rhythmus, Kap. 2f.; aktueller: Gioia, Work Songs. Zum Gesang von Arbeitern einer Grabung in Mendes (Unterägypten) 2007: Poppe, Work Songs; zum Gesang von Grabungsarbeitern Lepsius’ (o. Kap. 2.1.5): Lepsius, Briefe aus Aegypten, 66-68; von Bootsleuten Champollions (o. 2.1.3): Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 188, 203f.; von Bootsleuten der Steindorffschen Nubien-Expedition: Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 62. 133 Brunner-Traut, Arbeitslieder. 134 Schubart, Wüste, 25 (Vorsänger Schaaban); Legrain, Légendes et chansons populaires du Saïd, 307 (zu Legrains Ausgrabungen in Karnak); Maspero, Chansons populaires, 173f. (zu Ausgrabungen des Antikendienstes in Dendera [ebenfalls nahe Luxor]; hier kam dem Vorsänger laut Maspero sogar eine spirituelle Rolle zu; hierzu weiter Clément, Peasant Consciousness, 85f.; vgl. u. Kap. 4.2.2.3 Anm. 299). Clément (a.a.O., 83, 85) versteht außerdem Legrain dahingehend, dass er in Karnak Berufssänger auftreten ließ, um die Leistung seiner Arbeiter zu steigern. Vgl. dazu Métin, Égypte, 65 (»En Égypte, les chanteurs professionnels sont nombreux, et leur concours est très recherché dans les réunions«). 135 Nahas (Fellah, 136 Anm. 1) schildert die Schinderei bei der Baumwollernte. Zusätzlich galt auf Großgütern: »If a peasant was negligent, he was punished by a deduction of several days’ wages« (Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 114). Vgl. Schubart, Wüste, 28f. 136 Magnus, Aegypten Wirtschaftsleben, 28; Wright, Farm Implements, 109f.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Die ärmlichen Lebensverhältnisse der Fellachen, die ihre Gesundheit durch mangelhafte Hygiene und Ernährung beeinträchtigen konnten, bedeuteten auch nicht, dass Fellachen zu Schwächlichkeit geneigt hätten. Während die untersuchten Archäologen einige »minderwertige« Ausnahmen verzeichneten (Kap. 3.5.3), hätten größtenteils schwächliche Arbeiter die untersuchten Ausgrabungen nicht und erst recht nicht so erfolgreich ausführen können, wie die Arbeiter es insgesamt getan haben (3.4.2). Manche historischen Autoren betonen die Robustheit und Anspruchslosigkeit eines Fellachen: »[S]on sommeil n’a besoin ni de matelas ni de confort, les brutales incisions dans sa chair ne le font pas crier ; les rhumes, les migraines, les odeurs les plus nauséabondes ne l’incommodent point ; son appétit ne connaît pas de dégoût«. Dennoch: »[S]on ouïe très fine perçoit les moindres bruits des hommes et des choses ; sa vue porte loin et distingue dans l’obscurité les imperceptibles«.137 Der britische Archäologe Petrie bescheinigte ägyptischen Grabungsarbeitern, anders als solche in Syrien oder Griechenland zu »rational regular hard work« fähig zu sein. Sein französischer Kollege Legrain führte die Widerstandskraft der Fellachen auf eine durch ihr Elend bedingte »sélection naturelle« zurück.138 Ein anderer Autor bemerkte, dass die Nahrung der Fellachen besonders gesund sei: hauptsächlich Brot und Gemüse, dagegen wenig Fleisch.139 Jedenfalls wird der Verdacht von Schwächlichkeit oder gar Faulheit schon dadurch als orientalistisch entlarvt, dass die Fellachen seit jeher durch beständige Arbeit und landwirtschaftliches Geschick dem schmalen fruchtbaren Streifen inmitten der Wüste Ägypten erstaunliche Ernteerträge abrangen (wenngleich viele westliche Kommentatoren dies aus wiederum orientalistischen Gründen nicht anerkannten): »Almost ere the sun has risen both man and beast set forth to their work, and seldom return from their labours until night has fallen. Not a yard of land capable of cultivation is wasted. […] And, moreover, the best that the land can give is rigorously exacted from it«.140 Auch Ludwig Borchardt meinte: »Der ägyptische Bauer ist ein fleißiger, zäher Arbeiter«.141

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Ayrout, Fellahs, 99f.; zur Anspruchslosigkeit auch Nahas, Fellah, 68f.; zur Robustheit bzw. Schmerzunempfindlichkeit auch Piot, Fellah, 238f. »Anspruchslos« waren die Fellachen freilich auch deshalb, weil ihre Armut ihnen keine andere Wahl ließ – wenn sich einmal ein Festtag bot, schlugen sie durchaus über die Stränge (Piot, a.a.O., 223; Arminjon, Situation économique, 154), wie wir auch von den Arbeitern der untersuchten Archäologen hören (u. Kap. 4.2.3). 138 Petrie, Methods in Archaeology, 20; Legrain, Fellah de Karnak, 298; vgl. Chubb, Nefertiti, 75f. (wer eine Kindheit in einem ägyptischen Dorf überlebe, müsse gesund sein). 139 Nour ed-Din, Fellahs, 7. 140 Holland, Egypt, 223; vgl. 220 (»[The fellahin’s patient industry] has hitherto been too little recognized by the less serious writers upon Egyptian subjects«); Foaden, Egyptian Agriculture, 15 (»The fellah is an extremely clever cultivator and a hard worker«); Blackman, Fellahin, 23 (die Fellachen sind »very hard-working«), 169 (sie sind »remarkably clever agriculturalists«); Balls, Egypt, 216f. (»Many of those habits and customs which [the fellah] practises in the growing of plants have been widely condemned, and yet have been shown to be thoroughly justified when intimate scientific and economic investigation was brought to bear on them, the reasons for any particular practice often lying far too deep for casual observation to detect. […] the fellah […] is far from being the incompetent though industrious drudge we have often imagined him to be«); ferner Nahas, Fellah, 78-81. 141 Borchardt, [Vorwort] (Ägypten), VIII.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

4.2.1 Konflikte der Arbeiter mit den Archäologen Unzufriedenheit bei den Arbeitern bzw. Konflikte zwischen ihnen und den Archäologen oder vorgesetzten Arbeitern entzündeten sich daher, meinen Quellen zufolge, nicht an der Härte der Grabungsarbeit an sich, sondern an der Lohnhöhe (Kap. 4.2.1.1); oder an Elementen jener Grabungsdisziplin, welche die Archäologen ihren einfachen und höheren Arbeitern auferlegten (4.2.1.2). Bei den höheren ging es ferner um die Führungsqualitäten, welche die Archäologen von ihnen erwarteten (4.2.1.3).

4.2.1.1 Konflikte über die Löhne Bei der wöchentlichen Auszahlung der Löhne erhoben Arbeiter gelegentlich »Reklamationen«, die die Archäologen stets gütlich beigelegt zu haben scheinen.142 Schwieriger konnte es werden, wenn Arbeiter vor oder während einer Grabungskampagne Lohnforderungen stellten, die die Archäologen nicht erfüllen wollten oder konnten. Wegen ihrer wechselnden Lohntätigkeiten kannten die meisten Fellachen das aktuelle Lohnniveau ihrer Gegend vermutlich genau und konnten dementsprechend einschätzen, ob die Archäologen angemessene Lohnsätze boten. Manchmal mögen sie ihr heimatliches Wissen auch dazu genutzt haben, einen nach Marktlage übermäßigen Lohn zu fordern. Zumindest der in Ägypten lebende Borchardt sowie andere deutsche Archäologen mit Grabungserfahrung waren über das jeweilige Lohnniveau indes ebenfalls informiert; zudem war ihr Grabungsbudget jeweils begrenzt. Darum konnten sie Lohnerhöhungen nur dann bewilligen, wenn sonst tatsächlich nicht mehr genügend Arbeiter erscheinen würden. Allerdings mussten die Löhne über eine gesamte Grabungskampagne hinweg niedrig genug blieben, um sozusagen die Preise auch im Hinblick auf die nächste Grabungssaison nicht zu verderben. Andererseits zwang die Armut viele Fellachen dazu, die gebotenen Lohnsätze auch dann anzunehmen, wenn sie sie als zu niedrig empfanden; doch zugleich motivierte sie sie dazu, einen höheren Lohn zumindest anzustreben. Um höhere Löhne – meist ging es um einen halben bis ganzen Piaster mehr pro Arbeiter und Tag – durchzusetzen, konnten die (potenziellen) Ortskräfte einer Grabungskampagne sich morgens an der Grabungsstätte weigern, mit der Arbeit zu beginnen, oder der Stätte ganz fernbleiben. Die Archäologen gingen auf die (vorgetragenen oder stillschweigenden) Forderungen entweder nach ein paar Tagen zumindest teilweise ein, oder sie lehnten sie ab, wenn sich nur wenige Leute an einem Streik beteiligten oder es zu einem solchen nicht kam, oder wenn streikende Ortskräfte durch Arbeitswillige aus der Umgebung oder aus Quft ersetzt werden konnten.143 142 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 272 (Zitat), 310; Amarna 1908, 30; Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 196 (Zitat); Qau 1913/14, 26 (Zitat); Schubart, Wüste, 28. Bei einer Auszahlung besaß allerdings Mohammed Mahgub, der »schon öfters unangenehm aufgefallen ist, die kolossale Naivität«, den Archäologen eine vermutlich gefälschte 20-Piaster-Münze »›zurückzubringen‹, [die] er am vorigen Zahltag von uns erhalten und nun umgetauscht haben will. Nachdem ihm das Geldstück an den Kopf geflogen ist, wird er mit großer Geschwindigkeit und ebenso unsanft aus unserem Hofe hinausbefördert« (Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 126). 143 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 85 (»Leuteangebot geringer als notwendig, woran nicht die Löhne schuld sind. Wie mit jeder Leistung bisher so versucht man auch hier uns zu höheren Preisen zu treiben als ortsüblich sind. […] Senussi wird nach [El-Aschmunein] gesandt um Leute von dort an-

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

In manchen Lohnkämpfen siegten die Arbeiter (Kap. 3.3.9.1). In Aniba konnten sie 1912 den Kompromiss aushandeln, dass zwar nicht alle, aber »die tüchtigen Leute« einen halben Piaster mehr erhielten. 1914 verlief ihre »Lohnbewegung« am gleichen Ort wie von den Archäologen erhofft »im Sande«.144 In Giza wurde 1903 eine »freche« Lohnforderung laut den Archäologen nur von vier »Rädelsführern« erhoben, die »versuch[t]en«, die sie nicht unterstützenden »Arbeitswilligen zurückzuhalten«. Der Versuch endete mit dem »Rauswurf« der vier »Empörer«, ohne »auf die gute Stimmung unserer Leute […] nachhaltige Wirkung« zu haben. Und jenen 40 Jungen, die 1907 in Abusir für eine Lohnerhöhung von (weiteren) 0,25 Piastern streikten, drohten die Archäologen mit dem Einbehalt des Lohns für ihre am Vortag geleistete Arbeit: »[D]as zieht, bis auf 2 Jungen ist binnen Kurzem die gestrige Arbeiterschaft zusammen«.145 Ortsferne Arbeiter aus Quft bzw. Abusir (Kap. 3.3.3.2) stellten während einer Grabungskampagne die vorher mit ihnen vereinbarten Lohnsätze nicht in Frage146 – vielleicht, weil sie fern ihrer Heimat bezüglich Unterkunft und Reisegeld von den Archäologen abhängig waren, oder weil sie wie der Obervorarbeiter Senussi (3.6.1) aufgrund eines persönlichen Arbeitsvertrags mit den Deutschen bestimmte Tarife bezogen. In Theben akzeptierten Quftis 1913 sogar einen Lohnsatz von 3,5 Piastern für Männer und 2,5 Piastern für Jungen, obwohl Möllers Anwerber ihnen irrtümlich 5 bzw. 3,5 Piaster versprochen hatte. Nur einige wenige Männer und Jungen mussten daraufhin, weil sie unzufrieden waren, wieder entlassen werden.147 Schwieriger war es mit den lokalen Spezialdienstleistern (Kap. 3.3.2.3): Ihre besonderen Fähigkeiten konnten die Archäologen an einer Grabungsstätte nicht leicht ersetzen bzw. entbehren. Vielleicht im Bewusstsein dessen veranschlagten insbesondere Transporteure (ob mit Kamel, Boot oder Karren) und Maurer zuweilen Löhne bzw. Entgelte, denen die Archäologen nicht zustimmten. Dann wurde entweder erfolgreich verhandelt

zuwerben […]. Man muß den Leuten zeigen, daß sie uns nicht tyrannisieren können«); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 47 (nach Ablehnung der Forderungen: »Ev[entuell] sollen aus [Quft] noch oberägypt. Arbeiter geholt werden«); 1914, 301f. (»Es wird […] beschlossen, den morgenden Tag abzuwarten, dann zu überlegen, ob der Lohn erhöht werden muss, oder durch requirieren von Leuten aus Quft oder Malchi Rat geschafft werden kann«); dagegen Giza 1905, 26f. (»Da ein Jungentransport aus Oberaegypten durch die damit verbundenen Reisespesen sich verbietet so müssen wir schon notgedrungen« den Lohnforderungen der Leute nachkommen). »Streikversuche« mit dem Ziel höherer Löhne wurden auch 1900 in Abu Gurob unternommen (Borchardt, Ne-User-Re, 163). 144 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 46f. (Zitat: 47); 1914, 300-302 (Zitate: 302), 304. 145 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 19f.; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 29f. (Zitat: 30). 146 Ausnahmen: Kap. 3.6.1 Anm. 751 (Senussi erbittet 1905 bei Rubensohn in Hermopolis Lohnerhöhung; Ausgang unbekannt); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 284 (Senussi erbittet Lohnerhöhung, die von den Archäologen »nach Anfrage bei Prof. Borchardt abgelehnt« wird); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 72/76 (Quftis verlangen höheren Lohn als die »besseren« der Ortskräfte; die Archäologen lehnen mit Senussis Unterstützung ab). 147 Möller et al., Tgb. Theben 1913, 9, 15f., 19f., 22f.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

oder die Archäologen lehnten ab bzw. suchten für die Dienstleistungen nach Alternativen.148

4.2.1.2 Konflikte über die Grabungsdisziplin Nach der ersten großen Grabungskampagne in Amarna resümierte Borchardt, dass »unsere Arbeitsweise […] einem ägyptischen Bauern vielleicht am Anfang zu stramm erscheinen mag. Ich hoffe, daß nach einiger Zeit selbst die Leute aus Hagg Qandil zu ganz brauchbaren Ausgrabungsarbeitern erzogen sein werden. Vorläufig sind sie aber noch rechte Rüpel«. Und in Qau fanden die Archäologen es »sehr schwer, unter [den Ortskräften] Disziplin oder auch nur Ruhe herzustellen«.149 Zumindest jene Fellachen, die nicht regelmäßig an archäologischen Ausgrabungen teilnahmen, mussten sich an diese Art von Tätigkeit natürlich erst gewöhnen. Den meisten Arbeitern gelang dies jedoch schnell und dauerhaft.150 Verteilt auf insgesamt 2.599 erfasste Grabungstage mit durchschnitt148 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 14 (»Auszahlung […]. Unzufriedenheit der Maurer«), 158f. (»mit den Maurern aus Abusir […] lange Verhandlungen« wegen ihres Lohns in Giza. »Der Unverschämteste wird an die Luft gesetzt und andre Maurer aus Sa[qq]ara herbeigerufen«); Amarna 1908, 10 (»Viel Not mit den Leuten, die unverschämte Preise fordern. […] Sie verlangen für den Transport der Ziegel nach der Baustelle (900m!) pro Tausend 50 P[iaster]! Daraufhin die Verhandlung mit ihnen abgebrochen. Es gelingt mir nicht einen annehmbaren Preis dafür auf anderer Seite zu erzielen. Endlich 3 Kameele aus E[l-]Tell für morgen bekommen, welche für Lagerlohn arbeiten. Ebensolche Not mit den Maurern«), 12 (»Nach endlosem, den ganzen Tag dauerndem Feilschen mit den Leuten von E[l-]Tell abgemacht daß sie das Tausend Steine für 29 P[iaster] auf der Baustelle […] aufstellen. Das ist nicht gerade billig aber immerhin annehmbar«); 1911, 22 (»längere Verhandlungen mit dem Fährmann und dem Kamelführer, die Fantasiepreise fordern. Gerade im Hinblick auf die lange Dauer der in Aussicht genommenen Grabung müssen wir von Anfang an darauf halten, daß die Preise in normalen Grenzen bleiben«), 54f. (»Der gestern angenommene Kameelmann legt schon heute die Arbeit nieder, um mehr Lohn zu erpressen. Es wird daher mit [einem anderen Kameltreiber] paktiert. Darauf will der Erste es doch machen, wird abgewiesen«), 162f. (»das Kameel vom vorigen Monat will nicht mehr für den ausgemachten Preis arbeiten«); 1911/12, 26 (»Ein anderer [Wasserkamelbesitzer aus Hagg Qandil] konnte sich nicht entschließen zu den angebotenen Preisen zu arbeiten« – daraufhin ließen die Archäologen einen Brunnen graben); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 16 (Auszahlung mit Protest von Maurer Ibrahim Runem, er »bekommt aber doch nicht mehr«); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 3 (»Die Karrenführer fordern jetzt plötzlich 50 P[iaster] pro Wagen – 9 haben wir nötig. Nach langen Verhandlungen einigen wir uns auf 25 P[iaster]«); Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 703 (»Die Kamelbesitzer, unter ganz bestimmten Bedingungen gedungen, machten am Tage der Auszahlung die bewundernswertesten Anstalten, noch mehr herauszupressen«), 719 (Kameltreiber versuchen, mehr Kamele zu vermieten, indem sie die vorhandenen nicht voll beladen); Timme, Amarna, 70 (»Und nun begann der Streit mit den Kameltreibern«); ferner Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Theadelphia 1902, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 48 (»Die Kamelleute waren aufsässig und wollten große Geschichten machen«; dazu näher Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 144). 149 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 5; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 12. 150 Vgl. Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 17f. (»Der Aufruf und die Einstellung vollzieht sich viel glatter als in den ersten Tagen; die Leute gewöhnen sich allmählich an Ordnung und begreifen, dass Lärmen u. Schreien ihnen nichts nützt« – dies war nur drei Tage nach den zitierten Problemen); ähnlich ebd., 20. Dagegen Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 116 (»[Die Leute aus Hawara] wollen sich einer neuen Arbeitsordnung nicht fügen und werden darum entlassen« – allerdings kamen vier Tage später fünf von ihnen als »reuige Sünder mit der Bitte um Arbeit. Sie werden mit niedrigerem Lohnsatz als bisher wieder angenommen«: 119); Zucker et al., Tgb. 1908/09

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lich jeweils 131 Arbeitern (Kap. 3.3.1) kamen Konflikte über die Grabungsdisziplin, die ich im Folgenden anführe, bemerkenswert selten vor. Die Lohnlisten selbst von Grabungen mit Hunderten von Arbeitern verzeichnen pro Woche nur hier und da Lohnabzüge von einem halben oder ganzen Piaster – häufiger kamen »Zuschläge« für »gute Leistungen« vor.151 Schwere Verstöße von Arbeitern gegen die Regeln der Archäologen wiederum blieben über alle untersuchten Unternehmungen hinweg auf Einzelfälle beschränkt. Ein Teil der hohen Disziplin mag daher gerührt haben, dass die Archäologen schwere und leichte Verstöße jeglichen Arbeiters bzw. Spezialdienstleisters umgehend, streng und ohne Diskussion bestraften – mit Mehrarbeit, Lohnabzug, Entlassung und/oder körperlicher Gewalt. Nicht wissen können wir natürlich, inwieweit Arbeiter Verstöße erfolgreich vor den Archäologen verborgen haben. Leute, die morgens verspätet an der Grabungsstätte eintrafen, wurden entweder weggeschickt oder erhielten für den Tag weniger Lohn bzw. mussten dann länger arbeiten.152 Gleichfalls länger arbeiten mussten Jungen, die bei Arbeitsschluss ihren Korb »fortwarfen« statt ihn »hübsch« zu leeren und zur Zählung abzustellen.153 Gleichfalls eine Lohnkürzung erlitten jene, die als »Lässige u. Säumige« bzw. durch »Bummelei« auffielen,154 oder auf Kosten der Archäologen Nebentätigkeiten nachgingen: Der Postbote Khalil Atije kam einmal verspätet von einem Botengang, weil er »längere Zeit auf seinem Felde gearbeitet« hatte, »was wir mit Hilfe des Fernglases feststellen konnten«. Ein Bootsmann setzte »des öfteren Eingeborene in unserm Boot über den Nil […] und zwar gegen Entgelt[,] neulich soll er sogar einige Hammel mitbefördert haben« – er wurde »mit 30 Piaster[n] bestraft, um ihn gleich gründlich zu kurieren«.155 Nicht kürzen, aber für eine zusätzliche Woche einbehalten mochten die Archäologen die Löhne aller Arbeiter, um diese zum Wiederkommen zu zwingen (Kap. 3.3.9.3). Ein Koch und ein Fährmann kündigten jeweils aus Protest gegen ihre Lohnabzüge.156 Als ein »faulenzender« Junge bestraft wurde (wohl mit Lohnabzug) und daraufhin »revoltiert[e]«, »flog« er »sofort«.157 Ungehorsam, Trotz oder gar Auflehnung gegen sich konnten die Archäologen nicht hinnehmen, da es ihre Autorität bzw. die Disziplin aller Arbei-

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Philadelphia, 113 (»Die Beduinen, die in den letzten Tagen freilich nicht ganz regelmäßig mitgearbeitet haben, machen heute früh den erneuten Versuch, die Grundregel unserer Arbeitsordnung, daß jeder Mann 2 Jungen haben müsse [o. Kap. 3.3.2.2], zu durchbrechen u. werden infolgedessen a tempo fortgeschickt«); 1909/10 Medinet Madi, 137 (»einige Fälle von Unbotmäßigkeit seitens der Beduinen [lassen es] nicht ratsam erscheinen, […] eine größere Menge von Beduinen zu beschäftigen«). Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 11. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 124; 1907/08, 159, 313; Amarna 1906/07, 31 (hier nur »Standpauke. Bestrafung angedroht«); 1911, 88, 128; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 8; Aniba 1912, 13; Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Hermopolis, 196; 1904/05 ebd., 45f. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 11. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 332 (1. Zitat), 353 (2. Zitat); ferner Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9 (Lohnabzug für einen Bahnarbeiter, dessen unvorsichtige Arbeit zur Verletzung eines Arbeiterjungen geführt hat); Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Abusir el-Meleq 1903/04, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 54 (Abzug eines Tageslohns für einen schlafenden Wächter). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 297 (Postbote); Amarna 1913/14, 218 (Bootsmann). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 352f. (Koch); Amarna 1912/13, 277 (Fährmann). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 100.

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ter untergraben hätte. Angefangen bei der Pünktlichkeit wollten sie ihren (potenziellen) Arbeitern einschärfen, »daß in erster Linie Disziplin verlangt wird«; und sogar »Arbeitermangel« erschien ihnen »besser« als »Disziplinlosigkeit«.158 Zucker mahnte, dass »der Europäer nie vergessen« dürfe, »den Eingeborenen gegenüber als Herr aufzutreten. Gelegentlich muß er dieses Verhältnis energisch betonen, denn sobald man dem Fellachen einmal seinen Willen läßt, wird er anmaßend«.159 Folglich wurde in der Regel unverzüglich entlassen, wer gegen eine Strafe protestierte, sich Anweisungen der Deutschen oder der höheren Arbeiter widersetzte oder gar andere Arbeiter aufzuwiegeln versuchte.160 In schweren Fällen versetzte ein Deutscher oder Vorarbeiter dem Betreffenden zusätzlich Schläge (Kap. 4.2.2.3). Eventuell noch ausstehender Lohnguthaben gingen strafweise Entlassene zusätzlich verlustig. »Unbotmäßige« Jungen wurden unter Umständen nur mit Nacharbeit bestraft.161 Ein weiterer Entlassungsgrund war Unehrlichkeit. Grabungsarbeiter konnten antike Fundstücke stehlen, was den Archäologen sowohl wissenschaftlichen als auch, wegen der Verpflichtungen gegenüber ihren Geldgebern (Kap. 3.2.5.2), finanziellen Schaden verursachen würde. Wegen dieser Gefahr durchsuchten die Archäologen in Aniba und danach in Amarna am Ende einer Grabungskampagne Gepäck und Kleidung der ortsfernen Stammkräfte; diese wiederum achteten während der Grabung darauf, dass die Ortskräfte nichts mit sich nahmen.162 In Amarna sei die Kontrolle der Stammkräf158

Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 88 (in erster Linie); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 108 (Arbeitermangel); vgl. Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 705 (als ein Bewerber, der nicht als Arbeiter angenommen wird, wiederholt den Arbeiteraufruf stört, »ist für den Leiter [der Grabung] der entscheidende Moment gekommen. Entweder sichert er sich unbedingte Autorität und damit erleichterte Arbeit, oder er muß während der ganzen Zeit der Ausgrabungen mit beständig opponierenden Leuten sich herumärgern und ist allen möglichen Unverschämtheiten ausgesetzt. Das aber lag ganz und gar nicht in unserer Absicht. Ein kräftiger Schlag mit dem Rohrstock saust auf den jungen Mann hernieder, und als er Miene macht zu schimpfen und sich zur Wehr zu setzen, ein zweiter und ein dritter«). 159 Zucker, Von Kairo bis Assuan, 4; vgl. Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 92 (»4h50 Halt [der Karawane]. Vorher hat [der beduinische Karawanenführer Saijid] schon halten lassen, muss aber, da er nicht über halten verfügen soll, noch ein Stück weitermarschieren«). 160 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 65, 70, 131f.; Abusir el-Meleq, 194, 234; 1903/04 ebd., 154 (Schreiner); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 129; 1903, 215; Amarna 1911, 192; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 68, 77; 1905, 16f.; (Sphinxtempel), 15f.; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 29f.; Theben 1911, 23; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 89f. Auf Steindorffs Nubien-Expedition 1900 hatten die Deutschen wiederholt Konflikte mit dem Rais (Kapitän) ihres Nilschiffes; er verhielt sich eigenmächtig und reagierte »unverschämt« auf diesbezügliche Rügen; er versuchte, die Deutschen zu übervorteilen und diese hielten ihn für »keinen R[a]is« (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 79, 143 [je 1. Zitat], 215, 226 [2. Zitat]). Doch anders als Arbeiter einer Grabung konnten sie ihn trotz allem nicht entlassen, da sie während der Expedition vertraglich und auch praktisch an ihn, sein Schiff und seine Mannschaft gebunden waren. 161 Borchardt, Ne-User-Re, 163f. (163: »Unbotmäßigkeiten der Jungen gegen ihre Antreiber«). 162 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 69f. (»Ausserdem treffen im Laufe des Vormittags 3 [Oberägypter] […] ein. Ich hatte nur einen bestellt […], die andern haben sich auf eigene Faust angeschlossen. Aber ich kann sie gleichwohl gut brauchen; bei den vielen Kleinfunden kann die Aufsicht nicht stramm genug sein«); Borchardt, Brief an Steindorff, 7.3.1912 (»In Kairo geht das Gerücht, du würdest bei den Grabungen [in Aniba] bestohlen. Jedenfalls wirst du gut tun, das Gepäck der [Quftis] u. diese selbst vor der Abreise durchsuchen zu lassen«).

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te wegen der »schlechten Erfahrungen von Anib[a]« eingeführt worden, die jedoch nirgendwo spezifiziert werden. Die in den Tagebüchern verzeichneten Kontrollen verliefen jedenfalls an beiden Orten ohne Ergebnis.163 Zumindest in Amarna bemühten die Archäologen sich darum, »[d]es Antikendiebstahls verdächtige Individuen, von denen uns nur zu viele bekannt sind«, nicht einzustellen. Gleichzeitig glaubten sie, dass den Stammkräften trotz Leibesvisitationen »hundert Wege offen« stünden, »gestohlene Funde unbemerkt fortzusenden«. Zudem wurden während der Amarna-Grabung Leute »in flagranti ertappt […], die kleinere Funde ›gesenkt‹«, also an einer geheimen Stelle wieder eingegraben hatten, um sie in einem günstigen Moment aus der Grabung zu schmuggeln.164 An anderen Grabungsstätten wurde ebenfalls zu stehlen versucht; in Abusir hatte gar ein Wächter »Antiken verkauft«; in Abusir el-Meleq einer heimlich selbst gegraben.165 Des Diebstahls Überführte wurden ebenfalls teils mit Prügel entlassen. Gleiches galt für Arbeiter, die, in der Hoffnung auf Fundprämien, gefälschte Antiken in die Grabung schmuggelten (Kap. 5.3 Abs. 6). Zweitens konnten Arbeiter und Spezialdienstleister Lagerzubehör und Bargeld der Archäologen stehlen. Postboten, Köche und Diener hatten im Rahmen ihrer Tätigkeiten unmittelbaren Zugriff darauf, ließen sich allerdings wie erwähnt wenig zuschulden kommen (Kap. 3.3.2.3 Abs. 4-5). Freilich beriefen die Archäologen auch nur besonders vertrauenswürdige Männer auf diese Posten.166 Von den Vorarbeitern erwiesen sich hauptsächlich zwei als unehrlich: Ein gewisser Hassan (nicht zu verwechseln mit den Vorarbeitern Umbarek Hassan und Abu el-Hassan Mohammed) wurde 1902 bei Rubensohn in Abu Hamid von einem Wächter und anderen Arbeitern beschuldigt, dem Wächter seine Blechkanne mit Butter gestohlen zu haben. Hassan stritt dies ab; da die fünf Ankläger, »die sonst gar nicht zueinander halten«, sich aber nicht »so ohne Grund gegen Hassan verschworen hätten, daß sie alle falsche Eide ablegen«, wurde er entlassen und wenige Tage später durch den Fund der von ihm versteckten Kanne auch »völlig überführt«. Und 1903 bei Steindorff in Giza wurde der Vorarbeiter Ali Mansur nicht nur deswegen entlassen, weil er entgegen der Anweisungen Perlen von einem freigelegten Begräbnis abgenommen hatte (5.3), sondern auch, weil die Archäologen »ihn schon im Verdacht [gehabt hatten], dass er uns beim Ankauf von 12 [Zentnern] Baumwolle [zur Fundverpackung] für 65 P[iaster] betrogen hat« – er gab letztlich zu, »uns um 15 P[iaster]

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Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 232; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 237 (Zitat); 1913/14, 208. Heute haben Archäologen, wie mir gesagt wurde, in Stammarbeiter etwa aus Quft volles Vertrauen; der sie anführende Vorarbeiter würde kein Fehlverhalten zulassen. Ortskräfte dürften dagegen nicht ohne Aufsicht arbeiten (eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015). 164 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 4; weitere Diebstahlsversuche in Amarna: Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 98f. (»Antikendieb, der seinen Bruder unter falschem Namen zur Arbeit geschickt hat u. so gut bezahlt eine neue Stelle für seine Thätigkeit zu finden hofft. Es gelingt ihm aber heftig vorbei«); 1912/13, 184. 165 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 85f.; Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1902/3, 3; ders. et al., Tgb. Abusir 1903, 164f.; 1907/08, 51, 447 (Wächter); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 5f.; Theben 1913, 70f., 88. 166 Vgl. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 31 (»Dem Diener Moha[m]med kündige ich sodann; erstens weil wir ohne ihn auskommen, denn wir haben einen guten Koch, und dann weil seine Ehrlichkeit mir nicht sicher ist«).

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übervorteilt zu haben«. Da die Vorarbeiter Umbarek (Hassan?), Mihsin (Hassan?) und Abd el-Halim (Hissen?) (Liste 3.3.3.2) wahrscheinlich »um diese und wohl auch andere Betrügereien gewusst« hatten, mussten sie ebenfalls gehen.167 Allerdings waren es bei Ali Mansur erst die Perlen, die die Geduld der Archäologen mit ihm beendeten. Bei Vor- und anderen Stammarbeitern wie auch Zein Abdallah (Kap. 3.3.4) mochten die Archäologen unbewiesene Vorwürfe bzw. kleinere Vergehen demnach nicht unmittelbar mit Entlassung bestrafen – einerseits waren solche Arbeiter schwerer zu ersetzen; andererseits hatten sie sich in der Vergangenheit bewährt, denn andernfalls wären sie nicht in ihre Positionen aufgestiegen (ebd.). Auch der Postbote Khalil Atije wurde nach seiner eben erwähnten unerlaubten Feldarbeit deshalb entlassen, weil er »schon einige Kleinigkeiten auf dem Kerbholze« hatte.168 Und bei herausgehobenen Arbeitern stand den Archäologen vor einer Entlassung noch die Strafe der Degradierung zur Verfügung: Die »nachlässigen« Vorarbeiter Zein Abdallah (s.o.) und Ahmed Ramadan (3.3.2.3 Abs. 4) wurden zur einfachen Arbeit mit der Hacke verurteilt; ebenso der schlafende Postbote Abd el-Aziz. Zwei Vorarbeiter, die an einer »kleinen Jungenmeuterei Schuld waren«, wurden »in die kleinste Abtheilung gesetzt«.169 Auf der anderen Seite wurde von Stammarbeitern aus Quft bzw. Abusir wegen ihrer besonderen Verantwortung besondere Disziplin erwartet. Zugleich konnte ihre herausgehobene Stellung sie leichter den Respekt bzw. die Demut vor den Deutschen verlieren lassen. Umso mehr mussten diese bemüht sein, Stammarbeiter, die einem von ihnen »Schwierigkeiten gemacht« hatten, in der folgenden Saison nicht erneut einzustellen.170 Die einzelnen, die hingegen während einer Grabung schwerwiegende »Insubordinationsszene[n]« aufführten, mussten sofort entlassen werden, damit »[d]erartige Elemente […] uns nicht den guten Stamm unserer Arbeiter verderben«.171 Als ortsferne Arbeiter mussten die Betreffenden dann auf eigene Kosten nach Quft bzw. Abusir zurückreisen. Wenn undisziplinierte Stammarbeiter nicht unmittelbar entlassen wurden, erfuhren sie also keine Milde von den Archäologen, sondern lediglich eine feiner gestaffelte Bestrafung. Milde scheinen die Archäologen tendenziell nur einer Art von Fällen entgegengebracht zu haben: Disziplinverstößen von Arbeitern, die sich nicht gegen die Deutschen oder die sie vertretenden vorgesetzten Arbeiter richteten, sondern innerhalb der einfachen Arbeiterschaft stattfanden. Arbeiter, die einem Zeltgenossen ein Kleidungsstück gestohlen hatten, erhielten lediglich je 10 Piaster Lohnabzug; ein Mann, der einem Jungen bei der Auszahlung Geld abzunehmen versucht hatte, lediglich 5 Piaster Abzug und »eine Tracht Prügel«. Vier Arbeiter, die sich in ihrem Zelt »gerauft« hatten, wurden zwar entlassen, aber am nächsten Tag auf ihre Bitte hin wieder eingestellt. Andere Beteiligte einer Schlägerei unter Arbeitern kamen mit Lohnabzügen davon. Dass Arbeiter 167

Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 162-166; Tebtunis, 175 (Nachtrag zur Sache in Abu Hamid); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 150-153. 168 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 297. 169 Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 141 (Postbote); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 129 (Jungenmeuterei). 170 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911, 3 (von den Abusiris, »die Dr Zucker im Vorjahre Schwierigkeiten gemacht haben, keinen eingestellt«). 171 Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 89f.; weitere Entlassungen von Stammarbeitern: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 194; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 16f.

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sich an einem neu zutage gekommenen Reliefblock »fast prügelten« – darum, wem die Fundprämie zustehen würde? –, wurde vom deutschen Tagebuchschreiber kommentarlos zur Kenntnis genommen.172

4.2.1.3 Konflikte über Vorarbeiterqualitäten Konflikte von vorgesetzten Grabungsarbeitern mit den Deutschen folgten teils aus Konflikten der vorgesetzten mit untergebenen Arbeitern. Während diese den Vorarbeitern bzw. Aufsehern (Kap. 3.3.2.1) gehorchen mussten, durften die Vorgesetzten nicht ohne Augenmaß zu Gewalt greifen oder ihre Macht anderweitig missbrauchen. Der Respekt, den die Arbeiter den Vorgesetzten entgegenbrachten, sollte auf deren persönlicher Autorität und Integrität beruhen (3.3.4). Stattdessen »würgte« ein Vorarbeiter einen Jungen, sodass dieser »heulend herauf[kam]«. Ein anderer, der »leider zu übermäßigem Zuhauen geneigte« Mahmud Ali (Khalil?) (Liste 3.3.3.2), schlug einem Jungen »so heftig ins Gesicht […], daß die Nase blutet u. die Oberlippe schwillt«. Die Vorarbeiter wurden jeweils verwarnt.173 Entlassen wurde in Hermopolis der Aufseher Abd el-Latif, nachdem er »im Dorf« (El-Aschmunein) unspezifizierte »grobe Schweinereien« verübt hatte.174 Der später in anderem Kontext entlassene Vorarbeiter Umbarek (Kap. 4.2.1.2) wurde »beschuldigt, von den Leuten Geld u. andere Geschenke anzunehmen« – allerdings wollte gegenüber den Deutschen niemand gegen ihn aussagen. Gleichwohl sei Umbareks Verhalten laut Senussi der Grund dafür gewesen, dass einige Abusiris die Grabung vorzeitig verließen.175 Die Vorwürfe von Arbeitern gegen den besseren Arbeiter Senussi Ali, er habe »Kindern auf dem Heimwege Geld abgenommen«, erwiesen sich hingegen als Verleumdung – die Ankläger erhielten Prügel und Lohnabzug. Der neu zum Vorarbeiter beförderte Abu Bakr Soliman wiederum floh von der Grabungsstätte, nachdem »seine Untergebenen« ihm die »Todesstrafe« angedroht hatten. Die Archäologen machten daraufhin seine Beförderung rückgängig und entließen ihn schließlich.176 Missgunst bzw. Streit zwischen Vorarbeitern oder Aufsehern konnte wohl vor allem dann ausbrechen, wenn einer einen anderen von den Deutschen bevorzugt sah oder es gar unangemessen fand, dass der andere in eine solche Position gelangt war. Die Archäologen konnten solche Auseinandersetzungen ebenfalls nicht dulden, weil es die Grabungsabläufe störte. Aufgrund dessen wurde sogar der Obervorarbeiter Senussi verwarnt, als er einen »Zwist« mit seinem Kollegen Abu el-Hassan »anscheinend an den Haaren herbei[zog]«. Rubensohn »wies« seine Aufseher »schroff ab«, nachdem sie ihren

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Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 102 (Kleidungsstück); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 192 (Tracht Prügel); Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 136f. (gerauft); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 135 (Schlägerei); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 141 (Reliefblock). Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 23 (würgen); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 80 (Mahmud). Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 151f. (Zitate: 152). Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 86f. (Zitat: 86); Möller, Brief an Steindorff, 12.1.1905 (Abusiris). Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 66f. (Senussi Ali; Zitat: 66); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 52f. (Abu Bakr; Zitate: 53).

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Kollegen Ibrahim »verklatscht« hatten. Dem Vorarbeiter Umbarek Ismain wurde der Lohn eines Tages abgezogen, nachdem er mit Hassan »Krakehl gemacht« hatte.177

4.2.2 Die Arbeiter als Subalterne Die Subaltern Studies Group (o. Kap. 1.4.4) definierte das Adjektiv »subaltern« als »of inferior rank« – »whether this is expressed in terms of class, caste, age, gender and office or in any other way«.178 Die ägyptischen Grabungsarbeiter und Spezialdienstleister waren subaltern sowohl innerhalb als auch außerhalb der untersuchten archäologischen Unternehmungen – bezüglich ihres Ranges in der archäologischen Hierarchie; bezüglich ihrer sozioökonomischen und politischen Klasse; als Kinder und Jugendliche auch bezüglich ihres Alters; als Mädchen und Frauen auch bezüglich ihres Geschlechts; im kolonialen Kontext auch bezüglich ihrer Nationalität und Sprache. Unterworfen waren die Arbeiter bzw. Fellachen – zumindest theoretisch – der Macht von deutschen Archäologen (4.2.2.1), deren ägyptischen Vorarbeitern (4.2.2.3) sowie einheimischen Eliten der ägyptischen Gesellschaft (4.2.2.2). Doch welchen Ausdruck fand die Subalternität, woher rührte und wie weit reichte sie? Die aus den Antworten sich ergebenden Rahmenbedingungen erklären einen Teil des Verhaltens der Subalternen wie der ihnen Übergeordneten. Die Arbeitsbedingungen der untersuchten Arbeiter, die wir unter 4.2 bisher betrachtet haben, werden durch ihre Subalternität, die ich nun ermitteln will, einerseits mildernd ins Verhältnis gesetzt – vielleicht waren Fellachen bei den untersuchten Ausgrabungen weniger subaltern als sonst in ihrem Leben. Andererseits erscheinen die Arbeitsbedingungen umso härter, je mehr sie auf unglückseligen Rahmenbedingungen beruhten, denen die Arbeiter nirgendwo entfliehen konnten. 177

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Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 206, 210 (Senussi; Zitate: 206); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 179f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 33f. (Umbarek; Zitat: 34); weitere Zusammenstöße zwischen Vorarbeitern: Rubensohn et al., a.a.O., 182f.; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 125f. Dass Vorarbeiter Missgunst gegen andere Vorarbeiter hegten, übermäßige Gewalt gegen einfache Arbeiter ausübten und im Konfliktfall auf der Seite der deutschen Archäologen statt auf jener der ägyptischen Arbeiter standen (u. Kap. 4.2.2.3), wird auch an der Macht und dem Prestige eines Vorarbeiterpostens gelegen haben, die für Fellachen ungewohnt, ja berauschend waren (ebd.). Deshalb wurden sozusagen diese Errungenschaften von den Vorarbeitern nach unten hin ausgekostet und zur Seite hin verteidigt, während sie sich nach oben hin, von wo sie Macht und Prestige empfangen hatten, anbiederten. Vgl. in diesem Sinne Piot, Fellah, 235f. (235: »Tyrannique, impitoyable avec ses inférieurs, arrogant avec ses égaux, [le fellah] devient avec ses supérieurs d’une souplesse, d’une humilité qui confinent à la bassesse«); Schubart, Wüste, 23f., 27f. (24: Der Vorarbeiter Abu el-Hassan verlor »den Europäern gegenüber nie die angeborene Unterwürfigkeit des Farbigen unter die Überlegenheit des weißen Mannes. Leicht gebückt blieb er am Eingang des Zeltes [der deutschen Archäologen] stehen und brachte leise sein Anliegen vor; nie hätte er daran gedacht, den Herren zu widersprechen. Den Arbeitern aber zeigte er seine Macht; mit einem Sprunge war er über der breiten Grube, wenn er drüben einen säumigen oder widerspenstigen Arbeiter sah«; dagegen 23: Der Vorarbeiter Mahmud Ali war »voller Dienstwilligkeit und Aufmerksamkeit, aber nie unterwürfig. Kam er abends ins Zelt [der deutschen Archäologen], um mit [ihnen] etwas zu besprechen, so stand er aufrecht in der Tür und blickte uns frei und offen ins Gesicht; und ohne Verlegenheit sagte er seine Meinung, die auch meistens die richtige war«). Guha, Preface, 35.

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4.2.2.1 … unter westlichem Kolonialismus und Kapitalismus Mein Untersuchungszeitraum fällt in die Zeit des »Hochimperialismus«, in der die Expansion europäischer Mächte ihre maximale Ausdehnung und Intensität erreichte. Das Deutsche Reich gehörte ebenfalls zu diesen Mächten. Ägypten wurde seit 1882 von den Briten beherrscht; seine Altertümer von den Franzosen verwaltet. Formell war Ägypten Territorium des Osmanischen, aber keines westlichen Reiches, und der Antikendienst war eine ägyptische Behörde. Faktisch regierte das von britischen Truppen besetzte Land hingegen der britische Generalkonsul in Kairo, und den Antikendienst ließen die Briten exklusiv von Franzosen leiten. In der Staatsverwaltung war 1905 insgesamt die Hälfte der Posten, und drei Viertel der höheren, von Briten und anderen Europäern besetzt. Die Briten vergaben die entscheidenden Posten bewusst nicht an Ägypter.179 Beim Antikendienst (Kap. 2.2.2, 3.2.3) taten die Franzosen das gleiche. Sie gewährten zwar Ägyptern ab den 1870er Jahren die Möglichkeit einer ägyptologischen Ausbildung in Ägypten und den Absolventen, allen voran Ahmed Kamal (1851-1923), niedere Posten im Antikendienst. Doch eine Mitarbeit auf Augenhöhe bzw. das Recht auf eigene Ausgrabungen verwehrte der Dienst Ägyptern weitestgehend bis mindestens in die 1920er Jahre.180 Der Antikendirektor Maspero und andere westliche Ägyptologen warfen den Ägyptern nämlich pauschal vor, den Altertümern keinen »rechten«, wissenschaftlichen Wert beizumessen. Die Ausländer glaubten, eine »Treuhänderschaft« (engl.: stewardship) über die Antiken übernehmen zu müssen, weil die Ägypter selbst die Antiken bestenfalls vernachlässigen und schlimmstenfalls zerstören würden.181 Somit fügten die Gelehrten dem militärischen und politischen Kolonialismus Großbritanniens in Ägypten einen »wissenschaftlichen Kolonialismus« hinzu182 – und lieferten dem militärisch-politischen Kolonialismus ein nützliches Argument: »To claim that Egyptians were unable to appreciate, understand, or look after their antiquities […] was analogous to saying that Egyptians were unable to look after their own land and culture, and thus needed the West to intervene«.183 Das Deutsche Reich hielt sich in Ägypten politisch bewusst zurück und anerkannte die britische Herrschaft, weil die deutschen Expansionsziele in anderen Weltgegenden lagen (Kap. 1.1.3). Unabhängig davon waren unter den Europäern im ägyptischen Staatsdienst einige Deutsche,184 und beim Antikendienst war Emil Brugsch Konservator des Ägyptischen Museums (ebd.). Die meisten Deutschen in Ägypten waren jedoch Kaufleu-

179 Tignor, British Rule in Egypt, 180-184. 180 Reid, Indigenous Egyptology; Attiatalla, Einheimische Ägyptologen, 63-70; Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 187-192; zu bestimmten Grabungskonzessionsanträgen von Ägyptern, die entweder abgelehnt wurden oder im Bewilligungsfall womöglich nicht nur unter Aufsicht, sondern unter Leitung eines Antikendienstinspektors stattzufinden hatten: Mohamed Abdel Rahman, Khashaba Museum, 65-70; vgl. Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 366f., 393. 181 Georg, Antiquity Bound to Modernity, 53-56. 182 Georg, Egyptology as Area Study, 270-274; Altes Ägypten besitzen, 43-46; ferner Colla, Conflicted Antiquities, 98-115. 183 Jasanoff, Edge of Empire, 299-306 (Zitat: 301). 184 Fueß, Deutsche Gemeinde in Ägypten, 46.

