Der völkerrechtliche Schutz der Internally Displaced Persons: Eine Analyse des normativen und institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte [1 ed.] 9783428497386, 9783428097388

Thema der Arbeit ist der völkerrechtliche Schutz der internally displaced persons (IDPs), deren Leiden aufgrund von &quo

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Der völkerrechtliche Schutz der Internally Displaced Persons: Eine Analyse des normativen und institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte [1 ed.]
 9783428497386, 9783428097388

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NIl.,s GEISSLER

Der völkerrechtliche Schutz der Intemally Displaced Persons

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von lost Delbrück und Rainer Hofmann Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht

126

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts:

Daniel Bardonnet l'Universite de Paris 11

Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Rudolf Bernhardt Heidelberg

Lucius Caflisch Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Geneve

Antonius Eitel New York; Bonn

Luigi Ferrari Bravo Universita di Roma

Albrecht Randelzhofer Freie Universität Berlin

Krzysztof Skubiszewski Polish Academy of Sciences, Warsaw; The Hague

Christian Tomuschat Humboldt-Universität zu Berlin

Louis Henkin Columbia University, NewYork

Tommy T. B. Koh Singapore

John Norton Moore University of Virginia, Charlottesville

Sir Arthur Watts London

Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Der völkerrechtliche Schutz der Intemally Displaced Persons Eine Analyse des normativen und institutionellen Schutzes der Intemally Displaced Persons im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte

Von

Nils Geißler

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Geißler, Nils: Der völkerrechtliche Schutz der Internally Displaced Persons : eine Analyse des normativen und institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons im Rahmen innerer Unruhen und nichtinternationaler Konflikte I von Nils Geißler. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; Bd. 126) Zug!.: Kiel, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09738-6

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 3-428-09738-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Meinen Eltern

In short, the "right to remain" comprises the common or garden sense of not having to become refugee, not having to flee, not being displaced by force or want, together with the feIt security that comes with being protected. It is another way of expressing, in conrete terms, the connection between individual, community and territory, but its effective realization depends upon human rights and development considerations that are staggering in their breadth. Perhaps this is the sort of challenge that we need for the next century. Guy S. Goowinn-Gill

Lo mas grave de todo es que hemos aprendido a vivir con Ia violencia.

Gabriel Garcfa Marquez

Vorwort

In diesen Tagen unternahm die NATO zum ersten Mal in ihrer 50jährigen Geschichte einen bewaffneten Angriff gegen einen souveränen Staat, um "eine humanitäre Katastrophe abzuwenden" und damit schwere Menschenrechtsverletzungen zu stoppen. Die humanitäre Katastrophe betraf in erster Linie das Leid von über 400.000 Intemally Displaced Persons im Kosovo, die dort Opfer grausamer "ethnischer Säuberungen" wurden. Die vorliegende Arbeit untersucht den völkerrechtlichen Schutz jener Menschen in normativer und institutioneller Hinsicht und versucht, einige Lösungsansätze zu entwickeln. Keine eingehende Berücksichtigung konnten dagegen die rechtlich wie politisch potentiell weitreichenden Implikationen eines Militäreinsatzes finden, der zwar humanitär geboten erschien, aber de lege lata eindeutig völkerrechtswidrig war, da er ohne Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen unternommen wurde. Der bewaffnete Einsatz, an dem zum ersten Mal seit Ende des zweiten Weltkrieges auch deutsche Soldaten teilnahmen, zeigt jedoch - so banal dies auf den ersten Blick klingen mag -, daß es auf schwierige humanitäre Fragen keine einfachen Antworten gibt. Die Arbeit wurde im Wintersemester 1998/99 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Die Anregung zur Beschäftigung mit dem in erster Linie menschenrechtlichen Thema der Arbeit ging aus intensiven Gesprächen in Köln mit meinem späteren Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. Rainer Hofmann. hervor. Ihm bin ich sehr dankbar für die hervorragende Förderung und Motivierung in den vergangenen Jahren sowie für die gemeinsame Zeit mit vielen interessanten Gesprächen und Diskussionen am Kieler Walther-Schücking-Institut. Herrn Professor Dr. Jost Delbrück danke ich sehr für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Doctores Miriam Wolter und Markus Dörlemann danke ich herzlich für die zahlreichen Diskussionen und Anregungen zur Verbesserung der Arbeit. Tilman Laubner und Rotraut Wolf danke ich für mühselige Kleinstkorrekturen sowie die zügige Erstellung des druckreifen Manuskriptes.

10

Vorwort

Danken möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des WaltherSchücking-Instituts, wo die Arbeit in den Jahren 1997 und 1998 überwiegend entstanden ist. Ihre Hilfsbereitschaft und die gute Arbeitsatmosphäre am Institut trugen sehr zum Gelingen der Arbeit im leider nicht immer sonnigen Kiel bei. Ein weiterer Dank gilt dem Auswärtigen Amt für die Förderung der Arbeit durch die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Kathrin danke ich sehr herzlich, sie weiß wofür.

Kiel, Ende März 1999

Nils Geißler

Inhaltsverzeichnis

Einführung

29

Erstes Kapitel

Begriffsbestimmung A. Definitionsversuche und Kritik .................................... I.

11.

36

Die Definitionen des Begriffs der Internally Displaced Persons . . . . . . . .

37

I. Die erste Definition des Generalsekretärs der VN 1989 und der CIREFCA ..............................................

37

2. Die zweite Definition des Generalsekretärs der VN 1992, zugleich Arbeitsdefinition Francis Dengs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3. Die Definition der Wiener Expertentagung von 1994 sowie der Guiding Principles on Internal Displacement von 1998 . . . . . . . . . . .

40

4. Die Definition der Draft Declaration on Internally Displaced Persons derinternational Law Association von 1998 ...................

41

5. Arbeitsdefinitionen des UNHCR ............................

42

Die Kritik an den genannten Definitionen ........................

43

1. Die Position des IKRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

2. Die Kritik der völkerrechtlichen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Zur Einbeziehung natürlicher oder vom Menschen verursachter Katastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

b) Zur Aufnahme eines unbestimmten Größenerfordernisses und zur Fluchtmodalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

B. Bewertung der verschiedenen Definitionsversuche sowie der Kritik ......

45

I.

Zur Kritik des IKRK und der Frage der Notwendigkeit einer Definition

45

11.

Zur Einbeziehung von natürlichen oder vom Menschen verursachten Katastrophen ..............................................

46

III.

Die Aufnahme eines unbestimmten Größenerfordernisses . . . . . . . . . . . .

49

12

Inhaltsverzeichnis IV.

Das Merkmal der plötzlichen und unerwarteten Flucht. . . . . . . . . . . . . .

50

V.

Das Kriterium des Zwanges zur Flucht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

1. Die Abwesenheit von Zwang zur Flucht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

2. Der Zwang als notwendiges Kriterium einer Zwangsumsiedlung . . . .

51

3. Zum Vorliegen von Zwang bei konkreter und abstrakter Verfolgungsgefahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

a) Konkrete Verfolgungsgefahr

52

b) Abstrakte Verfolgungsgefahr

52

c) Zur Frage der Urheberschaft der Verfolgung. . . . . . . . . . . . . . . .

53

d) Würdigung ..........................................

54

C. Vorschlag einer Definition und der Aufnahme von Ausschlußklauseln ....

54

I.

Vorschlag einer Definition ...................................

54

11.

Zur Frage der Beschränkung der Definition durch die Aufnahme von Ausschluß- oder Beendigungsklauseln ..........................

56

1. Verwirkung des Schutzes wegen individueller völkerstrafrechtlicher Verantwortlichkeit .......................................

56

2. Beendigung der Schutzbedürftigkeit aufgrund von Niederlassung an einem dritten Ort oder freiwilliger Rückkehr .. . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

a) Niederlassung am Zufluchtsort oder an anderer Stelle im eigenen Land...............................................

57

b) Die freiwillige Rückkehr ...............................

58

Zweites Kapitel

Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons A. Einleitung

59

I.

Abgrenzung zwischen inneren Unruhen und Bürgerkriegen . . . . . . . . . .

60

1. Der Begriff der inneren Unruhen ............................

60

2. Der Begriff des Bürgerkriegs ...............................

61

a) Der Bürgerkriegsbegriff des gemeinsamen Art. 3 GK .........

61

b) Der Bürgerkriegsbegriff des 11. Protokolls

.................

62

c) Würdigung ..........................................

62

Inhaltsverzeichnis 11.

13

Die wesentlichen Unterschiede zwischen menschenrechtlichen Normen und humanitärem Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Die Pflichtsubjekte ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Der Regelungsgegenstand .................................

65

3. Die Einschränkbarkeit von Rechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

4. Die Durchsetzungsmechanismen ............................

65

B. Der Schutz des Rechts auf Leben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

I.

Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

11.

Der Schutz des Rechts auf Leben im Rahmen innerer Unruhen .......

67

1. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 ..................................................

67

III.

a) Zum Umfang der Verpflichtungen gemäß Art. 6 IPbürg .......

67

b) Die Ausnahme der nicht-willkürlichen Tötung. . . . . . . . . . . . . . .

69

c) Die Ausnahme der Todesstrafe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

3. Die Kinderrechtskonvention von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4. Zur Frage der Anwendung des humanitären Völkerrechts im Rahmen innerer Unruhen .........................................

72

5. Soft Law - Deklarationen und Prinzipienerklärungen ............

73

Der Schutz des Rechts auf Leben im Rahmen von Bürgerkriegen. . . . . .

76

1. Menschenrechtliehe Normen ...............................

76

2. Der gemeinsame Art. 3 GK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

a) Der materielle und personelle Anwendungsbereich . . . . . . . . . . .

77

(1) Der materielle Anwendungsbereich

77

(2) Der personelle Anwendungsbereich

79

b) Der Schutz des Lebens nach dem gemeinsamen Art. 3 GK .....

80

3. Das 11. Protokoll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

a) Der materielle und personelle Anwendungsbereich des 11. Protokolls ...............................................

82

(1) Der materielle Anwendungsbereich (2) Der personelle Anwendungsbereich b) Der Schutz des Lebens nach dem 11. Protokoll ..............

82 82 83

14

Inhaltsverzeichnis 4. Soft Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

C. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit ............ . ....

89

IV.

I.

Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

11.

Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit im Rahmen innerer Unruhen .................................................

90

1. Der IPbürg .............................................

90

a) Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 7 S. 1 IPbürg............. . . .. . . ....... ................ . . . .

90

III.

IV.

b) Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit im Rahmen des Freiheitsentzuges ........................................

91

c) Sonderproblem: Der Schutz vor Vergewaltigung ............

91

2. Die Anti-Folter-Konvention von 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

3. Die Kinderrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

4. Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung von 1965 ............................

93

5. Soft Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit im Rahmen von Bürgerkriegen .............................................

95

1. Menschenrechtliche Normen ...............................

95

2. Der gemeinsame Art. 3 GK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

3. Das 11. Protokoll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

4. Soft Law .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit ...............................

98

I.

Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts .................... . . .

98

11.

Der Schutz des Rechts auf persönliche Freiheit im Rahmen innerer Unruhen.. . .. . . .. . . . ........... . . . . .................. . . . . ...

99

I. Der IPbürg .............................................

99

a) Grundsätzliches zu Art. 9 Abs. 1 IPbürg und der Außerkraftsetzung von Normen des IPbürg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Geschlossene Internierungslager .........................

102

c) "Verschwindenlassen" und Geiselnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . ..

103

Inhaltsverzeichnis

15

d) Shielding ...........................................

105

e) Zwangsrekrutierung ......................... . .........

105

2. Die Kinderrechtskonvention ...............................

106

3. Soft Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

106

Der Schutz der persönlichen Freiheit im Rahmen von Bürgerkriegen ..

108

1. Menschenrechtliche Normen ...............................

108

2. Der gemeinsame Art. 3 GK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

109

3. Das 11. Protokoll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

109

4. Die Kinderrechtskonvention .............................. "

110

5. Soft Law ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

110

Bewertung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

110

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit: Das Recht, nicht vertrieben zu werden, und das Recht auf Rückkehr ......................................

112

III.

IV.

I.

Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts .......................

112

11.

Das Recht, nicht vertrieben zu werden ..........................

113

1. Zwangsumsiedlungen und "ethnische Säuberungen" . . . . . . . . . . . ..

114

a) Der Schutz vor Zwangsumsiedlungen im Rahmen innerer Unruhen

117

(1) Der IPbürg ......................................

117

(2) Die Konvention gegen Rassendiskriminierung . . . . . . . . . ..

119

(3) Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

120

(4) Soft Law ........................................

121

b) Der Schutz vor Zwangsumsiedlungen im Rahmen von Bürgerkriegen .............................................

125

(1) Der gemeinsame Art. 3 GK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

125

(2) Das 11. Protokoll ..................................

125

(3) Soft law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

127

2. Schutz vor Flucht aufgrund von systematischen Menschenrechtsverletzungen oder bewaffneten Konflikten .......................

128

a) Die Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, beim Vorliegen konkreter Verfolgungs gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

129

b) Die Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, beim Vorliegen abstrakter Verfolgungs gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

130

16

Inhaltsverzeichnis

III.

IV.

3. Das Recht zur Flucht vor Menschenrechtsverletzungen oder bewaffneten Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

131

Das Recht auf Rückkehr und die Bedeutung des refoulement- Verbots ..

132

1. Das Recht auf Rückkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

132

a) Rechtsgrundlage des Rückkehrrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

132

b) Inhalt des Rückkehrrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

135

2. Der Schutz vor refoulement ................................

137

a) Das refoulement-Verbot als Grundsatz des Flüchtlingsrechts ...

137

b) Die Bedeutung des refoulement-Verbots für Intemally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

138

(1) Die analoge Anwendung des refoulement-Verbots auf Intemally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

139

(2) Die Begründung des refoulement- Verbots auf der Grundlage von menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Normen

139

Bewertung........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

141

1. Das Recht, nicht vertrieben zu werden, und der Schutz vor Zwangsumsiedlungen ...........................................

141

2. Das Recht auf Rückkehr und der Schutz vor refoulement .........

143

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte, insbesondere Rechte im Zusammenhang mit der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit 143 I.

Zur Bedrohung sonstiger Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

143

11.

Das Recht auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit und die damit in Verbindung stehenden Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

145

1. Bedeutung und Bedrohung des Rechts auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit sowie der damit in Verbindung stehenden Rechte ...

145

2. Der Schutz im Rahmen innerer Unruhen ......................

146

a) Der IPbürg ..........................................

146

b) Die Kinderrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

147

c) Die Frauenrechtskonvention von 1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

147

d) Soft Law .......................................... "

148

III.

3. Der Schutz im Rahmen von Bürgerkriegen ....................

149

Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte. . . . . . . . . . ..

149

1. Bedeutung und Bedrohung sonstiger Rechtsgüter ...............

149

Inhaltsverzeichnis

IV.

17

2. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte im Rahmen innerer Unruhen sowie im Rahmen von Bürgerkriegen ...........

150

a) Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ...................

150

b) Das Diskriminierungsverbot ............................

151

c) Die Religions-. Gewissens- und Meinungsfreiheit. . . . . . . . . . ..

152

d) Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . ..

154

e) Der Schutz der Familie und das Recht auf Farnilienzusammenführung ...............................................

154

Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

156

Drittes Kapitel Analyse des institutionellen Schutzes der InternaUy Displaced Persons A. Einleitung

158

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

163

I.

H.

III.

2 Geißler

Grundlagen und Begriff der staatlichen Souveränität - Konsequenzen für den Schutz der Internally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

163

1. Grundlagen und Begriff der staatlichen Souveränität. . . . . . . . . . . ..

163

2. Konsequenzen für den Schutz der Internally Displaced Persons. . . ..

165

Die Beschränkung der staatlichen Souveränität durch den internationalen Menschenrechtsschutz und das humanitäre Völkerrecht. . . . . . . . . . . ..

166

1. Menschenrechtliche und humanitärrechtliche Abkommen. . . . . . . ..

167

a) Die Übernahme normativer Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. . . . . . . . . ..

168

b) Durchsetzungs- und Kontrollmechanismen .................

169

2. Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. insbesondere den VN ...................................................

170

3. Völkergewohnheitsrecht: menschenrechtliche und humanitärrechtliche Mindeststandards ........................................

172

4. Zwischenergebnis - Reduzierung des Bereichs der domestic jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

174

Zum Spannungsverhältnis zwischen institutionellem Schutz und Interventionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

176

1. Der Begriff des institutionellen Schutzes ......................

176

18

Inhaltsverzeichnis a) Die Akteure zum Schutz von Internally Displaced Persons

176

b) Die Handlungsformen des institutionellen Schutzes ..........

178

(1) Protection .......................................

178

(2) Humanitarian Assistance ...........................

179

(3) Würdigung ......................................

181

2. Tatbestandsmerkmale des Interventionsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . ..

184

a) Das Kriterium der domestic jurisdiction ...................

185

b) Das Zwangselement ...................................

185

3. Fallkonstellationen institutionellen Schutzes und Problemfelder . . ..

187

a) Das Angebot humanitärer Dienste ........................

188

(1) Initiativrecht auf normativer Grundlage ................

189

(a) Adressaten des Initiativrechts ....................

189

(b) Umfang der vom Initiati vrecht gemäß dem gemeinsamen Art. 3 GK erfaßten Dienste ......................

190

(c) Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot . . . . . . . . ..

191

(2) Ungeschriebenes Initiativrecht .......................

193

(a) Adressaten des ungeschriebenen Initiativrechts ......

194

(b) Umfang der vom ungeschriebenen Initiativrecht erfaßten

Dienste .....................................

194

(c) Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot . . . . . . . . ..

195

b) Die Leistung humanitärer Dienste mit Zustimmung des Heimatstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

197

c) Die Leistung humanitärer Dienste ohne Zustimmung des Heimatstaates, insbesondere im Gebiet aufständischer Verbände ......

200

(1) Die fehlende Zustimmung als Hindernis für die Leistung

humanitärer Dienste ...............................

200

(2) Die Leistung humanitärer Dienste trotz fehlender Zustimmung ...........................................

202

(a) Das Erzwingen humanitärer Hilfe durch die internationale Staatengemeinschaft - ,,Humanitäre Interventionen"

202

(b) Die Leistung humanitärer Dienste in Bürgerkriegen im Gebiet aufständischer Verbände ..................

204

4. Würdigung a) Das Angebot humanitärer Dienste ........................

207 207

Inhaltsverzeichnis

IV.

19

b) Die Leistung humanitärer Dienste mit Zustimmung des Heimatstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

208

c) Die Leistung humanitärer Dienste ohne Zustimmung des Heimatstaates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

210

d) Zur Frage der Notwendigkeit neuer Normen ................

212

Besteht eine völkerrechtliche Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte? . . . . . . ..

212

1. Recht und Moral - ein unlösbares Dilemma im Kontext humanitärer Hilfe? ................................................. 212 2. Ansatzpunkte einer völkerrechtlichen Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe ........................................

214

a) Rechtspflichten der Staaten zur Gewährleistung humanitärer Hilfe

214

(1) Menschenrechtliche und humanitärrechtliche Normen. . . ..

215

(a) Menschenrechtliche Normen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

215

(b) Humanitärrechtliche Normen ....................

219

(2) Völkerrechtliche Pflicht zur Zusammenarbeit ...........

221

b) Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe. . ..

222

3. Würdigung .............................................

226

a) Rechtspflichten der Staaten .............................

226

b) Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe. . ..

230

c) Fazit ...............................................

231

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR. . . . . . . . ..

232

I.

11.

Struktur und ,,klassisches" Mandat der Organisation ...............

233

1. Gründung und Struktur der Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

233

2. Die Hauptfunktionen des UNHCR, zugleich Kompetenzen ratione materiae ...............................................

234

3. Die ,,klassischen" Kompetenzen ratione personae. . . . . . . . . . . . . ..

235

Die Entwicklung des Mandats - Erweiterung der Kompetenzen ratione personae .................................................

237

1. 1956 - Die erste Phase: Prima-facie-Anerkennung von Flüchtlingen und good offices . ....................................... , 237

III.

2. 1972 - Beginn der zweiten Phase: Der UNHCR befaßt sich erstmals offiziell mit Internally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

239

Der neuen Herausforderung begegnen: Die Entwicklung konkreter Einsatzkriterien zum Schutz der Internally Displaced Persons .......... ,

243

20

Inhaltsverzeichnis I. Methodisch-praktische Schwierigkeiten

243

2. Schwierigkeiten im Hinblick auf Mandat und Selbstverständnis des UNHCR ...............................................

244

a) Der Zusammenhang zwischen intemal displacement und Flüchtlingsproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

244

b) Die Gefahr für das Institut des Asyls ......................

244

3. Die Formulierung konkreter Kriterien ........................

245

a) Die Vorarbeiten des EXCOM ...........................

245

b) Das Memorandum 33/93 des UNHCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

246

Exkurs: Die Bedeutung des Instituts der good offices für den Schutz der Intemally Displaced Persons durch den UNHCR ..................

248

I. Das Institut der good offices im allgemeinen Völkerrecht .........

248

2. Die Bedeutung des Instituts der good offices für den UNHCR, insbesondere für den Schutz der Intemally Displaced Persons . . . . . . . . ..

249

a) Legitimation und generelle Bedeutung des Instituts für den UNHCR ............................................

249

b) Die Bedeutung des Instituts der good offices für die Entwicklung der Kompetenz des UNHCR ratione personae. . . . . . . . . . . . . ..

250

c) Die Bedeutung des Instituts der good offices für die Entwicklung der Kompetenz des UNHCR ratione materiae . . . . . . . . . . . . . ..

251

Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

254

D. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK . . . . . . . . . ..

255

IV.

V.

I.

11.

Struktur und Mandat der Organisation ..........................

256

1. Gründung und Struktur des IKRK ............ . ..............

256

2. Das Mandat des IKRK ....................................

257

a) Das Mandat des IKRK ratione materiae

259

b) Das Mandat des IKRK ratione personae

259

Bewertung.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

262

Viertes Kapitel

Lösungsansätze A. Einleitung

265

Inhaltsverzeichnis B. Normative und andere rechtliche Lösungsansätze I.

265

Neue Nonnen zum Schutz der Intemally Displaced Persons . . . . . . . . ..

266

1. Zu den Grenzen und Gefahren der Schaffung verbindlicher Nonnen zum Schutz der Internally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

266

2. Konkrete nonnative Ansätze - Die Guiding Principles sowie die Draft Declaration der ILA ......................................

267

Sonstige rechtliche Lösungsansätze zum Schutz der Intemally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

270

1. Das Recht der Staatenverantwortlichkeit ......................

270

a) Die Begründung einer Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe..

271

b) Rechte der Internally Displaced Persons auf Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht ..................................

272

2. Das völkerrechtliche Strafrecht .............................

274

a) Der Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind derILC .............................................

274

b) Der ständige Internationale Strafgerichtshof ................

275

Institutionelle und operative Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

277

11.

c.

21

I.

11.

Koordination und Zusammenarbeit auf internationaler und regionaler Ebene........................ ............................

278

1. Keine Chance auf eine neue IGO zugunsten der Internally Displaced Persons ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

279

2. Internationale und regionale Ansätze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

280

a) Das Inter-Agency Standing Committee der VN . . . . . . . . . . . . ..

280

b) Die Consulta Pe;manente sobre Desplazarniento Interno en las Americas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

282

Operative Lösungsansätze ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

283

1. Safe areas - Chancen und Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

283

2. Voraussetzungen wirksamer safe areas .......................

285

a) Das Konzept der safe areas im humanitären Völkerrecht und in der jüngeren Staatenpraxis ..............................

285

b) Gefahren für die Neutralität .............................

286

c) Die Voraussetzung der Zustimmung zur Einrichtung von safe areas .. . ........ . . . ... .. .. ... .. . .. . . . . . . . . . . ...... ..

287

d) Gefahren für den Zugang zum Asyl .......................

288

e) Das Modell der Open Relief Centers ......................

288

22

Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung der Ergebnisse

1. Definition der Internally Displaced PersoDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290

2. Grundlagen des normativen Schutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290

3. Der Schutz des Rechts aufLeben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291

4. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit ..........

291

5. Der Schutz der persönlichen Freiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291

6. Das Recht, nicht vertrieben zu werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

292

7. Das Recht auf Rückkehr und der Schutz vor refoulement ........

292

8. Der Schutz sonstiger Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

292

9. Die Bedeutung der Einschränkung der staatlichen Souveränität ...

293

10. Das Spannungsverhältnis zwischen Interventionsverbot und institutionellem Schutz der Internally Displaced Persons .............

293

11. Zu Fragen einer staatlichen Verpflichtung zur Annahme humanitärer Hilfe sowie eines Rechts der Internally Displaced Persons aufhumanitäre Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

294

12. Das Mandat des UNHCR im Hinblick aufInternally Displaced Persons............... . ... ......... ....... . ... . ........ . .

294

13. Das Mandat des IKRK im Hinblick aufInternally Displaced Persons

295

14. Normative und rechtliche Lösungsansätze zum Schutz der Internally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

295

15. Institutionelle und operative Lösungsansätze zum Schutz der Internally Displaced Persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

296

Anhang I.

Guiding Principles on Internal Displacement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

297

11.

Draft Declaration of Principles of International Law on Internally Displaced Persons ............................................

306

III.

Declaration of Minimum Humanitarian Standards ................

313

IV.

Guiding Principles on the Right to Humanitarian Assistance . . . . . . . . .

319

V.

United Nations World Conference on Human Rights, Vienna, 14-15 June 1993 ..........................................

323

Literaturverzeichnis

324

Sachregister

348

Abkürzungsverzeichnis A

Assembly

a.A.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

ACNUR

Alto Comisionado de las Naciones Unidas para los Refugiados

Add.

Addendum

a.E.

am Ende

AEMR

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

A.F.D.I.

Annuaire Fran\=ais de Droit International

AlDI

Annuaire de l'Institut de Droit International

AJIL

American Journal of International Law

allg.

allgemein

Am.U.Int'!.L.Rev.

American University International Law Review

Am.U.J.Int'1 L.& Pol'y

American University Journal on International Law and Policy

Art.

Artikel

ASIL

American Society of International Law

AsYIL

Asian Yearbook of International Law

AVR

Archiv des Völkerrechts

AWR

Association for the Study ofthe World Refugee Problem

Bd.

Band

BDGVR

Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht

BGB!.

Bundesgesetzblatt

Bull.

Bulletin

B.U.L.R.

Boston University Law Review

BYIL

British Yearbook of International Law

bzg!.

bezüglich

Ca.West.Int'l L.J.

California Western International Law Journal

CERD

Committee on the Elimination of Racial Discrimination

24

Abkürzungsverzeichnis

CIREFCA

Conferencia Internacional sobre Refugiados Centroamericanos

Colum.Hum.Rts.L.Rev.

Columbia Human Rights Law Review

Colum.L.Rev.

Columbia Law Review

CPDIA

Consulta Permanente sobre Desplazarniento en las Americas

CYIL

Canadian Yearbook of International Law

DenJ.lnt'lL.& Pol'y

Denver Journal for International Law and Policy

ders.

derselbe

DickJ .Int'l L.

Dickinson Jounal of International Law

dies.

dieselbe oder dieselben

DHA

Department of Humanitarian Affairs

EA

Europa-Archiv

ebd.

ebenda

ECOSOC

Economic and Social Council

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJIL

European Journal of International Law

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EPIL

Encyclopedia of Public International Law

EuGRZ

Europäische Grundrechte Zeitschrift

EXCOM

Executive Committee ofthe High Commissioner' s Programme

FR

Frankfurter Rundschau

FS

Festschrift

GA

General Assembly

Ga.J. Int'l & Comp.L.

Georgia Journal of International and Comparative Law

Geo.lmmigr.L.J.

Georgetown Immigration Law Journal

GFK

Genfer Flüchtlingskonvention

GG

Grundgesetz

GK

Genfer Konvention

GYIL

German Yearbook of International Law

Hague Y.B.lnt'l L.

Hague Yearbook of International Law

Harv. Int'l L.J.

Harvard International Law Journal

Hg.

Herausgeber

HIU

Harvard International Law Journal

HRU

Human Rights Law Journal

HRQ

Human Rights Quarterly

Abkürzungsverzeichnis HS

25

Halbsatz

HuV-I

Humanitäres Völkerrecht - Informationsschrift

IASC

Inter-Agency Standing Committee

ICJ

International Court of Justice

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

ICRC

International Committe of the Red Cross

ICTY

International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia

IDP

Internally Displaced Person

IGH

Internationaler Gerichtshof

lGO

Intergovernmental Organization

IIDH

Instituto Interamericano de Derechos Humanos

IIHR

Interamerican Institute of Human Rights

IJGLS

Indiana Journal of Global Legal Studies

IJIL

Indian Journal of International Law

IJRL

International Journal of Refugee Law

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

ILA

International Law Association

ILC

International Law Commis si on

ILM

International Legal Materials

ILO

International Labour Organisation

In1'l Law.

International Lawyer

Int'! J. Group Rts.

International Journal of Group Rights

10M

International Organization for Migration

IPbürg

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

IPwirt

Internationaler Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte

IRRC

International Review of the Red Cross

IYHR

Israel Yearbook of Human Rights

JIR

Jahrbuch für Internationales Recht

JRS

Journal of Refugee Studies

Kap.

Kapitel

lit.

litera

LTfE

Liberation Tigers of Tamil Eelan

MRM

Menschenrechtsmagazin

NGO

Nongovernmental Organization

26

Abkürzungsverzeichnis

NILR

Netherlands International Law Review

NYIL

Netherlands Yearbook of International Law

N.Y.UJ. Int'! L& Pol'y

New University Journal of International Law and Policy

N.Y.U.L.Rev.

New York University Law Review

NZZ

Neue Züricher Zeitung

OAU

Organisation of African Unity

OCHA

Office for the Coordination of Humanitarian Affairs

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Proc.

Proceedings

RdC

Recueil de Cours

RES

Resolution

Rev IIDH

Revista Instituto Interamericano de Derechos Humanos

R.G.D.I.P.

Revue Generale de Droit International Public

RICR

Revue Internationale de la Croix Rouge

RSQ

Refugee Survey Quarterly

SARRED

International Conference on the Plight of Refugees, Returnees and Internally Displaced Persons in Southern Africa

SFDI

Societe Fran~aise pour le droit international

StlGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

SZ

Süddeutsche Zeitung

SZIER

Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht

Transnat'l A.

Transnational Associations

TWQ

Third World Quarterly

UN

United Nations

UNDP

United Nations Development Programme

UNHCHR

United Nations High Commissioner for Human Rights

UNHCR

United Nations High Commissioner for Refugees

UNICEF

United Nations Children's Fund

UNTS

United Nations Treaty Series

VaJ.lnt'l L.

Virginia Journal of International Law

Vand. J. Transnat'l L.

Vanderbilt Journal of Transnational Law

Verf.

Verfasser

vgl.

vergleiche

VN

Vereinte Nationen

Abkürzungsverzeichnis Vol.

27

Volume

VRÜ

Verfassung und Recht in Übersee

WFP

World Food Programme

WHO

World Health Organization

Williamette L. Rev.

Williamette Law Review

Yale J. Int'l L.

Yale Journal ofInternational Law

YIIL

Yearbook of the Institute of International Law

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZAR

Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik

Einführung

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist der Rechtsschutz der internally displaced persons im Rahmen von inneren Unruhen sowie bewaffneten internen Konflikten nach geltendem und in Enstehung begriffenem Völkerrecht. Über das genaue Ausmaß des Phänomens besteht keine Klarheit. Es werden Zahlen von weltweit 20 bis zu 30 Millionen Internally Displaced Persons genannt, womit die Zahl der "klassischen" Flüchtlinge, also derjenigen, die die Grenzen des eigenen Landes überschritten haben, weit übertroffen wird. Das mit Flucht und Vertreibung verbundene menschliche Leid der Betroffenen läßt sich nur unzureichend ermessen. Denn mit dem Verlust der angestammten Heimat durch die räumliche Trennung geht in der Regel nicht nur die psychologische Empfindung des "entwurzelt Seins" einher. Vor allem im Rahmen nicht-internationaler bewaffneter Auseinandersetzungen werden Zivilisten unverhältnismäßig häufig durch Tötungen, Vergewaltigungen und sonstige Mißhandlungen betroffen, verlieren neben ihren engsten Angehörigen die heimische Gemeinschaft und Umgebung sowie Unterkünfte und traditionelle Nahrungsmittelquellen. Die eindringlichen Bilder der Flüchtlingstreks und Notunterkünfte aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Ruanda oder dem Irak vermitteln letztlich nur einen optischen Eindruck von Not und Elend der Internally Displaced Persons. Weitere Länder, in denen sich derzeit erhebliche Zahlen von Internally Displaced Persons nachweisen lassen, sind unter anderen Afghanistan, Sri Lanka, der Kosovo, Rußland (Tschetschenien), Georgien, Tadschikistan, Algerien, der Sudan, Kenia, Liberia, Mozambique, Sierra Leone, Burundi und Kolumbien. Beim Schicksal der Internally Displaced Persons handelt es sich also um ein Problem globalen Ausmasses, dessen Auswirkungen häufig nicht auf einzelne Staaten beschränkt sind, sondern für ganze Regionen destabilisierend wirken können. Grundsätzlich fallen Internally Displaced Persons in den ausschließlichen Souveränitätsbereich des jeweiligen Heimat- oder Aufenthaltsstaats. Dieser hat ein Schutzmonopol gegenüber den ihm Gewaltunterworfenen, welches über Art. 2 Abs. 7 der Charta der VN 1 gewissermaßen als Abwehrrecht gegenüber Einmi1 BGB!. 197311,431; 197411,770; 198011, 1252; Yearbook of the United Nations 1969, Vo!. 23,953.

30

Einführung

schungen durch Dritte in die oftmals nur vermeintlich inneren Angelegenheiten fungiert. Die Bedeutung des Völkerrechts für den Schutz der Internally Displaced Persons ergibt sich hauptsächlich durch die mit der Ratifizierung menschenrechtlicher Abkommen eingegangenen oder völkergewohnheitsrechtlich geltenden Verpflichtungen zum Schutz des einzelnen und von Personengruppen. Kommt es innerhalb eines Staates zu massiven Menschenrechtsverletzungen oder humanitären Krisen infolge von inneren Unruhen oder Bürgerkriegen, so verbleibt die entstehende Situation nicht zwangsläufig eine rein innere Angelegenheit des jeweiligen Staates. Ergänzend oder subsidiär kann die internationale Staatengemeinschaft humanitäre Hilfe leisten oder in Ausnahmesituationen militärische Einsätze zum Schutz der Internally Displaced Persons durchführen. Demgegenüber müssen nationale Souveränitätsinteressen ganz oder zumindest teilweise zurücktreten. Entsprechende Situationen können immer dann vorliegen, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, den an sich gebotenen Schutz zugunsten der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten. Der dann unter Umständen eingreifende internationale Schutz der Internally Displaced Persons muß auch vor dem Hintergrund der zunehmend restriktiven Migrations- und Asylpolitik der Hauptzufluchtsstaaten gesehen werden, die den Schutz im Ausland erschwert oder unmöglich macht. Vor dem Hintergrund einer bislang fehlenden allgemein akzeptierten Definition des Begriffs "Internally Displaced Persons"2 wird deren Status auf eine Vielzahl von Ursachen, sogenannte root causes, zurückgeführt. Der Generalsekretär der VN nennt in einer Studie bewaffnete Konflikte, Zwangsumsiedlungen, allgemeine Gewalt, natürliche oder vom Menschen verursachte Katastrophen sowie systematische Menschenrechtsverletzungen. 3 Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf den Schutz derjenigen Personen, die aufgrund von Menschenrechtsverletzungen oder durch die Auswirkungen von inneren Unruhen oder bewaffneten internen Konflikten zur Flucht gezwungen oder zwangsumgesiedelt werden. Untersucht wird der normative Schutz von Zivilpersonen vor der Flucht oder Zwangsumsiedlung sowie der normative und der institutionelle Schutz der Internally Displaced Persons während und nach der Flucht oder Zwangsumsiedlung.

2 Vgl. Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 419/420; Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 694. Es fehlt zudem auch an einer offiziellen deutschen Übersetzung des Begriffs, vgl. UNHCR, Report 1997/98, 105. 3 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, paras. 18 - 39; vgl. auch Cohen, Human rights protection for Internally Displaced Persons, 3 - 5; UNHCR, Report 1997/98, 106/107; CoheniDeng, in: CoheniDeng (Hg.), 15, 19 - 23; Opitz, 37, 3951. Zu den ideologisch bedingten Motiven von Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen vgl. Schechla, TWQ 14 (1993), 239, 239 - 262.

Einführung

31

Nicht behandelt wird hingegen der Schutz jener Personen, die aufgrund von natürlichen oder vom Menschen verursachten Katastrophen oder wegen Entwicklungsprojekten und Infrastruktunnaßnahmen fliehen beziehungsweise zwangsumgesiedelt werden. 4 Es ist für die Untersuchung weiterhin angebracht, den Untersuchungsgegenstand gegenüber denjenigen Personen abzugrenzen, die ihren Heimatort oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus ökonomischen oder strukturellen Erwägungen im weitesten Sinne freiwillig verlassen, also sämtliche Fälle der sogenannten Wirtschafts- und Umweltmigration. Zwar handelt es sich in einer Vielzahl von Fällen um eine Mischung aus ökonomischen und politischen Gründen, die einen Menschen zum Verlassen seiner Heimat veranlaßt, sei es innerhalb oder außerhalb der Grenzen des eigenen Landes. Es würde jedoch den Rahmen der Untersuchung sprengen, sich mit sämtlichen diesbezüglichen Gemengelagen zu befassen. Im Hinblick auf den Typus der untersuchten Auseinandersetzungen sollen ausschließlich interne Konflikte in drei Grundkonstellationen behandelt werden: Innere Unruhen, deren Ausmaße die Schwelle zur Anwendung der Normen des humanitären Völkerrechts noch nicht überschritten haben sowie nicht-internationale Konflikte in zwei Ausprägungen. Zum einen jene Konflikte, in denen der gemeinsame Art. 3 der vier Genfer Konventionen von 19495 zur Anwendung kommt, und zum anderen Bürgerkriegssituationen, auf die die Vorschriften des 11. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 19776 Anwendung finden. 7

4 Zu nennen ist etwa das Projekt des Drei-Schluchten-Damms am Jangtse in der Volksrepublik China, zu dessen Umsetzung 1.500.000 Menschen umgesiedelt werden sollen, vgl. SZ vom 8. November 1997; vgl. auch UNHCR, Report 1997/98, 107/108. Zur Frage, inwieweit es sinnvoll ist, Fälle der Flucht vor natürlichen oder vom Menschen verursachten Katastrophen in eine allgemeine Definition der Internally Displaced Persons aufzunehmen, vgl. u. 1. Kap. B. 11., 46 ff. 5 I Geneva Convention for the Amelioration ofthe Condition ofthe Wounded and Siek in Anned Forces in the Field vom 12. August 1949, BGBL 195411,783; UNTS Vol. 75, 31; 11 Geneva Convention for the Amelioration of the Condition of Wounded, Siek and Shipwrecked Members of Anned Forces at Sea vom 12. August 1949, BGBL 195411,813; UNTS Vol. 75, 85; III Geneva Convention relative to the Treatment of Prisoners of War vom 12. August 1949, BGBL 195411,838; UNTS Vol. 75, 135; IV Geneva Convention relati ve to the Protection of Ci vilian Persons in the Time of War vom 12. August 1949, BGBl.1954 11,917; UNTS Vol. 75, 287; jeweils in Kraft getreten am 21. Oktober 1950, im folgenden: gemeinsamer Art. 3 GK. Am 31. Dezember 1997 hatten 188 Staaten die 4 Genfer Konventionen von 1949 ratifiziert. 6 Protocol Additional to the Geneva Conventions of 12 August 1949, and relating to the Protection ofVictims ofNon-lnternational Anned Conflicts, Protocol 11 vom 8. Juni 1977, BGBL 199011,1550; UNTS Vol. 1125,609; in Kraft getreten am 7. Dezember 1978, im

32

Einführung

Zwar haben grundsätzlich auch internationale Konflikte massive Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung und können gleichsam eine der Hauptursachen für Flucht und Vertreibung darstellen. Vor allem im Hinblick auf die Entwicklung des Typus der größeren bewaffneten Konflikte in den 80er Jahren sowie seit Ende des "Kalten Krieges" drängt sich jedoch die Beschränkung der Untersuchung auf interne Konflikte auf. Schon seit Ende der 80er Jahre waren überwiegend interne bewaffnete Konflikte zu beobachten. Seit 1992 war dies hinsichtlich größerer bewaffneter Konflikte ausschließlich der Fall. 8 Ziel dieser Arbeit ist es festzustellen, wie sich der Schutz der Internally Displaced Persons in den genannten Situationen darstellt. Dabei wird insbesondere an den Status als Individuum beziehungsweise Zivilperson im Völkerrecht angeknüpft. Untersucht wird zum einen der normative Rechtsschutz, wobei der Schwerpunkt beim internationalen Rechtssystem liegt. Zum anderen soll der institutionelle Schutz der Internally Displaced Persons in Form von humanitärer Hilfe und Rechtsschutz untersucht werden, wobei insbesondere die am häufigsten zugunsten von Internally Displaced Persons tätigen Organisationen zu berücksichtigen sind. Die abschließend dargestellten Lösungsansätze lassen sich unter Umständen für eine Verbesserung des Schutzes der Internally Displaced Persons nutzbar machen. Im ersten Kapitel der Arbeit werden zunächst die erforderliche Begriffsbestimmung vorgenommen. Dabei erfolgt vor allem die genaue Abgrenzung des Begriffs der Internally Displaced Persons gegenüber anderen, nicht miteinzubeziehenden Personengruppen. Anschließen wird sich der Vorschlag einer eigenen Definition. Im zweiten Kapitel wird sodann der normative Schutz von Zivilpersonen vor der Flucht oder Zwangsumsiedlung sowie der Internally Displaced Persons während und nach deren Flucht oder Vertreibung untersucht. Die Arbeit beschränkt sich allgemein auf die Analyse des Schutzes der bürgerlichen und politischen Rechte. Untersucht werden verbindliche und nichtverbindliche menschenrechtliche und humanitärrechtliche Normen und Erklärungen. Zu den behandelten verbindlichen Rechtsvorschriften zählen internationale Übereinkommen, das Völkergewohnheitsrecht und die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshof (IGH), folgenden: 11. Protokoll. Am 31. Dezember 1997 hatten 140 Staaten das 11. Protokoll ratifiziert. 1 Zur Begriffsbestimmung und Abgrenzung im einzelnen vgl. u. 2. Kap. A. I. 2., 61 ff. 8 Vgl. SollenberglWallensteen, in: Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) Yearbook 1998, 17, die auf die Fälle ausländischer Interventionen im Kongo und in Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo) sowie den Grenzkonflikt über Kaschmir zwischen Indien und Pakistan hinweisen; Clark, World Refugee Survey 1988, 18,20.

Einführung

33

die zumindest inter partes verbindlich ist (lex lata). Es wird zudem nichtverbindliches Völkerrecht (soft law, lex ferenda) bezüglich bürgerlicher und politischer Rechte angeführt, das bei der Bildung von Völkergewohnheitsrecht zu berücksichtigen sein könnte. In diesem Zusammenhang wird zudem auf die sehr aktuellen normativen Entwicklungen zum Schutz von Internally Displaced Persons eingegangen. Obgleich der Schwerpunkt der Arbeit im Bereich der Staatenverpflichtungen liegt, wird auf die flankierend bedeutsame individuelle Verantwortlichkeit und das in Entstehung begriffene Internationale Strafrecht zumindest hingewiesen. Auf Normen und Grundsätze des internationalen Flüchtlingsrechts wird nur dann eingegangen, wenn sich bei den einschlägigen menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Normen Schutzlücken ausmachen lassen. In diesen Fällen kann das Flüchtlingsrecht zumindest einen Anhaltspunkt für den Schutz der Internally Displaced Persons bieten und unter Umständen analog angewendet werden. Es erscheint sinnvoll, sich im Rahmen der abstrakten normativen Analyse auf die internationalen Menschenrechtsnormen zu beschränken, da regionale Normen nur imjeweiligen geographischen Kontext Anwendung finden können. Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte erfolgt vor dem Hintergrund, daß es sich bei diesen Rechten fast ausschließlich um solche mit rein appellativem Charakter handelt. Die Verpflichtungen der Staaten sind überwiegend im Sinne von Programrnsätzen formuliert und lassen im Hinblick auf die Umsetzung einen großen Interpretationsspielraum. Entsprechend schwierig gestalten sich die Einklagbarkeit und internationale Durchsetzung der Rechte. 9 Die im dritten Kapitel folgende Analyse des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons befaßt sich zunächst mit dem Grundsatz der staatlichen Souveränität und dessen Beschränkung durch den internationalen Menschenrechtsschutz. Eingehend untersucht wird das Spannungsverhältnis des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons mit dem völkerrechtlichen Interventionsverbot. Mit Rücksicht auf die Hoheitsgewalt des Internally Displaced Persons beheimatenden Staates stellt sich die Frage, in welchen Konstellationen humanitäre Hilfe und Rechtsschutz zulässig sind und ob der Staat im Einzelfall verpflichtet sein kann, humanitäre Hilfe zuzulassen. Hierbei stellt sich auch die Frage, ob den Internally Displaced Persons ein Recht auf humanitäre Hilfe zusteht. Vor diesem Hintergund wird der Schutz der Internally Displaced Persons durch den Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und

9 V gl. Lewis, Geo.Immigr.LJ. 6 (1992), 693, 7081709; Ipsen, in: Ipsen, § 44 Rn. 48; vgl. auch u. 2. Kap. F. I., 144/145. 3 Geißler

34

Einführung

das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) als den beiden operationell wichtigsten Organisationen analysiert. Im vierten Kapitel werden sodann verschiedene Lösungsansätze zur Schließung der im zweiten und dritten Kapitel herausgearbeiteten Schutzlücken vorgestellt. Hierzu zählt in normativer Hinsicht in erster Linie die Ausarbeitung neuer Normen, sei es in Form einer Deklaration oder von Verhaltensgrundsätzen. Des weiteren ist daran zu denken, das Prinzip der Staatenverantwortlichkeit und der internationalen Strafgerichtsbarkeit zugunsten der Internally Displaced Persons nutzbar zu machen. Bezüglich des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons steht die Verbesserung der Koordination und Zusammenarbeit zwischen den einzelnen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen im Vordergrund. Abschließend werden operative Lösungsansätze vorgestellt, zu denen Schutzzonen ("safe areas") zählen können. Hierzu sollen einige Kriterien effektiver Schutzzonen dargestellt werden.

Erstes Kapitel

Begriffsbestimmung

Bevor mit der eigentlichen Untersuchung des nonnativen und institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons begonnen werden kann, ist eine Begriffsbestimmung erforderlich. Bis in die Antike lassen sich Fluchtbewegungen aufgrund von persönlichen Übergriffen oder politisch bedingten Vertreibungen und Urnsiedlungen mißliebiger Minderheiten und Völker nachweisen. l Das Phänomen von Flucht und Vertreibung war seit jeher gleichsam notwendige Begleiterscheinung politischer oder militärischer Auseinandersetzungen. Sowohl der Völkerbund als auch die VN versuchten schon frühzeitig, auf das zu jener im weitesten Sinne europäische Flüchtlingsproblem durch die Errichtung von Hilfsorganisationen zu reagieren. 2 Zu einer systematischen Beschäftigung mit der Problematik der innerhalb der eigenen Staats grenzen geflohenen oder zwangsumgesiedelten Personen kommt es allerdings erst gegen Ende der 80er Jahre. Seit dem faktischen Ende des Ost-West-Konflikts ist eine dramatische Zunahme innerstaatlicher Auseinandersetzungen zu beobachten, mit der ein rapider zahlenmäßiger Anstieg der Internally Displaced Persons einhergeht. Da das Schicksal der Internally Displaced Persons seither mehr ins öffentliche Bewußtsein gelangt ist und Beachtung seitens der internationalen Staatengemeinschaft sowie der Rechtslehre gefunden hat, erwies es sich als notwendig zu definieren, wer als "internally displaced" aufgefaßt werden kann. Für den Zweck der Untersuchung soll die Begriffsbestimmung vor allem auch dazu dienen, den Untersuchungs gegenstand ratione personae näher einzugrenzen. Da es keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs "Internally Displaced Persons" gibt, sollen zunächst einige der bereits vorhandenen Definitionsvorschläge dargestellt werden. Im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung werden

1 Vgl. etwa Schechla, TWQ 14 (1993), 239, 240-246 m.w.N. zur Zeit bis zum Zerfall des Osmanischen Reichs. Grahl-Madsen, The status of refugees in international law, 122-142 u. Türk, 1-14 jeweils m.w.N. Zur Flüchtlingsproblematik während der Zeit des Völkerbundes sowie Bell-Fialkoff, 7-51 zu "ethnischen Säuberungen". 2 Vgl. auch u. 3. Kap. C. I. 1.,233/234.

36

1. Kap.: Begriffsbestimmung

einzelne Aspekte der verschiedenen Ansätze auf ihre Plausibilität hin untersucht, bevor sodann eine eigene Definition einschließlich möglicher Ergänzungen vorgeschlagen wird.

A. Definitionsversuche und Kritik Der Begriff "displaced persons" wurde zwar schon seit 1972 in Resolutionen der Generalversammlung sowie des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) der VN verwandt. 3 In den Resolutionen des ECOSOC, die es dem UNHCR ermöglichten, sich außerhalb des vorgegebenen Mandats zu bewegen und neben den zurückkehrenden Flüchtlingen auch die innerhalb des eigenen Landes geflohenen oder vertriebenen Personen zu unterstützen\ wurde der Begriff "displaced persons" jedoch nicht definiert. Auch in Resolutionen der VN-Generalversammlung der Folgejahre wird der Begriff der "displaced persons" nicht näher eingegrenzt und umfaßte neben den "displaced persons" innerhalb des eigenen Landes auch externe Flüchtlinge einschließlich der Bürgerkriegsflüchtlinge, die nicht in den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 (GFK)S sowie des Zusatzprotokolls von 19676 fielen. 7 Eine Definition findet sich letztlich in keiner der genannten Resolu3 Vgl. UN AlRes/2956 und AlRes/2958 (XXVI) vom 12. Dezember 1972; FlResl1655 (LII) vom 1. Juni 1972; FlResl1705 (LII) vom 27. Juli 1972. 4 Vgl. näher u. 3. Kap. C. 11., 237 ff. zur Erweiterung der Kompetenzen des UNHCR

ratione personae. S Convention relating to the Status of Refugees vom 28. Juli 1951, BGBI. 1953 11, 560; UNTS Vol. 189,150, in Kraft getreten am 22. Apri11954. Am 31. Dezember 1997 hatten 131 Staaten die GFK ratifiziert. Der Begriff des Flüchtlings ist in Art. 1 A. 2. der Konvention definiert:

for the purposes of the present Convention, the term "refugee" shall apply to any person who: ... owing to well-founded fear of being persecuted for reasons of race, religion, nationality, membership of a particular social group or political opinion, is outside the country 0/ his nationality and is unable, or owing to such fear, is unwilling to avail hirnself of the protection of that country; ... (Hervorhebung durch den Verfasser). 6 Protocol relating to the Status of Refugees vom 31. Januar 1967, BGBI. 1969 11, 1294, UNTS Vol. 606, 267. Mit Art. 1 Abs. 2 des Protokolls wurde die zeitliche Schranke der GFK aufgehoben, deren Anwendung sich auf Ereignisse beschränken sollte, die vor dem 1. Januar 1951 stattfanden. Nach Art. 1 Abs. 3 des Protokolls wurde zudem die geographische Beschränkung auf Europa aufgehoben. Am 31. Dezember 1997 hatten 130 Staaten das Protokoll ratifiziert. 7 Vgl. Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 262/265; Hull, GaJ. Int'l & Comp.L. 13 (1983),755,7681769; vgl. auch UN AlRES/3454 (XXX) vom 9. Dezember

A. Definitionsversuche und Kritik

37

tionen. Bezeichnend für die definitorischen Unklarheiten jener Zeit ist eine Aussage des UNHCR von 1977: Judging from the relevant resolutions of the General Assembly, a displaced person would appear to be one who, while not fulfilling strictu sensu the refugee eligibility criteria, is in a situation analagous to that of a refugee. Additionally, it is feit by some that persons who do not cross an internationally recognized border should be treated as displaced persons. Here again, there is need for clarification. 8

I. Die Definitionen des Begriffs der Internally Displaced Persons 1. Die erste Definition des Generalsekretärs der VN 1989 und der CIREFCA Eine der ersten Definitionen im Zuge der umfassenderen institutionellen Befassung mit der Problematik der Internally Displaced Persons formulierte der Generalsekretär der VN 1989 im Rahmen der "International Conference on the Plight of Refugees, Returnees and Internally Displaced Persons in Southern Africa" (SARRED).9 Danach wurden als Internally Displaced Persons jene Personen angesehen, who have been forced to abandon their hornes or their normal economic activities, while remaining inside their countries of origin, because their lives, security or freedom have been threatened by generalized violence, armed conflicts, internal upheavals, or similar events seriously disturbing the public order. 10

Auch die "Conferencia Internacional sobre Refugiados Centroamericanos" (CIREFCA) vom Mai 1989 faßte Internally Displaced Persons im mittelamerikanischen Kontext als eigenständige Kategorie neben Aüchtlingen und Rückkehrern auf. 11 Die bei der CIREFCA verabschiedete Definition der Internally Displaced 1975; AJRES/31135 vom 30. November 1976; AJRES134/60 vom 29. November 1979; AJRES135/41 vom 15. November 1980 und AJRES/40/118 vom 13. Dezember 1985. 8 V gl. Opening statement made by the High Commissioner to the Executive Committee of the High Commissioner' s Programme at its twenty-eigth session on 4 October 1977, UN GA, EXCOM, Report of the 28th Session, 1977, Annex, 4. 9 Vgl. UN GA, SARRED, Report ofthe Secretary-GeneralI989. 10 V gl. UN GA, SARRED, Report of the Secretary-General 1989, para. 72; vgl. auch UN ECOSOC, Cuenod- Report, 1991, para. 119. 11 UN CIREFCN89/9 vom 14. April 1989, VII., para. 67: Aunque no existe una definici6n generalmente aceptada, se ha considerado desplazados a las personas que han sido obligadas a abandonar sus hogares 0 actividades econ6micas habituales debido a que su vida, seguridad 0 libertad han sido amenazadas por la violen-

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1. Kap.: Begriffsbestimmung

Persons entspricht inhaltlich der zuvor genannten des Generalsekretärs der VN. Beide Definitionen orientieren sich an den ratione personae über die GFK hinausgehenden Definitionen des Flüchtlingsbegriffs in der OAU-Flüchtlingskonvention von 1969 12 sowie der Cartagena-Deklaration von 1984. 13 Die Besonderheit dieser beiden Flüchtlingsdefinitionen liegt darin, daß der Flüchtlingsbegriff auch anband objektiver Kriterien bestimmt werden kann. Entsprechend können unter anderem auswärtige Aggressionen, Bürgerkriege, ein Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung oder massive Menschenrechtsverletzungen als Fluchtgründe anerkannt werden, ohne daß der einzelne wie bei der Flüchtlingsdefinition der GFK eine individuelle Betroffenheit nachweisen muß. 14

cia generalizada paises.

0

el contlicto prevaleciente, pero que han permanecido dentro sus

Zu einer Bewertung der Konferenz vgl. Wollny, ZAR 1989, 116-124. 12 Convention Goveming Specific Aspects ofRefugee Problems in Africa vom 10. September 1969, UNTS Vol. 1001, 45, in Kraft getreten am 20. Juni 1974, im folgenden: OAU-Flüchtlingskonvention. Zum 1. Januar 1998 hatten 41 Staaten die Konvention ratifiziert. Die entscheidende Erweiterung der Flüchtlingsdefinition ist in Art. 1 Abs. 2 der Konvention geregelt: The term "refugee" shall also apply to every person who, owing to external aggression, occupation, foreign domination or events seriously disturbing public order in either part or the whole of its country of origin or nationality, is compelled to leave his place of hal illal residence in order to seek refuge in another place outside his country of origin or nationality. (Hervorhebung durch den Verfasser). 13_ Cartagena Declaration on Refugees vom 22. November 1984, OAS Doc. OEAlSer.U VnI.66, Doc. 10, Rev. 1 (1985), 190, im folgenden: Cartagena Deklaration. Die Erweiterung des Flüchtlingsbegriffs, die selbst über die Regelung der OAU-Flüchtlings..onvention hinausgeht, findet sich in III. 3. S. 2: Hence the definition or concept of a refugee to be recommended for use in the region is one which, in addition to containing elements of the 1951 Convention and the 1967 Protocol, includes among refugees persons who have fled their country because their lives, safety or freedom have been threatened by generalized violence, foreign aggression, internal conflicts, massive violations of human rights or other circumstances which have seriously disturbed public order. (Hervorhebung durch den Verfasser). 14 Zur Interpretation der OAU-Flüchtlingskonvention sowie der Cartagena-Deklaration vgl. Hathaway, The law of refugee status, 16-21; Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 20/21; Arboleda, IJRL 3 (1991), 185-205; Hofmann, ZAR 1984, 155, 156; OrtizMiranda, Ca.West.lnt'l.U 20 (1989/90), 315, 322-324; Köjner/Nicolaus, 178-180; vgl. auch u. 1. Kap. B. V. 3.,51 ff.

A. Definitionsversuche und Kritik

39

2. Die zweite Definition des Generalsekretärs der VN 1992, zugleich Arbeitsdefinition Francis Dengs Unter Hinweis auf ECOSOC-Resolution 1990/78 vom 27. Juli 1990 15 , die schon Grundlage des 1991 veröffentlichten Cuenod-Berichts war l6 , unterbreitete der Generalsekretär der VN 1992 einen umfassenden Bericht zu Internally Displaced Persons. 17 Für den Bericht konkretisierte der Generalsekretär die Definition im Hinblick auf die Fluchtursachen sowie die Voraussetzung des "eigenen Landes". Abgrenzend schließt er unter Hinweis auf ECOSOC-Resolution 1990178 sowie den Cuenod-Bericht "gradual migration" aufgrund ökonomischer Erwägungen oder langfristiger Veränderungen der Umweltbedingungen aus. 18 Das "eigene Land" umfaßt nach seiner Ansicht die Mitgliedsstaaten der VN sowie Staaten mit Beobachterstatus. Da die Staatsangehörigkeit der Internally Displaced Persons im Einzelfall fraglich sein könne, solle als "eigenes Land" entweder das Land der Staatsangehörigkeit oder, falls diese ungewiß sei, das Land des gewöhnlichen Aufenthaltes aufgefaßt werden. 19 Weiterhin sollten Rückkehrer umfaßt werden, die zunächst die Grenzen des eigenen Landes überschritten hätten, sich jedoch nach ihrer Rückkehr in das Heimatland nicht an ihren ursprünglichen Herkunftsort begeben könnten, sondern sich erneut in einer Fluchtsituation befinden. 20 Da sich die ECOSOC-Resolution 1990178 auf "mass population movements" beziehe, sei zudem erforderlich, sich auf Situationen zu beschränken, in denen Menschen in großer Anzahl ("large numbers") vertrieben würden. Für die Zwecke des Analytical Reports werden Internally Displaced Persons folglich als Personen definiert, who have been forced to flee their hornes suddenly or unexpectedly in large numbers; as a result of armed conflict, internal strife, systematic violations of human rights or natural or man-made disasters; and who are within the territory oftheir own country.21

Vgl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, Annex I. Das Mandat des Gutachters Cuenod urnfaßte die Untersuchung der Erfahrungen und Möglichkeiten diverser internationaler Organisationen mit Hilfsleistungen zugunsten von Flüchtlingen, displaced persons und Rückkehrern, vgl. UN FlRES/1990/78, para. 1, Annex I des Cuenod-Reports. 17 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992. 18 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para 15/16. 19 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 13/14; zu Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts im Völkerrecht, vgl. Hofmann, in: O'Leary/fiilikainen (Hg.), 5-16 m.w.N. 20 V gl. SZ vom 5. August 1997 zur Vertreibung von über 500 nach Bosnien-Herzegowina zurückehrenden Muslimen durch bosnische Kroaten. 21 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 17. IS

16

40

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Die Definition des Generalsekretärs der VN wurde in der Folgezeit zur grundlegenden Arbeitsdefinition für die Menschenrechtskornrnission der VN. Francis M. Deng, der durch Resolution 1992/73 der Menschenrechtskornrnission der VN eingesetzte Vertreter des Generalsekretärs zum Thema Internally Displaced Persons 22 , nahm die Definition als Grundlage seiner ersten umfassenden Studie zu Internally Displaced Persons 23 und verwendete sie bis 1996 auch in den folgenden Berichten und Studien.24 Deng hielt es zwar für durchaus erwägenswert, Internally Displaced Persons als solche Personen aufzufassen, die, hätten sie die Grenzen ihres Landes überschritten, als Flüchtlinge im Sinne der GFK beziehungsweise der OAU-Flüchtlingskonvention sowie der Cartagena-Deklaration anzusehen wären. 25 Eine entsprechende Formulierung legte er hingegen nicht vor.

3. Die Definition der Wiener Expertentagung von 1994 sowie der Guiding Principles on 1ntemal Displacement von 1998

Beachtung fand auch die bei einer Tagung internationaler Experten zum Thema Internally Displaced Persons im Oktober 1994 in Wien erarbeitete Definition, in der bestimmte Begriffe gegenüber der Definition des VN-Generalsekretärs neu gefaßt beziehungsweise ergänzt wurden. 26 Sie lautet: Persons or groups of persons who have been forced to flee their hornes or habitual residence suddenly or unexpectedly as a result of armed conflict, internal strife, systematic violations of human rights or natural or man-made disasters, and who have not crossed an internationally recognized State border. 27

Die Definition bildete in Verbindung mit der Arbeitsdefinition Dengs die Grundlage für eine weitere Überarbeitung. Denn die Menschenrechtskornrnission sowie die Generalversammlung der VN baten Deng nach Vorlage seiner "Compilation and analysis of legal norms" 1996, ein angemessenes Instrumentarium zum Schutz und zur Hilfe der Internally Displaced Persons zu erarbeiten. 28 Deng beteiligte erneut zahlreiche Institutionen und Einzelpersonen und entwarf mit diesen die UN CHRIRES/1992/73 vom 5. März 1992, para. 2. Vgl. UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1993, paras. 34,53. 24 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 116; Deng-Compilation, 1995, para. 8. 25 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 118. 26 An der Tagung nahmen u. a. teil: Francis M. Deng, Manfred Nowak, Walter Kälin, Robert K. Goldman, Jean-Francois Durieux und Jean-Philippe Lavoyer. 27 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 125; Kälin, in: Lavoyer (Hg.), 15, 16. 28 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1998, Add. 2, Guiding Principles on Internal Displacement, para. 8. 22 23

A. Definitionsversuche und Kritik

41

Guiding Principles on Internal Displacement. 29 Die Grundsätze wurden im Frühjahr 1998 von der Menschenrechtskommission der VN im Rahmen der 52. Sitzung offiziell zur Kenntnis genommen. Eine Bekräftigung der Grundsätze durch die Generalversammlung der VN war für deren 53. Sitzung im Herbst 1998 zu erwarten. Die für die Zwecke der Guiding Principles on Internal Displacement gewählte Definition lautet: Internally displaced persons are persons or groups of persons who have been forced or obliged to flee or to leave their hornes or places of habitual residence, in particular as a result of or in order to avoid the effects of armed conflict, situations of generalized violence, violations of human rights or natural or human-made disasters, and who have not crossed an intemationally recognized State border. Entsprechend dem Vorschlag des Wiener Expertentreffens von 1994, läßt die Definition der Guiding Principles on Internal Displacement das mengenrnäßige Erfordernis aus und ersetzt das "eigene Land" durch die "international anerkannte Grenze", um einseitig erklärte Grenzveränderungen als Abgrenzungskriterium zwischen Flüchtlingen und Internally Displaced Persons auszuschließen. Ergänzt wird zudem "forced or obliged to flee or to leave"3o, wodurch Fälle von Zwangsurnsiedlungen durch Regierungseinheiten oder oppositionelle Gruppierungen umfaßt werden. Ganz aufgegeben wird das Kriterium der plötzlichen oder unerwarteten Flucht. 3 !

4. Die Definition der Draft Declaration on Internally Displaced Persons der International Law Association von 1998 Im Rahmen der International Law Association (ILA) wurde 1992 ein "Committee on Internally Displaced Persons" eingesetzt. 32 Nach Vorlage eines ersten Entwurfs bei der ILA-Konferenz in Helsinki 1996 wurde die Draft Declaration of Principles 0/ International Law on Internally Displaced Persons bei der ILAKonferenz in Taipeh 1998 vorläufig angenommen. 33 Nach Art. 1 Abs.l des Entwurfes handelt es sich für die Zwecke der Deklaration bei Internally Displaced Persons um Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1998, I. para. 1; I. B. para. 4, s. Anhang I. Hervorhebung durch den Verfasser. 31 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1998, I. B. para. 5. 32 Vgl. ILA, Report of the sixty-seventh Conference, 1996, 506; Vorsitzender des Komitees ist Luke Lee, Berichterstatter sind Rainer Hofmann und Yukio Shimada. 33 Siehe Anhang 11, im folgenden: ILA-Draft Dec1aration on Internally Displaced Persons. 29

30

42

1. Kap.: Begriffsbestimmung

persons or groups of persons who have been forced to flee or leave their hornes or places of habitual residence as a result of armed conflicts, internal strife, systematic violations of human rights, and who have not crossed an internationally recognized State border.

Die Definition der ILA von 1998 stellt eine gegenüber der Fassung von 1996 überarbeitete Version dar, die nun insbesondere auf die Fluchtursache der "natural or man-made disasters" verzichtet. 34 Diese "root cause" der Migration wurde in die Version VOn 1996 zunächst noch einbezogen, um keine gegenüber der Arbeitsdefinition Dengs engere Fassung vorzuschlagen. Inzwischen hat sich innerhalb des ILA-Komitees jedoch die Aufassung durchgesetzt, daß auf die Vergleichbarkeit mit Flüchtlingslagen abzustellen ist. Diese sei bei jenen Personen, die ihre Wohnorte wegen vom Menschen verursachter oder natürlicher Katastrophen verlassen, nicht gegeben. 35 Materiell entspricht die ILA-Definition von 1998 im übrigen derjenigen der Guiding Principles on Internal Displacement.

5. Arbeitsdefinitionen des UNHCR Der UNHCR verwendet bislang keine offiziell anerkannte Version einer Definition der Intemally Displaced Persons. Es bestehen jedoch verschiedene Arbeitsdefinitionen. Nach einer Definition von 1996 sind intemally displaced persons Personen, who have had to flee their hornes for refugee-like reasons and are in a refugee-like situation, but who remain within the borders of their own country. They have fled persecution, situations of general violence or massive violations ofhuman rights, and do not enjoy the full proteetion oftheir own government. 36

Die Definition unterscheidet sich gegenüber der des Generalsekretärs der VN im Hinblick auf das Erfordernis der großen Anzahl von Personen sowie der unerwarteten oder plötzlichen Flucht. Weiterhin schließt die Definition Naturkatastrophen aus, da man in diesen Fällen nicht von flüchtlings gleichen Situationen ausgehen könne. 37 Der UNHCR geht mit dieser Definition über die Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A. Abs. 2 GFK hinaus und nimmt Elemente der OAU-Flüchtlingskonvention sowie der Cartagena-Deklaration mit auf. Denn die Definition geht vom grundlegenden Konzept der individuellen Verfolgung oder Verfolgungsgefahr nach der GFK ab und schließt Situationen allgemeiner Gewalt oder massiver Vgl. Vgl. 36 Vgl. 37 V gl. 34

35

ILA, Report ofthe sixty-seventh Conference, 1996,506,509 u. 515. ILA, Report and Draft Declaration for consideration at the 1998 Conference, 5. UNHCR, A reference manual for UNHCR staff, 2. UNHCR, A reference manual for UNHCR staff, 2.

A. Definitionsversuche und Kritik

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Menschenrechtsverletzungen mit ein. Nach einer anderen, ähnlich weiten Arbeitsdefinition des UNHCR ist eine Internally Displaced Person a person who, had he/she managed to cross an international boundary, would have fallen within the definition of a refugee of concern to UNHCR. 38

Bemerkenswert an dieser Definition ist vor allem deren individueller Ansatz mit Bezug auf Einzelpersonen. Inhaltlich entspricht sie der -uvor genannten Definition, da über die Formulierung "refugee of concern to UNHCR" ratione personae auch Bürgerkriegsflüchtlinge in den Aufgabenbereich des UNHCR fallen können. 39

11. Die Kritik an den genannten Dermitionen 1. Die Position des 1KRK Das IKRK ist im Hinblick auf die Formulierung einer möglicherweise allgemeingültigen, verbindlichen Definition der Internally Displaced Persons sehr zurückhaltend. Dies erklärt sich aufgrund des grundsätzlichen Standpunkts des IKRK, nac:. dem die jeweilige Konfliktsituation den Orientierungpunkt für die Schutzgewährung bildet.40 Damit werde die Festlegung auf bestimmte zu schützende Personengruppen vermieden und ein umerschiedsloser Schutz der gesamten Zivilbevölkerung als Opfer von militärischen Auseinandersetzungen gewährleistet. 41 Vor diesem Hintergrund, dem sogenannten needs approach werden auch beim UNHCR Bedenken geäußert. So könne es für operationelle Zwecke des UNHCR durchaus hinderlich sein, Internally Displaced Persons als eigene Kategorie aufzufassser•. 42

38 Vgl. UNHCR, UNHCR's operational experience with internally displaced persons, 76; Hervorhebung durch den Verfasser. 39 Vgl. hierzu näher u. 3. Kap. C. 11, 237 ff. 40 V gl. IKRK, Cornrnents by the ICRC on the Compilation, 1996, para. 3; die Ansicht des IKRK wurde dem Verfasser im Rahmen eines Gesprächs mit Jean-Philippe Lavoyer, Rechtsberater des IKRK, am 11. März 1997 in Genf bestätigt. 41 Vgl. Lavoyer, in: Lavoyer (Hg.), 26, 34/35; vgl. auch u. 3. Kap. D. I. 2. b), 260 ff. zum Mandat des IKRK ratione personae. 42 Vgl. UNHCR, UNHCR's operational experience with internally displaced persons, 76; vgl. auch CohenIDeng, in: CohenIDeng (Hg.), 15, 26/27.

44

1. Kap.: Begriffsbestimmung

2. Die Kritik der völkerrechtlichen Lehre Auch das völkerrechtliche Schrifttum hat sich wiederholt mit dem Problem der Definition von Internally Displaced Persons befaßt. Dabei begegnen die Arbeitsdefinition des Generalsekretärs der VN sowie einige der genannten Alternativvorschläge zahlreichen Kritikpunkten.

a) Zur Einbeziehung natürlicher oder vom Menschen verursachter Katastrophen Vor allem gilt dies für den Einschluß natürlicher oder vom Menschen verursachter ökologischer Katastrophen. Dabei wird nicht terminologisch, sondern teleologisch, vom Sinn und Zweck einer möglicherweise allgemeinverbindlichen Definition her, argumentiert. 43 So lägen im Fall von Naturkatastrophen regelmäßig keine Situationen vor, in denen die jeweilige Regierung der betroffenen Bevölkerung den notwendigen Schutz, sei es nationaler oder internationaler Art, versage oder ihnen das Verbleiben oder die baldige Rückkehr an den jeweiligen Heimatort erschwere. Vielmehr seien die Regierungen in der Regel durchaus gewillt, innerstaatliche Ressourcen bereitzustellen oder internationale Hilfe zuzulassen. 44

b) Zur Aufnahme eines unbestirmnten Größenerfordernisses und zur Fluchtmodalität Weiteren Anlaß zu verbreiteter Kritik an der Arbeitsdefinition des Generalsekretärs der VN bieten die Aufnahme der allgemeinen Größenordnung "in large numbers" sowie der Art und Weise der Flucht - "suddenly or unexpectedly". Die Aufnahme des unbestirmnten Größenerfordernisses spiegele die typische Terminologie von Dokumenten des VN in diesem Zusammenhang wider, die von "mass Vgl. Plender, IJRL 6 (1994), 345, 358. Vgl. Lewis, Geo.lmmigr.LJ. 6 (1992), 693, 695; Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 420; Fronhöfer, AVR 34 (1996), 276, 280. Vgl. auch: CoheniCuenod (Hg.), Improving institutional arrangements for the intemally displaced, 5: In der Studie wird unterschieden zwischen "simple" situations infolge von Naturkatastrophen, die keine umfangreichen menschenrechtlichen Aspekte umfassen, und "complex" situations, etwa infolge bewaffneter Auseinandersetzungen. Im Unterschied zu den" simple" situations bestünden vor allem in den letztgenannten Situationen aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Regierungen erhebliche Schwierigkeiten der Versorgung und des Schutzes der Intemally Displaced Persons (Hervorhebungen durch den Verfasser). 43

44

B. Bewertung der verschiedenen Definitionsversuche sowie der Kritik

45

population movements" oder "humanitarian emergencies" sprächen. Die Begründung für die Aufnahme des Kriteriums sei hingegen nicht überzeugend. So sei es eine allzu relative Frage, wann die Zahl der Internally Displaced Persons eine ausreichende Größe angenommen habe. 45 Zwar könne die Anzahl der fliehenden oder vertriebenen Personen unterschiedlich große internationale Hilfsleistungen erfordern. Damit sei jedoch nichts über die grundsätzliche Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gesagt, einzelne Personen oder kleinere Gruppen würden schon vom Ansatz her nicht geschützt. 46 Auch die Art und Weise der Flucht, das heißt, ob sie plötzlich und/oder unerwartet erfolge, spiele keine Rolle im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der von der Flucht betroffenen Personen. 47

B. Bewertung der verschiedenen Definitionsversuche sowie der Kritik I. Zur Kritik des IKRK und der Frage der Notwendigkeit einer Definition Folgt man der Argumentation des IKRK, erscheint das Bedürfnis nach einer neuen Definition keineswegs eindeutig. Sollte man also Internally Displaced Persons überhaupt als eigene, schutzbedürftige Kategorie des Völkerrechts auffassen? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu bejahen. Denn die Lage der Internally Displaced Persons unterscheidet sich qualitativ erheblich von der der übrigen Zivilbevölkerung. 48 Zu den Menschenrechtsverletzungen, die die Zivilbevölkerung insgesamt betreffen, kommt die besondere Anfälligkeit für weitere Mißhandlungen während und nach der Flucht oder Vertreibung durch fehlende Schutzstätten und allgemeine Orientierungslosigkeit. Internally displaced persons haben anders als die "nur" von Menschenrechtsverletzungen betroffenen Individuen zusätzlich unter den Folgen des Verlusts der Heimat zu leiden, die die Verarbeitung der Ereignisse sowie die Reintegration in einen geordneten Lebensablauf erheblich erschweren. Mit der räumlichen Trennung vom gewöhnlichen Wohnort oder den angestammten Siedlungsgebieten geht der Verlust der Wohnstätte und oftmals auch der traditionellen Nahrungsmittelquellen einher. Diese und verwandV gl. Beyani, 24. V gl. International Organization for Migration (10M), Internally displaced persons, 2/3; UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1993, para. 35 zur Kritik der USA, der 10M sowie des UNHCR; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 121. 47 V gl. Beyani, 24. 48 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-Genera1, 1992, para. 91; UNHCR Report 1997/98, 119; Kälin, in: Lavoyer (Hg.), 15. 45

46

46

1. Kap.: Begriffsbestimmung

te Umstände machen es erforderlich, sich gesondert - auch juristisch - mit dem Schicksal der Internally Displaced Persons zu befassen. Grundsätzlich geht es vor dem Hintergrund der erhöhten Schutz bedürftigkeit der Internally Displaced Persons darum, deren notwendigen Schutz mit der Souveränität der Staaten in Einklang zu bringen. Hierzu ist es nicht zwingend geboten, den Internally Displaced Persons völkerrechtlich einen eigenen Status, vergleichbar mit dem Status der externally displaced persons, also der Flüchtlinge im Sinne des Flüchtlingsvölkerrechts, zuzuschreiben. Zumindest definitorisch wird man Internally Displaced Persons aber als eigene Kategorie zu begreifen haben, um die bereits bestehenden Schutzinstrumente der verschiedenen menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Konventionen, des Völkergewohnheitsrechts sowie de lege ferenda zusammenzufassen und um eventuell fehlende Normen zu ergänzen. 49 Die hierfür notwendige Analyse des bereits garantierten normativen und institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons kann sinnvoll nur auf der Grundlage einer hinreichend präzisen und gleichsam flexiblen, weiten Definition geschehen. Aus dieser Definition ergeben sich im übrigen konkludent die Unterschiede zu sonstigen zivilen Opfern innerer Unruhen und bewaffneter Auseinandersetzungen. Auch für den politischen Diskurs über die Lage der Internally Displaced Persons erscheint es nützlich, sich auf eine gemeinsame begriffliche "Geschäftsgrundlage" zu einigen. Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, daß sich in terminologischer Hinsicht in der Staatenpraxis bislang wenige Divergenzen gezeigt haben. so

n. Zur Einbeziehung von natürlichen oder vom Menschen verursachten Katastrophen Zwar führen große Naturkatastrophen regelmäßig zum Tod unzähliger Menschen und der Zerstörung ganzer Dörfer oder Siedlungen. 51 Man denke dabei nur 49 Vgl. UNHCR, Report 1997/98, 110. Zur Frage von Notwendigkeit und möglicher Rechtsnatur eines auf die spezifischen Bedürfnisse der Internally Displaced Persons zugeschnittenen Rechtsinstruments, vgl. u. 4. Kap. B. I., 266 ff. so In der Hauptsache geht es um die Frage der Einbeziehung von natürlichen oder vom Menschen verursachten Katastrophen, vgl. u. 1. Kap. B. 11.,46 ff.; vgl. aber auch Stavropoulou, HRQ 20 (1998), 515, 517-520, die auf terminologische und inhaltliche Überschneidungen mit den innerhalb verschiedener VN-Organe verwendeten Begriffen "forced evictions" und "populations transfers" hinweist. SI Vgl. allg. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 33.

B. Bewertung der verschiedenen Definitionsversuche sowie der Kritik

47

an die verheerenden Erdbeben in Armenien 1988, in Indien 1993 oder im Iran 1990 und 199752 oder jüngst wiederholt in Afghanistan 1998. 53 Auch im weitesten Sinne vom Menschen verursachte Katastrophen wie etwa die Bophal-Giftgaskatastrophe in Indien 1984 oder das Atomunglück in Tschernobyl 1986 hatten ähnliche Folgen oder führten zu umfangreichen und zum Teil zwangsweisen Urnsiedlungen. 54 Es liegen jedoch regelmäßig keine Situationen vor, in der die betreffende Regierung nationale oder internationale Schutzmaßnahmen unterbinden würde. 55 Für den Fall, daß sich das jeweilige Land nicht in der Lage sieht, alle notwendigen Hilfsmaßnahmen einzuleiten - was in den genannten Beispielen jeweils der Fall war - wurden stets internationale Hilfeleistungen durch die VN oder einzelne Staaten oder Staatengruppen ermöglicht, oft sogar ausdrücklich durch den betroffenen Staat angefordert. 56 Es handelt sich also bei "Katastrophenflüchtlingen" um strukturell anders gelagerte Fälle, denen regelmäßig ein politisches beziehungsweise menschenrechtlich relevantes Moment fehlt. Dies gilt sowohl für die root causes, die zu Flucht oder Zwangsumsiedlung und Verletzungen der Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts führen 57 , als auch für die nachträglich geleistete Hilfe an die Betroffenen. 58 Gerade weil die Opfer von Naturkatastrophen nicht im gleichen Maße schutzlos gestellt sind wie Internally Displaced Persons, erscheint die Einbeziehung von Naturkatastrophen in eine Definition der Internally Displaced Persons nicht sachdienlich. 59 Auch der UNHCR als eine der maßgeblichen Organisationen zum Schutz der Internally Displaced Persons hält im Rahmen seines Auf-

Vgl. SZ vom 12. u. 13. Mai 1997. V gl. SZ vom 11. u. 14. Februar 1998 sowie SZ vom 2. u. 3. Juni 1998. 54 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 36. 55 Vgl. Hofmann, in: FS Bernhardt, 417, 420; Lewis, Geo.lmmigr.LJ. 6 (1992), 693, 694; UNHCR, Report 1997/98,107; das Verhalten der Taliban in Afghanistan stellt hier eine Ausnahme dar; diese waren nach dem verheerenden Erdbeben im Juni 1998 nicht bereit, selbst Hilfsgüter in die betroffene Region zu senden. Allerdings wurde gleichzeitig ein Hilferuf an die Weltgemeinschaft gerichtet, vgl. SZ vom 2. u. 3. Juni 1998. 56 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 368; SZ vom 13. Mai 1997. 57 V gl. Stavropoulou, in: Little, ASIL Proc. 90 (1996), 559; vgl. auch SZ vom 11. Oktober 1997. 58 V gl. beispielsweise die Aussage des Bundesaußenministers Klaus Kinkel zur Zusage von Hilfslieferungen an den Iran nach dem dortigen Erdbeben im Mai 1997, SZ vom 13. Mai 1997: ,,Es gibt Situationen, wo politische Überlegungen keine Rolle spielen dürfen." 59 Vgl. Hofmann, in: FS Bernhardt, 417, 420; Internationales Rotes Kreuz, Informe mundial sobre desastres 1996, 13. 52 53

48

1. Kap.: Begriffsbestimmung

gabenbereichs Aktivitäten zugunsten von Opfern von Naturkatastrophen für nicht sinnvoll. 60 Deng hält der zu diesem Punkt geäußerten Kritik entgegen, daß es sich häufig um eine Kombination aus natürlichen und rassistischen, sozialen oder politischen Gründen handele, die zu Massenvertreibungen und schweren Menschenrechtsverletzungen führt. 61 Vor diesem Hintergrund versucht die Definition der Guiding Principles on Internal Displacement eine zu restriktive Fassung zu vermeiden, die bestimmte Personengruppen ausschließt. 62 Es ist jedoch zu beachten, daß das politische Moment der Verfolgung beziehungsweise Vertreibung in solchen "gemischten Fällen" regelmäßig als Substrat bleibt. Die Einbeziehung von Naturkatastrophen läßt sich demnach auch nicht mit dem Argument der Gefahr eines möglichen Ausschlusses einzelner Personen begründen. Denn der einzelne wäre von einer ausschließlich am politischen Moment orientierten Definition der Internally Displaced Persons selbst dann erfaßt, wenn dieses nur einen Teilaspekt der fluchtursachen ausmacht. Dieser Punkt wird auch von Cohen und Deng übersehen, die - insofern wenig überzeugend - auf die Verbindung von natürlich/ökologischen und politischen Gründen zur Flucht hinweisen. 63

Zu beachten ist im übrigen, daß auch innerhalb der VN die Frage der humanitären Hilfe an Opfer von Naturkatastrophen als ein separates Thema behandelt wird, bei dem menschenrechtliche Aspekte keine Erwähnung finden. 64 Dies gilt auch für die einschlägigen Deklarationen der VN-Generalversammlung zum Schutz der Opfer von Naturkatastrophen und ähnlichen Notfällen, bei denen Menschenrechte im operativen Teil keine Erwähnung finden. 65 60 V gl. UNHCR, Protection aspects of UNHCR activities on behalf of internally displaced persons, 1994, para. 11: "Persons displaced for the latter reasons [victims of physical disasters, such as earthquakes, floods or nuclear power-plant explosions] may weil require humanitarian assistance from the international community, but their situation does not normally require UNHCR's 'particular expertise'." 61 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1993, para. 51; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 119. 62 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1998, I. B. para. 5. 63 Vgl. CohenIDeng, in: CohenIDeng (Hg.), 15, 16/17. Vgl. auch Stavropoulou, HRQ 20 (1998),515,519/520, die dafür plädiert, auch intemal displacement aufgrund von Infrastrukturprojekten zum Zweck einer einheitlichen Terminologie der VN rniteinzubeziehen. 64 V gl. beispielsweise UN GA, Humanitarian assistance to victims of natural disasters and sirnilar emergency situations - Report of the Secretary-General, UN A/45/587 vom 24. Oktober 1990. 65 V gl. Humanitarian assistance to victims of natural disasters and sirnilar emergency situations, UN AlRES/43/131 vom 8. Dezember 1988 und UN AlRES/45/100 vom 14. Dezember 1990, gleichlautender Titel.

B. Bewertung der verschiedenen Definitionsversuche sowie der Kritik

49

Eine Definition der Internally Displaced Persons sollte demnach auf die Einbeziehung von Naturkatastrophen, seien sie auf natürliche Weise oder durch menschliche Einflüsse entstanden, verzichten. Die entsprechende Formulierung in der überarbeiteten Fassung der ILA Draft Declaration on lntemally Displaced Persons ist daher sehr zu begrüßen.

ill. Die Aufnahme eines unbestimmten Größenerfordernisses Daß es in der Regel nur bei Massenvertreibungen und -flucht zu praktischen Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft kommt, liegt auf der Hand. Ob dies am "CNN-factor"66 oder aber am möglicherweise insgesamt "größeren" Ausmaß des menschlichen Leids gegenüber Einzelschicksalen liegt, mag hier dahingestellt bleiben. Als kaum bestreitbare Tatsache wird man jedoch festhalten können, daß es für den einzelnen keinen Unterschied macht, ob er alleine, mit seiner Familie oder aber als Teil einer ethnischen Gruppierung unter tausenden vertrieben wird oder sich zur Flucht gezwungen sieht. Das Eingreifen internationaler Schutzmechanismen an die Bedingung einer "großen Zahl" von Menschen zu binden, wie dies die Arbeitsdefinition des Generalsekretärs der VN vorsieht67 , muß vor diesem Hintergrund als gleichsam zynische Einschränkung gesehen werden. Denn wann sollte im Einzelfall diese "große Zahl" überschritten sein: Bei 10.000 oder aber erst bei 100.000 Menschen? Diese zugegebenermaßen drastische Zuspitzung soll verdeutlichen, wie willkürlich eine entsprechende Einschränkung der Definition erscheint. Letztlich nennt auch der Generalsekretär der VN keine überzeugende Begründung für den Ausschluß kleinerer Gruppierungen; da deren Schicksal gegenüber Massenphänomenen andere Problemstellungen aufwerfe, müsse es gesondert betrachtet werden. 68 Er verweist im übrigen auf die Resolution 1990178 des ECOSOC, die sich auf "mass population movements" beziehe. 69 Im operativen Teil der Resolution erscheint die Beschränkung auf "mass population movements" allerdings nicht. Die danach anzufertigende Studie sollte sich vielmehr allgemein auf alle Flüchtlinge, Vertriebene und Rückkehrer erstrecken. 70

66 Vgl. hierzu Martin, Va.J.Int'! L. 33 (1992), 473, 478; Brauman, in: Jean (Hg.), 165-177. 61 Hierfür spricht sich auch Goodwin-Gill aus, vgl. ders., The refugee in international law,268. 68 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 17. 69 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 17. 10 Vgl. UN E1ResI1990/78 vom 27. Juli 1990, Annex 1, para 1.

4 Geißler

50

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Weiterhin ist zu beachten, daß es sich bei den im Rahmen von Zwangsumsiedlungen und Flucht verletzten Rechten fast ausschließlich um Individualrechte handelt, die zwar unter bestimmten Voraussetzungen auch kollektiv eingefordert werden können, dies aber nicht zur Voraussetzung haben. 7l Zumindest entsprechend läßt sich zudem Art. 49 Abs. 1 der IV. GK heranziehen, der sowohl individuelle als auch massenhafte Zwangsumsiedlungen und Deportationen von Zivilpersonen verbietet. 72 Um auch dem Schicksal von Einzelfällen angemessen Rechnung tragen zu können, sollte daher auf die Aufnahme eines Größenerfordernisses verzichtet werden. 73 Die Definitionen der Guiding Principles on Internal Displacement und der ILA Draft Declaration on Internally Dispalced Persons überzeugen in diesem Zusammenhang, da sie auf das Kriterium einer unbestimmten Anzahl von Personen verzichten.

IV. Das Merkmal der plötzlichen und unerwarteten Flucht Auch für die Aufnahme des Kriteriums der plötzlichen und unerwarteten Flucht gibt es keine überzeugenden Argumente. Zwar mögen Fälle der unerwarteten (Massen-)Flucht andere quantitative und qualitative Anforderungen an die Reaktion der Staatengemeinschaft und internationale Hilfsorganisationen stellen als solche vereinzelter, sich abzeichnender Flucht oder Zwangsumsiedlungen.Will man jedoch die Definition im Hinblick auf das mit der Flucht oder Umsiedlung verbundene Leid nicht unnötig verkürzen, so sollte sie auch die anders gelagerten Fälle urnfassen. 74 So kann die Flucht beispielsweise im Rahmen langjähriger Bürgerkriege um des Verbleibs in der angestammten Heimat willen so lange herausgezögert werden, bis die Übergriffe staatlicher oder oppositioneller Gruppierungen ein Verweilen nicht länger zulassen. In einem solchen Fall wäre die Flucht 71 Vgl. Lawand, IJRL 8 (1996), 532, 542/543; Quigley, Harv.Int'1 LJ. 39 (1998), 171, 2l1l212jeweils m.w.N.; vgl. auch allg. Riedei, BDGVR 33 (1995),49,74/75 u. im einzelnen die im Rahmen des normativen Schutzes untersuchten Rechte, u. 2. Kap. 72 Art. 49 Abs. 1 der IV. GK, der Zivilpersonen in den im Rahmen internationaler Konflikte besetzten Gebieten schützt, lautet: Individual or mass forcible transfers, as weil as deportations ofprotected persons ... are prohibited, regardless of their motive. Vgl. Pietet (Hg.), Commentaire IV Convention de Geneve, 299-301; ILA, Report and Draft Declaration for consideration at the 1998 Conference, 5. 73 Vgl. auch die Kritik der 10M und des World Food Programme (WFP), in: UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1993, para. 35/36 sowie Lavoyer, in: Lavoyer (Hg.), 26, 35. 74 Vgl. Lavoyer, in: Lavoyer (Hg.), 26, 35.

B. Bewertung der verschiedenen Definitionsversuche sowie der Kritik

51

keineswegs "plötzlich und unerwartet", dennoch handelt es sich in der Konsequenz um Intemally Displaced Persons. Die Definitionen der Guiding Principles on Internal Displacement und der ILA Draft Declaration on Internally Displaced Persons tragen dem Rechnung und verzichten im Unterschied zur Arbeitsdefinition des Generalsekretärs der VN auf entsprechende Definitionsmerkrnale.

v. Das Kriterium des Zwanges zur Flucht 1. Die Abwesenheit von Zwang zur Flucht Nicht als intemally displaced kann allgemein gelten, wer seine Heimat ohne äußere Einflußnahme freiwillig verläßt. Dies trifft unter anderem auf die Fälle der auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhenden Migration zu. Zudem sind Fälle der einverständlichen Umsiedlung zu nennen. 15 Konsequenterweise werden entsprechende Situationen von keiner Definition der Intemally Displaced Persons erfaßt.

2. Der Zwang als notwendiges Kriterium einer Zwangsumsiedlung Bei Zwangsumsiedlungen bedarf das Kriterium des Zwanges keiner weiteren Interpretation: In solchen Fällen werden Menschen unter Androhung oder tatsächlicher Anwendung körperlicher Gewalt gezwungen, ihre Heimat oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort zu verlassen. Der Einsatz von Zwang ist notwendige Bedingung einer Zwangsumsiedlung. Ursprünglich trug dieser Konstellation lediglich die Definition des Wiener Expertentreffens von 1994 sowie die erste Definition der ILA von 1996 ausdrücklich Rechnung. Inzwischen findet sich eine entsprechende Formilierung ("forced (or obliged) to leave") sowohl in der ILADefinition von 1998 auch in den Guiding Principles on Internal Displacement desselben Jahres.

3. Zum Vorliegen von Zwang bei konkreter und abstrakter Verfolgungsgefahr In Fällen der Flucht aufgrund von bewaffneten Konflikten, inneren Unruhen oder systematischen Menschenrechtsverletzungen muß auf das Kriterium des

75 Vgl. Stavropoulou, Am.UJ. Int'1 L. & Pol'y 9 (1994), 689, 742, m.w.N. sowie näher u. 2. Kap. E. 11., 113.

52

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Zwanges näher eingegangen werden. Es erscheint hierfür zunächst zwingend, zwischen der durch konkrete oder abstrakte Verfolgungs gefahr begründeten Flucht zu unterscheiden.

a) Konkrete Verfolgungs gefahr Wird der einzelne aufgrund seiner politischen Überzeugung unmittelbar Opfer von Menschenrechtsverletzungen, so ist die dadurch begründete Flucht auf eine konkrete Verfolgung zurückzuführen. Ob die subjektiv erlittene Verfolgung oder aber die zudem möglicherweise allgemein bedrohliche Situation, etwa infolge eines Bürgerkrieges, ausschlaggebend waren, kann letztlich dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, daß unter anderem auch eine konkrete Verfolgung aus politischen Motiven vorlag. Wendete man auf diesen Fall das Flüchtlingsrecht analog an, so handelte es sich um einen Flüchtling (im eigenen Land) im Sinne des Art. 1 A. Abs. 2 der GFK. 76

b) Abstrakte Verfolgungs gefahr Anders einzuordnen sind dagegen Fälle, in denen die Flucht ausschließlich auf objektive Umstände zurückzuführen ist. Zu den objektiv fluchtauslösenden Umstände zählen neben den hier nicht näher untersuchten Naturkatastrophen vor allem bewaffnete Auseinandersetzungen, innere Unruhen oder systematische Menschenrechtsverletzungen. Die dadurch bedingte drohende abstrakte, aber noch nicht in eine konkrete Gefahr umgeschlagene Lage kann für den einzelnen oder eine Gruppe von Personen ausreichender Anlaß sein, sich zur Flucht zu entschließen. Fraglich ist in diesen Fällen, ob es sich ebenfalls um eine erzwungene Flucht handelt, oder ob nicht die freie Entscheidung des einzelnen im Vordergrund steht. Dies läßt sich nur dann bejahen, wenn man auch beim Vorliegen abstrakter Gefahren einen Zwang zur Flucht für gegeben hält. Nur dann wären sämtliche Binnenflüchtlinge als eine Kategorie der Internally Displaced Persons anzusehen. Im analogen Fall des Flüchtlingsrechts würde den betreffenden Personen nur nach regionalem afrikanischem und interamerikanischem Flüchtlingsrecht, nicht jedoch nach der GFK die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Denn nur die OAU-

76

Vgl. o. Anm. 5.

B. Bewertung der verschiedenen Definitionsversuche sowie der Kritik

53

Flüchtlingskonvention und die Cartagena-Deklaration definieren den Flüchtlingsbegriff auch anhand objektiver Kriterien. 77 Nur auf diese Weise können auch sogenannte De-facto- oder Bürgerkriegsflüchtlinge, die keiner unmittelbaren persönlichen Verfolgung unterliegen, vom Flüchtlingsbegriff erfaßt werden.

c) Zur Frage der Urheberschaft der Verfolgung Das Kriterium der "Verfolgung" setzt bei der Definition der Internally Displaced Persons im Unterschied zum Flüchtlingsrecht grundsätzlich nicht den Staat als notwendiges Zuordnungs subjekt voraus. 78 Dies ergibt sich mit Rücksicht auf die Opferperspektive, für die die Autorenschaft bei der Frage der Verletzung der menschlichen Würde oder anderer persönlicher Rechte unerheblich ist. Anhaltspunkte, nach denen die vorgeschlagenen Definitionen die Urheberschaft der Verfolgung auf den Staat oder durch ihn beherrschbare Sachverhalte begrenzen wollten, sind nicht ersichtlich. Abstrakte und/oder konkrete Verfolgungs gefahren können daher nicht nur von seiten des Staates und den diesem zurechenbaren Akteuren ausgehen. Die Verfolgungs gefahr kann vielmehr auch von Dejacto-Staatsgewalten, also etwa aufständischen Verbänden, die über eine gewisse Gebietskontrolle und Organisationsstruktur verfügen79, als auch von rein nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Erfaßt sind damit auch sogenannte Failed-State-Konstellationen, in denen der völlige Zerfall jeglicher Staatlichkeit zu beobachten ist, wie dies etwa im Libanon nach 1982 und phasen weise in Somalia 1991 und Liberia 1992 der Fall war. 80 Zu beachten ist, daß hiermit noch keine Aussage über den normativen Schutz der Internally Displaced Persons getroffen ist. Denn der normative Schutz ergibt sich überwiegend aufgrund von menschenrechtlichen Normen, die fast ausschließlich Staatenverpflichtungen begründen und nur ausnahmsweise auch nichtstaatliche Akteure zum Adressaten haben. Dies führt wiederum in Failed States und bestimmten Bürgerkriegssituationen zu einem nur eingeschränkten menschenrecht-

Vgl. o. 1. Kap. A. I. 1.,37/38. Vgl. allg. zur Problematik der politischen Verfolgung von Flüchtlingen im Rahmen von Bürgerkriegen, Treiber, 33-59. 79 Vgl. hierzu näher u. 2. Kap. B. III. 2. a), 77 ff. zum personellen Anwendungsbereich des gemeinsamen Art. 3 GK sowie 2. Kap. B. III. 3. a), 82 ff. zu dem des 11. Protokolls. 80 Vgl. hierzu Thürer, BDGVR 34 (1996), 9,10-13. Vgl. auch Herdegen, BDGVR 34 (1996),49-81; HelmanlRatner, Foreign Policy 1992, 3-20; Gottlieb, Foreign Affairs 73 (1994), 100-112. 77

78

54

1. Kap.: Begriffsbestimmung

lichen Schutz des Individuums. 81 Eine gewisse Bindung quasistaatlicher und nichtstaatlicher Akteure ergibt sich aber zumindest für einen Kemgehalt der Menschenrechte aufgrund von Nonnen des humanitären Völkerrechts sowie des internationalen Strafrechts. 82

d) Würdigung Keine der erwähnten Definitionen verlangt im Hinblick auf den Begriff der Intemally Displaced Persons den Nachweis des Vorliegens konkreter Verfolgungsgefahr. Der entsprechende definitorische Ansatz geht zu Recht von dem in solchen Situationen generell zu beobachtenden menschlichen Leid der Betroffenen aus 83 und folgt damit den analog heranzuziehenden Beispielen der OAUFlüchtlingskonvention sowie der Cartagena-Deklaration. In der Tat wärö eine präzise Abgrenzung zwischen konkreter und abstrakter Verfolgungs gefahr weder praktikabel, noch den aus der Flucht oder Zwangsumsiedlung resultierenden Gefahren für Leib oder Leben angemessen. Die Einbeziehung abstrakter Verfolgungsgefahren in die jeweiligen Definitionen der Intemally Displaced Persons ist demnach als positive Entwicklung zu bewerten. Dies gilt auch für das im Hinblick auf die Urheberschaft offene Kriterium der Verfolgung beziehungsweise Verfolgungsgefahr. Denn die Bedrohung der Intemally Displaced Persons kann neben der staatlichen Verfolgung auch auf quasistaatlicher und nichtstaatlicher Verfolgung beruhen.

c. Vorschlag einer Definition und der Aufnahme von Ausschlußklauseln I. Vorschlag einer Definition Eine - grundsätzlich erforderliche - Definition der Intemally Displaced Persons sollte auf die Einbeziehung natürlicher oder vom Menschen verursachter Katastrophen ebenso verzichten wie auf das Merkmal eines unbestimmten GröVgl. Thürer, BDGVR 34 (1996), 9, 26. V gl. hierzu näher u. 2. Kap. A. 11. 1., 64/65 u. 4. Kap. B. 11. 2., 274 ff. 83 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 15, der auf die ECOSOC-Resolution 1990178 Bezug nimmt. Ausgangspunkt der Resolution ist das enorme menschliche Leid, welches bei Massenbewegungen aufgrund von "conflict, natural and man-made disasters and war" zu beobachten ist, ebd. 81

82

C. Vorschlag einer Definition und der Aufnahme von Ausschlußklauseln

55

ßenerfordemisses oder einer bestimmten Fluchtmodalität. Zum Phänomen des internal displacement kann es durch Zwangsumsiedlung oder Flucht kommen. Der Zwang zur Flucht kann sowohl auf subjektive Verfolgung als auch auf lediglich abstrakt vorliegende Verfolgungsgefahr zurückzuführen sein. Die abstrakte Gefahr läßt sich aufgrund objektiver Umstände bestimmen, zu denen bewaffnete Auseinandersetzungen, innere Unruhen und systematische Menschenrechtsverletzungen zählen können. Urheber der Verfolgung können der Staat und die ihm zurechenbaren Akteure, quasi staatliche und nichtstaatliche Akteure sein. In diesem Rahmen ergibt sich eine hinreichend genaue, aber gleichzeitig flexible, offene Definition der Intemally Displaced Persons. Die Definition lautet danach: Als internally displaced persons gelten Personen oder Personengruppen, die aufgrund von bewaffneten Konflikten, inneren Unruhen oder systematischen Menschenrechtsverletzungen gezwungen wurden, ihre Heimat oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort zu verlassen oder zu fliehen und dabei keine international anerkannte Grenze überschritten haben. Diese Definition soll im folgenden Grundlage der Untersuchung sein. Dabei wird der völkerrechtliche Schutz der Intemally Displaced Persons im Rahmen internationaler bewaffneter Konflikte aus den genannten Gründen nicht untersucht. 84 Es bleibt darauf hinzuweisen, daß ungeachtet der zugrunde gelegten Definition eine genaue quantitative Bestimmung des Ausmaßes des internal displacement nicht möglich ist. Im Gegensatz zu den vom UNHCR erhobenen Flüchtlingsstatistiken hat bislang noch keine Organisation der VN die Verantwortung für die Erhebung von Daten über Internally Displaced Persons übernommen. 85 Die in Studien und Berichten über Intemally Displaced Persons genannten Zahlen basieren daher letztlich nur auf Schätzungen und sind deshalb zwangsläufig ungenau. 86 Dies gilt insbesondere für größere, komplexe und sich rasch verändernde Krisen, in denen eine genaue Zählung der betroffenen Personen oftmals weder praktikabel

Vgl. o. Einführung, 31/32 zur Entwicklung des Typus der bewaffneten Konflikte. Vgl. UNHCR, Report 1997/98, 111; allerdings hat das Inter-Agency Standing Committee der VN im Dezember 1997 den "Global IDP Survey", ein Projekt des Norwegian Refugee Council, damit beauftragt, eine auf Länder bezogene Datenbank über Internally Displaced Persons zu erstellen, vgl. Forced Migration Review 1/1998,41. Nach Fertigstellung wird ein Zugriff auf die Datenbank über http://www.sol.no/nrc-no/idp.htm möglich sein. 86 Vgl. UNHCR, Report 1995/96,268-270 sowie CoheniDeng, in: CoheniDeng (Hg.), 31-33, die auf die Schwierigkeiten statistischer Erhebungen hinweisen; vgl. aber auch die Angaben zu den durch den UNHCR betreuten Internally Displaced Persons, 3. Kap. C. 11. 2.,241/242. 84

8S

56

1. Kap.: Begriffsbestimmung

noch zweckdienlich ist. In stabileren Lagen und Post-conjlict-Situationen ist eine genauere Erfassung der Internally Displaced Persons dagegen oftmals möglich und kann zur Reintegration auch durchaus sinnvoll sein.

11. Zur Frage der Beschränkung der Deimition durch die Aufnahme von Ausschluß- oder Beendigungsklauseln Zu klären bleibt die bislang kaum diskutierte Frage, ob mit der Definition der Internally Displaced Persons Ausschlußklauseln verbunden werden sollten. Die Einführung entsprechender Klauseln hätte zur Folge, daß bestimmte Personen nicht länger unter die Definition der Internally Displaced Persons fielen und damit unter Umständen auch vom Anwendungsbereich eines auf die spezifischen Bedürfnisse der Internally Displaced Persons zugeschnittenen Rechtsinstruments ausgenommen würden. Zu erwägen wäre die Diskussion der im folgenden dargestellten Ansätze:

1. Verwirkung des Schutzes wegen individueller völkerstrafrechtlicher Verantwortlichkeit

Zum einen ließen sich nach dem Vorbild der GFK bestimmte Personen, zum Beispiel Kriegsverbrecher oder Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aus der Definition ausnehmen. 87 Zwar könnte es sich bei den betreffenden Personen durchaus um Internally Displaced Persons handeln. Deren Schutzbedürftigkeit wäre jedoch aufgrund der aus schwerwiegenden Gründen zu rechtfertigenden Annahme der Täterschaft international zu ahndender Verbrechen zu negieren. 88 Hierfür sprächen vor allemmoralische89 , aber auch juristische Gründe im Hinblick auf die nach dem Weltrechtsprinzip international zu ahndenden Verbrechen. Orientierungspunkte für die einzubeziehenden Tatbestände könnten der Code 0/ Crimes against the Peace and the Security 0/ Mankind der ILC 90 sowie das Statut

81 Vgl. Art. 1 F. lit. a)-c) GFK; vgl. hierzu KöfnerlNicolaus, 318-332; Hathaway, The law of refugee status, 214-229; Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 95-114. 88 Vgl. Art. 1 F. 1. HS GFK; vgl. hierzu KöfnerlNicolaus, 318. 89 Vgl. Hathaway, The law of refugee status, 214-217 und Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 95-97, zur Entstehungsgeschichte des Art. 1 F. GFK. 90 UN GA, ILC Report 1996, UN A/51/l0, 9-120, im folgenden: Code ofCrimes der ILC; vgl. hierzu Tomusehat, EuGRZ 1998, 1-7 sowie u. 4. Kap. B. 11. 2. a), 274 ff.

C. Vorschlag einer Definition und der Aufnahme von Ausschlußklauseln

57

des Internationalen Strafgerichtshofs91 bilden. Die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs wird sich aller Voraussicht nach auf die sogenannten Kernverbrechen des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der schweren Kriegsverbrechen sowie unter Umständen den Tatbestand der Aggression erstrecken, auf die das Weltrechtsprinzip Anwendung findet. 92 Zu berücksichtigen wären allerdings auch die einschlägigen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, die die Schutzbedürftigkeit wieder aufleben lassen könnten. 93 Der Grundsatz in dubio pro reo sollte dabei mit Rücksicht auf den prinzipiell erforderlichen humanitären Schutz des einzelnen weit ausgelegt werden.

2. Beendigung der Schutzbedürjtigkeit au/grund von Niederlassung an einem dritten Ort oder freiwilliger Rückkehr

Weiterhin wäre an die Aufnahme sogenannter "cessation clauses", also Beendigungsklauseln, zu denken. Diese ließen sich auf zwei Grundkonstellationen anwenden: Die dauerhafte Niederlassung am Zufluchtsort oder einer anderen Stelle im eigenen Land oder alternativ die freiwillige Rückkebt an den Heimatort beziehungsweise den ehemaligen gewöhnlichen Aufenthaltsort. Problematisch ist dagegen die Annahme, daß internal displacement bereits zum Zeitpunkt der Beendigung der Fluchtgründe endet. 94 Hierbei werden die Interessen der Internally Displaced Persons nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.

a) Niederlassung am Zufluchtsort oder an anderer Stelle im eigenen Land Im Rahmen der ersten Konstellation kämen diejenigen Personen nicht mehr in den Anwendungsbereich der Definition, die sich an anderer Stelle im eigenen 91 UN Doc. AlCONF. 183/9 vom 17. Juli 1998 Rome Statute for the International Crirninal Court, im folgenden: Rome Statute for the ICC; vgl. hierzu auch u. 4. Kap. B. 11. 2. b), 275 ff. 92 Vgl. Zimmermann, ZaöRV 58 (1998), 47, 48-79 u. 84-92 m.w.N. sowie u. 4. Kap. B. 11.2. b), 277/278. Vgl. auch den Grundsatz 1 Abs. 1 der Guiding Principles on lntemal Displacement, s. Anhang I: These Principles are without prejudice to individual crirninal responsibility under internationallaw, in particular relating to genocide, crimes against humanity and war crimes. 93 V gl. Hathaway, The law of refugee status, 220. 94 Diese Auffassung wird offenbar seitens des US Comrnittee for Refugees vertreten, das den Fall der Beendigung der Fluchtgründe neben die Fälle der Rückkehr oder Wiederansiedlung stellt, vgl. CoheniDeng, in: CohenIDeng (Hg.), 15,36/37.

58

1. Kap.: Begriffsbestimmung

Land niedergelassen haben und nicht länger gewillt sind, in ihre ursprüngliche Heimat oder ihren ehemaligen gewöhlichen Aufenthaltsort zurückzukehren und dort auch nicht weiter unter Verfolgung zu leiden haben. 9s Allerdings ist die Beurteilung der Frage, wann eine Person in einer entsprechenden Situation "aufhört", intemally displaced zu sein, weitaus komplexer als dies bei Flüchtlingen der Fall ist, was wiederum mit dem Faktum der fehlenden Grenzüberschreitung zusammenhängt.96 Neben der Bewertung der allgemeinen Sicherheit kommt schließlich noch ein voluntatives Moment hinzu: Die konkrete Entscheidung, am aktuellen Aufenthaltsort zu verbleiben und die vormalige Heimat oder den ehemaligen gewöhnlichen Aufenthaltsort auf Dauer hinter sich zu lassen.

b) Die freiwillige Rückkehr Zum anderen sollten auch die Fälle der freiwilligen Rückkehr an den Heimatort beziehungsweise ehemaligen gewöhnlichen Aufenthaltsort vom Anwendungsbereich der Definition der Internally Displaced Persons ausgeschlossen werden, sofern den betreffenden Personen dort nicht erneut Verfolgung droht. 97 Entscheidend ist in allen Situationen das Kriterium der Schutzbedürftigkeit. Denn erst wenn die Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Personen eindeutig entfallen ist, läßt sich das Ende des Status als internally displaced annehmen. Hierfür müssen hinreichende Sicherheiten im physischen, materiellen und juristischen Sinne garantiert sein. 98

95 V gl. Beyani, 27; vgl. auch die Definition der "Consulta Permanente Sobre Desplazarniento Intemo en las Americas" (CPDIA) zu Intemally Displaced Persons in Guatemala, die eine enprechende Klausel aufgenommen hat. Danach gelten diejenigen als intemally displaced: " ... que no goza de condiciones minimas indispensables para su reinserci6n ... " ( ... die die zur Wiedereingliederung unabdingbaren Mindestbedingungen nicht genießen ... ; Übersetzung durch den Verfasser), vgl. CPDIA, Informe Final- Mision in situ a Guatemala, 12. 96 Vgl. UNHCR, Report 1997/98, 109/110. 97 Vgl. UNHCR, UNHCR's operational experience with intemally displaced persons, 77. Zum analog heranzuziehenden Flüchtlingsrecht vgl. Art. 1 C. 4. GFK, u. hierzu Hathaway, The law ofrefugee status, 197-199; Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 80-82. Vgl. auch u. 2. Kap. E. III., 132 ff. 98 Vgl. UNHCR, Report 1997/98, 110.

Zweites Kapitel

Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

A. Einleitung Im zweiten Kapitel wird der Schutz der bürgerlichen und politischen Rechte der Internally Displaced Persons im Rahmen von inneren Unruhen und nichtinternationalen Konflikte im Hinblick auf mögliche Schutzlücken untersucht. Zu diesem Zweck wird zunächst die Bedeutung des jeweiligen Rechtsguts sowie dessen für Internally Displaced Persons typische Bedrohung dargestellt. Eine umfassende empirische Untersuchung konnte hierbei schon im Hinblick auf die Vielzahl der von internal displacement betroffenen Länder nicht vorgenommen werden. Insofern ist auf die bereits vorliegenden Fallstudien zu verweisen. 1 Bei der Überprüfung der einschlägigen menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Vorschriften liegt der Schwerpunkt bei den verbindlichen Normen (lex !ata). Ansatzpunkt ist dabei zum einen die Bekämpfung der root causes, also der Ursachen der Flucht oder Zwangs umsiedlung, sowie zum anderen der normative Schutz der Internally Displaced Persons während sowie infolge von Flucht oder Zwangsumsiedlungen. Zunächst aber soll im gebotenen Umfang eine Abgrenzung zwischen inneren Unruhen und Bürgerkriegen vorgenommen werden. Daran anschließend wird auf die wesentlichen Unterschiede zwischen menschenrechtlichen Normen und Normen des humanitären Völkerrechts hingewiesen.

1 Vgl. CohenIDeng (Hg.), The forsaken people - Case studies on the internally displaced, Washington 1998; Global IDP Survey of the Norwegian Refugee Council (Hg.), Internally displaced people - A global survey, Oxford 1998, jeweils m. w.N.

60

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

I. Abgrenzung zwischen inneren Unruhen und Bürgerkriegen Für den Gang der Untersuchung ist es im Hinblick auf die behandelten Fallkonstellationen trotz aller Abgrenzungsschwierigkeiten im konkreten Einzelfall wichtig, zwischen internen Konflikten, die lediglich innere Unruhen oder Spannungen darstellen, und solchen Lagen, die als nicht-internationaler Konflikt oder Bürgerkrieg bezeichnet werden können, zu unterscheiden. 2 Die auf den jeweiligen Konflikttypus anwendbaren Normen unterscheiden sich grundlegend. Während Situationen innerer Unruhen und Spannungen de lege lata ausschließlich durch menschenrechtliche Normen reguliert werden, finden auf Bürgerkriege sowohl menschenrechtliche Normen als auch Normen des humanitären Völkerrechts in unterschiedlichem Umfang Anwendung. 3

1. Der Begriff der inneren Unruhen Eine Legaldefinition des Begriffs der inneren Unruhen findet sich in keiner internationalen oder regionalen Rechtsnorm. Art. 1 Abs. 2 des ll. Protokolls erwähnt als bislang einziges Vertragswerk den Begriff der inneren Unruhen und Spannungen, da das ll. Protokoll auf diese ausdrücklich keine Anwendung findet. Art. 1 Abs. 2 nennt als Beispiele innerer Unruhen, "riots, isolated and sporadic acts of violence and other acts of a similar nature, as not being arrned conflicts", wobei die Nennung der Beispiele nicht abschließend ist. Das eigentliche Ausmaß der Auseinandersetzungen wird damit jedoch nicht beschrieben. Das IKRK bezeichnet innere Unruhen in einer internen Definition zutreffend als Auseinandersetzungen zwischen dem Staat und Aufständischen, die eine gewisse Ernsthaftigkeit und Dauer erreicht haben und gewaltsame Taten umfassen. Zur Bekämpfung dieser Taten, die spontanen oder relativ organisierten Charakter haben können, setzt die Staatsgewalt in großem Umfang Polizeikräfte oder

2 Zur Frage der Anwendbarkeit des gemeinsamen Art. 3 GK sowie des 11. Protokolls vgl. u. 2. Kap. B. III 2. a), 77 ff. u. 3. a), 82 ff. 3 Vgl. Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 528; Meindersma, Hague Y.B. Int'l L. 7 (1994),113,133/134; Meron, Human rights in internal strife: Their international protection, 136; vgl. aber die Declaration of Minimum Humanitarian Standards, UN FJCNA/1995/116 vom 31. Januar 1995, abgedruckt in: IRRC 1991,330-336 u. AJIL 85 (1991), 377-381, s. auch Anhang III, im folgenden: Turku Declaration, deren Normen nach Artikel 1 auf alle Situationen bewaffneter Auseinandersetzungen anwendbar sind, näher dazu u. 2. Kap. B. 11. 5., 73 ff.

A. Einleitung

61

Armee-Einheiten ein. 4 Typische Folgen innerer Unruhen sind unter anderemMassenverhaftungen, Folter und sonstige Mißhandlungen sowie die Außerkraftsetzung diverser Rechte und Freiheiten. 5

2. Der Begriff des Bürgerkriegs Auch der Begriff des Bürgerkrieges ist in keinem Rechtsinstrument legaldefiniert. 6 Zu unterscheiden sind jedoch der im gemeinsamen Art. 3 GK und der im II. Protokoll verwendete Begriff des Bürgerkriegs.

a) Der Bürgerkriegsbegriff des gemeinsamen Art. 3 GK Der gemeinsame Art. 3 GK spricht lediglich von einem ... armed conflict not of an international character, occuring in the territory of one of the High Contracting Parties ...

Siordet ist im Hinblick auf den Begriff des "armed conflict" im Sinne des gemeinsamen Art. 3 GK der Ansicht, daß es sich um einen Konflikt handelt, bei dem sich bewaffnete Verbände in Rahmen einer einem internationalen Konflikt gleichenden Situation bekämpfen. Im Unterschied zu einem internationalen Konflikt beschränke sich der Konflikt jedoch auf das Gebiet eines einzigen Staates.? Nach Ansicht des IKRK findet der gemeinsame Art. 3 GK typischerweise auf kollektive bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen relativ organisierten und unter einer verantwortlichen Führung stehenden militärischen Einheiten Anwendung. 8 Der gemeinsame Art. 3 GK ist damit weit genug formuliert, wie Greenwood zu Recht

4 Vgl. IKRK, IRRC 1988,9, 12, vgl. auch Junod, in: SandodSwinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4475. 5 Vgl. Junod, in: SandodSwinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4475; Amar, EuGRZ 1989,488. 6 Vgl. Lopez, N.Y.U.L.Rev. 69 (1994), 916, 927: "One ofthe fundamental problems in analyzing the applicability of international humanitarian law to armed conflict is finding a workable definition of 'civil war'." 7 Vgl. Siordet, in: Pietet (Hg.), Commentary on the 11 Geneva Convention, 33. 8 Zitiert nach: Pietet, Le droit humanitaire et la protection des victimes de la guerre, 61; zum Anwendungsbereich des gemeinsamen Art. 3 GK vgl. auch u. 2. Kap. B. III. 2. a), 77 ff.

62

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

interpretiert, um auch interne Auseinandersetzungen zweier nicht-staatlicher Verbände zu umfassen. 9

b) Der Bürgerkriegsbegriff des 11. Protokolls Auch das 11. Protokoll nennt keine Definition des Bürgerkrieges. Mit den in Art. 1 Abs. 1 a. E. genannten Merkmalen werden lediglich die materiellen Anwendungsvoraussetzungen des 11. Protokolls festgelegt, eine allgemeingültige Definition des Bürgerkriegsbegriffs läßt sich daraus nicht herleiten. Es heißt dort: This Protocol shall apply to all arrned conflicts '" which take place in the territory of a High Contracting Party between its arrned forces and dissident arrned forces or other organized arrned groups which, under responsible cornrnand, exercise such control over a part of its territory as to enable them to carry out sustained and concerted military operations and to implement this Protocol.

Der damit beschriebene Konflikttypus unterscheidet sich aufgrund des Kriteriums der substantiierten Gebietskontrolle seitens aufständischer Einheiten wesentlich von dem durch den gemeinsamen Art. 3 GK erfaßten Typus eines Bürgerkrieges. Denn es fallen nur Konflikte sehr hoher Intensität im Sinne ..kl~sischer" Bürgerkriege, wie etwa des spanischen Bürgerkrieges von 1936 bis 1939, in den Anwendungsbereich des 11. Protokolls. Diese stellen jedoch nicht die Regel bewaffneter interner Auseinandersetzungen, etwa im Stile moderner Guerrillas dar. lO

c) Würdigung Der Begriff des Bürgerkrieges ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen, wobei zwei Mindestvoraussetzungen vorliegen müssen: Es muß sich um bewaffnete Auseinandersetzungen militärischer Verbände handeln. Die militärischen Verbände müssen über eine gewisse Organisationsstruktur verfügen und unter einer verantwortlichen Führung stehen.

9 V gl. Greenwood, in: Fleck (Hg.), para. 210,2. GoldnumlKälin, in : Cohen/Deng (Hg.), 81; Greenwood nennt die Beispiele des Libanon während der 80er Jahre sowie Somalias 1991; zu ergänzen wäre der Fall Liberias 1992. Vgl. auch Art. 8 Abs. 2lit. t) des Rome Statute for the lCC, der die Anwendbarkeit des Statuts im Hinblick auf schwere Kriegsverbrechen ausdrücklich auch auf Auseinandersetzungen nicht-staatlicher Verbände erstreckt. 10 Vgl. Kalshoven, NYIL 8 (1977), 107, 112; Abi-Saab, R., in: Essays in honour of Kalshoven, 209, 216; Meindersma, Hague Y.B.Int'l L. 7 (1994),113, 126.

A. Einleitung

63

Nicht um Bürgerkriege handelt es sich somit bei politischen und sozialen Spannungen, mögen sie auch im Einzelfall zu erheblichen gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Anhand objektiver Kriterien ist zudem gegenüber inneren Unruhen abzugrenzen, die zu vereinzelten oder spontanen Gewalttaten führen. 11 Aufgrund der gegenüber dem gemeinsamen Art. 3 GK höheren Anwendungsschwelle des II. Protokolls stellt sich die Frage, ob man den Begriff der inneren Unruhen weit auslegt, um so zu einer deckungsgleichen Anwendung der Normen des auf interne Konflikte anwendbaren humanitären Völkerrechts zu kommen. Alternativ ließe sich von abgestuften Anwendungsbereichen ausgehen. Aufgrund der eigenständigen Bedeutung des II. Protokolls gemäß Art. 1 Abs. 1 und den zusätzlichen materiellen Anwendungsvoraussetzungen ist die letztgenannte Interpretation vorzuziehen. Dies hat zur Folge, daß sich grundsätzlich drei verschiedene Situationen interner Konflikte unterscheiden lassen: Innere Unruhen, bewaffnete nicht internationale Konflikte im Sinne des gemeinsamen Art. 3 GK sowie letztlich Konflikte im Sinne des II. Protokolls. 12 Für sämtliche Situationen gilt allgemein, daß sie sich zu einem anderen Konflikttypus entwickeln können, wobei man nur an den typischerweise nicht-statischen Charakter entsprechender Konflikte denken muß. 13 Die Untersuchung folgt im weiteren dieser Unterteilung der internen Auseinandersetzungen in drei Konfliktsituationen.

11. Die wesentlichen Unterschiede zwischen menschenrechtlichen Normen und humanitärem Völkerrecht Die Frage der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Rechtsordnungen sowie deren Verhältnis zueinander kann im Rahmen der Abhandlung nicht umfassend gewürdigt werden. 14 Da aber für das Verständnis der beiden RechtsordnunVgl. Mangas Mart{n. 68/69; Cassese. R.G.D.I.P. 1986.553.564. Der Ausnahmefall eines internationalisierten Bürgerkriegs wird in dieser Arbeit nicht behandelt; vgl. zu dieser Problematik im Rahmen des Konflikts in Bosnien-Herzegowina Gray. BYIL 67 (1996). 155-197. 13 V gl. Bond. 52: ..... internal conflicts may range from riots to insurrections through guerilla movements to civil war or even mushroom into international conflicts .... vgl. auch Mcindersma. Hague Y.B.lnt·1 L. 7 (1994).113.127/128. 14 Die in bezug auf das Verhältnis der Menschenrechte zum humanitären Völkerrecht wohl herrschende Position geht von Übereinstimmung beziehungsweise gegenseitiger Ergänzung der Rechtsgebiete aus. vgl. Fronhöfer. Der internationale Menschenrechtsschutz bei inneren Konflikten. 57/58 m.w.N. 11

12

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

gen eine Darstellung der Unterschiede nicht vollständig unterbleiben kann, sollen an dieser Stelle einige Grundlinien aufgezeigt werden, an denen sich Anwendungsbereich und Inhalt der beiden Rechtsgebiete orientieren. Ob sich hieraus im einzelnen Schutzlücken zu Lasten der Internally Displaced Persons ergeben, wird im Rahmen der jeweils untersuchten Rechtsgüter dargestellt.

1. Die Pflichtsubjekte Ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Rechtsordnungen besteht darin, daß Pflichtsubjekte menschenrechtlicher Normen grundsätzlich nur staatliche Akteure oder dem Staat zurechenbare Personen sind. Demgegenüber sind im Rahmen von Bürgerkriegssituationen im Sinne des gemeinsamen Art. 3 GK beziehungsweise des 11. Protokolls auch aufständische Einheiten als nichtstaatliche Kriegsführende zur Beachtung gewisser menschenrechtlicher Mindeststandards verpflichtet. 15 Zu beachten ist aber auch, daß die Beschränkung der Völkerrechtssubjektivität auf Staaten und De-Jacto-Staatsgewalten im Hinblick auf menschenrechtliche und humanitärrechtliche Verpflichtungen zunehmend aufgehoben wird. Kennzeichend hierfür sind die aktuellen Entwicklungen des Völkerstrafrechts, die an die Nürnberger Prinzipien von 1946 16 anknüpfen. Mit der Errichtung der beiden ad hocTribunale zum ehemaligen Jugoslawien sowie zu Ruanda, der Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Strafrechtskatalogs durch die ILC sowie durch die Verabschiedung des Statuts eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs wurde und wird der Grundsatz der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit bekräftigt.17

15 V gl. Dinstein, IYHR 6 (1976), 62, 69; Meron, Human rights and humanitarian norms as customary law, 155-171; Bothe, R.G.D.I.P. 1978,82,92/93; Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the 11 Geneva Convention, 34. V gl. zur Problematik der Bindung aller Staatsangehörigen bereits durch die Ratifizierung des 11. Protokolls Partsch, in: FS Schlochauer, 515, 517/518; Mangas Martin, 78179; Schindler, RdC 1979 Vol. 11,117,151/152 m.w.N; sehr kritisch: Kreß, EuGRZ 1997,638,647, der auf den Grundsatz res interalios acta hinweist, nach dem der gemeinsame Art. 3 GK völkervertragsrechtlich nicht-staatliche Akteure an sich nicht binden könne. 16 V gl. Principles of international law recognized in the Charter of the Nuremberg Tribunal and in the judgement ofthe Tribunal, abgedruckt in: Schindlerffoman, The Laws of Armed Conflicts, 3. Auflage 1988,923/924, insbes. die Prinzipien I und 11. 17 Vgl. Art. 2 des Statuts des ICTY u. dessen Anwendung in: ICTY, The Prosecutor v. Dusko Tadic - Decision on the Defe"ce motion for an interlocutory appeal on jurisdiction vom 2. Oktober 1995, abgedruckt in: HRQ 16 (1995), im folgenden: Tadic, 437, 463/463;

A. Einleitung

65

Das vor allem im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte auftretende Problem der fehlenden Bindung nichtstaatlicher Akteure an menschenrechtliche Normen könnte somit an Bedeutung verlieren. 18

2. Der Regelungsgegenstand

In materieller Hinsicht regeln ausschließlich humanitärrechtliche Normen das Verbot des Einsatzes bestimmter Kampfmethoden oder -mittel, wie etwa des Angriffs auf Nichtkombattanten oder deren gezieltes Aushungern. 19 Menschenrechtliche Normen enthalten keine Vorschriften, die sich unmittelbar auf Kampfsituationen beziehen, bleiben aber als allgemeine Vorschriften etwa zum Schutz des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit - prinzipiell - weiterhin anwendbar. 20

3. Die Einschränkbarkeit von Rechten

Im Unterschied zu Normen des humanitären Völkerrechts lassen sich zahlreiche menschenrechtliche Rechte und Freiheiten im Rahmen von öffentlichen Notständen, die das Leben der Nation bedrohen, außer Kraft setzten. 21 Zudem können einige Menschenrechte zum Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden.

4. Die Durchsetzungsmechanismen

Ein weiterer wesentlicher Unterschied läßt sich bei den jeweiligen Durchsetzungsmechanismen ausmachen: Während die Verletzung menschenrechtlicher Art. 6 des Statuts des ICTR, UN SIRES/955 vom 8. November 1994; Art. 2 des Code of Crimes, UN GA, ILC Report 1996, 18; Art. 25 Abs. 1 des Rome Statute ofthe ICe. 18 Vgl. hierzu auch u. 4. Kap. B. 11. 2.,274 ff. 19 Vgl. Meindersma, Hague Y.B.Int'l L. 7 (1994),113,134; Plattner, IRRC 1992,567, 569; Eide, in: Studies and essays in honour of Pictet, 675, 690. 20 Vgl. Eide, in: Studies and essays in honour of Pictet, 675, 690; zur Frage der Anwendbarkeit menschenrechtlicher Normen im Rahmen bewaffneter Konflikte, vgl. näher u. 2. Kap. B. III. 1.,76/77. 21 Vgl. Meron, Human rights in internal strife: Their international protection, 57-69; Oraa, 87-127; Plattner, IRRC 1992,567,569; Buergenthal, in: Henkin (Hg.), 72-91; Eide/Rosas/Meron, Background paper zur Turku Declaration, 9. 5 Geißler

66

2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

Normen je nach Vertrags gestaltung durch Individual- oder Staatenbeschwerdeverfahren bei den zuständigen internationalen Organen gerügt werden kann, fehlt ein solches Instrumentarium insbesondere für den Bereich des humanitären Völkerrechts, der auf interne Konflikte Anwendung findet. 22 Die tatsächliche Beachtung der Normen hängt unter anderem vom Zugang neutraler nichtstaatlicher Organisationen wie dem IKRK ab. Die Organisationen können ihre Dienste jedoch lediglich anbieten, sind also für den Zugang zum jeweiligen Land und dem dortigen Konfliktgebiet grundsätzlich auf die Zustimmung der Parteien angewiesen. 23 Auf die möglichen Grenzen des Zustimmungsgebots wird im Rahmen der Analyse des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons noch näher einzugehen sein. 24

B. Der Schutz des Rechts auf Leben I. Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts Das Recht auf Leben stellt ohne Zweifel das wichtigste Menschenrecht dar, da es die Grundlage aller übrigen Rechte bildet. 25 Die Charakterisierung als supreme human right erscheint daher durchaus treffend. 26 Gerade das Recht auf Leben der Intemally Displaced Persons ist jedoch während innerer Unruhen und bewaffneter Auseinandersetzungen auf vielfache Weise bedroht. 27 Zu nennen sind unter anderem Fälle von Völkermord, bewaffneten militärischen Angriffen28 , gezielter extralegaler - Tötung aus politischen Motiven, Entführungen oder Verhaftungen mit Todesfolge ("Verschwindenlassen"), oder aber Fälle des Aushungerns mit Todesfolge. Die genannten Begehungsformen stellen zum einen bei deren Androhung oder diesbezüglicher abstrakter Gefahr die wohl drastischste Fluchtursa-

22 Vgl. Partseh, in: FS Schlochauer, 515, 518; Pastor Ridruejo, in: IIDH (Hg.), 127-138; Solf, GaJ.lnt'l & Comp. L. 13 (1983) 291, 297. 23 Vgl. Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 427; Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 706; Solf, GaJ.lnt'l & Comp. L. 13 (1983), 291, 297; Eide, in: Studies and essays in honour of Picret, 675, 694/695; Draper, Ga.J.lnt'l & Comp.L. 13 (1983), 253, 2701271. 24 Vgl. u. 3. Kap. B. III., 175 ff. u. IV., 212 ff. 25 Vgl. Dinstein, in: Henkin (Hg.), 114. 26 General Comment 14/23 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 2. November 1984, UN HRIIGEN/l/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 1. 27 UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 58. 28 UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 19 zu den Fällen EI Salvadors und Guatemalas.

B. Der Schutz des Rechts auf Leben

67

che dar. Zum anderen treten die Tötungen während der Flucht oder Zwangsvertreibung sowie im Anschluß daran auf. Fraglich ist daher, ob der Schutz des Lebens auf internationaler normativer Ebene hinreichend geregelt ist.

11. Der Schutz des Rechts auf Leben im Rahmen innerer Unruhen 1. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966

a) Zum Umfang der Verpflichtungen gemäß Art. 6 IPbürg Nach Art. 6 Abs. 1, S. 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte29 hat jeder Mensch ein angeborenes Recht auf Leben. Gemäß Art. 4 Abs. 2 IPbürg ist das Recht auf Leben notstandsfest. 30 Ausdrücklich verboten sind vor allem willkürliche Tötungen, Art. 6 Abs. 1 S. 3 IPbürg. Schon hieraus ergibt sich, daß kein absoluter Schutz des Lebens besteht. Neben nicht-willkürlichen Tötungen ist zudem innerhalb der Grenzen des Art. 6 Abs. 2-5 IPbürg die Anwendung der Todesstrafe zulässig. 31 Ob dem Recht auf Leben dennoch, wie zum Teil vertreten wird, Ius-cogens-Charakter zukommt, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht behandelt werden. 32 Der VN-Menschenrechtsausschuß hat sich im Rahmen seiner Kompetenz nach Art. 40 Abs. 4 IPbürg nur vereinzelt zur Interpretation von Art. 6 geäußert. Nach einer Kommentierung von 1982 haben Vertragsstaaten des IPbürg die oberste Pflicht, Krieg, Völkermord und andere Akte von Massengewalt, die zur willkürli-

29 International Covenant on Civil and Political Rights vom 19. Dezember 1966, BGBl. 197311,1534; UNTS Vol. 999,171; in Kraft getreten am 23. März 1976; im folgenden: IPbürg. Am 31. Dezember 1997 hatten 140 Staaten den IPbürg ratifiziert. 30 V gl. auch Art. 4 Abs. 1 der Paris Minimum Standards of human rights in astate of exception der ILA, abgedruckt in: ILA (Hg.), Report of the sixty-first Conference, 1984, 71-93; im folgenden: Paris Minimum Standards sowie 11. D. para. 58 der Siracusa Principies on the limitation and derogation provisions in the International Covenant on Civil and Political Rights, abgedruckt in: HRQ 7 (1985), 3-14, im folgenden: Siracusa Principles. 31 Vgl. Meron, Human rights in internal strife: Their international protection, 23. 32 Vgl. Hannikainen, Peremptory norms (ius cogens) in internationallaw, 514-519 m.w.N., der davon ausgeht, daß zumindest das Verbot von Massenhinrichtungen und willkürliche Tötungen zum ius cogens zählen; weitergehend Oraa, 96; vgl. auch Frowein, in: EPIL, 2. Auflage, Vol. III (1997), 65-69 und American Law Institute, Restatement of the Law(Third), 161, 174/175.

68

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

chen Tötung von Menschen führen, zu verhindern. 33 Weiterhin obliege es den Vertragsstaaten, willkürliche Tötungen durch Sicherheitskräfte zu verhindern. Hierzu hätten sie strenge gesetzliche Regeln aufzustellen, nach denen Tötungen nur in Ausnahmefällen zulässig seien. 34 Hinzuzufügen bleibt, daß der Staat zur Wahrung der Rechte des einzelnen im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet ist, diesen auch vor Übergriffen durch nichtstaatliche Akteure zu schützen. Entsprechend der Regelung des Art. 11 Abs. 1 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit35 ist zwar allgemein anerkannt, daß dem Staat die Handlungen von Privatpersonen grundsätzlich nicht zurechenbar sind. 36 Demnach fallen Menschenrechtsverstöße durch aufständische Verbände unterhalb des Anwendungsbereichs des gemeinsamen Art. 3 GK oder durch kriminelle Vereinigungen im Rahmen innerer U muhen prinzipiell nicht in den Verantwortungsbereich des Staates. Der Staat ist auch nicht verpflichtet, einen umfassend effektiven Schutz in jedem Einzelfall zu gewährleisten. Er muß jedoch alle geeigneten und ihm zumutbaren Maßnahmen treffen, um zu verhindern, daß es zu Übergriffen durch nichtstaatliche Akteure kommt. Andernfalls macht er sich einer völkerrechtswidrigen Unterlassung schuldig. Im Hinblick auf die anzuwendende Sorgfalt wird in der Staatenpraxis der Due-diligence-Maßstab angelegt.37 Danach hat der Staat die rechtliche Pflicht, alle vernünftigen Schritte zu unternehmen, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um eine ernsthafte Untersuchung von Verletzungen durchzuführen, die in seinem Herrschaftsbereich begangen worden sind, um die Verantwortlichen zu identifizieren, angemessene Strafen zu verhängen und dem Opfer eine adäquate Entschädigung zu sichern. 38

33 General Cornrnent 6/16 vom 27. Juli 1982 des VN-Menschenrechtsausschusses, UN HRIIGEN/I/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 2. 34 General Cornrnent 6/16 vom 27. Juli 1982 des VN-Menschenrechtsausschusses, UN HRIIGEN/l/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 3; vgl. auch den Code of Conduct for Law Enforcement Officials der UN-Criminal Justice Crime and Prevention Branch, UN N34/169 vom 17. Dezember 1979. 3S Draft artides on State responsibility, UN GA, ILC Report 1996, UN N51/10, 125, 128. 36 Vgl. UN GA, Yearbook ofthe ILC 1975,70-83; Jennings/Watts, 549 m.w.N. 37 Vgl. Achermann, 149-151 m. w.N. zur Verantwortlichkeit fluchtverursachender Staaten; Wolf, 273-280 zu den Staatenpflichten gern. des IPbürg sowie allg. Epiney, 217-255. 38 V gl. Wolf, 303 zur Interpretation des Begriffs durch den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof in der Velasquez-Rodriguez v. Honduras-Entscheidung, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 172, para. 174.

B. Der Schutz des Rechts aufleben

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b) Die Ausnahme der nicht-willkürlichen Tötung Da der Begriff der willkürlichen Tötung in Art. 6 IPbürg nicht definiert ist, wird es zu Recht für zulässig erachtet, Art. 2 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten 39 zur Bestimmung des Begriffs heranzuziehen. 40 Neben der Tötung in unbedingt erforderlichen Fällen der Gewaltanwendung zur Notwehr oder Festnahme beziehungsweise Verhinderung der Flucht wird unter Art. 2 Abs. 2lit. c) EMRK der Fall der Aufruhr und des Aufstandes genannt, "action lawfully taken for the purpose of quelling a riot or insurrection." Als Aufruhr lassen sich Situationen bezeichnen, in denen etwa durch eine Menschenmenge Gewalttaten begangen werden oder drohen, die zu einem außerordentlichen Schaden für Personen oder Sachen führen können. 41 Die Tötung im Rahmen solcher Situationen darf keinesfalls unverhältnismäßig sein, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist. 42 Als Aufruhr oder Aufstand lassen sich Situationen bezeichnen, bei denen von einer Menschenmenge, etwa im Rahmen eines Streiks, Gewalttaten begangen werden oder drohen. 43 Es handelt sich somit um Auseinandersetzungen geringer Intensität, die sich grundsätzlich nicht mit den untersuchten inneren Unruhen decken. 44 Dies ergibt sich im Wege systematischer Interpretation, denn sowohl Art. 15 Abs. 2 EMRK als auch Art. 4 Abs. 2 IPbürg verbieten die Außerkraftsetzung des Rechts auf Leben in Fällen öffentlicher Notstände, die das Leben der Nation bedrohen. Unter öffentlichen Notständen sind neben internationalen Konflikten und Bürgerkriegen vor allem schwerwiegende, gewalttätige innere Unruhen zu verstehen 4S, nicht jedoch die von Art. 2 Abs. 2lit. c) EMRK urnfaßten Fälle. Da es dennoch Überschneidungen zwischen beiden Situationen geben mag, ergeben sich keine weiteren Abgrenzungsschwierigkeiten und insofern auch keine Auswirkungen auf den Schutz des Rechts auf Leben. 39 BGBl. 195211,686; UNTS Vol. 213, 221; in Kraft getreten am3. September 1953, im folgenden: EMRK. Am I. Juni 1998 hatte die EMRK 40 Vertragsstaaten. 40 Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 6, para. 14; Dinstein, in: Henkin (Hg.), 114, 119; Calogeropoulos-Straits, Droit humanitaire et droit de l'homme - La protection de la personne en periode de conflit arme, 140. 41 Vgl. Frowein, in: FroweinlPeukert, Art. 2 Rn. 15; Velu/Rusen, 189. 42 Vgl. VN-Menschenrechtsausschuß, in: Suarez de Guerrero v. Colombia, paras. 13.2, 13.3, Human Rights Committee Communication No. 45/1979; Nowak, V.N. Covenant, Art. 6 para. 14; Opsahl, in: MacdonaldiMatscherlPetzold (Hg.), 207, 216/217. 43 Vgl. Frowein, in: FroweinlPeukert, Art. 2, Rn. 15. 44 Zur Beschreibung des Begriffs der inneren Unruhen vgl. o. 2. Kap. A. I. 1.,60/61. 45 Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 4 para. 15 zu weiteren EinzelfaIlen.

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

c) Die Ausnahme der Todesstrafe Wie bereits erwähnt, verbietet Art. 6 IPbürg nicht die Anwendung der Todesstrafe. 46 Verboten sind allerdings in jedem Fall extralegale Hinrichtungen, wie sich aus Art. 6 Abs. 2 IPbürg ergibt, der auf die Art. 2, 14, 15 und 26 IPbürg verweist. Die Normen beinhalten ein allgemeines Diskriminierungsverbot sowie bestimmte minimale Verfahrensgarantien (fair trial, due process). Meron weist jedoch in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, daß die due process-Garantien des Art. 14 IPbürg außer Kraft gesetzt werden und dadurch Todesurteile, etwa nach Massenverfahren, selbst innerhalb der Grenzen des Art. 6 Abs. 2 ergehen könnten. 47 In keinem Fall darf die Todesstrafe allerdings den Bestimmungen der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes 48 widersprechen. 49

2. Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 Nach Art. I der Genozid-Konvention stellt Völkermord zu Friedens- sowie Kriegszeiten ein völkerrechtliches Verbrechen dar. Dem Verbot des Völkermordes kommt zudem der Rechtscharakter einer Erga-omnes-Verpflichtung zu. 50 Welche Handlungen Fälle des Völkermords darstellen, ergibt sich aus Art. 11 der Genozid-Konvention. s1 Geschützt werden im Unterschied zum humanitären Völ46 V gl. das bislang aufgrund der geringen Zahl der Ratifikationen unbedeutend gebliebene Zweite Fakultativ-Protokoll zum IPbürg zur Abschaffung der Todesstrafe vom 15. Dezember 1989, BGBl. 199211,391; UN N44/49. Zum 31. Dezember 1997 hatten lediglich 31 Staaten das Protokoll ratifiziert, 5 weitere haben es gezeichnet. 47 Meron, Human rights in internal strife: Their international protection, 62; ders., in: Essays in honour of Kalshoven, 249,260. 48 Convention on the Prevention and Punishment ofthe Crime ofGenocide vom 9. Dezember 1948, BGBl. 195411,730; UNTS Vol. 78, 277; in Kraft getreten am 12. Januar 1951, im folgenden: Genozid-Konvention. Am 31. Dezember 1997 hatten 124 Staaten die Genozid-Konvention ratifiziert. 49 Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 6, paras. 24-26 u. 28. so V gl. IGH, Case conceming the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), IO-Rep. 1970, im folgenden: Barcelona Traction, paras. 33/34; vgl. auch Hannikainen, Peremptory norms (ius cogens) in international law, 462-466 zur Frage des lus-cogens-Charakters des Verbots des Völkennords im Hinblick auf die Passivität der Staatengemeinschaft bei der Wahrung des Verbots. SI Art. 11 der Genozid-Kovention lautet:

In the present Convention, genocide means any of the following acts committed with

B. Der Schutz des Rechts aufLeben

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kerrecht nicht Zivilisten als Einzelpersonen, sondern vielmehr bestimmte Bevölkerungsgruppen, die sich in nationaler, ethnischer, rasisscher oder religiöser Hinsicht von der übrigen Bevölkerung unterscheiden. 52 Art. III verbietet zudem alle Vorbereitungs- oder Teilnahmehandlungen, die auf Völkermord gerichtet sind. Art. IV schließt im Unterschied zu sonstigen menschenrechtlichen Normen private Einzelpersonen in den Kreis den Pflichtsubjekte mit ein. Derogationsmöglichkeiten bestehen nicht, was sich schon aus Art. I der Konvention ergibt. 53

3. Die Kinderrechtskonvention von 1989 Kinder stellen neben Frauen die ganz überwiegende Mehrzahl der Opfer von Menschenrechtsverletzungen dar. Dies gilt sowohl allgemein als auch im Kontext von Flucht oder Vertreibung. Nach Zahlen des Generalsekretärs der VN machen Frauen und Kinder etwa 80 % aller Flüchtlinge und Internally Displaced Persons aus. 54 Allein in den letzten 10 Jahren wurden über 2 Millionen Kinder Opfer bewaffneter Aueinandersetzungen. 55 Durch die gesonderte Behandlung des Schutzes der Kinder in der Kinderrechtskonvention von 198956 wurde deren Menschenrechtsschutz insgesamt deutlich erweitert. Vor der Verabschiedung der Konvention gab es lediglich verschiedene

intent to destroy, in whole or in part, anational, ethnical, racial or religious group, as such: (a) Killing members of the group; (b) Causing serious bodily or mental harm to members ofthe group; (c) Deliberately inflicting on the group conditions of life calculated to bring about its physical destruction in whole or in part; (d) Imposing measures intended to prevent birth within the group; (f) Forcibly transferring children ofthe group to another group." 52 Shaw, in: Essays in honour of Rosenne, 797, 804-809. 53 V gl. Dinstein, IYHR 6 (1976), 72. 54 Vgl. UN ECOSOC, Priority Themes - Peace: Refugee and Displaced Women and Children, Report of the Secretary General, para. 4; UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 6; UN ECOSOC, Deng-Report, 1996, paras. 45-64; Deng, Internal displacement in context, 11-13. 55 Vgl. UN ECOSOC, Otunnu-Report, 1998, para. 7; vgl. auch SZ vom 26. März 1998. 56 Convention on the Rights ofthe Child vom 20. November 1989, BGBl. 11 1992,122; ILM 28 (1989),1457; in Kraft getreten am 2. September 1990; im folgenden: Kinderrechtskonvention. Am 31. Dezember 1997 hatte die Konvention 191 Vertragsstaaten. Sie stellt damit das am häufigsten ratifizierte menschenrechtliche Abkommen dar.