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te, und 1907 zählte die deutsche Gemeinde 1.850 Menschen, während 15.000 Franzosen, 21.000 Briten, 35.000 Italiener und 63.000 Griechen am Nil lebten.185 Gleichwohl gehörte auch Deutschland zu jenen 18 westlichen Staaten, deren Bürger in Ägypten rechtliche Privilegien genossen. Das Osmanische Reich hatte sie seit dem 16. Jahrhundert in Staatsverträgen, sogenannten Kapitulationen, gewährt, um nicht-muslimischen Händlern Rechtssicherheit zu verschaffen. In Ägypten wurden infolge dessen Zivilverfahren gegen Bürger der Kapitularmächte ab 1876 von »gemischten« Gerichten (mixed courts) geführt, denen ausländische Richter gemeinsam mit ägyptischen vorsaßen. Dagegen oblagen Strafprozesse bis zur Abschaffung der Kapitulationen 1937/49 allein dem Konsulat des angeklagten Ausländers.186 Zudem waren Kapitularbürger von bestimmten Steuern befreit.187 Die politische und juristische Vormachtstellung westlicher Ausländer in Ägypten verschaffte zumindest den Archäologen unter ihnen durchaus keinen rechtsfreien Raum. Die untersuchten und alle anderen hatten sich an die – auch von ägyptischen Offiziellen überwachten – Vorgaben des Antikendienstes zu halten (Kap. 3.2.3). Dieser durfte seinerseits Ausgrabungen nur auf Land genehmigen, das der ägyptischen Regierung gehörte. Kommunales oder privates Land durfte nicht angetastet werden, sofern es die Besitzer nicht erlaubten. In Amarna wurde sogar, rechtmäßigerweise oder nicht, »[d]as Fruchtland […] von Jahr zu Jahr langsam in das [antike] Stadtgebiet hineingeschoben, zuerst durch Anpflanzung von Palmen, dann durch Anlegung von Feldern«. Die deutschen Archäologen konnten ein weiteres »Vordringen der Felder« lediglich »im Einverständnis mit dem [Antikendienst] nach Kräften zu verhindern suchen«.188 Umgekehrt wollten die untersuchten Archäologen während ihrer Ausgrabungen gelegentlich auf Stellen vordringen, auf die Anwohner zumindest Besitzansprüche erhoben. Dann musste über Entschädigung verhandelt bzw. die (oft unklaren) Besitzverhältnisse geklärt werden. Wenn der Antikendienst die Ansprüche nicht entkräften konnte, durften die Anwohner das Ansinnen der Deutschen ablehnen oder gar selbst auf dem Land graben, ohne dass irgendein Beamter des Dienstes zum Einschreiten befugt gewesen wäre.189 In Abusir zeigte sich der Großgrundbesitzer Soliman Bey Nassif den Deut185

Steindorff, Aegypten, 212-214 (Statistik: 213); Fueß, Deutsche Gemeinde in Ägypten, 41-44; Métin, Égypte, 98-101. Zu den deutsch-ägyptischen Handelsbeziehungen: Kröger, Ägyptischer Knüppel, Kap. 7. 186 Steindorff, Aegypten, 214f.; Georg, Egyptology as Area Study, 273f. Anm. 96; Fayed, Tribunaux mixtes. 187 Allgemein: Ed Dine Barakat, Privilèges, bes. 163ff. 188 Borchardt, Vorjährige Ausgrabungen (Klio 1912), 116. 189 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 7f.; ders. et al., Tgb. Amarna 1911, 107, 136f. (136: Senussi »soll auch morgen […] im Fruchtlande [eine] Versuch[sgrabung] machen, damit der oder die Besitzer sich melden u. wir mit ihnen verhandeln können«); 1911/12, 109f., 117, 133; 1912/13, 121-123, 142f.; Abusir 1907/08, 19f., 23f., 35; Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 1, 7, 39; Giza 1910, 99, 101 (»In Abusir liegt der größere Teil des Landes, der für eine Versuchsgrabung in Frage kommt auf dem Gebiet der Regierung und nur ein kleiner Teil auf dem Besitztum eines gewissen Moh[ammed] S[a]id [A]bu A[t]ije. Die Verhandlungen, die [der Vorarbeiter] Mahmud Ali mit diesem Mann führte, damit wir die Konzession bekommen auf seinem Gebiet zu graben, sind wegen unverschämten Forderungen des Mannes gescheitert. Wir werden also unseren Versuch auf das Regierungsland beschränken«); Qau 1913/14, 47f.; meist um kommunales Land ging es bei Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine,

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schen gegenüber »äußerst entgegenkommend«, indem er ein von ihnen begehrtes Stück Land gegen eines der Regierung tauschte. Im Gegensatz dazu behinderte der Kopte Gabrian Henin Effendi die Ausgrabungen, indem er seine Ansprüche auf deren Terrain nicht aufgab, nachdem sie durch einen Regierungsvermesser entkräftet worden waren. Borchardt beklagte, dass trotzdem »natürlich […] nicht [daran] zu denken« war, »[e]twaige Schadenersatzansprüche gegen den Querulanten mit Erfolg geltend zu machen«.190 Der Antikendienst hatte auch keinen Einfluss auf die Lohnhöhe archäologischer Arbeiter – sie orientierte sich am Markt (Kap. 3.3.9.1). Des Weiteren mussten die Deutschen Schäden reparieren lassen, die ihre Arbeiter beim Transport von Abusir-Funden zum Bahnhof versehentlich verursachten: Der Transportzug (3.3.5.2) riss erst Steine aus der Böschungsverkleidung eines Dammes; dann zerriss er den Überlanddraht eines Amtstelefons.191 In Giza wurden die deutschen und andere Archäologen sogar von den britischen Kolonialherren selbst belästigt: 1903 und 1905 hielten deren Truppen dort Manöver ab, wobei einige Soldaten die Grabungsstätten unerlaubt betraten. 1910 mussten die Deutschen einen Engländer abweisen, »der[,] weil er zur ägyptischen Verwaltung gehört, behauptet das Recht zu haben in die Grabung einzudringen«. Er war nicht der einzige unwillkommene »Engländer«. Wenn ein solcher Besucher allerdings »Polizeisergant« oder »Colonel« war, blieb den Archäologen »aus Höflichkeitsgründen« nichts übrig, als ihn zu empfangen.192 Nichtsdestoweniger gehörten sogar die deutschen Archäologen insofern zu den Kolonisatoren der zu ihren Arbeitern gewordenen Fellachen, als sie diesen mit eine spezifische europäische Verhaltens- und Werteordnung aufzwangen, die Ägypten ursprünglich fremd gewesen war. Eine solche Disziplinierung oder gar Konditionierung vollzieht sich im Innern der kolonisierten Menschen, weshalb die europäische Kolonisierung Ägyptens schon lange vor der britischen Besetzung 1882 begann193 und danach auch von Deutschen betrieben wurde, die institutionell kaum an der Kolonialherrschaft beteiligt waren. Auch das Reden bzw. Denken der untersuchten Archäologen über moderne Ägypter bzw. ihre ägyptischen Arbeiter war teilweise von Orientalismus bestimmt, das heißt weniger von der Wirklichkeit als von – überwiegend negativen – Stereotypen (Kap. 3.5.4). Doch wozu definierten westliche Ausländer »den Orient« seit Jahrhunderten gemäß ihren Wünschen anstatt ihn sich selbst definieren zu lassen? Um ihre Herrschaft über ihn möglich und legitim zu machen: Ein »silent Orient« war »available to Europe for the realization

54f., 75, 87-89, 101, 149, 188; Kom Ombo, zw. 299/350, 398. Nicht weiter erklärter Rechtsstreit um Land zwischen deutschen Archäologen und (europäischer?) Besitzerin: Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 35. 190 Nassif: Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 140 (Zitat); Ausgrabungen Abusîr 1907, 33; ders. et al., Tgb. Abusir 1907, 287, 293, 298f., 304, 325, 375f., 381f.; 1907/08, 431, 445; dieses Kap. Anm. 216; Henin: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1903/4, 3f. (Zitate: 4); Ausgrabungen Abusîr 1907, 32f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1903/04, 196, 210-212, 220, 274f.; 1907, 234, 236f., 251, 268, 382; 1907/08, 8, 37f., 41, 89, 445. 191 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 398f. (Böschung), 481 (Telefon). 192 Soldaten: Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 16, 22; 1905, 13f., 25; Abweisung: 1910, 147; weitere unwillkommene Engländer: 1903, 34; 1905, 29, 100; 1906, 23; 1909, 122 (Sergeant, Höflichkeitsgründe), 147 (Colonel). 193 Mitchell, Colonising Egypt, bes. ix-xi.

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of projects that involved but were never directly responsible to the native inhabitants«.194 Bezogen auf westliche Archäologen: Dadurch, dass sie die modernen Ägypter herabwürdigten, legitimierten sie, dass sie selbst – im Rahmen ihres wissenschaftlichen Kolonialismus – und nicht Ägypter die Hinterlassenschaften der alten Ägypter ausgraben ließen.195 Deshalb ist der orientalistische zugleich ein kolonialer bzw. kolonialistischer Diskurs.196 Eine koloniale, das Heimatrecht der Ägypter nicht anerkennende Haltung gegenüber Ägypten brachten die untersuchten Archäologen zweimal direkt zum Ausdruck: In Abusir beklagten sie, dass bei der Grabung ihres britischen Kollegen Quibell die Lohnlisten von einem »Eingeborenen« geführt würden (zum Anlass: Kap. 3.3.3.1 Abs. 4) – sie selbst hätten das also nie zugelassen. Und in Philadelphia beschwerten sie sich beim Antikendienst, nachdem ein einheimischer Antikeninspektor ihnen einen »arabisch abgefaßten Brief« geschickt hatte – »was gegen allen Gebrauch im Verkehr des Service mit den europäischen Ausgräbern ist«. (Ein französischer Inspektor wies die Beschwerde zurück.)197 Ihr Orientalismus half den untersuchten Archäologen dabei, in Ägypten ihre, in der eben zitierten Formulierung, »projects«, das heißt archäologischen Unternehmungen durchzuführen. Die »native inhabitants« waren darin zahlreich »involved«, doch der Orientalismus zwang die Deutschen in ihrem Schreiben bzw. Denken nachgerade dazu, die Handlungsmacht (agency) der ägyptischen Arbeiter zu unterdrücken (Kap. 3.4.3.1) – als »verkommene Orientale« (3.5.4 Abs. 6) durften nicht einmal Vorarbeiter einen nennenswerten Anteil an den archäologischen Arbeiten und Ergebnissen »der Deutschen« haben. Die Deutschen erteilten ihnen bzw., indirekt über die Vorarbeiter, den einfachen Arbeitern Instruktionen, und alle Arbeiter hatten die »Pflicht«, ihnen »zu gehorchen«. Die Deutschen konnten sie darauf »handgreiflich […] aufmerksam mache[n]«, während umgekehrt die Arbeiter selbst in einem solchen Fall nicht das Recht hatten, dem betreffenden Archäologen »den [zum Schlag ausholenden?] Arm fest[zuhalten]«.198 Sogar Jungen durften unter den Deutschen (von Vorarbeitern?) »verprügelt« werden, wenn sie ein Fundstück zu stehlen versuchten. Und wenn ein Postbote den Deutschen mit »Feilscherei« schlichtweg »auf die Nerven ging«, konnte er bereits – »wegen Trotzes« – entlassen werden.199 Die steilen Hierarchien zwischen Archäologen und Arbeitern sowie innerhalb der Arbeiterschaft erinnern ebenso ans Militärische wie die von Raue als »paramilitärisch« eingestufte Sprache in Steindorffs Grabungstagebüchern, wo Arbeiter »kommandiert« werden.200 Irgendwelche Arbeiternehmerrechte besaßen die archäologischen Ar194 Said, Orientalism, 84-87, 94 (Zitat). 195 Vgl. Chadha, Wheeler, 389f.; Smith, Archaeological Knowledge in Peru, 156, 161, 167. 196 Oder anders ausgedrückt: Orientalismus ist eine besondere, nämlich auf den Orient bezogene Form des kolonialen Diskurses. Dazu McLeod, Postcolonialism, Kap. 2, bes. 44-46; zum kolonialen Diskurs ferner Kramann, Geographie und kolonialer Diskurs, 5-16. 197 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 88, 137 (jeweils Zitat); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 222f. (Zitate; Hervorhebung dort), 230-232. 198 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 16f. (Pflicht etc.). 199 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 184 (Junge); Abusir 1907/08, 438 (Postbote). 200 Raue, Steindorff Ausgrabungen, 437 (»paramilitärisch«), 456; vgl. Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 16; Aniba 1914, 445, 497; Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 153; Borchardt et al., Tgb.

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beiter keine. Sie hingen vom Wohlwollen der Arbeitgeber ab; und wenn diese ihnen die Lohnauszahlung verweigert hätten, hätten sie bis auf Streik nichts dagegen tun können. Die meisten Arbeiter bzw. Fellachen konnten nicht lesen und schreiben (Kap. 1.2.2); das heißt, sie hätten auch dann nicht Einsicht in die Lohnlisten der Grabungen nehmen können, wenn diese Listen in arabischer Sprache bzw. Schrift geführt worden wären.201 Gerade wegen ihrer geringen Bildung bzw. ihrer Distanz zu den städtischen Zentren war es für Landarbeiter schwieriger, gegenüber Arbeitgebern Rechte einzufordern oder sich zu diesem Zwecke gar in Interessensvertretungen zu organisieren. Spätestens in meinem Untersuchungszeitraum begann in Ägypten ein entsprechender Aktivismus unter städtischen bzw. Industrie- und Suezkanalarbeitern;202 auf dem Land entstanden indes höchstens Einkaufsgemeinschaften grundbesitzender Landwirte.203 Während der britischen Besetzung von 1882 bis 1914 scheint es nicht einmal Bauernaufstände gegeben zu haben, im Gegensatz zu vorher und nachher – grundsätzlich waren Ägyptens Fellachen nicht so unterwürfig und duldsam, wie sie von westlichen und auch ägyptischen Kommentatoren dargestellt wurden.204 Die Kommentatoren konnten sich die elenden Lebensverhältnisse, in denen sie Fellachen antrafen, nicht anders erklären,205 doch die Widerstände von (potenziellen) Arbeitern der untersuchten Archäologen (Kap. 4.2.1.1-3) widerlegen jene Charakterzuschreibung ebenfalls. Andererseits hielten sich diese Widerstände wie beschrieben in Grenzen. Bei Quftis bzw. Abusiris bauten sich die Deutschen einen »guten« – das heißt: gefügigen? – »Stamm« von Arbeitern auf (Kap. 4.2.1.2), weshalb Zucker eine »Insubordinationsszene« wie in Philadelphia »bei oberägypt[ischen] Arbeitern bisher nie passiert« war (ebd.); bei Ortskräften war »Disziplin« – das heißt: Gefügigkeit? – das oberste Einstellungskriterium (ebd.). Dass Arbeiter Gewalt gegen die Deutschen anwendeten, wie es umgekehrt geschah, scheint sogar völlig undenkbar gewesen zu sein (abgesehen von dem eben zitierten Fall, wo der Arbeiter sich offenbar zu verteidigen versuchte). Als der Vermesser Timme einmal im Dunkeln auf einem Esel in der weiten Stätte von Amarna ritt, entriss ihm ein Beduine, der für eine Wegbeschreibung Bakschisch von ihm wollte, sein Tagebuch.206 Den einzigen wirklich gewalttätigen Angriff erlitten fünf deut-

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Abusir 1903, 154; 1907, 196. Der militärische Duktus der deutschen Archäologen ging wohl teilweise auf die Militarisierung der Gesellschaft im Deutschen Kaiserreich zurück, die auch die Sprache betraf (Cherubim, »Zackiger Ton«). Aufgrund ihres Analphabetentums schlossen Fellachen in Ägypten auch besonders leichtfertig Kredite zu sie ruinierenden Konditionen ab (Ali-el-Rifaï, Question agraire, Kap. 4, bes. 169f.; vgl. zu den Krediten o. Kap. 4.1.2: Nahas, Fellah, 100-119; Saleh, Petite propriété rurale, 89-95). Huber, Suez Canal, 111-116, 121-123; Beinin/Lockman, Workers on Nile, Kap. 3; Chalcraft, Popular Protest. Michel, Syndicats-coopératives agricoles; Ribet, Agriculture solidarité; vgl. Métin, Égypte, 293f. (»[Les] ouvriers [ruraux] n’ont aucune habitude de l’association et ne savent pas former de coalition temporaire. […] Jusqu’ici, les fellah n’ont même pas eu l’idée qu’on peut changer leur condition et personne n’y a pensé à leur place«); Todd, Nile, 163 (»Labour troubles and industrial unrest are unknown outside of the large towns«). Baer, Social History, Kap. 6, bes. 101; Brown, Peasant Politics, Kap. 4-7; Clément, Fallāḥīn on Trial, bes. Kap. 4. Baer, Social History, 104. Timme, Amarna, 74.

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sche Archäologen bei einem Stadtrundgang im mittelägyptischen Mellawi. Dort wurden sie im November 1912 von einer Menge mit Steinen beworfen, die sie für Staatsangehörige Bulgariens hielt, mit dem das Osmanische Reich damals den Ersten Balkankrieg austrug. Die eingeschalteten Behörden konnten zwar »keine nachweisbar Schuldigen« ausmachen, strafversetzten jedoch den zuständigen Polizeioffizier;207 und auch an den Grabungsorten standen die jeweiligen Behörden bzw. Würdenträger den Archäologen zur Seite – wenn nötig gegen »kriminelle« Arbeiter bzw. Anwohner (Kap. 4.2.2.2). Fast völlig entzogen bleiben uns freilich potenzielle Widerstandsformen der Arbeiter, die wegen ihrer Subtilität fast nur in Zeugnissen der Arbeiter selbst ersichtlich wären. Je weniger formelle Macht Subalterne wie Grabungsarbeiter bzw. allgemein Bauern besitzen, desto eher greifen sie zu jenen »weapons of the weak«, die unscheinbar, aber umso alltäglicher sind als »collective outright defiance«: »foot dragging, dissimulation, false compliance, pilfering, feigned ignorance, slander, arson, sabotage, and so forth. These Brechtian forms of class struggle […] require little or no coordination or planning; they often represent a form of individual self-help; and they typically avoid any direct symbolic confrontation with authority«.208 Was die jeweils Hunderte von Arbeitern bei den untersuchten Ausgrabungen untereinander bezüglich derselben geredet und verabredet haben, würde zweifellos ein Vielfaches der Tagebuchseiten der Archäologen füllen. Die wenigen Lieder, die von den Arbeitern überliefert sind (u. in diesem Kap.), enthalten bereits ernste Satire.209 Andererseits wäre es »a grave mistake […] to overly romanticize the ›weapons of the weak‹. They are unlikely to do more than marginally affect the various forms of exploitation that peasants confront«.210 In meinem Untersuchungszeitraum steckten die meisten ägyptischen Fellachen tatsächlich in einer solchen sozioökonomischen Krise, dass sie sich der deutschen Grabungsdisziplin eher unterwarfen und somit Geld verdienten, anstatt aufzubegehren und somit ohne Lohn womöglich zu hungern. Vor allem in dieser Hinsicht saßen die Archäologen

207 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 2 (Zitat); ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 4-6. 208 Scott, Weapons of Weak, Kap. 2 (Zitate: 29); vgl. Nahas, Fellah, 71f. (»Le fellah s’est ainsi habitué à souffrir des brutalités inimaginables [seitens der wechselnden Herrscher seines Landes] et jamais l’idée de résistance ouverte ne lui est venue, elle est incompatible avec sa nature. Il doit donc faire appel, pour se défendre, à la dissimulation et à la ruse; il doit se faire rampant et plier constamment l’échine. Et c’est pourquoi ses qualités morales […] ne paraissent pas bien grandes«). 209 Vgl. Clément, Peasant Consciousness, 93. Rubensohn erwähnt, dass »Dienerschaft und Arbeiter« es »sofort« merken würden, wenn zwischen den deutschen Leitern einer Grabung Spannungen oder übermäßige Distanz bestünden (Rubensohn, Briefe an Familie, 265 [Abusir el-Meleq, 20.3.1903]). Das lässt vermuten, dass Arbeiter derartige Umstände für sich ausgenutzt hätten. Außerdem vermutete Rubensohn, dass Wächter der Grabung sich abends durch Husten gegenseitig davor warnten, dass der Archäologe noch wach war und sie deshalb noch nicht schlafen »durften« (ebd., Nr. 137 [Abu Gurob, 5.1.1899 (bei Grabung Borchardt)]). 210 Scott, Weapons of Weak, 29f.

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am längeren Hebel – den sie aber nicht sich selbst, sondern maßgeblich dem europäischen Expansionismus der vorangegangenen Jahrzehnte verdankten. Denn die Krise der Fellachen fand ihren Ursprung im europäischen Kolonialismus und dann Kapitalismus: Während die französische Besetzung Ägyptens 1801 endete, setzte sich das politische, militärische und ökonomische Interesse vor allem Großbritanniens und Frankreichs in das fruchtbare Land fort, das Europa mit Asien verband. Um erneute Eroberungsversuche Europas in Ägypten abwehren zu können, ließen der Vizekönig Mohammed Ali und seine Nachfolger das Land modernisieren, um die Rivalen sozusagen mit deren eigenen Waffen zu schlagen (Kap. 2.2.1). Tragischerweise machte diese Strategie Ägypten jedoch nicht wehrhafter gegenüber Europa, sondern abhängig von ihm: Erstens holte Ägypten für die Modernisierung europäische Experten und Unternehmer ins Land; zweitens nahm es dafür europäische Kredite auf; drittens verlagerte es seine Landwirtschaft durch deren Modernisierung bzw. Kommerzialisierung auf Baumwolle, die auf europäischen Märkten verkauft werden sollte. Umgekehrt stieg dadurch für die Europäer die finanzielle und ökonomische Bedeutung Ägyptens derart, dass sie ihre Kontrolle über es sicherstellen mussten. 1876, als das Land sich dem Staatsbankrott näherte, stellten europäische Mächte seine Finanzen bzw. Kreditrückzahlungen unter ihre Aufsicht. Als deshalb 1881/82 in Ägypten ein antieuropäischer Aufstand entflammte, schlugen britische und französische Truppen ihn nieder. Erstere machten Ägypten dann zum britischen Protektorat; die europäische Schuldenkommission (Caisse de la dette publique) bestand fort (bis 1940). 1885 trat auch das Deutsche Reich in sie ein. Unter der britischen Herrschaft vollendete sich dann die »incorporation of Egypt into the European-dominated world economy«.211 Wegen der Kommerzialisierung der Landwirtschaft, der Privatisierung des Grundbesitzes sowie der Monetarisierung der Gesamtwirtschaft, die mit jener »incorporation« einhergingen, waren die Fellachen deren größte Verlierer.212 Im schlimmsten Fall verloren sie ihr ganzes Land. Doch selbst wenn sie etwas behielten, waren sie zum Überleben auf Lohnarbeit bzw. geldliche Einkünfte angewiesen (Kap. 4.1.2). Sie bauten von ihrer Nahrung weniger selbst an, sondern kauften sie für Geld auf dem Wochenmarkt. Wenn sie auf eigenem Feld Überschüsse bzw. Cash Crops ernteten, verkauften sie sie auf dem Wochenmarkt ebenso für Geld, wenngleich sie von den dortigen Zwischenhändlern oft übervorteilt wurden.213 Um verkaufbare Ernten überhaupt zu erzielen bzw. ihr Land wenigstens zu behalten, mussten sie Kredite aufnehmen und mit Geld abbezahlen (ebd.). Auch Steuern durften ab 1880 nicht mehr in Naturalien, sondern nur noch in Bargeld entrichtet werden.214 211

Toledano, Social and Economic Change, 270-276 (Zitat: 270); Schölch, Transformation Ägyptens, 139-152; Owen, Egypt and Europe; ferner Mitchell, Colonising Egypt, 15f. Zu Deutschlands Eintritt in die Schuldenkommission bzw. seinen finanziellen Interessen in Ägypten: Kröger, Ägyptischer Knüppel, Kap. 3; zu Ägyptens Weg in die Abhängigkeit von Europa außerdem Hunter, Egypt under Successors of Muhammad ʿAli. 212 Toledano, Social and Economic Change, 283. 213 Larson, Rural Marketing System, 512f.; Saleh, Petite propriété rurale, 103-106. 214 Baer, Landownership, 33f. Transaktionen zwischen Großgrundbesitzern und für sie tätigen Bauern erfolgten dagegen noch im frühen 20. Jahrhundert teilweise in Form von Naturalien (Cartwright, Rent, Labour; o. Kap. 4.1.2-3).

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Marxistisch gesprochen wurde die Welt der Fellachen damit kommodifiziert: Was sie konsumierten wurde ebenso zur Ware wie das, was sie produzierten; und durch ihre Lohnarbeit wurden sie selbst bzw. ihre Arbeitskraft ebenfalls dazu. Den meisten Fellachen blieb zum Überleben dann kaum mehr als der »Verkauf« dieser Arbeitskraft. Ohne eigene Produktionsmittel wurden sie damit zu Proletariern, die darauf hoffen mussten, ihre Arbeitskraft an die »bourgeoise« Klasse der Großgrundbesitzer verkaufen zu können – oder an Archäologen, die als »Produktionsmittel« die Grabungskonzession für eine antike Stätte besaßen und als »Geldkapital« ein Grabungsbudget zur Zahlung von Arbeiterlöhnen.215 Indessen schützte der Kapitalismus das Privateigentum in Ägypten, weshalb Archäologen zur Arbeit auf privatem Grund wie eben erklärt der Einwilligung des Eigentümers bedurften. Die meisten Flächen gehörten jedoch nicht Fellachen, sondern Großgrundbesitzern wie dem eben erwähnten Soliman Bey Nassif. Sein betreffendes Grundstück war bezeichnenderweise »vor vielleicht 15 Jahren von der ägyptischen Regierung an Privatleute verkauft worden«, und Nassif hatte es ungefähr 1906 »von einer englischen Dame gekauft«.216 Obwohl die untersuchten Archäologen keine Wirtschaftsunternehmung betrieben, kamen sie aus jenem Europa, das den Ägypten nun durchdringenden Kapitalismus »erfunden« hatte. Infolge dessen stellten sogar die Archäologen an ihre Ausgrabungen kapitalistische Anforderungen wie Effizienz, Schnelligkeit und Qualität. Die vorhandenen Mittel an Zeit, Geld und Kraft sollten an einer Grabungsstätte so genutzt werden, dass aus ihr möglichst viele bzw. wertvolle Erkenntnisse über das alte Ägypten gewonnen würden. Dementsprechend bedachten die Archäologen vor und während bestimmter Grabungsschritte, ob sie sich »(ver)lohnten« oder nicht;217 ob sie »ökonomisch« oder »unökonomisch« seien; ob die »Kosten« in einem annehmbaren »Verhältnis zum Ergebnis« stünden. Wenn nicht, wurden die jeweiligen Arbeiten abgebrochen oder gar nicht erst

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Zur Kommodifizierung: Richards, Agricultural Development, 65f.; zur kapitalistischen Klassenstruktur in Ägypten: Schölch, Transformation Ägyptens, 151f.; zu archäologischen Ausgrabungen in marxistischer Sicht: Mickel, Archaeological Labor. Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 140 (Privatleute); ders. et al., Tgb. Abusir 1907, 293 (Dame). Bei jenem Nassif handelte es sich vielleicht um den syrisch-palästinensischen Geschäftsmann Soliman Bey Nassif, der damals in Kairo lebte (zu diesem: Reibman, Cairo’s Syrians, 684ff.; Fakher Eldin, Colonial Rule of Property, 18ff.). Bes. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 112, 129; 1903/04, 104; Amarna 1911/12, 117; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 37f.; Theben 1911, 80f.; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 133; 1908/09 Oberägypten/Fayyum, 22, 27, 29; Philadelphia, 168, 222; Dimai, 252; Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 27, 66, 80, 177, 226; Aniba 1914, 504; Rubensohn, Briefe an Familie, 386 (Abusir el-Meleq, 14.1.1904: »Die Kosten der Grabung haben wir« wegen des Werts der gemachten Funde »beinahe schon heraus«), dazu weiter 394 (ebd., 28.1.1904), 403 (ebd., 19.2.1904), 416 (Kairo, 25.3.1904).

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angefangen.218 Solch ein Denken bzw. der in den Zitaten aufscheinende Diskurs (Kap. 1.4.4) ist tief kapitalistisch.219 Fellachen des frühen 20. Jahrhunderts war eine derartige Arbeitsethik trotz der Umwälzungen in ihrem Land immer noch fremd. Von Senussi wissen wir, dass das Weltbild sogar dieses Obervorarbeiters noch in den 1930er Jahren, nach Jahrzehnten enger Zusammenarbeit mit Deutschen, auf dem uralten Glauben der Fellachen an Geister und sagenhafte Pharaonen beruhte.220 Die Arbeiter der untersuchten Ausgrabungen besaßen auch keine Uhren – jenes Instrument, mit dem westliche Kapitalisten bzw. Kolonialisten über die Zeit herrschten. »Der Besitz einer Uhr« war für Fellachen »ein unerhörter Luxus«, da sie »ihre« Zeit »nach dem Stande der Sonne so genau wie [sie] es braucht[en] zu berechnen« wussten.221 Da die deutschen Archäologen die Zeit jedoch als kostbare Ressource betrachteten, bestraften sie (potenzielle) Arbeiter wohl bereits für Verspätungen von Minuten (Kap. 4.2.1.2). Hierin spiegelt sich die Einführung »moderner« Zeitkonzepte in Ägypten ebenso wie deren Konflikt mit den traditionellen des Landes.222 Auch die Zeit in Ägypten wurde vom Westen gewissermaßen »kolonisiert«.223

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Steindorff, Libysche Wüste, 150 (»Der Marsch [zu Tempelresten der Oase Charga] hätte ungefähr […] zwanzig Tage beansprucht, und dieser Aufwand an Zeit und Kosten stand nicht mit den zu erwartenden Ergebnissen in Einklang«); ders. et al., Tgb. Giza 1910, 75 (»Um möglichst ökonomisch zu arbeiten wird vorläufig nur an der Oberschicht gearbeitet und noch nicht in die Tiefe gegangen«); Aniba 1914 (Teilgrabung), 46 (»Die Kosten« einer fortgesetzten Grabung an dieser Stelle »würden auch in keinem Verhältnis zum Ergebnis stehen«); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 13 (»Es wäre nutzlose Zeitverschwendung die [Grabung an dieser Stelle] weiter fortzusetzen«), 36f.; Dimai, 234 (»Bei dem langsamen Fortschreiten der Arbeit […] wäre jede Fortsetzung über diesen Zeitpunkt hinaus eine Verschwendung«), 253 (»Eine Fortsetzung der Grabung bis zur Erreichung [des Hügels] würde aber bei der geringen Arbeiterzahl u. in Anbetracht dessen daß große Sandmassen zu bewältigen sind, noch einige Wochen kosten – u. dies wäre ein ganz unökonomisches […] Verfahren«); 1909/10 ebd., 70 (»Abräumungsarbeiten vornehmen zu lassen verbietet sich bei der Langwierigkeit u. Kostspieligkeit der Sache von selbst«); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 121 (»Wegen der Architectur weiter zu [graben] verlohnt wegen der oben angegebenen Gründe [der Tempel ist vollständig von Räubern durchwühlt] nicht«); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 5f. (»Der erste Eindruck ist, daß es enormen Aufwandes an Arbeitskräften und Zeit bedarf, wenn man die Hügel systematisch durchforschen will! […] Die Beschaffenheit des Grabungsfeldes, die kleine Arbeiterschaft u. die Kürze der Zeit werden nur kleine Stichproben an den verschiedensten Stellen zulaßen«), 38 (»Es könnten vielleicht unter den hohen Leichenhaufen noch einige Gipsköpfe gefunden werden, doch lohnt es sich nicht, auf solche bloße Vermutung hin die fürchterliche Arbeit des Ausräumens [der Grabkammern] vorzunehmen«); Borchardt, Brief an Steindorff, 28.1.1909 (»es ist total unwirthschaftlich, so kleine Grabungen zu machen. Die ganzen Einrichtungskosten sind jedesmal dieselben; für Arbeitslöhne bleibt dann bei 15000 M[ark] nur wenig. Wir könnten […] das doppelte schaffen, wenn wir mehr Leute einstellen könnten«). 219 Zu dem Diskurs in seinem originalen, industriellen Kontext: Hobsbawm, Custom, Wages and Work-Load. 220 Winkler, Bauern, 44-57; u. Kap. 4.3, 5.1. Zum Volksglauben in Quft in den frühen 1930er Jahren weiter Winkler, Geister der Toten; allgemein zu »Aberglauben« in Ägypten: Toureille, Superstitions populaires; zu »spirituality and traditional beliefs« in Qurna noch um das Jahr 2000: Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, Kap. 10. 221 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, 34 Nr. 33. 222 Barak, Time; Thompson, Time and Industrial Capitalism. 223 Cooper, Colonizing Time; Sprute, Weltzeit im Kolonialstaat.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

Die »moderne«, »rationale« Welt der untersuchten Archäologen war zunächst nicht die ihrer Arbeiter. Darum hielten die Archäologen die Abusiris für »von Hause aus sicher nicht militärisch veranlagt«, und fürchteten sich davor, dass bei der Tätigkeit der Arbeiter »der arabische Schlendrian« einreiße.224 Trotz allem konnten die Fellachen es sich nicht leisten, das Arbeitsangebot der Archäologen auszuschlagen und sich von deren Regime fernzuhalten. Das Regime der Uhr besangen die Arbeiter in ihren Liedern. Vor der Mittagspause: »Blick auf die Uhr,/o [Aufseher],/du findest uns ganz verhungert!« Vor dem Feierabend: »Ihr, die ihr die Uhren habt,/seht, die Zeit des Feierabends ist schon vorüber!«225 Oder: »Herr sieh nach der Uhr«. Als dies einmal Jungen bei Steindorff sangen, erwiderte er: »[N]och früh, noch 2 Stunden«. Der Arbeiter Ali Abden-Uebbi, »der schon lange als Unzufriedener verdächtig war«, erwiderte seinerseits: »2 Stunden! Was kümmert’s dich; deinetwegen zehn! Wir aber sind hungrig« – und wurde daraufhin entlassen.226 Wenn die Anfangszeit von Mittagspause oder Feierabend dagegen näher oder gar verstrichen war, bedeutete der Verweis der Arbeiter auf die Uhr, dass sie deren Herrschaft geschickt für sich selbst nutzten. Tatsächlich konnten sie dann sozusagen den Spieß umdrehen und den Archäologen mangelnde Disziplin vorwerfen, wie Heinrich Schäfer eingestand: »Bei euch sollte es gar nicht vorkommen, daß ihr Überstunden machen laßt. Wozu habt ihr denn die Uhren?«227 Folglich hatten die Arbeiter »learned their lesson, that time is money, only too well«.228 Sie betrieben im Sinne des postkolonialen Theoretikers Homi K. Bhabha eine »Mimikry« – eine demonstrative Nachahmung der »Kolonisatoren«, die deren Herrschaftsanspruch verspottete.229 Eine weitere Bewältigungsstrategie finden wir bei Arbeitern des französischen Archäologen Legrain in Karnak (o. Kap. 1.3.3). Sie motivierten sich mit Gedanken an ihren

224 Borchardt, Ne-Woser-Re, 76 (militärisch); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 78 (Schlendrian); vgl. Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 718f. (der Schreiner »aus dem nächsten Dorf«, der Kisten für Funde bauen soll, »ist ein fleißiger und williger Mann, aber er darf keinen Augenblick sich selber überlassen werden. Er arbeitet, wie alle Orientalen, wenn es nicht auf ihre Kosten geht, mit wahnsinniger Materialverschwendung, als wäre der Haufen Bretter sein Todfeind, den er vom Erdboden vertilgen müßte. Mit den Maßen nimmt er es nicht allzu genau, er denkt: lieber zu groß als zu klein, und wenn ein Brett verschnitten ist, nimmt man eben ein anderes. Dem muß Einhalt getan werden; wir selbst messen jedes Stück, geben genau die Maße an und bleiben so lange dabei stehen, bis er die Säge an der richtigen Stelle angesetzt hat«). 225 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, 31 Nr. 27 (Mittag), 34 Nr. 33 (Abend). 226 Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 77. 227 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, 34 Nr. 33. 228 Thompson, Time and Industrial Capitalism, 86. 229 Castro Varela/Dhawan, Postkoloniale Theorie, 229-235. Ähnlich interpretieren könnten wir das »Gedicht«, das »Abu Guma fabriciert hat und das jetzt mit Vorliebe gesungen wird«; die arabischen Verse lauteten auf Deutsch etwa: »Das Geld der [Kompanie] hat [die Grabung] schon ganz verbraucht«/»Das Geld der [Kompanie] [/] Die Leute nahmen’s weg«/»Der Koch verlor es ganz«/es »wurde angelegt in Schnaps« (Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 106f.; »Schnaps« spielte auf einen Vorfall einige Tage zuvor an: Ein deutscher Grabungsassistent hatte »einen kräftigen Schluck von reinem Spiritus zu sich« genommen, da der Diener Saddiq versehentlich eine Flasche damit statt mit Mineralwasser auf den Esstisch gestellt hatte: ebd., 79).

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zu erwartenden Geldlohn und das, was sie damit kaufen würden. Am Zahlungstag sangen sie: »Aujourd’hui, c’est bonne aventure./Aujourd’hui, on paie! Nous serons payés avant la nuit./Jardinier, cueille les grappes de la treille,/Le raisin ne sera pas cher au marché de mardi./― Ma chemise est déchirée et l’on voit mes jeunes seins/― O mes yeux! au marché de demain, je t’en achèterai une bien plus jolie«.230 So verinnerlichten die Fellachen also »the values of liberal capitalism promoted through the development of contract labour«231 – obwohl ein anderes Lied diese »Werte« aus islamisch-religiösen Gründen verdammte: »O mes yeux, pourquoi pleurez-vous?/[…]/Pour chercher l’argent./[…]/O mes yeux, c’est inutile,/[…]/A la porte du paradis/Se trouve celui qui pardonne les fautes./A la porte de l’enfer,/Il y a l’argent«.232 Sofern die Arbeiter sich dennoch auf ihren Geldlohn freuten, wurden sie vom westlichen Kolonialismus bzw. Kapitalismus in Person der deutschen Archäologen in einer weiteren Hinsicht unterworfen. Wirkungsvolle Unterwerfung beruht nämlich nicht nur auf Strafe für Widerstand, sondern zugleich auf Belohnung für Folgsamkeit. Subalterne, denen ihre Beherrscher Zufriedenheit und Selbstwertgefühl – gleich wie hohl – verschaffen, mögen sich sogar leichter beherrschen lassen als gnadenlos Geknechtete, die mit Widerstand nichts mehr zu verlieren hätten.233 Gerade wegen ihrer kapitalistischen Rationalität mussten Archäologen einsehen, dass sie mehr bzw. bessere Arbeiter haben würden, wenn sie die Leute gut behandelten – der Engländer Petrie forderte letzteres ebenfalls, vor allem für Stammarbeiter.234 Denn auch die Arbeiter waren einer der Faktoren, die über den Erfolg oder Misserfolg einer archäologischen Unternehmung entschieden. Borchardt gelangte in Abu Gurob sogar zu der Einsicht, dass Grabungskampagnen von nur sechs Wochen Dauer »aus finanziellen Gründen […] dringend zu widerraten« sei – »wenn sie nicht mit sehr grosser Arbeiterzahl durchgeführt werden«.235 Doch um diese vielen Arbeiter in ausreichender Qualität zu gewinnen, mussten die Archäologen also etwas bieten. Die untersuchten boten im Allgemeinen für den ländlichen Raum manchmal überdurchschnittliche Löhne (Kap. 3.3.9.1); medizinische Versorgung sowie Schutz vor Unfällen (3.3.8) und vor etwaiger Willkür seitens Vorarbeitern (4.2.1.3). Wenn die Fellachen sich als archäologische Arbeiter an die Regeln der Archäologen hielten, kamen sie

230 Legrain, Légendes et chansons de la Haute-Égypte, 193. 231 Clément, Peasant Consciousness, 88. 232 Legrain, Légendes et chansons de la Haute-Égypte, 197f. (Zitat); Clément, Peasant Consciousness, 89. 233 McLeod, Postcolonialism, 45 (verweisend auf Michel Foucault); Barak, Time, 13 mit 254 Anm. 38 (dito). 234 Petrie, Methods in Archaeology, 22 (»[The] feelings and self-respect [of »[t]he better class of [the] workers«] must be thought of, as among our own [an archaeologist’s] equals, and they will not put up with any rudeness or contempt«); weitere Aufrufe zur guten Behandlung von Ägyptern: Petrie, Seventy Years in Archaeology, 27f., 44. 235 Borchardt, Ne-Woser-Re, 78.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

in den Genuss dieser Vorzüge. Entsprechend weniger schmerzte sie ihre Unterwerfung, da sie von ihr profitierten. Unterwerfung blieb es trotzdem.

4.2.2.2 … unter den ägyptischen Eliten Die landlosen oder -armen Fellachen bildeten die unterste Hauptschicht der ägyptischen Gesellschaft; unter ihnen standen nur noch Bettler, Invaliden und andere Kleingruppen. Sozial standen die Fellachen unter den vermögenderen bzw. gebildeteren Schichten in Stadt und Land – Industriearbeiter, Handwerker, Kleinhändler, Angestellte, Staatsbeamte, freie Berufe, Außenhandelskaufleute, Großgrundbesitzer, Fabrikanten.236 Politisch unterstanden sie ägyptischen Würdenträgern bzw. Beamten, denn die britischen Kolonialherren schafften die einheimische Verwaltung bzw. Regierung nicht ab, sondern regierten als »Berater« und »Inspektoren« hinter dem einheimischen Apparat.237 An dessen Spitze standen der Vizekönig und seine Minister. Darunter war Ägypten in 14 Provinzen (arab. [Singular]: mudirije) gegliedert, und diese in insgesamt 81 Landkreise (markaz). Jede Provinz wurde von einem »Mudir« geleitet; jeder Landkreis von einem »Mamur«. Die Dorfgemeinden innerhalb der Kreise unterstanden in der Regel jeweils einem »Omden« und einem oder mehreren »Scheichs«. Letztere leiteten gegebenenfalls jeweils einen Teil des Dorfes, wo sie zuständig waren für Meldewesen, Volksgesundheit, Infrastruktur und ähnliches. Der Omde war dem oder den Scheichs vorgesetzt und fungierte als Bindeglied zwischen dem Dorf und den höheren Verwaltungsebenen. Er hielt, mithilfe von Wachtmeistern (arab. [Singular]: ghaffir), die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht und übte die Gerichtsbarkeit in bestimmten geringfügigen Straf- und Zivilsachen aus.238 Ferner beaufsichtigten manche Omden oder Scheichs die Feldarbeit bei Großgrundbesitzern in deren Auftrag, oder sie besaßen oder pachteten selbst einiges Land, das sie bewirtschaften ließen oder weiterverpachteten.239 Nicht nur Ägyptens westliche Beobachter, sondern auch seine einheimischen Stadteliten sahen in der Landbevölkerung Unbildung, Rückständigkeit und Ignoranz, die der Modernisierung des Landes zuwiderliefen.240 Ohnehin bestand zwischen Ägyptens Fellachen und Herrschern insofern ein traditioneller Graben, als die Herrscher seit der Antike immer wieder ausländische Eroberer waren:241 Perser, Griechen, Römer, Araber, Türken und schließlich Briten. Die Türken bzw. Osmanen im Land ägyptisierten sich zwar bis Ende des 19. Jahrhunderts bzw. wurden in der Verwaltung durch Ägypter ersetzt, und Türkisch verschwand als Verwaltungssprache zugunsten des Arabischen. Andererseits verwestlichten zumindest die größten Städte.242 Überdies betrachteten die Fellachen in

236 Luthi, Vie quotidienne, 183-198. 237 Tignor, British Rule in Egypt, 184; Welch, Jr., British Rule in Egypt, Kap. 3 (English Heads, Egyptian Hands). 238 Zur Verwaltungsgliederung: Fircks, Aegypten, Bd. 2, 6-14; zu Scheichs und Omden: Baer, Social History, 42f.; zu beidem ferner Lamba, Droit de l’Égypte, 177-233. 239 Richards, Agricultural Development, 58. 240 Brown, Ignorance of Egyptian Peasantry; Clément, Fallāḥīn on Trial, 282-295. 241 Al-Sayyid-Marsot, Egypt’s Liberal Experiment, 2. 242 Baer, Social History, 220-223, 226-228.

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Ägypten den Staat traditionell mit Misstrauen, Furcht und Widerwillen, weil er sie in der Geschichte mit Steuern, Militärdienst und Zwangsarbeit unmäßig belastet hatte.243 Unter den Briten wurden die ersten zwei Pflichten abgemildert und die Zwangsarbeit bis 1893 durch Gesetze abgeschafft. Seither durften Fellachen zu öffentlichen Diensten nur noch in Notfällen gegen Entgelt verpflichtet werden – wenn es etwa galt, Deiche gegen Nilhochwasser zu sichern oder Feldpflanzen vor Schädlingsplagen zu schützen.244 Während der untersuchten Grabung in Abusir 1904 wurden Jungen herangezogen, um Heuschreckeneier »auszugraben« und »einzuliefern«, wobei sie für die eingelieferten Eier nach Gewicht bezahlt wurden – »für einige Zeit« verdienten sie damit so viel, »daß sie auf den Lohn in der Grabung gern verzichteten«.245 In Abusir el-Meleq wurden 1906 Jungen (»angeblich«) »für die Reparatur eines Dammbruches requiriert«. In Giza wurden 1905 Männer und Jungen »von d[er] Regierung« sogar »zur Baumwollernte kommandirt« – dies könnten jedoch auch Tagelöhner gewesen sein, die an eines der zahlreichen Großgüter der vizeköniglichen Familie gebunden waren.246 In der Tat mussten die meisten Fellachen nach Abschaffung der Zwangsarbeit weiter für die Eliten arbeiten – als Tagelöhner oder Pächter von Großgrundbesitzern (die Zwangsarbeit war übrigens nicht aus humanitären Gründen abgeschafft worden, sondern weil sie ineffizient gewesen war247 ). Und indem der Staat die künstliche Dauerbewässerung des Niltals herstellte, steigerte er seine Macht über die Bauern.248 Daneben losten die Streitkräfte jedes Jahr rund 100.000 Männer (im Alter von typischerweise 22 Jahren) aus, die den fünfjährigen Wehrdienst zu leisten hatten. Die meisten der Rekruten waren Fellachen bzw. Arme, denn andere konnten sich für 20 ägyptische Pfund (= 2.000 Piaster) von dem Dienst freikaufen oder waren als Studenten, Lehrer, Beamte, Großstadtbewohner und so weiter von ihm befreit.249 Die ägyptischen Amtsträger sogar der Dorfebene wurden nicht von den Dorfbewohnern gewählt, sondern von oben bestimmt. Somit vertraten Omden und Scheichs »the authorities to the villagers rather than the villagers before the authorities«.250 Da sie in ihrem Dorf Ansehen und Macht besitzen sollten, waren als Omden bzw. Scheichs nur solche Männer qualifiziert, die mindestens 10 bzw. 5 Feddan Land besaßen – der durchschnittliche Fellache besaß 1 bis 1,5 Feddan (Kap. 4.1.2). Infolge dessen wurden die Ämter vielerorts innerhalb einzelner Familien »vererbt«. Außerdem sollten die Beamten 243 Brown, Peasant Politics, 72-74. 244 Saleh, Petite propriété rurale, 88f. (vgl. Nahas, Fellah, 168f.); Brown, Corvee; Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 108-112. 245 Borchardt, Nefer-Ir-Ke-Re, 81 (Zitate); o. Kap. 3.3.3.1 Abs. 1. Zum ähnlichen Einsatz von Jungen gegen Baumwollraupen: Sékaly, Désastre cotonnier de 1909, 233-235; Jakes, Boom, Bugs, Bust (zu einem Fall von 1905: 1050f.). 246 Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 17; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 52; zu gutsgebundenen Tagelöhnern: o. Kap. 4.1.3 (Nahas, Fellah, 140-144; Richards, Agricultural Development, 65); zu den vizeköniglichen Gütern: Baer, Landownership, 131-136; Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 55-60. 247 Tignor, British Rule in Egypt, 120-122; ferner Brown, Corvee, 122-135. 248 Brown, Peasant Politics, 74f. 249 Mühl, Ägypten, 56f.; Colvin, Modern Egypt, 326. 250 Baer, Social History, 32; zum Besetzungsverfahren für die Ämter: Lamba, Droit de l’Égypte, 218f.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

nach Möglichkeit lesen und schreiben können. Die meisten Fellachen waren somit von den Ämtern ausgeschlossen.251 Auch gegenüber den untersuchten Archäologen agierten die ägyptischen Beamten eher gegen die Arbeiter bzw. Anwohner als für sie. Seit dem Regierungsantritt Mohammed Alis arbeiteten westliche Archäologen in Ägypten mit der Genehmigung und Unterstützung sowie unter dem Schutz der örtlichen Behörden bzw. Würdenträger (Kap. 2.2.1).252 Für die untersuchten Archäologen bzw. ihre Unternehmungen war in archäologischen Belangen der ägyptische Antikendienst zuständig (3.2.3). In anderen Belangen wandten sie sich an lokale Behörden bzw. Beamte. Vor der britischen Besetzung trieben Dorfscheichs auch die Steuern ein und rekrutierten die Leute für die staatliche Zwangsarbeit und den Militärdienst. Dementsprechend bekamen Archäologen noch bis in die 1880er Jahre, als Petrie seine Laufbahn in Ägypten begann, die ihnen nach ihrer Arbeitsgenehmigung zustehenden Arbeiter von örtlichen Scheichs (Kap. 2.2.4). Dass Vyse in den 1830er Jahren von letzteren hörte, dass er ihre Leute nicht hart genug arbeiten lasse und abends zu früh entlasse (2.1.4), bezeugt die Härte, mit der Dorfbewohner von ihren Scheichs behandelt wurden. Doch spätestens in den 1890er Jahren fiel die Zwangsarbeit weg, und den Dorfscheichs wurde die Steuereintreibung ebenso entzogen wie den Omden ein Teil ihrer Gerichtsbarkeit: Sie durften Angeklagte nur noch für höchstens 24 Stunden festhalten und Geldstrafen von höchstens 15 Piastern verhängen.253 Die untersuchten Archäologen wandten sich dementsprechend zur Arbeiterrekrutierung nur noch in Ausnahmefällen an Scheichs oder andere Beamte. Die Stammarbeiter brachten sie selbst mit, und die Ortskräfte warben sie selbst bzw. ihre Stammarbeiter an (Kap. 3.3.3.1-2). Als in Amarna 1913/14 Arbeiter aus El-Tell ausblieben, schickten die Archäologen einen Brief an dessen Omden »mit der Bitte, das Erscheinen von Leuten zu veranlassen« – ohne Wirkung. In Abusir el-Meleq 1901/02 ging Rubensohn zwecks Arbeitern zum Omden und zum Polizeioffizier, doch »[a]lle Leute« waren »mit der Bohnenernte beschäftigt« und »weigerten sich«, zur Ausgrabung zu kommen. Am nächsten Tag brachte der stellvertretende Omde »sehr verdächtig aussehende Kerle mit, die mir gegen Contract 40-50 Mann stellen wollen, ich soll aber vorher so und so viel [Geld] zahlen. Dankend abgelehnt«.254 Für die Siwa-Expedition 1899/1900 hingegen waren Grabungsarbeiter entlang des Wegs durch die entlegenen Gegenden schwerer zu organisieren, weshalb die Teilnehmer solche von Scheichs oder gar dem Mamur der Oase erbaten – mit durchwachsenem Erfolg.255

251 Baer, Social History, 35-37; Lamba, Droit de l’Égypte, 217f. 252 Ferner Doyon, Egyptology in Shadow of Class, bes. 263-265. Im Jahr 1920 konstatierte der britische Archäologe C. Leonard Woolley (1880-1960) sogar: »Egypt is dull. Its archæology as such is interesting, but the country is too peaceful and civilized to allow of much incident« (Dead Towns, 34; vgl. 8). 253 Baer, Social History, 41f.; vgl. El Naggar, Fellah, 79. 254 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 103 (Zitat), 124; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 198 (Bohnenernte), 199 (Kerle); vgl. Theadelphia, 61 (»Beim Omde wegen Arbeiter etc. angefragt«). 255 Steindorff, Libysche Wüste, 124, 132; Tgb. Siwa 1899/1900, 154f., 193, 199.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Doch unabhängig von der Personalfrage verkehrten die untersuchten Archäologen an ihren Grabungsorten mit zumeist Omden der Gegend. Sie schickten ihnen Briefe und besuchten sie oder wurden von den Omden besucht. Gäste zu empfangen bzw. (wo es kein Hotel gab) zu beherbergen gehörte seit jeher zu den Aufgaben der Dorfvorsteher.256 In Siwa durfte Steindorffs Expedition im Hof des Amtsgebäudes des Mudirs zelten bzw. zwei Räume darin beziehen.257 Doch Omden besuchten die untersuchten Archäologen auch an deren Grabungsstätten oder luden sie zu sich ein,258 obwohl sie an ihnen nicht mehr unbedingt Geld verdienten – im Gegensatz zu den Scheichs, an die Archäologen einst die Löhne der Arbeiter ausgezahlt hatten (Kap. 3.3.9.3). Dennoch konnte es nützlich sein, die Ausländer zu kennen und mit ihnen gesehen zu werden. Wenn ein Omde ihnen auf ihre Bitte hin Kamele beschaffte,259 mag er von dem betreffenden Kameltreiber Provision kassiert haben. In Amarna versuchten ein Omde und sein Bruder 1908, von den Deutschen benötigte Ziegelsteine zu überhöhten Preisen selbst zu liefern. Ebendort reklamierte 1911/12 ein Omde einen Teil der Grabungsfläche als seinen Besitz und verlangte von den Deutschen Miete. In Aniba war 1914 der Koch der Deutschen vielleicht nicht zufällig der Neffe eines Omden.260 Höflichkeitsbesuche und -gegenbesuche bei bzw. von Omden waren den untersuchten Archäologen zuweilen lästig, da sie langwierige Konversationen und sonderbares Essen (ohne Besteck) beinhalten konnten. Trotzdem hatten auch die Archäologen ein Interesse an der Gunst der Amtsträger, denn vor allem sorgten diese für Sicherheit bzw. ahndeten Rechtsverstöße von Arbeitern bzw. Anwohnern. Für die Sicherheit der Archäologen waren Omden ihrem Mamur bzw. Mudir verantwortlich;261 und ihre Autorität reichte auch so weit, dass die untersuchten Archäologen nicht etwa überfallen wurden wie die Lepsius-Expedition 1843 bei Abusir (Kap. 2.1.5). Dagegen wurden Arbeiter zuweilen von Anwohnern angegriffen; und Arbeiter oder Anwohner versuchten, Antiken oder anderes aus Grabungsstätte oder Feldlager zu stehlen oder zu rauben. Wenn die Deutschen selbst, ihre Vorarbeiter oder Antikenwächter solche Vorfälle bemerkten, erstatteten die Archäologen Anzeige beim zuständigen Omden, der, im Zweifelsfall aus »Angst vor der 256 Baer, Social History, 39f.; vgl. Schubart, Wüste, 35-38. 257 Steindorff, Libysche Wüste, 54f. mit 38f. Abb. 29f. 258 Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 5, 20, 25f.; Amarna 1913/14, 26, 30; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 61, 64, 81, 145f.; Abu Hamid, 148; 1902/03 Abusir el-Meleq, 44, 118, 142; 1903/04 ebd., 72; Rubensohn, Briefe an Familie, 107f. (Fayyum, 10.3.1902), 250 (Abusir el-Meleq, 25.2.1903), 263f. (ebd., 20.3.1903), 388 (ebd., 14.1.1904); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 12; 1914, 309, 324, 542f.; Qau 1913/14, 19, 22f., 218; Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 720f.; Schubart, Wüste, 42; Besuch bzw. Einladung von Mamur: Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 170; 1904/05 ebd., 86; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 362f., 380f.; Besuch bei Mudir: Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Elephantine, 59; 1906/07 ebd., 2; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 54f. 259 Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 143f. (weiter Rubensohn in einem Brief von dieser Grabung, zit. in: Kuckertz, Rubensohn [2020], 48); 1903/04 Abusir el-Meleq, 183; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 24; 1911, 18; vgl. 1912/13, 136 (Esel von Omde); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Oberägypten/Fayyum, 28f.; Timme, Amarna, 71 (jeweils Pferde von Omde). 260 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1908, 10, 12-14, 19, 22; 1911/12, 80-83; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 309, 543. 261 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 8; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 60, 70 (weiter Rubensohn, Briefe an Familie, 97 [ebd., 13.2.1902]); vgl. Lamba, Droit de l’Égypte, 181.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

höheren Behörde«,262 umgehend eine Untersuchung bzw. ein Gerichtsverfahren durchführte und für schuldig Befundene bestrafte. In Amarna erhielt ein Angreifer drei Tage Gefängnis; ein Dieb, der einem Arbeiter einen Mantel stehlen wollte, wurde »ins Zentralgefängnis von El-Hagg Qandil abgeführt«; zwei Raubgräber mussten 30 Piaster Strafe zahlen. In Aniba hätte der Omde Angreifer ebenfalls ins Gefängnis geschickt, doch auf Bitten des bestürzten Dorfscheichs verzichteten die Archäologen darauf, nachdem dieser »mit seinem Kopfe« dafür gebürgt hatte, dass Derartiges »nie wieder geschehen werde«.263 Wegen der begrenzten Amtsgewalt des Omden wurden schwerwiegendere Strafsachen an den jeweiligen Landkreis weitergeleitet, dessen Mamur sie dem Kreisgericht vorlegte. Dies geschah in Qau, nachdem Mohammed Ghallab, ein ehemaliger Grabungsarbeiter, den Vorarbeiter Ahmed Mohammed mit einem Messer bedroht und verletzt hatte. Ghallab wurde zu 25 Schlägen und einem Monat Gefängnis verurteilt.264 Wenn die Grabungsstätte wie in Amarna zwischen verschiedenen Gemeinden lag, konnten die Archäologen sich aussuchen, von welchem Omden sie Straftaten verfolgen ließen. Da der von El-Hagg Qandil als milde galt, hätten Beschuldigte ihn bevorzugt, doch die Archäologen scheinen ihnen das nicht unbedingt zugebilligt zu haben.265 Zuvor glaubte Borchardt dagegen, dass der Omde dieses Dorfes den gerade genannten Angreifer drei Tage inhaftieren ließ und auch noch öffentlich ohrfeigte, um die Ausländer »zufriedenzustellen«. In El-Hagg Qandil sei das Omdenamt damals nämlich abwechselnd von Vertretern zweier verfeindeter Parteien bekleidet worden, und der amtierende habe darauf gehofft, seiner Partei durch »unsere etwaige Fürsprache in Kairo« einen Vorteil zu verschaffen.266 In Hermopolis (beim Dorf El-Aschmunein) dagegen erboste der Omde die Archäologen: Als ihre Arbeiter nach Ende der Grabungskampagne Grabungsmaterial im Dorf deponieren wollten, wurden sie von Anwohnern verprügelt und ausgeraubt. Obwohl die Archäologen daraufhin den Omden »herzitierten«, ließ er auf sich warten. Er kam dann und »fleht[e] um Gnade«, doch Rubensohn blieb dabei, »daß ich über den Vorgang schriftlich an die Regierung berichten werde. Alles Winseln hilft nichts«. Ähnlich in Abusir el-Meleq: Im Dorf lagen antike Blöcke mit Inschriften, die von Senussi per Abklatsche kopiert wurden. Der stellvertretende Omde ließ die Abklatsche beschlagnahmen, als sie über Nacht an Ort und Stelle trocknen sollte. Die sie bewachenden Männer des Omden »drückten« sich aber, als Möller erschien. Auf dem Rückweg zur Grabungsstätte traf der

262 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 74. 263 Angreifer (gegen Arbeiter): Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 5; ders. et al., Tgb. Amarna 1911, 147, 153; des Weiteren: 1911/12, 273 (Dieb); 1912/13, 117-119 (Raubgräber; ähnlich 144, 260f.); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 73f., 76f. (Zitate: 76). 264 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 196-198, 218; zu den Kreisgerichten: Lamba, Droit de l’Égypte, 282-285. Vielleicht war der bedrohte Ahmed Mohammed identisch mit dem »junge[n] Oberägypter« dieses Namens, der 1909/10 bei der Grabung in Dimai arbeitete: Er war »klein« und »fast mädchenhaft« (Schubart, Wüste, 42f.). 265 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 4 (zugebilligt); ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 65f. (selber Fall, aber nicht zugebilligt). 266 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911, 5f. (Zitate: 5). Nach dem Gesetz wurden Omden jedoch für unbegrenzte Zeit ernannt (Lamba, Droit de l’Égypte, 218).

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Deutsche den Omden und »blies« ihn »heftig an«, »sodaß ihm himmelangst wird. Der Kerl kommt mir bis zum Lager nachgelaufen und bittet um Verzeihung«.267 Da die Archäologen mithin über die Gunst der Zentralregierung verfügten und die Dorfbeamten dieser unterstanden, wurde der disziplinarische Druck, den die Archäologen auf Arbeiter und Anwohner einer Ausgrabung ausübten, von den Dorfbeamten unterstützt. Die Arbeiter profitierten insofern davon, als Anwohner sie nicht angreifen konnten, ohne eine empfindliche Bestrafung zu riskieren. Manche Anwohner wurden wie erwähnt handgreiflich oder hätten es tun wollen – weil sie auf die Anstellung der Grabungsarbeiter neidisch waren, sie als Ortsfremde ablehnten oder die gesamte Ausgrabung bei ihrem Dorf missbilligten? Wie dem auch sei, schon Leute, die sich zu nahe an der Grabungsstätte »herumtrieben«, mussten damit rechnen, von den Archäologen »aufgeschrieben« zu werden.268 Die ägyptische Polizei hingegen unterstand nicht den Dorfbeamten, sondern dem Mudir (Provinzgouverneur).269 Polizisten hatten dementsprechend weniger Hemmungen, gegen Grabungsarbeiter sogar dann vorzugehen, wenn die Archäologen daran nicht interessiert waren, weil das Vergehen sie nicht betraf und sie ihre Arbeiter behalten wollten. In Abusir sollte der Arbeiter Osman Rajan ein Gewehr zur Reparatur bringen, doch ein Polizist entlang des Wegs nahm es ihm ab, sodass die Archäologen es von der Polizeiwache zurückholen mussten. Auf Elephantine entflammte ein Streit zwischen zwei Vorarbeitern, darunter Abu el-Hassan, und einem Polizisten, der einen Touristendampfer begleitete. Auf der Wache konnte Zucker die Polizei dazu überreden, die Arbeiter gehen zu lassen – »[h]ätte gerade noch gefehlt, daß man mir meine ersten Vorarbeiter eingesteckt hätte!«270 In Giza ging es schlechter aus: »Als die Leute nach d. Feierabend lustig schreien, wird ihnen das von dem [nahe der Grabungsstätte] stationierten Polizisten untersagt, & als ihm [der Vorarbeiter Kerim Rajan] darauf antwortet, er stehe in Prof. Steindorff’s Diensten, flucht d. Polizist & und misshandelt K[erim]. Dieser schickt hinauf & lässt Senus[s]i rufen, der auch sofort mit mehreren Leuten runtergeht«. Da der Polizist später aussagte, »er sei von unseren Leuten tätlich angegriffen worden«, wurden Rajan und acht weitere Quftis verhaftet und von einem Gericht zu einem halben bzw. Rajan zu einem ganzen Monat Gefängnis verurteilt – trotz Hilfsversuchen des deutschen Generalkonsulats bzw. eines britischen »adviser« des ägyptischen Innenministeriums.271 Die in der Ausgrabung verbleibenden Arbeiter »erregt[e]« der Vorfall »sehr« – »den ganzen Tag sind sie verstimmt, kein Lied wird gesungen«.272 Auch auf Anwohner bzw. 267 Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Hermopolis, 198f. (Zitate: 199; weiter Rubensohn in einem Brief von der Grabung, zit. in: Kuckertz, Rubensohn [2020], 45f.: »Außerdem habe ich noch dem Consul [deutschen Generalkonsul?] und dem Mudir von Minieh Anzeige erstattet, ich glaube die Leute werden tot geprügelt werden«); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 86f. 268 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 196. 269 Lamba, Droit de l’Égypte, 189f. 270 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 287 (Gewehr; vgl. 290); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 247f. (Zitat: 248). 271 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 124-126 (angegriffen: 125; adviser: 126), 135-137, 151f.; (Sphinxtempel), 22f. (nach d. Feierabend). 272 Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 126.

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Fellachen allgemein hatte die staatliche Justiz an sich eine geradezu verstörende Wirkung: »Particularly in the period after the British Occupation of 1882, Egyptian laws and policies were to determine not only what was criminal but also who would investigate and punish crime. For the peasantry, crime was defined as a violation of community norms and was therefore a community matter. The state, however, sought to recast crime in national terms; it also punished those who did not share its perspective and refused to cooperate. Not surprisingly the police quickly came to be feared as much as the criminals«.273 So verstehen wir auch, warum in Amarna zwischen den Dörfern El-Tell und El-Hagg Qandil eine Blutfehde herrschte (Kap. 4.1.3) – es ging um eine »community matter«. Die britische Kolonialregierung ließ indes auch das ländliche Ägypten umfassend überwachen und disziplinieren, um potenziellen Gefahren für ihre Herrschaft vorzubeugen.274 Die ägyptische Gesellschaft war immer schon eine hierarchische gewesen. Vor und in meinem Untersuchungszeitraum vergrößerte sich die Kluft zwischen Fellachen bzw. Subalternen und auch den einheimischen Eliten weiter, infolge der sozioökonomischen Umbrüche, und der Zentralisierung des Staates unter den Briten. Noch für die 1930er Jahre berichtete der Ethnologe Winkler in Unterägypten über einen Omden in dessen Dorf: »Er war ein Mann von etwa vierzig Jahren, in schönem, sauberem Gewande, den Fez auf dem Kopfe. […] Die Fellachen und Wächter küßten ihm die Hand, drückten demütig die Nase darauf und zogen sich schweigend zurück. Die Gegenwart des Omde bedrückte die Leute. Der Mann war nicht finster, aber er lebte in einer Höhe, zu der keine Brücke von den Fellachen führte. Er hatte kluge Augen, vielleicht war er ein Gelehrter, der nicht nur in seiner sozialen Stellung, sondern auch hinter seinen Büchern in einer andern Welt lebte, als seine Fellachen«.275

4.2.2.3 … unter den ägyptischen Vorarbeitern der deutschen Archäologen Die einfachen Arbeiter der untersuchten Ausgrabungen unterstanden an der Grabungsstätte unmittelbar den ägyptischen Vorarbeitern, Aufsehern und »besseren« Arbeitern 273 Brown, Peasant Politics, 75; vgl. Nielsen, Conflict Resolution. Der Schiffsrais (d.h. -kapitän) von Steindorffs Nubien-Expedition 1900 ging einmal selbst zur Polizei, da Borchardt ihn nach einer seiner Eigenmächtigkeiten (o. Kap. 4.2.1.2 Anm. 160) vom Rand des Schiffes ins Wasser gestoßen hatte. Nachdem die Polizei Borchardt vernommen hatte, erteilte sie allerdings nicht ihm, sondern dem Rais einen »Rüffel, der ihn sofort klein macht« (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 143 [Zitat], 145). 274 Mitchell, Colonising Egypt, 97f. 275 Winkler, Volkskunde, 118f.; dazu Schulze, Fallahin, 72. Vgl. Timme, Amarna, 72 (Fellachen »küßten« dem Omden »beim Abgange ehrerbietig die Hand«). Der englische Archäologe Petrie bemerkte einmal: »A poor fellah has little chance in the effendi world«. Anlass, im Jahr 1896: Sein Vorarbeiter »had a donkey, which he took by train; when he got out, no one would open the cattle truck; his donkey went on to […] the terminus […], but no letters of his could get it back from whoever had appropriated it. I took up the quest, and at last got some pounds of compensation for him, as he had the receipt to produce« (Petrie, Seventy Years in Archaeology, 164f.).

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(Kap. 3.3.2.1-2), die größtenteils aus Quft oder Abusir stammten (3.3.3.2). Schon deshalb solidarisierten diese sich nicht mit ihren ortsansässigen Untergebenen, sondern sie herrschten über sie als Vertreter der deutschen Archäologen; dafür sorgend, dass deren Anweisungen von den »Hackenmännern« und »Korbkindern« umgesetzt wurden. Zumindest die »Vorarbeiter« (Kap. 3.3.2.1) wurden wohl von ihren Untergebenen oder auch den Deutschen mit dem Titel rais angesprochen. Das ägyptische Arabisch gebraucht bis heute, gemäß der hierarchischen Gesellschaftsstruktur, ehrerbietige Anreden für Angehörige herausgehobener sozialer Klassen und Gruppen.276 Wenn die archäologischen Arbeiter sich in Liedern an ihre Vorgesetzten wandten, nannten sie sie, entsprechend im Plural oder Singular, »Herr« (arab.: sayyid) (oder »mein« oder »unser Herr«), oder sie gebrauchten die osmanisch-türkischen Titel »Effendi« (d.h. »Herr«, »Meister«), »Bey« (ursprünglich: »Stammesführer«, »Graf«), oder »Pascha« (»Fürst«). In Abusir/Abu Gurob wurden die Deutschen laut Heinrich Schäfer von »viele[n] unserer Leute« mit »Bey« angeredet, doch »[d]urch Anreden mit recht hohen Titeln suchen sich die Bauern oft beim Herrn beliebt zu machen«. »Effendi« nannten die Arbeiter zuweilen auch jene Delegierten, die der Antikendienst die Ausgrabungen der Deutschen beaufsichtigen ließ (3.2.3). Diese Beamten »sind zwar oft einfache Saaldiener aus dem [Kairener Ägyptischen] Museum o.ä., spielen aber oft in dem neuen Dienst gern auch in [besonderer] Tracht den feinen Herrn«.277 Ob die zitierten Titel auch Vorarbeitern zuteilwurden, ist unklar; als »rais« wurden sie jedenfalls bezeichnet. Unter Umständen war dieser Titel ehrerbietiger als die anderen, denn je »fürstlicher« diese waren, desto eher bezweckten sie in Wirklichkeit Schmeichelei (wie gerade von Schäfer erklärt) oder gar Ironie und Sarkasmus.278 »Rais« war zumindest im Ägypten der 1980er Jahre (aus denen Parkinsons Studie stammt) die niedrigste aller Respektsanreden, galt aber keineswegs als Beleidigung. Damit Angeredete verfügten über eine gewisse Qualifikation, wenngleich keine so hohe wie ein Handwerksmeister. Zum anderen mochte beispielsweise der Ingenieur eines Bauprojekts seinen Vorarbeiter so anreden, »in order to make him feel important«.279 Dass die Vorarbeiter der untersuchten Ausgrabungen in ihrem Amt Gewalt gegen untergebene Arbeiter anwendeten, habe ich bereits angemerkt (Kap. 4.2.1.2-3). Übermäßig durfte diese freilich nicht sein. Auf Elephantine »desertier[t]en« sudanesische Arbeiter gar schon »bei der geringsten handgreiflichen Mahnung von Seiten der Vorarbeiter«; nach Maßstab der Archäologen wollten sie »mit Glacéhandschuhen angefaßt sein«280 –

276 Parkinson, Terms of Address, Kap. 6. 277 Schäfer, Lieder eines ägyptischen Bauern, 27 (Saaldiener), 38 (hohe Titel); die Anreden in Liedern: 27 Nr. 24, 31 Nr. 27f., 33 Nr. 32, 34 Nr. 34, 37 Nr. 36f., 38 Nr. 38. Die Anrede »Pascha« von Arbeitern für französische Archäologen: Clément, Peasant Consciousness, 91-94. Die Anrede »Herr« für die untersuchten Archäologen seitens Arbeitern außerhalb von Liedern: Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 7, 9; 1902/3, 3. 278 Zum ironischen bzw. sarkastischen Gebrauch: Parkinson, Terms of Address, 158-161 (von »mein Herr«), 173-181 (von »Pascha« und »Bey«). 279 Parkinson, Terms of Address, 144-147 (Zitat: 145; ferner erhielten den Titel »drivers of all types, waiters, janitors, street sweepers, club workers, laundry boys[,] working class salesmen of all types« sowie »very low level government functionaries«). 280 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 50.

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das deutet darauf hin, dass »leichte« Gewalt seitens der Vorarbeiter zum Grabungsalltag gehörte, obwohl meine Quellen nicht explizit darüber sprechen.

Abb. 42: Vorarbeiter mit Peitsche oder Stock, Arbeiterkind mit Korb (Borchardt, Abusir 1902-1908)

SCA, Scan 457, Foto 11105. © Ägyptisches Antikenministerium, Kairo.

Für diese Gewalt bzw. als Symbol ihrer Macht führten zumindest einige Vorarbeiter eine Peitsche aus Nilpferdhaut (Abb. 42?). Dieser kurbash, eine ägyptisch-osmanische Tradition, war zum Antreiben und Bestrafen der staatlichen Zwangsarbeiter inklusive der Grabungsarbeiter Mariettes (Kap. 2.1.7, 2.2.4) benutzt worden. Die Briten, die im kurbash ein Symbol von orientalischem Despotismus sahen, bemühten sich um seine Abschaffung.281 Auf den untersuchten Ausgrabungen scheint er überdauert zu haben. 1904 kaufte Rubensohn im Vorfeld einer Grabung in Hermopolis »3 Peitschen« für sie. Auf Elephantine 1907 und in Philadelphia 1909 wurde die Peitsche explizit eingesetzt – gegen einen von »ein paar Jungen aus dem Dorf […], die sich in verdächtiger Weise« bei der

281

Brown, Corvee, 116f.; Tignor, British Rule in Egypt, 122; Cromer, Modern Egypt, Kap. 49.

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Grabungsstätte »zu schaffen mach[t]en« sowie, von Zucker selbst, gegen einen wegen Ungehorsam zu entlassenden Qufti.282 Auf anderen Fotografien sehen wir Vorarbeiter mit einem Stock (Abb. 43). Rubensohn selbst nutzte Stöcke, um Arbeiterjungen zu »regieren« oder »Aufrührer« zu »verhauen«.283 Stöcke führten auch die Aufseher bzw. Grundbesitzer in der Landwirtschaft, »to punish any laxity« ihrer Arbeiter284 – vielleicht ersetzten sie dadurch die Peitsche.

Abb. 43: Vorarbeiter Ali Alejan, mit Stock, erteilt Anweisungen (Steindorff, Qau 1913/14)

ÄMULA, N1452. Scan: ÄMULA.

Die Peitsche (und vielleicht auch der Stock) hatte für archäologische Vorarbeiter auch symbolische Bedeutung: Als Zucker dem »leider zu übermäßigem Zuhauen geneigte[n]« Vorarbeiter Mahmud Ali dessen Peitsche »entzog«, weil er Arbeiterjungen das Gesicht blutig geschlagen hatte, zog sich Ali in sein Zelt zurück und »erklärt mir in der Mittagspause, die Wegnahme der Peitsche sei für ihn so beschämend, daß er die Grabung verlassen müsse. Es gelingt aber, die Sache dahin beizulegen, daß er zunächst als [Wächter] bei den Zelten bleibt; das Weitere wird sich schon ergeben«.285

282 Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Oberägypten, 8; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 103 (Jungen); 1908/09 Philadelphia, 89 (nachdem der Arbeiter im Trotz seinen Korb weggeworfen hatte, »nehme [ich] die Peitsche des Vorarbeiters, schlage einige Male zu u. schicke den Übeltäter sofort [zur Abreise] ins Lager«; vgl. o. Kap. 4.2.1.2 [»Insubordinationsszene«]). 283 Rubensohn, Briefe an Familie, Nr. 137 (Abu Gurob, 5.1.1899 [bei Grabung Borchardt]: regieren); ders. et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 132 (Aufrührer verhauen). 284 Richards, Agricultural Development, 63 (Zitat); Nahas, Fellah, 136 Anm. 1. 285 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 80; zu Alis hoher Selbstachtung: o. Kap. 4.2.1.3 Anm. 177.

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Es geschah dies auf Elephantine, wo die Sudanesen »eine höchst unangenehme Arbeiterschaft« bildeten: »unintelligent u. ungeschickt, träg u. unbotmäßig«. Zucker stellte fest: »Ohne Oberägypter wäre man hier verloren«.286 Tatsächlich halfen vor allem die Vorarbeiter aus Quft den Archäologen dabei, die Massen der einfachen Arbeiter zu kontrollieren – deutlich über die eigentliche Grabungstätigkeit hinaus. In Aniba brachte Senussi die anderen Quftis »in Raeson«, als sie höheren Lohn forderten, und er vertrat die Archäologen in den Lohnverhandlungen mit den streikenden Sudanesen – offenbar so unnachgiebig, dass von den Ergebnissen Enttäuschte die Schuld bei Senussi bzw. den Quftis sahen und sie am Abend »mit Stöcken und Steinwürfen« angriffen.287 (Mit »Sudanesen« sind in beiden Fällen eher Nubier gemeint: o. Kap. 1.1.1.) Im späteren Teil meines Untersuchungszeitraums waren Senussi oder sein Vorarbeiterkollege Abu el-Hassan vor allem bei Steindorff sogar an Beratungen bzw. Entscheidungen der Archäologen über Verteilung, Lohnerhöhungen und Einstellung von Arbeitern beteiligt (vgl. Kap. 5.3); in Aniba wurden Anführer von Lohnkämpfen »auf Senussis Vorschlag« zu vermindertem Lohnsatz weiterbeschäftigt, oder er selbst »stellt[e] [»zur Strafe«] […] die Hauptkrakehler vorläufig nicht ein«.288 Offenbar gleichfalls aus eigener Initiative handelte Senussi, als er wertvolle Funde in der Grabung so hob, »dass keiner der umstehenden Leute sieht, was es ist«, bzw. er es erst tun wollte, »wenn die Leute fort seien«289 – wurde er damit »deutscher« als die Deutschen? Nicht zu vergessen ist auch, dass Senussi in seiner Heimat die Quftis, die mit zu einer Grabungskampagne kommen »durften«, teilweise selbst auswählte (3.3.3.2). Als die Archäologen in Giza »Gericht« über jene Arbeiter aus Kerdasse hielten, die ihren beförderten Dorfgenossen aus Neid verleumdet hatten (Kap. 4.1.3; vgl. 4.2.1.3 Anm. 177), fungierten die Vorarbeiter Abu Guma (aus Abusir) und Zein Abdallah laut Grabungstagebuch als »Gerichtsdiener«, indem sie den für schuldig Befundenen eine »körperliche Zurechtweisung« beibrachten.290 Auf diese Weise vollstreckten die Vorarbeiter die Strafen der Archäologen an den einfachen Arbeitern. Zudem machten sie manche Bestrafungen erst möglich, indem sie Unehrlichkeiten von Grabungsarbeitern oder auch Antikenwächtern aufdeckten bzw. aufzudecken halfen (4.2.1.2): Senussi überführte Ali Mansur und andere Vorarbeiter in Giza sowie einen Wächter in Abusir, und half in Abu Hamid beim Verhör des Vorarbeiters Hassan, der am Ende entlassen wurde, weil »ich [Rubensohn] und S[e]nussi von seiner Schuld gänzlich überzeugt sind«. Und Abu el-Hassan

286 Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 81; ähnlich Zucker, Brief an Steindorff, 14.9.1909 (»daß man mit Leuten aus Quft arbeiten muß, hat uns der Besuch in Menschîje u. Umgegend deutlich gezeigt«). 287 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 46f. (Verhandlungen mit Sudanesen bzw. [vgl. 44f.] Nubiern), 73f. (Angriff; Zitat: 73), 76 (Räson; vgl. o. Kap. 4.2.1.1 Anm. 146). 288 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 35 (»Ob es gelingen wird, später […] den Lohn wieder herabzusetzen, wie Senussi meint, möchte ich nach den bisherigen Erfahrungen bezweifeln«), 442 (Senussi hat einen Wächter »hinausgehängt«?); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 112 (»Früh geht Hölscher mit [Abu el-Hassan] durch die Grabung, um die Verteilung der Arbeitskräfte bei Beginn der neuen Arbeitswoche festzustellen«); Aniba 1914, 314 (Vorschlag); (Teilgrabung), 4 (Krakehler). 289 Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 118 (umstehende); Aniba 1912, 115f. (115: wenn fort). 290 Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 66f. (Zitate: 66).

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»fasste« in Theadelphia einen Arbeiter beim Funddiebstahl »ab«.291 (Dass der Bootsmann der Grabung in Amarna unerlaubt Einheimische beförderte, wurde hingegen »durch unsere Wächter festgestellt«.292 ) Darüber hinaus verteidigten die Vorarbeiter die Grabungsstätte auch handgreiflich gegen Eindringlinge von außen bzw. Anwohner. Das war eigentlich die Aufgabe der Antikenwächter (Kap. 3.3.2.3 Abs. 8), doch die waren mitunter überfordert bzw. für die Deutschen nicht restlos vertrauenswürdig – sobald dagegen »unsere Koptosleute« (d.h. Quftis) 1906/07 in Amarna eingetroffen waren, glaubten die Archäologen »keine Polizeihilfe mehr« zu benötigen.293 Wenn Vorarbeiter von Wächtern zur Hilfe gerufen wurden oder selbst Eindringlinge antrafen bzw. von solchen angegriffen wurden, wichen sie keinem Kampf aus: In Giza »packte« 1910 einer von zwei »(Rauf-)Leuten aus Kairo« Senussi »an der Kehle« und »zerriss« ihm »die Kleidung«, weil dieser die Männer aus der Grabung »hinausführen« wollte; 1906 wurden »2 Kafrawis, die sich anscheinend zum Ausbaldowern« an der Grabungsstätte »herumtrieben«, von Senussi und Abu el-Hassan »tüchtig durchgewalkt«.294 Einerseits mussten die Vorarbeiter in gewissen Situationen gegenüber Ägyptern für die Deutschen sprechen, da deren arabische Sprachfertigkeiten an ihre Grenzen stießen (Kap. 3.4.1). Andererseits scheinen die Vorarbeiter die für sie als Fellachen beträchtliche Macht, die sie in gewissen Auftritten ausübten, durchaus mit Stolz genossen und aktiv angestrebt zu haben. Umso weniger konnten sie es verwinden, wie der erwähnte Mahmud Ali ihrer Peitsche beraubt oder gar degradiert zu werden. Zumindest langjährige Vorarbeiter der Deutschen empfanden sich wohl irgendwann auch als »deutsch« (Senussi habe sich gegenüber Winkler »voll Stolz« die Bezeichnung almani gegeben: 3.6.1) – vielleicht deswegen machte der Vorarbeiter Umbarek Ismain, der vorher wohl dem US-Amerikaner Reisner gedient hatte, bei den Deutschen mit Abu el-Hassan »Krakehl«.295 In Giza wurde Hassan von einem französischsprachigen Touristen gar als »sacré Allemand« beschimpft, als Hassan ihn der Grabung verwies, weil der Tourist deren Arbeiterjungen zum »Spaß« mit einer Reitpeitsche geschlagen hatte. Für die Beschimpfung ohrfeigte Hassan den Touristen, und der dazugekommene Hölscher rechtfertigte seinen Vorarbeiter gegenüber dem Fremden.296 Das Vorarbeiteramt bei den Archäologen verschaffte den Inhabern mithin sogar tätliche Macht über westliche Ausländer, die sie als Fellachen schwerlich besessen bzw. auszuüben gewagt hätten (Kap. 4.2.2.1). Der Vorarbeiter Ismain »schmiss« in Giza einmal sogar Wilhelm Pelizaeus, den reichen Grabungsfinanzier (3.2), den er wohl nicht kannte, »ziemlich derb« aus einer Grabkammer »hinaus«.297 Konsequenzen werden hier oder bei 291

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Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 150-153 (152f.: »Senussi hat die ganze Geschichte aufgedeckt«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 447; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 162-166 (Zitat: 165f.); Theadelphia, 85. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 218. Borchardt et al., Tgb. Amarna 1906/07, 60 (dort auch Unzufriedenheit mit Wächtern). Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 184 (Wächter rief Senussi); 1910, 131; 1906, 35; vgl. Schubart, Wüste, 18f.; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 16. Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 33f. (Zitat: 34). Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 20f.; vgl. 29. Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 51.

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genanntem Touristen keine genannt; in einem ähnlichen Fall gab es dagegen bedeutende: 1905 drangen betrunkene französische Touristen in das Grabungshaus des britischen Antikendienstinspektors Howard Carter in Saqqara ein. Die ägyptischen Wächter verteidigten sich, worüber die Franzosen sich bei ihrem Konsulat beschwerten. Da Gewalt von Ägyptern gegen westliche Ausländer als inakzeptabel galt, musste der Antikendirektor Maspero Carter dazu auffordern, sich zu entschuldigen. Da Carter sich weigerte, wurde er versetzt und beschloss kurz darauf, aus dem Antikendienst auszuscheiden.298 Wie mächtig werden sich demnach die genannten Vorarbeiter der Deutschen gefühlt haben – entsprechend herrisch werden sie im Zweifelsfall mit ägyptischen Arbeitern und Anwohnern umgegangen sein.299 Ihre Machtausübung mögen wir ebenfalls im Bhabhaschen Sinne als »Mimikry« der deutschen Archäologen verstehen (Kap. 4.2.2.1), die deren Alleinherrschaftsanspruch untergrub. Zumindest erwuchs den Vorarbeitern insbesondere aus Quft eine »hybride« Identität, »which complicate[d] the categories of ›colonial‹ and ›indigenous‹ archaeology«.300 Sie wurden zu jenen go-betweens bzw. intermediaries, die westliche Forschung bzw. Machtausübung im nicht-westlichen bzw. kolonialen Raum einerseits ermöglichten und andererseits begrenzten.301

298 Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 113f. 299 Doyon mutmaßt ferner, dass archäologische Raise in Ägypten einen Teil ihrer Autorität bzw. Legitimation aus der religiösen, der islamischen Mystik (Sufismus) entstammenden Kraft baraka bezogen; diese bestehe in »both the possession of spiritual wealth and its translation into worldly status« (Archaeological Labor, 147). In den Quellen zu den von mir untersuchten archäologischen Unternehmungen finden sich keinerlei Anhaltspunkte für eine religiöse Dimension des Vorarbeitertums. Vgl. jedoch Sedgwick, Sufism (147: »Sufism is an important part of Upper Egyptian Islam, and so an important part of the lives of many Upper Egyptian Muslims«); auch die von manchen der untersuchten Arbeiter praktizierte Zikr-Meditation (o. Kap. 3.5.4 Abs. 2) gehört zum Sufismus (Sedgwick, a.a.O., 148f.). 300 Doyon, History of Archaeology, 184, 187, 189f. (Zitat: 189). Der postkoloniale Begriff »hybrid« ist ebenfalls von Homi K. Bhabha geprägt worden (Castro Varela/Dhawan, Postkoloniale Theorie, 235-237, 247-250). 301 Raj, Go-Betweens; Lawrance et al., Intermediaries.

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Abb. 44: Grabungsarbeiten in einem Schachtgrab unter den Augen zweier Vorarbeiter bzw. Aufseher (Steindorff, Qau 1913/14)

ÄMULA, N1183. Scan: ÄMULA.

4.2.3 Das Feiern der Arbeiter: Feiertage und »Fantasias« In den von den untersuchten Archäologen hergestellten Quellen kommen die ägyptischen Arbeiter in Arbeitsliedern (Kap. 1.2.2) und, wenngleich selten, einzelne von ihnen in arabischen Kurzzitaten (3.4.1, 4.3) zu Wort. Des Weiteren äußern sie sich dort durch die Handlung bzw. Praxis des Feierns. Mit ihrem Feiern trugen die Arbeiter ein schillerndes Stück ihrer Volkskultur in die Ausgrabungen der Deutschen hinein. Die beiden höchsten islamischen Feste im Jahr begingen die Ortskräfte in ihrem Dorf und die ortsfernen Arbeiter im Feldlager, da die Ausgrabung dann ruhte (Kap. 3.3.0): Das Opferfest, das auf Türkisch Kurban Bayram (2.1.4) und auf Arabisch bzw. bei den untersuchten Arbeitern Id el-Kebir hieß, erstreckte sich über den Haupt- und seinen Vortag

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oder zumindest -abend; das Zuckerfest (türk.: Ramazan Bayram; arab.: Id el-Fitr), zum Ende des Fastenmonats Ramadan, über drei Tage.302 Da das Opferfest immer knapp zweieinhalb Monate nach dem Zuckerfest stattfand, und beide wegen des islamischen Mondkalenders durch das gregorianische Jahr wanderten, konnte eine Grabungssaison sogar von beiden Festen »betroffen« sein (so in Abusir 1907/08). Auf dem Rückweg von Siwa beeilten sich die Beduinen der Expedition, um rechtzeitig zum nahenden Zuckerfest zurück bei ihren Familien zu sein.303 Zu den Feiertagen erhielten vor allem die im archäologischen Feldlager wohnenden Arbeiter von den Archäologen »Festbakschische« in Form von Geld und/oder Lebensmitteln, darunter womöglich ein Hammel – die Schlachtung eines solchen gehörte für Gläubige, die es sich leisten konnten, vor allem zum Opferfest, das der überlieferten Opferung Ismaels (Isaaks) durch Ibrahim (Abraham) gedenkt.304 An den Festtagen gratulierten Archäologen und Arbeiter sich gegenseitig. Unter Umständen besuchten zu diesem Zweck Arbeiter aus den Dörfern bzw. deren Vertreter die Deutschen an der Grabungsstätte.305 Feiern in den Dörfern besuchten die Deutschen nicht; sie sahen sich dort höchstens Hochzeitsfeiern an, von denen sie wohl eher zufällig erfuhren.306 Eine andere Feierlichkeit fand dagegen an der Grabungsstätte vor den Augen der Deutschen statt: Vor allem die Stammarbeiter zelebrierten am Schluss einer Grabungskampagne oder wenn sie am Abend eines Grabungstages in besonders guter Stimmung waren eine »Fantasia«. Mit diesem Wort, dem Italienischen oder Griechischen entlehnt, bezeichneten Ägypter (und Araber anderer Länder) eine (weltliche) Darbietung zu Feier- bzw. Unterhaltungszwecken; »alles, wo es etwas Lustiges zu schauen und zu hören giebt«; »[e]in Scheingefecht der Beduinen, der Zug zur Beschneidung, die Abholung der Braut zur Vermählung, die unflätigen Straßentänze während des Beiram, eine Production der Kunstreiter, eine italienische Opernvorstellung, das Concert der Regimentsmusik: alles, alles Fantasia!«307 302 Opferfest: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 325, 329; 1903, 164, 168; 1903/04, 188, 193; 1907/08, 402, 404; Amarna 1911/12, 49f.; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abu Hamid, 164f.; 1902/03 Abusir el-Meleq, 92; 1903/04 ebd., 169f.; 1904/05 ebd., 73f.; 1905/06 Elephantine, 61f.; 1906/07 ebd., 33; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 23-25; 1906, 5f.; Qau 1913/14, 96f.; Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 54f.; 1909/10 Dimai, 24, 26; Zuckerfest: Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 292f. (bei Borchardt in Abu Gurob); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 33, 36; 1903/04, 5; 1907/08, 237, 241, 245; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1906, 39f., 42; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 100f. 303 Steindorff, Libysche Wüste, 151. 304 Festbakschische: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 33, 325; 1903/04, 188; 1907/08, 237, 245, 402, 405; Amarna 1911/12, 40, 49; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 24; 1906, 5; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 101; 1908/09 Philadelphia, 54; Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Elephantine 1906/07, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 55; Schubart, Wüste, 27; zu den beiden Hochfesten und ihren Bräuchen: Blackman, Fellahin, 259f.; Klunzinger, Oberägypten, 172-174. 305 Steindorff, Tgb. Siwa 1899/1900, 295 (bei Borchardts Grabung in Abu Gurob); Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 14; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 36; »Gratulationsbesuch« von Stammarbeitern: Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 170 (Zitat); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 25 (Oberägypter aus dem Feldlager). 306 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 94f.; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 242. 307 Klunzinger, Oberägypten, 184 (1. Zitat), 187; Wallner, Nil, 339 (2. Zitat); ferner Lehnert, Ägyptenreise Meyerhof, 146f.; Willmore, Spoken Arabic of Egypt (1901), 386 (übersetzt als »show, parade«). Schon 1813 hörte ein erstaunter englischer Reisender das Wort »fantasia« in Nubien: »We were

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Abb. 45: Fantasia der Grabungsarbeiter; einer tanzt mit einem Stab (reißt Possen?), einer spielt Flöte (Steindorff, Qau 1913/14)

ÄMULA, N1418. Scan: ÄMULA.

Bei den Fantasias der untersuchten Arbeiter (Abb. 45) sangen bestimmte Männer und/oder Jungen, spielten auf Flöten und Trommeln, tanzten; mitunter verkleidete man sich auch bzw. riss Possen. Manche Fantasia wurde von Quftis oder Abusiris veranstaltet, manche von ihnen zusammen.308 Manche Fantasia war mit einem Wettkampf ver-

rather surprized to hear our [boat] crew, who were also natives of the country, call [a marriage festival in El-Derr] (in lingua Franca) a fantasia« (Legh, Egypt, 68). »Lingua franca« meint hier »Sprache der Franken« – so bezeichneten die Araber seit den Kreuzzügen Westeuropäer. Der Form nach stammt »fantasia« (‫ )ﻓﻨﻄﺰﻳﺔ‬aus dem Italienischen (fantasia, zu Deutsch: Phantasie) oder aber Griechischen (φαντασία, zu Deutsch ebenfalls: Phantasie) (neben dem Italienischen auf das Griechische verweist Isa, Al-Muhkam, 171). Vermutlich übernahmen die Ägypter das Wort von den Italienern bzw. Griechen, die im Rahmen von Mohammed Alis Öffnungs- bzw. Modernisierungspolitik (o. Kap. 2.2.1) ab 1805 ins Land kamen (zu dieser Immigration: Deeb, Foreign Minorities in Modern Egypt, 12; zu den Ausländern im damaligen Ägypten, die vor allem als Kaufleute in Alexandria und Kairo lebten: Mengin, Égypte, 268-276, 417f.). Doch weshalb bezogen die Ägypter ein fremdsprachiges Wort für »Phantasie« auf Festveranstaltungen? Vielleicht, weil ihre »Fantasias« der Phantasie der Darbietenden entsprangen und/oder die Phantasie des Publikums anregten. In jüngerer Zeit wird das Wort übrigens mit (engl.) »extravaganza« übersetzt (Badawi/Hinds, Egyptian Arabic [1986], 673). 308 Fantasias: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 149, 201, 302, 329; 1903, 172f.; 1907/08, 107, 241; Amarna 1908, 6; 1911, 153; 1912/13, 233; 1913/14, 148, 205f.; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 73, 75, 140f.; 1902/03 Abusir el-Meleq, 122, 146; 1903/04 ebd., 116, 134, 170, 186; 1904/05

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bunden, in Form von Laufen, Ballwerfen, Tauziehen oder Stockfechten.309 Die Arbeiter zeigten sich bei Fantasias »fidel« oder in »Ulkstimmung«; die Deutschen empfanden die Darbietungen durchaus als »hübsch« oder »wundervoll«.310 Den untersuchten Arbeitern werden die Feiertage und Fantasias bzw. die Vorfreude darauf und Erinnerung daran ebenso wie ihre Arbeitslieder (Kap. 4.2) dabei geholfen haben, den harten Grabungsalltag zu bewältigen. Manche schlugen an Feiertagen mit dem Feiern und Essen derart über die Stränge, dass sie am ersten darauffolgenden Arbeitstag noch nicht zur Grabung kamen.311

4.3 Bedeutung Altägyptens für die Arbeiter Für die untersuchten Archäologen war das alte Ägypten bzw. seine Hinterlassenschaften der Grund, warum sie nach Ägypten kamen und dort arbeiteten. Sie wollten Erkenntnisse über eine der ersten menschlichen Hochkulturen gewinnen,312 von der so vieles im Dunkel der Jahrtausende lag. Hingegen können wir nur erahnen, was die archäologischen Arbeiter im alten Ägypten sahen, und ob es für Fellachen dementsprechend einen Unterschied machte, mit ägyptischen Antiken oder in der Landwirtschaft oder sonst wo zu arbeiten. Anwohner antiker Stätten in Ägypten, die womöglich seit Generationen neben diesen lebten, kannten sie freilich sofern sie nicht völlig verschüttet waren, und benutzten sie seit jeher als Quelle für Dünger und Baumaterial.313 Als im Laufe des 19. Jahrhunderts der Bedarf für beides stieg und zugleich immer mehr westliche Ausländer ins Land kamen, die sich für Altertümer interessierten bzw. bereit waren, Geld für sie bzw. ihre Ausgrabung zu bezahlen, wurden immer mehr Fellachen zu gelegentlichen oder ständigen Antikensammlern, -händlern, -führern und/oder archäologischen Arbeitern (Kap. 2.2.4). Zumindest die Tätigkeit als Antikenhändler – oder gar -fälscher (ebd.) – setzte ein kunsthistorisches Verständnis der Antiken voraus. Das tägliche Leben der Fellachen neben antiken Stätten – oder gar, wie in Qurna oder El-Hagg Qandil auf oder in wel-

Hermopolis, 60; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 114; 1905, 60, 69, 80, 101; 1909, 80; Aniba 1912, 45, 88; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 134; Schubart, Wüste, 33. 309 Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 19; Amarna 1911, 182f., 187f.; 1911/12, 50f.; 1912/13, 235; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 74; 1909, 162. 310 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 314 (Ulkstimmung); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 13 (fidel), 114 (hübsch); Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Hermopolis, 60 (wundervoll). 311 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 193; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 26. 312 Vgl. Kap. 3.5.4 Abs. 6; Georg, Egyptology as Area Study, 259-264. 313 Dünger (sebach): Jomard, Heptanomide, 300, 305; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 2, 137; Petrie, Seventy Years in Archaeology, 54-58; Quickel/Williams, Sibākh; o. Kap. 4.1.2; Baumaterial: o. Kap. 2.1.5 (Brugsch, Aegypten, 10-12, 110, 205; vgl. 215); Jomard, Heptanomide, 363, 370, 391; Panckoucke, Description Égypte, Bd. 1, 414; Bd. 3, 456; Bd. 4, 47, 189; Bd. 5, 121f., 371, 425; Denon, Égypte, Bd. 1, 103; Hartleben, Leben Champollion, 185; Lettres et journaux de Champollion, 141; Vyse, Gizeh, Bd. 1, 96, 98, 119; Bd. 2, 103; Ebers, Lepsius, 174f.; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 118.