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

Deklarationen und Resolutionen der VN, auf die nicht näher eingegangen werden kann. 57 Als Kind gelten nach Art. 1 der Konvention grundsätzlich alle Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. 58 Nach Art. 6 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention erkennen die Vertragsstaaten an, daß jedes Kind ein angeborenes Recht auf Leben hat. Nach Art. 6 Abs. 2 der Konvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, in größtmöglichem Umfang das Überleben des Kindes zu gewährleisten. Art. 37 lit. a) S. 2 verbietet es, entsprechend der Regelung in Art. 6 Abs.5 1. Alt. IPbürg, die Todesstrafe an unter 18jährigen zu verhängen. 59

4. Zur Frage der Anwendung des humanitären Völkerrechts im Rahmen innerer Unruhen Die seitens des IKRK schon seit langem vertretene These, bestimmte humanitärrechtliche Mindeststandards auch in Situationen innerer Unruhen anzuwenden 60 , fand in jüngster Zeit wiederholt Bestätigung. 61 Die entsprechende oder unmittelbare Anwendung humanitärrechtlicher Standards im Rahmen innerer U nruhen begegnet jedoch dogmatischen Bedenken. Denn eine hinreichend bestinunte normative Grundlage zur Anwendung humanitärrechtlicher Normen auf innere Unruhen ist nicht vorhanden. Im gemeinsamen Art. 3 GK heißt es: "In the case of armed conflict not of an international character ... " Wie bereits dargestellt, lassen sich innere Unruhen gegenüber Bürgerkriegen im Sinne des gemeinsamen Art. 3 GK anband objektiver Kriterien abgrenzen62 , was für den Anwendungsbereich der Normen nicht ohne Einfluß sein kann. Art. 1 Abs. 2 des 11. Protokolls schließt die Anwendung des Protokolls auf innere Unruhen expressis verbis aus. Schon aus Gründen der Rechtsklarheit erscheint daher die Entwicklung einer entsprechenden normativen Grundlage gegenüber der entsprechenden oder unmittelbaren Anwen-

Vgl. hierzu Dorsch, 41-52. Ausnahmen gelten dann, wenn das auf das Kind anwendbare Recht einen früheren Eintritt der Volljährigkeit vorsieht, Art. 1 2. HS der Kinderrechtskonvention. 59 Vgl. Dorsch, 149 m.w.N. zur Frage der Entstehung eines entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Verbots. 60 Vgl. Siordet in: Pictet (Hg.) Commentary on the III Geneva Convention, 36. 61 Vgl. Gasser, IRRC 1988,38,44/45; van Boven, in: Essays in honour of Kalshoven, 495,502,512; Calogeropoulos-Straits, in: Studies and essays in honour of Pictet, 655, 656. 62 V gl. o. 2. Kap. A. 1., 60 ff. 57

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B. Der Schutz des Rechts auf Leben

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dung des humanitären Völkerrechts auf Situationen innerer Unruhen vorzugswürdig. 63 Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang die Turku Declaration in ihrer überarbeiteten Fassung von 1994.64 Die Deklaration wurde bereits durch die OSZE sowie den Unterausschuß der VN zur Verhütung von Diskriminierungen und Minderheitenschutz bekräftigt und hat damit eine nicht unerhebliche internationale Beachtung erfahren. 65 Der Anwendungsbereich der Deklaration urnfaßt ratione materiae alle menschenrechtsrelevanten Konfliktsituationen. 66 Verschiedene Artikel der Turku Declaration betreffen den Schutz des Lebens: Nach Art. 8 Abs. 1 hat jeder Mensch ein angeborenes Recht auf Leben, Art. 3 Abs. 2lit. a) verbietet Mord. Art. 8 Abs. 3 verbietet die Vollstreckung der Todesstrafe an Schwangeren und Kindern unter 18 Jahren. Art. 5 verbietet unter allen Umständen Angriffe gegen Personen, die nicht an gewaltsamen Auseinandersetzungen teilnehmen.

5. Soft Law - Deklarationen und Prinzipienerklärungen Zwar kommt Deklarationen und Prinzipienerklärungen kein rechtsverbindlicher Charakter im Sinne des Völkerrechts zu. Sie können jedoch unter Umständen Ausdruck bereits bestehender Rechtsüberzeugung (opinio iuris) sein und auf diese Weise fördernd und beschleunigend auf die Entwicklung neuen Gewohnheitsrechts oder allgemeiner Rechtsgrundsätze im Sinne von Art. 38 Abs. 1lit. b) und

63 V gl. Meindersma, Hague Y.B. Int'! L. 7 (1994), 113, 134; Kooijmans, in: Essays in honour of Kalshoven, 225, 246; vgl. auch van Boven, in: Essays in honour of Kalshoven, 495,512. 64 S. Anhang III. 65 Vgl. ICTY, Tadic, abgedruckt in: HRU 16 (1995), 437, 462; Gasser, IRRC 1993, 221,225, der darauf hinweist, daß die Deklaration seitens des Unterausschusses bereits im Rahmen der Decision 1992/106 zur humanitären Lage im Irak 1992 zusammen mit den Genfer Konventionen von 1949 genannt wurde. Vgl. aber auch Petrasek, AJIL 92 (1998), 557,558, der die zukünftige Bedeutung der Turku Declaration vor dem Hintergrund des jüngsten Analytical Report des VN-Generalsekretärs zu "Minimum Humanitarian Standards" (UN Doc. ElCNA/1998/87 vom 5. Januar 1998) skeptisch beurteilt. 66 Art. 1 S. 1 der Turku Declaration, s. Anhang III, lautet: This Dec1aration affirms minimum humanitarian standards which are applicable in all situations, inc1uding internal violence, ethnic, religious and national conflicts, disturbances, tensions, and public emergency, and which cannot be derogated from under any circumstances.

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

lit. c) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs Einfluß nehmen. 67 So können wiederholt verabschiedete Deklarationen auch den Hinweis auf die möglicherweise entgegenstehende Staatenpraxis entkräften. 68 Neben der insofern konstitutiven Rechtswirkung der verschiedenen Deklarationen und Prinzipienerklärungen kommt auch eine nur deklaratorische, bekräftigende Bedeutung in Betracht. 69 Als die wohl bedeutendste Deklaration zum Schutz der Menschenrechte gilt die 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,1° deren Normen im zuvor genannten Rahmen zu bewerten sind. 71 Nach Art. 3 AEMR hat jeder Mensch ein Recht auf Leben. 72 Unter Bezug auf Art. 3 AEMR und Art. 6 des IPbürg hat der ECOSOC Prinzipien zur effektiven Vermeidung und Aufklärung von extralegalen, willkürlichen und Massenexekutionen empfohlen. Den Regierungen wird jedoch lediglich nahegelegt, die Prinzipien umzusetzen. 73 Grundsatz 5 der Guiding Principles on Internal Displacement verpflichtet alle an menschenrechtliche Normen und das humanitäre Völkerrecht gebundenen Akteure, die bestehenden Verpflichtungen einzuhalten, um keinen Anlaß für Flucht

67 V gl. IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA), ICI Rep. 1986, im folgenden: Military and Paramilitary Activities, para. 188, zum Beitrag der im Konsens verabschiedeten Resolution 2526 vom 24. Oktober 1970 der Generalversammlung der VN zur Bildung einer opinio iuris; vgl. auch Delbrück, in: Dahml DelbrückIWolfrum, 72; Monaco, in: Bemhardt (Hg.), EPIL Vol. 7 (1984), 424-434; Fleischauer, in: Bemhardt (Hg.), EPIL, 2. Auflage, Vol. I (1992), 971/972; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 16 Rn. 23. 68 Vgl. Meron, Human rights and humanitarian nonns as customary law, 41~5 m.w.N. 69 Zur Frage der Notwendigkeit eines neuen, im Hinblick auf die spezifischen Bedürfnisse der Intemally Displaced Persons fonnulierten Dokuments, vgl. u. 4. Kap. B. 1., 266 ff. 70 The Universal Declaration of Human Rights vom 10. Dezember 1948, UN AlRES1217 (III); im folgenden: AEMR. 71 V gl. auch IGH, Case conceming United States Diplomatie and Consular StaJf in Teheran (USA v. Iran), ICI Rep. 1980, para. 91. Bei diesem Urteil beschreibt der IGH den Gehalt der AEMR als "fundamental principles." 72 Vgl. Rehof, in: EidelAlfredssonlMelanderlRehoflRosas (Hg.), 73, der zwischen drei verschiedenen Rechten unterscheidet, die in Art. 3 AEMR zum Ausdruck kommen: dem Recht auf Leben im biologischen Sinn, dem Recht auf persönliche Freiheit und dem Recht auf persönliche Sicherheit vor Eingriffen des Staates oder nichtstaatlichen Akteuren. 73 Principles on the Effective Prevention and Investigation ofExtra-legal, Arbitrary and Summary Executions, Annex zu UN FJRES/1989/65 vom 24. Mai 1989.

B. Der Schutz des Rechts auf Leben

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oder Vertreibung zu bieten. 74 Grundsatz 10 schützt das Recht auf Leben der Internally Displaced Persons vor Angriffen aller Art. 75 Die ILA Draft Declaration on lnternally Displaced Persons wählt demgegenüber einen anderen Ansatz und führt die möglichen Bedrohungsarten des Rechts auf Leben der Internally Displaced Persons nicht ausdrücklich auf. Vielmehr werden Internally Displaced Persons in allgemeiner Form unter den Schutz der einschlägigen menschenrechtlichen, humanitärrechtlichen und flüchtlingsrechtlichen Normen gestellt. 76 Die wichtigsten internationalen und regionalen völkerrechtlichen Normen sind in einem Anhang zur Deklaration aufgeführt. 77 Der Code 01 Crimes der ILC sieht in Art. 17 das Verbot des Völkermords vor. 78 Nach Art. 18 werden verschiedene Tatbestände als Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgeführt, zu denen unter anderem Mord und Ausrottung zählen. 79 Voraussetzung der Strafbarkeit ist der Kontext schwerer Menschenrechtsverletzungen, da die Taten in systematischer Art und Weise oder in großem Ausmaß geschehen müssen ("in a systematic manner or on a large scale").80 Nach Art. 5 des noch nicht in Kraft getretenen Rome Statute 01 the ICC erstreckt sich die Gerichtsbarkeit des Strafgerichtshofs auf Völkermord (Abs. 1 lit. a» sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Abs. 1 lit. b». Die Verbrechen

74 S. Anhang I. 75 Art. 10 Abs. 1 der Guiding Principles on Internal Displacement, s. Anhang I, lautet: 1. Every human being has the inherent right to life which shall be protected by law. No one shall be arbitrarily deprived of his or her life. Intemally displaced persons shall be protected in particular against: (a) Genocide; (b) Murder; (c) Summary or arbitrary executions; and (d) Enforced disappearances, including abduction or unacknowledged detention, threatening or resulting in death. Threats and incitement to commit any of the foregoing acts shall be prohibited. 76 Art. 2 Abs. 1 der ILA-DraJt Declaration on Internally Displaced Persons, s. Anhang II, lautet: 1. Intemally displaced persons shall be protected and assisted in accordance with all generally accepted and, where appropriate, regionally agreed upon, human rights, refugee and humanitarian law. 77 S. Anhang zu Anhang II, vgl. auch 4. Kap. B. I. 2., 269. 78 Vgl. UN GA, ILC Report 1996,85/86. 79 Vgl. UN GA, ILC Report 1996,93. 80 Vgl. Tomusehat, EuGRZ 1998, 1,5.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

gegen die Menschlichkeit umfassen unter anderem Mord und Ausrottung, Art. 7 Abs. llit. a) und b).

111. Der Schutz des Rechts auf Leben im Rahmen von Bürgerkriegen 1. Menschenrechtliehe Normen Menschenrechtliche Normen bleiben grundsätzlich auch während bewaffneter Konflikte in vollem Umfang anwendbar. 81 Zwar können der gemeinsame Art. 3 oder Vorschriften des 11. Protokolls im Einzelfall lex specialis gegenüber menschenrechtlichen Normen, etwa des IPbürg, sein. Dennoch wird man von einer gegenseitig ergänzenden Anwendung ausgehen können, die nicht zu einer Beschränkung einzelner Rechte führen darf. 82 Aufgrund der fehlenden Derogationsmöglichkeit auch in Fällen öffentlicher Notstände liegt die Vermutung nahe, das Recht auf Leben sei aus menschenrechtlicher Sicht auch im Rahmen von Bürgerkriegen, die häufig zugleich öffentliche Notstände darstellen, umfassend geschützt. Hierbei muß jedoch erneut darauf hingewiesen werden, daß kein absolutes Tötungsverbot besteht, was insbesondere für Bürgerkriegssituationen gilt. So können Tötungen während Bürgerkriegen durchaus "lawful acts of armed conflict" darstellen. Damit handelte es sich um nicht willkürliche Tötungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 IPbürg. 83 Willkürlich und somit verboten sind somit nur Tötungen, die dem humanitären Völkerrecht widersprechen. 84 Dies führt zur Frage, in welchem Umfang das Recht auf Leben im humanitären Völkerrecht geschützt ist.

81 V gl. Basic principles for the protection of civilians in armed conflict, UN AJRES/ 2675 (XXV) vom 7. Dezember 1970; Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4429; Meindersma, NILR 1994,31,59; Calogeropoulos-Straits, in: Studies and essays in honour of Pictet, 655, 656. 82 Vgl. Art. 5 Abs. 2 IPbürg; BotheiPartsch/Solf, 636; Eide, in: Studies and essays in honour of Pictet, 675, 690; vgl. auch Fronhöfer, Der internationale Menschenrechtsschutz bei inneren Konflikten, 57/58 m.w.N. 83 UN GA, Report of the Secretary-General on respect for human rights in armed conflicts, 1970, 104; Ramcharan, NILR 1983,297,3081309. 84 Vgl. Ramcharan, NILR 1983,297,309; Calogeropoulos-Straits, Droit humanitaire et droits de I'homme - La protection de la personne en periode de conflit arme, 144.

B. Der Schutz des Rechts aufLeben

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2. Der gemeinsame Art. 3 GK Der gemeinsame Art. 3 GK befaßt sich als einzige Norm der Genfer Konventionen von 1949 mit bewaffneten Konflikten nicht-internationalen Charakters. Seines weitreichenden Regelungsgehalts wegen wird er auch als Convention en miniature bezeichnet. 85 Daß der gemeinsame Art. 3 GK die Rechtsqualität von Völkergewohnheitsrecht hat, kann schon im Hinblick auf die hohe Zahl der Vertragsstaaten der Genfer Konventionen als gesichert angenommen werden. 86 In seinem Urteil zur Rechtssache Military and Paramilitary Activities ging der IGH unter Hinweis auf die Coifu Channel Entscheidung von entsprechender Rechtsqualität aus. 87 Die Ansicht des IGH begegnet vor allem im Hinblick auf die Herleitung verschiedentlich Kritik. Der IGH sei den Nachweis entsprechender Staatenpraxis schuldig geblieben. 88 Dennoch wird die Auffassung des IGH von der völkerrechtlichen Lehre zu Recht geteilt. 89 Bedeutung kommt dem Status der Norm als Völkergewohnheitsrecht vor allem dann zu, wenn völkerrechtliche Verträge gar nicht oder im Sinne der dualistischen Theorie zunächst noch in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen und entsprechende Umsetzungsakte fehlen. 90

a) Der materielle und personelle Anwendungsbereich (1) Der materielle Anwendungsbereich Nach seinem Wortlaut findet der gemeinsame Art. 3 GK auf bewaffnete Konflikte nicht-internationalen Charakters Anwendung, die auf dem Territorium einer Vertragspartei stattfinden. Das Fehlen einer präzisen Definition des Bürgerkrlegsbegriffs im gemeinsamen Art. 3 GK wurde ursprünglich wegen der daraus resul85 Die Bezeichnung geht offenbar auf die Aussage eines Teilnehmers der diplomatischen Konferenz zur Ausarbeitung der Genfer Konventionen von 1949 zurück, vgl. Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 34. 86 Zum 31. Dezember 1997 hatten 188 Staaten die 4 GK von 1949 ratifiziert. 87 Vgl. IGH, Military and Paramilitary Activities, ICJ-Rep. 1986, para. 218. 88 Vgl. Meron, Human rights and humanitarian norms as customary law, 36/37; ders., AJIL 81 (1987),348,357/358; Kooijmans, in: Essays in honour of Kalshoven, 225, 229; Meindersma, Hague Y.B.Int'l L. 9 (1994), 113, 131. 89 Vgl. Meron, Human rights and humanitarian norms as customary law, 34; Lewis, Geo.Immigr.LJ. 6 (1992), 693, 704; Hofmann, in: FS Bernhardt, 417, 426. 90 Vgl. Meron, NIL 81 (1987), 348, 348/349 u. 357 m.w.N. u. allg. Delbrück, in: DahmiDelbrückIWolfrum, 98-106.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

tierenden Interpretationsmöglichkeiten als wesentlicher Nachteil des gemeinsamen Art. 3 GK aufgefaßt. 91 Inzwischen finden sich auch Auffassungen, die gerade die Unbestimmtheit des Begriffs als vorteilhaft bewerten. 92 Dennoch ist mit dieser Feststellung nicht viel gewonnen. Denn während der Anwendungsbereich nach oben, das heißt in Richtung eines allgemeinen nicht-internationalisierten Bürgerkrieges, keiner Beschränkung unterliegt, ist wegen der möglicherweise statt dessen ausschließlich anwendbaren Menschenrechtsnormen eine Abgrenzung nach unten notwendig. Hier stellt sich vor allem vor dem Hintergrund der ebenfalls fehlenden Legaldefinition des Begriffs der "inneren Unruhe" das Problem, daß es keine Institution gibt, die mit bindender Wirkung feststellen könnte, daß der gemeinsame Art. 3 GK in einem bestimmten Konflikt Anwendung findet. 93 Dies führt in der Staatenpraxis dazu, daß viele Staaten geneigt sind, die auf ihrem Territorium begangenen Gewalttaten als allein nach nationalem Recht zu beurteilende Handlungen zu bewerten, obgleich der Konflikt bereits als nicht-internationaler bewaffneter Konflikt anzusehen ist. 94 Dies steht jedoch im Widerspruch zu der vorgesehenen automatischen Anwendung des gemeinsamen Art. 3 GK, sobald ein bewaffneter nicht-internationaler Konflikt objektiv vorliegt. In Satz 1 des gemeinsamen Art. 3 GK heißt es: In the case of armed conflict ... each Party to the conflict shall be bound to apply ...

Auf subjektive Bewertungen der Konfliktparteien soll es demnach gerade nicht ankommen. 9s Auch wenn es kaum möglich sein wird, exakte Anwendungsvoraussetzungen des gemeinsamen Art. 3 GK zu bestimmen96 , muß es sich, wie bereits an anderer Stelle dargestellt97 , um bewaffnete Auseinandersetzungen militärischer Verbände 91 V gl. nur Draper, Ga.J.lnt'l & Comp. L. 13 (1983), 253, 264: 'The value of individual rules of restraint in conflict is lost if the scope provision lacks certainty." 92 Vgl. Abi-Saab,R. in: Essays in honour of Kalshoven, 209, 2151216. 93 V gl. Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 113/114; Meron, Human rights in internal strife: Their international protection, 50; Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 286. 94 Vgl. Meron, Human rights in internal strife: Their international protection, 73; Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 426; ders., in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249,286; Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 7041705. 95 Vgl. Fleck, JIR 16 (1973),113,122; Beyerlin, Die humanitäre Aktion zur Gewährleistung des Mindeststandards in nicht-internationalen Konflikten, 89; Junod, in: SandoziSwinarskil Zimmermann, para. 4438; Schindler, RdC 1979 Vol. 11, 117, 146; Sandoz, GYIL 22 (1979), 352, 363/364. 96 Vgl. Farer, Colum.L.Rev. 71 (1971),35,43. 97 Vgl. o. 2. Kap. A. I. 1.,60 ff.

B. Der Schutz des Rechts aufLeben

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handeln, die über eine relativ ausgeprägte Organisations struktur verfügen und unter einer verantwortlichen Führung stehen. Die gegenüber dem gemeinsamen Art. 3 GK engere Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des 11. Protokolls hat im übrigen auf die Interpretation des Art. 3 keinen Einfluß, vergleiche Art. 1 Abs. 1 des 11. Protokolls.

(2) Der personelle Anwendungsbereich Trotz der vereinzelt geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Bindung der aufständischen Einheiten98 ist davon auszugehen, daß die im gemeinsamen Art. 3 GK festgelegten Regeln sowohl Regierungstruppen als auch aufständische Einheiten binden. In Art. 3 S. 1 heißt es: ... each Party to the conflict shall be bound to apply, as aminimum, the following provisions ...

Bei den aufständischen Einheiten muß eine gewisse Organisationsstruktur vorhanden sein, die eine verantwortliche Führung miteinschließt. Geschützt werden alle Personen, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilnehmen. Davon umfaßt werden zunächst alle Kombattanten, die ihre Waffen niedergelegt haben oder sich aus anderen Gründen hors de combat befinden. Geschützt werden jedoch ausdrücklich auch alle Nichtkombattanten - "persons taking no active part in the hostilities" - vor allem Zivilisten und damit grundsätzlich auch Intemally Displaced Persons. Der Schutz gilt aufgrund der umfassenden Bindung unabhängig davon, in wessen Einflußbereich sich die Personen befinden.99 Der Schutz endet jedoch, sobald sich Zivilisten an den Kampfhandlungen beteiligen und lebt erst nach Gefangennahme, Niederlegung der Waffen oder anderer Situationen hors de combat wieder auf. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Problematik der indirekten Unterstützung von Regierungstruppen oder aufständischen Einheiten durch Intemally Displaced Persons. Solange sich die Unterstützung auf ideologische oder ökonomische Unterstützung beschränkt, etwa das Übermitteln von Nachrichten oder die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung, läßt sich entgegen der weit verbreiteten Praxis 100 nicht von einer unmittelbaren Beteiligung an den Kampfhandlungen sprechen. Zwar können Intemally Displaced Persons in solchen Fällen unter Umständen nach Vgl. o. Anm. 14. Vgl. Mangas Martin, 77. 100 Vgl. Mangas Martin, 114.

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

nationalem Recht wegen der Unterstützung staatsfeindlicher Kräfte zur Rechenschaft gezogen werden. Der durch den gemeinsamen Art. 3 GK garantierte Schutz muß jedoch erhalten bleiben. 101

b) Der Schutz des Lebens nach dem gemeinsamen Art. 3 GK Der gemeinsame Art. 3 verbietet ausdrücklich Gewalt gegen das Leben, insbesondere Mord in jeder Form, Art.3 Abs. llit. a), und Exekutionen aufgrund von Urteilen, die nicht unter Beachtung bestimmter Mindeststandards zustandegekommen sind, Art. 3 Abs. 1 lit. d).

Goldman weist darauf hin, daß der gemeinsame Art. 3 GK kein ausdrückliches Verbot von Angriffen auf die Zivilbevölkerung vorsieht. 102 Entsprechende Angriffe können jedoch aufgrund von Völkergewohnheitsrecht als verboten gelten, wie er zutreffend ausführt. Dies ergibt sich unter anderem aus Resolution 2444 der VN-Generalversarnmlung, "Respect for human rights in armed conflict", 103 die ausdrücklich die Prinzipien des Verbots des Angriffs auf die Zivilbevölkerung als solche (Immunität von Zivilpersonen) sowie die Verpflichtung zur Unterscheidung zwischen kämpfenden Personen und der Zivilbevölkerung bekräftigt. 104 Das Prinzip der Unterscheidung wurde in Resolution 2675 der VN-Generalversarnmlung, "Basic principles for the protection of civilian populations in armed conflict",105 erneut bekräftigt. Das Gutachten des IGH zur Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Nuklearwaffen hält den Grundsatz der Unterscheidung zwischen kämpfenden Personen und der Zivilbevölkerung für eine der grundlegenden Regeln des humanitären Völkerrechts mit gewohnheitsrechtlichem Status. 106 Darüber hinaus 101 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 79. 102 Vgl. Goldman, Am.UJ.Int'l L. & Pol'y 2 (1987), 539, 547; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 77/78. 103 Vgl. UN NRES/2444 (XXIII) vom 19. Dezember 1968, die mit einstimmigem Votum angenommen wurde. 104 Vgl. Goldman, Am.UJ.Int'l. L. & Pol'y 2 (1987), 539, 547/548; ders., Rev. IIDH 12 (1991), 19,26; Kwakwa, 40. lOS Vgl. UN NRES12675 vom 7. Dezember 1970 (XXV), para. 3 a), unter para. 2 heißt es dort: In the conduct of military operations during armed conflicts, a distinction must be made at all times between persons actively taking part in the hostilities and civilian populations. 106 lOH, Legality ofthe threat or use ofnuclear weapons (Advisory Opinion), ICJ-Rep. 1996, para. 78. Vgl. auch UN Security Council, Farer-Report, 1993, paras. 9 u. 26 bezgl. des Angriffs auf Friedenstruppen der VN in Mogadishu, Somalia. Die Appeals Chamber

B. Der Schutz des Rechts auf Leben

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sehen verschiedene Deklarationen und Deklarationsentwürfe das Verbot entsprechender Angriffe vor. 107 Im Unterschied zum 11. Protokoll sieht der gemeinsame Art. 3 GK kein ausdrückliches Verbot des Aushungerns der Zivilbevölkerung vor. Wendet jedoch eine Kriegspartei das Aushungern als gezielte Methode gegenüber Zivilisten an, dürfte dies nach der offenen Formulierung des Art. 3 Abs. 1 lit. a) verboten sein. Allerdings wird es in Fällen des bloßen Geschehenlassens der Unterernährung schwierig sein, einer kriegsführenden Partei diesbezüglich eine Verletzung des Rechts auf Leben vorzuwerfen. 108

3. Das Il. Protokoll Das 11. Protokoll zu den GK über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte von 1977 stellt zumindest im Hinblick auf den umfangreicheren materiellen Regelungsgehalt eine Fortentwicklung gegenüber dem gemeinsamen Art. GK 3 dar. 109 Der Rechtscharakter des 11. Protokolls dürfte sich jedoch im Gegensatz zum gemeinsamen Art. 3 GK grundsätzlich auf Völkervertragsrecht beschränken. Nur in bestimmten Einzelbereichen, die schon im gemeinsamen Art. 3 GK genannte Bestimmungen aufnehmen, wird man auch von Völkergewohnheitsrecht ausgehen können. 110

des ICTY geht im Tadio.Urteil davon aus, daß die Normen des Rechts des internationalen Konflikts zum Schutz der Zivilbevölkerung auch in internen bewaffneten Konflikten völkergewohnheitsrechtliche Geltung haben, abgedruckt in: HRU 16 (1995), 437, 463, para. 127. Vgl. hierzu auch Kreß, EuGRZ 1997,638,645/646 m.w.N., der darauf hinweist, daß die Kammer im Rahmen der Beurteilung der klassischen Zwei-Elemente-Lehre auf die Feststellung entsprechender Staatenpraxis weitgehend verzichtet habe. 107 Vgl. Art. 5 Abs. 1 der Turku Declaration, s. Anhang III, sowie Rule A. 1. und 2. der "Declaration on the rules of international humanitarian law governing the conduct of hostilities in non-international armed conflicts" die vom Rat des International Institute for Humanitarian Law am 7. April 1990 verabschiedet wurde; abgedruckt in: IRRC 1990,383, 404-408. 108 Vgl. Dinstein, in: Henkin (Hg.), 114,116 mit Bezug auf Art. 6 IPbürg; vgl. aber auch u. 3. Kap. B. IV. 2., 214 ff. zur Frage der völkerrechtlichen Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe. 109 Zu den travaux preparatoires des II. Protokolls und der dazu im einzelnen geäußerten Kritik vgl. allg. Levie. Vgl. auch Draper, Ga.J.lnt'l & Comp. L. 13 (1983), 253, 274-276; BotheiPartsch/Solf, 604-617; Abi-Saab, R., Droit humanitaire et conflits internes, 138-143; Cassese, R.G.D.I.P. 1986,553,569-574. 110 Vgl. Greenwood, in: Essays in honour of Kalshoven, 93, 112/113. 6 Geißler

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

a) Der materielle und personelle Anwendungsbereich des 11. Protokolls ( J) Der materielle Anwendungsbereich

Sofern die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen des 11. Protokolls vorliegen, findet es ergänzend und gleichzeitig mit dem gemeinsamen Art. 3 GK Anwendung. 111 Die Anwendungsschwelle des 11. Protokolls liegt jedoch gegenüber dem gemeinsamen Art. 3 GK entschieden höher, wie sich aus den in Art. 1 Abs. 1 a. E. des 11. Protokolls genannten Voraussetzungen ergibt. 112 Dies gilt in der Hauptsache für das Kriterium der substantiierten Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets einer Vertragspartei durch aufständische Einheiten. Da die erhebliche Gebietskontrolle den Ausnahmefall bewaffneter interner Auseinandersetzungen darstellt, kam das 11. Protokoll in der Staatenpraxis bislang erst in einem Fall eindeutig zur Anwendung. 113

(2) Der personelle Anwendungsbereich Entsprechend der Regelung des gemeinsamen Art. 3 sind neben den Regierungseinheiten auch die aufständischen Einheiten als am Konflikt beteiligte Partei an das 11. Protokoll gebunden. 114 Geschützt werden nach Art. 2 Abs. lohne sogenannte nachteilige Unterscheidung ("adverse distinction") alle Personen, die nicht oder nicht mehr an Kampfhandlungen teilnehmen, aber dennoch von diesen betroffen sind. Damit sind Zivilpersonen einschließlich der Internally Displaced Persons während und nach der

111 Vgl. Goldman, Am.U.J.Int'l L.& Pol'y 2 (1987), 539, 549; Junod, in: SandozlSwinarskilZimmermann (Hg.), para. 4457; Meindersma, Hague Y. B. Int'l L. 7 (1994), 113, 127. 112 Vgl. Meron, AJIL 77 (1983), 589, 599/600; Schindler, RdC 1979 Vol. 11,117,148/ 149; zu den Anwendungsvoraussetzungen im einzelnen vgl. Junod, in: SandozlSwinarskil Zimmermann (Hg.), paras. 4459-4470. 113 V gl. allgemein zur hohen Anwendungsschwelle: Kalshoven, NYIL 8 (1977), 107, 112; Abi-Saab, R. in: Essays in honour of Kalshoven, 209, 216. Bei dem bislang einzigen Fall der Anwendung des 11. Protokolls in der Staatenpraxis handelt es sich um EI Salvador, wobei sich auch hier die Regierung zunächst lange gegen dessen Anwendbarkeit wandte, vgl. Greenwood, in: Essays in honour of Kalshoven, 93, 113 m. w.N. Als weitere mögliche Anwendungsfälle der jüngeren Staaten praxis lassen sich die bosnischen Serben in der Republik Srpska, die LTIE ("Tamil Tigers") in Sri Lanka sowie die Taliban in Afghanistan nennen. Vgl. auch Schindler, RdC 1979 Vol. 11, 117, 148/149. 114 Vgl. o. 2. Kap. A. 11. 1.,64/65; Greenwood, in: Fleck (Hg.), para. 210/211, 3.

B. Der Schutz des Rechts aufLeben

83

Flucht oder Vertreibung umfaßt. Dies gilt gemäß Art. 13 Abs. 3 des 11. Protokolls zumindest solange sich die Personen nicht unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligen.

Mangas weist im Hinblick auf die Interpretation des Art. 13 Abs. 3 zutreffend darauf hin, daß unter einer Teilnahme an Kampfhandlungen nur solche Handlungen fallen können, die sich direkt gegen Personen oder Material der gegenerischen Verbände richten. 11S Nicht davon umfaßt sind damit unter anderem Fälle der materiellen oder ideologischen Hilfe, etwa in Form von Lebensmitteln, der Verbreitung von Propagandarnatarial oder Botendienste. 116

b) Der Schutz des Lebens nach dem 11. Protokoll Nach Art. 4 Abs. 2 lit. a) sind als eine der grundlegenden Garantien Angriffe auf das Leben jederzeit und überall verboten. Einschränkungen sind - auch bezüglich der sonstigen in Art. 4 niedergelegten Verbote - nicht zulässig. 1I7 Als Ergänzung zum gemeinsamen Art. 3 GK ist nach Abs. 2 lit. h) auch die Androhung entsprechender Angriffe verboten. Art. 13 verbietet es im Gegensatz zum gemeinsamen Art. 3 GK ausdrücklich, Zivilisten zum Ziel von Angriffen zu machen. Nach dem Wortlaut sind Zivilisten jedoch nicht vor unterschiedslosen oder unverhältnismäßigen Angriffen geschützt. Ebensowenig ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 13 ein ausdrückliches Verbot des sogenannten shieldings. 118 Einige Autoren leiten entsprechenden Schutz aus dem in Abs. 1 erwähnten "allgemeinen Schutz" beziehungsweise dem in Art. 51 Abs. 4 und 5 des I. Zusatzprotokolls zu den GK von 1949 119 genannten Schutz der Zivilbevölkerung vor unterschiedslosen oder unverhältnismäßigen Angriffen her. 120 Im übrigen sind das Gebot der Verhältnismäßigkeit von Angriffen sowie Vgl. Mangas MartEn, 114. Vgl. Mangas MartEn, 114; BotheIPartsch/Sol!, 672. 117 Vgl. Junod, in: Sandoz/Swinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4528. 118 Unter shielding wird der zwangsweise Einsatz von Menschen als Schutzschilder militärischen Personals oder Einrichtungen verstanden; vgl. hierzu näher u. 2. Kap. D. 11. 1. d), 105. 119 Protocol Additional to the Geneva Conventions of 12 August 1949, relating to the Protection of Victims of International Armed Conflicts vom 8. Juni 1977, BGBI. 1990 11, 1551; UNTS, Vol. 1125,3, im folgenden: I. Protokoll. Am 31. Dezember hatten 148 Staaten das I. Protokoll ratifiziert. 120 BothelPartsch/Sol!, 676; Goldman, Am.UJ. Int'l L.& Pol'y 2 (1987), 539, 556; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 81 115

116

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

der Unterscheidung als allgemeine Prinzipien des humanitären Völkerrechts zu beachten. 121 Die Durchführung extralegaler Hinrichtungen aufgrund von Delikten, die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt im Sinne des 11. Protokolls stehen, verbietet sich nach Art. 6 Abs. 1~. Nach Art. 14 gilt ein ausdrückliches und ausnahmsloses Verbot des Aushungerns von Zivilpersonen als Kampfmethode. Die Norm stellt eine weitere Ergänzung zum gemeinsamen Art. 3 GK dar. 122 Aushungern als gegenüber Kombattanten legitime Kampfmethode l23 richtet sich jedoch oft nur mittelbar auch gegen die Zivilbevölkerung, wenngleich diese letztlich stärker davon betroffen sein mag. 124 Im Ergebnis läßt sich der Schutz der Zivilbevölkerung auch in diesem Zusammenhang lediglich über die allgemeinen Prinzipien des Verhältnismäßigkeitsgebots und des Unterscheidungsgrundsatzes beziehungsweise unter Berufung auf die in der Präambel zum 11. Protokoll erwähnte Martensche Klausel herleiten. 125 Der Begriff der "Sicherheit" in Art. 17 Abs. 1 S. 2 urnfaßt nach richtiger Auffassung den Schutz des Lebens infolge von Zwangsumsiedlungen. 126 Dies gilt vor allem für die Gefährdung des Lebens durch militärische Angriffe infolge der Verlegung in die Nähe von militärischen Anlagen oder Kampfgebieten.

4. Soft Law Hinsichtlich der nichtverbindlichen Regelungen zum Schutz des Lebens im Rahmen bewaffneter interner Konflikte kann vor allem auf die im Zusammenhang mit dem Schutz der Zivilbevölkerung vor bewaffneten Angriffen bereits genann-

121 Vgl. Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmerman (Hg.), para. 4772; Gasser, in: Fleck (Hg.), para. 502; Kwakwa, 38-40. 122 Vgl. Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmermann (Hg.), paras. 4794/4795. 123 V gl. Macalister-Smith, IRRC 1991,440,443; Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4796. 124 Vgl. Dinstein, in: Essays in honour of Kalshoven, 145, 146; Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517,536; vgl. auch Mudge, Int'! Law. 4 (1969170), 228, 244-251 zu den verschiedenen Methoden des Aushungerns. 125 Vgl. BotheiPartsch/Sol!, 680/681; vgl. allgemein zur Martenschen Klausel: Ticehurst,IRRC 1997, 125-134 m.w.N. 126 V gl. BotheiPartsch/Solf, 692; Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4856. Auf den genauen Rege1ungsgehalt dieser im Zusammenhang mit Zwangsumsiedlungen bedeutsamen Norm wird u. unter 2. Kap. E. 11. 2. b) (2), 125 ff. näher eingegangen.

B. Der Schutz des Rechts auf Leben

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ten Resolutionen 2444 und 2675 der Generalversammlung der VN sowie die Turku Declaration verwiesen werden. 12? Im Hinblick auf den Schutz der in bewaffneten Konflikten besonders gefährdeten Frauen und Kinder verdient die Deklaration 3318 der Generalversammlung der VN zum Schutz von Frauen und Kindern in Notständen und bewaffneten Konflikten besondere Erwähnung. 128 Sie verbietet ausdrücklich Angriffe und Bombardierungen der Zivilbevölkerung, die zu unkalkulierbarem Leid der Frauen und Kinder als dem verwundbarsten Teil der Bevölkerung führen. 129 Art. 15 Abs. 1 der Drajt Declaration on lnternally Displaced Persons der ILA sieht ein ausdrückliches Verbot des Aushungerns gegenüber Internally Displaced Persons im Rahmen bewaffneter Konflikte vor. Das Verbot gilt sowohl für Staten als auch für De-Jacto-Staatsgewalten. 130 Zu erwähnen ist noch der eher restriktive Katalog des Code oJCrimes der ILC zu strafbaren Kriegsverbrechen im Rahmen nicht-internationaler bewaffneter Konflikte. Nach Art. 20 lit. f) (i) und (vii) sind unter anderem Gewalt gegen das Leben und extra-legale Hinrichtungen verboten, sofern sie in systematischer Art und Weise oder in großem Ausmaß stattfinden. l3l Die Abschnitte des Art. 20 Code oJ Crimes, die Kriegsverbrechen in internationalen Konflikten betreffen, sind demgegenüber wesentlich detaillierter gefaßt. Die Beschränkung auf die genannten Delikte begründet die ILC damit, daß der Inhalt der einschlägigen Normen des humanitären Völkerrechts, namentlich des gemeinsamen Art. 3 GK und Art. 4 des 11. Protokolls, entsprechend wiedergegeben werden soll. 132 Nach Art. 5 Abs. llit. c) in Verbindung mit Art. 8 des Rome Statute oJthe lCC fallen unter bestimmten Voraussetzungen auch Verletzungen des Rechts auf Leben als Kriegsverbrechen unter die Gerichtsbarkeit des ICe. Die Kriegsverbrechen müssen Teil eines Plans oder einer politischen Linie ("policy") sein oder in Vgl. o. 2. Kap. B. III. 2. b), 80. Declaration on the Protection of Wornen and Children in Ernergency and Armed Conflict, UN AlRES/3318 (XXIX) vom 14. Dezember 1974. 129 Para. 1 der Deklaration lautet: 127

l28

Attacks and bornbings on the civilian population, ... , especially on wornen and chi1dren ... shal1 be prohibited ... 130 Art. 15 Abs. 1 der Draft Declaration on lntemally Displaced Persons, s. Anhang 11, lautet: States and de facto authorities shall never use starvation as a weapon against internally disp1aced persons during armed conflicts, whether international or noninternational. 13l Vgl. UN GA, ILC Report 1996, 111/112. 132 V gl. UN GA, ILC Report 1996, 118/119.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

großem Umfang begangen werden. Dies gilt sowohl für internationale als auch nicht-internationale Konflikte, wobei sich die Strafbarkeit der Kriegsverbrechen in nicht-internationalen Konflikten in erster Linie am gemeinsamen Art. 3 GK orientiert. Hervorzuheben ist, daß gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. c (i) auch Angriffe gegen die am Konflikt unbeteiligte Zivilbevölkerung als schwere Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges strafbar sind.

IV. Bewertung Der Schutz des Lebens der Internally Displaced Persons erscheint nach den obigen Ausführungen in normativer Hinsicht umfassend geregelt, wenn auch einzelne Schutzlücken nur im Wege der Interpretation beziehungsweise durch den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht zu schließen sind. In Situationen innerer Unruhen, die nicht in den Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts fallen, ergibt sich das grundsätzliche Problem der fehlenden Bindung nichtstaatlicher Einheiten und sonstiger Akteure. Menschenrechtliehe Normen richten sich grundsätzlich nur an Staaten, so daß unrechtmäßige Verletzungen des Rechts auf Leben durch nichtstaatliche Akteure nur nach nationalem (Straf-)Recht sowie zunehmend dem internationalen Strafrecht zu ahnden sind. Vor diesem Hintergrund läßt sich die Annahme einer klaren normativen Schutzlücke zu Lasten der Internally Displaced Persons kaum stützen. Auch im Hinblick auf staatliches Handeln ergibt sich keine unmittelbare Schutzlücke, da menschenrechtliche Vorschriften, die das Recht auf Leben schützen, auch in Fällen nationaler Notstände nicht derogierbar sind. Meron weist jedoch zu Recht auf die Gefahr hin, die sich durch die Außerkraftsetzung der in Art. 14 IPbürg niedergelegten Verfahrens garantien ergeben kann. 133 Die Gefahr, daß Internally Displaced Persons im Rahmen von Maßnahmen zur Aufstandsbekämpfung rechtmäßig getötet werden, besteht dagegen zumindest nicht in normativer Hinsicht, da sie nach der zugrundeliegenden Definition ja gerade Opfer und nicht Subjekt der Auseinandersetzung sind. Die gegenteilige Behauptung, etwa seitens einer Regierung, entspricht in der Konsequenz dem Problem, daß Internally Displaced Persons im Rahmen von Bürgerkriegen als Kombattanten und somit legitime Opfer angesehen werden. Zwar können Internally Displaced Persons jederzeit zu Kombattanten werden und dadurch ihre Immunität vor Kampfhandlungen als Zivilpersonen verlieren. Entsprechendes gilt, wenn sie

133

V gl. Meron, Human rights in internal strife: Their international protection, 61/62, 67.

B. Der Schutz des Rechts auf Leben

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aktive Teilnehmer an inneren Unruhen oder Aufständen werden. Generell handelt es sich hierbei jedoch nicht um ein normatives Problem. Vielmehr liegen die Ursachen der Gefährdung in der politisch, ideologisch bedingten fehlerhaften Bewertung der Fakten, wodurch Internally Displaced Persons zu vermeintlich legitimen Opfern der Staatsgewalt werden. 134 In Bürgerkriegssituationen ist der wohl grundlegendste Mißstand in normativer Hinsicht das Fehlen effektiver Kontrollverfahren. 135 Dies gilt jedoch allgemein und nicht auf den Schutz des Rechts auf Leben beschränkt. Die eigentliche Hauptgefährdung der Internally Displaced Persons ergibt sich in Bürgerkriegssituationen dadurch, Opfer bewaffneter militärischer Angriffe zu werden. Besonders zugespitzt ist dieses Problem in der Regel in Fällen der geographischen Nähe von Internally Displaced Persons zu Kombattanten oder militärischen Objekten, die sich während oder nach der Flucht oder infolge von Zwangsumsiedlungen ergeben kann. Die Argumente, die für ein völkergewohnheitsrechtliches Verbot entsprechender Angriffe angeführt werden können, wurden bereits dargestellt. Es fragt sich dennoch, ob nicht die in der Staatenpraxis häufige Tötung von Internally Displaced Persons durch bewaffnete Angriffe gegen das Bestehen eines völkergewohnheitsrechtlichen Verbotes, vor allem das Vorliegen einer entsprechenden opinio iuris sprechen könnte. Hiergegen lassen sich jedoch zum einen die wiederholten und einstimmigen Erklärungen der Staaten zur Immunität von Zivilpersonen und der Unterscheidungspflicht in den Resolutionen 2444 und 2675 der Generalversammlung der VN 136 nennen. Zudem berufen sich Staaten wie aufständische Einheiten, sofern sie nicht die zugrundeliegenden Fakten überhaupt bestreiten 137, regelmäßig darauf, daß Ausnahmesituationen oder militärische Notwendigkeiten vorlägen. Daß es ein entsprechendes Verbot nicht gebe, wird generell nicht vorgetragen. Im Hinblick auf das Kriterium

134 Vgl. auch Lopez, N.Y.U.L.Rev. 69 (1994), 916, 929, die auf die auf die Problematik der Unterscheidung von Kombattanten und Zivilpersonen im Rahmen von Guerillas hinweist: ''The refusal of guerillas to conform to a single identity invites enemies to attack civilians because the civilians might be enemies in disguise." 135 Vgl. Forsythe, AJIL 72 (1978), 272, 289; Draper, GaJ.lnt'l.& Comp.L. 13 (1983), 253,272 u. 276; Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 706. 136 Vgl. o. 2. Kap. B. III. 2. b), 80. 137 So zum Beispiel die Regierung des Irak als Reaktion auf die Vorwürfe, während des IranJIrak-Krieges 1988 gegen die eigene kurdische Bevölkerung Giftgas eingesetzt zu haben, vgl. ICTY, Tadic, abgedruckt in: HRU 16 (1995), 437, 463 und SZ vom 6. u. 11. November 1997.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

der "allgemeinen Übung" ist im übrigen nicht die einhellige Praxis aller Völkerrechtssubjekte erforderlich. 138 Es ist daher vom Bestehen eines umfassenden Verbots bewaffneter Angriffe auf Internally Displaced Persons auszugehen. 139 Unterschiedslose Angriffe sind in Entsprechung der Regelung in Art. 51 Abs. 4 und 5 des I. Protokolls verboten. Weiterhin läßt sich entsprechend der Regelung in Art. 57 Abs. 2lit. a) iii) des I. Protokolls davon ausgehen, daß militärische Angriffe, die unter der Zivilbevölkerung zu Verlusten führen, die außer Verhältnis zum militärischen Vorteil stehen, unzulässig sind. Sofern sich die gegenüber Kombattanten legitime Kampfmethode des Aushungerns mittelbar gegen Internally Displaced Persons richtet, besteht ebenfalls kein ausdrücklicher normativer Schutz. Schutz läßt sich nur unter Heranziehung der Grundsätze der Immunität von Zivilpersonen und des Unterscheidungsgrundsatzes herleiten. Zu berücksichtigen ist im übrigen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Im Ergebnis lassen sich für den Schutz des Lebens der Internally Displaced Persons keine gravierenden normativen Schutzlücken nachweisen. Insbesondere bestehen keine bedeutsamen Schutzlücken durch die unterschiedlichen materiellen und personellen Anwendungsbereiche der menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Normen. Der Umstand der tatsächlichen millionenfachen Verletztung des Rechtsguts liegt vielmehr in der mangelnden Beachtung und Umsetzung der bestehenden Normen und gewohnheitsrechtlichen Regeln seitens der Staaten beziehungsweise der aufständischen Einheiten. 14O Es erscheint in jedem Fall sinnvoll, das Verbot der bewaffneten Angriffe auf Internally Displaced Persons sowie des Aushungerns in ein - noch zu schaffendes - Rechtsinstrument zum Schutz der Internally Displaced Persons ausdrücklich aufzunehmen.

138 Vgl. Delbrück, in: DahmiDelbrückIWolfrum, 59; Heintschel von Heinegg, in: lpsen, § 16 Rn. 11. Nicht zugestimmt werden kann dagegen Lopez, N.Y.U.L.Rev. 69 (1994), 916, 951, die annimmt, es bestünde im Zusammenhang mit der Achtung humanitärrechtlicher Normen in internen Konflikten keine die entsprechende Rechtsüberzeugung dokumentierende Staatenpraxis. 139 Selbst wenn man annimmt, unterschiedslose und unverhältnismäßige Angriffe seien nicht eindeutig aufgrund von Völkergewohnheitsrecht verboten, so wird man zumindest von der Entstehung eines entsprechenden Verbots ausgehen können. 140 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 414.

C. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit

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C. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit I. Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts Die tatsächlichen oder drohenden Verletzungen des Rechts auf körperliche Unversehrtheit stellen eine der Hauptursachen der Entstehung großer interner oder externer Flüchtlingsbewegungen dar. Sowohl die Bedrohung als auch die tatsächliche Verletzung der körperlichen Unversehrtheit stehen regelmäßig im Kontext anderer massiver Menschenrechtsverletzungen und zugleich stattfindender bewaffneter Auseinandersetzungen. 141 Als solche stellen sie nicht nur eine der Hauptfluchtursachen aufgrund von konkreter oder abstrakter Verfolgungsgefahr dar, sondern finden zudem während und nach der Flucht oder Verteibung statt. Die Bedrohung oder Verletzung des Rechtsguts ergibt sich vor allem durch Folter oder sonstige grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Ziel der Folter und Mißhandlung sind, neben der generellen Einschüchterung der Bevölkerung, vor allem die Erpressung von Geständnissen und Hinweisen auf Oppositionelle im Rahmen der Bekämpfung "subversiver Bestrebungen". 142 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, handelt es sich bei der ganz überwiegenden Mehrzahl der Opfer von Menschenrechtsverletzungen, sei es allgemein oder im fluchtspezifischen Kontext, um Frauen und Kinder. 143 Es wird daher neben dem spezifischen Schutz der Kinder insbesondere auf den Schutz der Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt in Form von Vergewaltigungen einzugehen sein. 144

141 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 37/38; Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 422. 142 Vgl. Nowak, EuGRZ 1985, 109, 110; Haug, in: Studies and essays in honour of Pietet, 713, 7131714. 143 Vgl. o. 2. Kap. B. 11.3.,71. 144 Nicht behandelt werden können dagegen Fälle der sexuell bedingten Ausbeutung von Frauen und Kindern, etwa im Wege der Zwangsprostitution, vgl. hierzu UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 132m. w.N. Ausgeblendet bleibt zudem der menschenrechtlieh nicht unbedeutende Aspekt des Konflikts der traditionellen Geschlechterrollen. Die diesbezügliche Problematik fallt überwiegend in den Bereich der hier nicht zu behandelnden sozialen und kulturellen Rechte; vgl. auch das Draft Optional Protocol to the Children' s Convention on sexual exploitation and trafficking in children, UN ElCN .4/1994/45/ Add. I vom 1. März 1994.

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

11. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit im Rahmen innerer Unruhen

1. Der 1Pbürg a) Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 7 S. lIPbürg Art. 7 S. 1 IPbürg normiert ein absolutes Verbot der Folter beziehungsweise der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Nach Art. 4 Abs. 2 kann die Bestimmung nicht außer Kraft gesetzt werden, ist also notstandsfest. 145 Der VN-Menschenrechtsausschuß geht noch weiter, da er Rechtfertigungen oder mildernde Umstände hinsichtlich der Verletzung des Art. 7 in keinem Fall anerkennen Will. l46 Nach ganz herrschender Auffassung hat das Verbot der Folter völkergewohnheitsrechtlichen Status, wobei einige Autoren sogar von 1uscogens-Charakter ausgehen. 147 Wie ein tatsächliches Geschehen in die Skala der Verbote nach Art. 7 einzuordnen ist, die von "bloßer" erniedrigender Behandlung über unmenschliche und grausame Behandlung bis hin zu Folter reicht, bedarf im Einzelfall keiner punktgenauen Abgrenzung. 148 Eine für die Interpretation des Art. 7 IPbürg nicht bindende Legaldefinition der Folter findet sich in Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984. 149 Vgl. auch 11. D. para. 58 der Siraeusa Principles, s. Anm. 29. Vgl. General Comment 20/44 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 3. April 1992, UN HRIIGEN/1/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 3. 147 Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 7 para. 1; Lillieh in: Meron (Hg.), 115, 127, Higgins, BYIL48 (1976-1977), 281, 282; Raess, 74-76. Zum [us-eogens-Charakter: Dinstein, in: Henkin (Hg.), 114, 122; Raess, 81-84. 148 Vgl. General Comment 20/44 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 3. April 1992, UN HRIIGENIl/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 4; zustimmend Nowak, U.N. Covenant, Art. 7, para. 4; vgl. auch de Zayas/Müller/Opsahl, GYIL 28 (1985), 9, 35. Zur möglichen Qualifikation der einzelnen Handlungen vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 7, para. 6-15; Dinstein, in: Henkin (Hg.), 114, 123-125; Raess, 45-47. 149 Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment vom 10.12.1984, BGBl. 199011,247; UN Al39/51; in Kraft getreten am 27. Juni 1987, Vertrags staaten am 31. Dezember 1997: 104; im folgenden: Anti-Folterkonvention; Art. 1 Abs. 1 der Konvention lautet: For the purposes of this Convention, the tenn "torture" means any act by which severe pain or suffering, whether physical or mental, is intentional1y inflicted on a person for such purposes as obtaining from hirn or a third person infonnation or a confession, punishing hirn for an act he or a third person has committed or is suspected of having 145

146

C. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit

91

b) Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit im Rahmen des Freiheitsentzuges Im Hinblick auf der Freiheit entzogene Personen ergänzt Art. 10 Abs. 1 IPbürg die positive Verpflichtung, diese Personen menschlich und unter Achtung ihrer Würde zu behandeln. Im Hinblick auf Intemally Displaced Persons kann dies insbesondere in Fällen der Internierung oder des Aufenthalts in sogenannten safe areas oder safe havens von Bedeutung sein. 150 Auch wenn Art. 10 nicht zu den nach Art. 4 IPbürg notstandsfesten Rechten zählt, hält der VN-Menschenrechtsausschuß die Regelung das Art. 10 Abs. 1 für eine grundlegende und universell anwendbare Norm, deren Anwendung auch nicht von zur Verfügung stehehenden materiellen Ressourcen abhängig gemacht werden könne. 151

c) Sonderproblem: Der Schutz vor Vergewaltigung Ein Sonderproblem im Rahmen der Untersuchung des Art. 7 IPbürg stellt die Frage dar, ob Vergewaltigungen als Fall der Folter zu werten sind und somit in den Schutz des gewohnheitsrechtlichen Verbots fallen. Gerade binnen vertriebene Mädchen und Frauen werden häufig Opfer von sexuellen Mißhandlungen, insbesondere von Vergewaltigungen. 152 Vergewaltigungen stellen zudem eine der brutalsten Methoden zur Erzwingung der Flucht dar, etwa im Rahmen der sogenannten "ethnischen Säuberungen".153 Der VN-Menschenrechtsausschuß beschränkte sich noch 1992 darauf festzustellen, daß neben körperlichen Schmerzen auch Handlungen, die zu psychicommitted, or intimidating or coercing hirn or a third person, or for any reason based on discrimination of any kind, when such pain or suffering is inflicted by or at the instigation of or with the consent or acquiesence of a public official or other person acting in an official capacity. It does not include pain or suffering arising from, inherent in or incidental to lawful sanctions. 150 Der VN-Menschenrechtsausschuß hält Art. 10 Abs. 1 in Fällen des Freiheitsentzuges unter anderem in "detention camps or correctional institutions or elsewhere" für anwendbar, General Comment 20/44 vom 3. April 1992, UN HRUGENIl/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 2. Zum Konzept der safe areas vgl. u. 4. Kap. C. 11., 283 ff. 151 Vgl. General Comment 20/44 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 3. April 1992, UN HRUGEN/l/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 4. 152 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, paras. 29130; UN ECOSOC, Deng-Report, 1996, paras. 45/46; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1993, para. 124. 153 Vgl. UN ECOSOC, Mazowiecki-Report, 2/1993, Anhang 11, para. 62; vgl. näher zu "ethnischen Säuberungen" u. 2. Kap. E. 11. l., 114 ff.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

sehern Leid der Opfer führen, von Art. 7 IPbürg umfaßt sind, ohne sich konkret dazu zu äußern, ob hiervon auch Fälle der Vergewaltigung zu zählen seien. 154 Demgegenüber haben VN-Sonderberichterstatter zu Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe die Vergewaltigung bereits 1986 in die Liste der Fälle körperlicher Foltermethoden aufgenommen. 15S Auch VN-Sonderbericherstatter zur Menschenrechtslage im vom Irak besetzten Kuwait oder Myanmar haben Vergewaltigung als eine Methode systematischer Folter qualifiziert. 156 Man wird demnach schlußfolgern können, daß es sich bei Vergewaltigungen durchaus um Folter im engeren Sinne handeln kann. Sollte der Nachweis der Folter im Einzelfall mißlingen, so stellt eine Vergewaltigung zumindest eine Form der erniedrigenden oder grausamen Behandlung dar.

2. Die Anti-Folter-Konvention von 1984

Das Hauptziel der Anti-Folter-Konvention liegt nicht im Verbot der Folter als "Hauptübel der Staatsraison"157, schließlich galt die Folter schon vor Verabschiedung der Konvention als allgemein verboten. Anliegen der Konvention ist es vielmehr, das schon bestehende Verbot durch innerstaatliche Maßnahmen, Regelungen der internationalen Zusammenarbeit sowie durch verschiedene Kontrollverfahren zu stärken, da es in unverändert großem Umfang zu Verletzungen des Verbots kam und kommt. IS8

3. Die Kinderrechtskonvention

Kinder stellen neben Frauen den größten Anteil der Internally Displaced Persons dar. Die aufgrund der körperlichen Unterlegenheit ohnehin große Gefahr,

154 General Comment 20/44 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 3. Apri11992, UN HRIIGENIl/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 5. 155 UN ECOSOC, Kooijmans-Report, 1986, para. 119; vgl. auch UN ECOSOC, RodleyReport, 1995, para. 19. 156 UN ECOSOC, Kälin-Report, 1992, paras. 108,111; UN ECOSOC, Yokota-Report, 1995, para. 114. 157 Vgl. Nowak, EuGRZ 1985, 109. 158 Vgl. BurgoslDanelius, 1-4; Nowak, EuGRZ 1985, 109, 112-115; Raess, 134-155.

C. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit

93

Opfer körperlicher Gewalt zu werden, erhöht sich massiv durch den bei einer Bucht häufig zu beobachtenden Verlust eines oder beider Elternteile. 159 Art. 37 lit. a) S. 1 der Kinderrechtskonvention verbietet Folter sowie andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung oder Bestrafung entsprechend der Regelung des Art. 7 IPbürg. Art. 39 der Konvention ergänzt die Norm um die Verpflichtung zur körperlichen und psychischen Rehabilitation zugunsten von Folteropfern. Weitere positive Maßnahmen zum Schutz des Kindes vor körperlicher Gewalt werden seitens der Vertragsstaaten nach Art. 19 Abs. 1 und 24 der Konvention verlangt.

4. Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung von 1965 Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierungen l60 stellt ein weiteres wichtiges und vollständiges Menschenrechtsabkommen auf internationaler Ebene dar. Der Anwendungsbereich ratione personae ergibt sich gemäß Art. 1 Abs. 1, der den Begriff der Rassendiskriminierung definiert. 161 Daß danach auch Internally Displaced Persons in den Anwendungsbereich der Konvention fallen können, bedarf keiner weiteren Erläuterung. 162 Der Schutzbereich des Art. 5 lit. b) der Konvention gegen Rassendiskriminierung ist weniger weitgehend als der des Art. 7 IPbürg. Daher kann auf die obigen Ausführungen hinsichtlich des Schutzes vor Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit verwiesen werden.

Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1996, paras. 57-59. International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination vom 21. Dezember 1965, UN N2106 A (XX), in Kraft getreten am 4. Januar 1969, Vertragsstaaten am 31. Dezember 1997: 150; im folgenden: Konvention gegen Rassendiskriminierung. de Zayas geht angesichts der hohen Zahl der Vertragsstaaten davon aus, daß die Konvention den Status von Völkergewohnheitsrecht erlangt habe, de Zayas, AVR 35 (1997),29,47. 161 Art. 1 Abs. 1 lautet: 159 160

In this Convention, the term "racial discrimination" shall mean any distinction, exclusion, restriction or preference based on race, colour, descent, or national or ethnic origin which has the purpose or effect of nullifying or impairing the recognition, enjoyment or exercise, on an equal footing, of human rights and fundamental freedoms in the political, economic, social, cultural or any other field of public life. 162 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 48; de Zayas, AVR 35 (1997), 29,46.

94

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

5. Soft Law Auch zugunsten des Rechts auf körperliche U nversehrtheit finden sich zahlreiche Deklarationen und Prinzipienerklärungen, denen im Hinblick auf die umfassende völkervertragsrechtliche Normierung sowie Völkergewohnheitsrecht überwiegend deklaratorische Bedeutung zukommt. Mit Art. 5 AEMR wurde 1948 erstmals auf internationaler Ebene ein Folterverbot statuiert. Die Bestimmung wird inzwischen zu Recht als eine der Regelungen der AEMR angesehen, die im Hinblick auf den völkergewohnheitsrechtlichen Charakter des Folterverbots deklaratorische Bedeutung hat. 163 Die Deklaration der VN-Generalversammlung zum Schutz aller Personen vor Folter und anderer Formen der grausamen, unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung oder Bestrafung bezieht sich im Hinblick auf das Verbot der Folter sowohl auf die Zwecke der Charta der VN als auch die AEMR. I64 Art. 6 der Paris Minimum Standards gibt in Abs. 1 den Text des Art. 7IPbürg wieder. 165 Mit den Absätzen 2 und 3 wurden zusätzlich die wichtigsten Artikel der Anti-Folter Deklaration aufgenommen. Die Deklaration der Generalversammlung zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen 166 stellt fest, daß Gewalt gegen Frauen deren Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt beziehungsweise aufhebt. Gemäß Art. 4 der Deklaration sollen die Staaten Maßnahmen zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen treffen. Die Wiener Schlußerklärung von 1993 167 befaßt sich an verschiedenen Stellen mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Unter anderem wenden sich die unterzeichnenden Staaten gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder, auch in Form von Vergewaltigungen (Teil 11, B. Punkte 38, 48, 50). Die Punkte 54-61 des Teils

163 Vgl. Danelius, in: Eide/AljredsssonIMelander/Rehoj/Rosas (Hg.),IOI, 109; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 115. 164 Declaration on the Protection of All Persons from being Subjected to Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment vom 9. Dezember 1975, UN AlRES/3452 (XXX), Annex, Art. 2, im folgenden: Anti-Folter-Deklaration. 165 Vgl. o. Anm. 29. 166 Declaration on the Elimination of Violence against Women, UN AlRES/48/49 vom 20. Dezember 1993. Vgl. auch General Recommendation 19/11 des Ausschusses zur Beseitigung der Rassendiskriminierung gegen Frauen, UN HRI/GENII/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 7. 167 Vienna Declaration and Programme of Action vom 25. Juni 1993, verabschiedet im Rahmen der Weltmenschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen vom 14.-25. Juni 1993 in Wien, abgedruckt in: HRLJ 14 (1993),352-363.

C. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit

95

11, B. befassen sich mit dem Folterverbot und bekräftigen in Punkt 56 dessen Beachtlichkeit zu jeder Zeit, also auch während innerer Unruhen und Bürgerkriegen. Grundsatz 11 der Guiding Principtes on Internat Disptacement verbietet jegliche Verletzung der körperlichen Unversehrtheit unter Nennung verschiedener Tatbestände, die sich überwiegend in den erwähnten menschenrechtlichen Konventionen wiederfinden. 168 Gemäß Art. 18 des Code of Crimes der ILC werden verschiedene Formen der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit als Verbrechen gegen die Menschlichkeit normiert, sofern sie in systematischer Art und Weise oder in großem Ausmaß begangen werden. Im einzelnen handelt es sich um die Verbrechen der Folter, Art. 18 lit. (c), der Vergewaltigung und anderer Formen der sexuellen Ausbeutung, Art. 18lit (j), sowie anderer unmenschlicher Akte, die die physische oder psyschische Integrität schwer beschädigen, Art. 18 lit (k).169 Nach dem Rome Statute for the ICC ist die körperliche Unversehrtheit von Zivilpersonen vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschützt, sofern diese in großem Ausmaß oder in systematischer Art und Weise begangen werden. Zu den durch den Internationalen Strafgerichtshof potentiell abzuurteilenden Taten zählen Folter, Vergewaltigung und weitere sexuelle Gewalttaten sowie andere unmenschliche Handlungen ("other inhumane acts"), vergleiche Art. 7 Abs. 1 lit. f), g) und k) des Statuts. Zu betonen ist der ausdrückliche Schutz vor Vergewaltigungen, der sich gemäß Art. 7 Abs. 3 des Statuts auf beide Geschlechter erstreckt.

III. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit im Rahmen von Bürgerkriegen

1. Menschenrechtliehe Normen Das Verbot der Folter ist internationalrechtlich derogationsfest, vergleiche Art. 4 Abs. 2 IPbürg. 17o Der normative Schutz der körperlichen Unversehrtheit bleibt daher auch im Rahmen bewaffneter Konflikte umfassend. Im übrigen ist der völkergewohnheitsrechtliche Charakter des Folterverbots zu beachten. S. Anhang I. V gl. UN GA, ILC Report 1996, 93/94. 170 General Comment 20/44 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 30. April 1992, UN HRIIGEN/l/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 3; vgl. auch Art. 3 S. 2 der Anti-FolterDeklaration, wonach "exceptional circumstances" wie Krieg oder öffentliche Notstände, nicht als Rechtfertigung für Folter oder andere Mißhandlungen dienen können. 168

169

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

2. Der gemeinsame Art. 3 GK

Nach Abs. 1 lit. a) des gemeinsamen Art. 3 GK werden insbesondere Verstümmelung, grausame Behandlung und Folter, nach lit. c) entwürdigende und erniedrigende Behandlung verboten. Die Liste der verbotenen Handlungen, die das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Rahmen bewaffneter nicht-internationaler Konflikte beeinträchtigen können, ist nicht abschließend. Zur Vermeidung einer im Ergebnis zu restriktiven Fassung, die die denkbare Vielfalt der möglichen Handlungen nicht erfaßt hätte, wurde eine bewußt flexible Formulierung gewählt.!7! Insofern erscheint auch die Schlußfolgerung zulässig, daß Formen geschlechtsspezifischer Gewalt und insbesondere Vergewaltigungen, trotz des fehlenden ausdrücklichen Verbots im gemeinsamen Art. 3 GK, unter die allgemeinen Formulierungen der lit. a) und c) gefaßt werden können. 172

3. Das ll. Protokoll Art. 4 des 11. Protokolls nimmt in Abs. 1 und Abs. 2 lit. a) die schon im gemeinsamen Art. 3 GK statuierten Verbote auf, ergänzt um den Schutz des geistigen Wohlbefindens, "mental well-being", sowie das Verbot der körperlichen Züchtigung. Der neuaufgenommene Schutz des geistigen Wohlbefindens wird als Verbesserung aufgefaßt, da modeme Foltermethoden wie das sogenannte brain washing vom gemeinsamen Art. 3 nur schwer zu erfassen seien. 173 In Art. 4 Abs. 2lit. e) finden sich weitere neue Verbote, die insbesondere auf den Schutz von Frauen, Kindern und Jugendlichen zugeschnitten sind. Namentlich geht es um das Verbot der Vergewaltigung, der Nötigung zur Prostitution sowie sonstiger unzüchtiger Handlungen.!74 Eine entsprechende Schutznorm gab es zuvor nur für internationale Konflikte, vergleiche Art. 27 der IV. GK.

Vgl. Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 39. Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 136, der für eine entsprechende Interpretation auf das ausdrückliche Verbot in Art. 4 Abs. 2 lit. e) des 11. Protokolls verweist. 173 Vgl. Partseh, in: FS Schlochauer, 515, 520. 174 Der Schutz von Frauen und Kindern sollte ursprünglich in einem gesonderten Artikel hervorgehoben werden. Ein unterschiedlicher Schutzbereich hätte sich daraus jedoch nicht ergeben, vgl. Levie, 153, 183; Junod, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann (Hg.), paras. 4539/4540 zum Konferenzverlauf. 171

172

C. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit

97

4. Soft Law Die bereits erwähnte Deklaration der VN-Generalversammlung zum Schutz von Frauen und Kindern in Notständen und bewaffneten Konflikten l75 verpflichtet alle Staaten dazu, die notwendigen Maßnahmen zur Beachtung des Verbots der Folter sowie sonstiger Mißhandlungen, vor allem gegenüber Frauen und Kindern, zu ergreifen. Die Turku-Declaration l76 beinhaltet unter Art. 3 Abs. 2 lit. a) eine dem Art. 4 Abs. 2lit. e) des 11. Protokolls wortgleiche Regelung. Der Art. 20 lit. t) (i) und (v) des Code ofCrimes der ILC sieht unter anderem die Bestrafung von Folter, entwürdigender und erniedrigender Behandlung sowie von Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen vor, wenn diese in systematischer Art und Weise oder in großem Ausmaß verübt werden. Damit steht Art. 20 lit. t) auch insofern im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des gemeinsamen Art. 3 GK sowie des Art. 4 des n. Protokolls. 177 Der noch zu errichtende Internationale Strafgerichtshof wird gemäß Art. 5 Abs. llit. c) und Art. 8 Abs. 2lit. a) (ii) und (iii), lit. c) (i) und (ii) sowie lit. e) (vi) und (xi) des Rome Statute for the ICC für die in nicht-internationalen Konflikten begangenen schwere Kriegsverbrechen zuständig sein, die die körperliche Unversehrtheit des einzelnen betreffen. Zu den Taten, die unter die Gerichtsbarkeit des Strafgerichtshofs fallen, zählen unter anderem Folter und andere Formen grausamer, unmenschlicher Behandlungen.

IV. Bewertung Der Schutz vor Folter und anderen Formen der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ist umfassend geregelt. Die in verbindlicher Form normierten oder gewohnheitsrechtlich geltenden Verbote finden in allen Konfliktsituationen Anwendung, Möglichkeiten zur Außerkraftsetzung oder Beschränkung bestehen nicht. Schutzlücken im Hinblick auf die unterschiedlichen Anwendungsbereiche der Normen des humanitären Völkerrechts ergeben sich ebenfalls nicht.

Vgl. o. 2. Kap. B. III. 4., 85. S. Anhang III. 177 Vgl. schon 0.2. Kap. B. III. 4., 85 zu den Regelungen des Code ofCrimes der ILC zum Schutz des Lebens. 175

176

7 Geißler

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Es läßt sich somit festhalten, daß normativer Handlungsbedarf lediglich im Hinblick auf die besondere Hervorhebung des Verbots bestimmter Handlungen besteht. Zu denken ist hier vor allem an ein ausdrückliches Verbot der Vergewaltigung, wie dies der Code of Crimes der ILC, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und etwa der Grundsatz 11 Abs. 2lit. (a) der Guiding Principles on Internal Displacement bereits vorsehen. 178

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit I. Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts Der Genuß der persönlichen Freiheit ist Grundbedingung für die Ausübung anderer Rechte und Freiheiten und läßt sich folglich bis zur Magna Charta von 1215 zurückverfolgen. 179 Die persönliche Freiheit wird jedoch gerade im Rahmen innerer Unruhen oder bewaffneter Konflikte auf vielfache Weise bedroht. Für den Fall des Freiheitsentzuges ergibt sich dies schon aufgrund des Umstands, daß die Inhaftierung eine der Hauptrnethoden des Staates zur Bekämpfung von Kriminalität oder Wiederherstellung innerer Sicherheit und Ordnung ist und in dieser Funktion grundsätzlich akzeptiert wird. 180 Gerade im Hinblick auf den mit der Maßnahme verfolgten Zweck liegen jedoch Mißbrauchsgefahren, von denen vor allem politisch Oppositionelle betroffen sind. Denn regelmäßig kommt es während der Haft zu Folter und Mißhandlungen, um Geständnisse zu erzwingen oder die Opposition allgemein einzuschüchtern. Die Freiheitsberaubung bildet in diesen Fällen gleichsam die Grundlage anderer gravierender Menschenrechtsverletzungen. Das Rechtsgut begegnet durch Fälle der Geiselnahme, des "Verschwindenlassens" oder des sogenannten shieldings vielfältigen weiteren Bedrohungen. Vor allem im Rahmen bewaffneter Auseinandersetzungen kommt es zudem zu Fällen von Zwangsrekrutierungen durch alle beteiligten Konfliktparteien, die insbesondere Kinder und Jugendliche betreffen. 181

178

Grundsatz 11 Abs. 2lit. (a) der Guiding Principles, s. Anhang I, lautet:

Internally displaced persons, whether or not their liberty has been restricted, shall be protected in particular against: (a) Rape ... 179 Vgl. Niemi-Kiesiläinen, in: EidelAlfredssoniMelanderlRehoflRosas (Hg.), 147. 180 Vgl. Nowak, V.N. Covenant, Art. 9 para. 1. 181 V gl. Reis, Colum.Hum.Rts.L.Rev. 28 (1997),629,630/631; VN ECOSOC, Analytica1 Report of the Secretary General, 1992, paras. 20, 22/23 zu den Fällen der Türkei und Perus, wobei die Bedrohung vor allem in Peru von guerrilleros wie dem "Sendero lumino-

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit

99

Internally displaced persons sind Opfer aller genannten Beeinträchtigungen des Rechtsguts. Dabei gilt wie schon für die bereits untersuchten Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, daß die drohende oder tatsächliche Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit sowohl root cause einer Flucht darstellt, als auch während und nach der Flucht oder Zwangsumsiedlung auftritt. Im Sinne einer Fluchtursache kann es sich gleichermaßen um konkrete wie abstrakte Verfolgungsgefahren handeln. Als Beispiel einer weiteren fluchtbegründenden Ursache sind willkürliche Inhaftierungen im Rahmen der Bekämpfung vermeintlicher Sympathisanten der Opposition durch den Staat und dessen Einheiten zu nennen. 182 Weiterhin werden Internally Displaced Persons oft schon aufgrund der schlichten Tatsache ihrer Flucht der Opposition zugerechnet und deshalb interniert. 183 Aber auch nach der Flucht sowie in unmittelbarer Folge von Zwangsumsiedlungen ist die persönliche Freiheit stets besonders gefährdet. Zu klären ist daher, wie sich der internationalrechtliche Schutz vor Verletzungen des Rechts auf Freiheit gestaltet.