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chen314 – konnte ihnen ein für Außenstehende erstaunliches Wissen über sie vermitteln (ebd.; 3.3.3.2). Und die erfahrenen Grabungsarbeiter der untersuchten Archäologen entwickelten diesen zufolge ein »wirkliches Verständnis für die [archäologische] Arbeit«.315 Dass Fellachen wirkliches Wissen über Antiken besaßen, muss jedoch nicht heißen, dass diese sie intrinsisch zur Arbeit in der Archäologie motivierten. Dazu hätten die Fellachen die altägyptische Zivilisation wie die Archäologen für besonders erforschungswürdig halten oder, ebenfalls wie westliche Archäologen es taten (Kap. 3.5.4 Abs. 6), sich selbst als Erben dieser Zivilisation und Hochkultur betrachten müssen.316 Für derlei Gedanken gibt es in meinen Quellen bzw. bei den Arbeitern der untersuchten Archäologen keinerlei Anhaltspunkte. Andererseits gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass (potenzielle) Arbeiter der Archäologen sich vor antiken Stätten fürchteten oder sie wegen ihres heidnischen Ursprunges ablehnten. Während die Angst vor dunklen Ruinen (Kap. 2.2.4) sowie religiöse Vorbehalte gegen das alte Ägypten (2.2.1) zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch verbreitet waren, schwächte beides sich sicherlich desto mehr ab, je mehr die Ägypter das ausländische Interesse an »ihren« Altertümern erkannten bzw. bedienten – ich habe dies als Archäologisierung der Ägypter charakterisiert (2.2.4). In Oberägypten wurden antike bzw. vorislamische Zisternen noch in den 1930er Jahren »heidnisch« genannt.317 Zumindest die Arbeiter der untersuchten Archäologen fielen diesen jedoch nicht durch Beten (3.5.4 Abs. 2) bzw. große Frömmigkeit auf, und manche kehrten noch vor dem jeweiligen Ende eines (mehrtägigen) islamischen Hochfestes zur Grabungsarbeit zurück.318 Die wundersamen Altertümer Ägyptens hatten seine Fellachen oder auch Beduinen seit jeher zu ebensolchen Vorstellungen angeregt, die sich in ihr paranormales Weltbild fügten.319 Noch in meinem Untersuchungszeitraum glaubten manche Ägypter an Goldschätze in den Altertümern oder deren magische Kräfte;320 die untersuchten Archäolo-

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Qurna: Kap. 2.1.1 (Hamilton, Ægyptiaca, 16); das Dorf El-Hagg Qandil stand auf einem Teil der (sehr ausgedehnten) antiken Stätte von Tell el-Amarna, sodass die Deutschen einmal fast »im Dorfe selbst« gruben (Borchardt, Diesjährige Ausgrabungen [Klio 1912], 494; vgl. o. Karte 3.3.3.1b). 315 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 5. 316 Zu den verschiedenen Definitionsmöglichkeiten von »intrinsischer Motivation«: Rheinberg/ Engeser, Intrinsische Motivation. Auf unseren Kontext besonders anwendbar: Intrinsische Motivation als Interesse und Involviertheit (ebd., 428f.). 317 Winkler, Volkskunde, 8. 318 Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Elephantine, 61; Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 105. 319 Zu den Vorstellungen: Kap. 2.1.3 (Hartleben, Lettres et journaux de Champollion, 220); El Daly, Missing Millennium, 80f.; zum Weltbild: o. Kap. 4.2.2.1; Blackman, Fellahin, Kap. 11, 13f.; Murray, Egyptian Bedouin, Kap. 10; Fernea, Nubians; diesbezügliche Beobachtungen des britischen Ägypten-Archäologen Aylward M. Blackman (1883-1956; Bruder der genannten Winifred S. Blackman [o. Kap. 3.3.8]): Egyptian and Nubian Notes. 320 Maspero, Service des antiquités 1899-1910, IX, 189; Fiechter, Moisson, 199. Zu solchen Vorstellungen in früheren Zeiten auch Belzoni, Egypt, 409, 411 (Anwohner hielten sich von Ruinen fern, weil sie den Teufel darin wohnend glaubten); Vyse, Gizeh, Bd. 2, 27 (»[An] old Arab […] offered […] to shew me ninety chambers full of gold near the Sphinx«); Rhind, Thebes, 104 (»the extravagant speculations which the fellaheen always entertain with regard to the probable contents of tombs«); Rifaud, Égypte, 116f.; Vercoutter, Égypte, 58-60; Siliotti, Egypt, 307; Khater, Régime juridique des fouilles en Égypte, 10-18; Sattin, Lifting the Veil, 94.

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gen sahen 1902 in Abusir einen Beduinen, der mit seinen zwei Frauen ein antikes Grab besuchte, damit es ihnen Fruchtbarkeit schenke.321 Daneben betrachteten bzw. nutzten Fellachen »ihre« Altertümer wie eben erläutert ganz pragmatisch als materielle Ressourcen. Unbeachtet ließen sie somit die historisch-zivilisatorischen Errungenschaften Altägyptens, aufgrund derer sich die Archäologen sowie, ab Ende des 19. Jahrhunderts, ägyptische Nationalisten für die Altertümer interessierten – die Nationalisten hofften, dass die Ägypter sich durch die gemeinsame Erinnerung an die antike Macht und Größe ihres Landes zu einer stolzen Nation verbanden, die die britische Kolonialherrschaft abschütteln würde.322 Dieser sogenannte Pharaonismus war jedoch ein Projekt städtischer Intellektueller, weshalb einer von diesen, Ahmed Lutfi el-Sayyid (1872-1963), 1912 feststellen musste: »The truth is that we [Egyptians] know less of the [ancient] value and glory of our country than the tourists do«.323 Die archäologische Arbeit der untersuchten Vor-, aber auch einfachen Arbeiter konnte durchaus Gefühle bzw. Leidenschaft in ihnen wecken. Vor allem, wenn bedeutende Funde zu erwarten waren, verzeichneten die Archäologen bei einzelnen oder den Arbeitern insgesamt »Eifer« oder »Ehrgeiz«, »Spannung«, »Aufregung« oder »Fieberhaftigkeit«.324 Wenn etwas gefunden wurde, verzeichneten sie womöglich »Freude« oder »Vergnügen«, andernfalls »Verstimmung«.325 Der Obervorarbeiter Senussi entwickelte unter Umständen den »Herzenswunsch«, eine bestimmte Stelle in der Grabungsstätte 321 322 323

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Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 310; zum Fruchtbarkeitskult um Antiken in Ägypten: Blackman, Fellahin, 97-100; Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, 294-298. Wood, Use of Pharaonic Past, 179-185; Colla, Conflicted Antiquities, Kap. 3. Aus dem Artikel Athar al-jamal wa-jamal al-athar (Die Altertümer der Schönheit und die Schönheit der Altertümer) in der Zeitung Al-Jarida Nr. 1748, zit.n.: Colla, Conflicted Antiquities, 142; vgl. Gershoni/Jankowski, Egyptian Nationhood, 306 Anm. 1; Wood, Use of Pharaonic Past, 195; Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, 431-433. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 134 (»[eingestürzte] Sandwand, wo bereits alle Vorarbeiter fieberhaft arbeiten«); 1903/04, 104 (»[Alles] ist jetzt […] unten im Thal […] in fieberhafter Tätigkeit«), 179 (»Am Portalbau werden die Sandmassen mit großem Eifer von den Leuten herausgeschafft«); Amarna 1911/12, 152 (Vorarbeiter Abu el-Hassan »legt mit Feuereifer die gestern begonnene Bildhauerwerkstatt […] frei«), 236 (»Trotz eifrigen Suchens werden […] keine Mauern gefunden«); 1913/14, 26 (Abu el-Hassan »gräbt […]. Trotz seines grossen Ehrgeizes kann er uns aber keine Sonntagsfreude bereiten«), 269 (»Es ist jetzt ein großer Ehrgeiz bei den Jungen ausgebrochen und an jeder Raumecke wird nochmal nachgescharrt«), 289 (»2 Funde sind noch zu bemerken, die eifrigen Zeichenjungen zu verdanken sind«); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 36 (»Dem unermüdlichen Eifer Mahm[u]d Alis gelang es dann, auch die weitere engere Fortsetzung« der Katakomben »zu entdecken«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 108 (»leider ist trotz eifrigen Suchens der Kopf der [Statue] nicht aufzufinden«), 123f. (»das fehlende Stück [der Statue] wurde trotz eifrigen Suchens nicht gefunden. […] Der Leute« an der vielversprechenden Stelle »bemächtigt sich eine große Aufregung, ein jeder sucht in der Nähe« des voraussichtlichen Fundortes »zu graben«); Aniba 1912, 113 (»[Der Statue] fehlt ein kleines Stück am Fuss, von dem aber bei eifrigem Suchen noch Splitter zu Tage gefördert werden«); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 163 (»Sch[ä]chte […], die nun unter großer Spannung der beteiligten Arbeiter ausgeschachtet werden«). Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 48 (»Die Leute und nicht zuletzt wir selbst sind über die neuen Funde sehr vergnügt«); Qau 1913/14, 62 (»Das ist eine bittere Enttäuschung; nach so langer Arbeit nur diese wenigen Fundstücke. Wir sind alle sehr verstimmt«); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 103 (»Im Lager herrscht große Freude ob dieser Funde«; weiter Rubensohn, Briefe an

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näher zu untersuchen, und nachdem er in Aniba »den Nordfriedhof entdeckt« hatte, hatte er »keine Ruhe, bis er weiß, was dort enthalten ist«.326 Archäologische Enttäuschungen nahm er besonders schwer: Er zeigte sich »ganz niedergeschlagen« oder »in schlechtester Laune«, oder machte »darob ein so trauriges Gesicht, daß ich […] ihn noch trösten muß«. Als er in Aniba unter dem Kopf einer Mumie keine Grabbeigaben fand, fluchte er: »Ibn el-kelb, mafîsch ḥâge taḫt râsoh«, »was etwa heisst: ›der Schweinehund hat nicht mal etwas unter seinem Kopf!‹«. Senussis Kollege Abu el-Hassan konnte bei enttäuschenden Befunden gleichfalls »sehr wenig mabsût« (arab. für »glücklich«) sein.327 In Amarna veranstalteten die Stammarbeiter 1914 nach einem Grabungstag, an dem der Kopf einer Königsstatue gefunden worden war, sogar eine Fantasia (Kap. 4.2.3).328 Und am 7. Dezember 1912 dichtete dort ein Arbeiter namens Abu el-Hassan Mohammed (wohl aber nicht der Vorarbeiter) ein »Freuden-« bzw. »Siegeslied«, nachdem am Vortag die spektakulären Funde um die Nofretete-Büste (5.3 Abs. 7) begonnen hatten. Die Archäologen haben das Lied im arabischen Original sowie in deutscher Übersetzung notiert, letztere lautet: »Da bringt der Kerl ʼne Statue Und wieder bringt er ʼne Statue. Seit gestern schon ist er vergnügt, So Gott will, täglich vergnügt. O Gott! O Gott! Diese Statue! Und wieder: schön ist die Statue! Gern finden wir täglich ʼne Statue Dann ist der Doktor vergnügt. Dann sind auch die Leute vergnügt. Wir sehʼn gern den Doktor vergnügt. Weil dann die Kompagnie vergnügt, Die Kompagnie und die Leute und der Doktor und Alle vergnügt!«329 Borchardt sah in diesen Worten in »sehr hübsch[er]« Weise »den Hintergedanken an die ›offene Hand‹« ausgedrückt, der dem Verhalten selbst der archäologisch versiertesten Stammarbeiter zugrunde liege330 – sie alle würden sich mit Archäologie letztlich nur zu dem Zweck befassen, Geld in Form von Arbeitslöhnen und Fundprämien einzunehmen. Trotz der orientalistischen Stereotype, die damals zu einem solchen Urteil beigetragen

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Familie, 391f. [ebd., 20.1.1904]); 1904/05 ebd., 86 (»Im Lager herrscht über die Papyrusfunde große Freude«). Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 59 (»Um Senussi einen Herzenswunsch zu erfüllen«, wird ihm eine Versuchsgrabung erlaubt); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 163. Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 221 (niedergeschlagen); Aniba 1912, 148; Qau 1913/14, 213 (Laune); Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 102f. (traurig); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 13 (mabsud). Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 148. Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 5f. (5: »Siegeslied«; 6: zitierter deutscher Text); ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 108f. (108: »Freudenlied«). Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 5.

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

haben (Kap. 3.5.4 Abs. 6),331 muss ich es zumindest für die einfachen archäologischen Arbeiter bestätigen. Denn erstens konnten die meisten Fellachen es sich wegen ihrer sozioökonomischen Lage (4.1.2-3) schlicht nicht leisten, in wissenschaftlicher oder nationalistischer Weise über das alte Ägypten nachzudenken. Aus ihrer Sicht war Archäologie bzw. Ägyptologie jener Zeitvertreib für Reiche, als den der britische Ägyptologe Arthur Weigall (1880-1934) sie beschrieb.332 Zweitens hätten die meisten Fellachen die Werte, die akademische Archäologen oder Nationalisten mit dem alten Ägypten verbanden, insofern gar nicht nachvollziehen können, als ihnen dafür die allgemeine Bildung sowie wissenschaftliche Mentalität fehlte. Die Arbeiter der untersuchten Ausgrabungen waren analphabetische ägyptische Landarbeiter, die Archäologen deutsche Universitätsabsolventen mit Wissenschaft als Beruf und Berufung – dazwischen lagen in vieler Hinsicht Welten. Die Disziplin der bzw. Idee von Archäologie beruhte auf bzw. verkörperte die gesellschaftliche und geistige Moderne des neuzeitlichen Europa.333 Die ägyptischen Nationalisten, von denen wichtige Vordenker in Europa studiert hatten,334 übernahmen diese Idee und passten sie ihren Zwecken an. Die meisten Fellachen verharrten demgegenüber noch Anfang des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus in einer, mit Max Weber gesprochen, »traditionalen« (Ideen-)Welt.335 Für die untersuchten Arbeiter war ein archäologisches Fundstück daher, laut obigem Lied, eine »Statue«, die »den Doktor«, also Borchardt oder einen seiner deutschen Assistenten vergnügt machte (auch Rubensohn erwähnt, dass Anwohner einer Grabungsstätte ihn »Doktor« nannten336 ). Die Arbeiter waren dann ebenfalls vergnügt – nicht über die »Statue«, sondern weil »der Doktor« über sie vergnügt war und die Arbeiter für den

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Vgl. Woolley, Dead Towns (1920), 34-37 (34: »the Egyptian fellah […] is shrewd enough to have a very fair idea of the value of his finds and of their relative date, but he has remarkably little real interest in his work and less in you [the archaeologist]; with him it is a question of wages and baksheesh and no more«). 332 Moreno García, Egipto antiguo o el paraíso perdido, 114. 333 Thomas listet die »modernen« Elemente der Archäologie wie folgt auf: »the recognition of the difference of the past; the replacement of teleology by a classificatory mode of knowledge; the formulation of narratives of social and technological progress; the rise of the belief that new knowledge can be made from material things; the view of materiality that arose from superimposing the distinction between mind and matter on that between form and matter; the emphasis on depth models; and the belief in the naturalness of bounded human groups that arose alongside the nation-state. This is why not all societies practice archaeology« (Thomas, Archaeology’s Place in Modernity, 31). Gesellschaftlich spielten die Stärke und die Eigenheiten des europäischen Bürgertums eine Rolle, dem die meisten Archäologen bzw. Altertumsinteressierten angehörten (Trigger, Archaeological Thought, 14f.). Weiter Thomas, Archaeology and Modernity. 334 Colla, Conflicted Antiquities, Kap. 3, bes. 125. 335 Analog dazu missbilligten Dorfbewohner in Griechenland Anfang des 19. Jahrhunderts die Wegnahme einer antiken Statue durch den britischen Forscher Edward Daniel Clarke (o. Kap. 3.2.2), weil sie sie – wiederum zum Unverständnis des Forschers – als Beschützerin ihrer Felder verehrten (Hamilakis, Decolonizing Greek Archaeology, 276f.). 336 Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Abusir el-Meleq 1903/04, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 49.

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Fund belohnen würde. Mit der Anrede doktur werden im ägyptischen Arabisch tatsächlich oder vermeintlich promovierte Wissenschaftler aller Fächer geehrt;337 in unserem Fall verdeutlicht sie die intellektuelle Kluft, die die Arbeiter selbst zwischen ihnen und den Archäologen erkannten und anerkannten. Dass sie dies wiederum in einem Lied ausdrückten und sie solche während der Grabungsarbeit zu singen pflegten, mag die Fremdheit widerspiegeln, die Fellachen bei einer archäologischen Unternehmung empfanden: Sie verstanden eigentlich nicht, warum die Archäologen sie die jeweilige Grabungsarbeit in der jeweiligen Weise verrichten ließen. Volkstümliches arabisches Singen war ein Versuch »to recreate the boundaries of a more familiar social universe« inmitten jener fremden Welt.338 In Abusir war den deutschen Archäologen 1907 ausdrücklich bewusst, dass viele Leute letztlich um des Geldes willen bei ihnen arbeiteten (oder nicht)339 – sie hatten es nötig. Trotzdem beklagte Borchardt, dass die Fellachen antike Stätten ausraubten anstatt ihnen »Respekt« entgegenzubringen.340 Und aus »Beweggründen, die jedem Europäer unverständlich sind« (Borchardt), bzw. »von bübischen Händen« (Steindorff et al.) sei 1912 in Amarna eines Nachts ein »prächtig bemalte[r] Fußboden« (Borchardt) im antiken Königspalast mit Hacken zerstört worden – eine »[u]nglaubliche Schweinerei!« (Borchardt et al.).341 In solchen Reaktionen der Deutschen verbinden sich, unter anderem, die (modernen) Diskurse (Kap. 1.4.4) »Wissenschaft« und »Bildungsbürgertum« miteinander: der historisch, epistemologisch und geradezu moralisch gebotene »Respekt« vor den Altertümern als Hinterlassenschaften einer Hochkultur und Quellen für deren Geschichte; die Empörung über das geradezu kriminelle Nichteinhalten dieses »Respekts« – und das Unvermögen, irgendwelche Gründe für das Nichteinhalten zu erkennen und anzuerkennen. Zu den nachvollziehbaren, von den Fellachen nicht einmal selbst verschuldeten Gründen hätte ihr wirtschaftliches Elend gezählt sowie ihre – nach »modernen« Maßstäben – geringe Bildung bzw. traditionale Mentalität. Bei dem Fußboden in Amarna kamen besondere Umstände hinzu: Die betreffenden Fellachen mögen ihn zerhackt haben, da er scharenweise Touristen anzog, die auf dem Weg zu ihm Fellachenfelder zertrampelten; oder der Vandalismus war Teil der Fehde zwischen den Dörfern El-Tell 337 Parkinson, Terms of Address, 121-125; ferner u. Kap. 5.1 Anm. 42. 338 Doyon, Archaeological Labor, 147. 339 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 16 (auf dem Markt »ist den Arbeitern genügend Gelegenheit gegeben, ihr Geld möglichst schnell auszugeben, was einstweilen im Interesse der Arbeit ist«), 34f. (»Das Dorf hat den guten Profit einer reichen Ernte eben eingeheimst, ist bisher ohne die Einnahmen einer Sommergrabung ausgekommen, also kann es das auch dieses Mal«), 39 (»Warum […] der Lohnerhöhung nicht gleich eine erhebliche Zunahme der Arbeiter gefolgt ist, ist mir heute klar geworden: 2 [Quftis] hatten im Übereifer bei ihrem Werbegang durch die Dörfer schon 8 Tage vor mir [gegenüber] Leuten von einer Lohnerhöhung gesprochen. Danach natürlich große Enttäuschung bei der letzten Auszahlung. Viele werden wohl erst die morgige Auszahlung abwarten wollen, um nicht wieder enttäuscht zu werden«). 340 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 2-5 (Zitat: 4). 341 Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 3-5 (prächtig: 3; Beweggründe: 5); ders. et al., Tgb. Amarna 1911/12, 261-265 (Schweinerei: 262); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 91; ferner Rubensohn, Briefe an Familie, 200 (Amarna, 5.12.1902: »Jetzt hausen elende Koptenfamilien in den Räumen [des Klosters] und zerstören die antiken Reliefs und Inschriften«).

4 Die Perspektive der ägyptischen archäologischen Arbeiter

und El-Hagg Qandil (Kap. 4.1.3): Die Angreifer stammten aus letzterem und wollten dem Wächter des Fußbodens schaden, weil er aus El-Tell stammte.342 Doch galt die, aus der Sicht der Archäologen, »profane« Motivation der archäologischen Arbeiter auch für die Stammkräfte? Vor allem dem Obervorarbeiter Senussi, den die Grabungsarbeit in der eben angeführten Weise emotional beanspruchte, möchte man nicht absprechen, dass er diese Arbeit in der Überzeugung tat, an der Erforschung und Rekonstruktion einer großen, ja seiner eigenen Kultur mitzuwirken. Andererseits verglich er Antiken mit Lebensmitteln: So wie es an manchen Tagen Linsen und an anderen lediglich Zwiebeln gebe, bringe eine Grabung an manchen Tagen gute bzw. viele Funde und an anderen nicht.343 War die Archäologie auch für Senussi also letztlich das, was ihn – körperlich – ernährte? Heute jedenfalls scheinen ägyptische archäologische Arbeiter, die ein »intrinsisches« Interesse am alten Ägypten haben bzw. ihm einen ideellen Wert zuschreiben, Ausnahmen zu sein – trotz ihrer zweifellos enormen Fertigkeiten und Kenntnisse bezüglich ägyptischer Antiken und ihres womöglich jahrzehntelangen Umgangs mit ihnen. Einzelne Quftis betrachten die alten Ägypter als ihre eigenen Vorfahren, ihre eigene Geschichte; sie führen zu Grabungen eigene Tage- bzw. Notizbücher, versuchen sich an der wissenschaftlichen Interpretation von Funden oder zeigen Eigeninitiative bezüglich der Grabungsorganisation.344 Dagegen geben andere Quftis ohne Umschweife zu, dass sie eine andere Arbeit sofort annähmen, wenn diese ihnen höhere Einkünfte böte.345 Ideellen Wert besitzt die Archäologie sogar für diese archäologischen Spezialisten und Professionellen nur insofern, als sie stolz darauf sind, an Grabungen mitgewirkt und bestimmte Antiken »gefunden« zu haben. Darum bewahren manche in ihrem Haus Fotos oder gedruckte Berichte von Grabungen auf, die ihnen die Archäologen geschenkt haben und in denen sie womöglich namentlich genannt sind; und sie erzählen, dass in einem bestimmten Museum in Ägypten Fundstücke aus »ihren« Grabungen ausgestellt seien. Wir können vermuten, dass solche Stücke der einzige Grund wären, weshalb Grabungsarbeiter ein archäologisches Museum besuchen würden.346

342 Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 40 mit 298 Anm. 39; letzteres angenommen z.B. von Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 262; Griffith, El-ʿAmarnah, 300; ersteres z.B. von Petrie, Seventy Years in Archaeology, 138; Chubb, Nefertiti, 60. Oder die Angreifer waren selbst Wächter an der Stätte und handelten aus Neid auf ihren an dem Fußboden postierten Kollegen, da die meisten Touristen zu ihm kamen und ihm Bakschisch gaben (Tyldesley, Egypt, 157). 343 Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 193; vgl. Verner, Abusir (2002), 193 (»Archaeological field work is patient and seemingly unexciting labor with only rare lucky finds or, as the Arabs say, the ›onion‹ days which are only rarely interrupted by a ›honey‹ day«). 344 Eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015; ferner Jeffreys, Egyptian Colleagues, 14; Weeks, Lost Tomb, 189 (»Even fifteen years ago, very few [of our workers] were literate, but today [1998] all but six of the twenty men we employ can read and write. They also take an active interest in the work we do, asking questions about Ramesses II, discussing with each other the significance of the artifacts we find, offering suggestions about the progress of the work. Several have even asked if there are Arabic-language books on ancient Egypt, and I am only too happy to encourage this interest«). 345 Eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015. 346 Eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015.

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Auch die Ortskräfte, die Beck 2011 bei deutsch-ägyptischen Ausgrabungen in Assiut interviewt hat, bezogen ihre wichtigste oder gar einzige Motivation aus dem zu verdienenden Geldlohn. So erklärte Abraam (bei jener Grabung waren die meisten Arbeiter Kopten): »Diese Arbeit ist wie andere. […] Mit dem Geld, das ich erhalten werde, werde ich mich einkleiden. […] Diese Dinge [die Altertümer] können Wert im Museum haben, aber sie haben keinen Wert bei mir zu Hause. Das bedeutet, es gibt Leute, die sich um so etwas bemühen und Anstrengungen machen, und das ohne Nutzen [für mich]«. Und Ahmed: »Es ist nur Arbeit, irgendwie Arbeit. Es geht uns nichts an, wir haben keinen Nutzen [davon]. Du siehst uns in einem fort mit der Schubkarre. Wir haben keinen Nutzen. Du hast deinen Tag auf Arbeit verbracht. Dann gehst du geradewegs nach Hause«.347 Doch wenn sogar heutige Quftis – von lokalen Tagelöhnern zu schweigen – eher kein intrinsisches Interesse am alten Ägypten haben, hatten es die Arbeiter bis 1914 noch weniger. Denn heutige Arbeiter sind durchschnittlich gebildeter; und seit Ägyptens endgültiger Unabhängigkeit 1952/53 werden auch seine unteren Gesellschaftsschichten regelmäßig mit seiner Antike bzw. seinen Altertümern konfrontiert – im Schulunterricht, durch öffentliche Symbole sowie den Massentourismus mit seinen zahlreichen Arbeitsplätzen; und der ägyptische Nationalstaat, der im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden ist, inszeniert seine Bürger alltäglich als Erben Altägyptens, um ihre gemeinsame Identität zu stärken.348

347 Beck, Perspektivenwechsel, 57; vgl. 54-56. 348 Zu Altägypten im ägyptischen Schulunterricht von den 1950er bis 1980er Jahren: Coudougnan, Nos ancêtres les pharaons; zur Nationalidentität: Hassan, Memorabilia; Röbbelen, Ägypten, 361-364, 371-374; außerdem zu nationalidentitätsbezogenen und anderen Bedeutungen Altägyptens im modernen bzw. für das moderne Ägypten: Meskell, Pharaonic Legacies; Ikram, Collecting Egypt’s Past.

5 Schlussfolgerungen

Als Ergebnis meiner Forschungen lassen sich Platz und Rolle der Arbeiter bei den untersuchten Ausgrabungen grafisch wie folgt zusammenfassen:

Diagr. 5: Organigramm einer Grabung unter Borchardt bzw. Kollegen, 1898-1914

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Meine Quellen haben mir ermöglicht, die ägyptischen Arbeiter der untersuchten archäologischen Unternehmungen in Ägypten zwischen 1898 und 1914 unter verschiedenen Gesichtspunkten kennenzulernen, wenngleich wir uns oft mehr Details bzw. größere Klarheit gewünscht hätten. Der größte Teil des täglichen Geschehens bei den Unternehmungen bzw. des Lebens der Arbeiter dort und außerhalb schlüpft durch das weitmaschige Netz der mir bekannten Quellen. Die tausend Geschichten, die sich um die Arbeiter herum ohne unser Wissen ereignet haben müssen, könnten wir allenfalls imaginieren. Dass die untersuchten Archäologen jene 3,1 Millionen Arbeitsstunden, die die Arbeiter (Kap. 3.4.2) in diversen Funktionen für sie geleistet haben, nicht selbst hätten übernehmen können, ist trivial. Borchardt, Steindorff, Möller, Rubensohn und Zucker mit jeweils, angenommen, zwei Assistenten hätten dafür 207.000 Stunden bzw. 8.600 Tage bzw. 24 Jahre ohne Unterbrechung arbeiten müssen. Ohne die ägyptischen Arbeiter hätten die Deutschen nichts ausgegraben und die ägyptischen Sammlungen in Berlin oder Leipzig wären nicht gewachsen (ebd.). Weniger trivial als die quantitative Leistung der Arbeiter ist ihre qualitative. Die untersuchten Archäologen, allen voran Borchardt, hatten den Anspruch und das Bewusstsein, die Archäologie in Ägypten weiter zu professionalisieren bzw. systematisieren (Kap. 3.2.5.2). Borchardts Methode war »nicht auf einzelne Museumsstücke gerichtet«, sondern »auf Geschichte und Architektur als Gesamtbild«;1 mit anderen Worten: Ihm ging es eher um Wissen als um Gegenstände, eher um immaterielle als um materielle Schätze, womit er sich dem heutigen, modernen Ziel der Archäologie annäherte: »to learn as much as possible about the culture and life style of prehistoric people«.2 Darum wurde unter Borchardt in Abu Gurob/Abusir »zum ersten Male eine [altägyptische] Tempelanlage bis in alle Einzelheiten freigelegt«; und die Ausgrabung in Amarna war so gründlich, dass sie, zusammen mit vorhergehenden britischen Grabungen, »das Bild der [altägyptischen] Amarnazeit neu« zu »formen« vermochte.3 Um solche Ergebnisse zu erreichen, gruben Borchardt oder auch Steindorff für jeweils mehrere Jahre an Stätten wie Abu Gurob/Abusir, Amarna und Giza. Welch ein Unterschied zu früheren oder auch mit ihnen zeitgenössischen Forschern: »Belzoni [in den 1810er Jahren] took an amazingly quick ten days to empty a tomb that would, to modern Egyptologists, represent a lifetime’s work«; doch noch der US-amerikanische Finanzier Theodore M. Davis (1837-1915) ließ seine Archäologen zwischen 1902 und 1914 im Tal der Könige insgesamt 30 Gräber freilegen;4 und der Brite Petrie grub in Ägypten fast jede Saison an einem anderen Ort (Kap. 3.2.5.2). Im Vergleich dazu zeigten Borchardt und Steindorff – das Papyrusunternehmen bildete wegen seines eng begrenzten Fundziels 1 2 3 4

Kees, Geschichte der Ägyptologie, 8. Hester et al., Archaeology, 3. Kees, Geschichte der Ägyptologie, 8. Tyldesley, Egypt, 95 (Belzoni); vgl. Wilson, American Egyptology, 117; zu Davis: Vivian, Americans in Egypt, 233 (ironischerweise werden Davis’ Unternehmungen hier angesichts der Bilanz von 30 Gräbern gelobt als »the most prolific […] ever carried out in the Valley of the Kings«). Zu Davis’ Kontakt mit den untersuchten Archäologen: o. Kap. 3.2.4 Anm. 139; seine Grabungsmethoden gleichgesetzt mit »a kind of human bulldozer« in Ryan, Ancient Egypt, 138; ähnlich Tyldesley, Egypt, 174.

5 Schlussfolgerungen

einen methodischen Sonderfall – wissenschaftliche »Geduld« und folgten, wie auch Möller, (zumindest theoretisch) dem modernen Grundsatz, dass »nothing is too trivial to be recorded«.5 Aus heutiger Sicht, weitere hundert Jahre später, wiesen auch die Ausgrabungen der untersuchten Archäologen ernste methodische Mängel auf. Sie arbeiteten immer noch so schnell, dass sie wesentliche Elemente etwa der Stätte von Amarna übersahen oder gar (unwissentlich) zerstörten sowie gewisse Fundstücke trotz Planquadraten nicht ihrem genauen Fundort zuordneten.6 Und in Abusir el-Meleq 1905 und 1906 ließ Möller fast 1.000 Gräber freilegen, ohne einen Lageplan anzufertigen.7 Die Archäologen nahmen bestimmte Funde – von Gefäßscherben bis zu Skelettteilen – nicht von der Grabungsstätte mit bzw. warfen sie weg, weil sie beschädigt, unvollständig oder anscheinend uninteressant waren8 – heute wäre man in dieser Hinsicht (noch) vorsichtiger bzw. hätte fortgeschrittene Transport-, Konservierungs-,9 Restaurierungs- und Analysever5 6 7

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Peet, Egyptological Studies (sich beziehend auf die Ägypten-Archäologie der 1930er Jahre), 5 (»patient and systematic searching of whole sites«), 21 (»too trivial«). Mode, Amarna (1983), 45-49; zur Dokumentation in Amarna ferner o. Kap. 3.2.5.2. Verhoeven, Möller, 1163; Finneiser, Abusir el-Meleq, 69; Scharff, Abusir el-Meleq, VIII. Zu Mängeln in der Dokumentation unter Steindorff in Giza 1905: Steindorff, Brief an Möller, 9.1.1906; Hölscher, Brief an Steindorff, 11.4.1914. Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 212 (»Mumien ohne jegliche Beigabe. Sie werden untersucht und dann wieder verscharrt«), 229f. (»die [vermoderten] Mumien nach der Untersuchung weggeworfen«); 1903/04 ebd., 40 (»Der äußere Sarg ist schlecht und laediert, wird also relinquiert werden«), 165f. (»Sarg 2+3 sind vollständig zerstört, sie werden fortgeräumt, um Platz für die Bergung von No 1 zu bekommen«); 1904/05 ebd., 114 (»Ruhetag. […] Ausmaerzen des Schunds«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 149 (»Das Skelett schlecht erhalten, daher weggeworfen«); 1907/08, 377 (»[Die Inschriften] sollen alle photographiert u. dann […] abgeschrieben werden, damit die überflüßigen zurückgelassen werden können«); Amarna 1911, 171f. (»drei Tonsärge […] gefunden, aber sehr zerstört, sodaß sie des Aufhebens nicht wert sind«); 1911/12, 18f. (es kommen »Holzsärge […] zu Tage, die jedoch so zerstört sind, daß sich selbst eine Photographie nicht lohnt«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 39 (»eine kleine […] Opfertafel, die […] auf dem Pflaster lag, wird gefunden und in situ gelassen«), 113 (»in [dem Brunnen] unbrauchbare vermorschte Knochen«); 1906, 17 (»Ganz vermorschte, pulvrige Reste einer bemalten Holzstatue […] gefunden. […] Nichts zu retten«); Aniba 1912, 79 (»eine schlechte Schminkbüchse, die nicht aufgehoben wird«); 1914, 430 (»Schalen, von denen die eine ganz zerbrochen ist und daher nicht geborgen wird«), 525f. (»2 sehr mäßige […] Schalen (daher nicht mitgenommen)«); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 19 (»Der Innensarg war ganz vergoldet, aber mehrfach beschädigt, so daß es sich nicht lohnte ihn zu bergen«), 25 (»wieder war [der Innensarg] zu sehr beschädigt, um geborgen werden zu können. Auch der Holzsarg war trotz seiner großen Dimensionen zu gewöhnlich, um mitgenommen zu werden«); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 120 (»[Die Sphinx-Statue] ist das Mitnehmen nicht wert, der Erhaltungszustand ist zu schlecht«). Zu Entwicklung und heutigen Praktiken der Konservierung altägyptischer Fundstücke: Gänsicke, Artifact Conservation. Bemühungen der untersuchten Archäologen, Funde zu konservieren bzw. transportfähig zu machen: Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 109-111; 1904/05 ebd., 82; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 114, 130, 137f., 172, 183, 187-189, 197; 1906, 41, 47, 52; Abusir 1910, 53; Aniba 1912, 99, 148f., 238; 1914, 408, 421, 452, 489, 499; Qau 1913/14, 92, 97, 110, 120f.; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 21f., 48f., 73, 77f., 84-87, 99; Theben 1911, 59, 69; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 84, 375; Amarna 1911, 103; 1911/12, 104, 123, 228f.; 1912/13, 185, 243; 1913/14, 190f., 241; Einschätzung, dass Funde nicht konserviert bzw. transportiert werden können: Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 99f., 117; 1903/04, 19, 42; Amarna 1913/14, 196; Rubensohn et al., Tgb. 1901/02

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fahren10 zur Verfügung, um derartigen »Ausschuss« (weiter) zu verringern. Auch fände man es »befremdlich«, einen Vorarbeiter »wichtige Funde aus der Fundlage heraus der Grabungsleitung vorbei[bringen]« zu lassen11 – schließlich hat bereits Petrie, vor meinem Untersuchungszeitraum, die ausschlaggebende Bedeutung des Fundkontexts verdeutlicht (Kap. 2.2.3). Mittlerweile widmen Archäologen sich in Ägypten vor allem der Erhaltung bzw. Erforschung freigelegter Stätten, während »excavation is an extreme measure to be conducted either to answer a specific question, or to record a site that is under threat«.12 Doch was zählt, ist der Vergleich zu früheren und zeitgenössischen Ausgräbern, und ihn müssen die untersuchten Archäologen sicherlich nicht fürchten. Ihr britischer Kollege Carter schätzte Anfang der 1920er Jahre, dass »if every excavation [in Egypt] had been properly, systematically, and conscientiously carried out [nach den Standards jenes Zeitpunkts], our knowledge of Egyptian archæology would be at least 50 per cent greater than it is«.13 Mit den Standards der untersuchten Archäologen zehn oder zwanzig Jahre früher wären es vielleicht 40 Prozent gewesen. Die untersuchten Archäologen erforschten die antiken Stätten im Allgemeinen so gut, wie es ihnen nach dem Stand ihrer Zeit möglich war, und erfüllten damit ihre archäologische Pflicht gegenüber nachfolgenden Generationen.14 Doch um diese Leistung zu erbringen, benötigten sie ägyptische Arbeiter, die entsprechend leistungsfähig waren bzw. werden konnten und ein Arbeitersystem bildeten, das den »systematischen Ausgrabungen« der deutschen Archäologen (Kap. 3.2.5.2) entsprach. Durch Erfüllung ihrer unentbehrlichen, ihnen zugewiesenen Funktionen haben die Arbeiter, in individuell verschiedener Art und Weise, den Archäologen ermöglicht, jene fundierten Erkenntnisse über das alte Ägypten zu gewinnen, die die Archäologen dann veröffentlichen und anderweitig in die ägyptologische Wissenschaft tragen konnten. Die untersuchten Archäologen hätten über ihre Arbeiter im Allgemeinen sagen können, was ihr Kollege Petrie aus seinen Erfahrungen heraus festgestellt hat: »In Egypt the fellah is one of the pleasantest of good fellows, […]: always obliging and friendly, and being generally intelligent within the scope of his ideas, he is

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Abusir el-Meleq, 240; 1902/03 ebd., 91, 119; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 80f., 100f.; 1906, 46; Theben 1913, 57; Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 44; Aniba 1912, 79f.; Qau 1913/14, 120. Zu heutigen Analyseverfahren für altägyptische Fundstücke: Newman, Technology. Raue, Steindorff Ausgrabungen, 412; Beispiele für diese Praxis: u. Kap. 5.3 Abs. 7. Tyldesley, Egypt, 230; vgl. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 17f. (Petrie »displayed his capacity for uncovering an enormous amount of ground within a season – far too much by later standards«). Zu moderneren Verfahrensregeln von Ausgrabungen: Carver, Field Archaeology. Carter/Mace, Tut·Ankh·Amen, 125; vgl. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 381 (»Was hätten wir heute für a[ltes]R[eich]-Material, wenn [Mariette, o. Kap. 2.2.3] vernünftig hätte arbeiten können oder wollen«). Der britische Ägypten-Archäologe H.S. Smith mahnte 1985: »[T]here are many things now lost that we cannot recover, many buried that we cannot yet reveal. Future generations will forgive us for leaving them to do what is at present not possible for us; what they will not forgive us for is failing to record those remains of Egypt’s wonderful past civilization that we are well able to« (zit.n.: Giddy, Egyptian Archaeology, 113; ähnlich Tassie, Excavation Methodology, 1773, 1775).

5 Schlussfolgerungen

capable of being trained to a high degree of care and skill; moreover, his industry is amazing, and can always be had by good treatment and pay«.15 Somit war es einerseits der effektiven Organisation der Arbeiter durch die Archäologen16 und andererseits den Arbeitern selbst zu verdanken, dass Borchardt feststellen konnte: »[D]er Betrieb unserer deutschen Ausgrabungen in Ägypten« hat sich »in nunmehr achtjähriger Praxis ausgebildet und, man kann wohl sagen, bewährt«.17 Die Ägyptologie bzw. Ägypten-Archäologie tut sich in weiten Teilen schwer, den Beitrag oder auch nur die Existenz der ägyptischen Arbeiter zu beachten (Kap. 1.3.1-2). Ein Grund ist bei historischen Arbeitern der Mangel an bzw. die Schwierigkeit der Quellen (1.2): Arbeiter haben selbst kaum welche hergestellt bzw. hinterlassen; und in den Zeugnissen der Archäologen kommen sie nur beiläufig und vor allem in negativen Kontexten vor. Mit meiner Studie hoffe ich gezeigt zu haben, dass eine fundierte Beachtung der Arbeiter trotzdem möglich ist. Sie ist außerdem nötig, weil die Arbeiter die wissenschaftlichen Ergebnisse »ihrer« Ausgrabungen beeinflusst haben (5.3). Zusätzliche Bedeutung erhält unser Thema im Kontext der Globalgeschichte (Kap. 1.4.2). Die untersuchten Archäologen reisten aus Deutschland nach Ägypten. Indem sie Ausgrabungen durchführten, traten sie mit den Einheimischen in engere Beziehungen als andere Typen von Ägypten-Reisenden – Touristen, Maler oder andere. Als Archäologen bzw. Wissenschaftler verkörperten sie die »Rationalisierung« bzw. »Modernität« des Westens, mit deren Hilfe dieser in der Neuzeit einen Großteil der Welt unter seine Kontrolle brachte.18 Diese Kontrolle bzw. der westliche Kolonialismus und Imperialismus erreichte in meinem Untersuchungszeitraum einen Höhepunkt. Ägypten blieb davon nicht verschont, und Archäologen wie die untersuchten bzw. die Archäologie waren ein Teil jener westlichen Herrschaft (4.2.2.1) – innerlich durch ihre »Modernität«; äußerlich dadurch, dass sie in Ägypten Einheimische zu Ausgrabungen heranzogen und nicht etwa umgekehrt ägyptische Wissenschaftler dies in Deutschland taten.19 Die ägyptischen Arbeiter wiederum waren wegen der Eingliederung ihres Landes in den westlichen Kapitalismus gezwungen, ihren Lebensunterhalt mit Lohnarbeit wie bei Ausgrabungen zu verdienen, und auch diese Arbeit selbst war Teil jener (vor allem psychischen) »Revolution«, der ein »kolonialer Mensch« bzw. Untertan ausgesetzt ist.20 Andererseits setzten die Archäologen, indem sie systematisch ägyptische Arbeiter beschäftigten, sich 15

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Petrie, Sinai, 1f. (in Bezug auf »den« Beduinen klagte Petrie dagegen: »The simplest reckoning puzzles him; he is incapable of foresight or of working for a given end, and he is physically unfit for any continuous labour except that of slowly wandering on foot all day with his camel«: ebd., 2); vgl. Woolley, Dead Towns, 34 (»the Egyptian fellah […] is a hard worker, and with experience becomes very skilful when called upon for delicate work; he is shrewd enough to have a very fair idea of the value of his finds and of their relative date«). Zur Bedeutung einer »successful coordination of directing staff and laborers« bei einer Ausgrabung in Ägypten: Reisner, Archaeological Fieldwork, 99. Borchardt, Ne-User-Re, 163. Osterhammel/Jansen, Kolonialismus, 117-120; zu Archäologie und Moderne: o. Kap. 4.3. Vgl. Pyburn, Practising Archaeology, 167 (»Archaeology is demonstrably a product of high colonialism«). Kap. 4.2.2.1; Osterhammel/Jansen, Kolonialismus, 100 (Zitate, nach V.S. Naipaul); vgl. Pyburn, Practising Archaeology, 167 (»Archaeology is both a tool and a reflection of Western hegemony

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jenen Einflüssen aus, die die Arbeiter auf die archäologischen Ergebnisse der Ausgrabungen nahmen (5.3). Somit spiegelt sich in unserem Thema bzw. den wechselseitigen Beziehungen zwischen deutschen Archäologen und ägyptischen Arbeitern die Globalgeschichte des »langen« 19. Jahrhunderts.

5.1 Verhältnis zwischen deutschen Archäologen und ägyptischen Arbeitern Während die Ägypten-Archäologie bzw. Ägyptologie das alte Ägypten immer besser verstand, blieben die modernen Ägypter den untersuchten Archäologen ein Rätsel: »Wir lernen eben den Orientalen nie ganz verstehen«, bemerkte Borchardt, »selbst nicht durch jahrzehntelanges Zusammenleben« (er selbst lebte und grub da schon über ein Jahrzehnt in Ägypten).21 Denn die ägyptischen Arbeiter bzw. Anwohner der archäologischen Stätten waren Fellachen und hatten somit andere Werte und Vorstellungen als die untersuchten bürgerlichen Wissenschaftler mit ihrer »modernen Rationalität« und kapitalistischen Arbeitsethik (Kap. 4.2.2.1).22

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in the rise of the modern world system, and as such is necessarily deeply implicated in both the expansion and standard operation of capitalism«). Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1911/12, 5; ähnlich Petrie, Ten Years Digging in Egypt, 167 (»it is impossible to really take the same standpoint as [a person] of another race, another education, and another standard of duty and of morals. We cannot, therefore, see the world as a fellah sees it; and I believe this the more readily because after living the most part of ten years [sc. ab 1880] among the fellahin, […] I yet feel the gulf between their nature and my own as impassable as ever«); Woolley, Dead Towns, 37 (»The archæologist comes more closely into touch with his workmen than do most European employers, but none the less he remains for them an alien: for a higher wage they will take service elsewhere without regret; they will cheat him if it be to their advantage, and will steal outright from him«), 38f. (»Perhaps the most annoying characteristic of the Egyptian is his absolute disregard of truth. Personally I do not think that he is the wilful liar that he seems, but rather that he has not the same conception of truth as ourselves, and does not distinguish as we do between subjective and objective reality. An idea, even one newly born, may appeal to him as true though it flatly contradict facts with which he is familiar; after all, they are both ideas in his head, and he gives the preference to that which most appeals to his taste or answers best to the needs of the moment«); ferner Kelly, Egypt, 216 (»It is very difficult for a European to form any just estimate of the character of an Oriental, who is usually enveloped in a reserve difficult to penetrate; nor is it easy for the Western mind to fully appreciate the ideas or motives which dominate the action of the Moslem«); Cunningham, Egypt, 205, 207f. (205: »The Oriental ways of thought and motives of action remain still inscrutable and immutable, and those who have lived and worked with and for them most are the first to acknowledge their own limitations in a thorough understanding of Eastern peoples«). (Bildungs-)Bürger wie die untersuchten Archäologen wären freilich auch in ihrer deutschen Heimat von Arbeitern durch eine erhebliche soziale und mentale Barriere getrennt gewesen; ja sie hätten dort gar nicht erst einen Grund oder Ort gehabt, mit Arbeitern zu verkehren, erst recht nicht auf dem Land. Das deutsche Kaiserreich war eine rigide geschichtete Klassengesellschaft (Nipperdey, Deutsche Geschichte, 225, 310, 316, 388f.; Kap. 11), und die Unterschiede zwischen den Klassen gingen so weit, dass ländliches Gesinde noch bis 1918 durch seinen Dienstherrn de facto gezüchtigt werden durfte (Ritter/Tenfelde, Arbeiter, 223 mit Anm. 168) – so wie es den untersuchten ägyptischen Arbeitern geschah.

5 Schlussfolgerungen

Die Unterschiede zwischen beiden Welten zeigten sich auch folgendermaßen: Der damals etwa 11- oder 15-jährige Arbeiter bzw. Diener Ali Abd el-Rani wurde von einem der Deutschen »so ins Herz geschlossen, dass [dieser] ihm Geld gab, um Lesen und Schreiben zu lernen«. Im folgenden Jahr stellte sich jedoch heraus, »dass der Strick im Winter sich eine Frau gekauft hat. Aus seinen Schulstudien scheint also nicht viel geworden zu sein«.23 Künstlich verschärft wurden die Unterschiede freilich durch den Orientalismus der Archäologen (Kap. 3.5.4) – und einen umgekehrten »Okzidentalismus« der Arbeiter? Die Zigarettenfabriken in Ägypten, die meist Griechen gehörten, beschäftigten Anfang des 20. Jahrhunderts eher ausländische Arbeiter – aus Griechenland, Armenien, Europa oder Syrien – als ägyptische – teils, weil sie ägyptische für unfähig hielten; teils, weil die Arbeitgeber Menschen bevorzugten, die ihnen kulturell, religiös oder sprachlich näherstanden als ägyptisch-arabische Landbewohner. Dafür waren die Arbeitgeber bereit, die höheren Löhne zu zahlen, die Ausländer verlangten.24 Archäologische Ausgrabungen erwirtschafteten dagegen keine finanziellen Gewinne, mit denen man ausländische Arbeiter bezahlen bzw. heran- und unterbringen hätte können (Kap. 3.3.9.1) – deshalb konnten die untersuchten Archäologen keine deutschen Grabungsarbeiter beschäftigen. Doch haben sie in meinen Quellen auch niemals den Wunsch geäußert, dies zu tun. Trotz der erwähnten Barrieren arrangierten sich die Archäologen also mit »ihren« ägyptischen Arbeitern. Bei Expeditionen durch entlegene und ihnen fremde Weltregionen waren Forschungsreisende »verwundbar«; ihr buchstäbliches »survival« hing von »local knowledge and guidance« ab.25 Bei den untersuchten Archäologen war das Gegenteil der Fall: Sie selbst waren in Ägypten bzw. an den Grabungsstätten etabliert (Kap. 2.2.1) (wenn man von Siwa sowie Teilen Nubiens und des Fayyums absieht26 ), während der Lebensunterhalt der Fellachen von Lohnarbeit wie der von den Archäologen gebotenen abhing (4.1.3).

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Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 23 (Zitate; 12-, also zunächst 11-jährig); Steindorff, Aegypten, 191f. (191: 15-jährig; 192: Jene Frau musste »gekauft« werden, weil nach ägyptischer Sitte »der Bräutigam an den Brautvater eine Summe zu zahlen hat, die diesen für die Erziehungskosten des Mädchens entschädigen soll«. Wohl aus dem gleichen Grund beantragte Rubensohn in Deutschland für den Vorarbeiter Senussi zusätzliches Geld, als dieser heiraten wollte: Kuckertz, Rubensohn [2020], 69 Anm. 38). Shechter, Egyptian Tobacco Market, 42f.; vgl. allgemein Gorman, Foreign Workers in Egypt. Driver, Hidden Histories, 429. Zucker et al., Tgb. 1907/08 Fayyum, 38f. (»ohne vorherige Erkundigungen beim [Antiken-]Inspektor über Entfernungen, Reitgelegenheiten, u. Unterkunftsverhältnisse u. seine Unterstützung durch Anweisungen an die Omden etc. ist der Besuch der weltabgelegenen Orte nicht möglich. So muß ich mich darauf beschränken, die Händler zu besuchen«); Steindorff, Libysche Wüste, 4 (»Man denke, daß der Reisende in dem Augenblick, wo er […] das Niltal verläßt, von aller Zivilisation abgeschnitten wird, daß er in die große, wasserlose Einöde kommt«) – andererseits: »Während es im vorigen Jahrhundert noch als ein großes Wunder angesehen wurde, wenn die Siwis einem europäischen Reisenden […] die Erlaubnis gewährten, das Innere ihrer Stadt zu besuchen, kann man jetzt dort ohne erst viel zu fragen ungehindert ein- und ausgehen, und wir haben von dieser Freiheit auch reichlichen Gebrauch gemacht« (Steindorff, a.a.O., 114; ähnlich 131f.); zu Nubien: u. Kap. 5.3 Anm. 88.

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Frühere bzw. andere Archäologen in Ägypten waren in ihrer Macht zumindest insofern eingeschränkt, als sie mit Einheimischen mangels Kenntnis des Arabischen oder anderer lokaler Sprachen nur eingeschränkt kommunizieren konnten. Smyth (Kap. 2.1.4) zum Beispiel fühlte sich ohne Dolmetscher wie »deprived of some of the first requirements of life«; und Petrie, der sich sein Arabisch selbst bzw. durch Hören seiner Arbeiter beibrachte, verwechselte einmal die arabischen Anweisungen für »Drücken!« und »Ziehen!«, sodass die Arbeiter einen Sarg wieder in das Grab zurückfallen ließen anstatt ihn herauszuholen.27 Von den untersuchten Archäologen sind derartige »Schwächen« nicht überliefert. Sie glaubten, eine effektive Kontrolle über »ihre« Arbeiter auszuüben. Als die Deutschen 1907/08 in Abusir gruben, während der Brite Quibell es im nahen Saqqara tat, beobachteten sie in dessen »Betrieb« eine »Gemütlichkeit«, durch welche die Arbeiter aus Saqqara »definitiv für uns verdorben« seien. Tatsächlich fragte Senussi, der Obervorarbeiter der Deutschen, Abusiris von Quibell, warum sie nicht bei den Deutschen arbeiteten, obwohl Quibell gemäß Vereinbarung nur noch Saqqaris nehmen wolle und die Deutschen nun auch keinen niedrigeren Lohn mehr zahlten (Kap. 3.3.3.1 Abs. 4). Die Leute erklärten: »Die Busiris geben sich eben als Saqqaris aus, das merkt [bei Quibell] keiner«. Und selbst wenn der Brite »nur halb soviel [Lohn] gäbe [wie die Deutschen], so ist sein[e Grabung] doch besser«, »da giebts viel Profit d.h. Gelegenheit zum Stehlen«, »und dann kontrolliert er die Präsenz nicht, wie es bei Euch geschieht, täglich, sein [Sekretär] verliert die Liste 2mal die Woche. Alle 14 Tage zahlt er aus, wenn wir an den 4 Kontrolltagen alle kommen und an den übrigen so gelegentlich, so bekommen wir für 5-6 Tage 14 Tage Lohn ausgezahlt!« – »Armer Quibell«, folgerten die Deutschen; und sie fühlten sich »verpflichtet, in seinem wie unserem Interesse« auf jene Praktiken »aufmerksam zu machen«.28 Analog dazu behaupteten die Deutschen, dass bei ihrer Grabung in Hermopolis 1903 das »Stehlen [von Antiken] ziemlich schwierig sein dürfte« – im Vergleich zu der zeitgleich dort stattfindenden italienischen Grabung.29

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Smyth, Pyramid, 38; zu Petrie: Drower, Petrie, 228; zu seinen Arabischkenntnissen ferner Mairs/ Muratov, Exploring Egypt, 45-50; vgl. Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 75 (Howard Carter »spoke Arabic fluently, so he could direct and instruct workmen much better than Petrie ever could«). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 17 (Gemütlichkeit, verdorben), 42 (Die Busiris …), 42f. (Armer Quibell …). Quibell soll charakterlich durchaus zu »Gemütlichkeit« geneigt haben: Er »was leisurely, kindly, not exerting himself too much, interested in his work but not overpoweringly so and in every way the complete opposite of Petrie« (Murray, Hundred Years, 109). Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Hermopolis, 168; vgl. Rubensohn, Briefe an Familie, 251 (Abusir el-Meleq, 25.2.1903: Rubensohn kauft »von heimlichen Händlern« Papyri aus jüngsten Grabungen der Briten Grenfell und Hunt); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 23 (»Beim Vorbeigehen« an der Grabung der Briten Carter und Carnarvon in Theben »kommt der[en] Vorarbeiter […] heran und bietet einen kleinen Fisch […] aus grün glasiertem Stein an. Feiner Betrieb«), 47 (Antikenhändler bietet Objekt, dass »also aus dem Tal der Könige [von der Grabung des französischen Antikendirektors] Loret derzeit gestohlen«), 47f. (»die Preise für Ostraka sind wahnsinnig in die Höhe gegangen, wie man mir sagt, weil seit Abschluß der […] Grabungen [des Italieners Schiaparelli in Theben] nichts mehr gestohlen werde«). 1913 hielten die Deutschen in Theben es andererseits für »nicht ausgeschlossen«, dass vom örtlichen Antikenhändler Mohammed Abd el-Rasul angebotene Ostraka von dessen Sohn, der »bei uns gearbeitet hat«, »aus der Grabung gestohlen sind« (Möller et al., Tgb. Theben 1913, 87; zur Familie Abd el-Rasul: o. Kap. 3.2.2.2 Anm. 93).

5 Schlussfolgerungen

Gewiss entzogen sich auch die Arbeiter der Deutschen in mancher Hinsicht deren Kontrolle, zumal hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit (Kap. 3.3.3.1) sowie ihrer Entdeckung und Behandlung von Fundstücken (5.3). Doch ansonsten scheinen die Deutschen bei ihren ägyptischen Arbeitern eine Disziplin durchgesetzt zu haben, die Missstände wie bei Quibell unwahrscheinlich machen. Wie haben die Archäologen das geschafft? Erstens stellten sie von vornherein möglichst nur Leute ein, die ihnen diszipliniert bzw. fügsam genug erschienen (4.2.1.2); zweitens bestraften sie Verstöße gegen die Disziplin sofort und unnachgiebig (ebd.); drittens verfügten sie über kompetente und loyale Vorarbeiter und Aufseher (vor allem aus Quft), welche die Arbeiter dazu zwangen, die von den Deutschen verlangte Disziplin einzuhalten (4.2.2.3). Zwar blickten die Archäologen wegen ihres Orientalismus sogar auf die besten Vorarbeiter herab (3.5.4 Abs. 6), doch andere ihrer Aussagen lassen keinen Zweifel an der Bedeutung der Quftis: »Ohne Oberägypter wäre man hier verloren«; »Ich schreibe Ihnen also in Eile […], daß wir leider Mahmud Ali [bei der Grabung in Amarna] nicht entbehren können«.30 Bei den untersuchten Ausgrabungen herrschte mithin eine steile Hierarchie, mit den Deutschen oben, den ägyptischen Ortskräften unten und den ägyptischen Stammarbeitern dazwischen (Diagr. 5). Alle Ägypter waren den Deutschen außerdem insofern untergeordnet bzw. ihnen gegenüber subaltern (Kap. 4.2.2.1), als die Arbeit zwischen beiden Nationalitäten derart aufgeteilt war, dass die »höheren« Tätigkeiten den Deutschen und die »niederen« den Ägyptern zufielen: Die Deutschen leiteten die Grabungen und dokumentierten (bzw. interpretierten) deren archäologische Funde und Befunde (Abb. 46). Die einfachen Arbeiter gruben nach Anweisung aus. Die (oberen) Vorarbeiter halfen den Deutschen mehr oder weniger bei Leitung und Dokumentation (Kap. 3.3.2.1), doch bestimmte Aufgaben blieben grundsätzlich den Deutschen vorbehalten: Sie führten jeden Tag die oberste Aufsicht über die Grabung (oder jeweils einen ihrer Bereiche);31 sie riefen morgens

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Oberägypter: O. Kap. 4.2.2.3 (Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 81); Mahmud: Abel (Grabungsassistent Amarna), Brief an Steindorff, 28.1.1912. Bes. Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9 (»Abwechselnd hat immer einer von uns die Aufsicht«); ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 249 (»Wr[eszinski] hat erste Morgenaufsicht, Hölscher Vormittag-, Schultze Nachmittagaufsicht«); Amarna 1911, 80 (»Vormittags hat Abel, nachmittags Marcks Aufsicht«); 1912/13, 170 (»Aufsicht hat dort Breith, in dem übrigen Grabungsgebiet vormittags Ranke, nachmittags Hollander«); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 183 (»Ich führe die Aufsicht«); 1902/03 Hermopolis, 155 (»Wir [Rubensohn und Knatz] müßen beide Aufsicht führen«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 188 (»ich habe […] bei den [Arbeitern] […] nach dem Rechten zu sehen«); 1909, 77 (»Abel hat Vormittags [Grabungs-]dienst, Hölscher Nachmittags«); 1910, 83 (»Sch[ultze] u. H[ölscher] gleich Morgens unten in [die Grabung] gegangen sowohl Aufnahme als der Aufsicht wegen«), 91 (»Unterdessen hat Sch[ultze] die [Grabungs-]aufsicht geführt und dabei zugleich […] [Mauerwerk] ausgemessen«); Aniba 1914, 385f. (»Die Aufsicht in der Grabung ist jetzt so geteilt, dass am Vormittag Plaumann, am Nachmittag Kühn draussen ist, während der Morgenaufruf unter beiden wechselt«); (Teilgrabung), 37 (»H[inrichs] ruft früh auf und hat tagsüber die Aufsicht mit Ausnahme von 10-12 Uhr, wo Steindorff ihn ablöst«); Möller et al., Tgb. Theben 1913, 37 (»Ich exerciere, soweit ich nicht in der Aufsicht sein muß, das Fundjournal nach«), 48 (»Die Aufsicht wird von mir und Pieper ausgeführt«), 53 ([Max] Burchardt »geht in die Aufsicht«). Wenn ein Deutscher wegen Krankheit oder Abwesenheit für die Aufsicht ausfiel, musste er folglich durch einen anderen Deutschen ersetzt oder aber die Grabung abgebrochen werden (o. Kap. 3.2.1).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

die Arbeiter auf, führten die Arbeiterlisten und zahlten die Arbeiterlöhne aus; sie führten das Grabungstagebuch und benutzten ihre archäologische Dokumentation dazu, die Grabungspublikationen zu verfassen. Quibell beschäftigte 1907/08 in Saqqara den erwähnten »Sekretär« für Arbeiterlisten und vielleicht Auszahlung; er war ein »Eingeborener«, wie die deutschen Archäologen angesichts der Verhältnisse unter dem Mann süffisant bemerkten32 – sie selbst hätten die Verantwortung für bzw. Macht über Listen oder Geld, von geringfügigen Ausnahmen (Kap. 3.6.2) und Einkäufern bzw. Geldboten (3.3.2.3 Abs. 4) abgesehen, nie einem Ägypter übertragen; mit den Lohnlisten »[e]inen einheimischen Schreiber […] zu betrauen, wie dies fast bei allen […] Grabungen in Ägypten der Fall ist«, hielt Borchardt »im Interesse der Arbeiter wie in dem der Grabungsleiter für gefährlich«.33 Die Oberaufsicht wurde statt etwa einem Ägypter sogar dem Maler Erich Rexhausen anvertraut, als er 1902 ohne archäologische Vorerfahrungen die Grabungen des Papyrusunternehmens begleitete34 – obwohl Rubensohn von ihm sagte, dass er »weder arabisch noch ausgraben noch Papyrus kann«.35 Daraus lässt sich folgern: Während der alte Senussi sich »voll Stolz« als »Deutscher« bezeichnete (Kap. 3.6.1), hätten die deutschen Archäologen sich nie als »Ägypter« bezeichnet, oder es gar als Beleidigung empfunden, von anderen so bezeichnet zu werden. In der beschriebenen Arbeitsteilung spiegeln sich die vielfältigen Unterschiede zwischen den untersuchten Archäologen und ihren Arbeitern bzw. allgemein zwischen Archäologen und ihren Feldarbeitern bzw. Anwohnern ihrer Grabungsstätten in der Vergangenheit und heute: nationale, sozioökonomische, kulturelle, mentale Unterschiede.36 Tatsächlich ist »the division between archaeologists and those inhabiting archaeological landscapes […] not geographically confined; it operates as a universal

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Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 137f. (137: Quibells »eingeborener Sekretär«). Borchardt, Ne-User-Re, 164. Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 91 (»Am Morgen übernimmt Rexhausen zum ersten Mal das Verlesen der Arbeiter. Er hat am Morgen die Aufsicht oben«); Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 712 (»Die Oberaufsicht führte abwechselnd Vor- oder Nachmittags einer von uns beiden [er und Rubensohn], bei wichtigen Funden waren wir beide auf dem Platze«); zu Rexhausen: o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 1. Auch Petrie und britische Ägypten-Archäologen der 1920er Jahre hielten es für unabdingbar, dass alle ägyptischen Arbeiter von der (nicht-ägyptischen) Grabungsleitung ständig beaufsichtigt wurden (Beck, Perspektivenwechsel, 10; zu Petrie außerdem o. Kap. 2.1.6). Rubensohn, Briefe an Familie, Kairo, 20.1.1902, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 49; vgl. o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 1. Pyburn, Archaeology for New Millennium, 171 (»Many of us [archaeologists] work in areas where local people are very poor. […] much of the difference between archaeologists and living Maya people is economic rather than cultural«); Matsuda, Ethics of Archaeology, 93f. (93: Konflikt zwischen Archäologen und Anwohnern als »an aspect of class warfare«; »excavations [in Lateinamerika] are often run like plantations, where we [Anwohner/Arbeiter] are exploited. The archaeologists want strong backs and weak minds. When we work for them, they pay us little and do not treat us with respect. We are never asked what we think and there is no chance for advancement. The artifacts represent money and power to archaeologists and art historians. That is how they make their upper-class living. To us, these gifts from the ancestors mean seed corn, food, clothes, medicine, and security. This is how we live our lower-class lives«).

5 Schlussfolgerungen

structuring principle of the profession«.37 Denn erstens sind die Archäologen Fachleute für die wissenschaftliche Bearbeitung archäologischer Stätten, und die Anwohner, die nur zufällig an solchen Stätten wohnen, sind es nicht; zweitens liegen die meisten archäologischen Stätten der Welt in peripheren Regionen, deren dünne Besiedlung zwar die Erhaltung der Altertümer ermöglicht, die Einwohner aber in relativer Armut gelassen hat.38 Auch die untersuchten Arbeiter waren arm; waren Analphabeten und hätten deshalb selbst, wenn sie gewollt hätten, kein Grabungstagebuch führen, keine Grabungspublikation (mit) vorbereiten, keine Altertumswissenschaft studieren können.

Abb. 46: Grabungsarbeiten; links am Zeichentisch Steindorff (Qau 1913/14?)

ÄMULA, N360.322. Scan: ÄMULA.

Andererseits wurzelte ein Teil dieser Unterlegenheit in der kolonialen Situation des damaligen Ägypten: Die Ägypter und erst recht deren Unterschicht, die Fellachen, waren für Angehörige des Westens »Subalterne« und sollten es bleiben (Kap. 4.2.2.1). Die Archäologie entwickelte sich in zumindest zeitlicher Verbindung mit dieser kolonialen

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Quirke, Hidden Hands, 1. Zum Zweiten: Quirke, Hidden Hands, 1.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Ungleichheit und reproduzierte sie »[by] separating manual labour from reporting«.39 Mit anderen Worten: »Interpersonal relationships on excavations are almost always asymmetric. […] Laborers [i.e. local villagers] are usually seen as unskilled wage earners in need of constant supervision by the skilled non-local supervisor, a relationship that is colonial in nature«.40 Zumindest in unserem Fall kam zu der funktionalen Trennung zwischen Archäologen und Arbeitern freilich eine räumliche: Die Deutschen besorgten manche archäologische Dokumentation in dem Zeichenatelier oder der Dunkelkammer des Feldlagers (Kap. 3.3.6); die meisten Ägypter gruben und schleppten in der Grabungsstätte; die Deutschen übernachteten in ihren Schlafräumen, die Ortskräfte in ihren Dörfern (ebd.); die Deutschen aßen im Speiseraum, die Ägypter unter freiem Himmel neben der Grabung (3.3.7). Um das Feldlager bzw. ihren Teil davon legten die Deutschen mitunter einen »heiligen Bannkreis« aus Steinen, den Arbeiter nicht übertreten durften.41 Ferner grenzten die Archäologen sich sprachlich von den Arbeitern ab (3.5.1).42 Wenn die Arbeiter von den Archäologen nach ihren Ansichten und Interpretationen bezüglich der antiken Stätten und ihres Inhalts gefragt worden wären, hätten sie einerseits wenig sagen können – für den typischen einfachen Arbeiter und auch manche Vorarbeiter war die Archäologie eine Einkommensquelle neben anderen, und sie verfügten

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Quirke, Exclusion of Egyptians in Archaeology, 396. Analog dazu trennten sich Ägyptens Eliten von der Unterschicht ab: »The idea of the mixing of the social classes was always a great fear amongst the upper classes. It was a fine goal to raise the peasant from his current condition, as long as it did not involve spending any time with him« (Russell, Egyptian Education, 51; zit. in: Quirke, a.a.O., 397; vgl. o. Kap. 4.2.2.2). Zur »long history of a gap between the excavator and the interpretation« (57), zwischen »unskilled [workers]« und »skilled [colonial] master« (54) in der Archäologie ferner Hodder/Berggren, Field Archaeology, 53f., 57-59. Steele, Archaeology under Challenge, 50f. (Zitat: 50). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 234 (Zitat); 1903/04 ebd., 149; Rubensohn, Briefe an Familie, 96 (Theadelphia, 13.2.1902), 247 (Abusir el-Meleq, 18.2.1903: Zitat, »Überschreiten wird mit 1 Piaster Strafe belegt«), 380 (ebd., 31.12.1903), 402 (ebd., 19.2.1904); Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 703 (der Kreis durfte »nur von unserer persönlichen Bedienung, sowie von den Aufsehern überschritten werden«); ähnlich Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 23, 27; vgl. o. Abb. 25, 28. Vgl. zur räumlichen und anderweitigen Trennung zwischen westlichen Archäologen und ägyptischen Arbeitern bei damaligen Ausgrabungen in Ägypten Doyon, History of Archaeology, 184f. Heute loben sowohl westliche als auch ägyptische Archäologen die grabungstechnische Kompetenz von Arbeitern aus Quft längst in den höchsten Tönen und machen keinen Hehl daraus, selbst von ihnen gelernt zu haben (Jeffreys, Egyptian Colleagues, 14; Chubb, Nefertiti, 53; Raue, Heliopolis, 119-127; eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015; Hawass, Secrets from Sand, 26f.). Nichtsdestoweniger bleiben die Quftis bzw. Arbeiter einer Ausgrabung den Archäologen klar untergeordnet. Quftis reden alle »Archäologen«, auch wenn es nur Studenten sind, mit »Doktor« (arab.: doktur) an, und würden etwa in der Frühstückspause nie gemeinsam mit ihnen essen. Die Archäologen geben Anweisungen und beaufsichtigen die Grabungsarbeiter – nicht umgekehrt (zu den »Doktortiteln«: Beck, Perspektivenwechsel, 61; zur sozialen Bedeutung dieser Titel im heutigen Ägypten: Amin, Whatever Else Happened to the Egyptians, Kap. 14; ferner o. Kap. 4.3).

5 Schlussfolgerungen

weder über die intellektuelle Bildung noch über den finanziellen Spielraum, über Antiken nachzudenken (Kap. 4.3). Überdies nahmen sie die alten Ägypter (noch) nicht als ihre eigenen Vorfahren wahr (ebd.) – eine solche Selbstidentifikation stellt für Anwohner antiker Stätten bzw. einheimische archäologische Arbeiter allgemein einen mächtigen Beweggrund dar, sich mit den Stätten zu beschäftigen.43 Doch selbst wenn die untersuchten Arbeiter den Altertümern keine höhere Bedeutung beimaßen, waren viele Fellachen durch ihr Leben neben antiken Stätten bestens mit diesen vertraut (2.2.4, 3.3.3.2) – obwohl sie dieses Wissen vielleicht nicht in Worte fassen konnten, weil sie es im Herzen statt im Kopf trugen.44 Für die Deutschen fand Archäologie dagegen im Kopf statt. Unterschiedliche Perspektiven auf die Antike erkannten sie vielleicht in interpretatorischen Unterschieden zwischen Philologen und Bauforschern,45 aber nicht darüber hinaus: Perspektiven von (zumal »orientalischen«) Nicht-Wissenschaftlern hätten sie kaum ernstgenommen – wenngleich Steindorff Senussi einmal, in einem überschwänglichen Moment, mit der Bezeichnung »Archaeologe« ehrte (o. Kap. 3.6.1). Doch auch dieser berühmteste und langjährigste Vorarbeiter stand mit den Deutschen, den sozusagen echten Archäologen keineswegs auf Augenhöhe: Hätte er im Streit mit Abu el-Hassan nicht nachgegeben, wäre der »nicht mehr unentbehrliche« Senussi offenbar entlassen worden (ebd.). Umgekehrt werden die Arbeiter (zumal die einfachen) ihre »wissenschaftlichen« Arbeitgeber als entsprechend fremd empfunden haben. Ja, über archäologische Arbeiter ist gesagt worden, dass sie im Marxschen Sinne von ihrer Arbeit »entfremdet« seien. Denn zum einen weisen die Archäologen ihnen »niedere«, mechanische Aufgaben zu und denken nicht daran, sie an den »höheren«, intellektuellen zu beteiligen;46 zum anderen wäre 43

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Zu derartigen Anwohnern bzw. Arbeitern und ihren Gedanken z.B. Beck et al., Aboriginal Ecotourism and Archaeology in Australia, bes. 235 (Comments from [local archaeological] workers); Matsuda, What Do Local People Think If Japanese Archaeologists Excavate in Italy. Vgl. Colla, Conflicted Antiquities, 161; zitierend aus Tawfiq el-Hakims Roman Audat al-Ruh (Die Rückkehr des Geistes, 1933). Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1903/4, 19 (»eine bislang von Philologen immer falsch verstandene […] Herodotstelle[: …]. Dies wurde von den Auslegern dahin erklärt, daß die Bekleidung der Pyramiden von oben nach unten versetzt worden wäre. Jeder Bauverständige mußte über eine solche Angabe den Kopf schütteln, aber erst in den Grabungen von Abu Gur[o]b […] konnte man zeigen, daß die Ecksteine der Bekleidung so bearbeitet waren, daß sie nur, wie jeder vernünftige Bau, von unten auf versetzt werden konnten«). Beck, Perspektivenwechsel, 17-19, 58, 69; Pollock, Decolonizing Archaeology, 207f. (»A widely held assumption among archaeologists is that local laborers have no understanding of or real interest in the work they do on excavations. As such, there is no reason for archaeologists to explain more than what laborers need to do in a mechanical sense (›using a trowel, remove this ash layer‹). A workman who has been employed for many seasons and is considered particularly skilled may constitute the occasional exception, but even in these cases it is generally assumed that the skill is solely a technical one that need not be furthered by discussing interpretive matters – in other words, a prototypical example of alienated labor«); ähnlich Quirke, Hidden Hands, 10f. (»Currently, [in] Egypt, […] [m]anual workforces are expected to play no part in excavation beyond the removal of soil and delivery of finds. Most workers are assumed to be archaeological illiterates, to the extent that they are not even entrusted with the marking of finds, a first essential step in documenting material as it is discovered in the ground, let alone surveying, planning or photography«), 45f.; ferner Doyon, Egyptology in

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es den untersuchten Arbeitern bzw. Fellachen wegen ihrer sozioökonomischen Lebensbedingungen gar nicht möglich gewesen, zum (akademischen) Archäologen zu werden. In der Praxis erbrachten zumindest Vorarbeiter freilich auch intellektuelle Leistungen – etwa Senussi, als er 1912 in Aniba den »Nordfriedhof« entdeckte und erkunden ließ (Kap. 5.3 Abs. 1). Hier schwindet der geistige Abstand zwischen den untersuchten Archäologen und ihren ägyptischen Vorarbeitern (bzw. nicht-akademischen Archäologen).47 In Kap. 3.5.1 habe ich erläutert, dass die untersuchten Archäologen ihre Arbeiter zumindest beim Sprechen bzw. Schreiben als Sachen statt als Menschen zu behandeln neigen. Die genannte »Entfremdung« eines Arbeiters im Kapitalismus geht bei Marx mit »Versachlichung« bzw. »Verdinglichung« einher,48 da die Arbeitskraft des Arbeiters bzw. gleichsam er selbst zur Ware wird (o. Kap. 4.2.2.1). Von den zitierten Eigenschaften, die eine Objektifizierung dem hierdurch Objektifizierten zuschreibt (3.5.1 Anm. 648), ist »violability« die erschreckendste: »The objectifier treats the object as lacking in boundary-integrity, as something that it is permissible to break up, smash, break into«.49 Die untersuchten Archäologen verhielten sich zwar grundsätzlich demgemäß: Sie glaubten sich berechtigt, Arbeiter bzw. in die Grabung eindringende Anwohner zu schlagen bzw. von Vorarbeitern schlagen zu lassen, mit Händen wenn nicht gar Stöcken und Peitschen (4.2.1.2, 4.2.2.3). Gleichwohl unterlag diese Gewalt bzw. Bereitschaft zu ihr klaren Begrenzungen. Mit Gewalt wurden Arbeiter bestraft, die in mehr oder weniger offenkundiger Weise eine Grabungsregel gebrochen hatten. Vorarbeiter mögen ihre Untergebenen auch mit »leichter« Gewalt angetrieben haben, doch durften sie ihre Gewalt nie übertreiben, da dies Arbeiter vertrieben bzw. Arbeitswillige abgeschreckt hätte. Mit Gewalt bestrafte Arbeiter wiederum wurden anschließend entlassen, und Eindringlinge weggejagt. Die Gewalt bei den untersuchten Ausgrabungen diente somit dem Arbeitsfortschritt, der Bestrafung und der Abschreckung. Sie war »nur« für den »äußersten Notfalle […], wenn es sich um offene Widersetzlichkeit oder um Aufreizung der anderen Arbeiter« handelte.50 Gewalt geschah also nicht um ihrer selbst willen; und die Deutschen wendeten sie nicht an oder ließen sie zu, weil sie es anstrebten oder es ihnen gar Freude bereitete. Stattdessen betrachteten sie Gewalt als ein Werkzeug zur Handhabung der Arbeiter, die sie ebenfalls als Werkzeug betrachteten. Was von den zitierten Kennzeichen eines objektifizierten Menschen das Verhältnis der untersuchten Archäologen zu den Arbeitern am umfassendsten beschreibt, ist deswegen nicht »violability«, sondern »instrumentality«: »The objectifier treats the object as a tool of his or her purposes«.51

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Shadow of Class, 270. Am ausführlichsten zu Alienation […] in the History of Archaeological Labor: Mickel, Archaeological Labor. Vgl. Schlanger, Manual and Intellectual Labour in Archaeology. Nussbaum, Objectification, 262f. Anm. 20. Nussbaum, Objectification, 257. Rexhausen, Ausgrabungen in Ägypten, 705. Nussbaum, Objectification, 257.

5 Schlussfolgerungen

Petrie lehrte den Grundsatz: »[E]xcavation is for the sake of archaeology, and is not undertaken in the interest of the workman«,52 und dem folgten ebenso seine deutschen Kollegen. Sie wollten zu Erkenntnissen über das alte Ägypten gelangen und sahen die ägyptischen Arbeiter als notwendiges Mittel zu diesem Zweck an (Kap. 3.5.3). Verletzungen und Krankheiten der Arbeiter versuchten sie zwar nicht nur aus grabungsstrategischer Berechnung zu verhüten bzw. behandeln, sondern auch aus Menschlichkeit bzw. paternalistischem Verantwortungsgefühl heraus (3.6.3) – das ägyptische Recht hätte sie vermutlich nicht dazu gezwungen bzw. für diesbezügliche Verfehlungen haftbar gemacht.53 Die Deutschen freuten sich auch über die Genesung von Arbeitern und waren auf Elephantine über die Nachricht, beim Bauen am nahen Assuan-Staudamm seien bei einer Explosion »14 Arbeiter umgekommen«, so betroffen, dass sie sie im Grabungstagebuch vermerkten.54 Andererseits ließen sie bei (Sand-)Sturm einen Grabungstag weniger zum Schutz der Arbeiter abbrechen als deshalb, weil Archäologen wie Arbeiter unter den Umständen keine gute Arbeit mehr geleistet hätten (Kap. 4.2). Nach dem – wenngleich nicht grabungsbedingten – Tod des Arbeiterjungen in Medinet Madi (3.3.8) gingen die Archäologen bemerkenswert schnell zur Tagesordnung über, ohne jemals wieder auf den Vorfall zurückzukommen. Und der Grabungsarzt Müller in Abusir el-Meleq und der -hakim Rösch in Amarna behandelten zwar nach Möglichkeit auch Anwohner, die nicht bei der Grabung arbeiteten, aber zu ihnen kamen (ebd.) – allerdings müssen die Gründe der Deutschen dafür nicht selbstlos gewesen sein, denn wenn sie es nicht getan hätten, hätte dies das Verhältnis der Archäologen zu den Anwohnern und also den Arbeitern belasten können. Grundsätzlich interessierten sich die Deutschen jedenfalls nicht für das Leben der Arbeiter außerhalb der Ausgrabungen, und sie gingen selten in die Dörfer.55 Petrie wusste außerdem, dass die Ägypter von Ausländern nur jenen ablehnten, der seinerseits »shows them that he despises everything about them«.56 Selbstverständlich reagieren Menschen auf Respekt mit Gegenrespekt und auf das Gegenteil mit dem Gegenteil.57 Insofern stellte auch die »Menschlichkeit« der untersuchten Archäologen eines 52

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Petrie, Methods in Archaeology, 39; vgl. jene »projects that involved but were never directly responsible to the native inhabitants«, die Europa laut Edward Said in einem »silent Orient« verwirklichen konnte (o. Kap. 4.2.2.1). Bigiavi, Accidents du travail (630 : »La législation sociale et ouvrière fait absolument défaut en Égypte et, sauf une loi sur le travail des mineurs dans les usines, rien n’a été fait jusqu’à ce jour, pour protéger les ouvriers contre les accidents du travail«). Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 458 (Genesung); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 119. Ein möglicher Grund dafür: Zucker, Von Kairo bis Assuan, 3: »Ach, wer mit einem Herzen voll Menschenfreundlichkeit nach dem Orient kommt, der wüßte sich vor Trauer [über das dortige Leid und Elend] nicht zu helfen, wenn er nicht wenigstens den alltäglichen Eindrücken gegenüber seine Empfindung etwas verhärtete«. Petrie, Seventy Years in Archaeology, 28. Vgl. Reisner, Principles, 43 (»The fellah, both in Egypt and in Palestine, understands personal loyalty, and has practiced it for ages. It is only necessary for the excavator to be loyal to his men to gain their loyalty for himself«). Mariette (o. Kap. 2.1.7) soll seine ägyptischen Arbeiter – obwohl oder weil es Zwangsarbeiter waren? – ebenfalls gut behandelt haben, sodass »ils travaillaient avec un entrain et une bonne volonté qui suppléaient presque au manque des instruments nécessaires«. Den guten Willen seiner Aufseher sicherte er sich, indem er ihnen

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ihrer Werkzeuge, eines ihrer Mittel zu ihrem archäologischen Zweck dar. Trotzdem dürfen wir uns die Archäologen nicht pauschal als derartige Zyniker vorstellen. Auf der individuellen Ebene – für die uns nur spärliche (biographische) Quellen vorliegen (Kap. 1.3.2) – scheinen manche der untersuchten Archäologen besonders gut, manche schlechter mit den Arbeitern ausgekommen zu sein bzw. sich mehr oder weniger mit ihnen solidarisiert zu haben. Es hing dies nicht zuletzt, wie schon zu d’Athanasis Zeiten (Kap. 2.1.2), vom kulturellen Verständnis und Einfühlungsvermögen des jeweiligen Mannes ab. Der allseits beliebte Grabungshakim Rösch (3.3.8) beispielsweise war durch seine vorherige Tätigkeit in Algerien mit der arabischen Welt besonders vertraut. In Ägypten machte ihm »[s]ein Interesse an Land und Leuten […] den Umgang mit unsern einheimischen Arbeitskräften, der nicht jedermanns Sache ist, zu einer Quelle des Studiums«.58 Sein Vorgesetzter Borchardt, der dies von Rösch berichtete, lebte seit mindestens 1898 hauptsächlich in Ägypten, doch Arbeiter und andere Ägypter hatten laut dem alten Senussi »Angst« vor ihm: »Mit der [Peitsche] prügelte [Borchardt] die Leute. In Luxor kannten u. fürchteten ihn alle«. Andererseits: »Wollte er von jemandem etwas, so sagte er: komm her, hab keine Angst«. Auch Rubensohn war nach eigener Aussage »so etwas verschrieen als gewalttätiger Despot, aber darein müßen sich die Leute finden und finden sich auch hinein«.59 Steindorff erinnerte in seinem Nachruf auf Georg Möller, dass dieser sich bei den Ausgrabungen in Abusir (dem bei Kairo, wo er Borchardt assistierte) bewährt habe »durch sein technisches Geschick« sowie »die Kunst, die Eingeborenen klug zu behandeln«60 – was immer »klug« hier bedeuten mag. Zucker scheint mit »den Fellachen« gut ausgekommen zu sein, indem er sie »mit Humor behandelt[e]«, denn sie seien »stets zu Scherzen und Spässen aufgelegt«; »selbst wenn es sich ums Bezahlen handelt, wobei im allgemeinen die Gemütlichkeit zurücktritt, wird man oft durch einen Scherz gutes Einvernehmen herstellen können«.61 Ferner scheint es besondere Beziehungen gegeben zu haben zwischen bestimmten Archäologen und bestimmten Arbeitern. Senussi wurde zu einem »Freund« Heinrich Schäfers (Kap. 3.6.1). Und jener deutsche Assistent, der den Arbeiterjungen Ali Abd el-Rani wie eingangs dieses Abschnittes erwähnt »so ins

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französischen Wein gab, den sie trotz des islamischen Alkoholverbots gerne tranken (Deseille, Mariette, 53, 59 [Zitat]). Und Petrie verdankte es bei einer Grabung seinem »good rapport with the workers«, dass er unscheinbare Funde genau datieren konnte – da die Arbeiter ihm genau mitteilten, in welcher Schicht der Stätte sie die Funde gemacht hatten (Fagan, Rape of Nile, 224). Borchardt zit.n.: Grünewald, Rösch, 51. Winkler, Vita Senussi; Rubensohn, Briefe an Familie, Grabung Elephantine 1906, zit. in: Kuckertz, Rubensohn (2020), 47. Steindorff, Möller, 143. Zucker, Von Kairo bis Assuan, 4. Ähnlich Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 113 (»Die Leute werden […] abgelohnt und sind trotz der 3 P[iaster] die sie bekommen, nicht zufrieden, lassen sich aber durch Zureden und ein paar Witze bald beruhigen«). Auch der »lustige« Vorarbeiter Ahmed Ramadan »nahm sein Amt […] mehr von der gemütlichen Seite; eifrig umher springend ermunterte er seine Untergebenen, erfreute sie mit einem kräftigen Witz und nannte sie ›mein Onkel‹, ›mein Vater‹, ›mein Bruder‹«, während die Vorarbeiter Abu el-Hassan und Mahmud Ali »weniger liebevolle Anreden gebrauchten« (Schubart, Wüste, 24).

5 Schlussfolgerungen

Herz« schloss, »dass er ihm Geld gab, um Lesen und Schreiben zu lernen«, hieß Walter Wreszinski (1880-1935).62 Doch ob ein Archäologe mit Arbeitern nun eine »Freundschaft« unterhielt oder Distanz wahrte – nach den Erfahrungen des US-Archäologen Reisner konnte je nach Fall beides funktionieren: »One [archaeologist] may handle his men with great success by a cold affection of superiority, another by cordiality and good-fellowship. Natives who have been efficient and successful workmen with one European are flat failures with another. Every excavator must solve this problem for himself«.63

5.2 Auswirkungen der Ausgrabungen auf das Leben der Arbeiter Die ägyptischen Arbeiter waren Fellachen – bäuerliche Landbewohner. Als solche waren sie äußerlich und innerlich in uralte Traditionen eingebunden.64 Auf der anderen Seite ist es ein »Mythos«, dass sich in Ägypten bei den Bauern und in anderen Bereichen seit der Antike kaum etwas verändert habe.65 In Wirklichkeit durchlebten die Menschen in Ägypten gerade im »langen« 19. Jahrhundert gewaltige Umbrüche: »Modernisierung«, Eingliederung in den westlichen Kapitalismus und sein Kolonialreich, Monetarisierung der Wirtschaft, Privatisierung des Bodens, »Proletarisierung«66 der Landbevölkerung. In partieller Verbindung damit erfolgten wie von mir formuliert eine »Archäologisierung«

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Zu Wreszinski: Schütze, Wreszinski. Reisner, Principles, 43. Auch auf allgemeinerer Ebene erklärte Reisner, dass Ausgrabungen in Ägypten sich bzw. ihre Archäologen und Arbeitskräfte in jeweils spezifischer Weise organisiert hätten. Daher könne die hocheffektive Organisationsweise der einen Ausgrabung für eine andere vollkommen ungeeignet sein und umgekehrt (Archaeological Fieldwork, 99). Schulze, Fallahin, 65 (»Anfang des 20. Jahrhunderts war das Dorf immer noch das entscheidende Strukturelement der ägyptischen Gesellschaft«), 72f.; Vatikiotis, Modern Egypt, 6f. (»[Egypt’s] rural masses […] remained for a long time isolated in their village existence, in constant communion with earth and nature. […] Isolationism [gegenüber Städten] and conservatism were the mainstays of fellah existence«); Eyre, Peasants (and »Modern« Leasing Strategies in Ancient Egypt). Moreno García, Economic History in Early Egyptology, 191f. (191: »modern Egyptians were thought to have lived like their forefathers, fellah’s life and physique having remained unchanged since ancient times, whereas agricultural tools […], not to speak of many traditions, could be traced back to pharaonic times«). Der »long-lived myth of the eternal Egypt« (ebd., 192) klingt beispielsweise an in Saleh, Petite propriété rurale, 8f. (8: »N’étant limitrophe d’aucun pays, séparée de toute civilisation par la mer ou le désert et ayant un milieu physique invariable, l’Égypte a vu sa population rurale conserver, au cours des âges, les caractéristiques qu’elle présente encore de nos jours«); Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1913/14, 14 (»An einer merkwürdigen Gewohnheit […] sehen wir aber wieder, wie konservativ Ägypten ist. In dem Grundstück eines […] [antiken] Mannes […] fanden sich« bei der deutschen Grabung »die Haupteingangstür […] und die Eingänge des Wohnhauses vermauert […]. Die das Gehöft verlassenden Bewohner hatten also ihr Besitztum […] gegen Einbruch durch Vermauerung gesichert. Dieses Verfahren wurde schon im alten Reiche […] und wird heute noch in Ägypten geübt«); weitergehende Theorie zum Ursprung des ägyptischen »conservatism«: Glanville, Introduction (Legacy of Egypt). Schulze, Fallahin, 68f.

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der Ägypter sowie eine »Ägyptisierung« der Archäologie (Kap. 2.2.4). Immer mehr Ägypter verrichteten immer regelmäßiger Tätigkeiten mit Bezug zur Archäologie, da immer mehr (westliche) Archäologen in Ägypten immer anspruchsvollere, wissenschaftlichere Forschungen durchführten, für die sie archäologisch versiertes einheimisches Personal benötigten. Die Arbeit der Arbeiter der untersuchten Ausgrabungen war einerseits Teil jener Veränderungen ihrer Welt; andererseits war sie ihnen ein Mittel (neben anderen), mit diesen Veränderungen zurechtzukommen. Da sie als Fellachen für ihren Lebensunterhalt nicht mehr genug Land besaßen, mussten sie Lohnarbeit finden. Die 48 Ausgrabungen, die die untersuchten Archäologen im Untersuchungszeitraum mit Ermächtigung der ägyptischen Behörden an mindestens 18 verschiedenen Orten in Ägypten veranstalteten, boten jedes Jahr insgesamt einigen Hundert von deren Anwohnern ein – geldliches – Einkommen für Tage, Wochen, vielleicht Monate. Im Gegenzug mussten die Eingestellten körperlich harte Arbeit verrichten67 und sich einer rigorosen Disziplin und Hierarchie unterwerfen. Auf der anderen Seite erhielten sie im Allgemeinen einen zufriedenstellenden Lohn in bar (Kap. 3.3.9.1); und die ihnen ansonsten bleibenden Arbeitsmöglichkeiten in Landwirtschaft und anderswo wären kaum »angenehmer« gewesen (4.2) – oder die Menschen hätten in ihrer Umgebung gar keine Alternative gefunden und womöglich hungern bzw. in eine Stadt ziehen müssen (4.1.3). Somit wird es für viele Fellachen bessere Gründe gegeben haben, bei den untersuchten Ausgrabungen zu arbeiten, als es nicht zu tun. Tatsächlich meldeten sich bei den Ausgrabungen im Allgemeinen genug Arbeitswillige. Archäologie könnte in dieser Hinsicht gar als eine Art von Entwicklungshilfe eingestuft werden, da sie Arbeit bzw. Geld zu darum ringenden Menschen brachte.68 An langjährigen Stätten wie Abu 67

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Heute dauert ein Grabungstag nicht länger als acht Stunden; Arbeiter können Schutzausrüstung wie Staubmasken bekommen, und sie werden von ihren Arbeitgebern nicht mehr gezüchtigt. Trotzdem erfahren ältere Arbeiter – für Quftis beginnt der offizielle Ruhestand mit 60 Jahren – körperliche Einschränkungen bzw. gesundheitliche Probleme. Dementsprechend waren in Assiut 2011 bei den deutsch-ägyptischen Ausgrabungen die meisten Arbeiter – sie waren Ortskräfte – zwischen 16 und 20 Jahren alt (Jungen unter 16 Jahren sollen in Ägypten heute zur Schule gehen und können daher bei Ausgrabungen nur während der Schulferien arbeiten – wenn ein Erziehungsberechtigter sie dorthin mitnimmt) (eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015; zu Assiut: Beck, Perspektivenwechsel, 108; zur Schulpflicht: Rowland, Qufti Archaeological Workforce, 10). Vgl. Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, 223 (zur Archäologie in der Gegend von Qurna um das Jahr 2000: »Today, work for Egyptian and foreign archaeological missions contributes toward the household budgets of many families and, along with other archaeology-related employment, represents an important element of village economics at al-Qurna«); Bradshaw, Impacts of Archaeology on Non-Descendant Community, 188-202 (zu britischen Ausgrabungen im Sudan in den 2010er Jahren, die für die dabei beschäftigten Anwohner ebenfalls von einigem ökonomischen Wert waren). Dagegen verweist Quirke mit Skepsis auf ein Wort des britisch-US-amerikanischen Mäzens Henry Wellcome (1853-1936) von 1910, wonach Archäologie im Sudan »the handmaid of philanthropy« sei (zit.n.: Hidden Hands, 1); zu Wellcomes Ausgrabungen im Sudan: Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, 120. Ähnliche Kritik an Archäologie in Ägypten: Mickel, Archaeological Labor, 186, 195 (Ausgrabungen als »exploitative labor system«); Clément, Peasant Consciousness, 84f., 89 (84: »extremely developed repressive system«).