11. Der Schutz des Rechts auf persönliche Freiheit im Rahmen innerer Unruhen 1. Der 1Pbürg a) Grundsätzliches zu Art. 9 Abs. 1 IPbürg und der Außerkraftsetzung von Normen des IPbürg Im Unterschied zu den absoluten Zielen des IPbürg hinsichtlich des Schutzes des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit strebt Art. 9 IPbürg keine vollständige Beseitigung der Beeinträchtigung des Rechtsguts an. Dies erscheint naheliegend, da der Freiheitsentzug als Gewaltmaßnahme des Staates grundsätzlich anerkannt ist. 184 Das Verbot des Art. 9 IPbürg erstreckt sich daher lediglich auf willkürliche und unrechtmäßige Fälle des Freiheitsentzuges, Art. 9 Abs. 1 S. 2 und 3. Artikel 9 IPbürg ist zudem kein notstandsfestes Recht und kann daher unter

so" ausging. V gl. auch UN ECOSOC, Report of the Secretary-GeneraI, Priority Themes Peace: Refugee and displaced women and children, para. 26. 182 Vgl. Clark, World Refugee Survey 1988, 18,20. 183 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 144. 184 Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 9, paras 1/2.

100

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Beachtung des Art. 4 Abs. 1 und 3 IPbürg im Fall eines öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht, außer Kraft gesetzt werden. Die Problematik des Art. 9 liegt in der Hauptsache darin festzustellen, ob der Freiheitsentzug im Einzelfall willkürlich erfolgt.18s Dies gilt vor allem für diejenigen Fälle, in denen ein Staat unter objektiver Beachtung seiner nationalen Gesetze Inhaftierungen herbeiführt. Fraglich ist dabei, nach welchem Maßstab die jeweiligen nationalen Gesetze, die einen Freiheitsentzug ermöglichen, zu beurteilen sind. Nach Ansicht Dinsteins, der auf die Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen "Rechtsstaat" verweist, ist mit Art. 9 Abs. 1 IPbürg ein internationaler Mindeststandard verbunden, der nicht unterschritten werden dürfe, damit eine Inhaftierung nicht willkürlich sei. 186 Nach Li/lieh muß die Freiheitsentziehung nicht nur mit dem Gesetz, sondern auch mit der Gerechtigkeit im Einklang stehen. 187 Nowak verweist auf vergleichbare Regelungen des IPbürg, in denen der Begriff "willkürlich" verwendet wird, und befürwortet eine weite Interpretation: das jeweilige Gesetz dürfe keine offensichtlich unverhältnismäßigen, ungerechten, unvorhersehbaren oder diskriminierenden Fälle des Freiheitsentzuges ermöglichen. 188 Die Beantwortung der Frage, ob der Freiheitsentzug willkürlich ist oder nicht, hängt auch davon ab, ob die in Art. 9 Abs. 2-5 IPbürg festgelegten Verfahrensgarantien gewährleistet werden. 189 Ein den Freiheitsentzug legalisierendes Gesetz ist daher auf die Beachtung der dort festgelegten Rechte der Inhaftierten zu untersuchen. Nur ein dem Maßstab des Art. 9 Abs. 2-5 IPbürg insgesamt entsprechendes Gesetz kann somit Grundlage eines nicht willkürlichen Freiheitsentzuges sein. Wie aus Art. 4 Abs. 2 IPbürg hervorgeht, zählt Art. 9 Abs. 1 IPbürg nicht zu den notstandsfesten Rechten. 190 Zu untersuchen wäre daher, unter welchen Voraussetzungen Maßnahmen ergriffen werden können, die die Verpflichtungen aus dem IPbürg außer Kraft setzen. Auf die Voraussetzungen zulässiger Derogationen von im IPbürg garantierten Menschenrechten kann im Rahmen der Arbeit nicht umfassend eingegangen werden. Insofern muß auf die einschlägige Literatur verVgl. de Zayas/Möller/Opsahl, GYIL 28 (1985),9,36/37. Dinstein, in: Henkin (Hg.), 114, 130; ähnlich Rohertson, 87, der von ,Jnternational standard" spricht. 187 Li/lieh, in: Meron (Hg.), 115, 138. 188 Nowak, U.N. Covenant, Art. 9, para. 30. 189 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 148 m.w.N. 190 Vgl. hingegen 11. D. para. 79 der Siracusa Principles, Anm. 29, wonach die Einschränkung bestimmter Grundsätze, wie der Kontakt zu Anwälten und Angehörigen oder die Untersuchung der gegen die festgenomme Person erhobenen Vorwürfe durch ein unabhängiges Gericht unter allen Umständen für unzulässig erklärt wird; entsprechend auch Art. 5 der Paris Minimum Standards, Anm. 29. 185

186

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit

101

wiesen werden. 191 Dennoch sollen die Mindesterfordemisse zulässiger Außerkraftsetzungen nicht notstandsfester Rechte nach dem IPbürg in Kürze beschrieben werden. Als Ausgangspunkt muß ein öffentlicher Notstand vorliegen, der "das Leben der Nation" bedroht. Es können sodann unbedingt erforderliche, verhältnismäßige Maßnahmen ergriffen werden, die nicht im Widerspruch zu sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen und keine Diskriminierung aus einem der in Art. 4 Abs. 1 IPbürg genannten Gründe darstellen. Zudem muß die Außerkraftsetzung von Bestimmungen unverzüglich notifiziert werden, vergleiche Art. 4 Abs. 3. Welche Situationen öffentliche Notstände darstellen, wird durch Art. 4 Abs. 1 nicht definiert. Den wichtigsten Grund stellt der im Gegensatz zu Art. 15 EMRK bewußt nicht ausdrücklich genannte Fall des Krieges dar. 192 Ob auch nicht-internationalisierte Bürgerkriege in den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 fallen, hängt davon ab, ob der Konflikt tatsächlich "das Leben der Nation" bedroht. Diesbezüglich steht dem Staat ein gewisser Beurteilungsspielraum ZU. 193 Auf die genaue Einordnung des Konfliktes kommt es demnach für die Außerkraftsetzung von Bestimmungen des IPbürg nicht an. Als weitere Gründe lassen sich Naturkatastrophen sowie innere Unruhen und Aufstände nennen. 194 Aus der Staatenpraxis geht hervor, daß Fälle von Bürgerkriegen und gravierenden gewaltsamen inneren Unruhen den mit Abstand häufigsten Fall erklärter Notstände darstellen. 195 Die Außerkraftsetzung hat in jedem Fall Ausnahmecharakter und muß sich auf die Zeit beschränken, während der das Leben der Nation tatsächlich bedroht iSt. 196 Hinsichtlich der Frage, ob die den Notstand auslösende Situation notwendigerweise das gesamte Land bedrohen muß, wird allgemein auch ein geographisch beschränkter Konflikt für hinreichend erachtet. Zur Begründung wird auf die

191 Vgl. hierzu allg. Oraa, Human rights in States of emergency; Fitzpatrick, Human rights in crisis; UN ECOSOC, Questiaux-Report, 1982; vgl. auch die Siracusa Principles sowie die Paris Minimum Standards, s. Anm. 29. 192 Vgl. Fitzpatrick, Human rights in crisis, 55/56 m.w.N., die VN, als eine dem Frieden gewidmete Organisation, wollte die Nennung selbst der Möglichkeit eines Krieges vermeiden. 193 Vgl. Higgins, BYIL 48 (1976/1977),281,296-301, zustimmend: Bemhardt, in: FS Mosler, 75, 82; ablehnend: Green, CYIL 1978,92,1001101. 194 Vgl. Buergenthal, in: Hekin (Hg.), 72, 79/80; Nowak, U.N. Covenant, Art. 4 para. 16. 195 Vgl. Hartman, HRQ 7 (1985), 89, 93 m.w.N. 196 Vgl. General Comment 5/13 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 28. Juli 1981, HRUGEN/l/Rev.2, vom 29. März 1996, para. 3.

102

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Qualität der Bedrohung des Staates verwiesen, die von der Frage der geographischen Einordnung zu trennen sei. 197 Im Hinblick auf das Recht auf persönliche Freiheit ist eine abstrakte Beurteilung der Handhabung der Einschränkungen in Notstandssituationen kaum möglich. Hinzuweisen ist jedoch auf die Studie Questiauxs, die eine besonders häufige Mißachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes konstatiert. 198 Im folgenden wird die Anwendung des Art. 9 Abs.1 IPbürg auf bestimmte, Internally Displaced Persons typischerweise betreffende Fallgruppen untersucht. Zu nennen sind geschlossene Internierungslager, "Verschwindenlassen", Geiselnahmen, shielding sowie Zwangsrekrutierungen. Für die Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 9 Abs. 1 kann auf die Interpretation des VN-Menschenrechtsausschusses verwiesen werden. Danach fallen grundsätzlich alle Fälle der Freiheitsberaubung in den Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 1. 199

b) Geschlossene Internierungslager Im Hinblick auf geschlossene Internierungslager, in denen sich Internally Displaced Persons nach Flucht oder Zwangsumsiedlung aufhalten müssen, stellt sich die Frage, welchen Anforderungen diese Form des Freiheitsentzuges genügen muß, um nicht willkürlich im Sinne des Art. 9 Abs. 1 zu sein. 2°O Entsprechend der obigen Darstellung wird man davon ausgehen können, daß regelmäßig eine gesetzliche Grundlage für den Freiheitsentzug erforderlich ist, die bestimmten Min-

197 Vgl. Buergenthal, in: Henkin (Hg.), 72,80; Fitzpatrick, 56; Paris Minimum Standards, Anm. 29. Demgegenüber sollte nach den travaux preparatoires zum IPbürg der Notstand ein solches Ausmaß haben, daß er die gesamte Nation bedroht. Dies sei schon zur Vorbeugung von Mißbrauchsgefahren notwendig; vgl. Higgins, BYIL 48 (1976/1977), 281,286. 198 V gl. UN ECOSOC, Questiaux-Report, 1982, paras. 171-196; Questiaux nennt auch die verschiedenen Formen der Freiheitsbeschränkung, die von "Verschwindenlassen" über "Incommunicado-Haft" bis zur Haftanordnung durch ordentliche Gerichte führen, para. 181. 199 " ••. paragraph 1 is applicable to all deprivations of liberty, whether in criminal cases or in other cases such as, for example, mental ilIness, immigration purposes ... , etc."; vgl. General Comment 8/16 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 27. Juli 1982, UN HRl/GEN/l/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 1. 200 V gl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 150, der unter Hinweis auf die Interpretation des Art. 9 durch den VN-Menschenrechtsausschuß davon ausgeht, daß geschlossene Internierungslager einen Fall der Haft darstellen und daher an Art. 9 Abs. 1 IPbürg zu messen seien; vgl. auch de Zayas, AVR 35 (1997),29,41.

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit

103

deststandards genügen muß. Weiterhin müßte die Internierung dringend notwendig und verhältnismäßig sein, was beim Schutz der persönlichen Sicherheit der Internally Displaced Persons oder der ernsthaften Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben sein kann. Allerdings dürften selbst in solchen Situationen befristete Ausgangssperren oder Personenkontrollen zur Erreichung dieser Zwecke oftmals genügen. 20l Dementsprechend sind geschlossene Internierungslager als in der Regel unzulässig zu bewerten. 202

c) "Verschwindenlassen" und Geiselnahme Die persönliche Freiheit wird zudem häufig durch Fälle des "Verschwindenlassens" oder durch Geiselnahmen bedroht. Eine international allgemein anerkannte Defintion des "Verschwindenlassens" existiert nicht. Der Tatbestand des "Verschwindenlassens" umfaßt nach allgemeiner Auffassung zwei Elemente: die Freiheitsberaubung durch staatliche oder dem Staat zurechenbare Akteure einerseits und zum anderen die bewußte Verschleierung des Aufenthaltsortes des Verhafteten?03 Das "Verschwindenlassen" verletzt eine Vielzahl von Menschenrechten, darunter jedenfalls auch das Recht der persönlichen Freiheit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 IPbürg. 204 Ein das "Verschwinden-

201 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 15; GoldmanlKälin, in: Cohenl Deng (Hg.), 98/99. 202 Vgl. auch u. 4. Kap. C. 11. 2. e), 288 ff. zu dem Modell der "Open Relief Centers". 203 Vgl. Brody/Gonztilez, HRQ 19 (1997), 365, 376 unter Hinweis auf die in der Dec1aration on the Protection of all Persons from Enforced Disappearances vom 18. Dezember 1992, AlRES/47/133, im folgenden: Deklaration zum Schutz aller Personen vor Verschwindenlassen, enthaltene "working description", nach der unter Verschwindenlassen zu verstehen ist, daß persons are arrested, detained or abducted against their will or otherwise deprived of their Iiberty by officials of different branches or levels of Govemment, or by organized oe private individuals acting on behalf of, or with the support, direct or indirect, consent or acquiesence of the Govemment followed by a refusal to disclose the fate or whereabouts of the persons concemed ... V gl. auch Art. 2 der Inter-American Convention on the Forced Disappearance of Persons vom 9. Juni 1994, OEAlSer. P AG/doc. 3114/94 rev. 1. 204 Vgl. de ZayaslMöller/Opsahl, GYIL 28 (1985), 9, 37/38; Brody/Gonztilez, HRQ 19 (1997), 365, 377/378; vgl. auch General Comment 6/16 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 27. Juli 1982, HRIIGEN/IlRev.2, vom 29. März 1996, para. 4, der auf die mögliche Verletzung des Rechts auf Leben hinweist.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

lassen" legalisierendes Gesetz wäre, gemessen arn beschriebenen internationalen Mindeststandard, in jedem Fall willkürlich und somit verboten. 205 Sofern eine der Methoden zum Tod führt oder es zur Folter oder sonstigen Mißhandlungen kommt, wäre sie schon nach den Normen zum Schutz des Lebens beziehungsweise der körperlichen Unversehrtheit verboten. 206 Ob es sich bei Fällen des "Verschwindenlassens" möglicherweise auch um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. 207 Auch Fälle der Geiselnahme sind im Hinblick auf ihre freiheitsentziehende Komponente nach Art. 9 Abs. 1 verboten. 208 Ein Geiselnahmen legalisierendes Gesetz wäre unzulässig. Problematisch ist jedoch, daß Art. 9 IPbürg als menschenrechtliche Norm lediglich den Staat zum Norrnaddressaten hat. Gerade Geiselnahmen werden jedoch oft von aufständischen Einheiten verübt, um so Gelder für eigene Operationen zu erpressen oder andere operative Vorteile zu erlangen. 209 Die im Unterschied zum IPbürgjederrnann bindende Anti-Geiselnahme-Konvention von 1979210 findet nach Art. 13 lediglich auf internationale Sachverhalte An-

205 V gl. UN ECOSOC, Report of the working group on disappearances, 1983, in dem es unter para. 172 heißt: " ... no special circumstances, armed conflict, states of emergency, situations of armed conflict or tension can justify enforced or involuntary disappearances." Fast gleichlautend formuliert ist Art. 7 der Deklaration zum Schutz aller Personen vor Verschwindenlassen: No circumstamces whatsoever, whether a threat of war, astate of war, internal political instability or any other public emergency, may be invoked to justify enforced disappearances. 206 Vgl. General Comment No. 6/16 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 27. Juli 1982, UN HRIIGEN/l/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 4. 207 Vgl. hierzu Brody/Gonzalez, HRQ 19 (1997), 365, 378-383 m.w.N. sowie Art. 7 Abs. 1 lit. i) des Rome Statute for the ICe. 208 V gl. auch die fragwürdige Unterteilung Hannikainens, der im Hinblick auf die Frage des lus-cogens-Charakters des Verbots der Geiselnahme zwischen "schweren" und "milden" Formen der Geiselnahme unterscheidet, Hannikainen, Peremptory norms (ius cogens) in internationallaw, 498. 209 Beispielsweise in Kolumbien stellt die Geiselnahme durch linksgerichtete Rebellen neben der Schutzgelderpressung und Wegezöllen eine der Haupteinkunftsquellen dar; vgl. SZ vom 17. Juni 1997 zur Geiselnahme von 70 Soldaten der Regierungseinheiten durch die "FARC" (Forzas Armadas Revolucionarias de Colombia). 210 International Convention against Taking of Hostages vom 17. Dezember 1979, UN AlRES/146 (XXXIV), Annex, im folgenden: Anti-Geiselnahme Konvention.

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit

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wendung. 211 Für die hier untersuchten internen Konflikte hat sie damit regelmäßig keine Bedeutung.

d) Shielding Unter shielding versteht man den zwangsweisen Einsatz von Menschen als "Schutzschilder" militärischer Einrichtungen oder Personen. Durch die Exponierung von Zivilisten soll der Gegner davon abgehalten werden, das entsprechend "geschützte" Objekt anzugreifen. 212 Das so praktizierte shielding ist nach keiner menschenrechtlichen Norm ausdrücklich verboten. Deng ist der Ansicht, shielding könne einen Fall der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung darstellen. 213 Man wird jedoch unter Zugrundelegung des vom Menschenrechtsausschuß der VN vertretenen weiten Freiheitsbegriffs 214 zugleich eine Verletzung des Art. 9 Abs. 1 annehmen müssen.

e) Zwangsrekrutierung Eine weitere Beschränkung der persönlichen Freiheit ergibt sich durch Zwangsrekrutierungen. Die Formen der Zwangsrekrutierung reichen von der Einziehung in kämpfende Einheiten bis zur zwangs weisen Bildung sogenannter Bürgerwehren. Sie gehen von allen am Konflikt beteiligten Gruppierungen aus und finden nicht nur im Rahmen von Bürgerkriegen, sondern auch bei inneren Unruhen Anwendung. Betroffen von Zwangsrekrutierungen sind neben Erwachsenen vor allem auch Kinder. 215 Auf den Schutz der Kinder vor Zwangsrekrutierungen wird im Zusarnrnenhang mit dem Schutz der persönliche Freiheit im Rahmen von Bürgerkriegen näher eingegangen. 216 211 Art. 13 der Anti-Geiselnahme-Konvention lautet: This Convention shall not apply where the offence is committed within a single State, the ho stage and the alleged offender are nationals of that State and the alleged offender is found in the territory of that State. 212 V gl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1994, Profiles in displacement: Sri Lanka, para. 73; UN Security Council, Bassiouni-Report, 1994, para. 134. Der Sicherheitsrat der VN setzte die Kommission zur Untersuchung der Verletzungen der Genfer Konventionen sowie des sonstigen humanitären Völkerrechts im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens ein. 213 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 159. 214 Vgl. o. 2. Kap. D. 11. I. a), 99. 215 Vgl. o. Anm. 181. 216 Vgl. u. 2. Kap. D. III. 4.,110.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

Ein genereller Schutz zugunsten Erwachsener vor Zwangsrekrutierungen in reguläre staatliche Einheiten besteht nicht. Die Einziehung als solche darf jedoch keinesfalls mit Mitteln erzwungen werden, die die körperliche Unversehrtheit verletzen oder eine Fonn der grausamen oder unmenschlichen Behandlung darstellen. Auch Fonnen der diskriminierenden Einziehung, die Internally Displaced Persons gerade wegen ihres Status betreffen, können unzulässig sein. 217 Die Einziehung durch aufständische Einheiten wird regelmäßig nach nationalem Recht rechtswidrig sein, da es sich bei der Aushebung von Streitkräften um eine hoheitliche Befugnis par excellence handelt. Völkerrechtliche Nonnen, die die Einziehung durch nichtstaatliche Akteure verbieten, finden sich dagegen nicht.

2. Die Kinderrechtskonvention Art. 371it. b) S. 1 der Kinderrechtskonvention entspricht inhaltlich Art. 9 S. 1 des IPbürg, und verbietet entsprechend rechtswidrigen und willkürlichen Freiheitsentzug. Demgegenüber geht der die Fälle des zulässigen Freiheitsentzuges regelnde S. 2 über Art. 9 IPbürg hinaus, da er den Freiheitsentzug nur als "letztes Mittel" und für die "kürzest angemessene Zeit" für zulässig erklärt. 2J8

3. Soft Law Der Schutz der persönlichen Freiheit wird in verschiedenen Erklärungen hervorgehoben.Vor allem die Praxis des "Verschwindenlassens" wird dabei in einigen Erklärungen mit Nachdruck verurteilt. Nach Art. 9 der AEMR darf niemand willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden. Hinsichtlich der in zahlreichen Staaten nach wie vor verbreiteten Praxis des "Verschwindenlassens"219 verabschiedete die VN-Generalversarnmlung 1992 die bereits erwähnte Deklaration zum Schutz aller Personen vor Verschwindenlassen. 220 Nach Art. 1 Abs. 1 ist jeder Akt des Verschwindenlassens

Vgl. UN ECOSOC, Deng-Cornpilation, 1995, para. 166. Vgl. hierzu Dorsch, 244. 219 V gl. UN ECOSOC, Report of the working group on disappearances 1994, para. 436, u. Report of the working group on disappearances 1996, para. 466. 220 V gl. Anrn. 202. 217 218

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit

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... condernned as a denial ofthe purposes ofthe Charter ofthe United Nations and as a grave and flagrant violation ofthe human rights and fundamental freedoms proclaimed in the Universal Declaration of Human Rights ...

Allerdings werden von der Deklaration nur Fälle des unmittelbar oder mittelbar staatlich zu verantwortenden Verschwindenlassens erfaßt. 221 In der Wiener Schlußerklärung222 wird die Verabschiedung der Deklaration zum Schutz aller Personen vor Verschwindenlassen begrüßt und zur Vermeidung beziehungsweise Beendigung entsprechender Taten aufgerufen. Die Wiener Erklärung ruft darüber hinaus zur Verfolgung und Bestrafung aller Fälle von "Verschwindenlassen" auf. Art. 3 Abs. 2lit. c) und lit. d) der Turku Declaration verbietet Geiselnahmen und "Verschwindenlassen" unter allen Umständen. Art. 4 legt bestimmte Mindestgarantien für den Fall des Freiheitsentzugs fest. 223 Nach Grundsatz 10 Abs. llit. (d) der Guiding Principles on Internal Displacement sind Intemally Displaced Persons insbesondere vor "enforced disappearances" geschützt. Der entsprechende Schutz steht im Zusammenhang mit dem Schutz des Lebens, da das "Verschwindelassen" häufig zu anschließenden Tötungen führt. 224 Nach Abs. 2 lit. (c) desselben Grundsatzes sollen Intemally Displaced Persons vor shielding geschützt werden. 22S Grundsatz 12 verbietet willkürliche Festnahmen und Geiselnahmen. 226 Grundsatz 13 wendet sich gegen die 221 Hierunter können im Hinblick auf den Due-diligence-Standard auch Formen des Unterlassens fallen, vgl. o. 2. Kap. B. 11. 1. a), 67 ff. 222 Anm. 166, Teil 11. B. Punkt 62. 223 S. Anhang III. 224 Grundsatz 10 Abs. llit. (d) der Guiding Principles on lntemal Displacement, s. Anhang I, lautet: Every human being has the inherent right to life which shall be protected by law.... Intemally displaced persons shall be protected in particular against: (d) Enforced disappearances, including abduction or unacknowledged detention, threatening or resulting in death. 225 Grundsatz 10 Abs. 2 lit. (c) lautet:

Intemally displaced persons shall be protected, in particular, against: (c) Their use to shield military objectives from attack or to shield, favour or impede military operations; 226 Grundsatz 12 lautet: 1. Every human being has the right to liberty and security of person. No one shall be subjected to arbitrary arrest or detention. 2. To give effect to this right for intemally displaced persons, they shall not be intemed in or confined to a camp. If in exceptional circumstances such intemment or confine-

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

generelle Einziehung von Kindern (Abs. 1) sowie diskriminierende und unter Anwendung von körperlicher Gewalt durchgeführte Einziehungen von Internally Displaced Persons (Abs. 2).227 Der Code oJ Crimes der ILC schützt die persönliche Freiheit im Rahmen innerer Unruhen im Hinblick auf Versklavungen und willkürliche Inhaftierungen. Beide Handlungen können gemäß Art. 18lit. (d) beziehungsweise lit. (h) als Verbrechen gegen die Menschlichkeit belangt werden, wenn sie systematischer Art und Weise oder in großem Ausmaß begangen werden. 228 Nach Art. 7 Abs. llit. (e) des Rome StatuteJor the ICCkann derInternationale Strafgerichtshof Inhaftierungen und andere gravierende Fälle von Freiheitsberaubung verurteilen, die gegen grundlegende Regeln des Völkerrechts verstoßen und in großem Ausmaß oder in systematischer Art und Weise vorgenommen werden. Art. 7 Abs. 1 lit. i) erstreckt die Zuständigkeit auf Fälle des "Verschwindenlassens".

III. Der Schutz der persönlichen Freiheit im Rahmen von Bürgerkriegen 1. Menschenrechtliehe Normen

Wie bereits dargestellt, ist der internationalrechtlich normierte Schutz der persönlichen Freiheit nicht notstandsfest. 229 Daher ergeben sich insbesondere in Bürgerkriegssituationen, die häufig Grund für Derogationen sind, große Gefahren für das Recht auf persönliche Freiheit. 230

ment is absolutely necessary, it shall not last longer than required by the circumstances. 3. Intemally displaced persons shall be protected from discriminatory arrest and detention as a result of their displacement. 4. In no case shall intemally displaced persons be taken hostage. 227 Grundsatz 13 lautet: 1. In no circumstances shall displaced children be recruited nor be required or permitted to take part in hostilities. 2. Intemally displaced persons shall be protected against discriminatory practices of recruitment into anyarrned forces or groups as a result of their displacement. In particular any cruel, inhuman or degrading practices that compel compliance or punish noncompliance with recruitment are prohibited in all circumstances. 228 Vgl. UN GA, ILC Report 1996,93/94. 229 Vgl. o. 2. Kap. D. 11. I. a), 99 ff. 230 Vgl. allg. UN ECOSOC, Questiaux-Report, 1982.

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit

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2. Der gemeinsame Art. 3 GK Der gemeinsame Art. 3 GK enthält keine Regelung bezüglich der Inhaftierung von Nichtkombattanten. Hingegen werden Geiselnahmen nach Art. 3 Abs. 1lit. b) ausdrücklich verboten. 231 Die Praxis des shieldings wird vom Wortlaut des Art. 3 nicht direkt erfaßt. Sieht man das shielding mit Deng als grausame oder entwürdigende Behandlung an, so fiele es in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. llit. a) und c). Im übrigen ließe sich ein Verbot des shieldings auch mit dem allgemeinen humanitärrechtlichen Unterscheidungsgrundsatz zwischen Zivilpersonen und Kombattanten begründen. 232 Fälle des "Verschwindenlassens" oder der Zwangsrekrutierung werden vom gemeinsamen Art. 3 GK nicht geregelt.

3. Das II. Protokoll Art. 5 des 11. Protokolls befaßt sich mit dem Schutz derjenigen Personen, denen die Freiheit entzogen wurde. Anders als Art. 4, der im Rahmen "Grundlegender Garantien" bestimmte Verbote festlegt, beinhaltet Art. 5 Verpflichtungen, die in Fällen des Freiheitsentzuges im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten zu beachten sind. Neben Kombattanten fallen auch Zivilisten233 , also auch Internally Displaced Persons in den Anwendungsbereich des Art. 5. Es soll an dieser Stelle genügen festzustellen, daß Art. 5 die Möglichkeit des Freiheitsentzuges im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten voraussetzt, wie sich aus dem Wortlaut der Norm ergibt. Demzufolge verbietet Art. 5 des n. Protokolls die Internierung oder Gefangennahme von Internally Displaced Persons nicht grundsätzlich. 234 Geiselnahmen sind in Ergänzung zum gemeinsamen Art. 3 GK auch durch Art. 4 Abs. 2lit. c) des 11. Protokolls ausnahmslos verboten. Ein ausdrückliches Verbot des "Verschwindenlassens" oder des shieldings sieht dagegen auch das 11. Protokoll nicht vor. Die Rekrutierung von Kindern unter 15 Jahren, sei es mit oder ohne Zwang, wird gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. c) allgemein verboten. 235

231 V gl. Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 39: "Items (b) (taking ofhostages) and (d) .. , prohibit practices which have been fairly general in wartime." 232 Vgl. UN Security Council, Farer-Report, 1993, para. 9. 233 Vgl. Junod, in: SandozlSwinarskilZimmermann (Hg.), para. 4565. 234 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 154. 235 V gl. Reis, Colum.Hum.Rts.L.R. 28 (1997),629,641: ''This innovative prohibition is a total one."

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

4. Die Kinderrechtskonvention Mit Art. 38 Abs. 2 und 3 der Kinderrechtskonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, Kinder unter 15 Jahren nach Möglichkeit nicht einzuziehen und an Kampfhandlungen teilnehmen zu lassen. Die Norm wird zu Recht als Rückschritt gegenüber Art. 4 Abs. 3 lit. c) des 11. Protokolls gewertet, da man sich in der Kinderrechtskonvention auf eine Formulierung mit lediglich appellativem Charakter beschränkt habe. 236 Weitere Kritik richtet sich in erster Linie gegen das niedrige Mindestalter zum Verbot von Zwangsrekrutierungen von nur 15 Jahren. Entsprechend hat eine Arbeitsgruppe der VN-Menschenrechtskommission den Entwurf eines Zusatzprotokolls vorgelegt, nach dessen Art. 2 das Mindestalter auf 18 Jahre erhöht werden sol1. 237

5. Soft Law Die im Zusammenhang mit dem Schutz der persönlichen Freiheit im Rahmen innerer Unruhen erwähnten Deklarationen und Erklärungen238 beziehen sich in der Regel auf sämtliche Konfliktlagen. Sie bedürfen daher keiner erneuten Darstellung. Zusätzlich sind zum einen Art. 20 lit. (f) (iii) des Code oJCrimes der ILC zu beachten, der die Geiselnahme als Kriegsverbrechen, welches auch in nicht-internationalen Konflikten begangen werden kann, benennt. 239 Zum anderen ist Art. 8 Abs. 21it. e) (vii) des Rome StatuteJor the lCC zu nennen, wonach die Zwangsrekrutierung von unter 15jährigen durch bewaffnete Einheiten als schweres Kriegsverbrechen bestraft werden kann.

IV. Bewertung Der Schutz der persönlichen Freiheit der Internally Displaced Persons ist internationalrechtlich in verbindlicher Form nur lückenhaft geregelt. Im Hinblick 236 Vgl. Dorsch, 238 m.w.N. und die Erklärung der Bundesregierung aus Anlaß der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde, abgedruckt bei: Dorsch, 399/400. 237 Vgl. Draft Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on Involvement of Children in Armed Conflicts, UN Doc. ElCN.4119981102 vom 23. März 1998, Annex I. 238 Vgl. o. 2. Kap. D. 11. 3.,106 ff. 239 Vgl. UN GA, ILC Report 1996, 112.

D. Der Schutz der persönlichen Freiheit

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auf die Möglichkeit der Außerkraftsetzung der Normen zum Schutz der persönlichen Freiheit in Fällen nationaler Notstände und der weitgehend fehlenden Regelungen im Bereich des humanitären Völkerrechts läßt sich beim Schutz vor Inhaftierungen eine Schutzlücke ausmachen, von der neben Zivilpersonen im allgemeinen vor allem auch Internally Displaced Persons betroffen sind. 24O Das sogenannte "Verschwindenlassen" von Personen kann nur unter entsprechender Anwendung der verschiedenen menschenrechtlichen Normen als verboten gelten. Gleiches gilt für Fälle des shieldings, sofern man entsprechende Praktiken nicht zugleich als grausame oder unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 7 IPbürg ansieht. Für die beiden zuletzt genannten Formen von Menschenrechtsverletzungen sowie die grundsätzlich umfassend verbotene Geiselnahme ergibt sich wie schon bei den bereits untersuchten Rechten das Problem der fehlenden Bindung nichtstaatlicher Akteure. Der Schutz der Internally Displaced Persons beschränkt sich in diesen Fällen auf das jeweilige nationale Recht. Weiterhin besteht ein nur eingeschränkter Schutz vor Zwangsrekrutierungen von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, da der positivrechtliche Schutz erst beim Alter von 15 Jahren ansetzt. Im Hinblick auf erwachsene displaced persons stellt sich zumindest das Problem der diskriminierenden Einziehung aufgrund ihres Status. Als Lösungsansatz in normativer Hinsicht ist auch hier die Aufnahme entsprechender Verbote in ein internationales Dokument zu nennen. So könnten das "Verschwindenlassen" von Internally Displaced Persons und die Praxis des shieldings ausdrücklich verboten werden, wie dies in Grundsatz 10 Abs. 1 lit. Cd) beziehungsweise Abs. 2lit. Ce) vorgesehen ist. Gleiches gilt für das Verbot der Aushebung von Kindern und Jugendlichen sowie der diskriminierenden Einziehung von erwachsenen Internally Displaced Persons. Erstreckt man den Schutz auf alle Konfliktsituationen, so wären aufständische Verbände als nichtstaatliche Akteure bei Erfüllung organisatorischer Mindesterfordernisse im Sinne des gemeinsamen Art. 3 GK241 zur Beachtung der Verbote verpflichtet.

240 Deng spricht gar vom Bestehen einer klaren Schutzlücke, vgl. UN ECOSOC, DengCompilation, 1995, para.l56. 241 Vgl. o. 2. Kap. B. III. 2., 77 ff.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit: Das Recht, nicht vertrieben zu werden, und das Recht auf Rückkehr

I. Bedeutung und Bedrohung des Rechtsguts Für die Verbindung zum jeweiligen freiwilligen Aufenthaltsort kann es eine Vielzahl von Gründen geben. Diese können etwa in der traditionellen Verwurzelung im Heimatort bestehen oder aber der nur zeitweiligen Wahl eines Ortes zum Zweck der Arbeitsaufnahme oder Bildung.242 Auf die verschiedenen Motivationen kann im Rahmen der vorliegenden juristischen Untersuchung nicht genauer eingegangen werden, da sich komplexe Fragen der Ethnologie, der Anthropologie sowie der Demographie stellen. Festhalten läßt sich jedoch allgemein, daß der Entscheidung über den Aufenthaltsort eine große Bedeutung für die persönliche Lebensgestaltung zukommt. Das Recht, sich innerhalb der Grenzen des eigenen Landes frei zu bewegen und einen bestimmten Wohnsitz zu wählen beziehungsweise die Entscheidung, dies nicht zu tun, ist im Zusammenhang mit Internally Displaced Persons regelmäßig berührt. Dies gilt unabhängig vomjeweils auslösenden Umstand des Ortswechsels. 243 Bedrohungen und tatsächliche Verletzungen des Rechts auf Bewegungsfreiheit ergeben sich für Zivilpersonen auf zahlreiche Art und Weise. Man denke nur an die Fälle der sogenannten "ethnischen Säuberungen" im ehemaligen Jugoslawien, denen in der Staatenpraxis viele vergleichbare Fälle von Zwangsumsiedlungen beziehungsweise Vertreibungen vorausgingen. 244 Hinzu kommen zahlreiche gravierende Verletzungen der bürgerlichen und politischen Rechte oder Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die zur Flucht zwingen und damit ebenfalls eine Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit darstellen können. Die Frage, ob es zugunsten von Zivilpersonen ein Recht gibt, nicht vertrieben zu werden (right not to be displaced oder right to remain), ist für die Rechtsposition der Internally Displaced Persons von zentraler Bedeutung. Läßt sich ein entsprechendes Recht nachweisen, so stellen sich bei dessen Verletzung unter anderem Fragen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Staaten und Individu-

243

Vgl. Jagerskiold, in: Henkin (Hg.), 166, 166/167. V gl. Beyani, 56.

244

Vgl. Schechla, 1WQ 14 (1993), 239, 240-246 m.w.N.

242

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

113

en sowie des Bestehens von Wiedergutmachungsansprüchen zugunsten der jeweiligen Rechtsträger. 245 Ist es zur Zwangsumsiedlung oder Flucht gekommen und der einzelne damit "internally displaced", so ist das Bestehen des Rechts auf Rückkehr als Gegenrecht zu untersuchen. Werden Internally Displaced Persons, die ihre Heimat aus einem der genannten Gründe verlassen mußten, zwangsweise in ihre vorherigen Aufenthaltsorte zurückgebracht, so besteht unter Umständen die Gefahr, arn vormaligen Heimatort erneut Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. In diesem Zusammenhang ist zu klären, welche rechtliche Bedeutung das für das Flüchtlingsrecht anerkannte refoulement- Verbot für Internally Displaced Persons hat.

11. Das Recht, nicht vertrieben zu werden

Zu untersuchen ist zunächst, auf welche Normen ein Recht, nicht vertrieben zu werden, gestützt werden kann. Hierbei ist zu beachten, daß die Frage nach dem Bestehen des Rechtsgrundes, ratione temporis und ratione personae beim Status der betreffenden Personen als Zivilpersonen vor der Vertreibung ansetzt. Im Hinblick auf die geschilderten Bedrohungsursachen bietet sich die Bildung von Fallgruppen an. Zu unterscheiden ist zwischen Zwangsumsiedlungen einerseits sowie der durch Menschenrechtsverletzungen oder bewaffnete Auseinandersetzungen ausgelösten und prinzipiell selbstgesteuerten Flucht andererseits. In dieser Differenzierung spiegelt sich die der Untersuchung zugrundegelegte Definition wider, die Personen umfaßt, die "gezwungen wurden, ihre Heimat oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort zu verlassen oder zu fliehen. ,,246 Hat die einzelne Person den angestammten oder freiwillig gewählten Aufenthaltsort verlassen müssen, sei es aufgrund von Zwangsumsiedlungen oder infolge einer Flucht, so stellt sich die Frage, ob darin in jedem Fall eine Verletzung des

24S Vor diesem Hintergrund erscheint die Auffassung Hathaways wenig konstruktiv, nach der es überflüssig sei, sich überhaupt mit der Frage eines "right to remain" zu befassen, vgl. Hathaway, JRS 8 (1995), 288, 293/294. Zuzustimmen ist ihm jedoch im Hinblick auf die geäußerten Bedenken, daß durch die Beschäftigung mit dem "right to remain" die root causes u. U. nicht angemessen bekämpft würden, 293. Vgl. auch u. 4. Kap. C. 11, 283 ff. 246 Hervorhebung durch den Verfasser, vgl. o. l. Kap. C. 1., 54 ff.

8 Geißler

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Rechts auf Bewegungsfreiheit gesehen werden kann. In Fällen der Zwangsumsiedlung sind die zulässigen Einschränkungen des Rechts auf Bewegungsfreiheit zu beachten. Hinsichtlich der grundsätzlich selbstgesteuerten Flucht ist zu untersuchen, ob bereits in der Verursachung der Flucht die Verletzung eines möglicherweise bestehenden Rechts, nicht vertrieben zu werden, zu sehen ist. Nicht eingehend behandelt wird dagegen die Frage, ob es ein völkerrechtlich anerkanntes Recht auf Heimat gibt. Zumindest in normativer Hinsicht hat das Recht auf Heimat bislang keine ausdrückliche Anerkennung gefunden. 247 Die hier untersuchten Rechte könnten jedoch als Grundlage eines solchen Rechts zu berücksichtigen sein. 248 Im gebotenen Umfang soll geklärt werden, ob sich aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit auch ein Recht zur Flucht innerhalb der Grenzen des eigenen Landes herleiten läßt. Ausgeklammert bleibt jedoch die Problematik der Ausreisefreiheit und die damit verbundene Frage, ob sich aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit auch das Recht, im Ausland Asyl oder zumindest temporary protection zu suchen, herleiten läßt. 249

1. Zwangsumsiedlungen und "ethnische Säuberungen" Unter Zwangsurnsiedlungen sind dem Staat unmittelbar oder mittelbar zurechenbare Maßnahmen beziehungsweise solche oppositioneller Kräfte zu verste-

247 Vgl. de Zayas, AVR 35 (1997), 29 m.w.N.; vgl. auch die grundlegende Abhandlung von Kimminich, Das Recht auf die Heimat, der davon ausgeht, daß das Recht auf Heimat Bestandteil des geltenden Völkerrechts ist, 200/201. Diese Auffassung wurde bzw. wird mit unterschiedlichen Begrundungsansätzen auch von Laun, Bülck, Blumenwitz, du Buy, Dahm und Ermacora vertreten. Ablehnend dagegen Menzel und Seidl-Hohenveldern, vgl. die Nachweise bei Tomuschat, in: FS Partsch, 183, 185/186. Tomuschat selbst ist der Ansicht, daß es sinnlos sei, "sich auf die Suche nach einem wortwörtlich als Heimatrecht ausgeflaggten Recht zu begeben.", 188. 248 V gl. auch Tomuschat, in: FS Partsch, der ein Recht auf Heimat als "Stammrecht" aus verschiedenen im Völkerrecht verankerten "Sekundärrechten" ableitet: Dem Verbot der Vertreibung der Bevölkerung aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet, dem in erster Linie auf das Selbstbestimmungsrecht gestützten Recht auf Rückkehr und dem Verbot, ein durch Vertreibung entstandenes Vakuum durch neue Bewohner zu füllen, 183, 189-204. Vgl. auch Blumenwitz, AWR-Bull. 1989,77,81-88. 249 Vgl. allgemein zur Ausreisefreiheit: Hannum, The right to leave and return in internationallaw u. Hofmann, Die Ausreisefreiheit nach Völkerrecht und staatlichem Recht, Heidelberg 1988, jeweils m. w.N.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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hen, die zur erzwungenen Verlegung des Aufenthaltsortes innerhalb der Grenzen des jeweiligen Staates führen. 25o Den umgesiedelten Personen wird in der Regel ein bestimmter Ort oder ein Lager zugewiesen, in dem die Bewegungsfeiheit weiter eingeschränkt oder zumindest kontrolliert wird. 251 Den Zwangsumsiedlungen können militärstrategische, politische oder humanitäre Erwägungen zugrundeliegen, oft handelt es sich auch um eine Kombination verschiedener Motive. 252 Im untersuchten Kontext handelt es sich in der Regel um Maßnahmen, die zur Bekämpfung oppositioneller Kräfte beziehungsweise der Regierung angeordnet werden. 253 Anders zu beurteilen sind hingegen Fälle sogenannter "ethnischer Säuberungen." Zwar können auch "ethnische Säuberungen", die de Zayas zu Recht als altes Verbrechen unter neuem Namen bezeichnet25 4, Zwangsumsiedlungen darstellen. Das auslösende Motiv und die angewendeten Methoden sind jedoch besonders drastisch. Eine anerkannte Definition des Begriffs "ethnische Säuberungen", der im Zusammenhang mit den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien traurige Berühmtheit erlangt hat, existiert nicht. Mazowiecki, der Sonderberichterstatter der VN-Menschenrechtskommission zur Menschenrechtslage im ehemaligen Jugoslawien, beschrieb ethnic cleansing wie folgt:

250 Vgl. Bassiouni, 301; Henckaerts, Vand. J.Transnat'l L. 26 (1993/1994), 469, 472; Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), 249,280; a.A.: Meindersma, NILR 1994, 31, 33; vgl. auch Palley, in: Essays in honour of Eide, 219, 227, die zahlreiche Fällen der Staatenpraxis benennt, u. a. die ehemalige Sowjetunion (Lettland, Estland, Litauen, Abchasien, Moldavien, Nagomy-Karabach, Kasachstan und Tschetschenien), das ehemalige Jugoslawien (Kosovo, Kroatien und Bosnien-Herzegowina), der Irak bzgl. der Turkmenen, Assyrer und Kurden, Ceylon (Sri Lanka) bzgl. der Tamilen, Bangladesh bzgl. der Chittagong, Marokko bzgl. der West-Sahara, Albanien bzgl. Griechen und die Republik Zypern bzgl. griechischer Zyprioten. 251 V gl. UN ECOSOC, Al-KhasawnehIHatano-Report, 1993, para. 227; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 222; vgl. auch 0.2. Kap. D. 11. 1. b), 102/l03. 252 Al-Khasawneh und Hatano nennen in ihrem Report insgesamt 18 verschiedene Motive beziehungsweise Situationen, die zu Zwangsumsiedlungen führen können, vgl. paras. 30-79. 253 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, paras. 25-30; Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 697; Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 280; Meindersma, NILR 1994,31,34. 254 V gl. de Zayas, A VR 35 (1997), 29, 56/57; de Zayas weist dort auch auf den Ursprung des Begriffs und Fälle aus der Staatenpraxis bis 1945 hin, 31-36. Eine hervorragende Abhandlung zu den historischen Zusammenhängen "ethnischer Säuberungen" findet sich bei Bell-Fialkoff, 7-51.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

"ethnic cleansing" may be equated with the systernatic purge ofthe civilian population based on ethnic criteria, with the view to forcing it to abandon the territories where it lives. 255

Zu den zu diesem Zweck angewandten Zwangsmitteln zählen unter anderem Massenmord, Folterungen, Vergewaltigungen und andere Formen geschlechtlichen Mißbrauchs, schwere körperliche Mißhandlungen oder die Zerstörung persönlichen oder öffentlichen Eigentums. 256 Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, daß die genannten Maßnahmen schon aufgrund anderer menschenrechtlicher Normen, die überwiegend Ius-cogens-Charakter haben, verboten sind. 257 Es soll daher in diesem Abschnitt genügen, zu untersuchen, wie sich der Schutz vor weniger eingriffsintensiven Fällen von Zwangsumsiedlungen im Rahmen von inneren Unruhen und Bürgerkriegen gestaltet. Zuvor ist jedoch noch auf das Merkmal des Zwanges zur Umsiedlung einzugehen. Zwangsumsiedlungen umfassen begriffsnotwendig nicht die Fälle freiwilliger Umsiedlungen, also jene, die mit dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Einverständnis der Betroffenen erfolgen. 258 Ähnlich dem Fall der grundsätzlich freiwillig getroffenen Entscheidung zur Migration, fehlt einverständlichen Umsiedlungen ein menschenrechtlich relevantes Element. 259 Zustimmungen zur Umsiedlung in einen anderen Landesteil müssen jedoch nachweisbar freiwillig erfolgt sein und dürfen nicht Ergebnis irgendeiner Form von Zwang sein. Als Zwang muß beispielsweise auch der von Verfolgungsmaßnamen gegenüber der Bevölkerung

255 UN ECOSOC, Mazowiecki-Report, 2/1994, para. 283. Zu anderen, im Ergebnis weitgehend übereinstimmenden Definitionen vgl. Petrovic, EJIL 5 (1994), 342, 351 m.w.N. 256 So die Ergebnisse der zur Untersuchung der Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in Bosnien-Herzegowina eingesetzten Kommission unter Vorsitz von M. eheri! Bassiouni, UN SI1994/674 vom 27. Mai 1994, para. 134; vgl. UN ECOSOC, Mazowiecki-Report, 811992, paras. 6-32; in seinem anschließenden Bericht zur Menschenrechtslage im ehemaligen Jugoslawien geht Mazowiecki wohl nicht zu Unrecht davon aus, daß "ethnische Säuberungen" nicht Folge, sondern Ziel des dortigen Krieges waren, UN ECOSOC, Mazowiecki-Report, 10/1992, para. 6. Auch das Vorgehen der jugoslawischen Armee gegenüber Zivilpersonen im Kosovo wird überwiegend als "ethnische Säuberung" bezeichnet, vgl. etwa SZ vom 05.08.1998 und 29.08.1998. 257 Vgl. auch Petrovic, EJIL 5 (1994), 342, 353-358, der Bezüge zu den Genfer Konventionen von 1949, den Tatbeständen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie des Völkermords herstellt. 258 Vgl. UN ECOSOC, AI-Kasawneh-Report, 1994, para. 24; vgl. auch 0.1. Kap. B. V. 2. u. 3., 51 ff. 259 Vgl. auch Stavropoulou, Am.UJ. Int'l L. & Pol'y 9 (1994), 689, 742.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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ausgehende Druck verstanden werden, der zu "Zustimmungen" oder schriftlichen Erklärungen führt, den Herkunftsort freiwillig und auf Dauer zu verlassen?60

a) Der Schutz vor Zwangsurnsiedlungen im Rahmen innerer Unruhen ( J) Der IPbürg Der IPbürg schützt nach keiner Norm ausdrücklich vor willkürlichen Zwangsumsiedlungen. In Betracht kommt jedoch die Herleitung des Schutzes vor Zwangsurnsiedlungen und damit eines Rechts, nicht vertrieben zu werden, aus Art. 12 Abs. 1 IPbürg. Der Schutzbereich des Art. 12Abs. 1 umfaßt das Recht zugunsten Staatsangehöriger61 , sich innerhalb der Grenzen des eigenen Landes frei zu bewegen und den Wohnsitz frei zu wählen. 262 Hieraus läßt sich e contra rio schließen, daß dies auch für die gegenteilige Entscheidung gilt, also jene, amjeweiligen Aufenthaltsort zu verbleiben. Wird in diese Entscheidungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen eingegriffen, so liegt auch ein Eingriff in das Recht, am Aufenthaltsort zu bleiben, beziehungsweise nicht vertrieben zu werden, vor. Gemäß dieser Argumentation gehen Al-Khasawneh und Hatano davon aus, daß sich aus Art. 12 IPbürg ein "right to remain" folgern lasse. Dieses ergebe sich logisch aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit, welches auch das Recht umfasse, sich nicht fortzubewegen?63 Goldman ist der Ansicht, aus Art. 12 IPbürg (sowie 260 V gl. Beyani, 49; UN ECOSOC, Mazowiecki-Report, 2/1993, paras. 95-102, der über erzwungene Zustimmungen zur Umsiedlung in Bosnien-Herzegowina berichtet. Zu entsprechenden Vorfällen in Abchasien, Georgien, vgl. Report of the Secretary-General' s factfinding mission to investigate human rights violations in Abkhazia, Republic of Georgia, Annex, para. 38 u. Mooney, Int'l J. Group Rts. 1996, 197,204. 261 Auf die Frage, wie sich der Schutzbereich des Rechts auf Freizügigkeit für Ausländer auf dem Gebiet des Aufenthaltsstaates gestaltet, kann im Rahmen der Abhandlung nicht eingegangen werden. 262 Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 12 paras. 11/12. 263 Vgl. UN ECOSOC, AI-KhasawnehIHatano-Report, 1993, para. 228; entsprechend UN ECOSOC, AI-Khasawneh-Report, 1994, para. 37; Meindersma, NILR 1994, 31,67/68; vgl. auch UN GA, Arzt-Study, 1997, 11; Weinberg, MRM, Themenheft ,,50 Jahre AEMR" 1997, 51, 63/64 speziell in bezug auf Minderheitenangehörige; rechtshistorisch interessant, läßt sich ein "Recht zu bleiben" bis zur französischen Verfassung von 1791 zurückverfolgen. Bei den grundlegenden Garantien des ersten Titels heißt es dort: La Constitution garantit pareillement, comme droits natureIs et civils: La liberte atout homme d'aller, de rester, de partir ... (Hervorhebung durch den Verfasser). Zitiert nach: Duguit/Monnier, 197,200.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

aus Art. 13 der AEMR und Art. 22 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention264 ) lasse sich ein "right against forced displacement" herleiten. 265 Er vergleicht die Herleitung mit der des Schutzes vor" Verschwindenlassen. " Auch dort sei entsprechender Schutz zunächst nur als inunanenter Bestandteil des Rechts auf Leben angesehen worden. 266 Andere äußern sich dagegen vorsichtiger. 267 Es wird zwar für möglich gehalten, ein "right to remain" aus dem Recht auf Freizügigke}t herzuleiten. Vor dem Hintergrund neuer normativer Ansätze in diesem Bereich erscheine jedoch eine ausdrückliche Nennung eines entsprechenden Rechts zur besseren Durchsetzung vorzugs würdig. 268 Im völkerrechtlichen Schrifttum herrscht jedoch Einigkeit darüber, daß durch Zwangsumsiedlungenjeder Form in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. lIPbürg eingegriffen wird. 269 Dies gilt sowohl für den Akt der Umsiedlung selbst, als auch die folgenden Beschränkungen der Freizügigkeit. Wie bereits an anderer Stelle dargestellt, kann es durch die Internierung in geschlossenen Lagern infolge von Zwangsumsiedlungen auch zu einer Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit kommen. 27o

264 American Convention on Human Rights vom 22. November 1969; OAS Doc. OAFl SER.L.N/II.23, Doc. 2 Rev. 2, in Kraft getreten am 18. Juli 1978, im folgenden: AMRK. An nicht näher untersuchten regionalen Normen, die die Bewegungsfreiheit garantieren, sind außerdem Art. 2 Abs. 1 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK, Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze des Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder dem ersten Zusatzprotokoll enthalten sind vom 16. November 1963, BGBI. 196811,423; ETS No. 46 und Art. 12 Abs. 1 der Banjul Charta, African Charter on Human Rights and Peoples Rights, OAU Doc. CAB/LEC.67/3Rev.5 (1981); ILM 21(1982), 59 zu nennen. 265 Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 519; ähnlich auch: Stavropoulou, Am.U.J. Int'! L. & Pol'y 9 (1994), 689, 726, 739; vgl. auch Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 292: "the "negative" aspect of this right (the freedom of movement), i.e. the freedom not to be moved against one's will or not to be displaced."; Kälin, in: Lavoyer (Hg.), 15, 18119; UN ECOSOC, Deng-Compilation 11, 1998,11. A. 266 Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 519 m.w.N. 267 V gl. Eide/RosasJMeron, Background paper zur Turku Declaration, 11. 268 V gl. Eide/RosasJMeron. Background paper zur Turku Declaration, 11. 269 Vgl. Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 280; Lewis, Geo.lmrnigr.L.J. 6 (1992), 693, 697; Stavropoulou, Am.U.J. Int'! L. & Pol'y 6 (1994), 689, 739; UN ECOSOC, AI-Khasawneh-Report, 1994, para. 37. 270 Vgl. O. 2. Kap. D. 11. 1. b), 1021103 und UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 222; vgl. auch Nowak, U.N. Covenant, Art. 12, para. 11, der auf die fließenden Grenzen der bei den Rechtsgüter hinweist.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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Zwangsumsiedlungen verletzen jedoch nicht zwangsläufig das Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 12 Abs. 1 IPbürg, da das Recht nach dessen Abs. 3 eingeschränkt werden kann. Die Beschränkung muß nach nationalem Recht vorgesehen, notwendig zur Erreichung eines der in Abs. 3 genannten Ziele und mit den übrigen anerkannten Rechten des IPbürg vereinbar sein. Als nicht notstandsfestes Recht kann das Recht auf Freizügigkeit zudem im Fall eines öffentlichen Notstandes im Sinne des Art. 4 IPbürg außer Kraft gesetzt werden. 271 Hinsichtlich der Einschränkungsmöglichkeiten nach Art. 12 Abs. 3 IPbürg ist auf die generell gebotene restriktive Auslegung von Ausnahmevorschriften hinzuweisen. Die Anwendung der Norm darf weiterhin nicht dazu dienen, unverhältnismäßige, willkürliche oder diskriminierende Maßnahmen zu rechtfertigen. Gewisse Bedenken werden im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung der Begriffe der "nationalen Sicherheit" sowie der "öffentlichen Ordnung" (ordre public) geäußert. Diese Bedenken beruhen auf der vergleichsweise offenen und ungenauen Fassung der Begriffe, die zu weitgehenden Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit führen könnte. 272 Beispielsweise könnten Einschränkungen, die dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienen, auch bei inneren Unruhen oder drohenden terroristischen Angriffen angeordnet werden. 273 Kommt es allerdings vor diesem Hintergrund zu großangelegten Zwangsumsiedlungen, so dürften diese als unverhältnismäßige Maßnahmen nach Art. 12 Abs. 3 IPbürg unzulässig sein. 274

(2) Die Konvention gegen Rassendiskriminierung Art. 5 Abs. 1 lit. (d) (i) der Konvention gegen Rassendiskriminierung entspricht inhaltlich Art. 12 Abs. 1 IPbürg. Hinsichtlich des Schutzbereichs kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Kommt es zu Vertreibungen beziehungsweise Zwangsumsiedlungen aus rassistischen Gründen, so muß darin eine Verletzung des Art. 5 Abs. Ilit. (d) (i) der Konvention gegen Rassen-

271 V gl. o. 2. Kap. D. 11. 1. a), 99 ff. zur Außerkraftsetzung des Rechts auf persönliche Freiheit, Art. 9 IPbürg. Al-Khasawneh u. Hatano weisen auf das Problem der häufigen und übermäßig langen Außerkraftsetzung von Normen hin, DN ECOSOC, Al-Khasawnehl Hatano-Report, 1993, para. 62; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation 11, 1998,11. A. 212 V gl. Hannum, 27-32; UN ECOSOC, AI-KhasawneMlatano-Report, 1993, paras. 38, 74,230,371; Nowak, D.N. Covenant, Art. 12, paras. 34-36 m.w.N. 273 Vgl. Nowak, D.N. Covenant, Art. 12, para. 36. 274 Vgl. Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 5291530 m.w.N.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

diskriminierung gesehen werden. 275 Der zur Überwachung der Einhaltung der Konvention nach Art. 8 eingesetzte Ausschuß 276 stellte etwa im Zusammenhang mit der Untersuchung der Vorfälle in Bosnien-Herzegowina fest, daß die dort praktizierten "ethnischen Säuberungen" gegen die Grundprinzipien der Konvention verstießen. 277

(3) Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1989 Als erste und bislang einzige völkerrechtlich verbindliche Rechtsnorm verbietet Art. 16 Abs. 1 der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)278 grundsätzlich die Umsiedlung von indigenen Völkern und Stämmen und statuiert damit ein Recht, nicht vertrieben zu werden. Art. 16 Abs. 1 und 2 der ILO-Konvention 169 lauten: 1. Subject to the following paragraphs of this Article, the peoples concerned shall not be removed from the lands which they occupy. 2. Where the relocation of these peoples is considered necessary as an exceptional measure, such relocation shall take place only with their free and informed consent. Where their consent cannot be obtained, such relocation shall take place only following appropriate procedures established by nationallaws and regulations, including public inquiries where appropriate, which provide the opportunity for effective representation of the peoples concerned.

Zu beachten ist jedoch, daß der Regelungsbereich der Konvention überwiegend den Kontext der hier nicht näher untersuchten Entwurzelungen aufgrund von wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Entwicklungsprojekten betrifft. 279 Im übrigen hat die Konvention bislang einen nur sehr geringen Ratifikationsstand erreicht. 280 Wegen des möglichen Modellcharakters der Konvention für den Schutz bürgerlicher und politischer Rechte soll dennoch in Kürze auf ihren Regelungsgehalt eingegangen werden. m Vgl. Stavropoulou, Am.UJ.lnt'l L. & Pol'y 6 (1994), 689, 721; vgl. auch dies, in:

Little, ASIL Proc. 90 (1996), 551, zu Art. 26 IPbürg, der ein allgemeines Diskriminierungsverbot enthält, welches auch bei Vertreibungen aufgrund von rassistischen Motiven verletzt ist. 216 Committee on the Elimination of Racial Discrimination, im folgenden: CERD. 211 UN GA, Report ofthe CERD, 1995, para. 219. 218 Convention concerning Indigenous and Tribal Peoples in Independent Countries, ILO Official Bulletin, Vol. 72 (1989), 59, in Kraft getreten am 5. September 1991, im folgenden: ILO-Konvention 169. 219 Vgl. Stavropoulou, Am.UJ.Int'l L.& Pol'y 9 (1994), 689, 728-733 m.w.N. 280 Zum 1. Juni 1998 hatten lediglich 10 Staaten die ILO-Konvention 169 ratifiziert.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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Eine Umsiedlung ist als Ausnahme vom prinzipiell geltenden Verbot möglich, falls sie als außergewöhnliche Maßnahme für notwendig erachtet wird ("considered necessary as an exceptional measure"). Die Umsiedlung soll dann grundsätzlich mit Zustimmung der betroffenen Völker beziehungsweise Stämme erfolgen ("free and informed consent"). Kann die Zustimmung jedoch nicht erreicht werden, so ist die Umsiedlung bei Gewährleistung angemessener Verfahren ("appropriate procedures") auch ohne Zustimmung möglich, vergleiche Art. 16 Abs. 2 der Konvention. Die Konvention begegnet zum Teil scharfer Kritik, in der Hauptsache von Interessenvertretern indigener Völker. So erlaube das Kriterium der Notwendigkeit der Umsiedlung eine freie und daher international schwer zu überprüfende Ermessensentscheidung des jeweiligen Staates. Weiterhin seien die Entschädigungsrechte, insbesondere die Zurverfügungstellung eines Landstücks gleicher Qualität nach Art. 16 Abs. 4, eine contradictio in terminis im Hinblick auf die besondere Bedeutung des heimischen Landes für indigene Völker und Stämme. 281

(4) Soft Law

Ein Recht, nicht vertrieben zu werden, ergibt sich ausdrücklich oder konkludent aus verschiedenen nichtverbindlichen internationalen282 Dokumenten. Art. 13 Abs. 1 der AEMR entspricht inhaltlich Art. 12 Abs. 1 IPbürg. Gemäß der obigen Interpretation des Rechts auf Bewegungsfreiheit und freien Wahl des Wohnsitzes, läßt sich auch aus Art. 13 Abs. 1 AEMR ein Recht, nicht vertrieben zu werden, im Umkehrschluß herleiten. Der Unterausschuß der VN für die Verhütung von Diskriminierungen und Minderheitenschutz hat sich in Resolution 1996/9 mit den im Zusammenhang mit dem Recht auf Bewegungsfreiheit stehenden Rechten befaßt. In der Resolution bekräftigt die Kommission an vorderster Stelle das Recht, nicht vertrieben zu werden:

281 Vgl. UN ECOSOC, Al-KhasawnehIHatano-Report, 1993, paras. 256-258 m.w.N; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation II, 1998, III. m Auf regionaler Ebene verdient die "Cairo Declaration on the Protection of Refugees and Displaced Persons in the Arab World" Erwähnung. In Art. 1 wird unter anderem das grundlegende Recht jedes einzelnen zur Bewegungsfreiheit innerhalb der Grenzen des eigenen Landes bekräftigt, vgl. Institute ofIntemational Humanitarian Law (Hg.), Fourth seminar of Arab experts on asylum and refugee law, 31.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

I. Affirrns the right of persons to remain in peace in their own hornes, on their own lands and their own countries;283

Art. 7 Abs. 1 der Turku Declaration 284 fonnuliert ebenfalls ein "right to remain". Art. 7 Abs. 1 lautet: I. All persons have the right to remain in peace in their hornes and their places of residence.

Nach Art. 7 Abs. 2 sind bestimmte Einschränkungen des Rechts, nicht vertrieben zu werden, zulässig. So kann die Verlegung der gesamten Bevölkerung oder Teilen davon angeordnet werden, wenn deren persönliche Sicherheit oder zwingende Sicherheitsgründe dies erfordern. 28s Ausführliche Regelungen zum Schutz vor displacement, also sowohl vor Vertreibungen, als auch vor Zwangsumsiedlungen, sieht der 2. Abschnitt der Guiding Principles on Internal Displacement vor. Nach Grundsatz 5 sind alle Staaten und andere De-Jacto-Staatsgewalten sowie internationalen Akteure gehalten, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen zu achten und keinen Anlaß zu bieten, der zu internal displacement führen könnte. 286 Die Grundsätze 8 und 9 konkretisieren die Staatenverpflichtungen im Hinblick auf andere Menschenrechte (Leben, Menschenwürde, Freiheit und Sicherheit der Person)287 sowie besonders schutzbedürftige Personengruppen, wie indigene Völker und Minderheiten. 288 Nach Grundsatz 283 Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities RES/1996/9 vom 23. August 1996, UN ElCN.4/199712, para. I. 284 S. Anhang III. 285 Art. 7 Abs. 2 läßt damit weitergehende Einschränkungen zu als Art. 17 des 11. Protokolls, da nach Art. 17 Zwangsverlegungen neben der persönlichen Sicherheit nur bei zwingenden militärischen Erfordernissen angeordnet werden dürfen, vgl. u. 2. Kap. E. 11. I. b) (2), 125 ff. Aufgrund des ansonsten sehr weitgehenden Ansatzes der Turku Declaration dürfte es sich jedoch um ein redaktionelles Versehen handeln, da kaum anzunehmen ist, daß mit der Deklaration ein gegenüber dem bereits bestehenden Rechtsschutz restriktiverer Ansatz beabsichtigt ist. 286 Grundsatz 5 der Guiding Principles on Internal Displacement, Anhang I, lautet: All authorities and international actors shall respect and ensure respect for their obligations under internationallaw, including human rights and humanitarian law, in all circumstances, so as to prevent and avoid conditions that might lead to displacement of persons. 287 Grundsatz 8 der Guiding Principles lautet: Displacement shall not be carried out in a manner that violates the rights to life, dignity, liberty and security of those affected. 288 Grundsatz 9 der Guiding Principles lautet: States are under a particular obligation to protect against the displacement of indigenous peoples, minorities, peasants, pastoralists and other groups with a special dependency on and attached to their lands.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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6 steht allen Menschen ein umfassender Schutz vor willkürlicher Vertreibung oder Zwangsumsiedlung ZU. 289 Kommt es ausnahmsweise zu notwendigen Umsiedlungen, so sind diese nach Grundsatz 7 an konkrete Bedingungen gebunden. 290

Grundsatz 6 der Guiding Principles lautet: 1. Every human being shall have the right to be protected against being arbitrarily displaced from his or her horne or place of habitual residence. 2. The prohibition of arbitrary dispalcement includes displacement: (a) When it is based on policies of apartheid, "ethnic cleansing" or similar practices aimed atlor resulting in altering the ethnic, religious or racial composition of the affected population; (b) In situations of armed conflict, unless the security of the civilians involved or imperative military reasons so demand; (c) In cases oflarge-scale development projects which are not justified by compelling or overriding public interests; (d) In cases of disasters unless the safety and health of those affected requires their evacuation; and (e) When it is used as a collective punishment. 3. Displacement shalilast no longer than required by the circumstances. 290 Grundsatz 7 der Guiding Principles lautet: I. Prior to any decision requiring the diplacement of persons, the authorities concerned shall ensure that all feasible alternatives are explored in order to avoid displacement altogether. Where no alternatives exist, all measures shall be taken to minimize displacement and its adverse effects. 2. The authorities undertaking such displacement shall ensure, to the greatest practical extent, that proper accommodation is provided to the displaced persons, that such displacements are effected in satisfactory conditions of safety, nutrition, health and hygiene, and that members of the same family are not separated. 3. If displacement occurs in situations other than during the emergency stages of armed conflicts and disasters, the following guarantees shall be complied with: (a) A specific decision shall be taken by aState authority empowered by law to order such a measure; (b) Adequate measures shall be taken to guarantee to those be displaced full information on the reasons and procedures for their displacement and, where applicable, on compensation and relocation; (c) The free and informed consent of those to be displaced shall be sought; (d) The authorities concerned shall endeavor to involve those affected, particularly women, in the planning and management of their relocation; (e) Law enforcement measures, where required, shall be carried out by competent legal authorities; and (f) The right to an effective remedy, including the review of such decisions by appropriate judicial authorites, shall be respected. 289

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Nach Art. 12 der ILA Draft Declaration on lnternally Displaced Persons werden Internally Displaced Persons vor Zwangsumsiedlung oder Vertreibung geschützt. 291 Der Ansatz, nur Internally Displaced Persons unter den Schutz der Norm zu stellen, überzeugt indes nicht. Zeitlich und materiell müßte der Schutz bereits vor der Zwangs vertreibung oder Umsiedlung bestehen. Zwar mag es im Einzelfall auch nach bereits erfolgter Zwangsumsiedlung oder Flucht zu weiteren zwangsweisen Umsiedlungen oder Vertreibungen kommen. Unter Berücksichtigung der praktischen Konstellationen des internal displacement ist jedoch festzustellen, daß die ILA Draft Declaration oJ Principles ratione temporis und ratione personae einen falschen Ansatzpunkt wählt. 292 Nach Art. 18 lit. g) des Code oJ Crimes der ILC sollen neben Deportationen auch willkürliche Zwangsumsiedlungen ("arbitrary ... forcible transfer of population") innerhalb der Grenzen eines Staates als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestraft werden, wenn sie in großem Umfang oder in systematischer Art und Weise durchgeführt werden. 293 Nach Art. 7 Abs. 1 lit. d) des Rome Statute Jor the lCC erstreckt sich die materielle Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs auch auf Zwangsumsiedlungen. Umfaßt sind neben Deportationen auch Zwangsumsiedlungen innerhalb des eigenen Territoriums. Zwangsumsiedlungen werden entsprechend des Code oJ Crimes als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft, wenn sie in großem Umfang oder in systematischer Art und Weise durchgeführt werden. Im Unterschied zum Code oJ Crimes stellt das Statut nicht auf den Begriff der Willkür ab, sondern verlangt zur Rechtfertigung einer Zwangsumsiedlung das Vorliegen völkerrechtlich anerkannter Ausnahmegründe, vergleiche die Begriffsinterpretation in Art. 7 Abs. 2 lit. d) des Statuts. 291

Art. 12 der Draft Declaration lautet:

1. Internally displaced persons are entitled, to the fullest extent possible, in accordance with internationallaw, to freedom of movement, including the right not to be displaced. 2. No internally displaced person shall be compelled to leave his or her horne or place of habitual residence due to persecution or discrirnination based on race, religion, nationality, membership of a particular social group or political opinion, or subject to such persecution or discrirnination subsequent to displacement. 3. Measures aimed at deliberate alteration of the demographic composition of a given region (e.g. "ethnic cleansing") or at genocide are strictly prohibited. Where forced displacement results from compelling exigencies, such as natural disasters or armed attacks that necessitate partial or total evacuation of an area, evacuees have the right to return to their hornes or places of habitual residence as soon as the conditions giving rise to their evacuation have ceased. 292 Vgl. auch u. 4. Kap. B.1. 2., 267 ff. 293 V gl. UN GA, ILC Report 1996, 94 sowie die Kommentierung der ILC, 100.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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b) Der Schutz vor Zwangsumsiedlungen im Rahmen von Bürgerkriegen

(1) Der gemeinsame Art. 3 GK Der gemeinsame Art. 3 GK enthält keine Vorschrift, die die Bewegungsfreiheit von Zivilpersonen garantiert. Entsprechend findet sich auch kein ausdrückliches Verbot von Zwangsumsiedlungen. Mit Rücksicht auf den durch den gemeinsamen Art. 3 GK normierten humanitärrechtlichen Mindeststandard wird seitens einiger Autoren darauf hingewiesen, daß Zwangsurnsiedlungen durchaus in dessen Anwendungsbereich fallen könnten. 294 Dies gelte vor allem für diejenigen Fälle, in denen es zu Beeinträchtigungen des Rechts auf Leben oder der körperlichen Unversehrtheit komme. Ergänzend wird zutreffend darauf hingewiesen, daß zwangsweise Urnsiedlungen ohne Angriffe auf die im gemeinsamen Art. 3 GK geschützten Rechtsgüter im Rahmen von Bürgerkriegen kaum denkbar seien. 295

(2) Das II. Protokoll Eine der Schlüsselnormen für den Rechtsschutz der Internally Displaced Persons im Rahmen nicht-internationaler Konflikte stellt Art. 17 Abs. 1 des 11. Protokolls dar. Mit der Einführung des Art. 17 wurden er~tmals Zwangsverlegungen der Zivilbevölkerung während nicht-internationaler bewaffneter Konflikte geregelt. Art. 17 des 11. Protokolls orientiert sich am Wortlaut des Art. 49 der IV. GK, der das Verbot der Deportation von Zivilisten aus besetzten Gebieten regelt. 296 Die Motive der Einführung des Art. 17 ergaben sich aus der beobachteten Staatenpraxis: Oft wurden (und werden) Zwangsumsiedlungen im Rahmen von großangelegten Maßnahmen zur Bekämpfung oppositioneller Kräfte angewandt. Ziel dieser Maßnahmen ist es regelmäßig, "to dry up the sea in which guerrilla

294 Vgl. Henckaerts, Vand. J.Transnat'l L. 26 (1993/94),469,516/517; UN ECOSOC, Al-KhasawnehIHatano-Report, 1993, para. 168; de Zayas, Harv. Int'l LJ. 16 (1975), 207, 221; ders., AVR 35 (1997), 29, 39: "Vertreibungen oder Verschleppungen fallen unter ArtikeI3." 295 Vgl. Henckaerts, Vand. 1. Transnat'l L. 26 (1993/94), 469, 517 m.w.N.; de Zayas, Harv. Int'l L.J. 16 (1975), 207, 221. 296 Vgl. auch die Art. 43,46 und 50 der Haager Landkriegsordnung, die ein implizites Verbot von Massenausweisungen aus besetzten Gebieten enthalten. Anlage zum Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges vom 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, 132, abgedruckt in: SchindlerlToman, The laws of armed conflicts, 63.