5 Schlussfolgerungen

Gurob/Abusir, Amarna und Giza, wo die Deutschen für jeweils bis zu sechs Saisons gruben, mögen ganze Dörfer von ihnen gelebt haben – in Abusir wurde zeitweise ein Viertel aller männlichen Dorfbewohner von ihnen beschäftigt (ebd.).69 Wenn die Archäologen jedem ihrer durchschnittlich 131 Arbeiter an jedem ihrer 2.599 erfassten Grabungstage (Kap. 3.3.1) auch nur jeweils 3 Piaster zahlten – der wirkliche Durchschnitt war höher (3.3.9.1-2) –, dann »verteilten« sie insgesamt über 1,02 Millionen Piaster oder 10.200 ägyptische Pfund bzw. 13,5 (bezüglich Grabungstagen erfasste) Jahre70 lang knapp 75.700 Piaster pro Jahr an die ägyptische Landbevölkerung. Zum Vergleich: 1903 betrugen die Jahreseinnahmen bzw. -ausgaben eines landlosen Lohnbauern in Ägypten vielleicht 2.200 Piaster; die eines Land pachtenden Kleinbauern vielleicht 9.000, und die eines Land besitzenden Kleinbauern vielleicht 11.000 Piaster.71 Die Deutschen »finanzierten« demnach jedes Jahr – innerhalb der wenigen Monate einer archäologischen Saison – 7 bis 8 Kleinbauern, 34 Lohnbauern oder mehr als 34 der noch weniger verdienenden Tagelöhner, jeweils samt Frau und Kindern. In dieser Hinsicht galt in Ägypten somit ebenfalls, was in Hinsicht auf den dortigen Tourismus beobachtet worden ist: »Die […] Arbeitskraft des Altertums wurde in Gräber- und Tempelbauten gesammelt und aufgespeichert, und so wurde, ohne daß es gewollt worden war, ein Kapital geschaffen, das […] viele Jahrtausende später sich als ein solches offenbaren und Zinsen abwerfen sollte«.72 Jene Fellachen aus Abusir und vor allem Quft, die von den Deutschen als Stammarbeiter angenommen wurden, konnten die Archäologie sogar zu ihrem Beruf machen – zumindest für die kühlere Jahreshälfte, in der die archäologische Saison lag. Ein Beruf, der sie und ihre Familien für Jahre oder Jahrzehnte ernährte, sie womöglich (für Fellachenverhältnisse) »wohlhabend« machte und neben ihrem »ökonomischen Kapital« auch ihr »symbolisches Kapital« steigern konnte: Als Fellachen kamen sie in Ägyptens Gesellschaft im Allgemeinen aus der untersten Schicht, die von den einheimischen Eliten seit jeher geknechtet und verlacht wurde (Kap. 4.2.2.2), und im »langen« 19. Jahrhundert für die – natürlich nicht von den Fellachen verschuldeten – Veränderungen des Landes den höchsten Preis zahlte (4.2.2.1). Als Aufseher oder gar Vorarbeiter »befehligten« sie dagegen womöglich Hunderte anderer Fellachen und konnten, durch archäologische und andere Kompetenzen, zu Vertrauten von (für Fellachenverhältnisse) reichen und mächtigen

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Vgl. Legrain, Fellah de Karnak: Die von Legrain geleiteten archäologischen Arbeiten am Karnak-Tempel beschäftigten jeden Winter »de six à huit cents hommes et enfants, qui trouvent dans ce labeur une ressource inespérée contre la misère qui étreint les pauvres paysans (fellah) de cette contrée« (291); die Ortschaft Karnak zählte damals »environ 3,000 habitants« (290); falls die archäologischen Arbeiter alle von dort kamen, machten sie also ein Fünftel bis ein Viertel der Einwohner aus. Mein Untersuchungszeitraum (1898-1914) umfasst 16 ganze Jahre, denn 1898 und 1914 zählen jeweils nur halb. Die Jahre von 1898 (2. Hälfte) bis 1901 (1. Hälfte) sind bezüglich Grabungstagen nicht vollständig erfasst, da für die währenddessen laufende Ausgrabung in Abu Gurob die entsprechenden Daten fehlen; einzig für die Grabung Illahun 1899 sind sie vorhanden (Tab. 3.3.1). Aus der Rechnung mit den Grabungstagen fällt deshalb das ganze Jahr 1900 sowie jeweils die Hälfte von 1898, 1899 und 1901. Cromer, Reports on Egypt, 71f. Nr. 1-3. Magnus, Aegypten Wirtschaftsleben, 132.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Ausländern wie den deutschen Archäologen aufsteigen, die guten Arbeitern ihre Wertschätzung nicht nur finanziell vermittelt haben werden. In ihrem Heimatort mögen die Arbeiter entsprechende Bewunderung erfahren haben; und mancher Dorfgenosse wird sich um ihre Gunst bemüht haben in der Hoffnung, durch sie ebenfalls einen Arbeitsplatz bei den Deutschen zu erlangen. Langjährige Stammarbeiter der Deutschen könnten durch ihr auf diese Weise erworbenes Geld und Ansehen in die Mittel- bzw. Oberschicht ihres Dorfes aufgestiegen sein und damit zum sozialen Differenzierungsprozess beigetragen haben, der ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ägyptens Dörfern ablief – vor allem infolge der Umverteilung des Grundbesitzes: Während einige Fellachen mittelgroßen Grundbesitz erlangten, verloren viele alles.73 Überdies nutzten Stammarbeiter oder auch Ortskräfte ihre Anstellung, um andere Mitglieder ihrer jeweiligen Familie ebenfalls einstellen zu lassen. Beispiele dafür sind Senussi (Kap. 3.6.1) und die Familie Mahgub (aus Zawije?), die laut den Deutschen in Giza »einige […] ganz brauchbare Leute in unserm Betriebe hat«.74 So entstanden die von Borchardt selbst so genannten »Arbeiterfamilien«: »Mancher, der als junger Bursch vor 15 Jahren angelernt wurde, tritt heute schon mit seinen Söhnen bei uns an« (3.3.4). Und während manche von Senussis Verwandten, die den Anspruch erhoben, wie er Vorarbeiter zu sein, sich dafür als ungeeignet erwiesen, müssen irgendwann jene »Dynastien« von Vorarbeitern begründet worden sein, die zumindest bei Quftis heute bestehen: Die ruasa, die obersten Vorarbeiter bei Grabungen, gehören jeweils zu bestimmten Familien, in denen die ältere Generation diese Stellung an die jüngere weitergibt.75 Oberste Vorarbeiter mögen bezüglich »ihrer« Stammarbeiter mit der Zeit in eine Rolle hineingewachsen sein, die in den Zünften, in denen Handwerke und Dienstleistungsberufe in Ägyptens Städten zumindest bis um 1900 organisiert waren, ein »Scheich« einnahm: »[Il] place les ouvriers de sa profession, répond de leur moralité et de leur capacité devant ceux qui les emploient, débat directement avec ces derniers les conditions du travail : il est souvent utilisé comme chef d’atelier ou de chantier : c’est au point que les Européens eux-mêmes, pour demander un contremaître, disent parfois : › Il me faudrait un cheikh ‹. Toutes les professions, même celles qui semblent le moins

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Schulze, Fallahin, 68f. Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 126. El Dorry, Workmen of Guft, 54f.; Kawatoko, Grabungsarbeiter, 165, 168 mit Anm. 24. Eventuell – gesprochen wird darüber natürlich nicht – berechnet ein Rais seinen Dorfgenossen »Provision«, damit er sie nach dem Ruf der Archäologen mit auf die Grabung nimmt; eventuell behält er einen Teil des Lohns seiner Arbeiter, den die Archäologen an ihn auszahlen, für sich (vgl. Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, 234f.). Auch die eben in Anm. 68 erwähnten Ausgrabungen britischer Archäologen im Sudan in den 2010er Jahren hatten für die von ihnen beschäftigten Anwohner bzw. deren Familien und Dörfer nicht nur rein finanzielle, sondern auch weitere ökonomische bzw. soziale Auswirkungen, wenngleich nicht nur positiver Art: Wenn etwa eine Gruppe von Anwohnern den Eindruck gewann, die Archäologen bevorzugten eine andere Gruppe, konnte dies zu sozialen Spannungen führen (Bradshaw, Impacts of Archaeology on Non-Descendant Community, 202-216).

5 Schlussfolgerungen

propres à une organisation collective, sont ainsi groupées en un ou plusieurs faisceaux sous un ou plusieurs cheikh«.76 An den Pyramiden von Giza bildeten auch die Antikenwächter, Touristenführer und Kameltreiber eine (gemeinsame oder jeweils einzelne?) Zunft.77 Doch die untersuchten Vorarbeiter vertraten anders als die Zunftscheichs eher die Interessen der Archäologen bzw. Arbeitgeber gegenüber den Arbeitern als umgekehrt die der Arbeiter gegenüber den Archäologen (Kap. 4.2.2.3). Europäer, die in Ägypten unternehmerisch tätig waren, vermieden es, in ihren Betrieben Zunftscheichs zu Vorarbeitern zu machen, weil diese nicht auf ihrer Seite stehen würden.78 Die untersuchten Archäologen mussten sich bei ihren Vorarbeitern keine derartigen Sorgen machen. Im Unterschied zu Handwerksberufen wurden archäologische Grabungstätigkeiten freilich jedes Jahr nur vorübergehend ausgeübt – während der archäologischen Saison oder einer noch kürzeren Unternehmung bzw. Anstellung. Während der übrigen Zeit gingen die Arbeiter anderen Berufen oder Tätigkeiten nach, an jeweils verschiedenen Orten. Insofern wäre es schwer für sie gewesen, sich als archäologische Arbeiter berufsständisch oder gewerkschaftlich zu organisieren. Ein weiteres Hindernis bildete die ebenfalls mit den Umbrüchen in Ägypten einhergehende Individualisierung der Landbevölkerung. Die Dorfgemeinschaft bekam Risse, da Kollektiv- zu Privatboden wurde und die Dorfoberen hoheitliche Aufgaben an die Zentralregierung abtreten mussten (Kap. 4.1.3, 4.2.2.2).79 Die untersuchten Ausgrabungen beförderten die Individualisierung, da Quftis und Abusiris sich ihretwegen für mehrere Monate im Jahr an Stätten fern ihrer Heimat aufhielten. Umgekehrt beförderte die Individualisierung die Bereitschaft der Arbeiter, sich auf derartige Reisen einzulassen bzw. ihren Familien derartige Abwesenheiten zuzumuten. Eine weitere Stufe der Individualisierung bzw. des Wandels der ägyptischen Landbevölkerung wäre es gewesen, wenn bestimmte archäologische Arbeiter durch »ihre« Ausgrabungen ein ideelles Interesse am alten Ägypten entfaltet hätten – die alten Ägypter als ihre Vorfahren entdeckt; über die Antike nachgedacht; Antiken als Kunstwerke bewundert hätten und so fort; und wenn sie daraufhin sich selbst über das alte Ägypten weiterzubilden versucht oder ihre Söhne oder Neffen nach Möglichkeit zur Schule geschickt hätten, um sie dann an der Universität Ägyptologie studieren zu lassen. Meine Quellen verraten nichts über jenes etwaige Interesse der Arbeiter; sie lassen lediglich vermuten, dass es kaum oder gar nicht vorhanden war (Kap. 4.3). Die Zeit dafür war in meinem Untersuchungszeitraum noch nicht reif. Und die untersuchten Archäologen hätten nie daran gedacht, ägyptische Arbeiter in Ägyptologie (statt »nur« in archäologischen

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Métin, Égypte, 287-289 (Zitat: 288); vgl. Doyon, History of Archaeology, 180 (»guild-like structure […] which formed the basis for a new class of Egyptian foremen«). Baer, Egyptian Guilds, 80, 111, 134, 136, 148, 169. Dagegen existierten in Ägyptens Dörfern keine Zünfte, da in einem einzelnen Dorf zu wenige Menschen den gleichen Beruf ausübten, und zwischen verschiedenen Dörfern wenig administrative, ökonomische und soziale Verbindungen bestanden (ebd., 21f.). Métin, Égypte, 291f. Ferner Schulze, Fallahin, 69-72.

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Techniken) zu unterweisen oder welche zu diesem Zweck gar nach Deutschland mitzunehmen.80 Das Herkunftsland der Archäologen blieb für die Arbeiter eine unerreichbare Fiktion.81

5.3 Auswirkungen der Arbeiter auf die Ausgrabungen Der britische Ägyptologe Stephen Quirke zitiert in seinem Buch Hidden Hands, was der britische Archäologe Flinders Petrie in einem Feldtagebuch von 1884 mit Blick auf seine Arbeiter bemerkte: »[E]ngagement, dismissal, & the money-bag […] are all in my hands«.82 Für einen von Quirkes Rezensenten, den französischen Archäologen Nathan Schlanger, gesteht Petrie damit stillschweigend ein, dass »so little else« in seinen Händen liege. Petries »access to the past is mediated by […] a Pharaonic apparatus« – Hunderte von Arbeitern, von ihm motiviert durch ein System geldlicher Belohnung in Form von Lohn für abgeleistete Zeit und Arbeitspensum sowie Prämien für bessere Funde. Schlussfolgerung: »[T]he knowledge produced by Petrie on ancient Egypt has been conditioned, shaped, oriented, constrained – in interesting ways that remain to be elucidated – by the very conditions of archaeological labour prevailing in the Egypt of his time«.83 Die Grabungen von Petries deutschen Zeitgenossen lassen ähnliche und weitere solcher »Umwege« über die jeweiligen Arbeiter vermuten, die das aus den Grabungen zu gewinnende Wissen über das alte Ägypten nahm, bevor es bei den deutschen Archäologen angelangte. In ihren Grabungstagebüchern verschleiern die Deutschen solch menschliche Störfaktoren durch eine technische, unpersönliche Sprache: Schutt »wird fortgeschafft« von wem auch immer; Dinge »kommen zutage« wie von selbst; Arbeiter »werden« zum Arbeiten an Stellen in der Ausgrabung »gesetzt« wie Schachfiguren auf dem Brett (Kap. 3.4.3.1). Der Vorarbeiter Ali Mansur dagegen stellte 1903 in Giza eine ungeahnte Selbstständigkeit unter Beweis, zum Ärger des Grabungsleiters Georg Steindorff. Wie dieser im Tagebuch schreibt, hatte Mansur 80

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Ahmed Kamal (1851-1923), der erste ägyptische Ägyptologe, unterrichtete in Kairo bereits zwischen 1908 und 1912 einige Landsleute. In den 1920er Jahren studierten seine Schüler mit (ägyptischen?) Regierungsstipendien in Liverpool und Paris, und die Regierung verankerte Ägyptologie auch an ägyptischen Hochschulen als Fach (Reid, Indigenous Egyptology, 237, 240-242). Zur ländlichen, doch teils reichen Herkunft von Kamals Schülern: Reid, Contesting Antiquity in Egypt, 111-114. Vgl. Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 172 (»Heut Mittag sass ich mit [Senussi] und dem [Bootskapitän] etwa eine Stunde [zusammen] und erzählte ihnen von unserem Deutschland«). Arbeiter des US-Amerikaners Reisner und des Briten Petrie kamen ebenfalls nicht in deren Heimatländer, aber nach Palästina: Reisner brachte 1908 für eine bis 1910 laufende Ausgrabung in Samaria seine Stammarbeiter aus Ägypten mit (o. Kap. 1.3.3); Petrie brachte in den 1920er Jahren eine Handvoll »seiner« Arbeiter aus Quft nach Palästina, damit sie bei seinen dortigen Ausgrabungen beduinische Ortskräfte anlernten (Rowland, Qufti Archaeological Workforce, 12; Sparks, Digging with Petrie, 10, 12). Quirke, Hidden Hands, 60. Schlanger, Review Quirke, 303.

5 Schlussfolgerungen

»ausdrücklich Ordre erhalten, das Begräbnis im 3. Brunnen der Westwand […] nicht anzurühren, da auf der Leiche ein Perlenschmuck war, von dem einige Perlen schon im Sande liegen. Er nimmt trotzdem die Perlen ab; ob er dabei den Schmuck zerstört hat oder ob dieser schon zerfallen war – auch an den Füssen waren Perlenbänder – ist nicht mehr festzustellen«.84 Auf diese und andere Art und Weise müssen die ägyptischen Arbeiter in einem gewissen Maß bestimmt haben, was in den »deutschen« Grabungen wo und in welchem Zustand gefunden und was überhaupt nicht gefunden wurde. Die archäologische Theorie sagt dementsprechend, der »archaeological record« werde zuerst von seiner Herkunftskultur geformt; dann von Verrottung und anderen Umweltprozessen, die auf die Ablagerung der Überreste folgen; und schließlich von den Umständen, unter denen die Überreste wiedergewonnen werden.85 Im Falle der deutschen Grabungen in Ägypten ist Ali Mansurs Beispiel aller Wahrscheinlichkeit nach die Spitze eines Eisbergs, dessen größten Teil die Archäologen nicht dokumentiert oder nicht einmal bemerkt haben. Die Erkenntnisse dieser Studie erhärten und konkretisieren den Einfluss der Arbeiter in siebenfacher Hinsicht: (1) In Kap. 3.2.2.1-2 habe ich schon dargelegt, dass Auskünfte von Antikenhändlern und anderen Anwohnern antiker Stätten in die Entscheidung der Archäologen einflossen, an welchen Stätten und wo innerhalb dieser Stätten sie graben würden. Dass Zuckers Ausgrabungen insgesamt wenig Erfolg hatten (am wenigsten in Abusir el-Meleq und Dimai86 ), mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass ihm ein guter »Draht« zu Anwohnern bzw. Arbeitern abging.87 Umgekehrt wäre Rubensohn ohne den Hinweis seiner Arbeiter in Theadelphia (3.2.2.1) vielleicht nie nach Abusir el-Meleq gegangen – sodass auch Möllers dortige Ausgrabungen nie stattgefunden hätten; und Steindorff wäre nie nach Abusir (dem bei Kairo) gegangen, wenn Menschen von dort Borchardt nicht auf 84 85 86

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Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 150f. Schiffer, Archaeological Record, Kap. 3-9, 13. Zucker et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 43 (»Nach den Mißerfolgen der ganzen bisherigen Grabung fassen wir angesichts der trostlosen Resultate […] den Entschluß Abusir zu verlassen«); 1909/10 Dimai, 76 (»Das weitere [H]erausholen kümmerlicher Räume innerhalb u. außerhalb der Tempelumfassungsmauer […] bleibt ebenso ergebnislos wie bisher, u. unser schon seit mehreren Tagen gefaßter Entschluß, nach den durchaus negativen Resultaten der letzten Zeit die Arbeit am 12. [Januar] einzustellen, wird nur bestärkt«); vgl. o. Kap. 3.4.2. Bemerkenswert ist diesbezüglich Folgendes: Nach Zuckers Tagebuch nahmen seine Arbeiter in Medinet Madi den Tod des Arbeiterjungen (o. Kap. 3.3.8) »im ganzen u. großen […] ziemlich gleichgültig auf« (Zucker et al., Tgb. 1909/10 Medinet Madi, 87). Dagegen berichtete die Augenzeugin Frida Schubart (o. 1.2.3.1 Abs. 2): Der Vorfall »brachte unsere abergläubigen Unterägypter ganz aus dem Gleichgewicht, und als noch mehrere von ihnen erkrankten, wollten sie alle nach Hause« (Wüste, 40f.) – Grund für die vorzeitige Beendigung der Grabung sei also nicht wie von Zucker dargelegt die (Influenza-)Erkrankung von Arbeitern gewesen (Zucker et al., a.a.O., 132, 136f.), sondern letztlich deren Schock durch den Todesfall. Borchardt, der bei dem Vorfall nicht dabei gewesen war, wusste ebenfalls, dass dieser dazu beigetragen hatte, »die Arbeiter ängstlich und unlustig zur Fortsetzung der Grabung zu machen« (Borchardt, Vorjährige Ausgrabungen [Klio 1911], 260). Hatten die Arbeiter Schubart bzw. Borchardt etwas mitgeteilt, das sie Zucker verschwiegen bzw. dieser nicht verstanden hatte?

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das Steingefäßvorkommen aufmerksam gemacht hätten (ebd.). Ohne die Ausgrabung Steindorffs wiederum hätte es nicht die vielen Stücke gegeben, die dabei laut Borchardt »für die deutschen Museen« gefunden wurden, »namentlich sehr grosse und schöne Steingefässe«.88 Innerhalb einer Stätte entschieden dann in gewissem Maß Vor- oder einfache Arbeiter, anhand ihres eigenen Wissens, an welchen Stellen angesetzt wurde – obgleich ihre (höchstwahrscheinliche) Initiative in der unpersönlichen Sprache der untersuchten Archäologen größtenteils versinkt: »In der […E]cke gräbt ein Arbeiter tief und stößt hier auf 4 große Vorratsgefäße« – grub der Mann von sich aus so tief; tiefer als die Archäologen es von ihm erwartet hätten? »Morgen soll im Sande noch weiter« nach Grabbeigaben »gesucht werden« – weil ein Arbeiter dazu geraten hatte? »Der [Vorarbeiter] Salman lässt seine Leute von Norden und Osten zusammenrücken, um so [der Grabung] Senussi […] in einer Front entgegenzuarbeiten« – handelten die »Leute« damit auf Veranlassung Salmans oder aber der deutschen Archäologen? »[Die Stelle] wird im Laufe des Nachm[ittags] als zu unergiebig verlassen« – von wem stammte diese Beurteilung? »Mahmud Ali gräbt bei Q 48,1 weiter und überrascht uns durch mehrere Kleinfunde« – war es also Alis Entschluss, an der Stelle weiterzugraben, wohingegen die Deutschen dort nichts mehr vermutet hätten? »Soliman [?] Musellim beendet Q 46.18 […] u[nd] beginnt Q 46.20« – entschied er selbst, wann Haus Q 46.18 zu beenden sei und dass er danach Q 46.20 und nichts anderes begann?89 Andererseits lassen ungewöhnlich klare Aussagen wie die folgenden keinen Zweifel am erheblichen Anteil von Arbeitern an der Grabungsplatzwahl: »Senussi, dem das Graben an einem Ort schon lange nicht mehr gefallen, benutzt die Gelegenheit, in allen möglichen Stellen Schürfungen zu machen. Stößt dabei auf einem isolierten Hügel auf zwei große Gräber«. »Nachdem Senussi am Donnerstag den Nordfriedhof entdeckt hat, hat er keine Ruhe, bis er weiß, was dort enthalten ist. Er schickt eine Kolonne zu einer Versuchsgrabung ab«.90 Übrigens behauptete der englische Ägyptologe E.A. Wallis Budge (1857-1934) sogar: »All the truly great ›finds‹ in Egypt, Mesopotamia and Persia have been made by the natives, or through information which they have supplied«.91

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Borchardt, Vorjährige Ausgrabungen (Klio 1911), 264. Auf der Expedition in Nubien 1900 suchten Steindorff und Kollegen die Auskunft von Anwohnern bzw. den Bootsleuten schon deshalb, um bestimmte Orte und Stätten überhaupt zu finden oder zu identifizieren; ihre mitgebrachte Forschungsliteratur reichte dazu offenbar nicht immer (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900, 62, 99, 101, 107, 154, 164, 183, 185, 193; Borchardt, Altägyptische Festungen, 2f., 13 Anm. 4; o. Kap. 3.3.2.3 Abs. 9). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 116 (tief); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 59f. (im Sande); Aniba 1914, 488f. (Salman); Zucker et al., Tgb. 1909/10 Dimai, 66 (unergiebig); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 54 (Ali), 189 (Musellim). Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 25 (Schürfungen; dazu weiter 35, 37f.); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 163 (Nordfriedhof; vgl. o. Kap. 4.3). Als Entdecker des Nordfriedhofs von Aniba wird Senussi ägyptologisch gewürdigt von Raue, Steindorff Ausgrabungen, 438. Budge, Nile and Tigris, 329.

5 Schlussfolgerungen

(2) Die Arbeiter beeinflussten die Grabungsergebnisse durch ihre An- oder Abwesenheit in bestimmten Zahlen. Aus verschiedenen Gründen (Kap. 3.3.3.1) konnten an einer Grabungsstätte möglicherweise nicht so viele Ortskräfte verfügbar sein, wie die Archäologen für ihre Pläne bzw. die Anforderungen der Stätte benötigt hätten. In einem solchen Fall schritt die Grabung langsamer voran, musste bestimmte Stellen aussparen, musste teilweise unterbrochen bzw. verschoben oder gar vollständig abgebrochen werden.92 Die Arbeit wurde dann »hauptsächlich« zu einer »Arbeiterfrage«; womöglich musste man bis auf Weiteres akzeptieren: »Mit so wenigen Leuten kann die Arbeit nicht mit Erfolg in absehbarer Zeit erledigt werden«.93 In Dimai brach Zucker 1909 die Grabung bzw. Stättensondierung mangels Arbeitern nach zwei Wochen ab. In Giza konnte Steindorff 1903 einmal unter den Arbeitern sogar einige »Rädelsführer nicht heraussetzen, da wir an u. für sich schon unter dem Leutemangel leiden«. Infolge desselben bzw. des Mangels an Mitteln, mehr Leute einzustellen, erwiesen sich 1905 an einer Stelle in Giza »[d]ie Sandmassen, die zu bewältigen« gewesen wären, als »zu enorm. Man mußte, nachdem man nur eine verhältnismäßig unbedeutende Bresche vor dem südlichen Hauptportal« des betreffenden Gebäudes »geschaffen hatte, die Arbeit vorläufig aufgeben«.94 Generell betrachtete Borchardt Ausgrabungen mit zu kleinem Budget für Arbeitslöhne als »total unwirthschaftlich«.95 Doch selbst ein großes Budget garantierte nicht, dass dafür genügend Arbeiter zu haben waren: Zur Zeit der Grabungen in Abusir 1907 und 1907/08 konnten Arbeiter infolge der spekulationsbefeuerten Nachfrage im Raum Kairo bzw. in Unterägypten (Kap. 3.3.9.1) derart hohe Löhne verlangen, dass die Archäologen auch mit erhöhten Lohnangeboten nur wenige Leute anzogen. Dieser Mangel »kostete« die Ausgrabung bei abzutragendem Schutt zunächst »6 Wochen« Zeit, während »[v]on den Geldern […] noch kein Drittel verbraucht« war.96 Infolge dessen begannen die unerwartet reichen Funde der Ausgrabung erst im Oktober 1907 – als Borchardt Abusir eigentlich verlassen und die Ausgrabung im Amarna beginnen wollte. Stattdessen wurde die letzte Abusir-Kampagne (begonnen im Juli 1907) noch bis März 1908 weitergeführt,97 während die (Haupt-)Ausgrabung in Amarna dann sogar bis 1911 warten musste.98

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Steindorff, Libysche Wüste, 124; Tgb. Siwa 1899/1900, 166; ders. et al., Tgb. Giza 1903, 88f.; 1905, 27f.; 1906, 53; 1909, 173; Aniba 1912, 195; 1914, 335, 428, 433f., 445; Borchardt/Schäfer, Ausgrabungen Abusir 1900/01, 103; Borchardt, Nefer-Ir-Ke-Re, 80f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1903/04, 195, 233f., 271f.; 1907, 149, 232, 276, 317; 1907/08, 24, 30f., 73; Amarna 1911, 85. Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 121 (»hauptsächlich eine Arbeiterfrage«); Rubensohn et al., Tgb. 1906/07 Elephantine, 3 (»Die Arbeiterfrage«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 271 (so wenige Leute); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 7 (»Ich schätze bei 120 Arbeitern die [Grabungs]dauer auf 4-5 Wochen ein«); dagegen ebd., 12: da der Tempel weniger tief liegt als erwartet, ist er »mit unsrer Arbeiterzahl bequem in 14 Tagen ausgegraben«. Zucker et al., Tgb. 1908/09 Dimai, 252-254; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 106; zu Giza 1905: Hölscher et al., Grabdenkmal Chephren, 2; vgl. Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 10 (»Da bei der kl. Mannschaft die weitere Grabung an dieser Stelle aussichtslos ist, wird hier aufgehört«). Borchardt, Brief an Steindorff, 28.1.1909. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 76; vgl. 1907, 271 (o. in Abs. 2 zitiert). Borchardt, Grabdenkmal Sahu-Re, 140f. Voss, Abteilung Kairo des DAI, Bd. 1, 87-89.

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Umgekehrt schritt die Grabung mit mehr Arbeitern schneller voran.99 Gleichwohl durften es auch nicht zu viele sein, denn sonst hätten die verfügbaren Aufseher sie nicht mehr überblicken100 und die Archäologen die freigelegten Stellen bzw. anfallenden Funde nicht mehr angemessen dokumentieren können – die »Aufnahmen« mussten »mit dem Ausgegrabenen Schritt halten«.101 Folglich musste die Arbeiterzahl insgesamt sowie jeweils hinsichtlich Männern und Jungen in einem bestimmten Intervall und dann konstant gehalten werden, was den untersuchten Archäologen unter den gegebenen Umständen nicht immer gelang (Diagr. 3.3.2.2, 3.3.3.1a-b). (3) Doch selbst wenn, wie in den meisten Fällen, genug Arbeiter kamen, beeinflussten sie die Grabungsergebnisse durch ihre individuellen Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Um deren Bedeutung zu verstehen, müssen wir uns zunächst eine Besonderheit archäologischer Forschung bewusst machen: Ihre Methode der Ausgrabung »is, by its very nature, destructive; it provides a one-time opportunity to recover and properly document information«.102 Im Gegensatz zu einem Historiker kann ein Archäologe seine Quellen nicht immer wieder anders prüfen und interpretieren, denn eine antike Stätte – seine Quelle – existiert nach ihrer Ausgrabung nicht mehr (in ihrer vorherigen Form):103 Ihre vertikalen und horizontalen Strukturen sind abgetragen, umgegraben bzw. aufgelöst; die in ihr enthaltenen Objekte sind aus ihrem Kontext herausgelöst, eventuell geborgen, gereinigt, eingelagert, ausgestellt, restauriert. Nach der Ausgrabung kann der Archäologe bzw. ein zukünftiger Archäologe somit nicht mehr mit der Originalquelle arbeiten, sondern ist auf deren »sterilisierte« Überreste – die geborgenen Fundstücke

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Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 231; 1907, 295; Steindorff et al., Tgb. Giza 1905 (Sphinxtempel), 1-3, 5; Hölscher, Brief an Steindorff, 22.2.1909. 100 Kap. 3.3.2.2 (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 179, 215). 101 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1911/12, 105 (Zitat), 174f.; 1911, 124; 1913/14, 138f.; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 130; vgl. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907/08, 208; Möller et al., Tgb. Theben 1913, 35 (»Dadurch, daß jetzt« von den Arbeitern »nur an zwei Stellen gearbeitet wird, ist die Übersicht leichter«); dagegen Borchardt, Vorjährige Ausgrabungen (Klio 1912), 119 (»trotz angestrengtester Arbeit [hatte] die Aufnahme dem Fortschreiten der Grabung [in Amarna] nicht […] folgen können«). Vgl. Möller, Brief von Grabung Abusir el-Meleq an Schäfer, 26.8.1905 (»Ein [Plan-]Quadrat von mehr als 10 x 10 Meter können wir nicht verarbeiten, haben wir doch ohnehin schon Mühe, mit den Leuten Schritt zu halten, da jeder Wind mit Sandwehen, wovon mindestens 2 auf eine Woche kommen, uns dadurch, daß er das Photographieren unmöglich macht, in einen Rückstand bringt, der meistens grade eben an den Ruhetagen ausgeglichen werden kann«; dazu auch Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 13f., 31-35). 102 Brodie/Luke, Collecting, 316; ähnlich Tavares, Site Survey and Excavation in Egypt, 253. 103 Meskell, Sites of Violence, 145; Wilson, American Egyptology, 49; Droop, Excavation, viif.; Reisner, Archaeological Fieldwork, 100 (»In practically all other sciences, the observations of the investigator can be controlled. In chemistry, the same substances can be made available for other chemists; in physics, mathematics, astronomy, and all other sciences, the evidences can be reassembled and reexamined. Even in the case of the traveler in unknown regions, the tales that he tells can be investigated by others, and the immunity from exposure that such narratives enjoyed in antiquity, and even a few decades ago, has come to an end. […] In archaeological fieldwork, the same sort of immunity appears to exist for those evidences that are destroyed by the processes of examination«).

5 Schlussfolgerungen

– beschränkt sowie auf die Dokumentation der Stätte und ihrer Schichten im jeweiligen Originalzustand.104 Petrie erkannte die überragende Bedeutung des Fundkontextes in der Archäologie (o. Kap. 2.2.3), weil er jenen »zerstörerischen« Charakter der Archäologie erkannt hatte;105 und die untersuchten Archäologen strebten ebenfalls an, ihre Ausgrabungen umfassend und genau zu dokumentieren (3.2.5.2) – weshalb, wie gerade zitiert, ihre »Aufnahmen« mit dem Ausgegrabenen »Schritt halten« sollten. Die Beaufsichtigung der Arbeiter bei der Grabung durch Aufseher, Vorarbeiter und Archäologen diente somit in erster Linie nicht etwa der Verhinderung von Diebstählen, sondern der Beobachtung des Kontextes von Funden: »to see the location and associations of things as they appear out of the ground«.106 Um eine angemessene Dokumentation zu ermöglichen bzw. die unvermeidliche Zerstörung einer Stätte so geordnet wie möglich durchzuführen, mussten die Arbeiter gewisse technische Regeln befolgen. Der US-Archäologe Reisner, dessen Methodik die untersuchten Archäologen bewunderten (Kap. 3.2.5.2), umriss die Regeln wie folgt: »Workmen must distinguish between fallen stones and walls; stones struck with the pick in the debris are not to be pulled through the debris, but cleared; no floor is to be broken except by order, even when it is only a thin layer of harder earth; every fresh stratum is to be worked by itself, but only on order; the objects from each sort of debris are to be kept separate; the workmen must have enough knowledge to recognize important objects; such objects (whole pots, inscriptions, statuettes etc.) must be left in position and reported at once; no cave or other room is to be entered except by a special order; no pot, box, or other receptacle, is to be emptied except by

104 Die Tagebücher der untersuchten Ausgrabungen machen die mit diesen einhergehende Zerstörung mitunter explizit, z.B.: Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 122 (Backofen »wird abgebrochen, weil er die Arbeit hemmt«); Abusir el-Meleq, 222 (»Der Eingang in die Grabkammer und in den Schacht wird erweitert. Der Eingang in den Schacht dadurch, dass wir die Ziegeleinfassung wegschlagen«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 72 (»Nachmittags […] Mauer […] aufgenommen u. sie dann abreißen lassen«); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 12 (»Soweit notwendig, wird der Fußboden nach Aufnahme weggeräumt und das Gewölbe aufgebrochen«); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 146 (»Um diesen [Raum] ganz durchsuchen zu können, müssen wir einen Teil der darüber geführten Mauer abtragen«); Kom Ombo, 354 (»Die Ostwand des zur Grabkammer führenden Schachtes wird soweit niedergerissen, daß eine aus Brettern u. Latten zusammengefügte Bahn für das Heraufziehen der Blöcke schräg darüber gelegt werden kann«); 1908/09 Philadelphia, 150 (»um in [diesem Raum] ohne Hindernis in die Tiefe gehen zu können, wird der Pfeiler u. die kurze Mauer darunter beseitigt«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 43 (»Morgens […] Mauer fotografiert und ausgemessen und dann abgerissen«), 150 (»Bei unserer Mastaba wird mit der Freilegung und zugleich mit dem Abbruch begonnen«); Aniba 1912, 228 (»Um [mit der Öffnung von Ziegelbauten] zu beginnen, so wird das Nebengrab an der Südmauer mit seinem Tonnengewölbe abgetragen«); 1914, 428f. (»[Grab] 175 […] wird abgetragen, um an [170] besser heranzukommen […]. 192 […] wird abgetragen, damit festgestellt werden kann, ob nicht […] im Felsboden noch ein älteres Grab liegt«), 468 (»405 wird abgetragen, um das darunterliegende Grab 404 zu öffnen«). 105 Davis, Biblical Archaeology, 28; Petrie, Methods in Archaeology, 174f. Zum gleichen Bewusstsein beim US-Archäologen Reisner: Wilkinson, Golden Age of Egyptology, 340. 106 Wilson, American Egyptology, 49.

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order. Each man must know his place and his work, the extent of his responsibility and his authority«.107 Die untersuchten Archäologen gaben ihren Vorarbeitern bzw. Aufsehern zuweilen spezifische Anweisungen, die diese an die einfachen Arbeiter weitergaben (Kap. 3.3.4). Zum Beispiel sollten die Vorarbeiter bzw. Arbeiter in Amarna einmal besonders auf Tontafeln mit Keilschrift achten. Als daraufhin keine solchen gefunden wurden, gingen die Archäologen, da sie auf die Fähigkeiten ihrer Vorarbeiter vertrauten, davon aus, dass eine zuvor an der Stelle gefundene Keilschrifttafel dort in neuerer Zeit von Anwohnern verloren worden war,108 mithin in einen anderen Kontext gehörte. Um die Anweisungen der Archäologen auszuführen, benötigten die Arbeiter entsprechende archäologische Fähigkeiten – zum Beispiel die Fähigkeit, eine »Tontafel mit Keilschrift« von anderen Dingen in der Grabungsstätte zu unterscheiden. Nach meiner Einschätzung beruhten die Fähigkeiten der untersuchten bzw. anderer archäologischer Arbeiter in Ägypten auf Intuition (begünstigt durch Aufwachsen und Leben neben antiken Stätten), Anlernung durch erfahrene Arbeiter, und eigener Praxiserfahrung (Kap. 3.3.4). Durch ihr Leben in Ägypten kannten Ägypter »ihre« antiken Stätten natürlich besser als westliche Archäologen, die vielleicht zum ersten Mal in dem Land weilten. Mariette staunte diesbezüglich über die Fellachen »nés en quelque sorte sur les ruines«: »Ils savent ce que c’est que les antiquités, ils les ont maniées depuis leur jeune âge; ils connaissent les moyens de les trouver, ils sont en possession de ces mille petits secrets des ruines égyptiennes que moi-même, malgré ma longue expérience, je ne possède encore qu’imparfaitement« (o. Kap. 3.3.3.2). Und der eben schon in Abs. 1 zitierte englische Ägyptologe Budge erklärte: »The native seekers after antiquities always have known, and always will know, more about the places where antiquities are to be found than European archaeologists, however greatly they be skilled in Egyptology«.109 Erfahrung wiederum wurde von Petrie als »[t]he most needful of all acquisitions« in der Archäologie definiert: »Without knowing well all the objects that are usually met with in an ancient civilisation, there is no possible insight or understanding, the meaning of what is met with cannot be grasped, and the most curious mistakes are made«.110

107 Reisner, Principles, 42; vgl. Drower, Petrie, 228 (Petrie brachte seinem wichtigsten Vorarbeiter Ali Suefi bei, »to distinguish types and shapes of pottery and assign each sherd and each bead to its period«). 108 Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 109f. 109 Budge, Nile and Tigris, 329. 110 Petrie, Methods in Archaeology, 3f.; vgl. Reisner, Archaeological Fieldwork, 80 (»Skill in excavation involves the power of observation, the faculty of interpreting observed facts, and can hardly be taught in a book. It must be learnt by practical fieldwork«); Sauneron, Égyptologie, 123 (»sur les chantiers de fouilles, [le jeune égyptologue] apprendra tout ce qu’il n’a pas pu trouver dans les livres; la connaissance du terrain, la stratigraphie, l’archéologie au sens strict du terme, les éléments de datation qu’on peut tirer du sol, des petits objets, de la poterie, la

5 Schlussfolgerungen

Währenddessen glaubte der französische Archäologe Legrain in Karnak, dass seine Ortskräfte eine bestimmte Methode der Erdbewegung gar nicht zu lernen brauchten, da sie aus dem alten Ägypten stammte und den modernen Ägyptern daher im Blut liege.111 Die archäologischen Fertigkeiten und Kenntnisse zumindest vieler der untersuchten Vorarbeiter waren zweifellos enorm – man denke an Senussi und Abu el-Hassan Mohammed (Kap. 3.6.1-2) oder andere: Den Qufti Kerim Hamdan nannte Möller einen »ausgesprochen intelligente[n] und energische[n] Mensch[en]«. Der Vorarbeiter Salman erkannte offenbar im Gegensatz zu den deutschen Archäologen »das Begräbnis einer Frau mit einem Kinde« als solches – er wurde von einem »arabischen Arzt« bestätigt, als dieser die Grabung besuchte. Die (wohl vor allem archäologische) Meinung des Vorarbeiters Mahmud Ali, die er den Deutschen »ohne Verlegenheit« zu »sagen« pflegte, war »auch meistens die richtige«.112 Ein »besonders findiger Arbeiter« namens Abu Guma, der »als kleiner Bursche schon 1899 bei uns eingetreten war«, »machte« die Deutschen in Abusir 1907/08 »auf […] Grünspanspuren« an einer antiken Rinne »aufmerksam« und »fand auch bald ein noch anhaftendes kleines Stück […] Kupferblechs darin«. Diese Beobachtung führte dann zu einer ganzen Entwässerungsanlage aus Metall, die die Archäologen für das dritte Jahrtausend v. Chr. nicht erwartet hätten; sie sahen darin ein Zeugnis von der »hohen Kultur« der alten Ägypter jener Zeit.113 So trug Abu Guma mit seiner »Findigkeit« geradewegs zum Bild der untersuchten Archäologen – und ihrer Rezipienten – vom alten Ägypten bei. Nichtsdestoweniger stießen sogar die besten Arbeiter an Grenzen oder begingen Fehler bzw. hinderten die Deutschen nicht an welchen. In Amarna standen die antiken Gebäude in ihren eigenen Trümmern, und Feuchtigkeit hatte letztere mit der Zeit derart verfestigt bzw. vermörtelt, dass sie aussahen wie die noch stehenden Ziegelmauern.114 Die Deutschen maßen diesem Schutt entsprechend wenig Bedeutung zu, ließen ihn wie

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méthode à appliquer aux différentes fouilles«). Mariette beklagte einmal die »Langsamkeit«, die die »Unerfahrenheit« seiner Arbeiter seinen Ausgrabungen in den frühen 1850er Jahren verursachte (zit. in: Vercoutter, Égypte, 137). Zu informellem bzw. nicht auf akademischem Weg erworbenem archäologischen Wissen ferner Smith, Archaeological Knowledge in Peru, 156-161. Lacau, Legrain, 111; vgl. Chubb, Nefertiti, 95f. (95: »I am sure […] that the inborn [excavating] knowledge of these peasants [die als Grabungsarbeiter beschäftigt wurden] came down to them through six thousand years or so, from the days when the scale of building in Egypt first began to need just such skill in lifting and transporting great pieces of stone«); Hawass, Ancient Egypt, 152 (heutige Grabungsarbeiter, die schwere Funde mit antiken Methoden bergen). Zu Legrains »antiker« Methodik ferner Baikie, Excavation in Land of Pharaohs, 126f. Steindorff et al., Tgb. Giza 1905 (Sphinxtempel), 1 (Hamdan); Aniba 1914, 498 (Salman); Schubart, Wüste, 23 (Mahmud; Lob seiner »Umsicht und Tatkraft« beim Umzug von Zuckers Grabung von Dimai nach Medinet Madi: ebd., 32). Borchardt, Ausgrabung Abusir 1907/8, 24-27 (24: Zitate zu Abu Guma); ders. et al., Tgb. Abusir 1907/08, 371-374 (371: Name Abu Guma), 377f., 380-384, 386f.; »hohe Kultur«: Borchardt, Anschauungen über ägyptische Pyramiden, 244. Abu Guma dürfte identisch sein mit dem gleichnamigen (Vor-)Arbeiter aus Abusir, der uns bereits mehrfach begegnet ist (o. Kap. 3.3.3.2 mit Liste; 3.3.4 Anm. 379, 397; 3.3.8 Anm. 497; 3.6.2; 4.2.2.1 Anm. 229; 4.2.2.3). Peet/Woolley, Akhenaten, 126.

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Mauern sorglos abtragen und nach grober Durchsicht irgendwo abladen. An trockeneren Stätten, an die sie gewöhnt waren, war solch ein Vorgehen unbedenklich, weil man Mauern kaum mit Trümmern verwechseln konnte, die sauber von ihnen abfielen.115 In Amarna hatte es dagegen in den Worten der Briten T. Eric Peet (1882-1934) und C. Leonard Woolley (1880-1960), die dort 1921 und 1922 Ausgrabungen leiteten, zur Folge, dass »Borchardt, or his assistants, did in fact destroy everything they encountered except the solid stone«116 – weil sie die Trümmer undokumentiert aus ihrem Kontext rissen und viele in ihnen enthaltene Artefakte übersehen haben müssen. Doch wie hätten sie die Verwechslung verhindern können? Peet und Woolley gaben zu, dass auch ihre »Ḳ ufṭî foremen, experienced though they are«, Schwierigkeiten damit hatten, Mauern und vermörtelte Trümmer zu unterscheiden: »[O]ften they had to leave a doubtful place alone until the sun should have dried the surface of the cutting and thrown into relief the mortar joints of the walling, or shown that what had seemed a wall was really but a mass of fallen stuff«.117 Die Papyri, nach denen Rubensohn und Zucker suchen ließen, konnten ebenfalls schwer zu erkennen sein, wie der zeitgleich danach suchende Brite Grenfell (o. Kap. 3.2.2.1) feststellte: »Brains are the absolute essential for papyrus digging. A workman may be as honest as the sun, but if he can[not] see the papyrus at once (and it requires a very sharp eye to do so in the perpetual clouds of dust) he passes it over or else knocks it to bits, and is therefore as bad or worse than a thief«.118 Denn ob ein Papyrus von einem Arbeiter übersehen oder von einem Dieb gestohlen wurde, machte für das Grabungsergebnis keinen Unterschied: Das Papyrus fehlte den Archäologen bei der Interpretation der Grabungsstätte. Doch selbst wenn die Vorarbeiter der Deutschen archäologische Experten waren – die Ortskräfte waren dies eher nicht, da viele von ihnen nur selten bzw. kurzzeitig bei Ausgrabungen arbeiteten. Sie mussten deswegen von fähigen Vorarbeitern angeleitet und beaufsichtigt werden – doch inwieweit war es bei eventuell Hunderten von Arbeitern organisatorisch möglich, dass eine Handvoll Vorarbeiter bzw. Aufseher die Kontrol-

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Mode, Amarna (1983), 44f.; vgl. Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, 324. Peet/Woolley, Akhenaten, 126f.; vgl. Woolley, Spadework, 26 (»The Germans who dug at Tell el Amarna were capable men with plenty of local experience, and when they were excavating the houses, which lie well back in the dry desert and are buried in sand, they did admirable work; but when they attacked a mound close to the river where a temple built of mud brick was buried in the damp debris of its own bricks, they failed completely – they cut away all the walls and could not produce even the ground-plan of what had been a building standing six or seven feet high«). Hermann Junker bemerkte ebenfalls, dass die Deutschen in Amarna im Gegensatz zu Peet »eine grosse Dummheit gemacht haben« – und zwar »Borchardts Architekten«, denen ägyptologische bzw. Grabungserfahrung gefehlt habe (Junker, Brief an Steindorff, 28.11.1930). Zu den archäologischen Methoden der Briten in Amarna in den 1920er und 30er Jahren: Thompson, History of Egyptology, Bd. 3, 27-29; Shaw, Excavation Techniques at El-Amarna. Peet/Woolley, Akhenaten, 126. Brief an Petrie, 1897 (Hervorhebung dort), zit.n.: Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 87.

5 Schlussfolgerungen

le über die Ortskräfte, und gleichzeitig die Archäologen bzw. ihre deutschen Assistenten die Kontrolle über die Vorarbeiter behielten?

Abb. 47a-b: »Chaos« und »Disziplin« bei archäologischen Ausgrabungen

Wheeler, Archaeology, Taf. 4. Scan: Universitätsbibliothek Leipzig.

Der britische Indien-Archäologe Mortimer Wheeler (1890-1976) wäre diesbezüglich wenig optimistisch gewesen. In einem zuerst 1954 erschienenen archäologischen Lehr-

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buch stellte er zwei Fotografien von Grabungen gegenüber (o. Abb. 47). Die eine ist seine eigene in Indien 1945. Das Bild zeige »a site neatly parcelled out in readily controllable areas; small groups of workmen are directed by supervisors […]; the basket-carriers are working in orderly procession along clear pathways; and […] the survey-party is conveniently at work at a table […]. Every man knows what he is doing, and records are almost inevitably clear and sensible, the considered product of several pairs of critical eyes«.119 Im Gegensatz zu dieser »Disziplin« regiere bei der anderen Grabung, durchgeführt 1935 ebenfalls in Indien von einem namentlich ungenannten, aber »angesehenen« und »erfahrenen« Archäologen, das »Chaos«: »Look at the crowded workmen, picking and shovelling tumultuously in all directions; the absence of a supervisor or indeed of any possibility of supervision; the absence also of ›small-find‹ or pottery receptacles […]. Needless to say, the subsequent report faithfully reflected this concentrated confusion«.120 Gewiss sprach aus dem Briten Wheeler auch die kolonialistische Freude über die Unterwerfung der Einheimischen bzw. die Furcht vor ihrer Unbändigkeit.121 Nichtsdestoweniger sehen die Grabungen der von mir untersuchten Archäologen, trotz ihres betont »systematischen« Anspruchs (Kap. 3.2.5.2), auf Fotografien weniger wie die Wheelers, sondern eher wie die des von ihm kritisierten Kollegen aus; wir sehen eher einen Ameisenhaufen denn ein Uhrwerk, und was ich zuvor in diesem Abs. 3 ausgeführt habe, rechtfertigt Wheelers Befürchtungen bezüglich der Zuverlässigkeit der jeweiligen Grabungsergebnisse. Das gleiche tun in den untersuchten Grabungstagebüchern Bemerkungen wie diese: »[Gefunden wird] eine Bronzekanne – die der betr. Arbeiter mit der Hacke zerschlagen hat, als sie noch unter dem Schutt verborgen war«. »[Es] wird eine […] Opfertafel […] und ein […] Feuersteinmesser gefunden. Die Nachforschung nach dem unaufmerksamen Finder bleibt erfolglos«. »[U]nberührte[s] Begräbnis, das aber leider während (resp. nach) der Freilegung von den losen Steinen des [darüber liegenden Stein-]Kreises zerstört wird«. »[E]in Mann, den [Abu el-Hassan] […] missverständlicher Weise in einer im Altertum durchwühlte[n] Stelle […] graben lässt […], [stößt] auf einen dorthin verschleppten Granitblock«. »In Folge eines Missverständnisses beginnt [Senussi] […], westl. von [Haus] P 47.4 zu graben, wird aber wieder weggesetzt«. »[Die Statue] [g]efunden bereits gestern […], verworfen in einiger Entfernung vom Königskopf; von mir nicht gleich erkannt u. beachtet«. »[Wir finden] eine Kette von Fayenceperlen – ein kl. Stück [ist] durch die Hacke des Arbeiters losgetrennt«. »[…] Röhrenleitung, von der wir einstweilen nur ein kurzes Stück […] freigemacht haben, um einer Zerstörung durch die schuttabtragenden Jungen vorzubeugen«.122 119 120 121 122

Wheeler, Archaeology, 80. Wheeler, Archaeology, 80. Chadha, Wheeler, 385-392; vgl. Beck, Perspektivenwechsel, 11; Schlanger, Review Quirke, 303. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 134 (Bronzekanne); Steindorff et al., Tgb. Giza 1905, 37 (Opfertafel); Aniba 1914, 506 (Begräbnis); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 219 (Granitblock);

5 Schlussfolgerungen

Des Weiteren wurden auch beim »Reinigen« bzw. Aufnehmen von Grabungsstellen noch Objekte gefunden, die mithin bei der eigentlichen Ausgrabung übersehen worden waren.123 Wenn die Archäologen das Gefundene dann aufnahmen, inwieweit wussten sie, ob es in früherer Zeit oder erst von »ihren« Arbeitern beschädigt worden war? Und erfuhren sie von den (Vor-)Arbeitern bei jedem Fundstück den genauen Fundkontext?124 Wenn ja, oder wenn die rechtzeitig hinzukommenden Archäologen den Fundkontext noch selbst betrachten konnten, hatten die Arbeiter ihn verändert, indem sie durch unsachgemäßes Graben ein Stück an eine andere Stelle oder in eine andere Stellung befördert hatten, bevor sie es fanden? »Die Perlen« der Ketten der Mumien »von den dort beschäftigten Arbeitern durcheinander geworfen«, stellt ein Tagebuch fest;125 und dem Vorarbeiter Ali Mansur geschah, wie eingangs dieses Kap. 5.3 gesehen, das gleiche. Inwieweit konnten die Archäologen oder betreffende Arbeiter dann selbst sicher sein, ob ein Objekt »in situ«, das heißt in (antiker) Originalposition,126 oder aber (irgendwann vor der Grabung, etwa

Amarna 1912/13, 140 (Haus); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 70 (Statue), 106 (Kette), 143f. (Röhrenleitung). Vielleicht eher orientalistisch begründet war folgende Befürchtung: »Ich habe angeordnet daß man« an in der Tiefe gefundenen Ziegelbauten »vorsichtig von oben arbeiten soll und nicht wie es sonst der Araber liebt, in dem sich jeder einzelne ein Loch gräbt und sich dort immer tiefer einwühlt. Ich fürchte, die Leute verderben zu leicht etwas« (Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 82). Die Deutschen führten die Grabungsaufsicht daraufhin »mit besonderer Sorgfalt, damit es gelingen möge, die Ziegelreste zu erhalten« (ebd., 91f.). 123 Z.B. Steindorff et al., Tgb. Giza 1906, 47f.; Aniba 1912, 229; 1914, 333; Möller et al., Tgb. Theben 1911, 77, 104, 123; 1913, 32, 40; Borchardt et al., Tgb. Amarna 1912/13, 161, 257f.; 1913/14, 190, 253. 124 Vgl. Petrie, Ten Years Digging in Egypt, 161 (»It need hardly be said that the greatest care is required in making certain as to exactly where things are found. Workmen should never be allowed to meddle with each other’s lots of potsherds or little things; and any man mixing up things from elsewhere with his own finds should be dismissed. Men should be trained by questioning to report where they found objects, at what level and spot in their holes«); Carter/Mace, Tut·Ankh·Amen, 153 (»An excavator, then, must see every object in position, must make careful notes before it is moved, and, if necessary, must apply preservative treatment on the spot. Obviously, under these conditions it is all-important for you to keep in close touch with your excavations. Holiday trips and days off are out of the question. While the work is actually running you must be on the spot all day, and available at all hours of the day. Your workmen must know where to find you at any given moment, and must have a perfectly clear understanding that the news of a discovery must be passed on to you without any delay«). 125 Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 185. 126 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 164 (»Stück Granit [kommt] in situ heraus«); 1907, 150 (»Mauerbekleidungsblöcke […], anscheinend in situ«), 219 (Kalksteinblöcke »erweisen sich […] als doch in situ befindlich«); Amarna 1906/07, 68 (»Ob [die Säulentrommeln] […] noch in situ [sind], ist immer noch nicht zu sagen«); 1911, 172 (Granitstück »steht in einer Ecke, ob in situ, ist ebenso fraglich wie sein Zweck«); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 161 (»bei einer Mumie aber [dennoch] nicht mehr in situ ein Fayencegefäß«); Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 95 (»vor der Westwand befindet sich […], augenscheinlich in situ, obwohl auf Schutt gesetzt, ein Steinblock«); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 105 (»Anscheinend in situ wird das Stück einer Weihinschrift […] gefunden«); 1913, 21 (»ein nicht mehr in situ gefundener Ziegel«); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 204 (»Befund […] ›in situ‹ […], soweit man auf die verstreuten Amulette dies Wort anwenden kann«); Aniba 1914, 437 (»wohl nicht in situ liegend ein […] Krug«).

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von antiken oder modernen Grabräubern127 oder von Sebachin [Düngersammlern]128 ) »verworfen« angetroffen,129 oder von Arbeitern versehentlich selbst »verworfen« worden war? (4) Weiter vergrößert wurde der Einfluss der Arbeiter auf diese Ergebnisse durch den gegebenen Zustand der Grabungsstätten und der darin enthaltenen Objekte. Sie waren vor der Grabung jahrtausendelang natürlicher und menschlicher Zerstörung ausgesetzt gewesen; sie waren zerbrochen, zerfallen, zertrümmert, zerfressen, zerdrückt, zerstückelt, verschmutzt, vermorscht, verwittert, vermodert, verkohlt, verstreut.130 Jegliche Berüh-

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Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 220 (»höchstens wären« an dieser Stelle »kleine Funde zu erhoffen, die den antiken Grabräubern entgangen sein könnten«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 137 (»die Mumie [war] von Grabräubern alter Zeit herausgerissen und geplündert«); Amarna 1912/13, 156 (zu dem »erwähnten Sarge ist noch nachzutragen, dass er von Grabräubern schon geöffnet war«); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 59 (»Gräberfelder, die systematisch von Raubgräbern abgesucht sind«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 12 (»Loch [in Mauer] ist wahrscheinlich von Tempelräubern, die unter dem Pflaster nach Schätzen suchten, gehauen worden«); Aniba 1912, 218 (Schacht, »der von Grabräubern schon ausgegraben, aber nicht vollständig geleert war«); 1914, 441 (»das Skelett haben die alten Räuber neben die Gruft geworfen«), 457 (Steinplatten, »von denen aber die eine von den Grabräubern des Altertums zertrümmert war«); Qau 1913/14, 51 (»Durch das Loch in der [Sarg-]Brust haben die alten oder neuen Grabräuber den Inhalt des Sarges herausgenommen«); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 30 (»[Aus den Grabschächten fördern wir nur Reste], die die Gräberdiebe übersehen oder verschmäht haben, zu Tage«); 1913, 66 (»[Die Grabräuber] haben [in diesen Grabkammern] furchtbar gewirtschaftet: die Särge sind so gründlich zu Kleinholz geschlagen, daß Splitter von Talergröße vorherrschen«). 128 Kap. 4.1.2. Zum archäologisch fatalen Eingriff von Sebachin in die Sebach (Dünger) enthaltenden antiken Stätten Ägyptens im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Bailey, Sebakh; Davoli, Papyri, 94-105; bis zurück ins Mittelalter: Quickel/Williams, Sibākh. 129 Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 52 (»Im Schacht findet sich eine abgestürzte – oder hineingeworfene Mumie«); 1903/04 ebd., 162 (»Verworfen finden sich Papyrusfragmente«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 97 (»In der Grabkammer liegt Alles durcheinander«); 1907/08, 28 (»die Funde bestehen nach wie vor aus einem wüsten Durcheinander von Gefäßscherben«); Amarna 1913/14, 29 (»wahrscheinlich verworfene Säulenbasen«); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 239f. (»Unweit […] wird eine […] Schwelle […] aus Sandstein, anscheinend verworfen gefunden«), 248 (»schuttgefüllte[r] Hohlraum, in dem […] Pottery durcheinandergeworfen ist«); Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 222 (Krüge, »wohl aus einer Grube verworfen«); 1914, 435f. (»Südlich davon, möglicherweise verworfen, werden 2 Krüge […] und eine Muschel gefunden«); Qau 1913/14, 39 (Reliefbruchstück »zeigt […], wie weit die zerschlagenen Wände zerstreut worden sind«). 130 Z.B. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 57 (»Nur ein Theil der [Mumien-]Maske […] erhalten, stark zerbrochen«); 1907/08, 135 (»stark durch Oxyd zerfressene […] Figuren«), 355 (»Der [Relief-]Stein ist stark durch Salz zerfressen und verwittert«); Amarna 1906/07, 59 (»Vorläufig bringen [die Arbeiter] nur zerbrochene u. herausgerissene […] Bausteine heraus«); Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 11 (»Leiche […] bis zur Unkenntlichkeit zerstört«); 1906/07 Elephantine, 4 (Inschrift »[s]ehr verschmutzt und zerstört«), 26 (»ganz vermorschte und zerstückelte [Papyrus-]Fragmente«); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 63 (»Das Skelett war, wie fast immer bei ganz tiefen […] Gräbern, fast spurlos zerstört«); 1906, 48 (»In Kammer 3 sind die Särge […] sämmtlich ganz vermorscht. […] die Skelette zerfallen. […] ein zerdrücktes Goldfigürchen«); Theben 1911, 84 (»Die Bestattung ist völlig zerstört, vom Sarg kommen nur wenige Splitter heraus«); 1913, 64 (»Bruchstück einer Frauenfigur, die mal hübsch war, jetzt aber vorn ganz verkohlt«); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 271 (»2 kleine verschnürte Röllchen Papyrus – das eine leider recht mit-

5 Schlussfolgerungen

rung konnte die Antiken weiter beschädigen.131 Inwieweit konnten die Arbeiter dies verhindern? Manche waren bei der Fundbergung geschickt,132 andere im Umkehrschluss weniger.133 Dass eine »absolut intakt[e]« Elfenbeinstatuette geborgen wurde, war so ungewöhnlich, dass die Archäologen daraufhin »Donnerwetter!« ausriefen.134 In je kleinere Stücke ein Objekt dagegen zerbrochen war, desto sorgfältiger mussten Arbeiter vorgehen, um sie jeweils zu erkennen und dann so viele wie möglich davon wiederzufinden.135

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genommen – über deren Beschriftung bei dem augenblicklichen Zustande nichts festzustellen ist«); Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 61 (»Der Holzsarg, in dem die Leiche lag, ist völlig von den Lehmmassen zerdrückt«); Qau 1913/14, 108 (»durch Feuchtigkeit mürbe[r] äussere[r] Sarg«); Aniba 1914, 326 (Grab »ergibt nur Scherben«), 520 (»von […] Steinen zertrümmerte[s] Skelett«). Zur besonderen Zerbrechlichkeit von Papyri: o. Kap. 3.2.2.2. Bes. Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 18f. (Mumie »[v]öllig vermorscht, zerfällt bei der Berührung«); Amarna 1911, 151 (»Tonsarg, der leider in viele Stücke zerfällt«); 1913/14, 196 (»leider zerbröckeln die drei Bruchstücke« der Statuette »unter dem Einfluß der Luft derart, daß eine Konservierung wohl kaum möglich sein wird«); Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Tebtunis, 180 (»Das andere Stück« Papyrusfetzen »zu brüchig, kann nicht aufgemacht werden«); Abusir el-Meleq, 209 (»Bauchstück« des Mumienschmucks, »das sich bei der Berührung in Staub auflöste«); 1903/04 ebd., 12 (Bleigefäß »zerbricht unter der Hand«); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 132f. (»Der eine [Sarg] geht beim ersten Anheben in viele kleine Stücke […]. Was an Perlenspuren vorhanden ist, zerfällt bei der geringsten Berührung«); Aniba 1914, 403 (»Knochenring, der beim Wegnehmen zerbricht«). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Abusir el-Meleq, 217 (»Sarkophag [wird] ohne erhebliche Verletzungen [desselben] aus dem Grab herausgebracht«); 1902/03 ebd., 60 (»Eine kleine Mumie wird mit Sarg mit vieler Mühe wolerhalten nach oben gebracht«), 110 (Es »gelingt […] uns den einen Sarg in 2 Stücken […] loszulösen«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1907, 280 (»[Um] 5h ist [das Relief] ganz heraus, trotzdem große Blöcke dagegen lagen. Es bekommt beim Herausnehmen dieser Blöcke auch nicht eine Schramme. Vorsicht haben die Kerle doch schon gelernt«); Amarna 1912/13, 64 (Abu el-Hassan »bringt […] endlich, unter aller erdenklichen Vorsicht – eine […] Säulenbasis aus Kalkstein heraus!«); Honroth et al., Tgb. Amarna West 1913, 48 (»Um bei dem bröckeligen Material wenigstens etwas zu retten geht die Arbeit hier nur sehr vorsichtig u. langsam weiter. Es gelingt aber, 2 völlig erhaltene, ganz vergoldete Männerköpfe heraufzubringen!«); Steindorff et al., Tgb. Qau 1913/14, 104 (»es gelingt, [die Mumie] unversehrt auf ein Brett zu laden und in unsere Wohnhöhle zu schaffen«), 112 (Sarg »scheint mehrfach Sprünge aufzuweisen, kommt aber bei vorsichtiger Behandlung in nur 2 Stücken heraus«). Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 139 (Sarg »so morsch, daß er beim Hinauftransportieren arg leidet und vollends zu Grunde geht«); Steindorff et al., Tgb. Abusir 1910, 52 (Mumie »wurde […] dann herausgehoben, wobei sie zerfiel«); Qau 1913/14, 108 (»Beim Anheben« des Sarges »löst sich […] ein Stück ab«), 222 (»trotz aller Vorsicht [fällt] der grösste Teil des [Sarg-]Deckels in das Grab (in sich zusammen.)«). Rubensohn et al., Tgb. 1903/04 Abusir el-Meleq, 24; vgl. Zucker et al., Tgb. 1908/09 Philadelphia, 63 (»Fund, der so vollkommener Erhaltung bei so großen Glasgefäßen sehr selten ist«). Z.B. Rubensohn et al., Tgb. 1902/03 Abusir el-Meleq, 141 (»Viele Fragmente von Kränzen gesammelt«); 1903/04 ebd., 8 (»Im Schutt werden einige […] Fayence-Scherben gefunden«); 1904/05 Hermopolis, 47 (»Die anderen [Papyrus-]Fragmente sind winzig, meist nur die Anfänge der Zeilen erhalten«); Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903/04, 89 (»Im Schutt den halben Fuß einer Statue gefunden. […] Möge es gelingen, weitere Theile derselben zu finden«); 1907, 93 (»Im Schutt […] wird auch ein Holzsplitter gefunden mit sauber eingeschnitzter Inschrift«), 330 (»Im Laufe des Nachmittags werden weitere Splitter vom Leibe des Königslöwen gefunden«), 391 (»Die Jungen […] fangen an, die kleinen und kleinsten Reliefsplitter vom Thaltempel hinaufzuschaffen«); Amarna 1912/13, 33 (»Weitere Bruchstücke« des Türsturzes »sind bis jetzt nicht gefunden«), 194 (»Das einzige noch da-

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

(5) Die vier bisher beschriebenen Einflussfaktoren verbanden sich miteinander und mit sonstigen Faktoren, die noch unberechenbarer waren. Wenn etwa an einem Tag zu wenig Arbeiter kamen, wurden bestimmte Stellen später ausgegraben oder ihre Ausgrabung konnte erst am folgenden Grabungstag abgeschlossen werden.136 Durch eine solche Verzögerung oder Unterbrechung wurden dann gewisse andere Funde gemacht oder nicht bzw. aufgenommen oder nicht als ohne sie.137 Je mehr Arbeiter arbeiteten, desto wahrscheinlicher war überdies, dass manche sozusagen einen schlechten Tag hatten – sie fühlten sich gesundheitlich nicht gut, waren mit dem Lohn unzufrieden, wütend auf ihren Aufseher und so fort. Womöglich waren an einem Tag (fast) alle Arbeiter »schwierig« oder »sehr schwer zu behandeln«.138 Je fragiler bzw. anspruchsvoller ein (potenzielles) Fundstück war, desto eher fiel es nachlässigen und/oder unqualifizierten Arbeitern zum Opfer. In Abusir el-Meleq 1905 zum Beispiel ist bei der schwierigen, ungewohnten Ausgrabung von Hockergräbern »[z]u Anfang […] auch bei unsern erprobtesten Leuten […] manche Beschädigung aus Unkenntnis vorgekommen«; die Arbeiter »merkten vielfach erst dann, daß sie in der [Tiefe der Skelette] waren, wenn einige der großen Knochen angeschlagen und teilweise oder ganz zerstört waren«.139

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zugefundene Bruchstückchen« des Türpfostens »giebt [folgende] [Schrift-]Zeichen«); 1913/14, 157 (»Weitere Stücke der Türverkleidung […] haben sich nicht gefunden«); Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 45 (»sehr schönes Feuersteinmesser (leicht beschädigt, hoffentlich findet sich das fehlende Stück noch beim Sieben)«); Theben 1911, 45 (»Aus dem Schutt kommen […] wieder einige verworfene Splitter eines […] Totenbuchs«), 124 (»Als interessant ist nur ein Haufen Bruchstücke von einem großen Tongefäß zu erwähnen, von dem die ersten Stücke schon vor ein paar Tagen herauskamen. […] Das Gefäß wird nicht vollständig zusammenkommen«), 133f. (»Passversuche ergeben, daß das Gefäß nicht annähernd vollständig zusammenkommt«); 1913, 50 (»Die Papyrusfragmente […] gehören zu mindestens 2 Handschriften und werden kaum Zusammenhängendes ergeben«); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 89 (Es wird »eine zahllose Menge kleiner [Papyrus-]Stückchen gefunden«); Steindorff et al., Tgb. Giza 1909, 68 (»aus dem Schutte […] kommen heute noch 3 Körbe Statuenbruchstücke. Es kommen 1 Hand und ein Unterarm zusammen, sodann ein Hinterkopf (aus 4 Stücken), ein Gesicht (Nase, Mund, Kinn (2 Stücke), sonst nichts weiter«); Abusir 1910, 72f. (Unter den heutigen Funden sind »[s]ehr gute Stücke, wenn auch sehr zerbrochen […]; manches passt mit dem schon gestern zu Tage Geförderten zusammen. […] Das beste Stück von allen, ein Krug […], ist leider sehr unvollständig«); Qau 1913/14, 188 (»ein winziges Stückchen eines Fayencescarabäus gefunden«). Z.B. Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 215 (»Die starke Präsenz erlaubt uns, im Tempel einige Mann zur weiteren Untersuchung [einer bestimmten Stelle] anzustellen«). Vgl. Zucker et al., Tgb. 1907/08 Philadelphia, 98 (»Es trifft sich sehr gut, daß die Funde vor Mittag geborgen werden können wegen unserer Reise« [sc. Besorgungsreise der Deutschen am Abend in die nächste Stadt]); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 20 (»Der« um Arbeiter »verstärkte Betrieb scheint sich gleich bemerklich zu machen, denn es wird ein kleiner Königskopf gefunden von 10cm Größe«). Rubensohn et al., Tgb. 1901/02 Theadelphia, 74 (1. Zitat); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 50 (2. Zitat). Dagegen ders. et al., Tgb. 1908/09 Abusir el-Meleq, 17 (»Von [einem] Zwischenfall abgesehen, funktioniert die Arbeiterschaft tadellos. Es wird jedesmal ein sehr großes Tagespensum erledigt«). Möller, Brief von Grabung Abusir el-Meleq an Schäfer, 14.9.1905 (zu Anfang …); Müller, Gräberfeld Abusir el-Meleq, 2 (merkten); vgl. Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 9; o. Kap. 3.3.4.

5 Schlussfolgerungen

(6) Noch gar nicht erwähnt habe ich die Möglichkeit, dass Arbeiter Antiken aus der Grabung entwendeten, um sie an Antikenhändler (denen manche Arbeiter sogar als feste Agenten dienten?) zu verkaufen,140 oder aber dass sie geringwertige oder gefälschte Antiken in die Grabung einschmuggelten, um dafür Fundprämien zu kassieren. Derartige »kriminelle Umtriebe« sind der am meisten stereotype, ein im kolonial-orientalistischen Diskurs (vgl. Kap. 3.5.4) vorprogrammierter Einfluss von Arbeitern auf die Grabungsergebnisse. Dass sie auch bei den untersuchten Ausgrabungen vorkamen, haben die Archäologen aber konkret beobachtet141 und kann angesichts der mitunter lebensbedrohlichen wirtschaftlichen Not der Arbeiter bzw. Fellachen (4.1.3) nicht bezweifelt werden.142 (7) Die untersuchten Archäologen haben die Ergebnisse »ihrer« Ausgrabungen unter ihrem Namen publiziert und erwecken so den Eindruck, sie, die deutschen Archäologen, seien selbstständig und -bestimmt zu diesen Ergebnissen gelangt. In Wirklichkeit wurden »ihre« archäologischen Funde und Befunde von den Faktoren beeinflusst, die wir in den Quellen in expliziter und impliziter Form beobachtet haben. Dass diese Faktoren existierten, lag an den Eigenheiten von Grabungsarbeitern – sie waren positiv und negativ, individuell und kollektiv, Willen und Bewusstsein der Arbeiter unterworfen oder auch nicht – sowie an den Eigenheiten archäologischer Stätten und ihres Inhalts. Wirksam werden konnten die Faktoren dann jedoch nur deshalb, weil eine andere Eigenheit die Archäologen davon abhielt, die Faktoren einzuhegen: Die Archäologen und ihre deutschen Assistenten waren »ihren« ägyptischen Arbeitern zahlenmäßig weit unterlegen und gaben sich, dementsprechend, eine andere Aufgabe als ihnen. Zwar nahmen die Deutschen als Aufseher auch an dem eigentlichen Ausgraben teil, doch hauptsächlich kümmerten sie sich um die Aufnahme des Ausgegrabenen (Kap. 5.1).

140 Die Händler mögen das Entwendete entweder weiterverkauft oder aber kopiert (und dann in die Grabung zurückgeschickt?) haben, um die Fälschungen »gleichzeitig mit dem originalen Fundanteil der Ausgräber in den Handel zu bringen«. In diesem Fall war es »nahezu ausgeschlossen«, die Fälschungen als solche zu entlarven (Voss, Borchardts Berichte über Fälschungen im Antikenhandel, 56). Möller hörte 1913 von dem Quft-Forscher Davidsen (o. Kap. 1.2.3.1 Abs. 6b), dass ein Antikenhändler in Luxor einen »Agenten« in Quft beschäftige, der von Quftis »die gestohlenen« Antiken kaufe – was bedeutet hätte, dass Stammarbeiter deutscher, britischer und US-amerikanischer Ausgrabungen systematisch Fundstücke entwendeten (Möller et al., Tgb. Theben 1913, 62f.). 141 Kap. 4.2.1.2; Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 196f. (»[Es] wurden ein Mann und 2 Jungen entlassen, weil sie eine gefälschte kleine Figur mitbrachten [und] sie als gefunden vorzeigten, um einen Backschisch zu erhalten«); 1907, 143 (»Ein Mann, der versucht, eine Fälschung einzuschmuggeln, um einen Bakschisch zu verdienen, wird an die Luft gesetzt«); 1907/08, 210f. (»Ein kleiner Kopf ordinärer Arbeit wird von einem Saqqari (!) als ›gefunden‹ abgegeben. Ich vermute stark daß« der in Saqqara grabende »Mr Quibell mehr Anrecht auf das Ding hat als wir. […] Den glücklichen Finder […] wollen wir uns merken!«; vgl. ebd., 471f.); Steindorff et al., Tgb. Giza 1910, 49 (»Gestern wurde wieder, wie bereits voriges Jahr, versucht gefälschte Antiken in die Grabung einzuschmuggeln, um einen Finderlohn zu bekommen. Der von seinen Angehörigen offenbar vorgeschobene Junge musste seine Torheit damit bezahlen, daß er als abschreckendes Beispiel in unsanfter Weise aus der Arbeit geworfen wurde«). 142 Vgl. James, Carter, 132f.; Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, 237, 240-246.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Der Deutsche, der im Wechsel mit den anderen für einen halben oder ganzen Tag die Oberaufsicht über die Grabung führte (Kap. 5.1), sah sich gegebenenfalls Hunderten von Arbeitern gegenüber. Wenn er gleichzeitig Aufnahmen durchführte,143 hatte er anderes noch weniger im Blick. Jedenfalls müssen wir davon ausgehen, dass die Archäologen, welche die Funde und Entdeckungen publiziert haben, bei den meisten nicht einmal anwesend waren, als sie – von den an der Stelle arbeitenden Ägyptern – gemacht worden sind. Die Deutschen wurden von den Arbeitern an der jeweiligen Stelle gerufen, nachdem die Funde und Entdeckungen bereits gemacht worden waren oder sich zumindest angekündigt hatten,144 oder die Arbeiter brachten Fundstücke zu den Deutschen ins Feldlager.145 Deswegen bleibt zumindest bei gegenständlichen Funden meist ungewiss, wer – welche(r) Arbeiter – sie im eigentlichen Wortsinn »gefunden«, das heißt zuerst erblickt hat. Aus meinen Quellen lassen sich diesbezüglich fast keine individuellen Namen entnehmen bzw. ableiten. Die Grabungstagebücher sagen höchstens kollektiv, dass »die Arbeiter« oder »Leute« etwas finden (Kap. 3.4.2), oder nennen Vorarbeiter, die etwas »finden« (3.6.1-2) oder einen Fund wie erwähnt melden oder überbringen – ihn deshalb aber nicht selbst gemacht haben müssen.146 In den Lohnlisten wiederum stehen zwar die Arbeiternamen und etwaige Fundprämien, nicht aber die Fundstücke, für die sie gewährt worden sind. Einzig bei den Funden um die Nofretete-Büste ist die Zuordnung offensichtlich: Der Lohnliste der Grabungskampagne Amarna 1912/13 zufolge erhielten am 7. Dezember die Abusiris Ali Abd el-Gani und Ahmed Selim, die Quftis Kemal Abdallah und Abd el-Aziz 143 Wie bei Steindorff et al., Tgb. Aniba 1914, 314. 144 Borchardt, Ausgrabungen Abusir 1901/2, 9f.; ders. et al., Tgb. Abusir 1901/02, 24, 141; 1907, 246, 302; 1907/08, 210, 264, 380; Amarna 1912/13, 44; Rubensohn et al., Tgb. 1904/05 Abusir el-Meleq, 110; Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 69; Steindorff et al., Tgb. Aniba 1912, 142; Qau 1913/14, 64. 145 Borchardt et al., Tgb. Illahun 1899, 25; Abusir 1907/08, 143; Amarna 1912/13, 10; 1913/14, 190; Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 90; Aniba 1912, 44, 54, 115f. Vgl. Tassie, Excavation Methodology, 1776 (»One of the major differences between excavating in Egypt and excavating in Europe or the U.S.A. is the use of non-professional labourers to carry out the manual excavation and spoil removal. These labourers may be very experienced excavators, but have no formal training in archaeology and they are not usually responsible for recording on site (typically the responsibility of the supervisors/archaeologists). For this work regime to produce the most effective results, it is essential the archaeologists themselves maintain frequent contact with the archaeological surface being excavated«); Collis, Archaeological Evidence, 87f. (»What is an archaeological ›fact‹? The basic building block for archaeological interpretation is that a certain object was found in a certain context or stratum. But we ourselves cannot be present at every find. Even if we find it ourselves, can we always be sure that we have observed it correctly, or that someone has not played a trick on us and buried it the night before, or that it is not in a secondary position, having been redeposited by some human or natural process such as erosion? Immediately we are having to make value judgements. What, and whom, can we trust?«). Zu den ägyptischen Arbeitern, die »Petries« Grabungsfunde gemacht haben: Quirke, Hidden Hands, Kap. 6f. 146 Vielleicht gilt dies auch für diese direkter formulierten Ausnahmefälle: »Als ich […] wieder hinaufgehe hat Hassan [Mohammed] eine griechische […] Papyrusrolle gefunden!« (Borchardt et al., Tgb. Abusir 1901/02, 155); »Beim Abbrechen einer Mauer findet Soliman el Bedani einen hübschen Skarabäus aus grün glasiertem Stein« (Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 52).

5 Schlussfolgerungen

Def sowie 18 andere Jungen und Männer aus diesen Orten und aus El-Hagg Qandil Zuschläge zwischen 15 und 400 Piastern – bei jeweiligen Tageslöhnen zwischen 2 und 4,5 Piastern (Abb. 48).147 Am 6. Dezember war die Grabung in den Ruinen der antiken Stadt Amarna in Haus bzw. an Planquadratstelle P 47.2 auf die »Modellkammer« eines Bildhauers gestoßen, welche die »sensationellsten« Objekte enthielt, die bis heute in Amarna gefunden wurden und die damals »alles Bisherige bei weitem übertrafen«: »Bildnisköpfe des Königs [Echnaton] und seiner Familie [Nofretete war seine Gemahlin] aus Stein und Gipsstuck sowie Gipsmodelle [bzw. Teile von Modellen] nichtköniglicher Personen«.148 Nachdem die Funde am Vormittag des 6. Dezember begonnen hatten und der Grabungsleiter Borchardt herbeigerufen worden war, arbeitete an derjenigen Stelle in Raum 19, wo am Nachmittag die Nofretete-Büste herauskam, der Obervorarbeiter Senussi mit den deutschen Archäologen allein.149 Die genannten anderen Arbeiter müssen jene sein, die am 6. und 7. Dezember die restlichen Schätze der Bildhauerkammer gefunden und/oder geborgen haben. Die Höhe ihrer Prämie verdeutlicht den Anteil, den die Archäologen ihnen an den Funden zurechneten.150 Im Umkehrschluss stellt sich die Frage, welche Ergebnisse die Amarna-Grabung erbracht hätte, wenn am 6. und 7. Dezember 1912 andere Arbeiter in anderer Zahl unter anderen Umständen an P 47.2 oder aber andere Stellen der Stätte geraten wären. Auf der Ebene des einzelnen Falles mögen die Kontingenzen, die mit jedem Arbeiter und jeder Grabungsstätte verbunden waren, keine Rolle gespielt haben. Da jedoch von der altägyptischen Zivilisation so wenig Quellenmaterial erhalten ist, können schon kleine, unscheinbare Fundstücke für die ägyptologische Interpretation einen merklichen Unterschied machen.151 Zumindest zusammengenommen und über eine Kampagne oder mehrjährige Ausgrabung hinweg müssen die beschriebenen Einflussfaktoren die jeweiligen archäologischen Ergebnisse entsprechend verändert haben. Die Arbeiter waren demnach nicht nur »the excavator’s hands«, wie der Archäologe Reisner und die untersuchten Archäologen es sich natürlich gewünscht hätten.152 Unter viel mehr Gesichtspunkten, als die Archäologen es sich vorstellten, waren ihre archäologischen Unternehmungen eine »Arbeiterfrage« (o. Abs. 2).

147 Borchardt et al., Lohnliste Amarna 1912/13, Woche 5.-11.12., (S.) 2-4. 148 Finneiser, Amarna, 442; vgl. Borchardt, Ausgrabungen Amarna 1912/13, 28-50; ders. et al., Tgb. Amarna 1912/13, 37-60; Seyfried, Werkstattkomplex. 149 Borchardt, Porträts Nofret-ete, 30f. Diese – nachträgliche – Schilderung des Fundverlaufs stammt entgegen Schlögl (Nofretete, 11) nicht aus dem Grabungstagebuch – meine Erforschung der Grabungsarbeiter wäre viel leichter gewesen, wenn die Tagebücher schildern würden, wer zu welchem Fund wie beigetragen hat (vgl. o. Kap. 1.2.1.1, 3.4.3.1). Und selbst die nachträgliche Schilderung lässt offen, wer die Nofretete zuerst erblickt hat – Senussi (der als Vorarbeiter selbst für die Nofretete keine dies bezeugende Fundprämie erhalten hätte: o. 3.3.9.2), Borchardt, ein anderer Deutscher oder mehrere dieser Personen zusammen? 150 Auch ägyptische Museen sollten demnach an ausgestellte Fundstücke nicht mehr ohne Weiteres schreiben, dass diese von den (meist westlichen) offiziell leitenden Archäologen der jeweiligen Grabung »gefunden« worden seien (Stevenson, Egyptology and Museums, 18-20). 151 Franzmeier, Early Archaeological Publications, 75, 93. 152 Reisner, Principles, 42. Andererseits fügte er selbst hinzu: »[T]he closer the connection between the actual diggers and the directing intelligence, the more satisfactory the results« (ebd., 42f.).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Abb. 48a-b: Borchardt et al., Lohnliste Amarna 1912/13, Woche 5.-11.12.: Einige der extremen Lohnzuschläge für Grabungsarbeiter (Ausschnitt aus Bogenseite 1 [o.], 2 [u.])

Scans: Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo.

5 Schlussfolgerungen

Ihre Ausgrabungen haben die untersuchten Deutschen jeweils auf eine bestimmte Weise durchgeführt, die jeweils Stärken und Schwächen aufwies. Überhaupt fehlte bis ins 20. Jahrhundert hinein auch manchem westlichen Mitglied von Grabungsmannschaften in Ägypten eine seiner Rolle angemessene ägyptologische Ausbildung bzw. archäologische Erfahrung153 – man denke an den Nicht-Ägyptologen und Nicht-Archäologen Zucker (Kap. 3.2.1) oder an Rubensohns »Assistenten«, den Maler Rexhausen (1.2.3.1 Abs. 1; 5.1). Wissenschaftler unserer Zeit hätten die Ausgrabungen anders durchgeführt. Sie können aber eine frühere Grabung nicht durch eigene Wiederholung korrigieren, da jede Grabung ihre Stätte per Definition unumkehrbar verändert und in diesem Sinne zerstört. Somit bleibt der Bericht jeder Grabung eine unersetzliche Quelle für das dabei Ausgegrabene.154 Ägyptologen können aber die Ergebnisse früherer Ausgrabungen nur dann angemessen beurteilen und verwenden, wenn sie wissen, wie sie erzielt worden sind.155 Dieses »Wie« der archäologischen Wissensproduktion hängt wiederum ab von den physischen Eigenschaften der Stätte sowie von Faktoren wie Grabungsarbeitern156 und ihrem sozioökonomischen und kulturellen Kontext.157

5.4 Ausblick: Mögliche bzw. nötige weitere Forschungen Die kritische, reflexive, analytische statt nur deskriptive wissenschaftliche Erforschung der Geschichte der Ägyptologie und Ägypten-Archäologie, die seit etwa fünfzehn Jahren

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Franzmeier, Early Archaeological Publications, 75f., 89 (bezogen auf eine Grabung unter Petrie 1920/21). Franzmeier, Early Archaeological Publications, 71-73; vgl. Reisner, Archaeological Fieldwork, 80, 100. Franzmeier, Early Archaeological Publications, 94 (»an explicit reflection on the dataset and the conditions and premises under which the archaeological fieldwork was conducted needs to be included in any reassessment of such old excavations«). Eberhardt, Excavation Techniques, 90-92; Faktoren neben den Eigenschaften der Stätte: »administrative aspects, including conditions of manpower and material like size and composition of the [excavation] team«; »professional and intellectual backgrounds of the excavators or executive staff . Education, individual interests and academic relations as well as individual aspects such as skilfulness or personal discipline strongly influence how particular excavations are carried out« (ebd., 91f.; Hervorhebungen dort); Franzmeier, Early Archaeological Publications, 75 (»modern excavations experience limitations based on manpower, time etc. for recording, making it necessary to define an adequate accuracy«), 76 (»The Egyptian workforce surely can be identified as another factor [bei Petries Grabungen], even though they were not involved in the documentation«). Ferner Arnold, Tomb Architecture, 11 (»All archaeologists know the shortcomings of old excavation records. Usually inscriptions and objects of high artistic value are well documented along with tomb shafts, but architecture – even today – is often neglected, reflecting the absence of field architects and probably the great disparity between the large number of excavation workers and a few recording archaeologists«; hierzu Thompson, History of Egyptology, Bd. 2, 106f.). Luciani, Archaeological Field Training, 157f. Zu weiteren Faktoren in der Produktion oder Konstruktion archäologischen Wissens: Morgan/Eddisford, Dig Houses; Pruitt, Authority; Ward, Excavating the Archive.

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von verschiedener Seite vorangetrieben wird (Kap. 1.3.2), scheint momentan unaufhaltsam; zweifellos getragen von »genuine commitment and seriousness of purpose«, was 2008 bereits Geschichtsschreibungen anderer Archäologien von sich zu behaupten wagten.158 Von laufenden Projekten, die mir bekannt sind, haben zwei einen unmittelbaren Bezug zu den von mir untersuchten Unternehmungen: Der Gräzist und Papyrologe Holger Essler (Würzburg) arbeitet an einer Habilitationsschrift über das Deutsche Papyruskartell (Einreichung 2023);159 die von mir vielfach zitierte Ägyptologin Susanne Voss an einer Biographie Ludwig Borchardts. Der Ägyptologe Thomas Gertzen publiziert ebenfalls regelmäßig zur Geschichte der deutschen Ägyptologie. Angekündigt sind darüber hinaus von der Historikerin Wendy Doyon (o. 1.3.3) die Veröffentlichung ihrer Dissertation Empire of Dust: Egyptian Archaeology and Archaeological Labor in Nineteenth-Century Egypt (University of Pennsylvania, eingereicht 2021) sowie von Peter Der Manuelian (Harvard University) eine umfangreiche Biographie George Andrew Reisners, des US-amerikanischen Kollegen der untersuchten Archäologen (Walking among Pharaohs: George Reisner and the Dawn of Modern Egyptology, Oxford University Press). Der Manuelian leitet außerdem die Erschließung der entdeckten arabischsprachigen Tagebücher ägyptischer Vorarbeiter bei US-amerikanischen Ausgrabungen zwischen 1913 und 1947 (1.2.2); diese Vorarbeiter kamen wie die der untersuchten Deutschen aus Quft. Ferner finden immer mehr wissenschaftliche Tagungen zur Ägyptologie-Geschichte statt.160 »Two of the most important advances in twenty-first century archaeology are a widespread historization of archaeology and a growing concern with archaeological practice«.161 Mit der Erforschung ägyptischer archäologischer Arbeiter knüpfen wir an beide Entwicklungen an. Solche Forschung mag sogar der heutigen Ägypten-Archäologie dabei helfen, ihre Praxis reflexiver, moderner zu gestalten. Auch der Ägyptologe Quirke hofft, mit seiner Untersuchung der Arbeiter Petries die Archäologie in Ägypten aus ihrer »neocolonial practice« zu heben; aus ihrer »exclusion into inclusion of the past and present inhabitants of the landscape under study«.162 Meines Erachtens können Archäologen mit Wissen über historische Arbeiter auch die heutigen besser verstehen. Diese können den Archäologen dann umso besser dabei helfen, die Anwohner der jeweiligen Grabungsstätte in die archäologische Praxis einzubeziehen. Eine solche Einbeziehung heißt community archaeology und ist in der Archäologie in Ägypten bisher weniger praktiziert worden als in Archäologien anderswo. Anwohner einer Grabungsstätte können allerdings für eine dortige Grabung von großem Nutzen sein: Erstens halten sie sich im Unterschied zu den Archäologen das ganze Jahr über an der Stätte auf, weshalb deren Schutz vor menschlichen Übergriffen weitgehend von den Anwohnern abhängt. Zweitens besitzen manche Anwohner durch ihr Leben neben den Stätten ein auch archäologisch wertvolles Wissen

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Schlanger/Nordbladh, Introduction (Archaeology in the Light of Its History). Vorstudien: Essler/Reiter, Berliner Sammlung im Papyruskartell; Essler/Hermes-Wladarsch, Bremer Papyrussammlung; Essler, Zuckers Erwerbung Theadelphia. 160 Kürzlich z.B. die breit aufgestellte Veranstaltung Pyramids and Progress: Perspectives on the Entanglement of Imperialisms and Early Egyptology (1800-1950), Löwen und Brüssel, November 2021. 161 Moro Abadia, Review Wolfhechel Jensen, 569. 162 Quirke, Hidden Hands, 304.

5 Schlussfolgerungen

über sie, das den ortsfremden Archäologen fehlt (vgl. Kap. 3.2.2.1-2). Ägyptische archäologische Arbeiter können den Archäologen dabei helfen, das archäologische Potenzial der Anwohner zu aktivieren: Erstens sind manche Arbeiter selbst Anwohner. Zweitens können sie, wenn nicht, als Ägypter die Anwohner einer Grabungsstätte in Ägypten im Allgemeinen immer noch besser erreichen, als ausländische Archäologen dies könnten.163 Quirkes ist nur eine von verschiedenen Studien, die in den letzten Jahren zu Arbeitern historischer archäologischer Unternehmungen in Ägypten erschienen sind (Kap. 1.3.3). 2016 haben die dänischen Ägyptologen Fredrik Hagen und Kim Ryholt eine weitere Gruppe des »supporting cast« der Ägyptologie beleuchtet: die Antikenhändler in Ägypten zwischen 1880 und 1930.164 Nicht alle, aber viele der »Nebendarsteller«, die in herkömmlichen Ägyptologiegeschichten keinen Platz finden, sind »Subalterne« (o. 1.4.4; dagegen wären zum Beispiel Finanziers und Fotografen der Archäologie, die Hagen/Ryholt neben Arbeitern als Beispielgruppen des »supporting cast« anführen,165 keine subalternen Gruppen). Sofern jene Subalternen nicht nur anekdotisch erzählt, sondern als wirkmächtige Akteure ernstgenommen werden, begründet die Beschäftigung mit ihnen eine »(Geschichte der) Ägyptologie von unten«.166 Diese Perspektive liest alte, vermeintlich bekannte Quellen in neuem Licht oder erschließt neue Quellen. Erleichtert wird das durch die Präsentation archivalischer Grabungsunterlagen in Editionen;167 durch Ausstellungen, die auf praktische und organisatorische Aspekte von Grabungen eingehen,168 und durch die Veröffentlichung von Grabungsunterlagen im Internet.169 Bei der Erforschung meines Themas habe ich für vier Fragenkomplexe in meinen Quellen keine befriedigenden Anhaltspunkte gefunden: (1) Was bedeutete für die untersuchten Arbeiter ihre islamische (Kap. 3.5.4 Abs. 2) bzw., im Falle der Kopten in Qau, ihre christliche Religion (3.3.3.1)? Hat sie ihre archäologische Arbeit bzw. ihr Verhältnis zu den deutschen Archäologen beeinflusst?

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169

Georg, Antiquity Bound to Modernity, 59f.; vgl. zu community archaeology in Ägypten ferner Beck, New Perspective, 27-29, 38f.; Bloxam/Kelany, Cultural Heritage Management; Fushiya, Archaeological Site Management. Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt (Zitat: 183). Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt, 183. Reid, Whose Pharaohs, 14 (»One might develop narratives of the history of Egyptian archaeology as seen from ›below‹«). Z.B. Kap. 1.2.1.1 (Habermann, Badische Grabungen), 1.2.2 (Gertzen, Schäfers Tgb. Nubienreise 1900; Beinlich, Photos Nubien); Delange, Éléphantine; Azim/Réveillac, Karnak Georges Legrain; Piacentini/Orsenigo, Giornali Loret. Außerdem erscheint seit 2009 die Zeitschrift Egyptian & Egyptological Documents, Archives, Libraries (EDAL; Mailand: Pontremoli). Z.B. Brinkmann, Sahure [Begleitband zu Ausstellung in Frankfurt a.M. 2010]; Del Vesco/Moiso, Missione Egitto [Begleitband zu Ausstellung in Turin 2017]; De Meyer/Cortebeeck, Djehoutihotep [Begleitband zu Ausstellung in Brüssel 2015/16] (darin Harco Willems: Introduction, 9-13, hier 11: »Les expositions archéologiques décrivent rarement la manière dont les fouilles étaient menées dans le passé. Cet aspect des choses est cependant aussi intéressant et important que les trouvailles […]. L’intégration de la documentation d’anciennes fouilles dans la recherche scientifique moderne livre souvent des points de vue inattendus«). Z.B. Quellen und Literatur Abs. aa, ac; https://archive.griffith.ox.ac.uk/index.php/petrie-collection (Grabungsunterlagen Petries; Zugriff: 1.9.2022).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter (2) Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gab es zwischen Arbeitern aus verschiedenen Dörfern bzw. Gegenden Ägyptens (Kap. 3.3.3.1), und wie haben sie sich auf die archäologische Arbeit der Betreffenden bzw. ihr Verhältnis zu den deutschen Archäologen ausgewirkt (vgl. 3.5.2: Urteile über Bewohner der Dörfer Kerdasse und Kafr; 4.1.3)? (3) Die Gender-Frage: Inwiefern ist das Verhältnis zwischen ägyptischen Arbeitern und deutschen Archäologen von dem Umstand beeinflusst worden, dass Arbeiter und Archäologen Männer waren? Bei einigen Ausgrabungen wurden aber auch Mädchen oder Frauen beschäftigt (Kap. 3.3.2.2), und gelegentlich hielten sich Ehefrauen der Archäologen an der Grabungsstätte bzw. in Ägypten auf.170 Haben sich diese Umstände auf eine Grabung bzw. auf das Verhältnis zwischen Arbeiter/innen und Archäologen sowie Verhältnisse der Arbeiter/innen untereinander ausgewirkt?171 (4) Von jenen Briefen der untersuchten Archäologen, die ich nicht ausgewertet habe (Kap. 1.2.1.5), besagen manche dem Vernehmen nach, dass die Archäologen zuweilen als Arbeiter auch solche Anwohner der Grabungsstätte beschäftigten, die zwar archäologisch untauglich, aber etwa mit lokalen Würdenträgern verwandt waren.172 Überdies wissen wir bei den heutigen Arbeitern aus Quft: Wenn ihr Vorarbeiter im Auftrag von Archäologen in Quft Arbeiter für eine Kampagne auswählt, berücksichtigt er nicht nur die besten Ausgräber, sondern auch Männer, die aus sozialen oder gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten haben, eine Anstellung zu finden.173 Archäologische Unternehmungen in Ägypten erfüllen somit hinsichtlich ihrer Arbeiter heute auch soziale Funktionen bzw. unterlagen schon früher Zwängen, die sich aus der Fellachengesellschaft ergaben.