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2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

fish swim."297 Vor diesem Hintergrund sind Zwangsumsiedlungen oftmals mit brutalen Mitteln angewandte Kampfmethoden. Als weiteres Motiv der Einführung des Art. 17 wird das Verbot ethnisch veranlaßter Zwangsumsiedlungen genannt, die darauf gerichtet sind, ein bestimmtes Gebiet als ethnisch homogen leichter zu beherrschen. 298 Während der völkergewohnheitsrechtliche Rechtscharakter des Alt. 49 der IV. GK weitgehend anerkannt ist299 , läßt sich dies bislang nicht für Art. 17 des 11. Protokolls sagen. Dies gilt vor allem in Hinblick auf die fehlende Staatenpraxis, die die Akzeptanz des Regelungsgehalts der Norm bestätigen würde. 3°O Zudem ist fraglich, ob sich aus den genannten Erklärungen, die sich mit dem Schutz der Bewegungsfreiheit befassen301 , eine entsprechende opinio iuris herleiten läßt. Art. 17 Abs. 1 S. lIegt ein grundsätzliches Verbot von Zwangsumsiedlungen fest, wie sich aus der Formulierung als Regel-Ausnahmevorschrift ergibt. Geschützt werden gleichermaßen Individuen wie Personengruppen. 302 Als Ausnahmen werden nur im Zusammenhang mit dem Konflikt stehende Maßnahmen anerkannt, die entweder der Sicherheit der betroffenen Personen dienen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten sind, Art. 17 Abs. 1 S. 1 2. HS. Der erste Ausnahmegrund, Maßnahmen zur Sicherheit der betroffenen Personen, wirft keine weiteren Probleme auf. Hingegen bedarf der Grund der "imperative military reasons" der Interpretation. Da es sich um "zwingende" Gründe handeln muß, sollte sich der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auf wenige Fälle beschränken. Der die Maßnahme anordnenden Regierung oder dem oppositionellen Verband im Sinne des Art. 1 des 11. Protokolls obliegt die Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Ausnahmegründe. 303 Keinesfalls dürfen Verlegungen pauschal aus Gründen der Staatssicherheit angeordnet werden. 304 Hierin kann durchaus eine Beschneidung der staatlichen Souveränität gesehen werden. 30s Denn die Norm 297

V gl. BothelPartschiSolf, 691; Mangas, 1151116; vgl. auch Rufin, in: Jean (Hg.), 149,

154. Vgl. BotheiPartschiSolf, 691. Vgl. Henckaerts, VandJ. ofTransnat'l.L. 26 (1993/94),469,482-484 m.w.N. 300 Vgl. Greenwood, in: Essays in honour of Kalshoven, 93,113; Meron, Human rights and humanitarian norms as customary law, 76. 301 Vgl. o. 2. Kap. E. 11.1. a) (4),117 ff. 302 Vgl. Junod, in: Sandoz/Swinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4852 303 V gl. Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517,539. 304 Vgl. Junod, in: Sandoz/Swinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4854; Mangas, 115. 30S V gl. Levie, 531 u. 536/537 zur Intervention der kanadischen Delegation, die sich aus diesem Grunde - aus heutiger Sicht eher überraschend - für die Nichtaufnahme des Art. 29 (so der Entwurf des jetzigen Art. 17) in das Protokoll einsetzte. 298

299

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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führt dazu, daß es den Vertrags staaten nicht länger frei steht, die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit beliebigen Mitteln wiederherzustellen. Nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 sind bei Zwangsumsiedlungen, die aus einem der in Satz 1 genannten Gründe vorgenommen werden müssen, alle durchführbaren ("possible") Maßnahmen zu treffen, die dem Schutz der betroffen Personen dienen. Wichtig ist hier vor allem der Begriff der Sicherheit, nach dem die Personen nicht in die Nähe militärischer Objekte verlegt werden dürfen. 306 Verlegungen von Kindern, auch zwangsweise, sind nach Art. 4 Abs. 3 lit. e) des 11. Protokolls zulässig, sofern sie den Schutz der Kinder zum Ziel haben. Die Norm berücksichtigt damit die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern in bewaffneten Konflikten. Entsprechend dürfen Kinder unter besonderen Umständen vorübergehend in ein sicheres Gebiet evakuiert werden. Die Zustimmung der Eltern oder Sorgeberechtigter soll nach Möglichkeit eingeholt werden, ist also nicht in jedem Fall erforderlich. 307

(3) Soft law Nichtverbindliche Normen zum Schutz der Bewegungsfreiheit, die ausschließlich im Hinblick auf Bürgerkriegssituationen formuliert sind, existieren nicht. Dies gilt vor allem auch für den Code of Crimes der ILC, der zwar für die im Rahmen internationaler Konflikte durchgeführten unrechtmäßigen Deportationen eine Strafbarkeit vorsieht308 , nicht jedoch für entsprechende Tatbestände in nicht-internationalen Konflikten. Eine Begründung hierfür mag darin zu sehen sein, daß Art. 49 der IV. GK gegenüber Art. 17 des 11. Protokolls klarer gefaßt und die individuelle Verantwortlichkeit jener Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen anerkannt ist. 309 Die für den Schutz vor Zwangsverlegungen im Rahmen innerer Unruhen dargestellten nichtverbindlichen Erklärungen sind aber - unter Berücksichtigung der jeweiligen Einschränkungsmöglichkeiten - auch im Rahmen von Bürgerkriegen zu beachten.

306 Vgl. Bothe/Partsch/Solf, 692; Junod, in: SandoziSwinarskilZimmermann (Hg.), para. 4856; vgl. auch 0.2. Kap. B. III. 3. b), 83 ff., zur Bedeutung der Klausel für den Schutz des

Rechts auf Leben im Rahmen von Bürgerkriegssituationen. 307 Vgl. Junod, in: SandoziSwinarskilZimmermann (Hg.), paras. 4560,4561. 308 Vgl. Art. 20 lit (a) (vii), UN GA, ILC Report 1996, 111. 309 Vgl. hierzu Henckaerts, VandJ.Transnat'lL. 26 (1993/94),469,484-489 u. Roch, Dick.J. Int'! L. 14 (1995),1-29.

128

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Eine Neuerung stellt daher die in Art. 8 Abs. 2lit. e) (viii) des Rome Statutefor the lCC vorgesehene Sanktionierung der Zwangsumsiedlung als schweres Kriegsverbrechen dar. Aufgrund der potentiell großen Bedeutung dieser Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für den Schutz der Internally Displaced Persons soll die Norm im Wortlaut wiedergegeben werden: For the purpose of this Statute, "war crimes" means: ... e) Other serious violations ofthe laws ans customs applicable in armed conflict not of an international character, within the established framework of internationallaw, namely, any of the following acts: (viii) ordering the displacement of the civilian population for reasons related to the conflict, unless the security of the civilians involved or imperative military reasons so demand;

Der Wortlaut der Norm orientiert sich an Art. 17 des 11. Protokolls und bringt daher im Hinblick auf dessen Interpretation keine unmittelbaren Neuerungen. Hierzu könnte allerdings die Gerichtspraxis des Internationalen Strafgerichtshofs einen erheblichen Beitrag leisten.

2. Schutz vor Flucht aufgrund von systematischen Menschenrechtsverletzungen oder bewaffneten Konflikten Systematische Menschenrechtsverletzungen und bewaffnete Konflikte stellen die mit Abstand wichtigsten Gründe zur Flucht dar. 3w Stavropoulou beschreibt die Flucht in solchen Fällen zutreffend als "by-product of aggressive behaviour, ... , and armed conflict. ,,311 Im folgenden ist zu überprüfen, ob sich aus dem aus Art. 12 IPbürg hergeleiteten Recht, nicht vertrieben zu werden, auch ein Schutz vor Flucht ergibt. Der Schutzbereich des Art. 12 urnfaßt ausdrücklich das Recht zur freien Entscheidung über die Fortbewegung beziehungsweise die freie Wahl des Wohnortes sowie in negativer Form die Entscheidung, am Heimat- oder Aufenthaltsort zu verbleiben. Entscheidet sich eine Person zur Flucht, so handelt es sich dabei um eine grundsätzlich freiwillige Entscheidung zur Fortbewegung. Zu untersuchen ist daher, ob der von drohenden oder tatsächlich erlittenen Menschenrechtsverletzungen ausgehende Zwang zur Flucht eine Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, bedeutet. 310 UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, paras. 18,37/38; UN ECOSOC, Deng-Comprehensi ve study, 1993, para. 25; Stavropoulou, Am. U.J .Int' I L. & Pol'y 9 (1994), 689, 701. 3II Stavropoulou, Am.U.J.lnt'l L. & Pol'y 9 (1994), 689, 702.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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Zur Bewertung der Frage, ob das Recht auf Bewegungsfreiheit im Einzelfall verletzt ist, müssen in Anknüpfung an die Diskussion des Zwangselements312 zwei Fallgruppen unterschieden werden: Fälle von zumindest zum Teil subjektiver Verfolgung beziehungsweise unmittelbarer Beeinträchtigung durch bewaffnete Auseinandersetzungen einerseits sowie Fälle objektiv vorliegender abstrakter Bedrohungen andererseits. 3J3

a) Die Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, beim Vorliegen konkreter Verfolgungs gefahr In Fällen zumindest teilweiser subjektiver Verfolgung bedeutet die Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit eine "nur" zusätzliche Menschenrechtsverletzung: Der einzelne ist bereits Opfer von Verfolgung, sei es durch Folter, Mißhandlung oder andere Menschenrechtsverletzungen, oder durch Auswirkungen von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. 314 Entscheidet er sich zur Flucht, wird sein Recht auf Freizügigkeit als zumindest mittelbare Folge anderer Menschenrechtsverletzungen beeinträchtigt. Infolge der Menschenrechtsverletzungen, die für den einzelnen eine konkrete Verfolgungs gefahr darstellen, bleibt dem einzelnen keine freie Entscheidung hinsichtlich des Verbleibs am angestammten oder gewählten Aufenthaltsort. 31S Die "Push"-Faktoren, die in Form von Menschenrechtsverletzungen den Zwang zur Flucht ausmachen und somit die Entscheidungsfreiheit einschränken, überwiegen die "Pull"-Faktoren wesentlich. 316 Die 312 Vgl. o. 1. Kap. B. V., 51 ff. zur Unterscheidung von subjektivem und objektivem Zwang, d. h. konkreter und abstrakter Verfolgungsgefahr im Rahmen der Definition der Intemally Displaced Persons. 313 Nicht überzeugend sind in diesem Punkt die Ausführungen des Generalsekretärs der VN im UN ECOSOC, Analytical Report, 1992, para. 64, der auf eine weitere Differenzierung des Zwangsbegriffs verzichtet: "Forcing a person to abandon his or her residence in order to seek safety elsewhere is in itself a violation of freedom of residence ... " 314 In diesem Zusammenhang lassen sich unterschiedslose militärische Angriffe gegen Zivilpersonen im Zuge von Maßnahmen zur Bekämpfung oppositioneller Kräfte nennen, vgl. UN ECOSOC, Secretary-General-Report on human rights and mass exoduses, 1996, para. 10. 315 Mißverständlich erscheint daher die Darstellung von Lewis, Geo.lmrnigr.L.J. 6 (1992),693,698, die Fälle der Flucht vor Menschenrechtsverletzungen als freiwillige Entscheidung einstuft. 316 Vgl. hierzu Stavropoulou, Am.U.J.Int'lL. & Pol'y9 (1994), 689, 744 m.w.N. Zu den Begriffen und der Schwierigkeit der genauen Einordnung der Migrationsfaktoren vgl. auch KäfnerlNicolaus, 75-119 m.w.N sowie UN ECOSOC, Aga Khan-Study on human rights and massive exoduses, 1981, paras. 70-92.

9 Geißler

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit ergibt sich in diesen Fällen also unmittelbar aus anderen Menschenrechtsverletzungen und ist dem menschenrechtsverletzenden Akteur entsprechend zuzurechnen.

b) Die Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, beim Vorliegen abstrakter Verfolgungs gefahr Anders zu beurteilen sind dagegen Fälle, in denen Personen wegen erst drohender Beeinträchtigungen in Situationen allgemeiner Gewalt und Menschenrechtsverletzungen im Rahmen von inneren Unruhen oder Bürgerkriegen flüchten. Wie bereits an anderer Stelle dargestellt317 , fallen auch Binnenflüchtlinge, die aufgrund objektiv gegebenen Zwanges, also abstrakter Verfolgungsgefahr fliehen, in den Anwendungsbereich der Definition der Internally Displaced Persons. Damit ist jedoch noch keine Feststellung hinsichtlich der Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit getroffen. Es handelt sich in diesen Fällen um objektiv bedrohliche Situationen, die noch nicht unmittelbar in eine Verfolgung oder Verletzung des einzelnen umgeschlagen sind. Der Einzelne sieht jedoch keine Alternative zur Flucht, um nicht ins Kreuzfeuer der Auseinandersetzungen zu geraten oder Opfer von Repressalien zu werden, die von Regierungseinheiten oder aufständischen Verbänden begangen werden könnten. 318 Die Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit kann in dieser Konstellation durchaus die (zunächst) einzige Menschenrechtsverletzung darstellen. 319 Man ginge jedoch zu weit, würde man in allen derart begründeten Fällen der Flucht auch eine Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, sehen. Die abstrakte Bedrohung muß vielmehr ein gewisses Ausmaß erreicht haben und innerhalb relativ kurzer Zeit in eine aktuelle Beeinträchtigung des einzelnen umschlagen können. Andernfalls läßt sich noch nicht von einem Zwang zur Flucht sprechen, da die "pull"-Faktoren zugunsten dem Grunde nach freiwilliger Migration überwiegen könnten. Notwendiges Abgrenzungskriterium ist also das Ausmaß der objektiven Bedrohung und der Grad der Wahrscheinlichkeit, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. Vgl. o. 1. Kap. B. V. 3. b), 52/53. V gl. Lewis, Geo.lmmigr.LJ. 6 (1992), 693, 699/700. 319 Vgl. Stavropoulou, Arn.U.J.lnt'l L. & Pol'y 9 (1994), 689, 738; denkbar wäre allerdings zudem eine Verletzung des Schutzes vor Eingriffen in das Privatleben gern. Art. 17 Abs. 1 IPbürg; hierauf weist Stavropoulou hin, in: Little, ASIL Proc. 90 (1996), 549, 550. 317 318

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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Trotz dieser erforderlichen Differenzierung läßt sich bei der ganz überwiegenden Mehrzahl der Internally Displaced Persons, die infolge von bewaffneten Auseinandersetzungen fliehen, auch eine Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, feststellen. Dies ergibt sich schon aufgrund der zu beobachtenden Tatsache, daß Zivilpersonen in Bürgerkriegen bis zu 90 % der Opfer ausmachen. 320 Die abstrakte Bedrohung wird sich daher regelmäßig zu einer akuten Beeinträchtigung wichtiger Rechtsgüter wandeln können.

3. Das Recht zur Flucht vor Menschenrechtsverletzungen oder bewaffneten Konflikten Abschließend soll noch ein weiterer, positiver Ausdruck des Rechts auf Bewegungsfreiheit erwähnt werden. Obwohl sich keine entsprechende ausdrückliche Normierung in internationalen Abkommen findet, läßt sich ein Recht zur Flucht vor Menschenrechtsverletzungen oder bewaffneten Konflikten innerhalb des eigenen Landes 321 dem Grunde nach ebenfalls aus Art. 12 Abs. 1 IPbürg herleiten. 322 Denn das Recht zur Fortbewegung in Form der Flucht stellt einen weiteren integralen Bestandteil des Rechts auf Bewegungsfreiheit dar. Wird ein Mensch an der Flucht gehindert kommt zusätzlich die Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit in Betracht. Für beide Rechte sind die Möglichkeit der Außerkraftsetzung nach Art. 4 IPbürg sowie der zulässigen Einschränkungen nach Art. 12 Abs. 3 beziehungsweise Art. 9 Abs. 1 S. 2 und 3 IPbürg zu beachten.

320 Dies wird zum einen auf die angewandten Kampfmethoden, wie etwa Luftangriffen, zum anderen auf die Unterscheidungsschwierigkeiten zwischen Kombattanten und Zivilpersonen während innerer Unruhen und Bürgerkriegen zurückgeführt, vgl. Clark, World Refugee Survey 1988, 18,20 m.w.N.; als jüngere Beispiele, bei denen überwiegend die Zivilbevölkerung betroffen wird beziehungsweise wurde, lassen sich die Konflikte in Sri Lanka, Kolumbien, Liberia oder dem ehemaligen Jugoslawien nennen, jüngst insbesondere der serbischen Teilrepublik Kosovo. 321 Auf die Problematik des "right to leave", also zur Flucht über die Grenzen des eigenen Landes hinweg, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht eingegangen werden. V gl. zur aktuellen Diskussionsstand, Goodwin-Gill, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 93-108 m.w.N. 322 V gl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 235; GoldmanlKälin, in: Cohenl Deng (Hg.), lOS; vgl. aber auch UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 4: "second category of insufficient coverage ... there is no explicit right to find refuge in a safe part of the country".

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

III. Das Recht auf Rückkehr und die Bedeutung des refoulement- Verbots Das Recht, nicht vertrieben zu werden, umfaßt als "Primäranspruch"323 das grundsätzliche Verbot von Zwangsumsiedlungen sowie den Schutz vor Flucht aufgrund von Menschenrechtsverletzungen und bewaffneten Konflikten. Im folgenden ist die Frage des Bestehens eines Rechts auf Rückkehr als Gegenrecht zu untersuchen. Ist der Nachweis eines Rechts auf Rückkehr gelungen, und hat die Rückkehr im Sinne einer restitutio in integrum stattgefunden, schließen sich grundsätzliche Fragen nach weiteren Kompensations- und Restitutionsansprüchen der (ehemaligen) Internally Displaced Persons an. Auf die hiermit verbundenen komplexen Fragestellungen der Staatenverantwortlichkeit kann im Rahmen der Abhandlung jedoch nicht näher eingegangen werden. 324 Ein mögliches Recht auf Rückkehr müßte jedoch schon im Hinblick auf die root causes der Vertreibung oder Flucht qualifiziert werden. Denn oft herrschen auch nach Beendigung der eigentlichen Unruhen oder bewaffneten Auseinandersetzungen unsichere Lagen durch fortbestehende Gewaltbereitschaft und Anarchie in den Herkunftsregionen. Weiterhin haben Internally Displaced Persons unter Umständen gerade wegen ihrer Flucht mit Verfolgungen nach der Rückkehr zu rechnen, da sie oft einer der Konfliktparteien zugerechnet werden. Daher sollte ein Rückkehrrecht, wenn immer möglich, freiwillig ausgeübt werden können. Zudem darf es keine zwangsweisen Rückführungen in Regionen geben, in denen Gefahren für Leib oder Leben der Internally Displaced Persons bestehen. Zu untersuchen ist deshalb die rechtliche Bedeutung des im Flüchtlingsrecht anerkannten refoulement-Verbots für Internally Displaced Persons.

1. Das Recht auf Rückkehr a) Rechtsgrundlage des Rückkehrrechts Abgesehen von Art. 16 Abs. 3 der ILO-Konvention 169325 findet sich in keiner internationalen Völkerrechtskonvention ein ausdrückliches Recht auf Rückkehr, 323 V gl Fronhöfer, AVR 34 (1996), 276, 287, der zwischen einem Primäranspruch, nicht vertrieben zu werden, und einem Sekundäranspruch, gerichtet auf Wiedergutmachung und sonstige im Zusammenhang mit der Rückkehr stehende Rechte, unterscheidet. 324 Vgl. aber u. 4. Kap. B. 11. I. b), 272 ff. 325 Vgl. o. 2. Kap. E. 11. I. a) (3),120/121.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

133

welches auf Internally Displaced Persons anwendbar wäre. 326 In der jüngeren Staatenpraxis finden sich vereinzelt zwischenstaatliche Vereinbarungen oder Abkommen zwischen den Konfliktparteien unter Beteiligung dritter Staaten und/oder Internationaler Organisationen, die unter anderem zugunsten der Internally Displaced Persons ein Recht auf Rückkehr vorsehen. Zu nennen sind das Vierparteienabkommen zu Abchasien (Georgien) von 1994327 , die Vereinbarung der Republik Kroatien mit den VN von 1995 328 sowie das Dayton-Abkommen über Bosnien-Herzegowina von 1996. 329 Ohne Nennung einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage erkannte auch der Sicherheitsrat der VN im Fall Abchasiens ein Rückkehrrecht aller Flüchtlinge und Internally Displaced Persons an. 330 Ein verbindliches allgemeines Rückkehrrecht läßt sich, wie auch das Recht, nicht vetrieben zu werden, aus dem Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 12IPbürg herleiten. 331 Es ist weiterer positiver Ausdruck der Bewegungsfreiheit, vorbehaltlich der Einschränkungsmöglichkeiten gern. Art. 12 Abs. 3 IPbürg. Menschenrechtliche Normen, die Rückkehrrechte vorsehen, wie Art. 12 Abs. 4 IPbürg oder Art. 13 Abs. 2 der AEMR, beziehen sich nur auf den Fall der Rückkehr aus einem anderen Land und nicht der Rückkehr innerhalb des eigenen Landes. Erfaßt sind damit ausschließlich Flüchtlinge, die die Grenzen des eigenen Landes überschritten haben. 332 In hurnanitärrechtlichen Normen, die nicht-internaVgl. Kälin, in: Lavoyer (Hg.), 15, 19 Das "Quadripartite Agreement" wurde zwischen den abchasischen Kofliktparteien unter Beteilung der Russischen Föderation und des UNHCR geschlossen, UN S/1994/397 vom 4. April 1994, vgl. auch Mooney, Int'lJ. Group Rts. 1996, 197,209. 328 Vgl. UN SIRES/1009 vom 10. August 1995, para. 2 der Resolution lautet: [The Security Council] Demands that the Government of the Republic of Croatia, in conformity with international recognized standards and in compliance with the agreement of 6 August 1995 between the Republic of Croatia and the United Nations Peace Forces (a) respect fully the rights of the Iocal Serb population including their rights to remain, leave and return in safety ... (c) create conditions conducive to the return of those persons who have left their hornes. Vgl. auch de Zayas, AVR 35 (1997), 29, 68. 329 V gl. Art. lAbs. 1 des Annex 7 zum General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegowina zwischen der Republik Bosnien-Herzegowina, der Föderation Bosnien-Herzegowina und der Republik Srpska, abgedruckt in: ILM 35 (1996), 136, 137; vgl. hierzu Cox, ICLQ 47 (1998), 599, 603-612. 330 UN SIRes/876 vom 19. Oktober 1993, para. 5; vgl. hierzu Mooney, Int'1 J. Group Rts. 1996, 197,205/206; Quigley, Harv. Int'! LJ. 39 (1998),171,215/216. 331 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 243; Stavropoulou, Am.U.J. Int'! L. & Pol'y 9 (1994), 689, 726. 332 Vgl. hierzu: Hannum, 56-67; Henckaerts, Mass expulsion in modem international law and practice, 183-187; Tomuschat, in: FS Partseh, 183, 194-203; Goodwin-Gill, in: 326 327

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

tionale Konflikte betreffen, finden sich keine Bestimmungen, die die Rückkehr von Zivilpersonen regeln. Art. 16 Abs. 3 der ILO-Konvention 169 lautet: Whenever possible, these people shall have the right to return to their traditionallands, as soon as the grounds for relocation cease to exist.

Das Recht auf Rückkehr nach Art. 16 Abs. 3 der ILO-Konvention ist demnach an die Bedingung geknüpft, daß die für die dringend erforderliche Umsiedlung ausschlaggebenden Gründe nicht länger vorliegen. Ist dies der Fall, besteht ein unmittelbares Recht auf Rückkehr. Andere, rechtlich nicht verbindliche Bestimmungen eines Rückkehrrechts, wie Art. 7 Abs. 2 S. 3 der Turku Declaration oder Art. 13 Abs. 1 der ILA Draft Decla ration on Internally Displaced Persons beziehen sich lediglich auf das Recht zur Rückkehr nach Zwangsumsiedlungen. 333 Grundsatz 28 Abs. 1 der Guiding Principles on Internal Displacement verpflichtet die zuständigen Staatsgewalten zur Schaffung der für eine freiwillige und sichere Rückkehr oder Ansiedlung an einem anderen Ort notwendigen Umstände und zur größtmöglichen Beteiligung der Intemally Displaced Persons am Rückkehrprozeß. 334

Gowlland-Debbas (Hg.), 93, l00/l0I, jeweils m.w.N. Vgl. auch ulWland, IJRJ 8 (1996), 532-568 u. Quigley, Harv.lnt'l L.J. 39 (1998), 171-229 zur Frage des Rückkehrrechts der Palästinenser. 333 Art. 7 Abs. 2 S. 3 der Turku Declaration, s. Anhang III,lautet: Persons or groups thus displaced shall be allowed to return to their hornes or places of residence as soon as the conditions which made their displacement imperative have ceased. Art. 13 Abs. 1 der ILA-DraJt Declaration on lntemally Displaced Persons, s. Anhang II, lautet: 1. Where forced displacement results from compelling exigencies, such as natural disasters or arrned attacks that necessitate partial or total evacuation of an area, evacuees have the right to return to their hornes or places ofhabitual residence as soon as the conditions giving rise to their evacuation have ceased. 334 Grundsatz 28 der Guiding Principles, s. Anhang I,lautet: 1. Competent authorities have the primary duty and responsibility to establish conditions, as well as provide the means, which allow internally displaced persons to return voluntarily, in safety and with dignity, to their hornes or places of habitual residence, or to resettle voluntarily in another part ofthe country. Such authorities shall endeavour to facilitate the reintegration of returned or resettled internally displaced persons. 2. Special efforts should be made to ensure the full participation of internally displaced persons in the planning and management of their return or resettlement and reintegration.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

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Auch der VN-Menschenrechtsausschuß und der CERD betonten in jüngerer Zeit wiederholt die Bedeutung des Rückkehrrechts für Flüchtlinge und Internally Displaced Persons. 335 Ähnlich formulierte der Unterausschuß der VN für die Verhütung von Diskriminierungen und Minderheitenschutz in der genannten Resolution 1996/9336 ein allgemeines Rückkehrrecht. Punkt 2 der Resolution lautet: Also affirrns the right of refugees and displaced persons to return voluntarily, in safety and dignity, to their country of origin and/or within it, to their place of origin or choice;

In allgemeiner Form wurde im I. Abschnitt unter Punkt 23 der Wiener Schlußerklärung von 1993 die Bedeutung der freiwilligen Rückkehr und Entschädigung von Internally Displaced Persons zur Erreichung dauerhafter Lösungen der Notsituation der Internally Displaced Persons bekräftigt. 337

b) Inhalt des Rückkehrrechts Geht man vom Bestehen eines Rückkehrrechts der Internally Displaced Persons auf der Grundlage der einschlägigen menschenrechtlichen Normen sowie der jüngeren Staatenpraxis aus, führt dies zur Frage von Inhalt und Umfang des Rückkehrrechts selbst. Eine freiwillig eingeleitete und unter sicheren Bedingungen durchgeführte Rückkehr stellt den Idealfall der Umsetzung des Rückkehrrechts dar. Für die Rückkehr von Flüchtlingen wurde dies durch den UNHCR, zu dessen satzungsgemäßen Hauptaufgaben die Erleichterung der freiwilligen Rückkehr zählt, wiederholt betont. 338 Weder in menschenrechtlichen Normen noch im internationalen Flüchtlingsrecht besteht eine Rechtsgrundlage, nach der die Rückkehr von Flüchtlingen aus Zufluchtländern in das Heimatland unter allen Umständen freiwillig erfolgen

335 V gl. UN ECOSOC, Report on human rights and mass exoduses 1996, paras. 61-63 zu Bosnien-Herzegowina, Zypern, Nord-Ossetien und Tschetschenien in der Russischen Föderation und Burundi. 336 Vgl. o. 2. Kap. E. 11. 1. a) (4),121. 337 Vgl. s. Anhang V. 338 Vgl. Kapitel 11. der Satzung des UNHCR; Report ofthe UNHCR, UN E/1985/62 vom 8. Mai 1985, paras. 72-75; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 247 m.w.N.; vgl. auch den Reportofthe CERD, 1995, para. 219: "The Committee urges the immediate reversal of ethnic cleansing which must begin with the voluntary return of displaced people." (Hervorhebung durch den Verfasser)

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

müßte. 339 Dies gilt aus rein normativer Sicht selbst dann, wenn die Rückführung zu internal displacement führt, solange darin kein Verstoß gegen das Verbot des refoulement zu sehen ist. 340 Für Internally Displaced Persons besteht j edoch eine andere Rechtslage. Da das Rückkehrrecht Teil des innerstaatlich wirksamen Rechts auf Bewegungsfreiheit ist, muß dieses Recht grundsätzlich auch die Entscheidung darüber umfassen, ob und wann eine Rückkehr stattfinden soll.34\ Es steht Internally Displaced Persons daher grundsätzlich frei, am Zufluchtsort zu verbleiben. Allerdings steht auch diese Entscheidung unter dem Vorbehalt der Einschränkungsmöglichkeit nach Art. 12 Abs. 3 IPbürg. 342 Entsprechendes gilt für das ebenfalls aus Art. 12 Abs. 1 IPbürg herleitbare Recht, sich an einen anderen Ort als den ursprünglichen Herkunftsort zu begeben. Das aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit hergeleitete Rückkehrrecht zugunsten von Internally Displaced Persons umfaßt somit drei verschiedene Varianten: den Verbleib am Zufluchtsort, die Rückkehr an den Herkunftsort sowie die Ansiedlung an einem anderen Ort innerhalb des eigenen Landes. 343 Dies entspricht den drei klassischen Lösungsansätzen zur Bewältigung von Flüchtlingskrisen, dem Verbleib im Zufluchtsstaat, der Rückkehr in den Heimatstaat sowie der Wiederansiedlung in einem Drittland. 344

339

V gl. aber Art. V 1. der OAU-Flüchtlingskonvention:

The essentially voluntary chracter of repatriation shall be respected in all cases and no refugee shall be repatriated against his will. Ähnlich fonnuliert die Cartagena-Deklaration, unter Punkt III. 12.: To reiterate the voluntary and individual character of repatriation of refugees ... 340 V gl. Cox, ICLQ 47 (1998), 599, 618, 622, der sich kritisch zur Lage der aus der Bundesrepublik Deutschland nach Bosnien-Herzegowina zwangsweise rückgeführten Flüchtlinge äußert. Diese seien häufig nicht in der Lage, an ihre alten Wohnorte zurückzukehren und erschwerten somit das dortige Flüchtlingsproblem. Hierzu Cox: "However, discrimination on economic grounds is not generally considered to amount to persecution under the 1951 Convention.", 619. 341 Vgl. auch Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 293. 342 V gl. o. 2. Kap. E. 11. 1. a) (1), 117 ff. zur Regelung der Einschränkungsmöglichkeiten nach Art. 12 Abs. 3IPbürg. 343 Vgl. auch Deng, Internal displacement in context: Themes from country missions, 8. 344 V gl. Para. 1 der Satzung des UNHCR, UN AlRES/428 (V) vom 14. Dezember 1950, Annex. Vgl. auch UNHCR, Report 1995/96,36/37.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

137

2. Der Schutz vor refoulement

Davon ausgehend, daß das Rückkehrrecht als negativer Ausdruck des Rechts auf Bewegungsfreiheit auch das Recht urnfaßt, am Zufluchtsort oder einem dritten Ort zu verbleiben, stellt sich die Frage, ob Internally Displaced Persons auch gegen refoulement geschützt sind. Die Frage der Geltung des refoulement- Verbots für Internally Displaced Persons ist bislang kaum diskutiert worden, wobei sich eine Erkärung dafür nicht etwa in fehlenden Beispielen aus der Staatenpraxis finden läßt. 345

a) Das refoulement-Verbot als Grundsatz des Flüchtlingsrechts Seinen Ursprung hat das Konzept des refoulement-Verbots im Flüchtlingsrecht. 346 Unter refoulement wird die Ausweisung oder Zurückweisung in ein Gebiet verstanden, in dem dem Ausgewiesenen Gefahren für Leben, Leib oder Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugungen droht. Das refoulement-Verbot kommt für den Bereich des Flüchtlingsrechts in Art. 33 Abs. 1 der GFK zum Ausdruck. Es ergibt sich zudem direkt oder indirekt aus anderen internationalen oder regionalen Normen. 347 Entgegen der wohl herrschenden Ansicht wird man mit Kälin davon ausgehen müssen, daß es sich beim refoulement- Verbot nicht um universelles Völkergewohnheitsrecht, sondern lediglich in Entstehung begriffenes Völkergewohnheitsrecht sowie regionales (europäisches, afrikanisches und amerikanisches) Völkergewohnheitsrecht handelt. 348 Während sich der Schutz vor refoulement für Flüchtlinge im Sinne der GFK unmittelbar aus Art. 33 Abs. 1 GFK sowie regionalem Flüchtlingsrecht ergibt, ist nicht abschließend geklärt, wie sich der Schutz von De-facto-Flüchtlingen ge-

345 Als eines der jüngsten Beispiele läßt sich die zwangsweise Schließung eines Vertriebenenlagers und die folgende zwangsweise Rückführung von Intemally Displaced Persons in Ruanda nennen, vgl. UN ECOSOC, Secretary-General Report on human rights and mass exoduses, 1996,para. 20. 346 Vgl. allgemein: Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 117-171; Kälin, Das Prinzip des non-refoulement; Stenberg, Non-expulsion and non-refoulement. 347 Art. 3 der Anti-Folter Konvention; Art. 22 Abs. 8 der AMRK; Art. 3 der EMRK; Art. II Abs. 3 der OAU-Konvention. 348 Vgl. Kälin, Das Prinzip des non-refoulement, 59, 72, 83.

138

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

staltet. 349 Umstritten ist vor allem die Frage, ob in jedem Fall eine konkrete Verfolgungsgefahr nachzuweisen ist oder ob auch abstrakte Gefahren, ausgehend von einem Bürgerkrieg oder inneren Unruhen, hinreichend sein können. 35o Für den Rechtsschutz der Internally Displaced Persons stellt sich diese flüchtlingsrechtliche Problematik nicht. Denn vom Begriff der Internally Displaced Persons werden in der Entsprechung beide Kategorien von Flüchtlingen, also Konventions- sowie De-facto-Flüchtlinge erfaßt. 351

b) Die Bedeutung des refoulement-Verbots für Internally Displaced Persons Für die flüchtlingsrechtlich relevanten Normen gilt insgesamt, daß sie nach ihrem Wortlaut unmittelbar nur auf externally displaced persons, also nach der GFK oder anderen Normen anerkannte oder De-facto-Flüchtlinge Anwendung finden. Rechtsverbindliche internationale Regelungen zum Schutz vor refoulement zugunsten von Internally Displaced Persons existieren nicht. 352 Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, daß Internally Displaced Persons diesbezüglich schutzlos gestellt wären. Zur Begründung des Schutzes vor refoulement kommen zwei methodische Ansätze in Betracht. Zum einen ließen sich die flüchtlingsrechtlich relevanten Normen, insbesondere Art. 33 GFK, analog auf internally displaced persons anwenden. Alternativ ließe sich das refoulement-Verbot unter unmittelbarer Anwendung menschenrechtlicher oder humanitärrechtlicher Normen zum Schutz des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit begründen.

349 Vgl. Hailbronner, Die Rechtsstellung der De-facto-Flüchtlinge in den EG-Staaten, 110-114 m.w.N. 350 Vgl. Hailbronner, Die Rechtsstellung der De-facto-Flüchtlinge in den EG-Staaten, 114-121; Goodwin-Gill, in: Martin (Hg.), 103, 105; Hathaway, The law ofrefugee status, 24-27, jeweils m.w.N. Beachte auch Art. 3 Abs. 2 der Anti-Folter Konvention, nach dem auch Fälle systematischer Menschenrechtsverletzungen für die Interpretation des Folterbegriffs als Grundlage des reJoulement-Verbots zu berücksichtigen sind. 351 Vgl. o. 1. Kap. C. 1.,43 ff. 352 V gl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 4: "Second category of insufficient coverage ... there is no explicit guarantee against forcible return of internally displaced persons to places of danger."

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

139

(1) Die analoge Anwendung des refoulement-Verbots auf Internally Displaced Persons Die entsprechende Anwendung des Art. 33 GFK erscheint dogmatisch bedenklich. Zwar lassen sich die Bedrohungssituationen beider Personengruppen durchaus vergleichen. Allerdings hat das Flüchtlingsrecht den jeweiligen Aufnahmestaat der Flüchtlinge zum Normadressaten, während Internally Displaced Persons ja gerade innerhalb der Grenzen ihres Heirnat- oder Aufenthaltsstaates verbleiben, dem es grundsätzlich obliegt, deren Schutz zu gewährleisten. 353 Insofern scheitert eine analoge Anwendung flüchtlingsrechtlicher Normen an der fehlenden Vergleichbarkeit der Rechtslagen. 354 Von Bedeutung für den Schutz der Internally Displaced Persons kann demnach allenfalls der Rechtsgedanke des flüchtlingsrechtlich begründeten refoulement-Verbots sein. 355

(2) Die Begründung des refoulement-Verbots auf der Grundlage von menschenrechtlichen und hurnanitärrechtlichen Normen Positiver kann hingegen der Befund hinsichtlich des Schutzes vor refoulement unmittelbar durch menschenrechtliche und hurnanitärrechtliche Normen ausfallen. Denn zum einen ergibt sich der Schutz vor Verfolgung unmittelbar durch die verschiedenen bereits dargestellten Verbote, die Leib oder Leben des einzelnen schützen. Zahlreiche Verbote gelten als Erga-omnes-Normen räumlich und inhaltlich unbeschränkt. Internally displaced persons werden also unabhängig davon, an welchem Ort sie sich innerhalb des Herkunftsstaates befinden, in vollem Umfang vor Menschenrechtsverletzungen durch staatliche und dem Staat zurechenbare Akteure geschützt. Die wesentlichen normativen Grundlagen zum Schutz vor refoulement innerhalb des eigenen Landes sind in den Normen zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit, insbesondere vor Folter, zu sehen. 356

353

Näher zu den Grundsätzen der Personal- und Gebietshoheit der Staaten u. 3. Kap. B.

I., 163 ff. 354

Vgl. auch Kälin, in: Lavoyer (Hg.), 15, 19.

m Demgegenüber wurde in der San Jose Deklaration zu Aüchtlingen und Displaced

Persons die analoge Anwendung bestimmter flüchtlingsrechtlicher Prinzipien, wie das des refoulement-Verbots befürwortet, Punkt 16 (a), abgedruckt in: UNHCR (Hg.), Dec1araci6n de San Jose sobre refugiados y personas desplazadas, San Jose, Costa Rica 1994. 356 Vgl. Kälin, in: Lavoyer (Hg.), 15,20/21 m.w.N., der vor allem auf Art. 7 IPbürg sowie die einschlägige Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK verweist; Goldmanl Kälin, in: CoheniDeng (Hg.), 106/107.

140

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Aber auch in Fällen abstrakter Gefahren, die dem Staat nicht unmittelbar zuzurechnen sind, läßt sich ein refoulement-Verbot begründen. Das Verbot der Ver1etzung des Rechts auf Leben beziehungsweise der körperlichen Unversehrtheit beinhaltet auch positive Schutzpflichten. Der Staat genügt seiner Schutzpflicht nicht bereits dadurch, daß er entsprechend verbotene Handlungen unterläßt. Vielmehr muß der Staat zusätzlich durch legislative oder andere Maßnahmen unterbinden, daß es zu Verletzungen der elementaren Rechtsgüter komrnt. 357 Vor diesem Hintergrund muß in der zwangsweisen Rückführung in Gebiete, in denen allgemeine Gefahren für Leib oder Leben drohen, ein Verstoß gegen Erga-omnes-Normen, wie das Recht auf Leben oder körperliche U nversehrtheit, gesehen werden. Im Hinblick auf die dennoch nicht eindeutig formulierte Rechtslage finden sich in jüngeren Deklarationen und Deklarationsentwürfen Regelungen, nach denen Internally Displaced Persons vor refoulement auch innerhalb des eigenen Landes geschützt werden sollen. Die Bedeutung der sicheren Rückkehr der Internally Displaced Persons wird in Punkt 23 der Wiener Schlußerklärung von 1993 358 hervorgehoben. Nach Art. 17 der ILA Draft Declaration of Principles werden Internally Displaced Persons ausdrücklich vor refoulement an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort geschützt, falls Gefahren für Leben oder Freiheit wegen eines der in Art. 33 Abs. 1 GFK genannten Gründe drohen. 359 Entsprechender Schutz der Internally Displaced Persons vor zwangs weiser Rückführung ergibt sich aus Grundsatz 15 Abs. llit. (d) der Guiding Principles on Internal Displacement. 360 m Vgl. General Cornrnent 20/44 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 30. April 1992 zu Art. 7 IPbürg, HRI/GENI/Rev.2, vom 29. März 1996, para. 2: "Itis theduty ofthe State party to afford everyone protection through legislative and other measures as may be necessary against acts prohibited by Article 7 whether inflicted by people acting in their offical capacity, outside their official capacity or in a private capacity."; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 252. Vgl. auch 0.2. Kap. B. 11. 1. a), 67 ff. 358 S. Anhang V. 359 Art. 17 der ILA-DraJt Declaration on lntemally Displaced Persons, s. Anhang 11, lautet: Nothing in the present Declaration may be construed as lirniting the right of any persons to seek asylum abroad or to be protected against forcible return to the place of habitual residence where their lives or freedoms would be threatened on account of their race, color, sex, language, religion or belief, political or other opinion, national, ethnic or social origin, legal or social status, age, disability, property, birth, or any other sirnilar criteria. 360 Grundsatz 15 Abs. llit. (d) der Guiding Principles, s. Anhang I, lautet:

Internally displaced persons have: ... (d) the right to be protected against forcible return to or settlement in any other place where their life, safety, liberty andlor health would be at risk. Vgl. auch Grundsatz 28 Abs. 1 der Guiding Principles, s. Anhang I.

E. Der Schutz der Bewegungsfreiheit

141

IV. Bewertung Zur Bewertung des Schutzes der Bewegungsfreiheit ist zwischen dem Recht, nicht vertrieben zu werden, einschließlich des Schutzes vor Zwangsumsiedlungen, einerseits sowie dem Recht auf Rückkehr und dem Schutz vor refoulement andererseits zu differenzieren.

1. Das Recht, nicht vertrieben zu werden, und der Schutz vor Zwangsumsiedlungen Das Recht, nicht vertrieben zu werden läßt sich im Wege des Umkehrschlusses aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit herleiten, da es dessen negativen Ausdruck bildet. Eine ausdrückliche Formulierung des Rechts findet sich hingegen, sieht man von der ILO-Konvention 169 ab, in keiner international verbindlichen Rechtsnorm. Im Rahmen innerer Unruhen ist der Schutz der Bewegungsfreiheit einschließlich des Rechts, nicht vertrieben zu werden, trotz der Zulässigkeit der Außerkraftsetzung beziehungsweise Einschränkung dem Grunde nach umfassend geregelt. Zwar ergeben sich aus den Einschränkungsmöglichkeiten, die beim Schutz der nationalen Sicherheit oder zur Wahrung des ordre public relevant werden können, gewisse Gefahren des Rechtsmißbrauchs. 361 Dennoch lassen sich hinsichtlich der staatlichen Gewalt oder der ihr zurechenbaren Akteure keine gravierenden normativen Schutzlücken ausmachen. Es stellt sich vielmehr auch bei diesem Rechtsgut das Problem der unzureichenden Respektierung der bestehenden Normen. Dies gilt vor allem auch für Fälle der sogenannten "ethnischen Säuberungen", mit denen regelmäßig die Verletzung anderer fundamentaler Rechtsgüter, wie des Rechts auf Leben oder der körperlichen Unversehrtheit, verbunden sind. Beim Vorliegen konkreter Verfolgungs gefahr ergibt sich durch die Flucht eine Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, unmittelbar aus den fluchtverursachenden Menschenrechtsverletzungen. Bei der Flucht infolge abstrakter Verfolgungsgefahr ist eine differenzierende Betrachtung geboten. Erst, wenn die objektiv vorliegende Bedrohung des einzelnen ein gewisses Ausmaß erreicht hat und jederzeit in eine tatsächliche Beeinträchtigung von Menschenrechten urnzuschla-

361

Weitergehend: Kälin, in: Lavoyer(Hg.), 15, 19.

142

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

gen droht, läßt sich auch eine Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, annehmen. In Bürgerkriegssituationen bestehen, abgesehen von Art. 17 des 11. Protokolls, der ausschließlich Zwangsurnsiedlungen betrifft, keine Regelungen zum Schutz der Bewegungsfreiheit. Insofern läßt sich eine deutliche Schutzlücke zu Lasten der Internally Displaced Persons ausmachen, die von menschenrechtlichen Normen nur unzureichend zu schließen ist. Die völkerrechtlich noch überwiegend fehlende oder unvollständige Bindung von Individuen und aufständischen Einheiten stellt sich vor diesem Hintergrund als zusätzliche Beschränkung des Rechtsschutzes der Internally Displaced Persons dar. 362 Die Regelungslücke im Bereich des humanitären Völkerrechts ergibt sich zudem aufgrund der hohen Anwendungsschwelle des 11. Protokolls, da der gemeinsame Art. 3 GK keine dem Art. 17 des 11. Protokolls vergleichbare Regelung zum ausdrücklichen Schutz vor Zwangsurnsiedlungen beziehungsweise im Anschluß zu treffenden Maßnahmen vorsieht. 363 Allerdings gewährleistet der gemeinsame Art. 3 GK für den bei Zwangsurnsiedlungen nicht seltenen Fall der Verletzung fundamentaler Rechtsgüter, wie des Rechts auf Leben oder der körperlichen Unversehrtheit, zumindest inzident umfassenden Schutz. Auffällig sind die beim Schutz vor Zwangsurnsiedlungen deutlichen Unterschiede des Rechts zur Regelung nicht-internationaler Konflikte im Vergleich zum Recht, welches auf internationale Konflikte Anwendung findet. Denn aus Art. 49 der IV. GK sowie nach Völkergewohnheitsrecht ergibt sich ein ausdrückliches Deportationsverbot für Besatzungsregime364, was sich für die entsprechende Situation in Bürgerkriegen nicht belegen läßt. Zur KlarsteIlung und Konsolidierung eines Rechts, nicht vertrieben zu werden, sollte eine entsprechende normative Grundlage geschaffen werden. Insofern ist de Zayas beizupflichten, der sich schon 1975 für eine "positivistic solution", also eine ausdrückliche Normierung des Verbots von Zwangsurnsiedlungen im Rahmen von Bürgerkriegen einsetzte. 365 Zu begrüßende Beispiele sind neben der ILOKonvention 169 vor allem in den verschiedenen Deklarationen beziehungsweise Deklarationsentwürfen zu sehen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die normative und institutionelle Bekräftigung der individuelVgl. auch Stavropoulou, Am.V.J. Int'l L. & Pol'y 9 (1994), 689, 725. V gl. Meindersma, NILR 1994, 31, 82. 364 Vgl. Meron, in: Essays in honour of Eide, 201. 365 de Zayas, Harv.lnt'1 LJ. 16 (1975), 207, 222: "A positivistic solution in the form of a codified prohibition of mass deportations in civil wars would be welcomed indeed"; vgl. auch Meindersma, NILR 1994,31, 82 u. VN ECOSOC, Deng-Compilation 11, 1998, IV. 5. 362

363

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

143

len strafrechtlichen Verantwortlichkeit, vor allem durch den zukünftigen Internationalen Strafgerichtshof. 366

2. Das Recht auf Rückkehr und der Schutz vor refoulement Das Recht auf Rückkehr läßt sich ebenfalls aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit herleiten und umfaßt auch das Recht, am Zufluchtsort zu verbleiben. Das Bestehen eines umfassenden Rückkehrrechts wurde in mehreren multi- und bilateralen Abkommen der jüngeren Staatenpraxis sowie durch den Sicherheitsrat der VN wiederholt bekräftigt. Hieraus läßt sich folgern, daß ein Rückkehrrecht der Internally Displaced Persons weitgehende Anerkennung im Sinne einer opinio iuris gefunden hat. Der Schutz vor refoulement läßt sich zugunsten von internally displaced persons auf dogmatisch überzeugende Weise nur aus menschenrechtlichen Normen zum Schutz des Lebens beziehungsweise der körperlichen Unversehrtheit herleiten. Eine analoge Anwendung des flüchtlingsrechtlich anerkannten refoulementVerbots scheitert an den fehlenden vergleichbaren Rechtslagen. Zwar ergibt sich aufgrund der fehlenden ausdrücklichen Normierung des refoulement-Verbots keine deutliche Schutzlücke zu Lasten der Internally Displaced Persons. Dennoch erscheint eine normative Konkretisierung nach dem Vorbild der Guiding Principles on Internal Displacement oder der Draft Declaration on Internally Displaced Persons der ILA geboten.

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte, insbesondere Rechte im Zusammenhang mit der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit I. Zur Bedrohung sonstiger Rechte In diesem Abschnitt der Untersuchung soll der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte der Internally Displaced Persons begutachtet werden. Im untersuchten Kontext, also im Rahmen von inneren Unruhen und Bürgerkriegen, werden neben den bereits eingehend behandelten Rechten auch zahlreiche sonstige bürgerliche und politische Rechte und Freiheiten bedroht. Zu nennen sind unter anderem das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Religions- und Mei366

Vgl. hierzu auch u. 4. Kap. B. 11. 2., 275 ff.

144

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

nungsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Recht auf ein faires Verfahren, das allgemeine Diskriminierungsverbot oder Rechte im Zusammenhang mit der Stellung der Familie. Von besonderer Bedeutung ist das Recht auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit und die damit in Verbindung stehenden Rechte. Auf die letztgenannten Rechte soll im Rahmen einer in diesem Abschnitt notwendigen Schwerpunktbildung genauer eingegangen werden. Beeinträchtigungen aller genannten Rechte finden zum einen zu Lasten von Zivilpersonen als fluchtauslösende Faktoren in der Zeit vor der Flucht statt. Zudem ergeben sich für Internally Displaced Persons erhebliche Gefahren sowie tatsächliche Verletzungen der Rechte und Freiheiten während und nach der Flucht sowie infolge von Zwangsurnsiedlungen. Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, daß Internally Displaced Persons in Fluchtsituationen oftmals unter gravierenden Beschränkungen ihrer sozialen und wirtschaftlichen Rechte zu leiden haben. Zu nennen sind insbesondere die Rechte auf Ernährung, Kleidung und Unterbringung. 367 Akute Erscheinungen von Unterernährung infolge der Flucht stellen eine bedeutsame Todesursache dar und führen zudem zu zahlreichen mangelbedingten Krankheiten bei Internally Displaced Persons. 368 Im Rahmen dieser Arbeit ist eine eingehende Untersuchung des rechtlichen Gehalts der sozial- und wirtschaftsrechtlichen Menschenrechtsnormen nicht möglich. 369 Hinzuweisen ist jedoch speziell in diesem Zusammenhang auf den in-

367 Vgl. Lewis, Geo.lmmigr.LJ. 6 (1992), 693, 706/707; UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, paras. 42-48; UN ECOSOC, Report on human rights and mass exoduses 1996, paras. 41/42, jeweils mit Beispielen aus der jüngeren Staatenpraxis, z. B. zum Sudan, dem ehemaligen Jugoslawien, Burundi, Guatemala und Peru. 368 V gl. UN ECOSOC, Report of the Secretary-General, Priority themes - Peace: Refugee and displaced women and children, para. 33; UN ECOSOC, AI-KhasawnehIHatanoReport, 1993, para. 85. 369 V gl. beispielsweise Art. 11 Abs. 1 des International Covenant on Economic, Cultural and Social Rights vom 12. Dezember 1966, BGBl. 1973 II, 1570; UNTS Vol. 992, 3, in Kraft getreten am 3. Januar 1976, im folgenden: IPwirt. Am 31. Dezember 1997 hatten 137 Staaten den IPwirt ratifiziert. Nach Art. 11 Abs. 1 IPwirt erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung an. Zur weiten Interpretation des Rechts auf Unterbringung, vgl. General Comment 4/6 des Ausschusses der VN zum IPwirt 1991, UN HRIIGEN/IlRev.2 vom 29. März 1996. V gl. auch Al-Khasawneh-Final Report 1997, paras. 48-59 sowie allgemein zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten sowie zum IPWirt, Eide/Krause/Rosas, Economic, social and cultural rights, Dordrecht 1995 u. Craven, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, Oxford 1995.

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

145

stitutionellen Schutz der Internally Displaced Persons. Dessen Bedeutung ist neben der Gewährleistung von persönlicher Sicherheit und Rechtsschutz vor allem auch in der humanitären Hilfe in Form von Nahrung, medizinischer V ersorgung und Unterkünften zu sehen. Auf die rechtlichen Rahmenbedingung des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons wird im dritten Kapitel der Arbeit näher eingegangen.

11. Das Recht auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit und die damit in Verbindung stehenden Rechte 1. Bedeutung und Bedrohung des Rechts auf Anerkennung der Rechtspersänlichkeit sowie der damit in Verbindung stehenden Rechte

In einem Rechtsstaat bedarf der Mensch neben der Garantie der rein physischen Existenz auch der Anerkennung seiner Rechtspersönlichkeit beziehungsweise Rechtssubjektivität. Andernfalls wäre er bloßes Objekt staatlicher Gewalt, und alle sonstigen Rechte wären sinnentleert. Die Rechtssubjektivität ist gleichsam conditio sine qua non aller individuellen sowie kollektiven Rechte des Menschen. Die Bedrohung der Rechtspersönlichkeit der Internally Displaced Persons folgt nur selten aus deren direkter Verneinung. Mittelbar bedroht vor allem der Umstand fehlender persönlicher Ausweispapiere die Rechtssubjektivität der Internally Displaced Persons. Denn ohne persönliche Papiere entstehen zahlreiche faktische und juristische Komplikationen, die mit der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit im Zusammenhang stehen. Häufig kommt es zu willkürlichen Festnahmen, da das Fehlen von Ausweisen einen belastenden Verdachtsgrund darstellen kann. Verwaltungsangelegenheiten, wie die Registrierung von Geburten, der Heirat oder von Todesfällen werden ohne persönliche Papiere erschwert oder gar unmöglich gemacht. Für die Schulzulassung, die Arbeitsaufnahme oder den Krediterwerb gilt dies ebenso wie für Maßnahmen der Familienzusammenführung oder die Teilnahme an Wahlen. 370 370 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 72; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 258, 350; Addendum zu Deng-Report 1996, Profiles in displacement: Peru, para. 81; Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 294; Geißler, Report on the follow-up mission to Guatemala, 7/8; Blessington, Am.U.lnt'l.L.Rev. 13 (1998), 553, 620 zu den Problemen in Bosnien-Herzegowina; NZZ vom 06.10.1998 zu den Schwierigkeiten für Intemally Displaced Persons bei den Wahlen im mexikanischen Chiapas. 10 Geißler

146

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Ursachen für das Fehlen der Papiere sind unter anderem plötzliche und unvorbereitete Flucht, Beschlagnahme durch Regierungseinheiten oder aufständische Verbände, Verlust während der Flucht oder die nachträgliche Vernichtung zum Zwecke der Verschleierung der eigenen Herkunft. 371 Durch praktische und legislative Hindernisse ist es oftmals schwierig, neue Dokumente zu erhalten. 372 Im folgenden ist daher näher zu untersuchen, wie das Recht auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit internationalrechtlich geschützt ist. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung von Ausweispapieren ist zudem zu überprüfen, ob es auf Internally Displaced Persons anwendbare Regelungen zur Ausstellung solcher Papiere gibt.

2. Der Schutz im Rahmen innerer Unruhen a) Der IPbürg Das Recht auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit ist in Art. 16 IPbürg normiert. Der Regelungsgehalt der Norm ist die Garantie der Rechtsfähigkeit, also des individuellen Rechts, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Nicht von Art. 16 urnfaßt ist die Handlungsfähigkeit, also die Fähigkeit, durch eigenes Handeln Rechte oder Pflichten zu begründen. 373 Art. 16 IPbürg kommt isoliert keine besondere praktische Bedeutung zu und war folglich bislang nicht Gegenstand von Kommentierungen des VN-Menschenrechtsausschusses. Die Norm ist vielmehr im systematischen Zusammenhang mit anderen Vorschriften des IPbürg zu sehen, deren unbedingte Voraussetzung sie bildet. Konsequenterweise zählt die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit gemäß Art. 4 Abs. 2 IPbürg zu den notstandsfesten Rechten. 374

371 Vgl. Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), 249, Vol. I, 2931294; VN ECOSOC, Addendum zu Deng-Report 1996, Profiles in displacement: Peru, para. 81. 372 Vgl. Geißler, Report on the follow-up mission to Guatemala, 8-10; vgl. auch Rubins, The demise and resurrection of the propiska: freedom of movement in the Russian Federation, HIU 39 (1998), 545-566. 373 Vgl. Nawak, V.N. Covenant, Art. 16, paras. 2-4; Valvia, in: Henkin (Hg.), 185, 187 m.w.N. 374 Vgl. Nowak, V.N. Covenant, Art. 16, para. 2; zur verneinend beantworteten Frage, ob Art. 16 auch lus-cogens-Charakter hat, vgl. Lillich, in: Meron (Hg.), 115, 131; vgl. auch 11. D. para. 58 der Siracusa Principles, s. o. Anm. 29 und Art. 1 der Paris Minimum Standards, s. o. Anm. 29.

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

147

Gemäß Art. 24 Abs. 2 IPbürg haben Neugeborene das Recht auf einen Namen und sofortige Eintragung in ein staatliches Register. Da erst die Registrierung einer Person zur sicheren Anerkennung der rechtlichen Existenz führt, ist dieses Recht eng mit Art. 16 verbunden, wie Nowak zu Recht anmerkt. 375 Als wichtigste Norm internationaler politischer Rechte garantiert Art. 25 IPbürg unter anderem das aktive Wahlrecht in Form eines subjektiven Rechts. Der Staat ist danach verpflichtet, allen formell Berechtigten durch positive Maßnahmen die tatsächliche Ausübung des Wahlrechts zu ermöglichen. 376 Sofern es sich bei Internally Displaced Persons um grundsätzlich wahlberechtigte Staatsbürger handelt, obliegt es folglich dem Staat, deren Wahlbeteiligung zu garantieren. Das Fehlen von Ausweispapieren oder die fehlende Registrierung darf nicht zur Beschränkung des Wahlrechts führen.

b) Die Kinderrechtskonvention Art. 7 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention entspricht inhaltlich Art. 24 Abs. 2 IPbürg. Es kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

c) Die Frauenrechtskonvention von 1979 Nach Art. 16 Abs. 2 der Konvention zur Beseitigungjeder Form von Diskriminierung der Frau 377 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, alle erforderlichen, auch gesetzgeberischen Maßnahmen zu treffen, um die obligatorische Eintragung von Eheschließungen in ein amtliches Register zu ermöglichen. Die vor allem auch dem Schutz der Frau dienende Eintragung von Eheschließungen darf demnach auch bei Internally Displaced Persons nicht an fehlenden Papieren scheitern.

m Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 24, para. 22.

Vgl. Nowak, U.N. Covenant, Art. 25, para. 9. Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women vom 18. Dezember 1979, BGBI. 1985 II 648; UN AlRES/34/180, in Kraft gertreten am 3. September 1981, im folgenden: Frauenrechtskonvention. Am 31. Dezember 1997 hatte die Frauenrechtskonvention 161 Vertragsstaaten. 376 377

148

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons

d) Soft Law Art. 6 der AEMR, auf den Art. 16 IPbürg zurückgehe 78 , entspricht diesem wortgleich. Inhaltlich entpricht Art. 21 Abs. 3 der AEMR Art. 25 lit. b) IPbürg, der das aktive und passive Wahlrecht garantiert. Eine weitere Interpretation der Nonnen ist daher entbehrlich. Zwar scheidet eine entsprechende Anwendung der Nonnen der GFK auf Internally Displaced Persons aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der Rechtslagen aus. Dennoch soll mangels spezifischer Regelungen zugunsten von Internally Displaced Persons auf die Art. 27 und 28 der GFK hingewiesen werden, die als Modell weiterer Regelungen dienen könnten. Nach den genannten Regelungen sind Konventionsflüchtlingen, die nicht über gültige Reiseausweise verfügen, Personalausweise und unter bestimmten Voraussetzungen auch Reiseausweise auszustellen. An nichtverbindlichen Regelungen zum Schutz der Internally Displaced Persons ist Grundsatz 20 der Guiding Principles on Internal Displacement hervorzuheben, der den Zusammenhang zwischen dem Recht auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit und der Ausstellung von Papieren deutlich betont. 379 Grundsatz 22 Abs. 1 lit. d) befaßt sich mit dem Recht, an staatlichen Angelegenheiten mitzuwirken, sowie einem Anspruch auf Zurverfügungstellung der hierfür erforde~lichen Mittel. 380 378 379

Vgl. Volvio, in: Henkin (Hg.), 184, 187. Grundsatz 20 der Guiding Principles, s. Anhang I, lautet:

1. Every human being has the right to recognition everywhere as a person before the law. 2. To give effect to this right for internally displaced persons, the authorities concerned shall issue to them all documents necessary for the enjoyment and exercise of their legal rights, such as passports, personal identification documents, birth certificates and marriage certificates. In particular, the authorities shall facilitate the issuance of new documents or the replacement of documents lost in the course of displacement, without imposing unreasonable conditions, such as requiring to return to one's area of habitual residence in order to obtain these or other required documents. 3. Women and men shall have equal rights to obtain such necessary documents and shall have the right to have such documentation issued in their own names. 380 Grundsatz 22 Abs. 1 lit. (d) lautet: 1. Internally displaced persons, whether or not they are living in camps, shall not be discriminated against as a result of their displacement in the enjoyment of the following rights: (d) The right to vote and to participate in governmental and public affairs, including the right to have access to the means necessary to exercise this right.

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

149

Nach Art. 6 der ILA Draft Declaration on Intemally Displaced Persons sind den Internally Displaced Persons, die nicht über gültige persönliche Papiere verfügen, diese durch die entsprechenden Staats gewalten auszustellen, um die in der Deklaration vorgesehenen Rechte in Anspruch nehmen zu können. 381

3. Der Schutz im Rahmen von Bürgerkriegen

Das Recht auf Anerkennung der Rechtspersönlichkeit ist gern. Art. 4 Abs. 2 IPbürg notstandsfest und findet daher auch im Rahmen von Bürgerkriegen unbeschränkt Anwendung. Die zumindest de lege ferenda bedeutsame Regelung in Art. 3 Abs. 1 der Turku Declaration wiederholt dies ausdrücklich. Während verschiedene Normen des humanitären Völkerrechts, welches auf internationale Konflikte Anwendung findet, Regelungen in bezug auf die Registrierung von Kindern und die Ausstellung von Ausweispapieren beinhalten382 , existieren keine entsprechenden Normen im auf nicht-internationale Konflikte anwendbaren Recht. Regelungen bezüglich der Teilnahme an Wahlen finden sich im gesamten humanitären Völkerrecht nicht.

ill. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte 1. Bedeutung und Bedrohung sonstiger Rechtsgüter

Gegenüber den bereits näher untersuchten Rechten treten die übrigen politischen und bürgerlichen Rechte in der Bedeutung zum Teil erheblich zurück. Es soll jedoch vermieden werden, eine zwangsläufig ungenaue und wenig zweckdienliche Normenhierachie der einzelnen Rechte zu konstruieren. 383 Demgegenüber erscheint ein erneuter Hinweis auf den Zeitpunkt der Bedrohung beziehungsweise Verletzung der Rechtsgüter geboten. Handelt es sich um drohende oder akute Verletzungen von Rechtsgütern in der Zeit vor der Flucht, so

381 Art. 6 der ILA-Draft Declaration, s. Anhang 11, lautet: Identity papers shall be issued by the appropriate authorities to enable intemally displaced persons to fully enjoy all rights provided for under this Declaration. 382 Vgl. Art. 50 Abs. 2 und 4 der IV. GK, Art. 78 Abs. 3 des I. Protokolls. 383 Gewiße quasi-hierachische Unterschiede ergeben sich aus der Nennung einzelner Rechte als notstands fest in den einschlägigen Derogationsregelungen.

150

2. Kap.: Analyse des normativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

wirken diese als root causes unter Umständen fluchtauslösend. 384 Während der Flucht oder Zwangs umsiedlung selbst kommt es zur Einschränkung praktisch aller genannten Rechte. Von besonderem Interesse ist die Rechtslage im Anschluß an Flucht oder Zwangsumsiedlung: Nach dem Scheitern des präventiven Rechtsschutzes stellt sich die Frage, wie sich der Schutz der Internally Displaced Persons im Hinblick auf ihre bürgerlichen und politischen Rechte an den neuen Aufenthaltsorten gestaltet. Neben den bereits eingehend untersuchten Rechten kann die vollständige oder teilweise Beschränkung folgender bürgerlicher und politischer Rechte der internally displaced persons typischerweise beobachtet werden: Das Selbstbestimmungsrecht der VÖlker 85 , das Diskriminierungsverbot386 , die Religions- und Meinungsfreiheit387 , die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit388 sowie Rechte im Zusammenhang mit dem Schutz der Familie. 389 Die Untersuchung muß sich im folgenden auf eine knappe Darstellung der dem Schutz der jeweiligen Rechtsgüter dienenden menschenrechtlichen und hurnanitärrechdichen Normen beschränken. In diesem Abschnitt unterbleibt eine Differenzierung hinsichtlich der Konfliktsituationen.

2. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte im Rahmen innerer Unruhen sowie im Rahmen von Bürgerkriegen a) Das Selbstbestimmungsrecht der Völker Das Selbstbestimmungsrecht der Völker hat in der Zeit nach 1945 einen umfassenden Wandel erlebt und nach überwiegender Ansicht vÖlkergewohnheitsrecht384 Vgl. Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 281; Lewis, Geo.lmmigr.LJ. 6 (1992), 693, 698. m Vgl. de Zayas, AVR 35 (1997), 29, 40; Stavropoulou, Am.UJ.lnt'l L. & Pol'y 9 (1994),689,737; UN ECOSOC, AI-KhasawnehIHatano-Report, 1993, paras. 202/203. 386 V gl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 48; de Zayas, AVR 35 (1997), 29,45. 387 Vgl. Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 521; Stavropoulou, Am.UJ.lnt'1 L.& Pol'y 9 (1994), 689, 737; de Zayas, AVR 35 (1997), 29, 43; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 311. 388 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 73; Deng-Compilation, 1995, para. 344; Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 521. 389 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, paras. 68/69; Deng-Compilation, 1995, para. 285.

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

151

lichen Status erlangt390, wie dies auch der IGH wiederholt bestätigte. 391 Das Recht ist in Art. 1 Abs. 1 des IPbürg sowie Art. 1 Abs. 1 des IPwirt nonniert und wurde zudem in verschiedenen bedeutsamen Deklarationen der VN-Generalversammlung bekräftigt.392 Das Recht auf Selbstbestimmung findet zudem in Art. 1 Abs. 2 und 55 der Charta der VN Erwähnung. Im humanitären Völkerrecht finden sich dagegen keine entsprechenden Normen.

b) Das Diskriminierungsverbot Zahlreiche Normen des IPbürg393 sowie diverse internationale Spezialabkommen zum Schutz der Menschenrechte394 dienen dem Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Ansichten, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status. Das Diskriminierungsverbot des IPbürg ist gemäß Art. 4 Abs. 1 notstandsfest. 395 Es wird in der Charta der VN an verschiedenen Stellen als eines der Leitmotive bekräftigt396 und in der AEMR noch vor dem Recht auf Leben in Art. 2 sowie in Art. 7 genannt. Der gemeinsame Art. 3 GK sowie Art. 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 des 11. Protokolls verbieten nachteilige Unterscheidungen ("adverse distinction") bei der Anwendung der jeweiligen Normen.

390 Vgl. Doehring, BDGVR 1974,7, 18; ders., in: Simma (Hg.), Art. 1, paras. 57-59; Thürer, AVR 22 (1984), 113, 125. 391 Vgl. zuletzt IGH, Case Conceming East Timor (Portugal v. Australia), IC] Rep. 1995,102 m.w.N. über frühere Entscheidungen. 392 UN AJRES/1514 (XV) vom 14. Dezember 1960; AJRES12526 (XXV) vom 24.10.1970, die sog. Friendly Relations Declaration. 393 Vgl. die Art. 2 Abs. 1, Art. 14, Art. 24 Abs. 1, Art. 25, Art. 26 des IPbürg. 394 V gl. die Präambel und Art. 2 der Konvention gegen Rassendiskriminierung von 1965; die Präambel und Art. IV der Anti-Apartheid-Konvention von 1973, die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der Frauenrechtskonvention von 1979, die Präambel und Art. 2 der Kinderrechtskonvention von 1989. ws Vgl. auch Section B 2. d), C Art. 3 der Paris Minimum Standards, s. Anm. 29. Zur umstrittenen Frage, ob das Diskriminierungsverbot generell den Status von ius cogens erlangt hat, vgl. Hannikainen, Peremptory norms (ius cogens) in intemationallaw, 480-482. 396 Vgl. die Art. 1 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1 lit. b), Art. 55 lit. c) und Art. 76 lit. c) der Charta der VN.

152

2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

Die Guiding Principles on Internal Displacement fonnulieren den Schutz der Internally Displaced Persons in den Grundsätzen 1 Abs. 2 und 4 Abs. 1. 397 Art. 4 Abs 2 der Draft Declaration on Internally Displaced Persons der ILA urnfaßt sowohl den Schutz vor Vertreibung aufgrund von Diskriminierung als auch das Verbot der Diskriminierung im Anschluß an Flucht oder Vertreibung. Art. 5 Abs. 2 der Deklaration beinhaltet zudem ein allgemeines Diskriminierungsverbot zugunsten der Internally Displaced Persons. 398 Findet eine Diskriminierung von Internally Displaced Persons nicht aufgrund eines der genannten spezifischen Unterscheidungsgründe statt, sondern wegen ihres Status als Internally Displaced Person, so ist diese de lege lata im Hinblick auf das Merkmal des "sonstigen Status" (Art. 2 Abs. 1 IPbürg) beziehungsweise des "ähnlichen Unterscheidungsmerkmals" (gemeinsamer Art. 3 Abs. 1 S. 1 GK, Art. 2 Abs. 1 11. Protokolls) verboten. 399

c) Die Religions-, Gewissens- und Meinungsfreiheit Die Religions- und Gewissensfreiheit wird in Art. 18 IPbürg allgemein und in Art. 27 IPbürg speziell für Minderheiten geschützt. Art. 14 Abs. 1 der KinderGrundsatz lAbs. 1 der Guiding Principles, s. Anhang I, lautet: Internally displaced persons shall enjoy, in full equality, the same rights and freedoms under international and domestic law as do other persons in their country. They shall not be discriminated against in the enjoyment of any rights and freedoms on the ground that they are internally displaced. Grundsatz 4 Abs. 1 lautet: 1. These Principles shall be applied without discrimination of any kind, such as race, color, sex, language, religion or belief, political or other opinion, national, ethnic or social origin, legal or social status, age, disability, property, birth, or on any other similar criteria. 398 Art. 4 Abs. 2 der ILA-Drajt Declaration, s. Anhang 11, lautet: 397

2. No intemally displaced person shall be compelled to leave his or her horne or place of habitual residence due to persecution or discrimination based on race, religion, nationality, membership of a particular social group or political opinion, or subject to such persecution or discrimination subsequent to displacement. Art. 2 Abs. 2 lautet: Notwithstanding that preferential treatment may be accorded to such vulnerable groups as women, children, elderly, and the sick and infinn, no discrimination may be made against intemally displaced persons on the basis of race, religion, nationality, membership of a particular social group or political opinion. 399 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 52.

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

153

rechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten zur Achtung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit gegenüber Kindern. Während die Bekundung der Religionsfreiheit jeweils unter engen Voraussetzungen einschränkbar ist400, darf das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit als solches nach Art. 4 Abs. 2 IPbürg nicht außer Kraft gesetzt werden. 401 Als nichtverbindliche Normen zum Schutz der Religions- und Gewissensfreiheit sind Art. 18 der AEMR402 sowie die Deklaration zur Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von Religion oder Glauben zu nennen. 403 Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Art. 19 des IPbürg und Art. 13 der Kinderrechtskonvention geschützt. Das Recht ist einschränkbar404 und nicht notstandsfest. Art. 19 der AEMR40S entspricht inhaltlich im wesentlichen Art. 19 Abs. 1 und 2IPbürg. 406 Während der gemeinsame Art. 3 GK keine Regelungen zum Schutz der Religions-, Gewissens- oder Meinungsfreiheit enthält, finden sich im 11. Protokoll verschiedene Normen, die dem Schutz der Religions- und Gewissensfreiheit dienen. 407 Hervorzuheben ist Art. 4 Abs. 1, wonach die Achtung der persönlichen Überzeugungen und religiösen Gepflogenheiten von Personen hors de combat zu den grundlegenden Garantien des 11. Protokolls zählt. Grundsatz 22 Abs. llit. (a) der Guiding Principles on Internal Displacement schützt die Gewissens-, Religions- und Meinungsfreiheit der Internally Displaced Persons. 408 400 Art. 18 Abs. 3 IPbürg, Art 14 Abs. 3 Kinderrechtskonvention; vgl. auch General Comment 22/48 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 29. Juli 1994, UN HRIIGEN/lI Rev. 2 vom 26. März 1996, 37, para. 8. 401 Vgl. Partsch, in: Henkin (Hg.), 209, 2121213; vgl. auch para. 58 der Siracusa Principles und Art. 8 Abs. 3 der Paris Minimum Standards, s. o. Anm. 29. 402 Vgl. Scheinin, in: EideiAlfredssoniMelanderiRehoflRosas (Hg.), 263-274 m.w.N. 403 Dec1aration on the Elimination of All Forms of Intolerance and of Dicrimination Based on Religion or Belief vom 25. November 1981, UN AlRES/36/55. 404 Art. 19 Abs. 3 IPbürg, hierzu Partsch, in: Henkin (Hg.), 209, 219-222; Art. 13 Abs. 2 Kinderrechtskonvention. V gl. dagegen para. 58 der Siracusa Principles, s. o. Anm. 29 sowie Art. 8 Abs. I der Paris Minimum Standards, s. o. Anm. 29, wonach die Meinungsfreiheit keinen Beschränkungen unterliegt. 405 V gl. HannikainenIMyntti, in: EidelAljredssoniMelanderlRehoj/Rosas (Hg.), 275-286 m.w.N. 406 Vgl. Partsch, in: Henkin (Hg.), 209, 216/217. 407 V gl. die Art. 4 Abs. I, Abs. 3 lit. a), Art. 5 Abs. 1 lit. d) des 11. Protokolls. 408 Grundsatz 22 Abs. 1 lit. (a) der Guiding Principles, s. Anhang I, lautet: Internally displaced persons, whether or not they are living in camps, shall not be dis-

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2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Internally Displaced Persons

d) Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden gemäß den Art. 21 und 22 IPbürg gewährleistet, entsprechend in Art. 15 der Kinderrechtskonvention.