Die von mir ausgewerteten Quellen schweigen zu dieser Dimension weitgehend oder stehen ihr sogar entgegen: Die Archäologen beschäftigten einen dafür nicht geeigneten Mann auch dann nicht als Vorarbeiter, wenn er ein Bruder des Obervorarbeiters Senussi war (Kap. 3.3.4). Und da die Archäologen unter dem Schutz der ägyptischen Zentralregierung standen, waren eher Dorfscheichs und Omden den Archäologen verpflichtet als umgekehrt (4.2.2.2). Andererseits konnte es für die Archäologen darüber hinaus nützlich sein, Würdenträger freundlich zu stimmen (ebd.). Und bei Vorarbeitern ist es

170 Frida Schubart, die Frau von Zuckers Grabungsassistenten Wilhelm Schubart (Kap. 1.2.3.1 Abs. 2), erfuhr von Arbeitern besondere Höflichkeit (Schubart, Wüste, 5f., 23-25) und wurde auch von Arbeiterjungen als »Frau« bezeichnet (ebd., 34: arab. sitt, d.h. »Dame«, »Herrin«). Und in Abusir el-Meleq führte die Ankunft von Möllers Frau zu einem »[g]roße[n] Zusammenlauf an der Landungsstelle der Feluken, die meisten der Dorfbewohner hatten ja noch keine europäische Sitt gesehen« (Möller et al., Tgb. Abusir el-Meleq 1905, 75f.). 171 Vgl. perspektivisch Schwarz, Frauen in Ägyptologie; Toledano, Social and Economic Change, 277 (»The central position of the father, the dependent position of women, gender segregation […] all continued to predominate at the beginning of the twentieth century in both rural and urban Egypt«). 172 Persönliche Mitteilung von Susanne Voss, 14.12.2020. 173 Eigene Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015; vgl. Spek, Modern Neighbors of Tutankhamun, 234 (ein Vorarbeiter aus Qurna mag bei der Auswahl von Arbeitern »favor poor people in combination with those he considers good workers«).

5 Schlussfolgerungen

möglich, dass dieses Amt nicht nur ihrer Eignung, sondern auch einer herausgehobenen Stellung in ihrer Dorfgesellschaft entsprach, die sie bereits vorher innegehabt oder dann durch ihr Amt erlangt hatten (vgl. 4.1.3). Durch diese Stellung mag ihnen dann die soziale Verantwortung zugekommen sein, auch benachteiligten Mitgliedern ihres Dorfes gelegentlich eine archäologische Erwerbstätigkeit zu verschaffen; oder sie versuchten dies schlicht für Verwandte (wie Senussi es für seine Brüder tat), Freunde oder Schützlinge.174 Inwiefern beschäftigten die untersuchten Unternehmungen demnach Arbeiter nicht nur wegen deren Leistung, Zuverlässigkeit und/oder Verfügbarkeit? Daneben liefern uns meine – direkten und indirekten – Quellen zu vielen Fragen zwar manche Antworten; diese bleiben jedoch, nicht nur was die Perspektive der ägyptischen Arbeiter angeht, bruchstückhaft bzw. allzu ungewiss. Um weiteres Wissen zu erlangen, könnte man zum einen jene (Primär-)Quellen verfolgen, die ich unter Kap. 1.2 angeführt habe, in dieser Studie jedoch nicht verwenden konnte: Einige Archivalien wurden von mir aus Zeitgründen ausgelassen, waren (noch) nicht zugänglich oder sind (derzeit) verschollen; und mein Versuch, Nachfahren der untersuchten historischen Arbeiter bzw. private Dokumente von ihnen im heutigen Ägypten zu finden, hat keinen Erfolg gehabt. Allerdings habe ich diesem Versuch (1.2.4) nicht mehr als minimalen Aufwand gewidmet. Jedenfalls hält Ägypten an zukünftig möglichen Überraschungen sicherlich nicht nur neue Antiken bereit. Meine unzureichenden Arabischkenntnisse haben mich bei meinen Forschungen überdies dazu gezwungen, arabischsprachige Publikationen zu ignorieren, sofern sie nicht über Literatur in einer westlichen Sprache erschließbar waren.175 Einige Autoren arabischer Herkunft haben zwar auf Englisch, Französisch oder Deutsch publiziert und dadurch hier Eingang gefunden; doch sind dies nur wenige, und vor allem bezüglich der Sozialgeschichte des modernen Ägypten liegen natürlich wichtige Studien in arabischer Sprache vor, die nicht übersetzt worden sind.176 Zudem hätte ich, selbst wenn es mir zeitlich möglich gewesen wäre, keinen Zugriff gehabt auf ägyptische Zeitungen aus dem Untersuchungszeitraum. Möglicherweise haben ägyptische Journalisten über die untersuchten archäologischen Unternehmungen, Archäologen, Arbeiter oder etwas damit Zusammenhängendes geschrieben; für gewisse gesellschaftliche Phänomene im Ägypten um 1900 haben sich seine Zeitungen nämlich als nützliche Quelle erwiesen.177 Ich bedaure meine sprachliche Einschränkung hinsichtlich des Arabischen selbst am meisten und hoffe, dass sie dieser Studie keinen unannehmbaren Westzentrismus zugefügt hat. Am besten wäre freilich, wenn die Arbeit von arabischkundigen Kollegen gegebenenfalls berichtigt würde. Zum anderen sind drei Quellentypen zu nennen, für dessen Berücksichtigung in dieser Studie kein Platz gewesen wäre; sie bieten Material bzw. Themen für Folgestudien:

174

175 176 177

Vgl. Möller et al., Tgb. Theben 1913, 8f. (»Senussi hat entgegen der Instruktion nicht aus [A]rm[a]nt, sondern aus Quft Leute bestellt, die ich nicht wollte – bis auf einige Vorarbeiter – weil sie uns zu teuer kommen«). Z.B. Kap. 4.3: Lutfi el-Sayyid zit.n. Colla, Conflicted Antiquities. Eine entsprechende Bibliographie z.B. in Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 264-267. Z.B. Prestel, Urban Change in Berlin and Cairo. Zu den um 1900 zahlreichen Tages- und Wochenzeitungen in Ägypten vgl. die Liste in Abbas/El-Dessouky, Large Landowning Class, 260f.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

(1) Zu den hier untersuchten Grabungen kamen laut den Grabungstagebüchern mehr oder weniger oft Besucher aus Deutschland und anderen (westlichen) Ländern, die sich gerade in Ägypten aufhielten und aus Interesse oder Höflichkeit einige Stunden oder gar Tage bei einer Grabung verbrachten: Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Adelige oder schlicht Touristen. Von den meisten Besuchern erfahren wir ihre Nachnamen; von manchen auch mehr: »Prof. Spiegelberg u. Schwally – Giessen«; »Dr. Conr. Alberti, Schriftsteller aus Berlin«; »Maler Klamroth und Frau«; »Prof. Orlik (der bekannte Maler und Kunstgewerbler aus Berlin), ein Prinz Hohenlohe und zwei Herren von Below (der eine Maler, der andere Rittergutsbesitzer)«; »Frau Generalin Isenbart mit ihrem Sohn Rittergutsbesitzer Pringsheim«; »Herr Schriftsteller Herold«; »die Countess of Gosford, Tochter des Herzogs of Devonshire«; »Frau v. Roux-Damiani«; »Herr Richard Voss«; »Herr Pastor Jahn von der Deutschen Gemeinde in Kairo«; »Regierungsbaumeister Blunck aus Berlin«; »Oberlehrer Dr. Belzner aus München«; »Frau Osthoff aus Hagen, die Gattin des bekannten Hagener Kunstmäzens«.178 Viele dieser Personen können identifiziert werden. Haben sie ihre Eindrücke von der jeweiligen Grabung in Zeugnissen wie Reisetagebüchern, Briefen, Bildern, Literarischem festgehalten, die heute noch vorliegen bzw. aufgespürt werden könnten? Vielleicht beziehen sich solche Eindrücke auch auf die ägyptischen archäologischen Arbeiter. Zum Beispiel hat der genannte böhmische Maler Emil Orlik (1870-1932) seinen Besuch bei Steindorffs Aniba-Grabung 1912 (zwischen dem 2. und 8. Februar) in einem währenddessen verfassten Brief (5. Februar) an einen Freund erwähnt – ohne auf die Arbeiter einzugehen.179 Anders der Münchner Gymnasiallehrer Alfons Kalb (1876-1939), der im Januar 1903 Borchardts Abusir-Grabung besuchte und in seinem publizierten Reisetagebuch die singenden »Knabenkolonnen« als »unterhaltlich« erinnert und sogar einen Arbeiteraufruf schildert: »Stumm und fröstelnd kauerten die Arbeiter in Reihen am Boden; lauter ging es bei den Jungen zu. Da gebot der Vorarbeiter Ruhe: die verschiedenen Mohammeds, Achmeds und Hassans wurden einzeln verlesen, alles griff zu den Geräten und dann ging’s stramm in die Arbeit«.180

178

Steindorff et al., Tgb. Giza 1903, 32 (Spiegelberg etc.); 1905, 60 (Alberti), 68 (Klamroths); Aniba 1912, 78 (Orlik etc.); 1914, 347 (Isenbart etc.; weiter 349f.); Rubensohn et al., Tgb. 1905/06 Elephantine, 61 (Herold); Zucker et al., Tgb. 1907/08 Elephantine, 247 (Gosford); Möller et al., Tgb. Theben 1911, 31 (Roux); Borchardt et al., Tgb. Amarna 1913/14, 132 (Voss), 145 (Jahn; weiter 152), 165 (Blunck), 206 (Belzner), 278 (Osthoff [richtigerweise Osthaus]). Der deutsche Orientalist Friedrich Schwally (1863-1919) publizierte 1912 eine von mir bereits zitierte Abhandlung zu den mohammedanischen Städter[n], Fellachen und Beduinen im heutigen Ägypten. Zu dem in Alexandria ansässigen Schriftsteller Karl Herold (1856-?), der Rubensohn 1905/06 und 1906/07 bei der Ausgrabung auf Elephantine assistierte: Kuckertz, Rubensohn (2020), 51 mit 69 Anm. 35. Von dem deutschen Schriftsteller Richard Voß (1851-1918): Voß, Assuan (1913/14, aus seinem »oberägyptischen Reisebuch«); zu Voß: Baumann, Voß. 179 Adalbert-Stifter-Verein, Orlik, 132 (Brief vom Schiff auf dem Nil); zu Orlik in Ägypten: Otterbeck, Künstlerreisen, 132-137. 180 Kalb, Ägyptische Reise; zu Kalbs Besuch auch Borchardt et al., Tgb. Abusir 1903, 36. Der dänische Ägyptologe H.O. Lange (1863-1943) besuchte Borchardts Grabung in Abusir 1899/1900 während einer Ägypten-Reise, zu der Langes Tagebuch und Fotografien in dänischen Archiven erhalten sind (Hagen/Ryholt, Antiquities Trade in Egypt, 15-19).

5 Schlussfolgerungen

(2) Neben den untersuchten Archäologen haben in meinem Untersuchungszeitraum bzw. kurz davor und danach andere Archäologen in Ägypten archäologische Unternehmungen durchgeführt und dabei ägyptische Arbeiter beschäftigt. Die »anderen« Unternehmungen sollte man, soweit geeignete Studien oder Primärquellen zu ihnen vorliegen, hinsichtlich ihrer Arbeiter mit den von mir untersuchten systematisch (wie es im Rahmen dieser Studie nicht möglich war) vergleichen, um alle Unternehmungen besser zu verstehen bzw. einzuordnen181 und Beziehungen zwischen ihren und anderen Arbeitern zu enthüllen. Dass die Archäologen damals Arbeiter untereinander sozusagen austauschten, haben wir bereits in meinen Quellen gesehen – jetzt wäre die Gegenseite zu betrachten. Die Deutschen übernahmen Arbeiter von Quibell bzw. Petrie sowie von Reisner und gaben welche an Junker (Kap. 3.3.3.2); Reisner übernahm welche von Petrie bzw. Quibell,182 und so weiter: Entsprechende Forschungen könnten ein ganzes Netzwerk von Grabungsarbeitern über Archäologen(-gruppen) hinweg rekonstruieren.183 Ferner sollte man die Feldtagebücher und -berichte der deutschen Archäologen mit denen anderssprachiger Kollegen in Ägypten in linguistischer Hinsicht vergleichen, um den Sprachstil der Deutschen hinsichtlich ihrer Arbeiter angemessener bewerten zu können (Kap. 3.4.3.1-2). (3) Ebenso sollte man die untersuchten archäologischen Unternehmungen in Ägypten mit solchen vergleichen, die im Untersuchungszeitraum bzw. kurz davor und danach in anderen Weltregionen stattgefunden haben – interessant sind vor allem Länder der übrigen arabischen Welt bzw. des Nahen/Mittleren Ostens, wegen der geographischen, historischen und kulturellen Nähe zu Ägypten. Die Deutsche Orient-Gesellschaft zum Beispiel, die in Ägypten die untersuchten Ausgrabungen in Abusir, Abusir el-Meleq (unter Möller) und Amarna finanzierte, ermöglichte zur gleichen Zeit (zwischen 1898 und 1917) deutschen Archäologen Ausgrabungen in Babylonien, Assyrien, Palästina und Anatolien.184 Auch die Ausgrabungen in anderen Regionen als Ägypten beschäftigten als Arbeiter jeweils Einheimische, die ebenso wie die ägyptischen Arbeiter aus der ländlichen

181

Die italienischen Archäologen um Schiaparelli beschäftigten ab 1903 als Vorarbeiter den koptischen Dragoman Bulos Ghattas aus Luxor (Legrain, Famille copte, 45; Del Vesco, Volti senza nome, 206-208). Mit seiner Religion, seiner bürgerlichen Herkunft und relativ hohen Bildung (er sprach neben Arabisch auch Französisch, Englisch und Italienisch) unterschied er sich stark von den Vorarbeitern der untersuchten deutschen Archäologen. Allerdings ist es möglich, dass er auch bei den Italienern eine Ausnahme darstellte und überhaupt weniger deren Vorarbeiter als vielmehr ihr Mittelsmann oder Sekretär war. 182 Reisner, Archaeological Fieldwork, 103; Doyon, Archaeological Labor, 148f. 183 Die Einbeziehung von Grabungsarbeitern in Analysen archäologischer Netzwerke bleibt explizit ein Desiderat in Roberts et al., Communities and Knowledge Production in Archaeology (2020), hier Julia Roberts/Kathleen Sheppard: Introduction: Clusters of Knowledge, 1-13, hier 13. 184 Wilhelm, Deutsche Orient-Gesellschaft. Zu den Erfahrungen eines der deutschen Archäologen in Babylonien und Assyrien: Andrae/Boehmer, Andrae; ferner Wartke, Assur Ausgrabungsalltag (im Jahr 1912). Über die deutsche Perspektive hinaus: Bahrani et al., Archaeology in Ottoman Empire; über den »Orient« hinaus: Schücker, German Archaeology Abroad.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Umgebung der Grabungsstätte kamen und dann archäologische Arbeiter bei westlichen Ausländern wurden185 – mit ebenso untersuchungswürdigen Folgen.186

185 Z.B. Lange, Arbeiter Tell Halaf (zu einer deutschen Ausgrabung in Syrien 1911-1913). 186 Zu Bedingungen und Praxis der Archäologie im Mittleren Osten kritisch z.B. Pollock/Bernbeck, Archaeologies of Middle East; Starzmann, Archaeological Fieldwork in Middle East.

Quellen und Literatur

Hinweis: Die in den Anmerkungen genannten »eigenen Gespräche in Ägypten, Oktober/November 2015« habe ich (in ganz informeller Weise) geführt mit in Ägypten ansässigen Ägyptologen sowie mit Archäologen und Grabungsarbeitern von Ausgrabungen in Heliopolis (getragen von der Universität Leipzig und dem Ägyptischen Antikenministerium) und auf Elephantine (eine getragen vom Schweizerischen Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde; eine andere vom Deutschen Archäologischen Institut, Abteilung Kairo). Die Namen der Gesprächspartner stehen oben allgemein in den Danksagungen. Aufgrund von Persönlichkeitsrecht und Datenschutz ordne ich sie in der Studie jeweils keinen bestimmten Aussagen zu.

a) Archivalische Quellen

Siglen der Archive (auch der Abbildungen) ÄMPB

Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin (interne Bezeichnung: Archiv Ägyptisches Museum – AÄM)

ÄMULA

Ägyptisches Museum der Universität Leipzig

BLD

Bridwell Library, Special Collections, Perkins School of Theology, Southern Methodist University, Dallas

DAIK

Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo

DOG

Deutsche Orient-Gesellschaft, Berlin

JMB

Jüdisches Museum Berlin

SCA

Ägyptisches Antikenministerium, Kairo

SUB

Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

UAF

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.

UAT

Eberhard-Karls-Universität Tübingen

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

aa) Tagebücher von Grabungen und Reisen (vgl. Kap. 1.2.1.1) Hinweise: Tgb. (in den Anmerkungen) = Tagebuch. Da die Tagebücher des Papyruskartells bzw. -unternehmens (Rubensohn, Zucker) während eines Jahres/einer Saison Unternehmungen an verschiedenen Orten abhandeln (meist mit fortlaufender Paginierung), gebe ich in Verweisen auf diese Tagebücher den entsprechenden Ort hinter der Jahreszahl der Unternehmung bzw. des Tagebuches an. In Verweisen auf andere Tagebücher steht der Ort dagegen vor der Jahreszahl, da diese Tagebücher sich pro Jahr/Saison auf nur einen Ort beziehen.

Borchardt, Ludwig et al. (1899): Tagebuch Grabung Illahun, 10.-30.6., 32 S., ÄMPB: Nr. 114. — et al. (1901/02): Tagebuch Grabung Abusir, 30.12.-6.5., 396 S., ÄMPB: Nr. 103. — et al. (1903): Tagebuch Grabung Abusir, 2.1.-10.4., 218 S., ÄMPB: Nr. 104. — et al. (1903/04): Tagebuch Grabung Abusir, 11.11.-19.5., 291 S., ÄMPB: Nr. 105. — et al. (1906/07): Tagebuch Grabung Tell el-Amarna, 28.12.-20.1., 123 S., ÄMPB: Nr. 61 (1) = Nr. 68.* — et al. (1907): Tagebuch Grabung Abusir, 30.1.-5.6., 395 S., ÄMPB: Nr. 106 (weiteres Exemplar in ÄMULA: Grabungen Abusir I GT). — et al. (1907/08): Tagebuch Grabung Abusir, 29.7.-28.3., 516 S., ÄMPB: Nr. 107. — et al. (1908): Tagebuch Grabung Tell el-Amarna, 9.2.-12.3., 33 S., ÄMPB: Nr. 61 (2).* — et al. (1911): Tagebuch Grabung Tell el-Amarna, 14.1.-15.4., 216 S., ÄMPB: Nr. 62.* — et al. (1911/12): Tagebuch Grabung Tell el-Amarna, 4.11.-28.3., 299 S., ÄMPB: Nr. 63.* — et al. (1912/13): Tagebuch Grabung Tell el-Amarna, 11.11.-31.3., 290 S., ÄMPB: Nr. 64 (teilweise veröffentlicht in: Seyfried, Büste der Nofretete).* — et al. (1913/14): Tagebuch Grabung Tell el-Amarna, 13.11.-31.3., 303 S., ÄMPB: Nr. 65.* Honroth, Walter et al. (1913): Tagebuch Nebengrabung Amarna West, 12.-22.1., 62 S., ÄMPB: Nr. 67. Möller, Georg et al. (1905): Tagebuch Grabung Abusir el-Meleq, 1.8.-3.11., 138 S., ÄMPB: Nr. 109 = Nr. 111. — et al. (1906): Tagebuch Grabung Abusir el-Meleq, 7.10.-30.11., 57 S., ÄMPB: Nr. 112. — et al. (1911): Tagebuch Grabung Theben, 8.2.-15.3., 140 S., ÄMPB: Nr. 123. — et al. (1913): Tagebuch Grabung Theben, 17.2.-1.4., 97 S., ÄMPB: Nr. 124. Rubensohn, Otto et al. (1901/02): Tagebuch Reise Oberägypten; Grabungen Theadelphia (Batn Ehrit), Abu Hamid, Tebtunis (Umm el-Baragat), Abusir el-Meleq; 3.12.-20.4., 242 S., ÄMPB: Nr. 113.* — et al. (1902/03): Tagebuch Reise Oberägypten; Grabungen Abusir el-Meleq, Hermopolis (El-Aschmunein); 29.11.-28.4., 171 S., ÄMPB: Nr. 116.* — et al. (1903/04): Tagebuch Reisen Fayyum, Oberägypten; Grabungen Abusir el-Meleq, Hermopolis (El-Aschmunein); 6.11.-20.3., 201 S., ÄMPB: Nr. 120.* — et al. (1904/05): Tagebuch Reise Oberägypten; Grabungen Hermopolis (El-Aschmunein), Abusir el-Meleq; 13.11.-17.3., 136 S., ÄMPB: Nr. 117.* — et al. (1905/06): Tagebuch Reise Oberägypten; Grabungen Hermopolis (El-Aschmunein), Elephantine; 7.11.-22.2., 72 S., ÄMPB: Nr. 119. — et al. (1906/07): Tagebuch Grabung Elephantine, 9.12.-23.1., 44 S., ÄMPB: Nr. 119.

Quellen und Literatur

Schäfer, Heinrich (1900): Tagebuch Expedition Nubien, 3.3.-19.4., 134 S., benutzt in der Edition v. Thomas L. Gertzen (Hg.) (2014): Boote, Burgen, Bischarin. Heinrich Schäfers Tagebuch einer Nubienreise zum zweiten Nilkatarakt im Jahre 1900, Wiesbaden: Reichert. Auszüge vorgestellt in Isolde Lehnert (2009): Vier Mann in einem Boot – Tagebuch einer Nubienfahrt, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts – Abteilung Kairo 65, S. 253-270. Ein weiterer Teilnehmer dieser Reise, der Klassische Archäologe Hermann Thiersch (o. Kap. 3.2.2.1), hat ebenfalls ein Tagebuch geführt, das kürzlich ediert worden ist (Sabine R. Huebner [Hg.] [2021]: Reise in eine versunkene Welt. Eine Nubienexpedition im Frühjahr 1900, Gladbeck: PeWe). Bezüglich ägyptischer bzw. nubischer Beschäftigter der Reisenden fügt es jedoch Schäfers Tagebuch nichts Wesentliches hinzu. Steindorff, Georg (1899/1900): Tagebuch Expedition Siwa, 3.10.-7.3. (Einträge 11.-15.2. beziehen sich auf Grabungskampagne Abu Gurob 1900 [Borchardt, Schäfer]; danach auf Reise durch Oberägypten; ab spätestens 28.2. auf Nubien-Expedition), 371 S. (Paginierung beginnt erst am 10.11.), ÄMULA: o. Sign. (Fotokopie; Original infolge der Auswanderung des gebürtigen Juden Steindorff 1939 aus Deutschland in die USA in BLD: Georg Steindorff Papers, 208.16, Box 1561B). — et al. (1903): Tagebuch Grabung Giza, 10.3.-14.6., 229 S., ÄMULA: Grabungen Giza I GT (verfügbar unter: www.giza-projekt.org/Archivalien/Archivalien.html, Zugriff: 1.9.2022). — et al. (1905): Tagebuch Grabung Giza (Friedhof), 30.1.-28.4., 152 S. (verfügbar unter: www.giza-projekt.org/Archivalien/Archivalien.html, Zugriff: 1.9.2022), und Nebentagebuch Grabung Sphinxtempel, 16.2.-22.4., 26 S., ÄMULA: Grabungen Giza I GT. — et al. (1906): Tagebuch Grabung Giza, 25.1.-20.4., 103 S., ÄMULA: Grabungen Giza II GT (weiteres Exemplar in ÄMPB: Nr. 125). — et al. (1909): Tagebuch Grabung Giza, 18.1.-21.3., 196 S., ÄMULA: Grabungen Giza II GT. — et al. (1910): Tagebuch Grabung Abusir, 23.2.-22.3., 77 S., ÄMULA: Grabungen Abusir I GT. — et al. (1910): Tagebuch Grabung Giza, 16.1.-10.4., 184 S., ÄMULA: Grabungen Giza II GT. — et al. (1911/12): Tagebuch Grabung Aniba, 31.12.-11.4., 253 S., ÄMULA: Grabungen Aniba I GT (Original in BLD: Georg Steindorff Papers, 208.16, Box 1562A). — et al. (1913/14): Tagebuch Grabung Qau el-Kebir, 4.10.-29.1. (Einträge ab 24.1. beziehen sich auf Grabung Aniba 1914), 299 S., ÄMULA: Grabungen Gau I GT & GU (Originale der S. 00-99 und 200-299 in BLD: Georg Steindorff Papers, 208.16, Box 1562A). — et al. (1914): Tagebuch Grabung Aniba (Friedhof), 30.1.-28.3., 257 S., und Nebentagebuch Teilgrabung Stadtruine, 27.1.-9.3., 50 S., ÄMULA: Grabungen Aniba I GT (Originale in BLD: Georg Steindorff Papers, 208.16, Box 1562A). Zucker, Friedrich et al. (1907): Tagebuch Reisen Fayyum, Oberägypten, 10.-28.3., 30 S., ÄMPB: Nr. 119. — et al. (1907/08): Tagebuch Reisen Qena, El-Aschmunein, Fayyum; Grabungen Elephantine, Kom Ombo; 5.8.-8.3., 369 S., ÄMPB: Nr. 119. — et al. (1908/09): Tagebuch Reisen Oberägypten, Fayyum; Grabungen Abusir el-Meleq, Philadelphia (Kom Darb Girza), Dimai el-Siba; 29.8.-12.3., 261 S., ÄMPB: Nr. 115.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

— et al. (1909/10): Tagebuch Grabungen Dimai el-Siba, Medinet Madi, 12.12.-3.2., 139 S., ÄMPB: Nr. 115 = Nr. 118.

Hinweise zu den Tagebüchern des Deutschen Papyruskartells bzw. Preußischen Papyrusunternehmens (Rubensohn, Zucker): Inhaltsübersicht: Primavesi, Papyruskartell, 178. Durchschlagsexemplare einiger von ihnen auch im Schweizerischen Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde in Kairo (Kuckertz, Rubensohn [2013], 46 Anm. 1). Einige der Tagebücher jeweils leicht gekürzt veröffentlicht in: Müller, Elephantine 1. und 2. Kampagne; Elephantine 3. Kampagne; Papyrusgrabungen 1909/10. * Diese Tagebücher habe ich jeweils in der von ihrem Archiv erstellten digitalen Transkription benutzt.

ab) Lohnlisten von Grabungen (vgl. Kap. 1.2.1.3) Borchardt, Ludwig et al. (1902): Lohnliste Abusir (1901/02), 2.1.-22.5., DAIK: Nr. 8/37. — et al. (1903): Lohnliste Abusir, 9.1.-9.4., DAIK: Nr. 9/43. — et al. (1903/04): Lohnliste Abusir (1903/04), 13.12.-14.1., DAIK: Nr. 9/45. — et al. (1904): Lohnliste Abusir (1903/04), 15.1.-20.5., DAIK: Nr. 10/51. — et al. (1907): Lohnliste Abusir, 25.1.-5.6., DAIK: Nr. 11/60. — et al. (1907): Lohnliste Abusir (1907/08), 8.8.-2.10., DAIK: Nr. 12/64. — et al. (1907): Lohnliste Amarna (1906/07), 1.-16.1., DOG: II: 4.4.6. — et al. (1907/08): Lohnliste Abusir (1907/08), 3.10.-28.3., DAIK: Nr. 12/65. — et al. (1912/13): Lohnliste Tell el-Amarna, 21.11.-15.3., DAIK: Nr. 15/79. Möller, Georg et al. (1905): Lohnliste Abusir el-Meleq, 16.9.-3.11., DAIK: Nr. 10/55. — et al. (1906): Lohnliste Abusir el-Meleq, 8.10.-30.11., DOG: II: 4.4.5. Rubensohn, Otto et al. (1905/06): Lohnliste Hermopolis (El-Aschmunein), 26.11.-29.1., DAIK: Nr. 22/120. — et al. (1906/07): Lohnliste Elephantine, 10.12.-21.2., DAIK: Nr. 23/121. Steindorff, Georg et al. (1906): Lohnliste Giza, 24.1.-18.4., DAIK: Nr. 22/116.

ac) Sonstiges Abel, Hans (1912): Brief an Georg Steindorff; Deir Mawas, 28.1., BLD: 1563:16, htt ps://sites.smu.edu/bridwell/specialcollections/steindorff/correspondence/Box 689/ Briefe1912/689_280112_2.pdf (Zugriff: 1.9.2022). Auswärtiges Amt Berlin (1942): Brief an Deutsche Orient-Gesellschaft, 26.3., DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.4.7. Finanzen: Bewachungskosten. Berliner Museen (Generaldirektor Richard Schöne) (1901): Arbeitsvertrag mit Mohammed Ahmed Abd el-Rahman el-Senussi (französisch); Berlin, 16.3., DAIK: Mappe F I: Korrespondenz L. Borchardt (1899-1903); verfügbar als Scans Nr. SNV 37886-87 (für die Übersendung der Scans danke ich Susanne Voss). Borchardt, Ludwig (1899): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 11.12., ÄMULA: http://arach ne.uni-koeln.de/item/buch/5455 (Zugriff: 1.9.2022).

Quellen und Literatur

— (1903): Brief an Georg Steindorff; Abusir, 25.1., ÄMULA: http://arachne.uni-koeln.de/item/buch/5481 (Zugriff: 1.9.2022). — (1904): Briefe an Bruno Güterbock; Kairo, 15.1.; 29.1.; 5.2., DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.1.3. Korrespondenz 1904/05. — (1908): Abrechnung über Bewachungskosten für das Grabungsfeld von Abusir in den Monaten April bis November 1908, DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.4.7. Finanzen: Bewachungskosten. — (1908): Abrechnung über die Kosten der Bewachung des Grabungsfeldes von Tell el-Amarna in der Zeit vom Mai 1907 bis Ende Februar 1908, DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.4.7. Finanzen: Bewachungskosten. — (1908): Nachtrag zur Abrechnung über die Kosten der Ausgrabung des Totentempels des Saḥureʿ bei Abusir, DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.4.4. Finanzen: Abrechnungen 1907-1914. — (1909): Abrechnung über Bewachungskosten des Grabungsfeldes von Abusir in der Zeit vom 1sten April bis 1sten Juli 1909, DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.4.7. Finanzen: Bewachungskosten. — (1909): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 28.1., ÄMULA: www.giza-projekt.org/ Archivalien/Korrespondenz/1908_09/pdf/280109.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1912): Brief an Georg Steindorff; El-Hagg Qandil, 7.3., BLD: 1563:16, https://s ites.smu.edu/bridwell/specialcollections/steindorff/correspondence/Box 689/ Briefe1912/689_070312.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1934): Brief an Hans Alexander Winkler; Kairo, 26.4., UAT: Nr. 555/6. Comité d’archéologie (des Ägyptischen Antikendienstes) (1909): Procès-Verbal de la séance du Mercredi 3 Novembre [»Abschrift«], ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/Korrespondenz/1909_10/pdf/031109.pdf (Zugriff: 1.9.2022); dies ist offenbar die Anlage des Briefs von Ludwig Borchardt an Georg Steindorff; Kairo, 3.12.1909, ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/ Korrespondenz/1909_10/pdf/031209.pdf (Zugriff: 1.9.2022). Davidsen, Magnus Henry (1934): Briefe an Hans Alexander Winkler (deutsch); Kopenhagen, 9.2.; 10.3., UAT: Nr. 555/10. El-Senussi, Mohammed Ahmed Abd el-Rahman (1903): Brief an Georg Steindorff (arabisch), mit dt. Üb. v. August Fischer, ÄMULA: Mappe K2, 1902-1906. Güterbock, Bruno (1936): Brief für Deutsche Orient-Gesellschaft an Landesfinanzamt Berlin, überarb. v. Archäologischen Institut des Deutschen Reiches, 5.6., DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.4.7. Finanzen: Bewachungskosten. Hölscher, Uvo (1909): Brief an Georg Steindorff; Giza, 22.2., ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/Korrespondenz/1908_09/pdf/220209_2.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1910): Brief an Georg Steindorff; Giza, 31.1., ÄMULA: www.giza-projekt.org/ Archivalien/Korrespondenz/1909_10/pdf/310110.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1910): Brief an Georg Steindorff; Abusir, 27.2., ÄMULA: www.giza-projekt.org/ Archivalien/Korrespondenz/1909_10/pdf/270210.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1914): Brief an Georg Steindorff; Giza, 11.4., ÄMULA: www.giza-projekt.org/ Archivalien/Korrespondenz/1914_19/pdf/110414.pdf (Zugriff: 1.9.2022).

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

Junker, Hermann (1912): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 26.1., BLD: 1563:16, htt ps://sites.smu.edu/bridwell/specialcollections/steindorff/correspondence/Box 689/ Briefe1912/689_260112.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1930): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 28.11., ÄMULA: http://arachne.uni-koeln.de/item/buch/6228 (Zugriff: 1.9.2022). Maspero, Gaston (1903): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 17.3., ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/Korrespondenz/1902-1903/pdf/170303.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1903): Brief an Georg Steindorff, ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/ Korrespondenz/1902-1903/pdf/oD1903.pdf (Zugriff: 1.9.2022). Möller, Georg (1904): Brief an Bruno Güterbock; Kairo, 13.10., DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.1.3. Korrespondenz 1904/05. — (1905): Brief an Bruno Güterbock; Abusir el-Meleq, 28.10., DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.1.3. Korrespondenz 1904/05. — (1905): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 12.1., ÄMULA: www.giza-projekt.org/ Archivalien/Korrespondenz/1904_1905/pdf/120105.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1905): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 20.1., ÄMULA: www.giza-projekt.org/ Archivalien/Korrespondenz/1904_1905/pdf/200105.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1905): Brief an Georg Steindorff; El-Aschmunein, 1.12., ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/Korrespondenz/1905_06/pdf/011205_1.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1905): Briefe an Heinrich Schäfer; Abusir el-Meleq, 17.8.; 26.8.; 14.9.; 23.9.; 30.9.; 7.10.; 28.10.; Luxor, 4.11., DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.1.3. Korrespondenz 1904/05. — (1905): Postkarte an Heinrich Schäfer; Abusir el-Meleq, 18.8., DOG: II.4. Ausgrabungen Ägypten, 4.1.3. Korrespondenz 1904/05. — (1913): Reise nach Qaw [Bericht an Georg Steindorff], BLD: 1560:55, https://si tes.smu.edu/bridwell/specialcollections/steindorff/correspondence/Box 689/ Several3/689_oD_1.pdf (Zugriff: 1.9.2022). Rubensohn, Otto (1898-1907): Briefe aus Ägypten und Europa an seine Eltern und andere Familienmitglieder in Deutschland, JMB: 2006/27/144 (1898-1899; Briefe nummeriert), 2006/27/146 (1901-1907; Briefe auf durchgehend nummerierten Seiten) (Schenkung von Dr. phil. Fortunatus Schnyder-Rubensohn). Die Briefe habe ich in Renate Germers digitaler Transkription benutzt; ich danke Frau Germer für deren Übersendung. Außerdem danke ich Aubrey Pomerance vom JMB für die freundliche Genehmigung, aus den Briefen zu zitieren. — (1905): Brief an Adolf Erman; Hermopolis, 14.12., SUB: https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:46:1-101261 (Zugriff: 1.9.2022). Schäfer, Heinrich (1899): Brief an Georg Steindorff; Kairo, 11.12., ÄMULA: http://arachne .uni-koeln.de/item/buch/8525 (Zugriff: 1.9.2022). Service des antiquités (de l’Égypte) (1905): Autorisation de fouilles [für Giza]; Kairo, 16.1., ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/ Korrespondenz/1904_1905/pdf/160105.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1912): Autorisation de fouilles [für Aniba]; Kairo, 13.1., BLD: 1563:16, https://si tes.smu.edu/bridwell/specialcollections/steindorff/correspondence/Box 689/ Briefe1912/689_130112.pdf (Zugriff: 1.9.2022). Steindorff, Georg (1903): Brief an August Fischer; Leipzig, 22.9., ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/Korrespondenz/1902-1903/pdf/220903.pdf (Zugriff: 1.9.2022).

Quellen und Literatur

— (1906): Brief an Georg Möller; Leipzig, 9.1., ÄMULA: www.giza-projekt.org/ Archivalien/Korrespondenz/1905_06/pdf/090106.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — (1909): Brief an Uvo Hölscher, 2.2., ÄMULA: www.giza-projekt.org/Archivalien/ Korrespondenz/1908_09/pdf/020209.pdf (Zugriff: 1.9.2022). — et al. (1913/14): Kassenbuch der Ernst-von-Sieglin-Expedition (Grabungen Qau 1913/14, Aniba 1914), 2 Bde., ÄMULA: Grabungen Gau I GT & GU. Winkler, Hans Alexander (1932?): Vita Senussi, UAT: Nr. 555/152. Zucker, Friedrich (1909): Brief an Georg Steindorff; Nürnberg, 14.9., ÄMULA: http://arac hne.uni-koeln.de/item/buch/5537 (Zugriff: 1.9.2022).

b) Publikationen der untersuchten Archäologen und ihrer deutschen Assistenten/Begleiter

Siglen von Zeitschriften AA

Archäologischer Anzeiger (Beiblatt zum Jahrbuch des Kaiserlich-Deutschen Archäologischen Instituts)

MDOG

Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft

Klio

Klio. Beiträge zur alten Geschichte

ZÄS

Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde

Abel, Hans (1913): Eine Erzählung im Dialekt von Ermenne (Nubien) = Abhandlungen der Philologisch-Historischen Klasse der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 29/8. Bissing, Friedrich Wilhelm von (1905): Vorwort [als Herausgeber], in: Borchardt, Ne-Woser-Re, o.S. Borchardt, Ludwig (1899): Der zweite Papyrusfund von Kahun und die zeitliche Festlegung des mittleren Reiches der ägyptischen Geschichte [zu Grabung Illahun], in: ZÄS 37, S. 89-103. — (1901): Bericht über die Thätigkeit des dem Generalconsulate für Aegypten attachirten wissenschaftlichen Sachverständigen Dr. Ludwig Borchardt in der Zeit vom October 1899 bis Juli 1900, in: Sitzungsberichte der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1901/5, S. 106-108. — (1901): Die deutschen Ausgrabungen bei Abusir [Abu Gurob 1898-1901], in: MDOG 10, S. 3-8. — (1902): Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft bei Abusir im Winter 1901/2, in: MDOG 14, S. 1-50. — (1903): Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft bei Abusir im Winter 1902/3, in: MDOG 18, S. 1-33.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

— (1904): Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft bei Abusir im Winter 1903/4, in: MDOG 24, S. 1-26. — (1904): Die diesjährigen deutschen Ausgrabungen in Ägypten, in: Klio 4, S. 383-386. — (1905): Das Re-Heiligtum des Königs Ne-Woser-Re (Rathures), Bd. 1: Der Bau [zu Grabungen Abu Gurob 1898-1901], Berlin: Alexander Duncker. — (1907): Ausgrabungen bei Abusîr. Januar bis Juni 1907, in: MDOG 34, S. 32-45. — (1907): Das Grabdenkmal des Königs Ne-User-Reʿ [zu Grabungen Abusir 1902-04], Leipzig: J.C. Hinrichs. — (1907): Voruntersuchung von Tell el-Amarna im Januar 1907, in: MDOG 34, S. 14-31. — (1908): Die Ausgrabung des Totentempels Königs Sahu-re bei Abusir 1907/8. Vorläufiger Bericht, in: MDOG 37, S. 1-35. — (1908): Die vorjährigen deutschen Ausgrabungen in Aegypten, in: Klio 8, S. 121-129. — (1909): Das Grabdenkmal des Königs Nefer-Ir-Ke-Reʿ [zu Grabungen Abusir 1902-08, bes. 1903-04, 1907], Leipzig: J.C. Hinrichs. — (1909): Die Entwicklung der Anschauungen über die ägyptischen Pyramiden in den letzten zwanzig Jahren [Vortrag vor dem Architekten-Verein zu Berlin, 1909], in: Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 4/49, S. 237-239, 241-244. — (1910): Das Grabdenkmal des Königs Saḥu-Reʿ, Bd. 1: Der Bau [zu Grabungen Abusir 1902-08, bes. 1907-08], Leipzig: J.C. Hinrichs. — (1911): Ausgrabungen in Tell el-Amarna 1911. Vorläufiger Bericht, in: MDOG 46, S. 1-32. — (1911): Die vorjährigen deutschen Ausgrabungen in Aegypten, in: Klio 11, S. 258-264. — (1912): Ausgrabungen in Tell el-Amarna 1911/12. Vorläufiger Bericht, in: MDOG 50, S. 1-40. — (1912): Die diesjährigen deutschen Ausgrabungen in Ägypten, in: Klio 12, S. 494-499. — (1912): Die vorjährigen deutschen Ausgrabungen in Ägypten, in: Klio 12, S. 116-121. — (1913): Ausgrabungen in Tell el-Amarna 1912/13. Vorläufiger Bericht, in: MDOG 52, S. 1-55. — (1914): Ausgrabungen in Tell el-Amarna 1913/14. Vorläufiger Bericht, in: MDOG 55, S. 3-39. — (1915): Die diesjährigen Ausgrabungen des englischen Egypt Exploration Fund in Ägypten, in: Klio 14, S. 498-502. — (1923): Altägyptische Festungen an der zweiten Nilschnelle [zu Expedition Steindorff, Nubien 1900], Leipzig: Otto Harrassowitz. — (1923): Porträts der Königin Nofret-ete aus den Grabungen 1912/13 in Tell el-Amarna, Leipzig: J.C. Hinrichs. — (1929): [Vorwort], in: Ders./Herbert Ricke: Ägypten. Landschaft, Volksleben, Baukunst, Berlin/Zürich: Atlantis, S. V-XVII. —/Heinrich Schäfer (1900): Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen bei Abusir im Winter 1899/1900, in: ZÄS 38, S. 94-103 (bestehend aus: Borchardt: Das Reʿ-Heiligtum des Königs Ne-woser-reʿ [Abu Gurob], S. 94-100; Schäfer: Versuchsgrabung im Tempel der Pyramide des Königs Nefer-er-ke-rēʿ [Abusir], S. 101-103). —/— (1901): Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen bei Abusir im Winter 1900/1901, in: ZÄS 39, S. 91-103. Grünau, Curt Freiherr von (1899): Bericht über meine Reise nach Siwah [1898/99], in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 34, S. 271-280.

Quellen und Literatur

Hölscher, Uvo/Georg Steindorff (1909): Die Ausgrabung des Totentempels der Chephrenpyramide durch die Sieglin-Expedition 1909 [Giza], in: ZÄS 46, S. 1-12. — et al. (sc. Ludwig Borchardt, Georg Steindorff) (1912): Das Grabdenkmal des Königs Chephren [zu Grabungen Steindorff, Giza 1909-10], Leipzig: J.C. Hinrichs. Honroth, Walter et al. (sc. Otto Rubensohn, Friedrich Zucker) (1909-10): Bericht über die Ausgrabungen auf Elephantine in den Jahren 1906-1908 [Rubensohn 1906-07, Zucker 1907/08], in: ZÄS 46, S. 14-61. Möller, Georg (1906): Ausgrabung der Deutschen Orient-Gesellschaft auf dem vorgeschichtlichen Friedhofe bei Abusir el-Meleq im Sommer 1905, in: MDOG 30, S. 1-28. — (1907): Ausgrabung bei Abusîr el-Meleq 1906, in: MDOG 34, S. 2-13. Müller, Friedrich W. (1907): Hygienische Beobachtungen bei einer Sommer-Grabung in Abuṣir el Meleq (Ober-Ägypten) [Möller, 1905], in: Gesundheit. Hygienische und gesundheitstechnische Zeitschrift 32/7, Sp. 193-211. — (1915): Die anthropologischen Ergebnisse des vorgeschichtlichen Gräberfeldes von Abusir el-Meleq [zu Grabung Möller, 1905], Leipzig: J.C. Hinrichs. Rexhausen, Erich (1903): Drei Monate bei den Ausgrabungen in Ägypten [Rubensohn, Fayyum, Abusir el-Meleq, 1902], in: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte für das gesamte geistige Leben der Gegenwart 503, S. 699-722. Rubensohn, Otto (1905): Archäologische Funde im Jahre 1904. Griechisch-römische Funde in Ägypten, in: AA 1905/2, S. 65-70. — (1906): Archäologische Funde im Jahre 1905. Aegypten, in: AA 1906/2, Sp. 123-143. — (1924): Von deutschen Grabungen in Ägypten [Rubensohn, Fayyum, Abusir el-Meleq, 1902], in: Illustrirte Zeitung 162/4135 (12.6.), S. 688f. —/F. Knatz (1904): Bericht über die Ausgrabungen bei Abusir el Mäläq im Jahre 1903, in: ZÄS 41, S. 1-21. — (Hg.) (1907): Elephantine-Papyri, Berlin: Weidmann. Schäfer, Heinrich (1899): Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen bei Abusir im Winter 1898/99 [Abu Gurob], in: ZÄS 37, S. 1-9. — (1903): Die Lieder eines ägyptischen Bauern, Leipzig: J.C. Hinrichs. — (1922): Georg Möller, in: Berliner Museen. Berichte aus den Preußischen Kunstsammlungen 43/1-2, S. 1-4. —/Hermann Junker (1910): Bericht über die von der Königlichen Akademie der Wissenschaften in den Wintern 1908/09 und 1909/10 nach Nubien entsendete Expedition, in: Sitzungsberichte der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1910/31, S. 579-590. Schubart, Frida (1922): Von Wüste, Nil und Sonne. Mit Zeichnungen von Alfred Bollacher [zu Grabungen Zucker, Dimai el-Siba 1909/10, Medinet Madi 1910], Berlin: Weidmann. Steindorff, Georg (1901/02): Bei den Senûsis in der Amonsoase [zu Expedition Siwa 1899/1900], in: Velhagen & Klasings Monatshefte 16/1, S. 677-690. — (1904): Durch die Libysche Wüste zur Amonsoase [zu Expedition Siwa 1899/1900], Bielefeld/Leipzig: Velhagen & Klasing. — (1915): Aegypten in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin/Wien: Ullstein. — (1922): Georg Möller, in: ZÄS 57, S. 142-144.

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Deutsche Archäologen und ägyptische Arbeiter

— (1928): Vorwort, in: Hans Bonnet: Ein frühgeschichtliches Gräberfeld bei Abusir [zu Grabung 1910], Leipzig: J.C. Hinrichs. — (1936): Allgemeines, in: Hans Steckeweh (Hg.): Die Fürstengräber von Qâw [zu Grabung Qau 1913/14], Leipzig: J.C. Hinrichs, S. 1-9. — (1938): [Obituary for L. Borchardt], in: Journal of Egyptian Archaeology 24/2, S. 248. — (1942): George Andrew Reisner, in: Bulletin of the Museum of Fine Arts 40/241, S. 92f. Timme, Paul (1917): Tell el-Amarna vor der deutschen Ausgrabung im Jahre 1911 [Borchardt], Leipzig: J.C. Hinrichs. Viereck, Paul/Friedrich Zucker (1926): Papyri, Ostraka und Wachstafeln aus Philadelphia im Fayûm [zu Grabung 1908/09], Berlin: Weidmann. Zucker, Friedrich (1907): Von Kairo bis Assuan, in: Blätter für das Gymnasial-Schulwesen 43, S. 1-35. — (1911): Archäologische Funde im Jahre 1910. Ägypten, in: AA 1911/2-3, Sp. 238-242.

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Geschichtswissenschaft Manuel Gogos

Das Gedächtnis der Migrationsgesellschaft DOMiD – Ein Verein schreibt Geschichte(n) 2021, 272 S., Hardcover, Fadenbindung, durchgängig vierfarbig 40,00 € (DE), 978-3-8376-5423-3 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5423-7

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Henning von Rittersdorf: Das Deutsche Schicksal Erinnerungen eines Rassenanthropologen. Eine Doku-Fiktion 2021, 294 S., kart. 35,00 € (DE), 978-3-8376-5936-8 E-Book: PDF: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5936-2

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Arbeit an der Kultur Margaret Mead, Gregory Bateson und die amerikanische Anthropologie, 1930-1950 2021, 440 S., kart., 5 SW-Abbildungen 49,00 € (DE), 978-3-8376-5693-0 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5693-4

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Geschichtswissenschaft Norbert Finzsch

Der Widerspenstigen Verstümmelung Eine Geschichte der Kliteridektomie im »Westen«, 1500-2000 2021, 528 S., kart., 30 SW-Abbildungen 49,50 € (DE), 978-3-8376-5717-3 E-Book: PDF: 48,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5717-7

Frank Jacob

Freiheit wagen! Ein Essay zur Revolution im 21. Jahrhundert 2021, 88 S., kart. 9,90 € (DE), 978-3-8376-5761-6 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5761-0

Verein für kritische Geschichtsschreibung e.V. (Hg.)

WerkstattGeschichte 2022/2, Heft 86: Papierkram September 2022, 192 S., kart., 24 SW-Abbildungen, 1 Farbabbildung 22,00 € (DE), 978-3-8376-5866-8 E-Book: PDF: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5866-2

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de