Beide Rechte unterliegen Einschränkungsmöglichkeiten409 und sind nicht notstandsfest. In der AEMR werden die Rechte nach Art. 20 geschützt. 410 In hurnanitärrechtlichen Normen finden sich dagegen keine Regelungen zum Schutz der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Grundsatz 22 Abs. 1 lit. (c) der Guiding Principles on Internal Displacement garantiert das Recht zugunsten von Internally Displaced Persons, sich frei zu vereinigen und an öffentlichen Angelegenheiten gleichberechtigt teilzunehmen. 411

e) Der Schutz der Familie und das Recht auf Familienzusammenführung Die Familie wird in Art. 23 Abs. 1 IPbürg sowie Art. 16 Abs. 3 AEMR als natürliche und grundlegende Kernzelle beziehungsweise Einheit der Gesellschaft anerkannt. Neben dieser Institutsgarantie412 schützen Art. 17 IPbürg sowie entsprechend Art. 12 der AEMR die Familie vor Eingriffen des Staates. Neben Art. 24 Abs. 1 IPbürg wird in verschiedenen Normen der Kinderrechtskonvention die besondere Rolle der Familie für den Schutz der Kinder ausdrücklich oder konkludent betont. 413 Spezielle verbindliche Regelungen zur Familienzusammenführung von Internally Displaced Persons existieren jedoch nicht. Art. 10 Abs. 1

criminated against as a result of their displacement in the enjoyment of the following rights: (a) The rights to freedom of thought, conscience, religion or belief, opinion and expression. 409 Vgl. die Art. 21 Abs. 1 S. 2, Art. 22 Abs. 2 IPbürg, hierzu Partsch, in: Henkin (Hg.), 209,232/233 u. 236/237, sowie Art. 15 Abs. 2 der Kinderrechtskonvention. 410 Vgl. Scheinin, in: EideiAlfredssoniMelanderlRehoflRosas (Hg.), 287-298 m.w.N. 411 Grundsatz 22 Abs. llit. (c) der Guiding Principles, s. Anhang I, lautet: Internally displaced persons, whether or not they are living in camps, shall not be discriminated against as a result of their displacement in the enjoyment of the following rights: (c) The right to associate freely and participate equally in community affairs. Vgl. Nowak, V.N. Covenant, Art. 23 paras. 1/2 m.w.N. 413 Vgl. die Art. 7 Abs. 1 , Art. 8 Abs. I, Art. 9, Art. 10, Art. 22 der Kinderrechtskonvention. 412

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

155

und Art. 22 Abs. 2 der Kinderrechtskonvention sehen die Familienzusammenführung von Flüchtlingen über internationale Grenzen vor und sind damit auf Internally Displaced Persons nicht unmittelbar anwendbar. 414 In Fällen der - grundsätzlich zu venneidenden - durch den Staat zu verantwortenden Trennung von Kind und Eltern gewährleistet Art. 9 Abs. 4 der Kinderrechtskonvention in begrenztem Umfang Schutz. Danach sollen die Vertragsstaaten Informationen über den Verbleib der Familienangehörigen bekanntgeben, die zur späteren Zusammenführung der Familie dienen können. Während die Bedeutung der Familie und die Erleichterung der Familienzusammenführung im humanitären Völkerrecht zur Regelung internationaler Konflikte einen klaren Ausdruck gefunden hat415 , findet sich im gemeinsamen Art. 3 GK keine entsprechende Nonn. Mit den Art. 4 Abs. 3 lit. b) und lit. e) des 11. Protokolls wurden nur wenige entsprechende Nonnen eingeführt, die zudem im Vergleich zur IV. GK wenig präzise gefaßt sind. Grundsatz 17 der Guiding Principles on Internal Displacement befaßt sich ausführlich mit dem Schutz der Familie und betont unter Abs. 3 das Recht auf Familienzusammenführung. 416 Nach Art. 7 der Draft Declaration on Internally Displaced Persons der ILA haben alle Internally Displaced Persons, insbesondere die von ihren Eltern oder Angehörigen getrennten Kinder, ein Recht auf Familienzusammenführung. 417

414 Entsprechendes gilt für die verschiedenen durch das UNHCR Exekutiv-Kommittee (EXCOM) verabschiedeten Resolutionen, die die Bedeutung der familiären Einheit und Familienzusammenführung hevorheben; Nachweise bei UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 294 m.w.N. 415 Art. 25-27, Art. 82 der IV. GK, Art. 74 des I. Protokolls; vgl. auch Henckaerts, VandJ. Transnat'l L. 26 (1993/94),469,476. 416 Grundsatz 17 Abs. 3 der Guiding Principles, s. Anhang I, lautet:

Families which are separated by displacement should be reunited as quickly as possible. All appropriate steps shall be taken to expedite the reunion of such families, particularly when children are involved. The responsible authorites shall facilitate inquiries made by family members and encourage and cooperate with the work of humanitarian organizations engaged in the task of family reunification. 417 Art. 7 der Draft Declaration on lnternally Displaced Persons, s. Anhang 1I,lautet: All internally displaced persons, especially children separated from their parents or other family members, are entitled to the right to family reunification.

156

2. Kap.: Analyse des nonnativen Schutzes der Intemally Displaced Persons

IV. Bewertung Die Frage des Bestehens von Schutzlücken zu Lasten der Zivilpersonen beziehungsweise Internally Displaced Persons läßt sich hinsichtlich der sonstigen bürgerlichen und politischen Rechte nicht einheitlich beantworten. Allgemein gilt auch hier, daß für den Schutz dieser Rechte keine speziellen, auf die spezifischen Belange der Internally Displaced Persons zugeschnittenen verbindlichen Normen bestehen. Internally displaced persons sind jedoch grundsätzlich gemäß der auf Zivilpersonen anwendbaren Normen sowohl vor als auch während und nach der Flucht geschützt. In bezug auf die Rechte im Zusammenhang mit der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit - die als solche umfassend geschützt ist - läßt sich durchaus ein Regelungsbedarf ausmachen. Zwar bestehen vereinzelt verbindliche Regelungen bezüglich der Registrierung von Kindern oder Eheschließungen. Hinsichtlich der für die Reintegration von Internally Displaced Persons oft unabdingbaren persönlichen Ausweispapiere ist jedoch eine nur sehr lückenhafte Regelung festzustellen418 , da die Ausstellung entsprechender Papiere in keinem auf Internally Displaced Persons anwendbaren verbindlichen Rechtsinstrument geregelt ist. Die Meinungsfreiheit sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind, da grundsätzlich einschränkbar und nicht notstandsfest, im Rahmen von inneren Unruhen und Bürgerkriegen nur bedingt geschützt. Auch der Schutz der Familie, vor allem im Hinblick auf das Recht auf Familienzusammenführung, ist nur lückenhaft geregelt. Weder in menschenrechtlichen Normen, noch im gemeinsamen Art. 3 GK finden sich diesbezügliche Regelungen. Für die in Art. 4 des ll. Protokolls enthaltenen Bestimmungen stellt sich in erster Linie das allgemeine Problem der hohen Anwendungsschwelle. 419 Zudem ist auf die im Gegensatz zu Normen der IV. GK zum Schutz der Zivilpersonen in internationalen Konflikten nur sehr allgemein formulierte Verpflichtung hinzuweisen. Insgesamt positiv fällt dagegen der Befund hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts der Völker, des Diskriminierungsverbots420 sowie der Religions- und Gewissensfreiheit aus.

Vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 268. Vgl. o. 2. Kap. B. III. 3. a), 82 ff. 420 Hierbei hält Deng eine ausdrückliche Normierung im Hinblick auf das unter Umständen einschlägige Merkmal des "sonstigen Status" für wünschenswert, vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 65. 418 419

F. Der Schutz sonstiger bürgerlicher und politischer Rechte

157

Als Lösungsansatz bietet sich auch für die sonstigen bürgerlichen und polischen Rechte eine ausdrückliche Normierung in einem internationalen Dokument an. Es besteht zwar kein mit dem Rechtsschutz von Leib oder Leben der Internally Displaced Persons vergleichbarer Handlungsbedarf. Dennoch bieten sich entsprechende Regelungen zur Schaffung eines umfassenden Schutzes der Internally Displaced Persons an. 421

421

Vgl. auch u. 4. Kap. B.I., 266 ff.

Drittes Kapitel

Analyse des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons

A. Einleitung Im dritten Kapitel soll der institutionelle Schutz der internally displaced persons aus völkerrechtlicher Perspektive analysiert werden. Ziel der Untersuchung ist es auch in diesem Abschnitt, bestehende Lücken des völkerrechtlichen Schutzes der Internally Displaced Persons herauszuarbeiten. Ausgangspunkt sind dabei Situationen, in denen der an sich primär für den Schutz der Internally Displaced Persons zuständige Heimatstaat für Flucht oder Zwangsumsiedlung unmittelbar verantwortlich und zu deren erforderlichem Schutz nicht bereit oder in der Lage ist. Liegen entsprechende Situationen vor, stellt sich die für den Schutz der internally displaced persons entscheidende Frage, ob und in welchem Umfang zwischenstaatliche Internationale Organisationen oder Nichtregierungsorganisationen 1 ergänzend oder ersatzweise Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und humanitäre Hilfe gewährleisten können. 2 Internationaler, das heißt von außerhalb des betreffenden Staates kommender, Schutz und Hilfe zugunsten der Internally Displaced Persons kommen grundsätzlich nur ergänzend beziehungsweise subsidiär zur primären Verpflichtung der Staaten zum Tragen, deren Hoheitsgewalt die Internally Displaced Persons unterliegen. 3 1 Im folgenden werden die international gebräuchlichen englischen Abkürzungen "IGO" sowie "NGO" verwandt, die für "Intergovernmental Organization", also zwischenstaatliche Internationale Organisation, bzw. "Nongovernmental Organization", also Nichtregierungsorganisation, stehen. 2 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 359/360. 3 Vgl. UN AlRES 43/131 vom 8. Dezember 1988, Humanitarian assistance to victirns of natural disasters and similar emergency situations, para. 2; AlRES 46/182 vom 19. Dezember 1991, Annex I. 4; Bettati, R.G.D.I.P. 1991,655/656; ders., in: Europäische Kommission (Hg.), Vol.lI, 13,33/34; Carrillo Salcedo, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11,97,100; Junod, in: SandozlSwinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4878; Grundsatz 4 der "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance", abgedruckt in: IRRC 1993, 519-525,522, s. Anhang IV; Resolution 11, 2. der Ratstagung der Internationalen Rot-

A. Einleitung

159

Eine für die Bewertung des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons wesentliche Feststellung besteht darin, daß es im Unterschied zum Schutz von Flüchtlingen keine speziell für Internally Displaced Persons zuständige IGO, etwa nach dem Vorbild des UNHCR, gibt. 4 Kommt es in der Praxis zu Schutzgewährung oder Hilfe zugunsten von Internally Displaced Persons, so basiert diese regelmäßig auf Ad-hoc-Vereinbarungen mit den jeweiligen Heimatstaaten 5 oder auf Ermächtigungen einzelner Organisationen durch den VN-Sicherheitsrat oder die VN-Generalversammlung. 6 Cuenod stellte in diesem Zusammenhang fest, daß gerade die Ad-hoc-Natur der einzelnen Reaktionen der VN im Rahmen von humanitären Krisen eines der Hauptproblerne für den Schutz der Intemally Displaced Persons sei: "Delays and lack of preparedness are by definition inherent in an ad hoc response to sudden emergencies."7 Von den zahlreichen Akteuren, die institutionell oder operationell zum Schutz oder zur Hilfe der Intemally Displaced Persons tätig werden, kommt dem UNHCR sowie dem IKRK eine herausragende Bedeutung zu. 8 Es erscheint daher angebracht, die Mandate dieser beiden Organisationen im Hinblick auf die Aktivitäten zum Schutz der Intemally Displaced Persons eingehend zu untersuchen. 9 Nicht näher behandelt wird dagegen die gesonderte Problematik des Schutzes der menschenrechtlichen und humanitären Organisationen selbst. 1O

kreuz- und Rothalbmondbewegung 1993 in Birmingham, IRRC 1993, 488-501, 500; Grundsatz 25 Abs. 1 der Guiding Principles on Internal Displacement, s. Anhang I, lautet: The primary duty and responsibility for providing humanitarian assistance to internally displaced persons lies with national authorities. 4 Vgl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, para. 117; UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1995, paras. 92, 264; UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 10; Hofmann, in: FS Bernhardt, 417, 430/431; ders., in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249,288; UNHCR, Report 1997/98, 123. 5 Vgl. hierzu u. 3. Kap. B. III. 3 b), 197 ff. 6 Vgl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, para. 117; Kourula, 184; vgl. auch Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 5/6; näher hierzu u. 3. Kap. C. 11. 2.,239 ff. 7 UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, para. 129. 8 Vgl. UNHCR, Report 1997/98, 124; zu anderen IGOs und NGOs, die sich mit dem Schutz der Internally Disp1aced Persons befassen, vgl. u. 3. Kap. B. III. 1. a), 176/177. 9 Vgl. im einzelnen u. 3. Kap. C., 232 ff. u. D., 255 ff. 10 Vgl. hierzu die Convention on the Safety ofUnited Nations and Associated Personnel, UN AlRES/49159 vom 9. Dezember 1994; ILM 34 (1995), 482-493 und Bloom, AJIL 89 (1995),621-631; Emanueli, HuV-I 1996,4-10 m.w.N.; Comtesse, IRRC 1997, 143-151; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 396-402.

160

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Aus völkerrechtlicher Perspektive liegt es nahe, daß der Grundsatz der staatlichen Souveränität das Haupthindernis für menschenrechtlichen Schutz und humanitäre Hilfe zugunsten der Internally Displaced Persons durch IGOs oder internationale NGOs darstellt. l1 Schließlich befinden sich Internally Displaced Persons im Unterschied zu Flüchtlingen ja gerade innerhalb der Grenzen des eigenen Landes und fallen somit vorrangig in die Kompetenz der staatlichen personalen Hoheitsgewalt. 12 Die subsidiäre Bedeutung des institutionellen Schutzes zugunsten der Internally Displaced Persons - Bettati spricht allgemein vom "Subsidiaritätsprinzip"l3 - entspricht im Hinblick auf die faktischen Auswirkungen weitgehend dem Schutz der Flüchtlinge nach dem Flüchtlingsvölkerrecht. 14 Der Schutz der Internally Displaced Persons darf mit dem der Flüchtlinge aber keinesfalls verwechselt werden, da angesichts des Souveränitätsgrundsatzes einschließlich der territorialen Hoheitsgewalt ein gänzlich anderer normativer Rahmen besteht. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang der Ansatz Lees, der auf der Grundlage von historischen, praktischen und juristischen Argumenten für eine Synthese des Rechtsschutzes zugunsten der Flüchtlinge und der internally displaced persons plädiert. 15 Beruft sich ein Staat bei inneren Unruhen oder Bürgerkriegen darauf, daß die Lage, die zu Flucht oder Vertreibung Anlaß gegeben hat, sowie deren Bewältigung eine rein innere Angelegenheit sei, so entstehen grundSätzlich erhebliche juristische, politische und praktische Barrieren für das Tätigwerden von IGOs oder NGOs. 16 Unter Bezug auf nicht-internationale Konflikte schreibt MacalisterSmith treffend: "It is also the area with not only the least law, but also the most unsatisfactory law in practical terms for all concerned, except for the state it-

11 Vgl. Deng, UNHCR (Hg), Refugees, Nr. l/1996, 14: "Overwhelmingly, the internally displaced live under adverse conditions of a ho stile domestic environment, where their access to protection and assistance is constrained by national sovereignty."; vgl. auch Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. II, 13, 18; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 55. 12 Vgl. u. 3. Kap. B.I., 163 ff. 13 Vgl. Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. II, 13, 18. 14 Vgl. zur Konzeption des Flüchtlingsrechts, Hathaway, The law of refugee status, 124/125 m.w.N. 15 V gl. Lee, JRS 9 (1996), 27-42; zur Kritik an diesem Ansatz vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 122. 16 Vgl. Cohen, Human rights protection for the internally displaced persons, 16117; Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 429; Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 7101711; Macalister-Smith, in: Kalshoven (Hg.), 99, 103.

A. Einleitung

161

self."17 Dieser "Schutzmantel der Souveränität" 18 kann bei dauerhafter Verweigerung der Staaten, internationale Hilfsleistungen zuzulassen, zu katastrophalen Konsequenzen für die notleidende Zivilbevölkerung und hier insbesondere die Internally Displaced Persons führen. 19 Zur Durchbrechung dieses Schutzmantels zugunsten der Internally Displaced Persons bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: zum einen kann das Tätigwerden von IGOs und NGOs, und damit die Gewährleistung von Schutz und Hilfe, von der Zustimmung des jeweiligen Heimatstaates abhängig gemacht werden. 20 Diese Form des institutionellen Schutzes wird auch als "soft intervention" bezeichnet. 21 Zum anderen die vor allem in jüngerer Zeit seit Ende des Ost-WestKonflikts zum Ausdruck gekommene Praxis der VN-Sicherheitsrates, durch Resolutionen auf Grundlage des VII. Kapitels der VN-Charta humanitären Schutz und Hilfsleistungen durch Staaten und IGOs - auch unter Einsatz militärischer Maßnahmen - zu ermöglichen. Als Ausnahmefall besteht zudem die Möglichkeit, humanitäre Hilfsleitungen auch ohne Zustimmung der eigentlichen Staatsgewalt zu erbringen. Als Adressat entsprechender Hilfsleistungen in bewaffneten internen Konflikten kommt insbesondere die Zivilbevölkerung im Gebiet aufständischer Verbände in Betracht. Die Problematik der vor allem in der jüngeren Völkerrechtspraxis durch den Sicherheitsrat autorisierten "humanitären Interventionen" kann im Rahmen der Untersuchung nicht in angemessenem Umfang gewürdigt werden und bleibt daher grundsätzlich ausgeklammert. 22 Macalister-Smith, in: Kalshoven (Hg.), 99, 113. Zum Begriffvgl. Delbrück, GYIL 22 (1979), 384, 387. 19 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 102. 20 Eine ähnliche Einteilung der "Rechtfertigung der Einmischung in die inneren Angelegenheiten" findet sich bei Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 122/123. 21 V gl. DowtylLoescher, International Security, 21 (1996),43,66-69; die Terminologie sollte allerdings eher rechtspolitisch als juristisch verstanden werden, da die Tätigkeiten humanitärer Organisationen mit Zustimmung des betroffenen Staates gerade keinen Verstoß gegen das Interventionsverbot darstellen, vgl. hierzu näher u. 3. Kap. B. III. 3. b), 197 ff. 22 V gl. aber u. 3. Kap. B. III. 3. c), 200 ff. zur Leistung humanitärer Dienste trotz fehlender Zustimmung des Internally Displaced Persons beheimatenden Staates. Aus der umfangreichen Literatur zum Themenkomplex der "Humanitären Interventionen" sei hier nur auf einige Quellen verwiesen: Beyerlin, Die humanitäre Aktion zur Gewährleistung des Mindeststandards in nicht-internationalen Konflikten; Greenwood, Christopher, Gibt es ein Recht auf humanitäre Intervention?, EA 1993,93-106; Nass, Klaus Otto, Grenzen und Gefahren humanitärer Interventionen, EA 1993, 279-288; Luca, Donatella Intervention 17

18

11 Geißler

162

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Genauer betrachtet werden sollen dagegen Maßnahmen der "soft intervention", also das Angebot sowie die tatsächliche Leistung humanitärer Dienste sowie der Sonderfall der Leistung humanitärer Hilfe an Internally Displaced Persons, die sich im Gebiet aufständischer Verbände befinden. Darüber hinaus soll untersucht werden, in welchem Umfang der Souveränitätsgrundsatz überwunden werden kann. Hierzu ist insbesondere die Beeinflussung des Souveränitätsgrundsatzes durch humanitäre und menschenrechtliche Mindeststandards und die daraus folgenden Konsequenzen für die Aktivitäten internationaler Organisationen wie des UNHCR sowie des IKRK zugunsten der Internally Displaced Persons zu analysieren. Neben der Untersuchung des Spannungsverhältnisses zwischen institutionellem Schutz und Interventionsverbot stellt sich vor allem die Frage, ob ein Staat in bestimmten Situationen verpflichtet sein kann, ihm angebotene Hilfe zu akzeptieren oder zumindest nicht willkürlich abzulehnen. Mit anderen Worten geht es um die Frage des Bestehens einer Staatenverpflichtung, humanitäre Hilfe im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte zuzulassen. In diesem Zusammenhang ist auch auf ein mögliches Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe einzugehen. Im folgenden soll zunächst der Begriff und die Bedeutung des Souveränitätsgrundsatzes für den Schutz der Internally Displaced Persons dargestellt werden (B.I.). Sodann folgen Ausführungen zu den Einschränkungen staatlicher Souveränität im Hinblick auf die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes sowie des humanitären Völkerrechts (B. 11.). Unter B. III. wird nach Erläuterung des Begriffs des institutionellen Schutzes die Frage untersucht, ob dieser im Einzelfall einen Verstoß gegen das Interventionsverbot darstellt. Sodann ist zu überprüfen, ob sich nach geltendem Völkerrecht oder zumindest de legeferenda ein Recht auf humanitären Schutz im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte nachweisen läßt (B. IV.). Unter C. und D. werden dann die Handlungsperspektiven des UNHCR und des IKRK zugunsten der Internally

humanitaire: questions et reflexions, IJRL 5 (1993),424-441; Li/lieh, Richard B., Humanitarian Intervention through the United Nations: Towards the development of criteria, ZaöRV 53 (1993), 557-575; Gading, Der Schutz grundlegender Menschenrechte durch militärische Maßnahmen des Sicherheitsrates; Freedman, Geo.lmmigr.LJ. 9 (1995), 545-601; Falk, Richard, The complexities of humanitarian intervention: A new world order, MichJIL 17 (1996), 491-513; Posen, Barry A., Military Responses to Refugee Disasters, International Security 21 (1996), 72-111; Tes6n, Femando R., Humanitarian Intervention: an inquiry into law and morality, Irvington on Hudson, New York 1997; Lai/ach, Martin, Die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit als Aufgabe des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, Berlin 1998 jeweils mit zahlreichen w.N.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

163

Displaced Persons im Hinblick auf die Entwicklung der jeweiligen Mandate dargestellt und bewertet.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität I. Grundlagen und Begriff der staatlichen Souveränität Konsequenzen für den Schutz der Internally Displaced Persons 1. Grundlagen und Begriff der staatlichen Souveränität Der Begriff der Souveränität der Staaten ist eng mit der Geschichte und Entwicklung des Völkerrechts verbunden. Entsprechend unterlag der Begriff der Souveränität einem ständigen Wandel, beeinflußt durch die gesellschaftspolitischen Verhältnisse der jeweiligen Epoche. 23 Nach heutigem Völkerrechtsverständnis ist beim Begriff der Souveränität zwischen innerer und äußerer Souveränität zu unterscheiden. Innere Souveränität beschreibt die höchste Gewalt bestimmter Rechtssubjekte innerhalb eines Staates. 24 Die Souveränität im Staate kommt in der Regel dem Volk zu, vergleiche etwa Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, welches keiner anderen innerstaatlichen Gewalt untergeordnet ist. Ausdruck der inneren Souveränität eines Staates ist vor allem die Kompetenz, Fragen der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung autonom zu regeln. 25 Die innere Souveränität erstreckt sich auf das jeweilige Staatsgebiet und dessen Staatsangehörige (territoriale und personale Hoheitsgewalt).26 Die äußere Souveränität bezeichnet demgegenüber die Unabhängigkeit des Staates gegenüber anderen Staaten und IGOs. Integraler Bestandteil der äußeren Souveränität ist die sogenannte Völkerrechts unmittelbarkeit, also die lediglich durch das Völkerrecht begründete Unterordnung und damit Bindung des Staates. 27 23 V gl. Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 222-235; Steinberger, in: EPIL Vol. 10 (1987), 397-418; Verdross/Simma, §§ 31-39. 24 Vgl. Delbrück, in: DahmlDelbrückIWolfrum, 215. 25 V gl. Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 236; Ermacora, in: Simma (Hg.), Art. 2 (7), para. 35; Gloria, in: Ipsen, § 23 para. 3. 26 V gl. Verdross, in: FS v. d. Heydte, 702, 707; Delbrück, in: DahmlDelbrückIWolfrum,

216.



Der Gedanke der Begrenzung der Souveränität durch das Völkerrecht, das droit des gens oder ius gentium läBt sich bis in das 16. Jh. zurückverfolgen und wird allgemein Jean 27

164

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Nach der Loslösung der völkerrechtlichen Bindung der äußeren Souveränität von Naturrecht (ius naturale) und göttlichem Recht (lex divina) beruht die Begrenzung der Souveränität des Staates moderner Prägung auf anderen Völkerrechtsquellen. Zu nennen sind vor allem völkerrechtliche Verträge, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen sowie das Völkergewohnheitsrecht, wobei im untersuchten Kontext vor allem menschenrechtliche und humanitärrechtliche Mindeststandards von Interesse sind. 28 Wesentlicher Ausdruck staatlicher Souveränität ist das Interventionsverbot im Hinblick auf Angelegenheiten, die in die ausschließlich innere Zuständigkeit eines Staates (domestic jurisdiction; domaine reserve') fallen. 29 Im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit hat der Staat ein Recht auf Freiheit von äußeren Einmischungen durch andere Staaten oder IGOs. Eine normative Grundlage des Interventionsverbots findet sich, abgesehen von den generellen Grundsätzen der "sovereign equality" gemäß Art. 2 Abs. 1 und dem Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 der VN-Charta, vor allem in Art. 2 Abs. 7 VN-Charta, der sich allerdings primär an die VN richtet. 30 Sowohl die VN als auch der IGH haben den Grundsatz des Interventionsverbots in verschiedenen Deklarationen3l beziehungsweise Entscheidungen32 allgemein, das heißt mit Geltung für alle Staaten und Staatengrup-

Bodin zugeschrieben. Dieser nahm allerdings noch keine klare Trennung zwischen dem ius gentium sowie dem natürlichen und göttlichen Recht vor; vgl. hierzu Quaritsch, AVR 17 (1977/1978),257,259/260. Der Begriff der Völkerrechtsunmittelbarkeit selbst geht auf Emeric de Vattel zurück, vgl. Verdross, in: FS v. d. Heydte, 702, 705. 28 Zur Frage der Beschränkung der domestic jurisdiction durch den internationalen Menschenrechtsschutz vgl. u. 3. Kap. B. 11., 166 ff. 29 Vgl. Ennacora, RdC 1968 Vol. 11, 371, 377. 30 Vgl. Ennacora, in: Simma (Hg.), Art. 2 (7), para. 26. Zur Notwendigkeit der Differenzierung zwischen einem zwischenstaatlichen und organisationsinternen, die VN betreffenden Interventionsverbot, vgl. auch Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 375/376. 31 Vgl. Declaration on the Inadmissability of Intervention in the Domestic Affairs of States and the Protection of their Independence and Sovereignty, UN AlRES/2131 (XX) vom 21. Dezember 1965, para. 1; Declaration on Principles ofInternational Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in Accordance with the Charter of the United Nations, "Friendly Relations Declaration", UN AlRES/2526 (XXV) vom 24. Oktober 1970; Declaration on the Inadmissibility of Intervention and Interference in the Internal Affairs of States, UN AlRES/36/103 vom 9. Dezember 1981. 32 V gl. IGH, The Corfu Channel case (United Kingdom v. Albania), IC] Rep. 1949,35; Military and Paramilitary Activities, IC] Rep. 1986, para. 263.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

165

pen bekräftigt.33 Über den prinzipiellen Geltungsanspruch des Interventionsverbots besteht demzufolge nach heutigem Völkerrechtsverständnis kein Zweifel.

2. Konsequenzen für den Schutz der lnternally Displaced Persons Aus dem Grundsatz der territorialen Hoheitsgewalt folgt, daß der Schutz der Internally Displaced Persons grundsätzlich in den Zuständigkeits bereich des jeweiligen Heimatstaates, oder, oftmals genauer, des Aufenthaltsstaates fällt. 34 Denn im Rahmen der territorialen Hoheitsgewalt, also im Regelfall innerhalb der Grenzen eines Staates, erstreckt sich die Souveränität auf alle Menschen und Dinge, die sich im Gebiet dieses Staates befinden. 35 Das Staatsgebiet begrenzt gleichsam die Souveränität in räumlicher Hinsicht, die territoriale Gebietshoheit beginnt mit dem Überschreiten einer Grenze. Ein Spannungsverhältnis zwischen dem Souveränitätsanspruch des Staates und dem menschenrechtlichen Schutz des Individuurns 36 ergibt sich für Internally Displaced Persons aufgrund der maßgeblichen root causes der Flucht beziehungsweise Zwangsumsiedlung: denn wie bereits an anderer Stelle dargestellt, führen vor allem innere Unruhen und Bürgerkriege zum Phänomen des internal displacement. 37 Gleichzeitig handelt es sich gerade bei der Bekämpfung innerer Unruhen oder bei bewaffneten internen Auseinandersetzungen um innere Angelegenheiten "par excellence".38 Da es sich jedoch bei Internally Displaced Persons nicht um Subjekte bewaffneter Auseinandersetzungen, sondern vielmehr um deren vornehmliehe Opfer handelt, stellt sich nachdrücklich die Frage der Grenzen der staatlichen Souveränität. Dies gilt im Hinblick auf den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons vor allem für die Beschränkung des Umfangs der Angelegenheiten, die zur domestic jurisdiction zählen. Hierbei sind insbesondere vertragliche und völkergewohnheitsrechtlieh anerkannte menschenrechtliche und hurnanitärrechtliche Verpflich33 Vgl. Verdross/Simma, § 491; vgl. auch die Grundsätze 1.1. "Sovereign equality, respect for the rights inherent in sovereignty" und 1. VI. "Non-interference in internal affairs" der KSZE-Schlußakte vom 1. August 1975, ILM 14 (1975),1292-1325. 34 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 10; vgl. auch allgemein Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 183. 35 Vgl. Verdross, in: FS v. d. Heydte, 702, 707; Delbrück, in: DahmiDelbrückIWolfrum, 217; JenningslWatts, 382; Gloria, in: lpsen, § 23, para. 4. 36 Vgl. hierzu allg. Delbrück, GYIL 22 (1979),384,387; Simma, EuGRZ 1977, 235, 238. 37 Vgl. o. Einführung, 30 ff. 38 Vgl. Bindschedler, in: FS v. d. Heydte, 21, 23; Kalshoven, in: NYIL 8 (1977), 107, 109, insbesondere im Hinblick auf die ratione materiae des 11. Protokolls.

166

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

tungen sowie die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zu berücksichtigen.

11. Die Beschränkung der staatlichen Souveränität durch den internationalen Menschenrechtsschutz und das humanitäre Völkerrecht Der Schutz der Menschenrechte sowie die Beachtung des humanitären Völkerrechts betrifft unmittelbar das Verhältnis des Individuums zum Staat. Kraft dessen territorialer und personaler Hoheitsgewalt als Ausdruck der inneren Souveränität fällt die konkrete Ausgestaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen grundsätzlich in den ausschließlichen Kompetenzbereich des Staates und hängt von dessen Landesrecht ab. 39 Man ließe jedoch die Entwicklungen des internationalen Menschenrechtsschutzes unberücksichtigt, bliebe man bei dieser Feststellung stehen. Denn die Souveränität und der aus ihr folgende Bereich der domestic jurisdiction unterliegt im Hinblick auf die Behandlung der dem Staat gewaltunterworfenen Individuen und damit auch der Internally Displaced Persons zahlreichen Beschränkungen. 40 Bereits der StIGH hielt die Frage, wann eine Angelegenheit Bestandteil der domestic jurisdiction sei, für relativ und abhängig von der Entwicklung der jeweiligen internationalen Beziehungen. Die Grenzen des Bereichs der domestic jurisdiction würden durch das Völkerrecht bestimmt. 41 Als wesentliche Schlußfolgerung läßt sich aus diesem noch heute richtungsweisenden Urteil des StIGH42 herleiten, daß sich die Grenzen des Umfangs der domesticjurisdiction nach dem Völkerrecht richten und von dessen Entwicklung abhängig sind. Im folgenden sollen daher die für die Begrenzung des Umfangs der 39 Vgl. StIGH, The case ofthe SS "Lotus" (France v. Turkey), PCIJ 1927, Sero A, 10, 19; IGH, Military and Paramilitary Activities, ICI Rep. 1986, para. 263; Bindschedler, in: FS Schlochauer, 187; Kalshoven, NYIL 8 (1977), 107, 109; Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 337. 40 Ritterband spricht von einem relativen Souveränitätsbegriff, vgl. Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 278; vgl. auch Delbrück, in: DahmlDelbrückIWolfrum, 217. Alternativ ließe sich auch der Begriff "gebundene Souveränität" verwenden. 41 V gl. StIGH, Advisory Opinion relating to the Nationality Decrees issued in Tunis and Morocco, 1923 PCIJ, Series B, No. 2, 23/24. Dieser Auffassung schließt sich auch der IGH an, vgl. Aegean Sea Continental ShelfCase (Greece V. Turkey), ICI Rep. 1978, paras. 59; 77/78. 42 V gl. Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 279/280.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

167

domestic jurisdiction maßgeblichen Regelungsbereiche untersucht werden. Es handelt sich dabei um menschenrechtliche und humanitärrechtliche Abkommen, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen sowie das einschlägige Völkergewohnheitsrecht. Anschließen wird sich eine Bewertung der Beschränkung der domestic jurisdiction für den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons.

1. Menschenrechtliche und humanitärrechtliche Abkommen Durch die Unterzeichnung und Ratifikation völkerrechtlicher Verträge zum Schutz der Menschenrechte erfolgt zwar keine Aufgabe der staatlichen Souveränität. 43 Allerdings kann im Eingehen freiwilliger Selbstverpflichtungen durchaus eine Beschränkung der Souveränität gesehen werden, wie bereits der StIGH in einem auch für dieses Gebiet bedeutenden Urteil feststellte. 44 In welchem Umfang es durch den Beitritt zu den Abkommen, die im Rahmen der Analyse des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons bereits eingehend untersucht wurden, oder im Zuge weiterer Kodifizierungen zu einer Beschränkung der Souveränität im Einzelfall kommt, kann an dieser Stelle nicht näher behandelt werden. Denn hierzu müßten der konkrete Inhalt des jeweiligen Abkommens sowie die einzelstaatliche Umsetzung desselben einschließlich eventuell angebrachter Vorbehalte beurteilt werden. Es lassen sich jedoch an dieser Stelle einige allgemeingültige Feststellungen hinsichtlich der Beschränkung der domestic jurisdiction durch den Abschluß völkerrechtlicher Verträge auf dem Gebiet der Menschenrechte sowie des humanitären Völkerrechts treffen. Hinsichtlich der Begrenzung des Bereichs der domestic jurisdiction muß zwischen dem Katalog der Verpflichtungen eines Abkommens, also den konkreten menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Rechten und Pflichten, sowie den vorgesehenen Durchsetzungs- und Kontrollmechanismen unterschieden werden. Dies soll im Rahmen der Untersuchung mit Rücksicht auf den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons geschehen.

43 Vgl. Delbrück, in: DahmiDelbrückIWolfrum, 217; Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz, 2651266; Simma, EuGRZ 1977, 235, 236. 44 Vgl. StIGH, The SS "Wimbledon", 1923 pell, Series A, No. I, 17.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

a) Die Übernahme normativer Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts Die Ratifikation menschenrechtlicher oder hurnanitärrechtlicher Abkommen wirkt sich für den jeweiligen Staat im Rahmen der übernommenen Verpflichtungen unmittelbar souveränitätsbeschränkend aus. Denn die mit der Ratifikation eines entsprechenden Abkommens verbundenen völkerrechtlichen Verpflichtungen führen zu einer Beschränkung des Bereichs der domesticjurisdiction. 45 Dies gilt zumindest für die vorbehaltslos akzeptierten Verpflichtungen und unabhängig von den bei menschenrechtlichen und hurnanitärrechtlichen Verträgen sehr selten ausgeübten Beendigungsoptionen. 46 Handelt es sich bei den Nonnen um zwingende Regeln des Völkerrechts (ius cogens), ist eine Abkehr von den normierten Pflichten ohnehin ausgeschlossen, was sich aus Art. 53 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge47 ergibt. Auch wenn einem Vertrags staat eines menschenrechtlichen oder hurnanitärrechtlichen Abkommens bei der Umsetzung der Verpflichtungen weitgehende Gestaltungsspielräume zustehen, sind die in den Art. 26 und 27 WVK zum Ausdruck kommenden Grundsätze zu beachten. Namentlich geht es um den Pacta-sunt-servanda-Grundsatz (Art. 26 WVK) und das Verbot, sich bei der Nichterfüllung von Verträgen auf innerstaatliches Recht zu berufen (Art. 27 WVK). Die Verpflichtung zur Einhaltung menschenrechtlicher oder hurnanitärrechtlicher Abkommen läßt sich also nicht unter Hinweis auf die staatliche Souveränität umgehen 48 , sie gilt im übernommenen Umfang unmittelbar und uneingeschränkt. In diesem Rahmen ist auch der Schutz der Internally Displaced Persons in Form der Achtung der menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich keine rein innerstaatliche Angelegen-

45 Vgl. Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 186/187; Ennacora, in: Simma (Hg.), Art. 2 (7), para. 36; Henkin, in: Buergenthal (Hg.), 21, 35; Lauterpacht, RdC 1947 Vol. I, 1,26; Plattner, IRRC 1992,249,259; Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 366; ders., in: FS Haug, 225, 231. 46 Zu nennen ist etwa die heftig angegriffene Kündigung des Fakultativprotokolls zum IPbürg durch Jamaika, vgl. hierzu die Kritik des Europäischen Parlaments, das in dem Vorgang einen möglicherweise negativen Präzedenzfall sieht, der zur Schwächung des internationalen Systems der Menschenrechte führen könnte, in: EuGRZ 1998, 174; vgl. auch Schiffrin, AJIL 92 (1998), 563-568. 47 Vienna Convention on the Law ofTreaties vom 23. Mai 1969, BGBl. 198511,927; internationale Quelle: UNTS Vol. 1155,331; im folgenden: WVK. 48 Vgl. StIGH, The SS "Wimbledon", Anm. 44; Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmermann, para. 4501; Niyungeko, IRRC 1991, 105, 109.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

169

heit mehr. 49 Die Mißachtung der Menschenrechte und humanitärrechtlicher Mindeststandards der Internally Displaced Persons kann also im Einzelfall durchaus "of international concern" sein, wobei festzuhalten ist, daß damit zunächst noch keine Aussage über die völkerrechtlich zulässigen Handlungsmöglichkeiten im Rahmen des institutionellen Schutzes getroffen ist.

b) Durchsetzungs- und Kontrollmechanismen Aufgrund der mit der Aufnahme von Durchsetzungs- und Kontrollmechanismen verbundenen Souveränitätsbeschränkungen der Staaten werden die entsprechenden Verfahren in der Regel schon bei der Abfassung der Abkommen in einer wenig schlagkräftigen und oftmals ineffizienten Art und Weise ausgestaltet. 50 Dies gilt auf der internationalen Ebene des Menschenrechtsschutzes fast uneingeschränkt für sämtliche Berichts- oder Beschwerdeverfahren. 51 Im Rahmen der humanitärrechtlichen Regelungen bezüglich nicht-internationaler Konflikte bestehen de facto keine Durchsetzungsmechanismen. 52 Für alle zur Durchsetzung und Kontrolle der einschlägigen Abkommen vorgesehenen Verfahrensarten gilt zudem, daß sie speziell beim institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons keine unmittelbare Rolle spielen53 und sich insoweit auch nicht zu deren Gunsten souveränitäts beschränkend auswirken. Schon aus diesem Grund bedarf es keiner näheren Untersuchung der einzelnen Verfahren.

49 Vgl. Lewis, Geo.lmrnigr.LJ. 6 (1992), 693, 711; vgl. auch Lopez, N.Y.U.L.Rev. 69 (1994),916,953 bezüglich des humanitären Völkerrechts. 50 Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 213, spricht in diesem Zusammenhang treffend von einem "schonungsvollen Umgang mit der staatlichen Souveränität". SI Vgl. Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 427, der zu Recht darauf hinweist, daß die bestehenden Durchsetzungsmechanismen nicht geeignet sind, die root causes der Vertreibung oder deren Folgen zu beenden beziehungsweise zu beseitigen; vgl. allg. zu den Berichtsund Beschwerdeverfahren, TomuschatiPartsch, in: Wolfrum (Hg.), 551-572; O'Flaherty, Human rights and the UN - Practice before the treaty bodies; Alston (Hg.), The United Nations and human rights - a critical appraisal, Oxford 1992, jeweils m.w.N. 52 Vgl. Forsythe, AJIL 72 (1978), 272, 288/289; Eide, in: Cassese (Hg.), 277, 295-298; Salinas Burgos, in: KalshoveniSandoz (Hg.), 1,9, der zu Recht darauf hinweist, daß das Erbringen von Hilfsleistungen nicht mit der Überwachung der Umsetzung von Normen verwechselt werde dürfe; zu den Handlungsmöglichkeiten des IKRK vgl. u. 3. Kap. D., 255 ff. S3 Vgl. Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 427; vgl. aber auch u. 4. Kap. B. 11. 2. b), 275 ff. zur Internationalen Strafgerichtsbarkeit.

170

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

2. Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, insbesondere den VN Die seit dem Ende des 2. Weltkrieges zunehmende internationale Verflechtung in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht führt zu einer weitreichenden Übertragung nationaler Hoheitsrechte auf inter- und supranationale Organisationen. Völkerrechtlich vollzieht sich dieser Vorgang durch die Gründung beziehungsweise den späteren Beitritt zu inter- und supranationalen Organisationen in Form von Verträgen. 54 Entsprechende Verträge stellen einen Spezialfall eines völkerrechtlichen Vertrages dar, da mit dem Beitritt zu einer internationalen Organisation regelmäßig auch eine über einen gewöhnlichen Vertrag deutlich hinausgehende Beschränkung der Souveränität verbunden ist. 55 Der sich einer internationalen Organisation anschließende Staat bleibt allerdings im Regelfall "souverän". Denn ungeachtet der Übernahme gewisser organisationsspezifischer V erpflichtungen geht mit dem Beitritt keine Aufgabe, sondern lediglich eine Beschränkung staatlicher Souveränität einher. 56 Auf internationaler Ebene führt insbesondere die Mitgliedschaft in den VN für den einzelnen Staat zu einer weitreichenden Beschränkung des Souveränitätsprinzips. 57 Daß es durch die Mitgliedschaft in den VN nicht zu einer Aufgabe der Souveränität an sich kommen kann, folgt schon aus dem Grundsatz des Art. 2 Abs. 1 der VN-Charta, wonach die Organisation auf der "sovereign equality" ihrer Mitglieder beruht. Für den Zweck der Untersuchung muß zwischen der Beschränkung der Souveränität durch Maßnahmen des Sicherheitsrates auf der Grundlage des VII. Kapitels der VN-Charta und den aus der Mitgliedschaft selbst folgenden Verpflichtungen zum Menschenrechtsschutz unterschieden werden. Schon im Hinblick auf die Bandbreite der Sanktionsmöglichkeiten des VII. Kapitels in Verbindung mit Art. 25 der VN-Charta kann es zur Auferlegung weitreichender Verpflichtungen zu Lasten einzelner Staaten kommen, unter Umständen auch ohne jede Mitwirkung am Entscheidungsprozeß. 58 Hieraus folgt eine Beschneidung der einzelstaatlichen Souveränität, deren Zulässigkeit sich aus Art. 2 Abs. 7 a.E. VN-Charta erV gl. Seidl-Hohenjeldern/Loibl, 54. Vgl. Delbrück, VRÜ 1993,6, 11112. 56 V gl. Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 274; Gading, 188. 57 Vgl. Delbrück, in: DahmiDelbrückIWolfrum, 220; ders., VRÜ 1993,6,617; Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 273/274. 58 Vgl. Delbrück, GYIL 22 (1979), 384, 388; ders., VRÜ 1993,6, 13-21 m.w.N. 54 55

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

171

gibt. 59 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, kann auf die hieraus folgenden Konsequenzen für den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons nicht näher eingegangen werden. 60 Zu klären bleibt daher die Frage, in welchem Umfang sich aus der Mitgliedschaft in den VN Verpflichtungen zum Menschenrechtsschutz und damit auch Beschränkungen der Souveräniät ergeben. Dieser Frage kommt vor allem dann Bedeutung zu, wenn im Einzelfall einschlägige Abkommen zur Achtung und zum Schutz der Menschenrechte nicht ratifiziert wurden. Normen zum Schutz der Menschenrechte finden sich an verschiedenen Stellen der VN-Charta. Neben der Hervorhebung der Menschenrechte in der Päambel beinhalten vor allem die Art. 1 Abs. 3, 13,55 lit. c) in Verbindung mit Art. 56, 62 und 68 der VN-Charta Regelungen zum Schutz der Menschenrechte. 61 Bei näherer Untersuchung der Normen zeigt sich zunächst, daß es sich ausschließlich um Programms ätze oder Aufgabenzuweisungen handelt, die keine konkreten Handlungsverpflichtungen umfassen. In Anbetracht der Tatsache, daß die VN-Charta "no normative content" bezüglich konkreter Menschenrechtsverpflichtungen beinhaltet, wurde vereinzelt der Schluß gezogen, daß nur eine allgemeine Pflicht zur Zusammenarbeit in Menschenrechtsfragen bestündeY Bereits kurze Zeit nach Gründung der VN im Jahr 1945 wurde jedoch seitens der westlichen Lehre zu Recht angenommen, daß die Mitgliedsstaaten der VN zur Beachtung fundamentaler Menschenrechte verpflichtet sind. 63 Aus der in unzähligen Deklarationen und Resolutionen zum Ausdruck kommenden Praxis der VN seit ihrer Gründung wird weiter gefolgert, daß die Verletzung bestimmter Menschenrechte durch beispielsweise Apartheid, Völkermord, Sklaverei und Folter, neben gegebenenfalls vertraglicher Völkerrechtswidrigkeit auch eine Verletzung der VN-Charta darstellt. 64 In diesem Sinne wird in Fällen gravierender Menschenrechtsverletzungen von der herrschenden völkerrechtlichen Lehre zu Recht angenommen, daß diese Verletzungen außerhalb des Bereichs der Vgl. Ennacora, in: Simma (Hg), Art. 2 (7) m.w.N. Vgl. aber u. 3. Kap. B. Hr. 3. c), 200 ff. 61 Zu nennen wäre ferner der praktisch unbedeutsame Art. 76 c) VN-Charta. 62 Vgl. die Nachweise bei Henkin, in: Buergenthal (Hg.), 21, 26; Waldock, RdC 1962 Vol. H, 192, 198, sowie Ermacora, RdC 1968 Vol. H, 371,426/427, der auf Kelsen u. a. als Vertreter dieser Auffassung verweist. Ermacora selbst ist der Auffassung, daß sich zumindest das Verbot der Diskriminierung aus der VN-Charta herleiten lasse, 427. 63 Vgl. Lauterpacht, RdC 1947 Vol. I, 1, 15/16; ders., International law and human rights, 147/148; Lauterpacht bezieht sich dabei auf die AEMR und die Art. 13 und 55 der VN-Charta; vgl. auch Verdross, AJIL 60 (1966), 55, 59/60. 64 Vgl. Henkin, in: Buergenthal (Hg.), 21, 27. S9

60

172

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

domestic jurisdiction liegen, der Schutzmantel der Souveränität also insoweit zugunsten der VN durchbrochen ist. 65 In konsequenter Fortsetzung dieser Auffassung gilt dies auch für Menschenrechtsverletzungen an Internally Displaced Persons. 66

3. Välkergewohnheitsrecht: menschenrechtliehe und humanitärrechtliche Mindeststandards

Eine weitere materielle Beschränkung der nationalen Souveränität, die sich oftmals mit den bereits genannten Verpflichtungen deckt, ergibt sich durch menschenrechtliche und humanitärrechtliche Normen des Völkergewohnheitsrechts. 67 Der IGH hat in verschiedenen Urteilen seit 1949 wiederholt entschieden, daß die Staaten, unabhängig von entsprechenden Verträgen, an bestimmte menschen- und humanitärrechtliche Verpflichtungen gebunden sind. So heißt es etwa in der ColjU-Channel-Entscheidung, daß unabhängig von den humanitärrechtlichen Verpflichtungen der Haager Konvention von 1907, " ... certain general and weIl

6S Vgl. Delbrück, GYIL 22 (1979), 384, 398; ders., VRÜ 1993,6,6-8; Ennacora, RdC 1968 Vol. II, 371,436; ders., in: Simma (Hg.), Art. 2 (7), para. 19,33; Henkin, in: Buergenthai (Hg.), 21, 27/28; Simma, EuGRZ 1977, 235, 239; Steinberger, in: EPIL Vol. 10 (1987),411; Waldock, RdC 1962 Vol. II, 192, 198; vgl. auch die detaillierte Untersuchung von Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 375-459 m.w.N. Obgleich es sich angesichts der wenigen Staaten außerhalb der VN um einen Fall mit geringer praktischer Relevanz handeln mag, sei darauf hingewiesen, daß diese Qualifizierung der Souveränitätsbeschränkung unabhängig von der Mitgliedschaft eines Staates in den VN Gültigkeit hat; vgl. Henkin, 27; Ritterband, in: FS Haug, 225, 233, der auf den möglichen Einwand einer res inter alios acta hinweist. 66 Vgl. de Zayas, Harv.Int'lL.J. 16 (1975), 207, 252; Lewis, Geo.Immigr.L.J. 6 (1992), 692,7111712. Aus den Ausführungen bei Ennacora, RdC 1968 Vol. II, 371, 436/437 läßt sich schließen, daß auch bei einer Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit in Verbindung mit gravierenden Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot die "essentially national jurisdiction" eines Staates nicht mehr betroffen ist und somit das Interventionsverbot keine Anwendung findet. 67 Welche menschenrechtsschützenden Normen sich im einzelnen als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts qualifizieren lassen, kann im Rahmen der Untersuchung nicht näher untersucht werden. Vgl. aber American Law Institute (Hg.), Restatement (Third), § 702; dort werden verschiedene Menschenrechtsverletzungen genannt, deren völkergewohnheitsrechtliches Verbot feststehe, u. a. Völkermord, Sklaverei, Mord und Verschwindenlassen, Folter und andere grausame und unmenschliche Behandlungen und die systematische, grobe Verletzung international anerkannter Menschenrechte; vgl. auch Meron, Human rights and humanitarian norms as customary law, 106-135.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

173

recognized principles, namely elementary considerations of humanity ... " bestehen, die ein Staat zu beachten hat. 68 Kurze Zeit später stellte der IGH in einem Gutachten zur Anti-Völkermordkonvention fest, daß bestimmte menschenrechtliche Grundsätze die Staaten auch außerhalb vertraglicher Bindungen verpflichteten. 69 Der Grundsatz der Souveränität könne insoweit auch nicht als Vorwand zur Anbringung von Vorbehalten herangezogen werden. 70 In der Barcelona-Traction-Entscheidung konkretisierte der IGH Verpflichtungen, die erga omnes, also gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzes, bestehen. Zu diesen Verpflichtungen zählen das Verbot der Aggression, des Völkermords sowie grundlegende Rechte der menschlichen Person ("basic rights of the human person ").71 Verletzungen dieser Verpflichtungen seien "the concern of all States".72 Im völkerrechtlichen Schrifttum wird bezüglich der fundamentalen Menschenrechte mit [us-cogens-Charakter (vgl. Art. 53 WVK) zu Recht gefolgert, daß diese die Souveränitäts schranke des verletzenden Staates wegfallen lassen. 73 Zusätzlich zu menschenrechtlichen und humanitärrechtlichen Verträgen sei die Gewährleistung eines Minimal-Standards der domaine reserve entzogen. 74 Diese Auffassung läßt sich durch die Analyse der Praxis der VN hinsichtlich des Interventionsverbots gemäß Art. 2 Abs. 7 VN-Charta zumindest bei Fällen eines "consistent

IGH, The Coifu-Channel-Case (United Kingdom v. Albania), IC] Rep. 1949,22. V gl. IGH, Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime ofGenocide (Advisory Opinion), IC] Rep. 1951,23. 70 IGH, Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime ofGenocide (Advisory Opinion), IC] Rep. 1951,24. 71 V gl. IGH, Barcelona Traction, IC] Rep. 1970, paras. 33/34. Zur Interpretation des Begriffs der "basic rights of the human person", vgl. Frowein, in: FS Mosler, 243/244 m.w.N. Als weiteres Recht mit Erga-omnes -Charakter ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkannt, IGH, Case Conceming East Timor (Portugal v. Australia), IC] Rep. 1995,102 m.w.N. 72 IGH, Barcelona Traction, IC] Rep. 1970, para. 33. 73 Vgl. Simma, EuGRZ 1977, 235, 239; Delbrück, in: Dahm/Delbrück/Wolfrum, 217; zur möglichen Qualifizierung von Normen als lus-cogens-Normen, vgl. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, Berlin 1992; American Law Institute (Hg.), Restatement (Third), § 702, lit. n., para. 11; Verdross, AJIL 60 (1966), 55, 59/60 und Hannikainen, Peremptory norms (ius cogens) in intemationallaw, m.w.N. 74 Vgl. Ritterband, in: FS Haug, 225, 231; die parallele Geltung von vertraglichen und völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen anerkannte der IGH ausdrücklich in der Military and Paramilitary Activities-Entscheidung, IC] Rep. 1986, para. 175; vgl. hierzu auch Oellers-Frahm, AVR 30 (1992), 28, 29. 68 69

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

pattern of gross violations of human rights" bestätigen. 75 Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der jüngeren Staatenpraxis.76 Schwierigkeiten bezüglich der Interpretation des ausfüllungsbedürftigen Begriffs der gross violations ergeben sich dabei nicht. Wird im Einzelfall etwa die massenhafte Mißachtung des Rechts auf Leben oder der körperlichen Unversehrtheit verläßlich nachgewiesen, so reduziert sich der Interpretationsspielraum entsprechend. Im Ergebnis kann sich kein Staat in jenen Situationen darauf berufen, daß es sich um eine Angelegenheit der domestic jurisdiction handele. Die Mißachtung menschen- oder humanitärrechtlicher Verpflichtungen ist folglich auch dann keine rein innere Angelegenheit des jeweiligen Staates mehr, wenn entsprechende vertragliche Verpflichtungen fehlen.

4. Zwischenergebnis - Reduzierung des Bereichs der domestic jurisdiction

Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß der Staat hinsichtlich der Behandlung der ihm gewaltunterworfenen Individuen an zahlreiche völkerrechtliche Verpflichtungen gebunden ist. Die Bindungen des Staates ergeben sich sowohl aus menschenrechtlichen als auch aus humanitärrechtlichen Normen und Regeln. Im Normalfall verpflichten sie den Staat zur Unterlassung normwidrigen Verhaltens, können aber auch ein Gebot zur Vornahme bestimmter schützender Handlungen bedeuten. Die Souveränität des Staates ist hinsichtlich des konkreten Umfangs der domestic jurisdiction in dem Ausmaß beschränkt, in dem Verpflichtungen zur Wahrung menschen- und humanitärrechtlicher Standards bestehen. Primäre Rechtsquellen völkerrechtlicher Verpflichtungen sind freiwillig eingegangene bilaterale, oder aber häufiger, multilaterale Verträge zum Schutz der Menschenrechte und auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts. Hinzuweisen ist auf die für den Schutz der Internally Displaced Persons größere Bedeutung der in den Verträgen konkret enthaltenen Handlungsver- oder -gebote, gegenüber den Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen. Denn die mit der Ratifikation völkerrechtlicher Verträge übernommenen Verpflichtungen wirken durch die normative Bindung der Staaten unmittelbar zugunsten der Internally Displaced Persons beziehungsweise der Zivilpersonen vor deren Flucht oder Vertreibung, vgl.

75 V gl. Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 375-457; Ermacora, RdC 1968 Vol. 11, 371, 436. 76 Vgl. hierzu Freedman, Geo.Immigr.LJ. 9 (1995), 565, 580-590 zu den Fällen Irak, ehemal. Jugoslawien und Ruanda; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 382-389, der zudem Aserbaidschan und Somalia untersucht.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

175

Art. 26 und 27 WVK. 77 Den in den Verträgen vorgesehenen Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen kommt demgegenüber aufgrund ihrer oft ineffektiven Ausgestaltung nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Sie haben meist keine weitreichenden souveränitätsbeschränkenden Konsequenzen. Hinsichtlich des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons spielen sie zudem keine nennenswerte Rolle. Weitere Verpflichtungen zur Achtung fundamentaler Menschenrechte und bestimmter humanitärer Mindeststandards folgen aus der Mitgliedschaft in den VN. Dies gilt unabhängig von sonstigen vertraglich übernommenen Verpflichtungen und ergibt sich sowohl aus der Charta der VN selbst als auch infolge zahlreicher Deklarationen und Resolutionen der VN zum Schutz der Menschenrechte und zur Achtung des humanitären Völkerrechts. Souveränitäts beschränkend wirkt i>ich zudem das Völkergewohnheitsrecht im Bereich der Menschenrechte sowie des humanitären Völkerrechts aus. Normen und Regeln, die Bestandteil des entsprechenden Völkergewohnheitsrechts sind, binden alle Staaten unabhängig von, oder in Ergänzung zu sonstigen vertraglichen Verpflichtungen. Die damit beschriebene "Internationalisierung des Schutzes der Menschenrechte"78 führt zur Reduzierung des souveränen Bereichs der domestic jurisdiction. Für die Behandlung und den Schutz der Internally Displaced Persons beziehungsweise der Zivilpersonen bedeutet dies, daß beides nicht mehr unbeschränkt als Domäne nationaler Herrschaftsgewalt angesehen werden kann. Die Entwicklung des Menschenrechtsschutzes sowie des humanitären Völkerrechts hat vielmehr zu einer umfangreichen Erosion des Schutzwalls nationaler Souveränität geführt. Bevor auf mögliche Konsequenzen der hiermit beschriebenen Beschränkungen der staatlichen Souveränität eingegangen werden kann, ist zu klären, welches konkrete Spannungsverhältnis zwischen dem institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons und dem Interventionsverbot im Sinne des Art. 2 Abs. 7 VNCharta besteht.

77 Hiermit ist indessen keine Aussage über die innerstaatliche Anwendbarkeit der völkerrechtlichen Verpflichtungen getroffen. 78 Vgl. Simma, EuGRZ 1977, 235, 238.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

III. Zum Spannungsverhältnis zwischen institutionellem Schutz und Interventionsverbot Zur wertenden Betrachtung des Spannungsverhältnisses zwischen institutionellem Schutz der Internally Displaced Persons und dem völkerrechtlichen Interventionsverbot ist zunächst eine Interpretation des Begriffs "institutioneller Schutz" sowie der Tatbestandsvoraussetzungen einer völkerrechtswidrigen Intervention erforderlich. Sodann ist die Zulässigkeit der verschiedenen Fallkonstellationen des institutionellen Schutzes in bezug auf das Interventionsverbot zu überprüfen.

1. Der Begriff des institutionellen Schutzes Beim Begriff des institutionellen Schutzes sind zum einen die verschiedenen möglichen Akteure, zum anderen die verschiedenen denkbaren Handlungsforrnen zugunsten der internally displaced zu unterscheiden.

a) Die Akteure zum Schutz von Internally Displaced Persons Der UNHCR und das IKRK stellen die wichtigsten Organisationen dar, die zum Schutz von Zivilpersonen beziehungsweise Internally Displaced Persons im Rahmen innerer Unruhen und bewaffneter Konflikte tätig werden. Die beiden Organisationen damit zukommende Sonderstellung wird im weiteren noch eingehend zu untersuchen sein. 79 Als weitere Akteure zum Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten lassen sich allgemein Staaten, IGOs, nationale und internationale NGOs sowie sonstige Privatpersonen nennen. 80 Die bedeutendsten IGOs, die Einsätze zugunsten von Internally Displaced Persons durchführen, sind der United Nations Childrens Fund (UNICEF)81, das United Nations Development

Vgl. u. 3. Kap. C. 232 ff. und D., 255. Vgl. Kimminich, Humanitäres Völkerrecht - humanitäre Aktion, 73-132; Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91, 95; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 6; ders., in: FS Bemhardt, 477, 480; Plattner, IRRC 1992,567,574-578. 81 V gl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, paras. 84-87; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, paras. 162/163; UNICEF, Draft discussion papers on programme issues related to internally displaced persons, Paper No. 1, The role of UNICEF; Paper No. 2, Institutional arrangements for the protection and assistance for the internally displaced persons; UNICEF, Internally displaced persons: UNICEF Emergency Handbook. 79

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B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

177

Programme (UNDP)82, das World Food Programme (WFP)83, die International Organization for Migration (IOM)84, die World Health Organization (WHO)8S und der United Nations High Commissioner for Human Rights (UNHCHR)86. Zu nennen ist ferner die EU, die durch das Büro für humanitäre Angelegenheiten ECHO zahlreiche Projekte zugunsten von Internally Displaced Persons unterstützt87 , sowie das in der Hauptsache koordinierend tätige United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), zuvor Department of Humanitarian Affairs (DHA).88 Von den zahlreichen NGOs, die sich operationell mit der Problematik der Internally Displaced Persons befassen, sind stellvertretend die Medecins sans Frontieres, Oxfam und der Safe the Children Fund zu nennen. 89 Eine nähere Untersuchung der Handlungsvoraussetzungen und -profile dieser oder anderer Akteure muß schon aus Gründen des Umfangs der Arbeit unterbleiben. 90

82 Vgl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, paras. 52-57; UN COSOC, Deng-Report, 1995, paras. 153-161; vgl. auch Human Rights Watch, Failing the internally displaced persons, 28-35. 83 Vgl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, paras. 77-83; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 164. 84 V gl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, paras. 91-98; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, paras. 166/167; 10M, 10M policy and programmes on behalf of internally displaced persons; laenicke, ZAR 1990, 90-95. 85 Vgl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, para. 90; UN ECOSOC, Deng-Report 1995, para. 165. 86 V gl. UN ECOSOC, Deng- Report, 1995, paras. 168/169; UN ECOSOC, Deng- Report, 1997, paras. 16-20. 87 V gl. die Nachweise der Ende 1997 von der EU-Kommission zugunsten von Flüchtlingen und Vertriebenen bereitgestellten Mittel, in: Bulletin der Europäischen Union 12/1997, 126/127. 88 Vgl. CoheniCuenod, in: Cohen/Deng (Hg.), 126, 143; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, paras. 170-174; UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 12; vgl. auch u. 4. Kap. C. I. 2. a), 275 ff. 89 Vgl. Wemer, AWR-Bull. 1984,29-32; UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, paras. 109-111; Plattner, IRRC 1992,567, 574m.w.N.; Forsythe, IRRC 1996,512,5251526; der internationale Schutz der Internally Displaced Persons wird zudem in verschiedenen Studien renommierter Forschungseinrichtungen und NGOs wie der Brookings Institution, der Refugee Policy Group, Human Rights Watch, des Norwegian Refugee Council und der International Commission of Jurists untersucht. 90 Vgl. hierzu Cohen/Deng (Hg.), 187-212 m.w.N. 12 Geißler

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

b) Die Handlungsfonnen des institutionellen Schutzes Bei den Handlungsfonnen des institutionellen Schutzes wird - ungeachtet der Abgrenzungsschwierigkeiten im Rahmen konkreter humanitärer Hilfseinsätze91 allgemein zwischen "protection" und "assistance" unterschieden. Beiden Handlungsfonnen ist im Prinzip gemein, daß sie ohne den Einsatz von Gewalt, humanitär, unparteiisch und unterschiedslos zur Anwendung kommen. Im folgenden soll versucht werden, die beiden Begriffe abstrakt zu erläutern.

( 1) Protection

Es besteht keine verbindliche internationale oder regionale Norm, die den Begriff der "protection" allgemein oder speziell zugunsten von Internally Displaced Persons definiert. 92 Der Begriff "protection", der sich am ehesten mit "Rechtsschutz" übersetzen läßt93, wird je nach Mandat der betreffenden Organisation sowie Adressat und Kontext der getroffenen Maßnahmen unterschiedlich interpretiert. Generell wird unter "protection" die Verteidigung der körperlichen Sicherheit und Freiheit sowie weiterer fundamentaler Menschenrechte des einzelnen verstanden. 94 Obgleich es sich dabei um den bedeutendsten Aspekt des Rechtsschutzes handelt, ist dieser nur in Fällen akuter Gefahren für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit während der Flucht und Vertreibung oder im Anschluß daran von Relevanz. In einem anderem Kontext, so etwa nach der Rückkehr an den Heimatort oder der Niederlassung an einem dritten Ort, kommen andere Rechtsschutzfonnen zum Tragen. Denn dann geht es für die - unter Umständen vonnaligen - Internally Displaced Persons vorrangig um Maßnahmen zur Wiedereingliederung, so etwa um die Rückerlangung von Eigentum, die Ausstattung mit Ausweispapieren oder die Ennöglichung der Teilnahme an Wahlen. Weitere generelle Rechtsschutzmaßnahmen sind in der Aushandlung von Verträgen oder anderer Vereinbarungen zum Schutz der Internally Displaced Persons Vgl. hierzu auch u. 3. Kap. B. IlI. 1. b) (3),181 ff. Vgl. CoheniCuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 5; dies., in: Lavoyer (Hg.), 53, 55. 93 V gl. Kimminich, Humanitäres Völkerrecht - humanitäre Aktion, 83/84. 94 V gl. CoheniCuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 6 und in bezug auf das Flüchtlingsrecht, Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 16. 91

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B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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mit der Regierung oder den De-facto-Autoritäten zu sehen. In diesem Zusammenhang sind Waffenstillstands- und Friedensvereinbarungen, Rückführungsübereinkommen, Memoranda of Understanding und andere Ad-hoc-Vereinbarungen zu nennen, die dann die Basis für weitere Rechtsschutzmaßnahmen bilden können. 95 Rechtsschutz kann auch in der Form erfolgen, daß bei den verantwortlichen Institutionen auf die Achtung bereits bestehender menschenrechtlicher und humanitärrechtlicher Verpflichtungen hingewirkt wird, was auch im Rahmen von Sondierungs- und Beobachtungsmissionen geschehen kann. In allen genannten Fällen lassen sich klare Parallelen zum Rechtsschutz zugunsten von Flüchtlingen ausrnachen. 96

(2) Humanitarian Assistance Auch der Begriff der "assistance" wird in keiner internationalen oder regionalen Norm unmittelbar definiert. 97 Hinweise zum Inhalt des Begriffs finden sich jedoch in verschiedenen Rechtsquellen. In den Resolutionen 43/131 und 45/100 der VN-Generalversammlung98 werden Staaten zur Erleichterung der Gewährleistung von "hurnanitarian assistance" aufgerufen, zu der insbesondere "supply of food, medicine and health care" zählen. 99 Eine ähnliche Umschreibung der "assistance" beinhaltet Art. 18 Abs. 2 des 11. Protokolls. 1°O Unter den Begriff der ,,(hurnanitarian) assistance" werden neben Nahrungsmittel- und Medikarnentlieferungen auch weitere Leistungen gefaßt. So hatte in der Military-and-Paramilitary-Activities-Entscheidung des IGH auch die Definition des Begriffs "humanitarian assistance" eine wichtige Bedeutung. Der IGH über95 Vgl. UNHCR, Protection aspects of UNHCR activities on behalf of intemally displaced persons, 1994, para. 19. 96 Vgl. hierzu Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 230/231 zum Rechtsschutz durch den UNHCR; Grahl-Madsen, The status of refugees in intemationallaw, 381; ders., Protection of refugees by their country of origin, Yale J.Int'l Law 11 (1986), 362, 364; Kimminich, Humanitäres Völkerrecht - humanitäre Aktion, 83; vgl. auch u. 3. Kap. C. 1.2.,236 ff. zu den Kompetenzen des UNHCR ratione materiae. 91 Vgl. Jakovljevic, IRRC 1987,469,470. 98 UN AlRES/43/131 vom 8. Dezember 1988, Humanitarian assistance to victims of natural disasters and similar emergency situations; UN AlRES/45/l00 vom 14. Dezember 1990, gleichlautender Titel. 99 UN AlRES/43/l3l, AlRES/45/l 00, jeweils para. 4. 100 "Ifthe civilian population is suffering undue hardship owing to a lack ofthe supplies essential for its survival, such as food-stuffs and medical supplies, relief actions for the civilian population which are of an exclusively humanitarian and impartial nature ... "

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

nahm für den Zweck der Urteilsfindung eine Definition des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika, wonach der Begriff eine nützliche negative Abgrenzung erfährt. "Humanitarian assistance" bedeutet danach: The provision of food, clothing, medicine, and other humanitarian assistance, and it does not include the provision of weapons, weapons systems, ammunition, or other equipment, vehicles, or material which can be used to inflict serious bodily harm or death. 101

In der Resolution 46/182 der VN-General versammlung von 1991 wurde der Inhalt der "humanitarian assistance" erstmals um die Unterkunft ("shelter") erweitert. 102 Auch nach im völkerrechtlichen Schrifttum verbreiteter Ansicht zählen zu den Handlungen und Gütern, die der unmittelbaren Unterstützung der Opfer bewaffneter Konflikte und anderer Katastrophen dienen, neben Medikamenten und Nahrungsmitteln zusätzlich Kleidung und Unterkunft sowie die hierfür notwendigen Transport- und Finanzierungsmittel. 103 Im Hinblick auf die Bedürfnisse der Internally Displaced Persons werden in Ergänzung zu den Notstandsmaßnahmen als Teil der "assistance" bisweilen auch langfristig wirkende Maßnahmen der Entwicklungshilfe genannt. Diese sollen zu dauerhaften Lösungen der Konflikte führen und der Linderung des Schicksals des internal displacement dienen. 104 Der somit mit verschiedenen Inhalten beschriebene Begriff der "assistance" wird häufig zusammen mit dem ebenfalls nicht verbindlich definierten Begriff "humanitär" verwendet. Eine bedeutende Beschreibung des Begriffs findet sich in den Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung von 1986. 105 Nach dem Grundsatz der "Menschlichkeit" bemüht sich die Bewegung "in ihrer internationalen und nationalen Tätigkeit, menschliches Leid überall und IGH, Military and Paramilitary Activities, IC] Rep. 1986, para. 97. UN NRES/461182 vom 19. Dezember 1991, Strengthening the coordination of humanitarian emergency assistance of the United Nations, Annex, para. 6; vgl. Grundsatz 9 der "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance", vgl. Anhang IV. 103 Vgl. Kalshoven, in: Kalshoven (Hg.), 13,20; Kimminich, Humanitäres Völkerrecht - humanitäre Aktion, 83/84 zur Abgrenzung gegenüber "protection"; Jakovljevic, IRRC 1987,469,470; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 4. Auch der VNGeneralsekretär schließt im Rahmen der Diskussion um "humanitarian access" neben Nahrungsmitteln und Medikamenten auch Unterkunft und sanitäre Einrichtungen in die notwendigen Leistungen ein, UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 97. 104 Vgl. Cohen/Cuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 5; zur generellen Problematik der Entwicklungsförderung im Kontext von Flüchtlingsbewegungen vgl. auch UNHCR, Report 1995/96, 157-201 m.w.N. 105 Vgl. die Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, abgedruckt in: Auszüge der RICR 1992, 197-216. 101

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B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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jederzeit zu verhüten und zu lindern. Sie ist bestrebt, Leben und Gesundheit zu schützen und der Würde des Menschen Achtung zu verschaffen."I06 MacalisterSmith definiert den Begriff "humanitär" als "being concerned with the condition of human beings in need, regardless of political or military considerations. ,,107

(3) Würdigung Hinsichtlich des Begriffs "protection" ist festzuhalten, daß eine allgemeingültige, eindeutige Definition kaum möglich ist. Situationsbedingt lassen sich vielmehr unterschiedliche Formen des Rechtsschutzes beschreiben, die je nach Konfliktsituation sowie gesellschaftspolitischem Kontext einen vollkommen unterschiedlichen Inhalt und Gewichtung haben. Eine übergeordnete Bedeutung kommt in jedem Fall dem Aspekt des Schutzes des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit sowie weiterer fundamentaler Menschenrechte zu. In diesem Rahmen erscheint eine eindeutige Definition zur Leistung von Rechtsschutz nicht notwendig. Es ist insofern zweifelhaft, ob der Auffassung Cohens und Cuenods 108 zugestimmt werden kann, nach der die bestehende begriffliche Unklarheit negative Auswirkungen auch auf die Frage habe, wer zur Gewährleistung von "protection" zuständig sei. 109 Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob Rechtsschutz, etwa zur Wahrung fundamentaler Menschenrechte, überhaupt und in welchem Umfang geleistet werden kann. Der Begriff der "humanitarian assistance" läßt sich demgegenüber klarer beschreiben. Es herrscht Einigkeit darüber, daß der Begriff der humanitären Hilfe zumindest Nahrungsmittel und Medikamente umfaßt, die an bedürftige Personen ohne Rücksicht auf politische oder militärische Erwägungen geleistet werden. Schon aus praktischen Erwägungen erscheint es darüber hinaus dringend geboten, unter den Begriff der "assistance" weitere Leistungen zu fassen. Denn ohne die erforderlichen Transportmittel läßt sich humanitäre Hilfe nicht angemessen gewährleisten, selbst quantitativ ausreichende Nahrungsmittel verlieren ohne Kleidung und Unterkunft ihren Wert. Abzugrenzen ist der Begriff der humanitären Hilfe gegenüber Maßnahmen der Entwicklungshilfe. Denn jene Maßnahmen finden grundsätzlich in sogenannten Post-conjlict-Situationen Anwendung, also nach Auszüge der RICR 1992, 199. Macalister-Smith, in: Kalshoven (Hg.), 99, 103. 108 Vgl. CoheniCuenod, in: Lavoyer (Hg.), 53, 55. 109 Zur generellen Problematik der Koordinierung des institutionellen Schutzes, vgl. u. 4. Kap. C. 1., 278 ff. 106

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Beendigung akuter Konflikte, und dienen dem Zweck der strukturellen und langfristigen Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. Auch wenn entsprechende Maßnahmen zur Erreichung dauerhafter Lösungen oftmals unabdingbar sind, sollten sie grundsätzlich vom Begriff der humanitären Hilfe unterschieden werden.!10 Dennoch wird man sagen können, daß die Maßnahmen der humanitären Hilfe bereits in akuten Konflikt- und Notstandssituationen einen Aspekt der Entwicklungshilfe umfassen. lI ! Aus den Untersuchungen zur Praxis des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons geht hervor, daß dem Aspekt des Rechtsschutzes oftmals eine gegenüber der humanitären Hilfe untergeordnete Bedeutung zukommt. 112 Ein deutliches Indiz hierfür ist unter anderem in der inhaltlichen Beschränkung der die humanitäre Hilfe betreffenden Deklarationen der VN-Generalversarnmlung zu sehen. Im operativen Teil beziehen sich die Deklarationen ausschließlich auf Naturkatastrophen und ähnliche Notsituationen, nicht aber bewaffnete Konflikte und innere Unruhen. Rechtsschutzaktivitäten zugunsten der Zivilbevölkerung werden gar nicht erst erwähnt. Ursachen für diese ungleiche Gewichtung des institutionellen Schutzes können darin gesehen werden, daß zahlreiche Staaten die Zulassung von Rechtsschutz als gegenüber humanitärer Hilfe größere Souveränitätsbeschneidung auffassen. 113 Die nicht zu unterschätzende Problematik dieses Ungleichgewichts ist darin zu sehen, daß "assistance without protection" Vorschub für weitere Menschenrechts-

110 V gl. Plattner, IRRC 1992, 567, 575, die darauf hinweist, daß Entwicklungshilfemaßnahmen vom humanitären Völkerrecht generell nicht erlaßt werden. 111 Vgl. de Waart, in: Kalshoven (Hg.), 67, 71; Kalshoven, in: Kalshoven, 13,21; zur möglichen Problematik von Soforthilfeprogrammen in akuten Konfliktsituationen vgl. UNHCR, Report 1995/96, 194-198. 112 Vgl. CoheniCuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 5-7; Cohen, in: HenkinIHargrove (Hg.), 17, 18; UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1995, paras. 92, 264; Goldman, in: IIDHlUNHCR (Hg.), 281, 292. 113 Vgl. Melander, in: Essays in memory of Grahl-Madsen, 69, 72: " ... the task ofprotection contains an element of political activity."; vgl. auch Meyer, IRRC 1987, 485, 495-500 zur Problematik der öffentlichen Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen durch die im betreffenden Staat arbeitenden NGOs und lGOs. Vgl. auch Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 542, der im Hinblick auf die Aktivitäten des IKRK in internen Konflikten darauf hinweist, daß Regierungen aus Angst vor Anerkennung der Aufständischen oder Legitimierung ihrer Anliegen durch die Zulassung des IKRK mit der entsprechenden Zustimmung oftmals zurückhaltend seien. Zutreffend verweist er jedoch auf den gemeinsamen Art. 3 Abs. 2 S. 4 GK, wonach der Rechtsstatus der Konfliktparteien durch die Anwendung der Vorschrift unberührt bleibt.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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verletzungen leisten kann. 114 Zudem besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährleistung humanitärer Hilfe und dem Schutz der jeweiligen Adressaten, wie im übrigen auch der Helfer selbst. Ohne angemessenen Rechtsschutz des einzelnen wird die humanitäre Hilfe sinnentleert. 115 Materielle Hilfe allein kann humanitäre Probleme in einem Kriegsgebiet nicht lösen, denn Lebensmittellieferungen können etwa das Aushandeln einer Waffenruhe nicht ersetzen. 116 Im Rahmen der Untersuchung der einzelnen Fallkonstellationen des institutionellen Schutzes wird näher zu untersuchen sein, ob diese erhebliche "Schieflage" auch auf juristische Argumente zurückgeführt werden kann. Die Grenzen zwischen beiden Handlungsformen des institutionellen Schutzes sind jedoch fließend und lassen sich vor allem in akuten Notsituationen und Konfliktfällen kaum eindeutig bestimmen. 117 Hinzu kommt, daß etwa die Gewährleistung von humanitärer Hilfe stets einen De-Jacto-Rechtsschutzeffekt beinhaltet. 118 Dieser Rechtsschutzeffekt ergibt sich trotz verbleibender Gefahren im Einzelfall bereits aufgrund der schlichten Präsenz humanitärer Hilfsorganisationen. 119 Zudem dient die Gewährleistung humanitärer Hilfe zugleich dem Schutz fundamentaler Menschenrechte, wie etwa dem Recht auf Leben. Neben dieser praktischen Erwägung erscheint auch im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Intemally Displaced Persons eine exakte Abgrenzung der beiden Handlungsformen nicht zwingend geboten. Dennoch wird man die generell zurückhaltende Position zahlreicher Staaten in bezug auf den institutionellen Rechtsschutz der intemally displaced persons nicht gänzlich außer Acht lassen können. Die jeweiligen Empfängerländer des institutionellen Schutzes scheinen an der grundsätzlichen Differen114 V gl. Cohen/Cuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 11 m.w.N; Cohen, in: HenkinIHargrove (Hg.), 17, 18. 115 Vgl. Goldman, in: I1DHlUNHCR (Hg.), 281, 292; Cohen/Cuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 7; de Courten, in: Lavoyer (Hg.), 84-87. 116 Vgl. Jean, 39, zu den Erfahrungen mit der "Lifeline Sudan". 117 V gl. UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1995, para. 268; Jakovljevic, IRRC 1987,469,471; UNHCR, Report 1997/98, 136; sowie Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 281 bzgl. des UNHCR. 118 V gl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, para. 124; Cohen/Cuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 11; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 48 bzgl. des UNHCR. 119 V gl. UN Security Council, Report of the Secretary-General concerning the situation in Abkhazia, Georgia, 1994, para. 14: "The significant presence of a third party [the UNHCR and the Russian Federation] would help to reduce fear and provide some assurance of safety."; Keely, World Refugee Survey 1991, 22, 29; Cohen, Human rights protection for Internally Displaced Persons, 13; UNHCR, Report 1994, 74; UNHCR, Report 1997/98, 136.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

zierung der Begriffe durchaus festzuhalten. Hierbei mag der Umstand eine Rolle spielen, daß für die Empfängerländer die Zulassung humanitärer Hilfe ein gegenüber der Zulassung von Rechtsschutz geringeres Eingeständnis eigenen Fehlverhaltens darstellt. 120 Für eine Deckungsgleichheit der beiden Formen des institutionellen Schutzes bestehen letztlich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Auf eine Unterscheidung der beiden Begriffe wird daher nicht gänzlich verzichtet werden können. Auch aus pragmatischen Gründen und im Hinblick auf den im Rahmen humanitärer Hilfe zu erzielenden De-Jacto-Rechtsschutz soll daher an der Unterscheidung festgehalten werden. Dies gilt im folgenden sowohl für die Untersuchung des Spannungsverhältnisses zwischen institutionellem Schutz der Intemally Displaced Persons und dem Interventionsverbot als auch für die Frage des Bestehens einer Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe.

2. Tatbestandsmerkmale des Interventionsbegriffs Die Diskussion über die Tatbestandsmerkmale des Interventionsbegriffs verlief vor allem zur Zeit des Ost-West-Konfliktes vor dem Hintergrund unterschiedlicher politisch-ideologischer Auffassungen. 121 Bereits zu jener Zeit prinzipiell anerkannt und heute als gesichert kann jedoch gelten, daß eine gegen einen Staat gerichtete Maßnahme zumindest zwei Kriterien erfüllen muß, um eine völkerrechtswidrige Intervention darzustellen: Die betreffende Maßnahme muß zum einen den ausschließlichen Kompetenzbereich eines Staates betreffen, also Angelegenheiten, die zur domestic jurisdiction zählen. Des weiteren muß die Maßnahme unter Einsatz oder Androhung von Zwang angewendet werden. 122 120 Vgl. etwa die Bereitschaft islamischen "Taliban", nach dem verheerenden Erdbeben in Nordafghanistan, Hilfslieferungen der VN und des IKRK zugunsten der notleidenden Bevölkerung auch über das von ihnen kontrollierte Gebiet in die von gegnerischen Verbänden beherrschte Region zuzulassen, SZ v. 14. Februar 1998 und allg. UN ECOSOC, DengReport, 1996, para. 3. 121 Vgl. etwa SimmaIBlenk-Knocke (Hg.), Zwischen Intervention und Zusammenarbeit, dort insbes. Beyerlin, 157-200; vgl. auch die Ausführungen von Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 300-361 und Ennacora, RdC 1968 Vol. 11, 371, 432-434, die zur Aussage führen: " ... it can clearly be seen that there is no universally accepted theory conceming the problem of intervention in human rights questions." 122 Vgl. zu dieser Unterteilung der Tatbestandsmerkmale Ennacora, RdC 1968 Vol. 11, 371,431-433; ders., in: Simma (Hg.), Art. 2 (7), paras 30/31; Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 182; Fischer, in: Ipsen, § 57, Rn. 50; Scheuner, VN 1980, 1511152; Oppermann, in: Bemhardt (Hg.), EPIL, 2. Auflage, Vol. 11 (1995),143711438; Ritterband, in: FS Haug, 225, 232.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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a) Das Kriterium der domestic jurisdiction Hinsichtlich des Inhalts und der Reduzierung des Bereichs der domestic jurisdiction durch den internationalen Menschenrechtsschutz kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 123 Der dem Staat exklusiv vorbehaltene Bereich eigener Angelegenheiten ist danach durch den Menschenrechtsschutz erheblich eingeschränkt. Es erscheint allerdings fraglich, ob sich hieraus allgemeine Schlußfolgerungen zur Zulässigkeit von Interventionen ziehen lassen. So ist die pauschale Aussage Ermacoras, "where there is no domestic jurisdiction there is no problem of intervention"124, durchaus skeptisch zu betrachten. Zwar werden durch den Ausschluß bestimmter Menschenrechtslagen aus dem Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Staaten grundsätzlich Handlungsspielräume zugunsten externer Akteure eröffnet. 125 Damit ist indes noch keine Aussage über die völkerrechtliche Zulässigkeit des Einsatzes bestimmter Methoden oder Maßnahmen jener Akteure getroffen. Deren völkerrechtliche Zulässigkeit ist vielmehr erst in einem weiteren Schritt zu bewerten. Hierbei spielt vor allem das Kriterium der eingesetzten Mittel und damit auch die Frage des Zwanges eine Rolle. Die beiden Tatbestandsmerkmale des Interventionsbegriffs stehen folglich in einem unmittelbaren Zusammenhang und dürfen nicht isoliert bewertet werden.

b) Das Zwangselement Die Qualifizierung einer Handlung als Intervention setzt die Anwendung beziehungsweise Androhung von Zwang voraus. Das Element des Zwanges stellt eines der Hauptkriterien zur Abgrenzung von verbotener Intervention und erlaubter Einmischung dar. Unproblematisch ist dabei die Einordnung derjenigen Maßnahmen, die sich als "dictatorial interference" qualifizieren lassen. Die auf Oppenheim zurückgehende Formulierung 126 urnfaßt "diktatorische" Einflußnahmen durch den konkreten Ein-

123 Vgl. o. 3. Kap. B. 11.,166 ff. Ermacora, RdC 1968 Vol. 11, 371, 431; ähnlich auch Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 182. m Der Vorgang des Ausschlusses einzelner Situationen aus dem Bereich der domestic jurisdiction erfolgt im übrigen automatisch und ist somit nicht der Bewertung durch politische Gremien unterworfen. 126 Oppenheim, § 134: "Intervention is dictatorial interference by aState in the affairs of another State for the purpose of maintaining or altering the actual condition of things." 124

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

satz oder die Androhung von (militärischer) Gewalt. 127 Ein umfassendes Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt ergibt sich heute aus dem Gewaltverbot, einem allgemeinen Rechtsprinzip des Völkerrechts, welches unter anderem in Art. 2 Ziff. 4 der VN-Charta zum Ausdruck kommt. Der Grundsatz des Gewaltverbots bindet alle Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekte, sei es kraft Vertragsrechts oder kraft gewohnheitsrechtlicher Anerkennung. 128 Der IGH verurteilte eine Einmischung mit militärischen Mitteln erstmals in der Coifu-Channel-Entscheidung. 129 Weniger eindeutig und im Einzelfall weitaus schwieriger zu bestimmen ist die Abgrenzung von Maßnahmen, die völkerrechtlich noch zulässigen diplomatischen Druck bedeuten, gegenüber denjenigen Maßnahmen, die unter den sogenannten weiten Interventionsbegriff fallen. 130 Der weite Interventionsbegriff geht vom inzwischen veralteten, auf den Einsatz oder die Androhung von Gewalt reduzierten Interventionsbegriff ab. 131 Er umfaßt auch nichtrnilitärische Maßnahmen, die, unter Ausübung von Zwang, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit eines Staates führen. Zu den eingesetzten Mitteln zählen politische, wirtschaftliche und andere Zwangsmaßnahmen, die jeweils unterhalb der Gewaltschwelle einzuordnen sind. 132 Der so verstandene, auch hier zugrundegelegte, weite Interventionsbegriff findet sich in den einschlägigen Deklarationen der VN-Generalversarnmlung. So heißt es in der Resolution 2131 (XX):

Vgl. Lauterpacht, RdC 1947 Vol. 1,1, 19; Ermacora, RdC 1968 Vol. 11, 371, 433. Zum Gewaltverbot vgl. statt aller Bruha, in: Wolfrum (Hg.), 234-243 u. Jennings/ Watts (Hg.), 428/429 jeweils mit zahlreichen w.N. 129 IGH, The Corfu Channel Case (United Kingdom v. Albania), IC] Rep. 1949,35. 130 Vgl. Wehser, in: SimmalBlenk-Knocke (Hg.), 23, 25; Beyerlin, in: SimmalBlenckKnocke (Hg.), 157, 1901191; Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 354-357. 131 Vgl. Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 1801181; Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 353; Scheuner, VN 1980, 149. Die genannten Autoren weisen zu Recht darauf hin, daß ein auf das Verbot von Gewalt reduzierter Interventionsbegriff inhaltsleer wäre, da für diesen Fall bereits das allgemeine Gewaltverbot gern. Art. 2 Abs. 4 der VN-Charta greift. 132 Vgl. Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 181; Fischer, in: lpsen, § 57, Rn. 55; Jennings/Watts, 430-432; Ritterband, Universeller Menschenrechtsschutz und völkerrechtliches Interventionsverbot, 354-355; Scheuner, VN 1980, 149. 127 128

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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No State may use or encourage the use of economic, political or any other type of measures to coerce another State in order 10 obtain from it the subordination of the exercise of its sovereign rights ... 133

Ungeachtet der hiermit vorgenommenen Beschreibung der Tatbestandsmerkmale des Interventionsbegriffs bestehen zur konkreten Abgrenzung von noch erlaubter Einmischung und bereits verbotener Intervention wenige greifbare Kriterien. Letztlich enthalten auch die von der Völkerrechtswissenschaft herangezogenen Prüfungsmaßstäbe ausfüllungsbedürftige Generalklauseln. 134 Es kommt daher für jeden Einzelfall auf die sorgfältige Abwägung der Umstände der Einflußnahme auf die - unter Umständen nicht ausschließlichen - Angelegenheiten des betreffenden Staates an. Zur Bewertung des strukturellen Spannungsverhältnisses zwischen den verschiedenen Einwirkungsformen auf Staaten im Rahmen des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons und dem Interventionsverbot bietet sich demnach die Bildung von Fallgruppen an.

3. Fallkonstellationen institutionellen Schutzes und Problemfelder Generell begegnen Staaten dem von außerhalb des Landes angebotenen institutionellen Schutz zugunsten der Zivilbevölkerung mit großen Vorbehalten. Vor allem Bürgerkriegssituationen unter Beteiligung von Guerrilla-Verbänden werden von Staaten oftmals als rein innere Angelegenheiten aufgefaßt. m Ein Grund für die oftmals ablehnende Haltung vieler Staaten hinsichtlich der "Internationalisierung" der Konflikte durch die Einladung internationaler oder ausländischer Hilfsorganisationen liegt darin, daß den Staaten meist eine erhebliche politische oder juristische Verantwortung für die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu-

\33 UN AlRES12131 (XX) Declaration on the Inadmissibility of Intervention in the Domestic affairs of States and the Protection ofTheir Independence and Sovereignty vom 21. Dezember 1965, para. 2; vgl. auch Art. 1 der Friendly Relations Declaration, UN AlRES/2526 (XXV) vom 24. Oktober 1970 und Art. 1 der Charter of Economic Rights and Duties, UN AlRES/3281 (XXIX) vom 12. Dezember 1974. Demgegenüber ist die in der Deklaration UN N36/103 vom 9. Dezember 1981, zum Ausdruck gekommene Erweiterung des Interventionsbegriffs um diffamierende Propaganda und die Bildung von Militärblöcken ohne Einfluß auf die Rechtsentwicklung geblieben, vgl. Fischer, in: Ipsen, § 57, Rn. 56. 134 Vgl. Wehser, in: SimmaiBlenk-Knocke (Hg.), 23, 45 m.w.N., zu den Begriffen von Treu und Glauben, der Sozialadäquanz sowie der Verhältnismäßigkeit. 135 Vgl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 33.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

kommt. 136 Hinzu kommt, daß auch der rein humanitären Hilfe ein immanentes politisches Moment anhaftet. Denn mit der Zulassung humanitärer Hilfe geht ein gewisses Eingeständnis des Scheiterns des politischen und wirtschaftlichen Systems einher. 137 Politisiert und damit erschwert wird vermeintlich rein humanitäre Hilfe zudem dadurch, daß Konfliktparteien oftmals versuchen, Hilfslieferungen zu politischen oder militärischen Zwecken zu mißbrauchen. 138 Hinsichtlich des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons lassen sich drei Fallkonstellationen unterscheiden: Zunächst ist das schlichte Angebot humanitärer Dienste an den Internally Displaced Persons beheimatenden Staat, also in der Regel dessen Regierung, zu nennen. Im Hinblick auf die beiden anderen Konstellationen ist danach zu unterscheiden, ob eine Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste durch den betreffenden Staat vorliegt oder nicht. Wird dem Angebot der Leistung humanitärer Dienste zugestimmt, so erfolgt diese auch regelmäßig, inhaltlich häufig konkretisiert durch Vereinbarungen mit dem Empfängerstaat. Fehlt es an der Zustimmung der eigentlichen Staatsgewalt, so führt dieses Hindernis in der Regel zur Nichtleistung humanitärer Dienste. Zu denken ist jedoch an die Möglichkeit der Leistung humanitärer Dienste ohne Zustimmung beziehungsweise gegen den Willen der eigentlichen Staatsgewalt. Im Rahmen dieser dritten Konstellation können humanitäre Dienste zum einen durch die internationale Staatengemeinschaft erzwungen werden. Alternativ können humanitäre Dienste ohne Zustimmung der eigentlichen Staatsgewalt unter Umständen an diejenigen Internally Displaced Persons geleistet werden, die sich im Rahmen von Bürgerkriegen im Gebiet aufständischer Verbände befinden.

a) Das Angebot humanitärer Dienste Beim Angebot humanitärer Dienste muß zwischen dem Initiativrecht auf verbindlicher normativer Grundlage und einem ungeschriebenen Initiativrecht unterschieden werden. 136 Vgl. Macalister-Smith, ZaöRV 45 (1985), 25, 3l/32; Freedman, Geo.lmmigr.L.J. 9 (1995),565,572; UNHCR, Report 1997/98, 111: "Binnenvertreibung ist ... ein politisch

heikles Thema. Regierungen sind häufig nicht bereit zuzugeben, daß es auf ihrem Territorium Binnenvertriebene gibt, weil sie ein Beweis des Versagens des Staates beim Schutz seiner Bürger sind." 137 Vgl. BotheiPartsch/Solj, 432; vgl. auch Klüver, Der ständige Kampf, Gutes tun zu dürfen, SZ vom 14. Januar 1998. 138 Vgl. UNHCR, Report 1994,76-78 u. UNHCR, Report 1995/96,144-147 zum Beispiel Bosnien-Herzegowina.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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( 1) lnitiativrecht auf normativer Grundlage Es bestehen keine menschenrechtlichen Normen, die sich auf das Angebot humanitärer Dienste beziehen. 139 Eine bedeutsame Regelung bezüglich des Angebots internationaler, also von außerhalb des Landes kommender humanitärer Dienste in bewaffneten nicht-internationalen Konflikten l40 findet sich im gemeinsamen Art. 3 GK. Es heißt dort in Abs. 2 Satz 2: An impartial humanitarian body, such as the International Committee of the Red Cross, may offer its services to the Parties to the conflict.

Art. 18 Abs. 1 des II. Protokolls 141 betrifft demgegenüber ausschließlich das Angebot von Hilfsleistungen innerhalb des jeweiligen Staates. Denn Voraussetzung des Angebots humanitärer Hilfe ist nach dieser Norm, daß es sich bei der anbietenden Organisation um eine im Hoheitsgebiet des Empfängerstaats ansässige Hilfsgesellschaft handelt. Internationale humanitäre Dienste durch Organisationen, die zu Beginn des Konflikts bereits auf dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei tätig sind, könnten nach dem Wortlaut der Vorschrift ebenfalls erfaßt sein. Die systematische Interpretation läßt dies jedoch aufgrund der Bezugnahme auf die nationalen Rot-Kreuz-Organisationen nicht zu. 142

(a) Adressaten des Initiativrechts Ausdrücklicher Adressat des im gemeinsamen Art. 3 GK normierten Initiativrechts ist das IKRK. Aufgrund der nur exemplarischen Nennung des IKRK ("such as")143 ist davon auszugehen, daß sich auch andere Organisationen, also IGOs und NGOs, auf das Initiativrecht berufen können. 144 Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch, daß es sich um eine humanitäre und unparteiische Organisation handelt. Vgl. Macalister-Smith, ZaöRV, 45 (1985), 23, 28; Blondel, IRRC 1987,451,458. Zum Begriff des nicht-internationalen Konflikts vgl. o. 2. Kap. A. I. 2.,61 ff. 141 Art. 18 Abs. 1 des 11. Protokolls lautet: Relief societies located in the territory of the High Contracting Party, such as Red Cross (Red Cresent, Red Lion and Sun) organizations, may offer their services for the performance of their traditional functions in relation to the victims of armed conflict. 142 Vgl. BothelPartseh/So/f, 695; Mangas Mart{n, 123; Kimminieh, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 196. 143 Zum Hintergrund der Nennung des IKRK vgl. Siordet, in: Pietet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 42. 144 Vgl. Siordet, in: Pietet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 42; Torre/li,IRRC 1992,228,231; Sandoz, GYIL 22 (1979), 352, 365. 139 140

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Einseitig politisch geprägte oder militärische Organisationen sind demnach vom Anwendungsbereich des Initiativrechts ausgeschlossen. Dem IKRK als unparteiische und humanitäre Organisation kommt in diesem Sinne eine Beispielsfunktion ZU. 145 Entsprechend kann sich insbesondere auch der UNHCR auf das Initiativrecht berufen, wie Türk überzeugend herausgearbeitet hat. 146 Staaten sind dagegen vom normativen Initiativrecht allgemein nicht umfaßt.

(b) Umfang der vom Initiativrecht gemäß dem gemeinsamen Art. 3 GK erfaßten Dienste Hinsichtlich der im Rahmen des gemeinsamen Art. 3 GK zulässigerweise anzubietenden Dienste ("services") läßt sich feststellen, daß jedenfalls humanitäre Hilfe ("assistance") im oben beschriebenen Umfang 147 umfaßt ist. Zu untersuchen bleibt daher, ob unter den Begriff der Dienste auch Rechtsschutzaktivitäten fallen können. Ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift erscheint es zulässig, Rechtsschutzaktivitäten unter den Begriff der "Dienste" zu fassen. Demgegenüber könnte das Erfordernis des humanitären Charakters der mit dem Initiativrecht ausgestatteten Organisation sowie die insgesamt eher restriktive Staatenpraxis auf eine Beschränkung des Umfangs der Dienste auf humanitäre Hilfe hindeuten. Im Kommentar des IKRK zu den Genfer Konventionen von 1949 geht Siordet jedoch zu Recht davon aus, daß das Angebot rein humanitär ausgerichteter Dienste auch Rechtsschutzaktivitäten umfassen könne l48 , sofern das Angebot ohne politische oder militärische Erwägungen und unparteiisch erfolgt.149 Die zuletzt genannte Qualifizierung ist von besonderer (rechtspolitischer) Bedeutung, da potentielle

145 Vgl. Macalister-Smith, in: Kalshoven, 99, 103 und de Waart, in: Kalshoven (Hg.), 67, 73 zur Abgrenzung gegenüber NGOs, die im Bereich der Entwicklungshilfe tätig sind; vgl. auch Art. 5 Abs. 3 der Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, Auszüge aus der RICR 1992, 197,205. 146 Türk, 212-217. 147 Vgl. o. 3. Kap. B. III. 1. b) (2),179 ff. 148 Vgl. Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 108, ,,representations, interventions, suggestions and practical measures affecting the protection accorded under the Convention". Vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 370. 149 Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 42 u. 107/108. Während eine entsprechende Abgrenzung theoretisch wenig Probleme bereiten mag, ergeben sich in der Praxis aufgrund von politischen Wertungen erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten, vgl. auch 0.3. Kap. B. III. 1. b) (3), 181 ff. zum Problem der politischen Erwägungen bei Fragen des angebotenen Rechtsschutzes.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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Empfängerstaaten institutionellen Schutzes häufig bereits ein schlichtes Angebot als Einmischung in die inneren Angelegenheiten auffassen. ISO Im Hinblick auf den mit den Rechtsschutzaktivitäten verbundenen Schutzzweck können aber auch jene Dienste prinzipiell rein humanitärer Natur sein und ohne Rücksicht auf politische Erwägungen erfolgen. Dem Rechtsschutz anbietenden Akteur wird es in erster Linie darum gehen, den für humanitäre Hilfsleistungen erforderlichen rechtlichen und politischen Rahmen zu schaffen l51 und den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten. An dieser Einschätzung ändert sich auch durch die auf politische Erwägungen zurückzuführende Selektivität des Vorgehens der internationalen Staatengemeinschaft nichts. Als weiteres Argument für die Zulässigkeit des Angebots von Rechtsschutzmaßnahmen im Anwendungsbereich des Initiativrechts gemäß des gemeinsamen Art. 3 GK läßt sich anführen, daß humanitäre Dienste häufig im Rahmen sogenannter good offices angeboten werden. Diese können sowohl Hilfs- wie auch Rechtsschutzmaßnahmen umfassen und gelten als solche allgemein als völkerrechtskonform. 152

(c) Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot Es ist darauf hinzuweisen, daß die Frage der Zulässigkeit des Einsatzes militärischer Zwangsmaßnahmen im Rahmen humanitärer Einsätze von der Frage der Vereinbarkeit eines schlichten Angebots humanitärer Dienste mit dem Interventionsverbot streng zu trennen iSt. 153 Das Angebot humanitärer Dienste in nichtinternationalen Konflikten durch die entsprechend autorisierten Organisationen bedeutet keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten und stellt damit auch keinen Verstoß gegen das Interventionsverbot dar. 154 Dies folgt unmittelbar aus dem gemeinsamen Art. 3 GK. Dem Angebot humanitärer Dienste kommt auch nicht der Charakter eines unfreundlichen Akts zu, der etwa Retorsionen gestatten würde. ISS Vgl. hierzu 0.3. Kap. B. III. 3.,187 ff. Vgl. Kimminich, Humanitäres Völkerrecht - humanitäre Aktion, 83/84. 152 Vgl. Ramcharan, Humanitarian good offices in intemationallaw, 37. Näher zum Institut der good offices u. 3. Kap. C. IV., 248 ff. 153 Vgl. zu dieser Frage u. 3. Kap. B. III. 3. c) (2) (a), 202 ff. 154 Vgl. Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 42; Macalister-Smith, in: Kalshoven (Hg.), 99,104; Torrelli, IRRC 1992,228,232. 155 Vgl. Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4445; Meyer, IRRC 1987,485,489; Grundsatz 5 der "Guiding Principles on the right to humanitarian assi150 151

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Ob und unter welchen Voraussetzungen hiervon auch das Angebot (und die Leistung) humanitärer Hilfe an aufständische Verbände erfaßt ist, wird in einem gesonderten Abschnitt genauer untersucht. 1S6 Von der insofern restriktiveren Regelung des Art. 18 Abs. 2 des 11. Protokolls 157 bleibt das Recht zum Angebot humanitärer Dienste gemäß des gemeinsamen Art. 3 GK unberührt. ISS Auch im Rahmen von Konflikten im Sinne des 11. Protokolls kann das Angebot humanitärer Dienste nicht als Einmischung in die inneren Angelegeheiten oder als Verletzung der staatlichen Souveränität angesehen werden. ls9 Denn im Hinblick auf das Initiativrecht ist auf die Regelung des gemeinsamen Art. 3 GK zurückzugreifen. 16O Dies gilt im übrigen auch für den Umfang der zulässigen Dienste, also ungeachtet der gemäß Art. 18 Abs. 2 des 11. Protokolls engeren Formulierung der zulässigen Handlungsformen ("supplies essential for its survival").

stance", s. Anhang IV. Allg. zur Retorsion: Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 496. IS6 Vgl. u. 3. Kap. B. III. 3. c) (2) (b), 204 ff. IS7 Art. 18 Abs. 2 lautet: If the civilian population is suffering undue hardship owing to a lack of the supplies essential for its survival, such as food-stuffs and medical supplies, relief actions for the civilian population which are of an exclusively humanitarian and impartial nature and which are conducted without any adverse distinction shall be undertaken subject to the consent of the High Contracting Party concerned.

Das Recht, von außerhalb des Landes humanitäre Dienste anzubieten, ist also nicht erwähnt. Zum Anwendungsbereich des H. Protokolls, vgl. o. 2. Kap. B. III. 3., 81 ff. IS8 Vgl. Junod, in: SandollSwinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4891; Sandoz, GYIL 22 (1979), 352, 366; Abi-Saab, G. weist auf den Widerspruch hin, daß in diesem Zusammenhang der gemeinsame Art. 3 GK das H. Protokoll entwickele und ergänze statt umgekehrt, in: Cassesse (Hg.), 310, 344/345. Vgl. auch Abi-Saab, R., in: Essays in honour of Kalshoven, 209, 220; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 31; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 371. IS9 V gl. Junod, in: SandollSwinarski/Zimmennann (Hg.), paras. 4505 u. 4892. Zur Streichung eines entprechenden formulierten S. 2 des Art. 18 Abs. 2 des H. Protokolls vgl. Levie, 595-598; vgl. auch die entsprechende Vorschrift, die im Rahmen internationaler Konflikte Anwendung findet, Art. 70 Abs. 1 S. 2 des I. Protokolls. 160 Vgl. Partseh, in: FS Schlochauer, 515, 518; Abi-Saab, R., in: Essays in honour of Kalshoven, 209, 220; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 31; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 371.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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(2) Ungeschriebenes Initiativrecht Die normativen Regelungen des Rechts zum Angebot humanitärer Dienste finden ausschließlich auf Bürgerkriegssituation und hier nicht näher untersuchte internationale Konflikte Anwendung. 161 Demgegenüber bestehen keine verbindlichen Normen, die das Angebot humanitärer Dienste in Situationen innerer Unruhen regeln. Die genannten Resolutionen der VN-Generalversammlung, die sich auf humanitäre Hilfe zugunsten der Opfer von Naturkatastrophen und ähnlichen Notfällen beziehen l62 , befassen sich nicht mit inneren Unruhen und lassen sich daher für den untersuchten Kontext nur eingeschränkt nutzbar machen, da die Opfer von Naturkatastrophen nicht unter die hier vertretene Definition der Internally Displaced Persons fallen. 163 Die Resolutionen implizieren jedoch eine allgemeine Anerkennung eines ungeschriebenen Initiativrechts. 164 Andere nichtverbindliche Resolutionen und Prinzipienerklärungen erkennen ein Initiativrecht im Hinblick auf humanitäre Hilfe ausdrücklich an, sofern das Leben und die Gesundheit der Zivilbevölkerung ernsthaft gefährdet ist 16S oder die primär verantwortliche Staatsgewalt zur Leistung der Hilfe nicht gewillt oder in der Lage ist. 166 Eine Unterscheidung hinsichtlich der Konfliktsituationen wird dabei nicht vorgenommen, so daß das Inititiativrecht auch im Rahmen innerer U nruhen besteht.

161

Vgl. u. a. die gemeinsamen Art. 9/9/9/10 GK, Art. 23 GK IV; Art. 70 des I. Proto-

kolls. Vgl. o. Anm. 98. Vgl. O. 1. Kap. C. 1., 54 ff. 164 Vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 366, der das implizit aus den Deklarationen und Resolutionen der VN-Generalversammlung folgende Initiativrecht Staaten, IGOs und NGOs zuspricht. 165 Vgl. Art. 5 S. 1 der Resolution des Institute ofInternational Law vom 13. September 1989 zur "Protection of human rights and the principle of non-interference in internal affairs of states", AJ.D.I., 63 - 11 (1990), 339-345, 345: An offer by aState, a group of States, an international organization or an impartial humanitarian body such as the International Committee of the Red Cross, of food medical supplies to another State in whose territory the life or health of the population is seriously threatened cannot be considered an unlawful intervention in the internal affairs of that State. 166 Grundsatz 25 Abs. 2 S. 1 der Guiding Principles on Internal Displacement, s. Anhang I, lautet: Where authorities concerned are unable or unwilling to provide the required humanitarian assistance, international humanitarian organizations and other appropriate actors have the right to offer their services in support of the internally displaced. 162 163

13 Geißler

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

(a) Adressaten des ungeschriebenen Initiativrechts Adressat des ungeschriebenen Initiativrechts ist jedenfalls das IKRK, für das das Initiativrecht nach verbreiteter Ansicht den Status von Völkergewohnheitsrecht hat. 167 Das IKRK selbst kann sich im Zusammenhang mit inneren Unruhen auf die Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung berufen. 168 In Analogie zur Erweiterung des Adressatenkreises des Initiativrechts auf normativer Grundlage haben auch andere humanitäre und unparteiische IGOs, wie etwa der UNHCR und NGOs ein Initiativrecht in Situationen innerer Unruhen. 169 Zudem ist es Staaten, die nicht Adressat des im gemeinsamen Art. 3 GK normierten Initiativrechts sind, prinzipiell nicht verwehrt, ihre "guten Dienste" anzubieten. l7O

(b) Umfang der vom ungeschriebenen Initiativrecht erfaBten Dienste Das Angebot humanitärer Hilfe ist vom ungeschriebenen Initiativrecht eindeutig erfaBt. Auch hierzu läßt sich die MiIitary-and-Paramilitary-Activities-Entscheidung des IGH heranziehen. Denn in dem Urteil wird die tatsächliche Leistung humanitärer Hilfe für mit dem Interventionsverbot vereinbar gehalten. 171 Dies muß daher erst recht für das schlichte Angebot entsprechender Unterstützung gelten. Die Zurückhaltung vieler Staaten, das Angebot humanitärer Dienste in allgemeiner Form normativ zu regeln, deutet darauf hin, daß die auf ungeschriebener Grundlage zulässigerweise anzubietenden Dienste auf humanitäre Hilfsleistungen

167 Vgl. Sandoz, GYIL 22 (1979), 352, 366-371 m.w.N.; Meyer, IRRC 1987,485,490; El Kouhene, 190; Harroff-Tavel, IRRC 1993, 195,204/205 m.w.N.; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 166; vgl. auch die Nachweise bei Beyerlin, Die humanitäre Aktion zu Gewährleistung des Mindeststandards in nicht-internationalen Konflikten, 1031104. 168 V gl. Art. 5 Abs. 2lit. d) u. Abs. 3, Auszüge der RICR 1992, 195, 204/205; vgl. auch IKRK, ICRC protection and assistance activities in situations not covered by international humanitarian law, IRRC 1988,9, 13-18; Blonde!, IRRC 1987,451,458; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 367/368 m.w.N. und Sandoz, GYIL 22 (1979), 352, 368-371. 169 Vgl. auch Meyer, IRRC 1987,485,489. 170 V gl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 366; vgl. auch u. 3. Kap. C. IV., 248 zum Institut der good offices. 171 IGH, Military and Paramilitary Activities, IC] Rep. 1986, para. 242, vgl. auch para. 97 zum Umfang humanitärer Hilfe.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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zu beschränken sind. 172 Hierfür spräche zudem die bereits erwähnte Auffassung, daß mit Rechtsschutzaktivitäten häufiger als bei rein humanitärer Hilfe ein politisches Moment assoziiert wird. 173 Einer entsprechenden Beschränkung des Umfangs der humanitären Dienste kann jedoch nicht gefolgt werden. Solange die Rechtsschutzaktivitäten ohne Rücksichtnahme auf politische oder militärische Erwägungen und in unparteiischer Art und Weise geleistet werden, sind sie gemäß der obigen Argumentation zum geschriebenen Initiativrecht174 auch vom ungeschriebenen Initiativrecht erfaßt. Denn in diesem Zusammenhang bestehen keine Anhaltspunkte für eine differenzierende Betrachtungsweise. Dies gilt vor allem auch unter Berücksichtigung der im Rahmen von good offices geleisteten Dienste, die ebenfalls ohne geschriebene Grundlage erfolgen. 175 Das Angebot humanitärer Rechtsschutzaktivitäten ist folglich nicht ipso facto vom ungeschriebenen Initiativrecht ausgeschlossen. Vielmehr muß die Vereinbarkeit des Angebots entsprechender Dienste - wie auch der humanitären Hilfe - mit dem Interventionsverbot im konkreten Einzelfall sorgfältig überprüft werden.

(c) Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot Die Voraussetzungen eines zulässigen Angebots humanitärer Dienste außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelung des gemeinsamen Art. 3 GK richten sich nach den Tatbestandsmerkrnalen des Interventionsbegriffs. Grundsätzlich stellt das Angebot humanitärer Dienste keinen Verstoß gegen das Interventionsverbot und auch keinen unfreundlichen Akt dar. 176 Dies gilt entsprechend für die

172 Selbst die in vielen Aspekten progressiven Regelungen der Guiding Principles on Internal Displacement, s. Anhang I, beschränken sich in den einschlägigen Grundsätzen auf humanitäre Hilfe, vgl. Grundsatz 24 Abs. I. 173 Vgl. o. 3. Kap. B. HI. I. b) (3), 181 ff. sowie Melander, in: Essays in memory of Grahl-Madsen, 69, 72 u. Meyer, IRRC 1987,485,495-500. 174 Vgl. o. 3. Kap. B. III. 3. a) (1) (b), 188 ff. 175 V gl. hierzu näher u. 3. Kap. C. IV., 248 ff. 176 Vgl. Carrillo Salcedo, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. H, 97, 102 m.w.N.; Meyer,IRRC 1987, 485, 489/490; IGH, Military and Paramilitary Activities, ICI Rep. 1986, para. 242; vgl. auch Art. 25 Abs. 2 S. 2 der Guiding Principles on Internal Displacement, s. Anhang I: Such an offer shall not be regarded as an unfriendly act or an interference in a State's internal affairs.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

im Rahmen von good offices angebotenen humanitären Dienste. 177 Im Einzelfall kann es jedoch durchaus Angebote humanitärer Dienste geben, die als Verstoß gegen das Interventionsverbot zu werten sind. Die tatsächliche Leistung der angebotenen Dienste muß aus humanitären Gründen zwingend erforderlich sein. Es müssen also erhebliche Gefahren für Leib oder Leben der Intemally Displaced Persons bestehen. Weiterhin muß eine Situationen vorliegen, in der die für eine ausreichende Versorgung der Internally Displaced Persons notwendigen Mittel von der verantwortlichen Regierung oder den entsprechenden Einheiten nicht gewährleistet werden können oder bewußt zurückgehalten werden. 178 Liegen entsprechende Situationen vor 179 , fallen diese aus dem Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit und eröffnen einen Handlungsspielraum zugunsten internationaler Akteure. Hinsichtlich des Umfangs der zulässigerweise anzubietenden Rechtsschutzaktivitäten ist insbesondere die Menschenrechtslage als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen. Finden massive Menschenrechtsverletzungen oder Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht statt, die die Lage in einem Staat dem Bereich der domestic jurisdiction entziehen, ist das Angebot angemessener Rechtsschutzrnaßnahmen zulässig. Zu berücksichtigen ist zudem das Zwangs element des Interventionsbegriffs. Würde man lediglich auf den nicht gewaltsamen und prinzipiell zwanglosen Charakter der angebotenen Dienste abstellen, griffe man zu kurz. Denn mit dem Angebot humanitärer Dienste kann unter Umständen erheblicher politischer Druck Vgl. auch Art. 2 Abs 2 der ILA-DraJt Declaration on Internally Displaced Persons, s. Anhang 11, aus dem sich die Zulässigkeit des Angebots humanitärer Hilfe schließen läßt: Humanitarian assistance to internally displaced persons by States, de Jacto authorities and the international community shall not be deemed an interference in the internal affairs of the country of displacement. S. auch Grundsatz 5 S. 2 der "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance", Anhang IV. 177 Vgl. allg. Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 181; Oppermann, in: Bernhardt (Hg.), EPIL Vol. 11 (1995),1437. 178 Vgl. Meyer, IRRC 1987,450,491; Art. 5 der Resolution des Institute ofInternational Law, vgl. Anm. 164; Grundsatz 25 Abs. 2 der Guiding Principles on Internal Displacement, s. Anhang I; Grundsatz 3 der "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance", vgl. Anhang IV. Zum grundsätzlich subsidiären Charakter der internationalen Hilfe vgl. auch u. 3. Kap. B. IV. 2., 214 ff. 179 Vgl. Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4881 zur Schwierigkeit im Einzelfall festzustellen, wann entsprechende Situationen tatsächlich vorliegen. Der gewöhnliche Lebensstandard und die durch die Kampfhandlungen verursachten Bedürfnisse der Zivilbevölkerung könnten nach Junod als Beurteilungsmaßstäbe dienen.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

197

verbunden sein. Entsprechend wäre etwa ein mit der Drohung von (militärischen) Sanktionen für den Fall der Nichtannahme verbundenes Angebot humanitärer Dienste als Verstoß gegen das Interventionsverbot zu bewerten. 18o Ohne Rücksicht auf den vordergründig humanitären Charakter der angebotenen Dienste würde es sich um eine unzulässige Form der Zwangsausübung und damit um einen Verstoß gegen das Interventionsverbot handeln.

b) Die Leistung humanitärer Dienste mit Zustimmung des Heimatstaates Die Entscheidung darüber, ob angebotene humanitäre Dienste zugelassen werden sollen oder nicht, steht grundsätzlich im Ermessen des das Angebot empfangenden Staates. 181 Vorschläge und Protokollentwürfe seitens des IKRK und anderer Rotkreuz-Experten zur Abfassung des 11. Protokolls sahen zwar weitgehende Verpflichtungen der Staaten zur Annahme angebotener Dienste vor, setzten sich jedoch in der Staatenkonferenz nicht durch. 182 Die Entscheidungsbefugnis über die Gestattung angebotener Dienste ist Ausdruck der Souveränität des Staates l83 und führt infolge der oft fehlenden Bereitschaft vieler Staaten, Notstandssituationen aufgrund von Bürgerkriegen oder Menschenrechtsverletzungen einzugestehen, häufig zur Ablehnung von Hilfsangeboten. Die Verweigerung der Zulassung von humanitären Hilfsleistungen hat für die Zivilbevölkerung oftmals gravierende Konsequenzen. 184 Auf die Gründe für die ablehnende Haltung vieler Staaten - die mutmaßliche Beeinträchtigung der nationalen Souveränität - wurde bereits hinge180 V gl. Wehser, in: SimmaIBlenk-Knocke (Hg.), 23,44; vgl. auch Art. 5 S. 2 der Resolution des Institute ofInternational Law, s. Anm. 164:

However, such offers of assistance shall not, particularly by virtue of the means used to implement them, take a form suggestive of a threat of armed intervention or any other measure of intimidation; 181 V gl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 55/56. 182 Vgl. Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 123-126; Levie, 565-601. Zur Bewertung der Entwürfe vgl. auch Beyerlin, Die humanitäre Aktion zur Gewährleistung des Mindeststandards in nicht-internationalen Konflikten, 110--115. 183 Vgl. Torrelli, IRRC 1992,228,232; Bindschedler, in: FS Schlochauer, 179, 181. 184 V gl. Abs. 10 der Präambel zu A/RES/43/131 vom 8. Dezember 1988; UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 102. Zum Scheitern diplomatischer Initiativen hinsichtlich der Leistung humanitärer Dienste im Gebiet des Deutschen Reichs nach 1939, vgl. Siordet, in: Pictet (Hg.) Commentary III Geneva Convention, 105. Als durchaus positives Beispiel läßt sich dagegen die Aktion ,,Lifeline Sudan" der VN im Jahre 1989 erwähnen, wo es nach langwierigen diplomatischen Bemühungen gelang, internationale Hilfsleistungen mit der Zustimmung der sudanesischen Zentralregierung zu ermöglichen, vgl. Cohen, Human rights protection for internally displaced persons, 17/18.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

wiesen. 18S Daß dem Staat während solcher Notstandssituationen bei der Entscheidung über die Annahme angebotener humanitärer Dienste kein ungebundenes, freies Ermessen zusteht, wird an anderer Stelle noch näher untersucht. 186 Die Zustimmung eines Staates zur Leistung humanitärer Dienste kann zum einen ausdrücklich erfolgen. 187 Ausreichend ist aber auch eine aufgrund von nicht offiziell geäußerten Zusicherungen oder anderen ernstzunehmenden Hinweisen seitens des Staates zu vermutende Gestattung der humanitären Dienste. 188 In der Praxis erfolgt die Leistung humanitärer Dienste oftmals auf der Grundlage von bi- oder multilateralen Vereinbarungen, deren Vertragspartner zumindest der Träger der leistenden Organisation und der die Leistung empfangende Staat sind. Hinzu kommen oftmals neutrale Staaten oder Organisationen, die dann eine Beobachterfunktion wahrnehmen. Die Vereinbarungen beziehen sich in der Regel auf die "terms of reference", also die Beschreibung des Einsatzrahmens, auf technische Regelungen hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs oder der Wegstrecke des Transports von Hilfslieferungen oder aber allgemein die Kontrolle und Überwachung des humanitären Einsatzes. Die Leistung humanitärer Dienste wird also häufig an bestimmte Bedingungen geknüpft. Daß entsprechende Vereinbarungen grundsätzlich sinnvoll sind, liegt nahe, denn sie umreißen klar die Kompetenzen der tätigen Organisationen 189 und bieten eine höhere Gewähr für die Sicherheit der humanitären Einsätze. An der völkerrechtlichen Zulässigkeit solcher Vereinbarungen besteht kein Zweifel. Normative Regeln, die entsprechende Vereinbarungen betreffen, finden sich allerdings lediglich im humanitären Völkerrecht zur Regelung internationaler Konflikte und hier insbesondere im Bereich des Transitrechts, das den Transport von Hilfsgütern durch neutrale Staaten regelt. 190 Denkbar wäre eine entsprechende Anwendung der Normen im Rahmen nicht-internationaler Konflikte und in inneren Unruhen. Die Zulässigkeit des Abschlusses entsprechender Vereinbarungen Vgl. o. 3. Kap. B. III. 1. b) (3),181 ff. Vgl. u. 3. Kap. B. IV., 212 ff. 187 V gl. das Cornrnunique der Konfliktparteien in Abchasien, Georgien, an die VN und die GUS, UN Security Council, Report of the Secretary-General concerning the situation in Abkhazia, Georgia, UN S/1994/80 vom 25. Januar 1994, para. 14. 188 Vgl. BotheiPartschiSolf, 697; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 372. 189 Vgl. McNamara, in: Lavoyer (Hg.), 59, 66/67. 190 Art. 23,61 der GK IV; Art. 70 des I. Protokolls; vgl. hierzu näher Pictet, Cornrnentaire IV Convention de Geneve, 195-198 u. 349-353; Gasser, in: Fleck (Hg.), Rn. 503; BothelPartschiSolf; 436; Sandoz, in: ders./Swinarski/Zimmermann (Hg.), Art. 70, paras. 2830-2856; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 373-379. 18S

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B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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folgt aber bereits aus dem Grundsatz der insoweit nicht eingeschränkten Gebietshoheit des Empfängerstaates der humanitären Dienste. Die Leistung humanitärer Dienste kann folglich durch bestimmte Auflagen und die Anordnung von Kontrollen seitens des Empfängerstaates erheblich eingeschränkt werden. 191 Weitere Einschränkungen, die seitens der humanitäre Dienste erbringenden Organisationen zu beachten sind, folgen aus Normen des jeweiligen nationalen Rechts, sofern deren Anwendbarkeit nicht bereits aufgrund des Status der Organisation durch Immunitätsregelungen ausgeschlossen ist. 192 Läßt der Staat zumindest humanitäre Hilfe zu, so kann diese von den autorisierten Akteuren im gestatteten Rahmen ohne die Gefahr eines Verstoßes gegen das Interventionsverbot geleistet werden. 193 Aus menschenrechtlicher Sicht kommt zur möglichen Gewährleistung eines überlebensnotwendigen Existenzminimums im Rahmen humanitärer Hilfe der nicht unerhebliche De:facto-Rechtsschutzeffekt durch die schlichte Präsenz humanitärer Organisationen. 194 Darüber hinaus steht es dem Staat grundsätzlich frei, zusätzliche Rechtsschutzaktivitäten durch humanitäre Organisationen oder Staaten zuzulassen.

In beiden sich oftmals überschneidenden Varianten der Leistung humanitärer Dienste mit Zustimmung des betroffenen Staates, also sowohl beim Rechtsschutz als auch bei der humanitären Hilfe, besteht prinzipiell kein Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Souveränität und des Nichteinmischungsgebots. 195 Dieses könnte lediglich durch das Überschreiten der mit der Zustimmung des humanitäre Dienstleistungen empfangenden Staates gesteckten Grenzen entstehen. Hierzu ist jeweils eine genaue Überprüfung des Einzelfalls anhand der Tatbestandsmerkmale des Interventionsbegriffs vorzunehmen. 191 Vgl. Macalister-Smith, in: Kalshoven (Hg.), 99, 112, der zu Recht schreibt: "Consent, in all forrns, is thus only a first hurdle to be overcome. It is closely followed by the problem of supervision ... " Zu möglichen Einwänden gegen bestimmte Vereinbarungen, vgl. u. 3. Kap. C. III. 4. b), 208 ff. 192 V gl. Bothe, in: Fleck (Hg.), 24, 57, deru. a. auf Maßnahmen des Verwaltungszwangs oder das Schadensersatzrecht hinweist; Torrelli, IRRC 1992,228,235; Meyer, IRRC 1987, 485,494/495. 193 Vgl. Sandoz, GYIL 22 (1979), 352, 364, bzgl. des IKRK; vgl. auch McNamara, in: Lavoyer (Hg.), 59, 67, der am Beispiel Tschetscheniens auf die mit der Gestattung nicht ausgeschlossenen Gefahren für die humanitären Einsätze hinweist. 194 Vgl. o. 3. Kap. B. III. I. b) (3), 181 ff. 195 Vgl. UN AlRES/2675 (XXV) vom 9. Dezember 1970, Basic principles for the protection of civilian populations in arrned conflict, para. 8; UN A1RES/461182 vom 19. Dezember 1991, Strengthening the coordination of humanitarian emergency assistance of the United Nations, Annex, para. 3.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

c) Die Leistung humanitärer Dienste ohne Zustimmung des Heimatstaates, insbesondere im Gebiet aufständischer Verbände (1) Die fehlende Zustimmung als Hindernis für die Leistung humanitärer Dienste Verweigert ein Staat, in dem innere Unruhen oder ein Bürgerkrieg stattfinden, endgültig die aus juristischen und praktischen Gründen bedeutsame Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste l96 , so können diese regelmäßig nicht innerhalb der Grenzen des vorn Konflikt betroffenen Landes geleistet werden. 197 Es bleibt dann oftmals nur die aus humanitären Gesichtspunkten unter Umständen problematische Alternative der Schutz- und Hilfegewährung im angrenzenden Ausland. In diesem Fall handelt es sich jedoch bei den geschützten Personen aufgrund des Überschreitens einer - international anerkannten - Grenze bereits um Flüchtlinge im weitesten Sinne und nicht mehr um Internally Displaced Persons. 198 Diese Konsequenz - die Unmöglichkeit der Erbringung humanitärer Dienste im Aufenthaltsstaat der Internally Displaced Persons - steht im Einklang mit dem Interventionsverbot, denn de lege lata bestehen keine Ausnahmen zugunsten der Leistung humanitärer Dienste. Hiervon sind zumindest Staaten und Internationale Organisationen erfaßt. Für den Anwendungsbereich des 11. Protokolls bekräftigt Art. 3 Abs. 2 ausdrücklich die Geltung des Interventionsverbots. 199 Entsprechende 196 Vgl. Macalister-Smith, in: Kalshoven (Hg.), 99, 108/109; Plender, IJRL 6 (1994), 345,354; Meyer, IRRC 1987,485,492. 197 Dies gilt im übrigen entsprechend für IGOs, die bereits in dem von inneren Unruhen oder Bürgerkrieg betroffenen Land tätig sind; wird eine lGO in diesem Fall trotz ablehnender Haltung der Regierung tätig, so kann dies zu massiven Einschränkungen und Behinderungen auch für zukünftige Hilfstätigkeiten führen, vgl. Jean, 36/37 zum Beispiel des UNDP im Sudan 1986. Erst 3 Jahre und ,,250.000 Tote später" konnte es zur Durchführung der dann erfolgreichen ,,Lifeline Sudan" kommen, Jean, a.a.O. 198 V gl. Macalister-Smith, in: Kalshoven (Hg.), 99, 109 und Jean, 61-63, zum Fall Tadschikistans, wo am Höhepunkt des Bürgerkrieges 1992 keine humanitäre Organisation Zugang zu den Internally Displaced Persons hatte und etwa dem UNHCR nur die aus politischen Gründen schwierige Versorgung von Aüchtlingen im angrenzenden Afghanistan blieb. 199 Art. 3 Abs. 2 lautet:

Nothing in this Protocol shall be invoked as a justification for intervening, direcHy or indirecHy, for any reason whatever, in the armed conflict or in the internal or external affairs of the High Contracting Party in the territory of which that conflict occurs. Vgl. hierzu Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 126; Bothe, R.G.D.I.P. 1978,82,94, der daraufhinweist, daß die Norm als "clause d' evasion" zur Verletzung der Normen des Protokolls dienen könnte; Cassese, R.G.D.I.P. 1986,553,573; Lopez, N.Y.U.L.Rev. 69 (1993),916,931/932.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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Fonnulierungen finden sich auch in den genannten Resolutionen der VN-Generalversammlung zur humanitären Hilfe. 2°O Im Rahmen des materiellen Anwendungsbereichs sämtlicher sich auf humanitäre Dienste beziehenden Nonnen des humanitären Völkerrechts ist die Leistung humanitärer Hilfe von der Zustimmung des die schutzbedürftige Bevölkerung beheimatenden Staates abhängig. 201 Auch die Resolution 46/182 der VN-Generalversamrnlung betont das Erfordernis der Zustimmung, ergänzt um die im voraus prinzipiell erforderliche Anforderung humanitärer Hilfe seitens des betroffenen Staates. 202 Ob das Erfordernis der staatlichen Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste auch auf NGOs Anwendung findet, ist urnstrltten. 203 Aus völkerrechtlicher Perspektive dürfte die Zustimmung nicht zwingend erforderlich sein, da die Völkerrechtssubjektivität der NGOs in diesem Zusammenhang - mit Ausnahme des IKRK - fraglich erscheint. NGOs sind im Kontext humanitärer Aktionen prinzipiell keine Pflichtsubjekte internationaler Abkommen. 204 Zwar läßt sich zwischen NGOs unterscheiden, die vollkommen eigenständig agieren, und jenen, die sich auf Assoziationsabkommen mit IGOs stützen können. So führt etwa UNHCR zahlreiche Hilfsprogramme in enger Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen NGOs durch.2°s Hieraus folgt aber keine Zuerkennung eines besonderen (völkerrechtlichen) StatuS. 206 Abweisende - auch gewaltsame - Reaktionen der Staaten basieren dementsprechend lediglich auf Nonnen des nationalen Rechts.

UN AlRES/43/131, para. 2 u. UN AlRES/46/182, Annex, para. 3. V gl. Art. 18 Abs. 2 des 11. Protokolls und die sich auf internationale Konflikte beziehenden gemeinsamen Art. 9/9/9/10 GK sowie Art. 70 Abs. 1 des I. Protokolls. 202 UN AlRES/46/182 para. 3. 203 Vgl. Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91, 95: nach seiner Ansicht haben die völkerrechtlichen Einschränkungen der humanitären Aktivitäten für NGOs keine Bedeutung, diese könnte also theoretisch auch ohne staatliche Zustimmung agieren; entsprechend auch Jean, 50 im Zusammenhang mit den Aktivitäten von NGOs in Afghanistan; ablehnend dagegen Meyer,IRRC 1987,485,486; Beigbeder, 353 und Junod, in: SandoziSwinarskilZimmermann (Hg.), para. 4503, hier allerdings im Rahmen der Interpretation des insofern restriktiven Art. 3 Abs. 2 des 11. Protokolls. 204 Vgl. Macalister-Smith, in: FS Bemhardt, 477, 487/488. Zur zunehmenden völkerrechtlichen Bedeutung der NGOs vgl. Otto, Dianne, Nongovernmental Organizations in the United Nations system: The emerging role of international civil society, HRQ 18 (1996), 107-141; Schoener, Wendy, Non-Governmental Organizations and global activism: legal and informal approaches, IJGLS 4 (1997), 537-569. 20S Vgl. Beigbeder, 27-31; Macalister-Smith, in: FS Bemhardt, 477, 489. Vgl. auch para. 8 (h) u. (i) der Satzung des UNHCR, Statute ofthe Office ofthe United Nations High Cornmissionerfor Refugees, UN AlRES/428 (V) vom 14. Dezember 1950. 206 Vgl. Macalister-Smith, in: FS Bemhardt, 477, 489. 200 201

202

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Den bereits wiederholt durchgeführten 207 Aktivitäten humanitärer NGOs stehen bei erklärter ablehnender Haltung des betreffenden Staates aufgrund von Sicherheitserwägungen erhebliche Bedenken entgegen. 208 Schon aus dieser Überlegung, aber auch aufgrund der Gefahr der generellen Reduzierung des Handlungsspielraums der NGOs, ist die Beachtung staatlicher Regelungsbefugnisse aus pragmatischen - nicht jedoch aus juristischen - Gründen dringend geboten.

(2) Die Leistung humanitärer Dienste trotz fehlender Zustimmung Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob, und unter welchen Voraussetzungen humanitäre Dienste durch Staaten und IGOs auch bei fehlender Zustimmung des Staates erfolgen können.

(a) Das Erzwingen humanitärer Hilfe durch die internationale Staatengemeinschaft - "Humanitäre Interventionen" Verweigert ein Staat in einer Konfliktsituation, die aufgrund der prekären Menschenrechtslage sowie tatsächlichen und potentiell drohenden Flucht und Vertreibung der Zivilbevölkerung eine Bedrohung oder einen Bruch des Friedens im Sinne des Art. 39 der VN-Charta darstellt, endgültig die Zulassung humanitärer Dienste, so ist der Sicherheitsrat nach dem VII. Kapitel der VN-Charta ermächtigt, Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu autorisieren. 209 Bislang wurden

207 Vgl. Beigbeder, 353/354 zu den Aktionen der Medecins Sans Frontieres und anderer NGOs; Macalister-Smith, in: FS Bemhardt, 477,495/496; UNHCR, Report 1997/98, 129. 208 Vgl. auch u. 3. Kap. B. III. 4. c), 210 ff. 209 Mit der Sicherheitsrats-Resolution 688, UN SIRES/688 vom 5. April 1991, aufgrund derer im Fall des Irak erstmals ausdrucklich Schutz und Hilfe zugunsten von Internally Displaced Persons ermöglicht wurde, vennied der Sicherheitsrat die Bezugnahme auf das VII. Kapitel der VN-Charta, obgleich dies zulässig gewesen wäre, vgl. auch Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 713/714. Paras. I und 3 der Resolution 688 lauten: [The Security Council] I. Condemns the repression of the Iraqi civilian population in many parts of Iraq, including most recently in Kurdish populated areas, the consequences of which threaten international peace and security in the region; 3. Insists that Iraq allow immediate access by international humanitarian organizations to all those in need of assistance in all parts of Iraq and to make available all necessary facilities for their operation.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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entsprechend durch den Sicherheitsrat autorisierte "humanitäre Interventionen" noch nicht zur Verhinderung von Flucht und Vertreibung, also im Rahmen der präventiven Bekämpfung der Fluchtursachen durchgeführt, sondern lediglich reaktiv zur Linderung der gravierenden Auswirkungen des internat disptacement. 210 Verantwortbar sind "humanitäre Interventionen" in jedem Fall nur dann, wenn Motiv und Handlungsrnaßstab nicht ausschließlich in der Vermeidung von "spillover-Effekten", also der Entstehung von Flüchtlingsströmen in Nachbarstaaten bestehen. 211 Problematisch ist in diesem Zusammenhang die in den letzten Jahren international verstärkt zu beobachtende Tendenz, den Zugang zum Institut des Asyls oder zumindest zu Formen der temporary protection drastisch zu reduzieren. 212 Die rechtspolitisch gebotene Mindestvoraussetzung der Zulässigkeit jener Abschottungstendenz ist das Bestehen inländischer Fluchtalternativen oder durch internationale Organe effektiv überwachter Schutzzonen (safe areas). Den internally displaced persons muß es also möglich sein, in Sicherheit und mit ausreichender Versorgung an existentiellen Gütern in ihrem Heimatland zu verbleiben. 213 Bei der Umsetzung "humanitärer Interventionen" besteht eine weitere, aber im Rahmen der Untersuchung nicht zu vertiefende Problematik: Sie liegt in der Gefahr der Vermengung geopolitischer, militärischer Ziele einerseits und humanitärer Erwägungen andererseits, die sich tendenziell zu Lasten des humanitären Die Hilfsaktion basierte letztlich auf einem Memorandum of Understanding der VN mit der irakischen Regierung, vgl. Plender, IJRL 6 (1994), 345, 354/355; Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11,40/41; vgl. auch Freedman, Geo.Immigr.L.J. 9 (1995), 565, 568 sowie die Nachweise o. Anm. 22. 210 Vgl. Lewis, Geo.Immigr.L.J. 6 (1992), 963, 712-715; Adelman, IJRL Vol. 4 (1992), 4-38; vgl. auch Posen, Barry A., Military responses to refugee disasters, International Security 21 (1996),72-111. 211 V gl. Hathaway, JRS 8 (1995), 289, 293: "Whatever movement is made toward more effectively ending or attenuating human rights abuse in-country should never be at the expense of the human being' sone truly autonomous remedy: flight when circumstances become unbearable."; Goodwin-Gill, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 93, 103. 212 Vgl. etwa Freedman, Geo.Immigr.LJ. 9 (1995), 565, 566/567 m.w.N.; UN GA, EXCOM, Notes on international protection, UN AlAC.96/863 vom 1. Juli 1996, para. 2 und AlAC.96/882 vom 2. Juli 1997, para.l4; UNHCR, Report 1995/96,59/60; UNHCR, Report 1997/98, 134; vgl. auch u. 3. Kap. C. III. 2. b), 244/245 zur Formulierung von Einsatzkriterien zugunsten von Internally Displaced Persons durch den UNHCR. 213 Vgl. UNHCR, Protection aspects of UNHCR activities on behalf of internally displaced persons, 1994, para. 15, lit. (d). Goodwin-Gill, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 93,103. Zum Konzept der sogenannten safe areas oder safe havens vgl. u. 4. Kap. C. 11.,283 ff. Problematisch ist in diesem Zusammenhang etwa die Aussage Freedmans, Geo.Immigr.L.J. 9 (1995), 565, 579, die Errichtung von safe havens sei schon aufgrund der dadurch verhinderten Fluchtbewegungen ins Ausland und den damit verbundenen internationalen Auswirkungen zulässig.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

Aspekts eines Einsatzes auswirkt. 214 Hinzu kommt die durch die Staatenpraxis in diesem Zusammenhang bestätigte Selektivität des Vorgehens des Sicherheitsrats der VN. 215 An dieser Stelle muß der Hinweis genügen, daß sogenannte humanitäre Interventionen prinzipiell eine Methode des institutionellen Schutzes der Intemally Displaced Persons auch ohne die Zustimmung des beheimatenden Staates darstellen können. 216

(b) Die Leistung humanitärer Dienste in Bürgerkriegen im Gebiet aufständischer Verbände Eine im Hinblick auf Verstöße gegen das Interventionsverbot besonders konfliktträchtige Konstellation des institutionellen Schutzes betrifft Bürgerkriegssituationen, in denen sich geographische Demarkationslinien ausmachen lassen. Es handelt sich dabei um Bürgerkriege, in denen die den Regierungseinheiten gegenüberstehenden aufständischen Verbände über eine gewisse Gebietshoheit auf dem Territorium der ursprünglichen Staatsgewalt verfügen. Der Umfang der Gebietshoheit ist dabei nicht mit der nach Art. 1 Abs. 1 a.E. des ll. Protokolls geforderten Gebietshoheit2 17 gleichzusetzen. Es muß sich jedoch um eine geographisch wie militärisch erhebliche Gebietskontrolle durch die aufständischen Verbände handeln. Die völkerrechtliche Zulässigkeit der hier nicht näher zu untersuchenden Unterstützung der aufständischen Verbände selbst war lange Zeit höchst umstritten. Erst die Military-and-Paramilitary-Activities-Entscheidung des IGH brachte eine abschließende Klärung der Streitfrage. Seither müssen die finanzielle Unterstützung, das Training, Waffenlieferungen oder die sonstige logistische Unterstützung 214 Ein unrühmliches Beispiel stellt in diesem Zusammenhang die gescheiterte VN-Mission in Somalia dar, vgl. Sarooshi, Transnat'l A. 1996,96/97; Jean, 135-146. Vgl.auch allgemein Rufin, in: Jean (Hg.), 149-164; UNHCR, Report 1995/96, 150, zur Problematik, daß humanitäre Hilfe unter Einsatz militärischer Gewalt ihren an sich neutralen Charakter einbüßt u. de Waal, Le Monde Diplomatique vom 15. April 1998. 215 Vgl. Freedman, Geo.lmmigr.LJ. 9 (1995), 565, 593; Hofmann, in: FS Bernhardt,

417,428/429. 216 Eine prägnante Analyse der jüngeren Praxis des Sicherheitsrates der VN im Hinblick auf den institutionellen Schutz der Intemally Displaced Persons ohne, bzw. mit ausdrücklich eingeforderter Zustimmung des betreffenden Heimatstaates findet sich bei UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 382-389. Er untersucht die Fälle des Irak, Aserbaidschans, Bosniens und Herzegowinas, Somalias und Ruandas; vgl. auch UNHCR, Report 1997/98, 139-148 zu den Fällen Irak, Bosnien und Herzegowina sowie Ruanda. 217 Vgl. hierzu o. 2. Kap. B. III. 3. a), 82 ff.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

205

aufständischer Verbände auf dem Territorium der bekämpften Staatsgewalt als eindeutiger Verstoß gegen das Interventionsverbot bewertet werden. 218 Noch an gleicher Stelle urteilte der IGH jedoch auch, daß die Leistung rein humanitärer Hilfe an Zivilpersonen oder Streitkräfte mit dem Völkerrecht zu vereinbaren ist. Es heißt dort: There can be no doubt that the provision of strictly humanitarian aid to persons or forces in another country, whatever their political affiliations or objectives, cannot be regarded as unlawful intervention, or as in any other way contrary to internationallaw. 219

Um mit dem Interventionsverbot vereinbar zu sein, knüpft der IGH an die Leistung der humanitären Hilfe weitere Bedingungen: In the view of the Court, if the provision of "humanitarian assistance" is to escape condernnation as an intervention ... not only must it be limited to the purposes hallowed in the practice ofthe Red Cross, namely "to prevent and alleviate human suffering", and "to protect life and health and to ensure respect for the human being"; it must also, and above all, be given without discrimination to all in need ... 220

Die humanitäre Hilfe muß demnach ausschließlich humanitären Zielen dienen und unterschiedslos gewährt werden. 221 Aufgrund der ersten genannten Bedingung ergeben sich prinzipiell keine weiteren Schwierigkeiten. Dagegen ist noch nicht abschließend geklärt, wie sich im Hinblick auf die zweitgenannte Bedingung, also die unterschiedslose Gewährung der Hilfe, ein Verstoß gegen das Interventionsverbot vermeiden läßt. Problematisch ist dies vor allem in Situationen, in denen die De-jure-Staatsgewalt die Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste verweigert, die aufständischen Verbände demgegenüber bereit sind, humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung, respektive für ihre eigenen Einheiten, die sich innerhalb des von ihnen kontrollierten Gebiets aufhalten, zuzulassen. 222 Es stellt sich die Frage, ob das schlichte Angebot humanitärer Dienste an beide BürgerkriegsparIGH, Military and Paramilitary Activities, ICI Rep. 1986, para. 242. IGH, Military and Paramilitary Activities, ICI Rep. 1986, para. 242; nicht urnfaßt sind damit Maßnahmen des Rechtsschutzes. Zu beachten ist jedoch, daß diese nicht Streitgegenstand der Entscheidung waren; vgl. auch De Waart, in: Kalshoven (Hg.), 67,71/72 m.w.N. 220 IGH, Military and Paramilitary Activities, ICI Rep. 1986, para. 243. 221 Vgl. auch Jennings/Watts, 438, 444; Fischer, in: lpsen, § 58, Rn. 59. 222 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die fehlende Zustimmung der aufständischen Verbände die Hilfsoperationen und vor allem das dabei tätige Personal erheblichen Gefahren aussetzt und Hilfsoperationen daher in Zweifelsfällen prinzipiell unterbleiben, vgl. Jean, zu den Beispielen Afghanistans (50-52), Angolas (105) sowie BosnienHerzegowinas (128/129) und u. 3. Kap. D. 11., 262 ff. bzgl. des IKRK. vgl. auch Anm. 10 zum Schutz humanitärer Organisationen und ihres Personals. 218 219

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

teien ausreichend ist, damit der eigentlichen Leistung der humanitären Dienste kein diskriminierender Charakter zukommt. Geht man davon aus, daß die von der eigentlichen Staatsgewalt abgelehnten humanitären Dienste weiterhin für diese verfügbar sind, also auch nach einer zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten Zustimmung geleistet werden könnten, so kann grundsätzlich nicht von einer diskriminierenden Gewährung der Dienste gesprochen werden. 223 Denn aus dem unparteiischen, allgemeingültigen Angebot der humanitären Dienste folgt, daß diese beiden Konfliktparteien zur Verfügung stehen und eine Bevorzugung einer der beiden Seiten zumindest nicht beabsichtigt ist. Im völkerrechtlichen Schrifttum ist die Auffassung verbreitet, daß in dieser Konstellation der Zugang zum Gebiet der aufständischen Verbände ohne Berührung des Gebiets der De-jure-Staatsgewalt möglich sein müsse, um eine Verletzung des Interventionsverbots auszuschließen. 224 Die zivilen Opfer des Konflikts einschließlich der Intemally Displaced Persons müßten also auf dem Land-, Luftoder Seeweg direkt erreichbar sein, das heißt ohne Berührung des von der Dejure-Staatsgewalt kontrollierten Gebietes. Nach dieser Ansicht kommt es auf die völkerrechtlich an sich fortbestehende territoriale (und personale) Hoheitsgewalt der De-jure-Staatsgewalt nicht an. Humanitäre Erwägungen lassen diesen Aspekt aufgrund der verlorenen faktischen Hoheitsgewalt zurücktreten. 225 Zwei weitere Bedingungen müssen jedoch in jedem Fall erfüllt sein, damit die Vereinbarkeit der humanitären Hilfe mit dem Interventionsverbot gewährleistet ist: Die Situation, in der humanitäre Hilfe erbracht werden soll, muß aufgrund der schweren Verletzungen menschenrechtlicher und humanitärrechtlicher Normen und der daraus resultierenden Notlage der Bevölkerung außerhalb des Bereichs 223 So auch Jennings/Watts, 444; vgl. auch Siordet, in: Pictet (Hg.), Commentary on the III Geneva Convention, 1081109. 224 Vgl. Sandoz, GYIL 22 (1979), 352, 364/365; Schindler, AlDI 1973,416,485; Torrelli, IRRC 1992, 228, 234, der zudem darauf hinweist, daß die Möglichkeit der Leistung humanitärer Dienste ohne Zustimmung der eigentlichen Staatsgewalt durch Art. 18 Abs. 2 des 11. Protokolls nicht eingeschränkt worden sei; a.A. Eide, in: Casesse (Hg.), 277, 294; einschränkend auch, aufgrund der nach seiner Ansicht erforderlichen Anerkennung der aufständischen Verbände als Kriegsführende, Kimminich, Humanitäres Völkerrecht - humani täre Aktion, 80. 225 Entsprechend wird auch der Einsatz der indischen Luftwaffe zur Versorgung der von schweren militärischen Angriffen betroffenen Zivilbevölkerung im von tamilischen Rebellen kontrollierten Norden Sri Lankas mit Lebensmitteln und Medikamenten im Juni 1987 von einigen Autoren für zulässig erachtet, vgl. Venna, in: Kalshoven (Hg.), 135, 144; Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91,95/96. Die Regierung Sri Lankas hielt den Einsatz dagegen für eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten und eine schwere Verletzung der Souveränität und territorialen Unabhängigkeit, vgl. Venna, 142.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

207

der ausschließlichen Zuständigkeit des betreffenden Staates, der domestic jurisdiction, liegen. Zudem muß die Androhung oder der Einsatz von Gewalt, da es an einer entsprechenden Autorisierung durch den VN-Sicherheitsrat fehlt, unter allen Umständen unterbleiben. Andernfalls wäre mit der Erbringung humanitärer Dienste ein Verstoß gegen das Interventionsverbot verbunden, der zu Gegenmaßnahmen berechtigen würde. 226

4. Würdigung Aus den vorangegangenen Ausführungen geht hervor, daß der konkludenten oder ausdrücklichen Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste eine erhebliche juristische sowie praktische Bedeutung zukommt. Werden humanitäre Dienste ohne Zustimmung der betreffenden Staatsgewalt geleistet, besteht aus völkerrechtlicher Sicht eine hohe Gefahr des Verstoßes gegen das Interventionsverbot. Bei wiederholten Verstößen gegen das Interventionsverbot würde die Legitimationsgrundlage humanitärer Dienste insgesamt in Frage gestellt. Daneben besteht ein praktisches Bedürfnis, die Zustimmung des betreffenden Staates zur Leistung humanitärer Dienste zu erlangen: Denn ohne entsprechende Autorisierung entsteht eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Personal und Material der Hilfseinsätze. 227 Humanitäre Dienste sollten daher im idealtypischen Fall auf der Grundlage eines Gesuchs um humanitäre Dienste seitens eines betroffenen Staates oder der Annahme eines Angebots humanitärer Dienste durch Staaten, IGOs oder NGOs erfolgen. 228

a) Das Angebot humanitärer Dienste Das Angebot humanitärer Dienste, also sowohl von humanitärer Hilfe als auch von Rechtsschutzaktiviäten, stellt hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot einen insgesamt eher unproblematischen Fall dar. Adressat des Initia-

Vgl. Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91, 96/97. Vgl. die ausführlichen Nachweise über die bei humanitären Einsätzen ums Leben gekommenen Personen internationaler Organisationen bei Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.) Vol. 11,13,48/49; vgl. auch Meyer, IRRC 1987,485,494/495; Junod, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4887; UN GA, EXCOM, Note on international protection UN NAC.96/882 vom 2. Juli 1997, paras. 28/29. 228 Diese "Idealfälle" sehen auch die Mandate der unten näher untersuchten Organisationen des UNHCR und des IKRK vor, vgl. 3. Kap. C. IlI. 3., 245 ff. und D. I. 2., 257 ff. 226 227

208

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

tivrechts gemäß des gemeinsamen Art. 3 GK sind das IKRK, weitere NGOs sowie IGOs. Das ungeschriebene Initiativrecht zum Angebot humanitärer Dienste besteht zusätzlich auch für Staaten. Schon im Hinblick auf die erhebliche Zurückhaltung der Staaten, das normative Regelwerk zur Umsetzung menschenrechtlicher und vor allemhumanitärrechtlicher Normen zu erweitern, ist beim Angebot humanitärer Dienste auf ungeschriebener Grundlage auf die genaue Einhaltung der Vorgaben des Interventionsverbots zu achten. Andernfalls wäre eine weitere Reduzierung der Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der Internally Displaced Persons zu befürchten. Die bereits bestehenden Handlungsspielräume sollten jedoch im Sinne des Schutzes der Internally Displaced Persons gezielt genutzt werden. Eine prinzipielle Begrenzung der Handlungsmöglichkleiten der humanitären Akteure ergibt sich im Hinblick auf die Frage, ob sich eine Situation noch innerhalb der domestic jurisdiction befindet. Es dürfte indes schwierig sein, Fälle der Staatenpraxis nachzuweisen, in denen humanitäre Dienste in inneren Unruhen oder nicht-internationalen Konflikten angeboten wurden, die sich nach einer objektiven Beurteilung noch eindeutig innerhalb der domesticjurisdiction befanden. Eine weitere Grenze für den institutionellen Schutz der internally displaced persons bildet das Kriterium der verbotenen Zwangsausübung. Das Angebot der humanitären Dienste darf keinesfalls mit der ausdrücklichen oder konkludenten Drohung der Anwendung von Gewalt im Sinne einer "dictatorial interference" verbunden sein. Aber auch die Verbindung des Angebots humanitärer Dienste mit anderen Zwangsmaßnahmen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit eines Staates führen, ist grundsätzlich unzulässig. Insbesondere in Zweifelsfällen hinsichtlich der domestic jurisdiction ist das Zwangselement des Interventionsbegriffs kritisch zu würdigen. Liegt jedoch die Situation eines Landes aufgrund der Beeinträchtigungen der Menschenrechte der Internally Displaced Persons außerhalb des Bereichs der rein inneren Angelegenheiten und sind keine Anzeichen der Anwendung von Zwang vorhanden, so spricht eine deutliche Vermutung für die Zulässigkeit des Angebots humanitärer Dienste.

b) Die Leistung humanitärer Dienste mit Zustimmung des Heimatstaates Die Leistung humanitärer Dienste mit Zustimmung des betreffenden Staates, genauer der De-jure-Staatsgewalt, ist hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot grundSätzlich unproblematisch. Allerdings ist sowohl in bezug auf den Inhalt als auch auf die Modalitäten der Leistung selbst der durchgehend un-

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

209

parteiische und humanitäre Charakter der Dienste zu beachten. In der Praxis werden humanitäre Dienste oftmals auf der Grundlage von bi- oder multilateralen Vereinbarungen erbracht, wodurch sich erhebliche Einschränkungen der Hilfstätigkeiten ergeben können. Weitere Einschränkungen folgen unter Umständen aus nationalen Normen des Empfängerstaates. Die Einhaltung des normativen und faktischen Rahmens, der sich durch das Mandat der handelnden Organisation, die Vereinbarungen, die mit der Staatsgewalt und eventuell weiteren Vertragspartnern getroffen wurden und weitere nationale Normen ergibt, ist allgemein geboten. Andernfalls wäre der Erfolg der humanitären Operation und damit auch die Sicherheit von Personal und Material gefährdet. Gegen die Bindung der Hilfsleistungen oder Maßnahmen zur Schutzgewährung an Auflagen und weitere staatliche Kontrollen bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Interventionsverbot entstehen durch die Bindung der humanitären Dienste an bestimmte Bedingungen keine rechtlichen Probleme, da die Souveränität nach dem Zweck der Vereinbarungzumindest aus Sicht des regulierenden Staates - gewahrt bleiben soll. Aus humanitärrechtlicher Sicht sind lediglich jene Fälle problematisch, in denen die Leistung humanitärer Dienste von den Konfliktparteien zu politischen oder gar militärischen Zwecken instrumentalisiert wird. Denn hierdurch wird der unparteiische und unabhängige Charakter der humanitären Einsätze gefährdet, was wiederum negative Auswirkungen auf zukünftige Operationen haben kann. Die Vereinbarungen zwischen dem Empfängerstaat, den humanitären Organisationen und eventuell weiteren Parteien werden mangels zwingender normativer Vorgaben oftmals lediglich auf einer Ad-hoc-Basis getroffen. Dies ist im Prinzip auch sinnvoll, da starre Vorgaben eine flexible Anpassung an den Einzelfall verhindern könnten. Die Ausarbeitung einer Konvention wäre im Hinblick auf die zahlreichen zu regelnden Fragen zwischen Empfängerstaat und den leistenden Akteuren schwierig und wenig gewinnbringend. 229 Macalister-Smith weist zudem zutreffend darauf hin, daß die zu erwartenden materiellen Vorbehalte zu einer solchen Konvention und und deren nicht universelle Anwendbarkeit die Schwierigkeiten für humanitäre Einsätze in der Praxis eher vergrößern würden. 230 Sinnvolle Alternativen sind daher in Mustervereinbarungen zu sehen, die durch den Dis-

229

230

Vgl. Toman, in: Kalshoven (Hg.), 181, 188/189. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 160.

14 Geißler

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

aster Relief Coordinator der VN 231 beziehungsweise die ILA 232 erarbeitet wurden, auch wenn damit die "großen" Probleme nicht gelöst werden. 233

c) Die Leistung humanitärer Dienste ohne Zustimmung des Heimatstaates Es liegt nahe, daß die Gefahr des Verstoßes gegen das Interventionsverbot bei der Leistung humanitärer Dienste ohne Zustimmung des betreffenden Staates am größten ist. Hinzu kommen regelmäßig erhebliche praktische Gefahren für Personal und Material der Hilfsoperationen. De lege lata bedeutet die endgültige Verweigerung der Zustimmung durch den Staat, auf dessen Territorium innere Unruhen oder ein Bürgerkrieg stattfinden, daß humanitäre Dienste prinzipiell nicht erbracht werden können. Ausnahmen sind "humanitäre Interventionen" und die Leistung humanitärer Hilfe auf dem Gebiet aufständischer Verbände. Die komplexe Problematik der Zulässigkeit und Effektivität sogenannter humanitärer Interventionen konnte im Rahmen dieser Untersuchung nur angedeutet werden. Der Einsatz von durch den VN-Sicherheitsrat autorisiertem militärischen Zwang mag als "last resort" im Falle der beharrlichen Verweigerung humanitären Schutzes durch den Intemally Displaced Persons "beheimatenden" Staat aufgrund einer Gefährdung des Friedens im Sinne des Art. 39 der VN-Charta unter Umständen unabdingbar sein. Tendenziell dürfte der Einsatz von militärischem Zwang im Rahmen der Leistung humanitärer Dienste jedoch eher schädlich sein, da eine erhebliche Gefahr der Vermengung von geopolitischen und militärstrategisehen Zielen einerseits und humanitären Erwägungen andererseits besteht, die sich im Zweifel zum Nachteil der humanitären Erfordernisse auswirkt. Festzuhalten bleibt aber, daß der institutionelle Schutz der Intemally Displaced Persons in engen Grenzen auch unter Einsatz von militärischem Zwang gegen den Willen des Heimatstaates gewährleistet werden kann. Die zweite Ausnahmesituation liegt dann vor, wenn sich in einem nicht-internationalen Konflikt Demarkationslinien hinsichtlich der Gebietshoheit aufstän231 V gl. EI Baradei, Model Rules for Disaster Relief Operations des Institute for Training and Research der VN (UNITAR) von 1982, vgl. hierzu Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 155-157, der darauf hinweist, daß die insgesamt 17 verschiedenen Mustervereinbarungen auch auf bewaffnete Konflikte anwendbar sein können. 232 Vgl. ILA, Projet d'accord-type relatif aux victimes de secours humanitaires, abgedruckt in: ILA (Hg.), Report of the fifty-ninth Conference, 1980, 521-527; vgl. hierzu Toman, in: Kalshoven (Hg.), 181, 187. 233 V gl. Bothe, in: ILA, Report of the fifty-ninth Conference, 1980, der damit die Pflicht der Staaten zur Vornahme, beziehungsweise zur Annahme humanitärer Hilfe meint.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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diseher Verbände ausmachen lassen. Ist die verantwortliche Führung der aufständischen Verbände bereit, humanitäre Hilfe auf dem von ihr kontrollierten Gebiet zuzulassen, so kann die Hilfe aus völkerrechtlicher Sicht - ungeachtet der verbreiteten Skepsis vieler Staaten - erfolgen. Die Hilfe ist jedoch nur zulässig, solange sie rein humanitären Zwecken dient und unterschiedslos gewährt wird. Dieser Schluß läßt sich aus der Military-and-Paramilitary-Activities-Entscheidung des IGH ziehen. Entscheidend dürfte sein, daß die der Zivilbevölkerung sowie eventuell den aufständischen Verbänden zu Gute kommende humanitäre Hilfe jederzeit auch der Zivilbevölkerung im Gebiet der De-jure-Staatsgewalt zugängig gemacht werden kann. Andernfalls wäre die unterschiedslose Gewährleistung der humanitären Hilfe fragwürdig. Rechtsschutzaktivitäten dürften von dieser Ausnahmekonstellation nicht erfaßt sein, zumindest läßt sich aus dem genannten IGH-Urteil keine entsprechende Schlußfolgerung ziehen. Hinzuweisen ist jedoch auf den mit der Gewährung humanitärer Hilfe zu erzielenden De-Jacto-Rechtsschutzeffekt. Ob aus völkerrechtlicher Sicht ein direkter Zugang zum Gebiet der aufständischen Verbände erforderlich ist, um einen Verstoß gegen das Interventionsverbot gegenüber der De-jure-Staatsgewalt zu vermeiden, erscheint fragwürdig. Zwar mag dies aus praktischen Erwägungen geboten sein, da die De-jure-Staatsgewalt eine Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste verweigert hat und daher in der Regel nicht bereit sein dürfte, Hilfslieferungen über das von ihr kontrollierte Territorium hinweg in das Gebiet der aufständischen Verbände zuzulassen. Zwingend erforderlich ist die Umgehung des von der De-jure-Staatsgewalt kontrollierten Gebiets jedoch nicht. Denn schließlich würde die Hilfslieferung über dieses Gebiet hinweg - wozu die De-jure-Staatsgewalt in entsprechender Anwendung des auf internationale Konflikte anwendbaren Transitrechts verpflichtet sein könnte234 - eine höhere Garantie der unterschiedslosen Gewährung der Hilfsleistungen bedeuten. Zudem folgt die Annahme eines Nichtverstoßes gegen das Interventionsverbot bei Hilfslieferungen an Internally Displaced Persons im Gebiet aufständischer Verbände primär aus der Tatsache, daß die Tatbestandsmerkmale des Interventionsbegriffs nicht vorliegen, die Situation also außerhalb der domestic jurisdiction liegt und kein unzulässiger Zwang eingesetzt wird. Auf die fortbestehende territoriale Hoheitsgewalt der De-jure-Staatsgewalt kommt es demnach nicht an, da humanitäre Hilfsleistungen im Gebiet aufständischer Verbände

234 Vgl. Nachweise bei Anm. 190, u. o. 3. Kap. B. III. 3. b), 197ff.; ferner Schindler, AlDI 1973,416,485 unter Bezug auf die ColjU-Channel-Entscheidung des IGH. Bothe, in: Fleck (Hg.), 24, 52 zur entsprechenden Anwendung des Art. 23 der IV. Genfer Konvention im Biafra-Konflikt, m.w.N.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

andernfalls generell unzulässig wären. Die faktische Gebietskontrolle der aufständischen Verbände ennöglicht folglich die direkte Hilfslieferung an sich dort befindliche Internally Displaced Persons, gebietet sie jedoch nicht.

d) Zur Frage der Notwendigkeit neuer Nonnen Für alle untersuchten Fallkonstellationen des institutionellen Schutzes gilt, daß normative Grundlagen bislang nur vereinzelt bestehen. Dies betrifft sowohl die potentiellen Akteure zum Schutz der Internally Displaced Persons als auch die ausdrücklich zulässigen Handlungsfonnen. Das in der Praxis zu beobachtende institutionelle Schutzdefizit zu Lasten der Internally Displaced Persons ist daher nicht zuletzt auf deutliche Regelungslücken zurückzuführen. 23s Auch, oder besser gesagt, gerade weil es sich um eine äußerst sensible Materie des Völkerrechts handelt, die den Grundsatz der staatlichen Souveränität berührt, ist eine Erweiterung oder zumindest eine KlarsteIlung der rechtlichen Grundlagen wünschenswert. Erste zu begrüßende und weiter zu verfolgende Ansätze sind in den Guiding Principles on Internal Displacement sowie der Draft-Declaration on Internally Displaced Persons der ILA zu sehen. 236 Zu untersuchen bleibt im folgenden die Frage, ob sich eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Zulassung humanitärer Hilfe nachweisen läßt.

IV. Besteht eine völkerrechtliche Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe

im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte? I. Recht und Moralein unlösbares Dilemma im Kontext humanitärer Hilfe? In nur wenigen Ausnahmefällen werden humanitäre Dienste auch gegen den Willen der Heimatstaaten tatsächlich geleistet, obwohl Schutz und Hilfe zugunsten der von Menschenrechtsverletzungen betroffenen Zivilbevölkerung oftmals gerade hier dringend geboten wären. In der Regel führt die Weigerung eines Staates, humanitäre Dienste zuzulassen, vielmehr dazu, daß diese tatsächlich nicht geleistet werden. Zwischen dem moralischen Anspruch, die Opfer interner bewaffneter Auseinandersetzungen zu unterstützen, und den juristischen und damit prak235 236

Vgl. hierzu allg. Maurice, IRRe 1992,363,370. Vgl. auch u. 4. Kap. B. I., 266 ff.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

213

tischen Barrieren für deren institutionellen Schutz scheint also ein erheblicher Widerspruch zu bestehen. Vergleichbar ist in diesem Zusammenhang die Diskussion über die Zulässigkeit "humanitärer Interventionen" zum Schutz der Menschenrechte, da auch dort offenbar ein Widerspruch zwischen "Weltgewissen" und Völkerrecht besteht. 237 Näher zu untersuchen ist daher die Frage, ob sich in bestimmten Situationen eine Verpflichtung der Staaten zur Zulassung humanitärer Hilfsaktionen herleiten läßt. Da keine ausdrückliche völkerrechtliche Verpflichtung zur Zulassung humanitärer Hilfsaktionen besteht und die derzeitige Staatenpraxis auch keine Schlüsse hinsichtlich des Entstehens von entsprechendem Völkergewohnheitsrecht zuläßt238 , kommen als Begründungsansätze lediglich die Entwicklungen de lege ferenda in Betracht. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, daß es dabei nicht um die Legitimierung an sich verbotener Einmischungen in die inneren Angelegenheiten fluchtverursachender Staaten geht. Vielmehr soll untersucht werden, ob sich die "humanitäre Schutzlücke" schließen läßt, die sich im Einzelfall durch das Fehlen der aus juristischen und praktischen Erwägungen prinzipiell zwingend erforderlichen Zustimmung des Empfängerstaates zur Leistung humanitärer Dienste ergibt. Mit einer Rechtspflicht der Staaten zur Zulassung humanitärer Dienste könnte unter Umständen ein (Menschen-)Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe korrespondieren. Als mögliches Ergebnis der Untersuchung ließen sich vermeintlich ausschließlich moralisch begründete Argumente zugunsten der institutionellen Unterstützung der Internally Displaced Persons zumindest de lege ferenda auch juristisch untermauern. Der Widerspruch zwischen Recht und Moral wäre dann nur ein scheinbarer und nicht unauflösbar. 239

237 Der Begriff des "conscience of mankind" geht zurück auf Oppenheim, vgl. Jennings/ Watts, 442; vgl. auch Abs. 1 der Präambel der "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance", s. Anhang IV. Zum Dilemma zwischen Moral und Völkerrecht im Kontext humanitärerInterventionen vgl. Schilling, AVR 35 (1997),432-435 m. w.N.; zur Problematik unterschiedlicher Wert- und Moralvorstellungen Moreeis, in: Kalshoven (Hg.), 43,50; vgl. auch Otto, Colum.Hum.Rts.L.Rev. 29 (1997),1-46 m.w.N. 1.38 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 366; Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11,13,31/32. 239 Zur hier nicht näher zu untersuchenden möglichen Berücksichtigung von moralischen Vorstellungen bei der Interpretation von positivem Völkerrecht, vgl. Schilling, AVR 35 (1997),450-456.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

2. Ansatzpunkte einer völkerrechtlichen Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe Ansatzpunkte einer Rechtspflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe könnten sich aus menschen- und humanitärrechtlichen Normen ergeben, sofern diese den Staat zur Vornahme bestimmter schützender Handlungen verpflichten. Werden grundlegende Rechte der Zivilpersonen beziehungsweise Internally Displaced Persons verletzt und ist der verantwortliche Staat nicht gewillt oder in der Lage, diese zu schützen, so könnte die Schutzpflicht des Staates die Zulassung internationaler Hilfsaktionen zum Inhalt haben. Begünstigte der Schutzpflicht wären die Internally Displaced Persons, während internationale Akteure auf der Grundlage der erteilten Zustimmung zur Vornahme schützender Handlungen befugt wären. 240 Ein weiterer Ansatzpunkt zur Begründung einer Rechtspflicht der Staaten, angebotene internationale Hilfsaktionen zu gestatten, könnte sich aus dem Grundsatz der völkerrechtlichen Pflicht zur Zusammenarbeit ergeben. Dieser Grundsatz könnte vor allem bei humanitären Krisen mit potentiellen oder tatsächlichen internationalen Auswirkungen an Bedeutung gewinnen. 241 Ein weiterer Aspekt, der mit einer möglichen Rechtspflicht der Staaten, humanitäre Dienste seitens dritter Staaten oder IGOs zuzulassen eng zusammenhängt, ist die Frage eines Rechts der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe gegenüber dem jene beheimatenden Staat. Hierbei ist auch zu untersuchen, ob dritte Staaten beziehungsweise IGOs nicht nur moralisch, sondern auch völkerrechtlich verpflichtet sind, humanitäre Hilfe zu leisten. 242

a) Rechtspflichten der Staaten zur Gewährleistung humanitärer Hilfe Nach geltendem Völkerrecht besteht keine ausdrückliche Verpflichtung der Staaten, angebotene humanitäre Dienste anzunehmen und den entsprechenden Akteuren Hilfsoperationen im eigenen Land zu ermöglichen. Dies gilt sowohl für innere Unruhen243 als auch grundsätzlich für nicht-internationale Konflikte. Insbesondere der gemeinsame Art. 3 GK, der das Recht zum Angebot humanitärer

Vgl. u. 3. Kap. B. IV. 2. a), 214 ff. Vgl. u. 3. Kap. B. IV. 2. a) (2), 221/222. 242 Vgl. u. 3. Kap. B. IV. 2. b), 222 ff. 243 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 367, 380; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 56. 240 241

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

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Dienste regelt, begründet keine entsprechende Staatenverpflichtung. 244 In Betracht kommt daher nur die Herleitung einer entsprechenden Rechtspflicht aus sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Bei der Untersuchung dieser Frage ist allgemein die materielle Beschränkung der domestic jurisdiction bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen zu berücksichtigen. 245 Dies gilt im untersuchten Kontext vor allem für Fälle massiver inländischer Fluchtbewegungen oder Zwangsurnsiedlungen, die dem Staat direkt oder indirekt zuzurechnen sind.

(1) Menschenrechtliche und humanitärrechtliche Normen Da es an einer ausdrücklichen Staatenverpflichtung zur Zulassung humanitärer Hilfe fehlt, läßt sich das Bestehen einer entsprechenden Pflicht lediglich aus menschenrechtlichen sowie humanitärrechtlichen Normen ableiten. Hinzuweisen ist zudem auf verschiedene Rechtsquellen des soft law, die sich mit der Thematik der humanitären Hilfe allgemein oder speziell zugunsten der Internally Displaced Persons befassen.

(a) Menschenrechtliche Normen Da menschenrechtliche Normen generell nur im Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und dem ihm gewaltunterworfenen Individuum wirken 246 , stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang der Staat auch zur Vornahme schützender Handlungen verpflichtet ist, die angebotene internationale Unterstützung umfaßt. Schutzpflichten des Staates gegenüber den ihm gewaltunterworfenen Individuen könnten zum einen aus sämtlichen menschenrechtlichen Normen hergeleitet werden, die das Recht aufLeben schützen. 247 Deng weist zutreffend auf die Inter244 V gl. Beyerlin, Die humanitäre Aktion zur Gewährleistung des Mindeststandards in nicht-internationalen Konflikten, 91; Solj, GaJ.lnt'l & Comp.L. 13 (1983), 291, 297; Kooijmans, in: Essays in honour of Kalshoven, 225, 229; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 370; Goldman, in: Essays in honour of Buergenthal, 517,542; zum Initiativrecht vgl. auch 0.3. Kap. B. HI. 3. a), 188 ff. 245 V gl. hierzu näher o. 3. Kap. B. 11. 4., 174 ff. 246 V gl. speziell zur hier untersuchten Problematik, Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. H, 13, 17; Carrillo Salcedo, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. H, 97, 121. 247 Vgl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 64/65; Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol.lI, 13, 14/15; Carrillo Salcedo, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 97, 109; zu den Normen zum Schutz des Lebens im einzelnen vgl.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

pretation des Art. 6 IPbürg durch den VN-Menschenrechtsausschuß hin, wonach Staaten im Rahmen der Pflicht zum Schutz des Lebens auch gehalten sind, positive Schutzmaßnahmen zu treffen. 248 Wird humanitäre Hilfe durch die verantwortliche Regierung in Notstandssituationen bewußt zurückgehalten, verletzt sie dadurch anerkannte Menschenrechtsstandards zum Schutz des Lebens. 249 Bei Gefahren für Leib oder Leben der Internally Displaced Persons ist der Staat im Rahmen der Schutzpflicht darüber hinaus zur Annahme angebotener internationaler Hilfe verpflichtet, sofern der Staat diese nicht selbst zu leisten bereit oder in der Lage ist. 2so Die angebotene Unterstützung darf in entsprechenden Situationen zumindest nicht willkürlich abgelehnt werden. 251 Unter Umständen kann die Zurückhaltung internationaler Hilfe sogar Völkermord bedeuten. 2S2 Entsprechende Schutzpflichten des Staates werden weiterhin aus Art. 11 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 IPwirt hergeleitet, wonach jeder einzelne ein Recht auf einen angemessenen Lebensstandard hat. Zur Verwirklichung der damit

o. 2. Kap. B., 67 ff.; zur Theorie staatlicher Schutzpflichten zur Verhinderung des Verletzung des Rechts, nicht vertrieben zu werden, vgl. Achermann, 132/133 unter Bezug auf die Vetasquez Rodriguez v. Honduras-Entscheidung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 29. Juli 1988, deutsch in: EuGRZ 1989, 157. 248 UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 71, 363 m.w.N.; General Comment 6/16 des VN-Menschenrechtsausschusses vom 27. Juli 1982, UN HRIIGEN/1/Rev.2 vom 29. März 1996, para. 5; vgl. hierzu Nowak, U.N. Covenant, Art. 6, paras. 516 m.w.N., der darauf hinweist, daß sich Art. 6 Abs. 1 IPbürg nur an die Legislative richte, während nichtlegislative Maßnahmen durch andere Staatsgewalten aufgrund von Art. 2 Abs. 1 u. 2 IPbürg geboten seien. 249 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 71, 363. 2S0 Vgl. Plattner, IRRC 1992,567,573; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 64; einschränkend: Bettati, in. Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11,13,39, der keine Verpflichtung zur Annahme der angebotenen Hilfe, sondern, unter Bezug auf die Entscheidung des IGH in den North Sea Continental Shelf-Fällen (Denmark v. Federal Republic of Germany; Federal Republic of Germany v. Netherlands), ICJ Rep. 1969, 1, para. 85, eine Verpflichtung zur Aufnahme von bedeutsamen Verhandlungen ("meaningful negotiations") mit dem Ziel, eine Vereinbarung über humanitäre Hilfe zu erreichen, annimmt. m Vgl. Carrillo Salcedo, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 97,112; entsprechend auch: Schindler, Dietrich, zitiert nach: Carrillo Salcedo, 106. Vgl. auch Dinstein, in: Henkin (Hg.), 114, 116: 'The mere toleration ofmalnutrition by astate will not be regarded as a violation of the human right to life, whereas purposeful denial of access to food ... is a different matter."; Plender, URL 6 (1994), 345, 356, geht unter Bezugnahme auf eine Dissenting Opinion (Richter Read) im Nottebohm-Case (Liechtenstein v. Guatemala), ICJRep. 1955, 1,37/38, von einem möglichen abus de droit aus; kritisch hierzu: Ruddick, B.U.L.R. 77 (1997), 429, 468-473; vgl. auch u. 3. Kap. B. IV. 3. a), 226 ff. 2S2 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 102.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

217

verbundenen Rechte sind die Vertragsstaaten des IPwirt verpflichtet, unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten ("available resources") die erforderlichen Schritte zum Schutz des einzelnen zu unternehmen. 253 Der VN-Wirtschafts- und Sozialausschuß bezieht bei der Interpretation des Art. 2 Abs. 1 IPwirt die durch die Staatengemeinschaft im Rahmen internationaler Hilfe und Zusammenarbeit zur Verfügung gestellten Mittel in den Begriff der "available resources" der Staaten mit ein. 254 In Situationen, in denen die Existenzgrundlage der Internally Displaced Persons bedroht ist, sind die Vertrags staaten des IPwirt nach Ansicht Dengs verpflichtet, angebotene Hilfe zumindest nicht willkürlich abzulehnen. 255 "Angemessene" Angebote seien unter Umständen anzunehmen.256 In seinem Analytical Report weist der VN-Generalsekretär zudem auf den gegenüber Art. 2 Abs. 1 IPwirt noch deutlicheren Art. 4 der Kinderrechtskonvention hin. 2S7 Beide Normen verpflichteten zur internationalen Zusammenarbeit, um die durch die Ratifikation der Abkommen freiwillig vereinbarten Ziele zu erreichen. Die hohen Ratifikationszahlen beider Abkommen deuteten zudem auf das Entstehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Pflicht zur Zusammenarbeit hin. 258

V gl. auch Art. 27 der Kinderrechtskonvention. General Comment 3/5 des Wirtschafts- und Sozialausschusses der VN von 1990, UN HRIIGEN/I/Rev.2 vom 26. März 1996, para. 3; Art. 2 Abs. 1 des IPwirt lautet: Each State Party to the present Covenant undertakes to take steps, individually and through international assistance and co-operation, espedally economic and technical, to the maximum of its available resources, with a view to achieving progressively the full realization of the rights recognized in the present Covenant by all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures. 255 V gl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 364/365; wohl auch MacalisterSmith, International humanitarian assistance, 64/65; vgl. auch General Comment 3/5 des Wirtschafts- und Sozialausschusses, para. 10: AState Party ... must demonstrate that every effort has been made to use all resources that are at its disposition ... 256 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 365. 257 UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 100; Art. 4 der Kinderrechtskonvention lautet: States Parties shall undertake all appropriate legislative, administrative and other measures for the implementation of the rights recognized in the present Convention. With regard to economic, cultural and sodal rights, States Parties shall undertake such measures to the maximum extent of their available resources and, where needed, within the framework of international cooperation. 258 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 101; vgl. auch u. 3. Kap. B. IV. 2. a) (2), 221/222. 253

254

218

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

Die einschlägigen Resolutionen der VN-Generalversammlung259 betonen die primäre Verantwortlichkeit der Staaten, in denen sich Naturkatastrophen und andere Notfälle ereignen, sowie das Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Staaten zur Leistung humanitärer Hilfe durch externe Akteure. Demgegenüber deutet in den Resolutionen nichts auf eine Verpflichtung der Staaten hin, in bestimmten Ausnahmesituationen von außerhalb des Landes angebotene humanitäre Hilfe zuzulassen. Die im Anhang zu Resolution 46/182 abgedruckten "Guiding Principles" beschränken sich darauf, die Staaten dazu aufzurufen, die Arbeit internationaler Hilfsorganisationen zugunsten von bedürftigen Zivilpersonen zu erleichtern. 260 Demgegenüber normiert Grundsatz 25 Abs. 2 S. 3 der Guiding Principles on Internal Displacement eine Verpflichtung der Staaten, humanitäre Hilfe insbesondere dann nicht willkürlich abzulehnen, wenn sie selbst zur Leistung der Unterstützung nicht bereit oder in der Lage sind. 261 Grundsatz 25 Abs. 3 fordert darüber hinaus dazu auf, den Personen, die mit der gestatteten humanitären Hilfe befaßt sind, zügigen und ungehinderten Zugang zu den Internally Displaced Persons zu gewähren. 262

259 UN NRES/43/131 vom 8. Dezember 1988. para. 2; NRES/45/1 00 vom 14. Dezember 1990, para. 2; NRES/46/182, vom 19. Dezember 1991. In para. 4 der Resolution 46/ 182. UN NRES/46/182 vom 19. Dezember 1991. heißt es: Each State has the responsibility first and foremost to take care of the victims of natural disasters and other emergencies occurring on its territory. Hence the affected State has the primary role in the initiation. organization. coordination and implementation of humanitarian assistance within its territory. 260 Para. 6 der Resolution 46/182 lautet: States whose populations are in need of humanitarian assistance are called upon to facilitate the work of these organizations in implementing humanitarian assistance. in particular the supply of food. medicines. shelter and health care. for which access to victims is essential. Entsprechende Formulierungen finden sich in den Resolutionen der VN Generalversammlung 43/131. para. 6 und 45/100. para. 7. 261 Art. 25 Abs. 2 S. 3 der Guiding Principles on Intemal Displacement. s. Anhang I. lautet: Consent thereto shall not be arbitrarily withheld, particularly when authorities concemed are unable or unwilling to provide the required humanitarian assistance. 262 Grundsatz 25 Abs. 3 der Guiding Principles lautet: All authorities concerned shall grant and facilitate the free passage of humanitarian assistance and grant persons engaged in the provision of such assistance rapid and unimpeded access to the intemally displaced.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

219

(b) Humanitärrechtliche Normen Aus der Vorschrift des gemeinsamen Art. 3 GK läßt sich keine Verpflichtung der Staaten zur Zulassung angebotener internationaler humanitärer Hilfsaktionen herleiten. Allgemeine Schutzpflichten des Staates, die zur Zulassung humanitärer Hilfsaktionen verpflichten könnten, normiert das humanitäre Völkerrecht nicht. Immerhin normiert der gemeinsame Art. 3 Abs. 2 S. 1 GK einen "kategorischen Imperativ", der den Schutz von Verwundeten und Kranken zwingend vorsieht und keiner Beschränkung zugänglich ist. 263 Sofern eine Bürgerkriegssituation in den Anwendungsbereich des 11. Protokolls fällt, wird im Hinblick auf Art. 18 Abs. 2 eine differenzierte Auffassung vertreten. Die Norm beschränkt das prinzipiell bestehende staatliche Ermessen dahingehend, angebotene Hilfsoperationen nicht ohne erhebliche Gründe ("valid reasons") abzulehnen. 264 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 18 Abs. 2, der davon spricht, daß Hilfsoperationen " ... shall be undertaken subject to the consent of the High Contracting Party concerned".26s Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 (lebensbedrohliche Situation für die Zivilbevölkerung; der primär verantwortliche Staat kann lebensnotwendige Güter nicht bereitstellen; Angebot humanitärer Hilfe durch internationale humanitäre und unparteiische Organisation 266 ) besteht eine Verpflichtung des Staates, angebotene Hilfsleistungen anzunehmen und nicht willkürlich abzulehnen,z67 Zwingende militärische Gründe müssen als Ausnahmegrund anerkannt werden, wobei sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall ergeben könnten, da humanitäre und militäri-

263 Vgl. Pictet, Comrnentaire IV Convention de Geneve, 46; der gemeinsame Art. 3 Abs. 2 S. 1 GK lautet: The wounded and siek shall be collected and cared for. 264 V gl. BothelPartschiSolf, 696: 'The Party in question has no unfettered discretion to refuse the agreement, it may do so only for valid reasons not for arbitrary or capricious ones." 265 Hervorhebung durch den Verfasser; in der französischen Version heißt es: ... seront entreprises avec le consentement de la Haute Partie contractante concemee. 266 Vgl. Junod, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann (Hg.), paras. 4878-4882. 267 Vgl. Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91, 92/93; BothelPartschiSolf, 696; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 372; Junod, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4885; Plattner, IRRC 1992,567,573; Gasser, in: FS Schindler, 225, 239, der von dner völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtung ausgeht; a. A. Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 193/194; einschränkend auch: Meyer, IRRC 1987,485, 492/493, der von einer "presumption" einer beschränkten Entscheidungsfreiheit spricht; letztlich läge die Entscheidung aber beim betreffenden Staat.

220

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

sche Interessen gegeneinander abzuwägen sind. 268 Kein erheblicher Grund ist dagegen die Absicht, den Gegner durch den Entzug lebensnotwendiger Versorgungsgüter zu schwächen - eine Maßnahme, deren Auswirkungen stets auch die Zivilbevölkerung betrifft. Ennessensreduzierend sind auch hier die einschlägigen menschenrechtlichen Nonnen des IPbürg sowie des IPwirt zu berücksichtigen. 269 Im Zusammenhang mit dem Entzug lebensnotwendiger Versorgungsgüter gehen einige Autoren davon aus, daß die Verweigerung der Zulassung internationaler Hilfsoperationen einer Verletzung des Art. 14 des 11. Protokolls gleichkommen könne, der das Aushungern der Zivilbevölkerung verbietet. 27o Angesichts der insgesamt eher schwach ausgestalteten Nonnen des institutionellen Schutzes der Zivilbevölkerung erhalte der nicht einschränkbare Art. 14 des 11. Protokolls eine besondere Bedeutung. 271 An nichtverbindlichen Nonnen sind neben den bereits erwähnten Resolutionen der VN-Generalversammlung und den Guiding Principles on Internal Dispalcement vor allem die "Final Declaration" der Internationalen Konferenz zum Schutz von Kriegsopfern sowie die Resolution 11 der Ratstagung der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung von 1993 zu nennen. In der "Final Declaration" werden die Staaten aufgefordert, humanitären Organisationen Zugang zu den betroffenen Gebieten zu gewähren, um schnelle und effektive Hilfsoperationen zu gewährleisten. 272 Mit der genannten Resolution 11 werden Staaten und DeJacto-Staatsgewalten unmißverständlich an ihre Pflicht zur Zulassung internationaler humanitärer Hilfe erinnert, sofern sie selbst zu deren Gewährleistung nicht in der Lage sind. 273

Vgl. Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91, 95. Vgl. Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91, 94/95. 270 Vgl. Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmennann (Hg.), para. 4885; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 31; Plattner, in: Tavemier (Hg.), 83, 89; vgl. auch Meyer,IRRC 1987,485,492/493 u. allg. o. 2. Kap. B. III. 3. b), 83/84. 271 Vgl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 31. 212 Final Declaration, verabschiedet im Rahmen der "International Conference for the Protection of War Victims", IRRC 1993,377-381,11. para. 8. 273 Vgl. Resolution 11 1. lit. b), Resolutions of the Council of Delegates, IRRC 1993, 488-501,500. 268

269

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

221

(2) Völkerrechtliche Pflicht zur Zusammenarbeit Die völkerrechtliche Pflicht zur Zusammenarbeit kommt in der VN-Charta274 wie auch in anderen verbindlichen und nichtverbindlichen völkerrechtlichen Rechtsquellen zum Ausdruck, welche sich zum Teil unmittelbar mit der Problematik humanitärer Hilfe zugunsten der Zivilbevölkerung in Notstandssituationen befassen. 275 Über den genauen Inhalt der Verpflichtungen, die aus diesem allgemeinen Prinzip des Völkerrechts 276 folgen, besteht keine Klarheit. 277 Von Relevanz war das Prinzip bislang überwiegend bei der Diskussion über die Verpflichtung von industrialisierten Staaten als Geberländer im Rahmen internationaler Entwicklungszusammenarbeit. 278 In jüngerer Zeit wurde aus dem Prinzip auch die konkrete Verpflichtung zur gegenseitigen Information im Umweltvölkerrecht hergeleitet. 279 Beide Interpretationen des Rechts der Zusammenarbeit sind gleichsam Indizien für den Strukturwandel vom Völkerrecht der Koexistenz zum Völkerrecht der Zusammenarbeit. 280

Deng geht davon aus, daß die Pflicht zur Zusammenarbeit in bestimmten Situationen auch die Pflicht der Staaten umfassen könne, angebotene internationale Hilfe anzunehmen. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn der primär zur Gewährleistung der Menschenrechte verantwortliche Staat dazu nicht in der Lage ist. 281 Ansatzpunkte der Verpflichtung sind zum einen die nicht ausreichende Gewährleistung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Internally Displaced Art. 1 Abs. 3; 55 u. 56 VN-Charta. Friendly Relations Declaration, UN NRES/2526 vom 24. Oktober 1970, Principle 4; Art. 2 Abs. 1 IPwirt; Art. 4 Kinderrechtskonvention; Art. 22 AEMR; UN AlRES/43/131 vom 8. Dezember 1988, para. 1 der Präambel; UN NRES/45/l00 vom 14. Dezember 1990, para. 2 der Präambel; NRES/46/l82 vom 19. Dezember 1991, Abschn. I, para. 5; "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance", s. Anhang IV, para. 3 der Präambel; Art. 11 Abs. 2 und Art. 12 der ILA Draft Declaration on Internally Displaced Persons, s. Anhang 11. 276 Vgl. Macalister-Smith, ZaöRV 45 (1985), 25, 31 m.w.N.; ders., International humanitarian assistance, 56. 277 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, Endnote 461. 278 Vgl. General Comment 3/5 des UN ECOSOC von 1990, UN HRIIGEN/llRev.2 vom 26. März 1996, para. 14; Delbrück, in: DahmlDelbrückIWolfrum, 239/240; Wolfrum, in: Simma (Hg.), Art. 1, para. 21; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, Endnote 461; vgl. auch Andreassen, in: Eide!Alfredssonl MelanderlRehoflRosas (Hg.), 319, 345 m. w.N. 279 Vgl. Wolfrum, in: DahmlDelbrückIWolfrum, 448/449 m.w.N. 280 V gl. Kimminich, Humanitäres Völkerrecht - humanitäre Aktion, 66-72 m. w.N. 281 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 362; vgl. auch UN ECOSOC Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 101; zur Interpretation des Art. 56 VN-Charta vgl. Wolfrum, in: Simma (Hg.), Art. 56 para. 2. 274

27S

222

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Persons, zum anderen die Bewältigung humanitärer Krisen einschließlich des Schutzes der Menschenrechte. 282

b) Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe Ansprüche der Internally Displaced Persons gegenüber dem Heimatstaat können auf der Basis von grund- und menschenrechtlichen Normen schon wegen des primär abwehrrechtlichen Charakters jener Normen nur in engen Grenzen bestehen. Im Zusammenhang mit einem möglichen Recht auf humanitäre Hilfe zugunsten der Internally Displaced Persons ist zudem die grundlegende Konzeption der Völkerrechtssubjektivität zu beachten: Danach kommt dem einzelnen eine nur partielle Völkerrechts subjektivität zu. Nur in beschränktem Umfang ist er selbst Träger von Rechten und Pflichten. 283 Für Internally Displaced Persons sind zur Wiederherstellung des völkerrechtskonformen Zustandes nach der Vertreibung oder Zwangsumsiedlung in erster Linie das Recht auf Rückkehr sowie unter Umständen Wiedergutmachungsansprüche für erlittenes Unrecht von Bedeutung. 284 Daneben besteht bereits während akuter Notstandssituationen ein Anspruch des einzelnen auf Hilfe zur Gewährleistung des notwendigen Existenzminimums durch den Heimatstaat. Dieser Anspruch umfaßt je nach individuellen oder kollektiven Bedürfnissen28s Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung. 286 Hinzu kommt allgemein das Gebot des Schutzes des Lebens sowie der körperlichen Unversehrtheit. 287 Das Recht der Internally Displaced Persons, den Heimatstaat um die lebensnotwendige Hilfe und Schutz zu ersuchen und diese zu erhalten, ist Ausdruck der Anerkennung des

Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 362. Vgl. Domestici-Met, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 125, 134; Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 13, 18; Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 56. 284 Vgl. auch die Nachweise 0.2. Kap. E.III. 1., 132 ff.; Zu den in vieler Hinsicht vergleichbaren Ansprüchen von Flüchtlingen gegenüber dem Herkunftsstaat vgl. auch Achermann, 107-169 m.w.N. sowie näher u. 4. Kap. B. 11. 1. b), 272 ff. 285 Vgl. zu dieser Differenzierung Domestici-Met, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 125, 143-145. 286 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 97; zum "Recht auf Gesundheit" vgl. Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11,13,24125, m.w.N. 287 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 363; UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 97. 282 283

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

223

Rechts auf Leben und folglich aus den einschlägigen Menschenrechtsinstrumenten herzuleiten. 288 Die Konzeption eines Anspruchs der Internally Displaced Persons zur Leistung existenznotwendiger Unterstützung und Schutz wirft keine methodischen Bedenken auf, sofern der Heimatstaat ausschließlicher Adressat des Anspruchs ist. Die Problematik der Begründung eines Rechts der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe ergibt sich jedoch daraus, daß die aus dem Menschenrechtsschutz ableitbaren Ansprüche des einzelnen um ein weiteres strukturelles Element zu ergänzen wären. Dabei erscheinen methodisch zwei Wege gangbar: Zum einen könnte die aus dem Recht der Internally Displaced Persons folgende Pflicht der Staaten zur Gewährleistung humanitärer Hilfe darin bestehen, internationale Akteure zum Schutz der Internally Displaced Persons miteinzubeziehen. Zum anderen könnte sich der Anspruch der Internally Displaced Persons nicht nur gegen den eigenen Staat, sondern auch unmittelbar gegen internationale Akteure richten und damit über das klassische Rechts- und Pflichten verhältnis zwischen dem Staat und dem diesem gewaltunterworfenen Individuum hinausgehen. 289 Der erste Ansatz entspräche im Ergebnis der möglichen Erweiterung der Rechtspflichten der Staaten im oben ausgeführten Sinne. 290 Im Rahmen seiner Schutzpflichten gegenüber dem einzelnen müßte der Staat, sofern er dazu nicht gewillt oder inder Lage ist, auch angebotene externe humanitäre und unparteiische Hilfe auf seinem Staatsgebiet zulassen. Der zweite Ansatz würde hingegen zu einer grundlegenden Erweiterung der Rechtsposition des einzelnen führen. Denn er könnte seine Appelle, humanitäre Hilfe zu leisten, nicht nur an seinen Staat, sondern auch unmittelbar an dritte Staaten und IGOs sowie unter Umständen NGOs richten. Eine völkervertragliche Regelung, die ein Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe in einer der genannten Alternativen ausdrücklich anerkennt, besteht bislang nicht. 291 Auch Art. 5 Abs. llit. b) des H. Protokolls enthält keine entsprechende Anspruchsnorm. Geregelt wird lediglich eine Befugnis derjenigen Personen, denen die Freiheit entzogen wurde, Hilfsleistungen von außer-

288 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 363; vgl. auch UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, para. 97; Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. II, 13, 14/15; Domestici-Met, A.F.D.I. 1989, 117, 122. 289 UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, paras. 98/99; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 360, geht von einer Beschränkung des möglichen Anspruchs der Internally Displaced Persons auf die zweite Variante aus. 290 Vgl. o. 3. Kap. B. IV. 2. a), 214 ff. 291 Vgl. Domestici-Met, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. II, 125, 128 u. 134; Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 430.

224

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

halb des Landes zu empfangen, nicht jedoch ein entsprechender Anspruch. 292 Sandoz verweist darauf, daß die etwa 600 Artikel der Genfer Konventionen von 1949 sowie der Zusatzprotokolle von 1977 zumindest eine gewisse Basis zur Begründung eines solchen Rechts bieten. 293 Vereinzelt wird bereits das Bestehen eines (Menschen-)Rechts auf humanitäre Hilfe angenommen, welches auch gegenüber dritten Staaten wirkt. Als Rechtsgrundlage werden dabei menschenrechtliehe Normen zum Schutz des Lebens herangezogen. 294 Die ganz überwiegende Mehrheit der völkerrechtlichen Lehre ist jedoch bezüglich der Annahme eines solchen Rechts wesentlich zurückhaltender. 29S Gegen die Annahme eines solchen Rechts wird geltend gemacht, daß dem einzelnen nach der gegenwärtigen Völkerrechtsordnung Ansprüche nur gegenüber dem Staat zustünden, dessen Jurisdiktion er unterliege. 296 Nur diesen Staat (oder unter Umständen die verantwortliche Führung der aufständischen Verbände) könne der einzelne auf Leistung humanitärer Hilfe in Anspruch nehmen. Er könne den Staat aber weder verpflichten, humanitäre Hilfe von außerhalb des Landes zuzulassen297 , noch sich kraft eines Anspruchs unmittelbar an dritte humanitäre Akteure wenden, umjene zu verpflichten, humanitäre Hilfe - unter Umständen auch gegen den Widerstand des Heimatstaates - zu leisten. Im übrigen wäre eine mit dem Recht der Internally Displaced Persons korrespondierende Verpflichtung dritter Staaten und IGOs zur Leistung humanitärer Hilfe erforderlich, von der nach geltendem Völkerrecht eindeutig

292 Vgl. Junod, in: SandoziSwinarski/Zimmennann (Hg), paras. 457614577: "It is not a legal entitlement but a strictly humanitarian provision."; Pietet, Commentaire IV Convention de Geneve, 485 zu Art. 108 der IV. GK; vgl. auch Lopez, N.Y.U.L.Rev. 69 (1994), 916,935/936. 293 Vgl. Sandoz, IRRC 1992,215,226. 294 Die erste ausdrückliche Formulierung eines Rechts auf humanitäre Hilfe findet sich bei Bettati, in: ders.lKouehner (Hg.), 291/292. Bettati selbst steht der Konzeption eines solchen Rechts zumindest im Hinblick auf eine Staaten verpflichtung skeptisch gegenüber, vgl. Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 13, 16; zu den Befürwortern eines Rechts auf humanitäre Hilfe zählen Tehanile, in: Kalshoven, 395,406 und Vasak, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 165, 165/166. 295 Domestici-Met, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 125, 148, spricht von einem "caractere embryonnaire" des Rechts auf humanitäre Hilfe. 296 V gl. UN ECOSOC, Analytical Report of the Secretary-General, 1992, paras. 98-101; Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11,13,16117; Carrillo Saleedo, Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11.,97,121; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 380/381. 297 Dahingehend etwa der Vorschlag Sehindlers, zitiert nach Carrillo Saleedo, Anm. 296, 10611 07, nach dem die aus dem Recht des einzelnen auf humanitäre Hilfe folgende Pflicht des Staates auch die durch Dritte angebotene humanitäre Hilfe umfassen solle.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

225

nicht ausgegangen werden könne. 298 Der einzelne habe - auch wenn dies de lege ferenda wünschenswert sei - kein erga omnes wirkendes Recht auf humanitäre Hilfe, welches er auch gegenüber Völkerrechtssubjekten außerhalb des eigenen Staates geltend machen könne. 299 Demgegenüber wird ein Recht des einzelnen auf humanitäre Hilfe in einigen Grundsätzen des soft law befürwortet. Das International Institute of Humanitarian Law in San Remo formulierte ein Recht auf humanitäre Hilfe am klarsten. In den "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance" heißt es in Grundsatz 1: Every human being has the right to humanitarian assistance in order to ensure respect for the human rights to life, health, protection against cruel and degrading treatment and other human rights which are essential to survival, well-being and protection in public emergencies. 3OO

Grundsatz 2 lautet: The right to humanitarian assistance implies the right to request and to receive such assistance, as well as to participate in its practical implementation. Persons affected by an emergency may address themselves to competent national or international organizations and other potential donors to request humanitarian assistance. They shall not be persecuted or punished for making such arequest.

In Resolution 11 der Internationalen Ratstagung der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung von 1993 werden Staaten an das Recht der Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen erinnert, humanitäre Hilfe zu erhalten. 301 Auch Grundsatz 3 der Guiding Principles on Interna I Displacement formuliert ein Recht der Internally Displaced Persons, humanitäre Hilfe und Schutz einzufordern und zu erhalten. Adressat der Ansprüche sind jedoch ausschließlich jene 298 Vgl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 56; Jakovljevi6, IRRC 1987,469,472/473; Bettati, in Europäische Kommission (Hg.), Vol.lI, 13, 16; Carrillo Salcedo, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11,97, 101 u. 121; Domestici-Met, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 125, 145/146 geht von einer allenfalls moralischen Verpflichtung der Staaten aus, weist aber auch auf die mögliche Verpflichtung von NGOs als neue Völkerrechtssubjekte hin. An anderer Stelle nennt sie zudem Nachbarstaaten als mögliche Adressaten eines Transitrechts, A.F.D.1. 1989,117, 124/125. Vgl. auch Sandoz, IRRC 1992,215,219: "International humanitarian law establishes at least an obligation to remain vigilant. ... On the other hand, it would clearly be excessive to infer from this that there consequently exists a duty to intervene ... " 299 Vgl. Carrillo Salcedo, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 97, 121; vgl. hierzu auch Domestici-Met, A.F.D.1. 1989, 117, 124. 300 V gl. Anhang IV. 301 V gl. Resolution 11 1. lit. a), Resolutions of the Council of Delegates, IRRC 1993, 488-501,500. 15 Geißler

226

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

"national authorities", deren Jurisdiktion die Internally Displaced Persons unterstehen. 302

3. Würdigung

a) Rechtspflichten der Staaten Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargelegt, welche Ansätze zur Begründung einer Rechtspflicht der Staaten zur Zulassung angebotener externer humanitärer Hilfe im Rahmen innerer Unruhen oder nicht-internationaler Konflikte bestehen. Ausgangslage sind dabei jeweils Situationen, in denen die vorrangig verantwortliche Staatsgewalt (oder die De-facto-Autorität) zur Leistung des notwendigen Existenzminimums der Internally Displaced Persons nicht bereit oder in der Lage ist. Die Staatenpraxis läßt in diesem Kontext wenige verbindliche Schlußfolgerungen zu. Verweigerte ein Staat die - möglicherweise zwingend gebotene - Zustimmung zur Leistung humanitärer Hilfe und Schutz der in Not geratenen Zivilbevölkerung, griff die Staatengemeinschaft wiederholt zu durch den VN-Sicherheitsrat nach dem VII. Kapitel der VN-Charta autorisierten Gewaltmaßnahmen. Einschlägige Resolutionen der VN-Generalversarnmlung betonen aber generell die vorrangige Verantwortlichkeit der Staaten, in denen es zu Notstandssituationen kommt, die erforderliche humanitäre Hilfe zugunsten der Zivilbevölkerung zu leisten. Zudem werden Staaten aufgefordert, sobald ihre Kapazitäten in Notstandssituationen überfordert sind, Hilfsaktionen durch IGOs und NGOs zu erleichtern. Zwar läßt sich aus diesen Äußerungen der Staatengemeinschaft keine konkrete Verpflichtung einzelner Staaten zur Zulassung internationaler humanitärer Hilfe herleiten. Jedoch wird zumindest die zunehmende Bedeutung der subsidiär eingreifenden internationalen Hilfsaktionen deutlich, denen Staaten in Zukunft in angemessener Art und Weise Rechnung zu tragen haben. 3D3 Grundsatz 3 der Guiding Principles on Intemal Displacement, s. Anhang I, lautet: 1. National authorities have the primary duty and responsibility to provide protection and humanitarian assistance to internally displaced persons within their jurisdiction. 2. Internally displaced persons have the right to request and to receive protection and humanitarian assistance from these authorities. They shall not be persecuted or punished for making such arequest. 303 Zu weit gehen dürfte dagegen die Interpretation der Resolution der VN-Generalversammlung 43/131 vom 8. Dezember 1988 durch Torrelli, IRRe 1992, 228, 2381239, der davon ausgeht, daß die sekundäre Rolle internationaler Akteure automatisch greift - offen302

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

227

In nonnativer Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß insbesondere aus den menschenrechtlichen Normen zum Schutz des Lebens auch positive Schutzpflichten des Staates resultieren. Für die seiner personalen Hoheitsgewalt unterliegenden Personen ist danach in erster Linie der Staat zur Schaffung beziehungsweise zum Erhalt des Existenzminimums verantwortlich und damit auch zur Gewährleistung humanitärer Hilfe. Kann der Staat dieser Schutzpflicht nicht genügen, da staatliche Ressourcen erschöpft sind oder nicht zur Verfügung stehen, so läßt sich die These vertreten, daß angebotene externe humanitäre Hilfe zumindest nicht willkürlich abgelehnt werden darf. Der Staat muß gewichtige Gründe vorbringen, die die Ablehnung der angebotenen Hilfe rechtfertigen können. Die schlichte Behauptung, der für die Zivilbevölkerung bedrohlichen Situation ohne fremde Hilfe angemessen begegnen zu können, wird nicht genügen. Erhebliche Gründe sind insbesondere sicherheitspolitische Interessen. Das oftmals vorgebrachte Argument der "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" verfängt schon deshalb nicht, da jene Situationen, in denen humanitäre Hilfe angeboten wird, regelmäßig außerhalb des Bereichs der ausschließlichen Zuständigkeit der Staaten liegen. Dies gilt vor allem in den für diese Untersuchung relevanten Fällen massiver Menschenrechtsverletzungen sowie von Binnenflucht und -vertreibung in großem Ausmaß. Hinzu kommt, daß mit dem Angebot von strikt humanitärer Hilfe unter den genannten Voraussetzungen keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten verbunden ist. Im Rahmen seiner Schutzpflicht muß der Staat also alle ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen ausschöpfen, zu denen auch die von IGOs oder NGOs angebotene Hilfe zählt. Dritte Staaten können auf der Grundlage von außenpolitischen Vorgaben und Grundsätzen der technischen Zusammenarbeit gehalten sein, humanitäre Hilfe in Notstandssituationen anzubieten, auf die dann gegebenfalls zurückgegriffen werden muß. Die gleichen Anforderungen gelten im übrigen für jene Fälle, in denen ein Staat die zugunsten der Internally Displaced Persons notwendige humanitäre Hilfe bewußt zurückhält. 304 Aus humanitärrechtlichen Normen resultieren keine unmittelbaren positiven Schutzpflichten, die die Vertragsstaaten zur Annahme angebotener humanitärer Hilfe verpflichten. Auch aus der Verpflichtung zur Versorgung von Verwundeten und Kranken nach dem gemeinsamen Art. 3 Abs. 2 S. 1 GK kann aufgrund der engen Verknüpfung mit dem Initiativrecht in S. 2 desselben Absatzes keine Staabar auch ohne Zustimmung des Staates - falls dieser seiner primären Verpflichtung, humanitäre Hilfe zu leisten, nicht nachkommt; ähnlich auch Lewis, Geo.Immigr.L.J. 6 (1992), 693,719. 304 V gl. hierzu Grundsatz 25 Abs. 2 S. 3 der Guiding Principles on Intemal Displacement, s. Anhang I, und Art. 14 Abs. 1 der ILA-Draft Declaration on Intemally Displaced Persons, s. Anhang 11.

228

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

tenverpflichtung hergeleitet werden. Zu beachten ist jedoch, daß notstands feste menschenrechtliche Normen, zu denen auch der Schutz des Rechts auf Leben zählt, in Situationen bewaffneter Konflikte uneingeschränkt fortgelten. Insofern besteht auch in bewaffneten internen Konflikten auf der Grundlage menschenrechtlicher Normen die Pflicht, angebotene humanitäre Hilfe nicht willkürlich abzulehnen. Für den begrenzten Anwendungsbereich des ll. Protokolls wird im Hinblick auf Art. 18 Abs. 2 vertreten, daß eine prinzipielle Verpflichtung zur Zulassung humanitärer Hilfsaktionen besteht. Ein Staat, dessen Bevölkerung während eines nicht-internationalen Konfliktes lebensnotwendige Versorgungsgüter fehlen, ist gehalten, angebotene humanitäre Hilfsaktionen zu gestatten und nicht willkürlich abzulehnen. Nur aus erheblichen Gründen darf der Staat die Hilfe ablehnen. Der Wortlaut der Vorschrift ("shall be undertaken"; "seront entreprises") deutet unter den gegebenen Voraussetzungen auf eine entsprechende Verpflichtung der Staaten zur Erteilung der Zustimmung zu internationalen Hilfsaktionen hin. 305 Die systematische Interpretation der Norm sowie die Berücksichtigung der travaux preparatoires ergeben dagegen kein eindeutiges Bild zugunsten einer Staatenverpflichtung. 306 Ziel und Zweck der Norm entspricht es jedoch, der notleidenden Zivilbevölkerung in nicht-internationalen Konflikten einen höchstmöglichen Schutz zu gewährleisten. 301 Zu diesem Schutz zählen, sofern die zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel nicht ausreichen, auch angebotene internationale humanitäre Hilfsaktionen. Diese sollten daher zum Schutz der Zivilbevölkerung grundsätzlich zugelassen werden, es sei denn, überwiegende militärische Gründe sprechen aus Sicht des zur Zustimmung berufenen Staates dagegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob überwiegende militärische Gründe vorliegen, kann es im Einzelfall zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, die sich zu Lasten der Inter305 A. A. Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 193/194, der allerdings auch darauf hinweist, daß Art. 18 Abs. 2 des 11. Protokolls unterschiedlichen Auslegungen zugänglich ist, 195. 306 Im Hinblick auf die Systematik des 11. Protokolls ist auf die besondere Hervorhebung des Nichteinmischungsgebots in dessen Art. 3 sowie die Unterschiede zur entsprechenden Norm des I. Protokolls hinzuweisen. Zur Entstehungsgeschichte vgl. die Zusammenfassung der beratenden Verhandlungen bei Levie, 595-601, aus der sich keine eindeutigen Schlußfolgerungen ziehen lassen, vgl. etwa die unterschiedlichen Positionen Belgiens, der Bundesrepublik Deutschland sowie Kameruns, 600/601. 301 Paras. 3 und 4 der Präambel des 11. Protokolls lauten:

Emphasizing the need to ensure a better proteetion for the victims of those armed conflicts, Recalling that, in cases not covered by the law in force, the human person remains under the protection of the principles of humanity and the dictates of public conscience.

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

229

nally Displaced Persons auswirken können. Dies gilt vor allem für jene Grenzfälle, in denen sich ein Mangel lebensnotwendiger Versorgungsgüter und damit ein Anwendungsfall des "Subsidiaritätsprinzips"308 oder das Fehlen überwiegender militärischer Gründe 309 nicht eindeutig nachweisen lassen. Dessen ungeachtet folgt aus Art. 18 Abs. 2 des II. Protokolls eine Reduzierung des staatlichen Ermessens und damit eine bedingte Annahmeverpflichtung der Staaten. Für diese Interpretation spricht neben Ziel und Zweck der Norm auch die im Hinblick auf den internationalen Menschenrechtsschutz allgemein eingeschränkte Souveränität der Staaten. Es ist dagegen durchaus fraglich, ob sich aus der völkerrechtlichen Pflicht zur Zusammenarbeit in bestimmten Situationen eine Verpflichtung der Staaten zur Zulassung humanitärer Hilfe herleiten läßt. Die Normen, in denen das Recht der Kooperation zum Ausdruck kommt, entfalten allgemein eine vergleichsweise geringe "Verpflichtungskraft".310 Als Adressat eventueller Verpflichtungen aus dem Kooperationsprinzip sind zudem primär dritte Staaten und IGOs (sowie unter Umständen NGOs) zur Leistung humanitärer Hilfe in Notstandssituationen berufen. Untersucht man die Argumentation Dengs3\1, so wird deutlich, daß sein Begründungsansatz letztlich auch auf menschenrechtlichen Verpflichtungen der Staaten basiert und insofern wenig Neues enthält. Zur Erreichung eines besseren Schutzes der Internally Displaced Persons erscheint ein ergänzender Hinweis auf das Gebot der Zusammenarbeit zwischen den Staaten, IGOs und NGOs allerdings durchaus zweckdienlich. Unter den genannten Voraussetzungen kann zumindest de lege ferenda jede willkürliche Ablehnung internationaler Hilfe als völkerrechts widrig bewertet werden. Sofern Art. 18 Abs. 2 des II. Protokolls zur Anwendung kommt, folgt daraus unmittelbar das Verbot willkürlicher Ablehnung angebotener humanitärer Hilfsleistungen. Willkür scheidet dann aus, wenn der betroffene Staat erhebliche (militärische) Gründe zur Verweigerung der Zustimmung vorbringen kann, wobei sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen. Ob aus der Nichtzulassung humanitärer Hilfe im Rahmen von Konflikten im Sinne des 11. Protokolls zugleich eine Verletzung des Art. 14 folgt, ist im Einzelfall konkret nachzuweisen und kann nicht, wie dies vereinzelt vertreten wird, pauschal angenommen werden. Denn Art. 14 setzt 308 Vgl. Junod, in: SandozlSwinarski/Zimmermann (Hg.), para. 4881; Bettati, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. 11, 13,34/35. 309 Vgl. Bothe, in: Kalshoven (Hg.), 91,95. 310 Vgl. Wolfrum, in: Simma (Hg.), Art. 56, para. 2, der Art. 56 der VN-Charta Art. 25 gegenüberstellt; vgl. auch Goodwin-Gill, The refugee in internationa11aw, 291/292. 3\1 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 461.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

voraus. daß das Aushungern als Kampfmethode gezielt gegenüber Zivilpersonen eingesetzt wird. Wie bereits im Rahmen der Untersuchung des normativen Schutzes der Internally Displaced Persons festgestellt wurde312 • richten sich Maßnahmen des Aushungerns nur selten unmittelbar und ausschließlich gegen Zivilpersonen. Davon wäre allenfalls dann auszugehen. wenn der Staat die Leistung von an sich möglicher humanitärer Hilfe bewußt zurückhält. um damit indirekt auch den militärischen Gegner (moralisch) zu schwächen.

b) Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe Ein (Menschen-)Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe besteht primär gegenüber dem Staat. dessen Jurisdiktion sie aufgrund der personalen Hoheitsgewalt unterliegen. In Notstandslagen infolge innerer Unruhen oder bewaffneter Konflikte können Internally Displaced Persons also die für den Erhalt oder die Schaffung des Existenzminimums notwendigen Mittel vom Staat einfordern. Hält der Staat die durch ihn zu leisten mögliche humanitäre Unterstützung bewußt und gezielt zurück. so liegt darin regelmäßig eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte der betroffenen Personen. insbesondere des Rechts auf Leben und der körperlichen Unversehrtheit. Ist der Staat aufgrund der Notstandslage oder einer generellen Knappheit an Versorgungs gütern nicht zur Leistung oder Bereitstellung der erforderlichen Hilfsgüter in der Lage. können Internally Displaced Persons fordern. daß der Staat im Rahmen seiner Schutzpflichten auch angebotene internationale Hilfsaktionen zuläßt. Ausdruck der Schutzpflichten ist in entsprechenden Konstellationen die Pflicht der Staaten. angebotene externe Hilfe nicht willkürlich zurückzuhalten. Justitiabel dürfte das Recht auf humanitäre Hilfe in dieser Konstellation allerdings nicht sein. Hiergegen spricht vor allem. daß die externen Akteure humanitärer Hilfe. also Staaten. !GOs und NGOs. völkerrechtlich nicht verpflichtet sind. humanitäre Hilfe zu leisten. Für "new elements" in der Rechtsbeziehung zwischen Individuum und Staat gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. 313 Dies gilt auch in den denkbar gravierendsten Situationen. in denen aufgrund von bewaffneten Auseinandersetzungen und infolge von Massenflucht und Vertreibungen unzählige Vgl. o. 2. Kap. B. III. 3. b). 83/84. Vgl. UN ECOSOC. Analytical Report of the Secretary-General. 1992. para. 98: "Recognition of a right to humanitarian access as a human right would require introducing new elements into this relationship between the individual and the State •... by recognizing the individual as having rights which can be asserted against entities beyond the State ...... Hervorhebung durch den Verfasser. 312 313

B. Der Grundsatz der staatlichen Souveränität

231

Menschen an Unterernährung sterben. Hier besteht lediglich eine moralische Verpflichtung der humanitären Akteure, dem notleidenden Staat humanitäre Hilfe anzubieten. Ein entsprechendes (moralisches) Gebot dürfte zudem aus der völkerrechtlichen Pflicht zur Zusammenarbeit folgen, nach der Staaten gehalten sind, humanitäre Unterstützung im Rahmen ihrer Möglichkeiten anzubieten. 314 Aufgrund der fehlenden völkerrechtlichen Verpflichtung der Akteure zu humanitärer Hilfe steht den Internally Displaced Persons daher kein allgemeines Recht auf humanitäre Hilfe zu. Zwar können sie sich mit einem Gesuch um die Leistung humanitärer Hilfe an jene Akteure wenden. Mangels Verpflicbtungskraft eines solchen Gesuches bleibt dieses "Recht" auf humanitäre Hilfe aber weitgehend inhaltsleer.

c) Fazit Die Unterscheidung zwischen der Stellung des einzelnen als Begünstigter völkerrechtlicher Staatenverpflichtungen und dessen grundsätzlich fehlender Völkerrechtssubjektivität im Hinblick auf die Geltendmachung von durchsetzbaren Ansprüchen auf humanitäre Hilfe, wirkt sich zumindest rechts theoretisch nicht zu Lasten der Internally Displaced Persons aus. Denn die Pflichtenbeziehung zwischen dem Staat und den seiner Hoheitsgewalt unterliegenden Individuen umfaßt unter bestimmten Umständen auch die Pflicht des Staates, internationale Hilfsaktionen nicht willkürlich abzulehnen, oftmals also, sie zu gestatten. Dennoch sind weitere Entwicklungen des institutionellen Schutzes der internally displaced persons wünschenswert und angesichts der in der Staatenpraxis oftmals nicht gewährten Unterstützung der Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen auch dringend geboten. Obwohl sich Moral und Recht in beachtlichem Umfang decken, bedarf es häufig des Rückgriffs auf die ultima ratio - Zwangsmaßnahmen auf Grundlage des VII. Kapitels der VN-Charta -, um dem Schutz des einzelnen und der "rule of law" Geltung zu verschaffen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß der Einsatz von militärischen Zwangsmaßnahmen zur Erreichung humanitärer Ziele durchaus problematisch ist. Gefordert wäre vielmehr, um mit MacalisterSmith zu sprechen, ein (common) "sense ofresponsibility and obligation".315

314 Vgl. hierzu Art. 13 Abs. 1 der ILA-Draft Declaration on lntemally Displaced Persons, s. Anhang H. 315 Vgl. Macalister-Smith, ZaöRV 45 (1985),25,40.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

Zukünftige Rechtsinstrumente zum Schutz der Internally Displaced Persons sollten hervorheben, daß die primäre Verantwortlichkeit, humanitäre Hilfe zu leisten, bei den Staaten liegt. Zudem sollte betont werden, daß die Staaten angebotene internationale Hilfsaktionen nicht willkürlich ablehnen dürfen, sofern sie zu deren Leistung nicht selbst bereit oder in der Lage sind. Zugunsten der Internally Displaced Persons sollte das Recht bekräftigt werden, einzeln, gemeinsam oder durch befugte Vertreter humanitäre Hilfe unmittelbar von den potentiellen Akteuren einzufordern. 316 Dieses Recht sollte zum einen ergänzt werden durch die Formulierung einer Verpflichtung der Staaten, IGOs und NGOs, diesen Gesuchen angemessen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Rechnung zu tragen. Zum anderen sollten die Internally Displaced Persons für diese Gesuche nicht haftbar gemacht werden. Eine entsprechende Formulierung des soft law findet sich in Grundsatz 2 der "Guiding Principles on the right to humanitarian assistance" des International Institute of Humanitarian Law. 317 Es ist bedauerlich, daß dieser Aspekt im einschlägigen Grundsatz 3 Abs. 2 der Guiding Princip:es on Internal Displacement nicht berücksichtigt wurde: Das Gebot der Nichtverfolgung beschränkt sich dort auf die gegenüber nationalen "authorities" geäußerten Gesuche um humanitäre Hilfe.

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR Der UNHCR stellt heute innerhalb der VN und neben dem IKRK die wichtigste Organisation zum Schutz der Internally Displaced Persons dar. 318 Dies läßt sich in quantitativer Hinsicht an zwei Indikatoren ablesen: An den seit Mitte der 80er Jahre rapide gestiegenen Zahlen der Internally Displaced Persons, denen der UNHCR Schutz und Hilfe leistet, sowie an der erhöhten Anzahl der Länder, in denen der UNHCR tätig wurde und wird. Die darin zum Ausdruck kommende Sonderrolle des UNHCR im System der VN ist das Ergebnis einer langen Entwicklung des Mandats der Organisation. Denn vor dem Hintergrund eines zunächst ausschließlich "exilorientierten Ansatzes"319 war der UNHCR in den ersten Jahrzehnten nach seiner Gründung 1951 nicht zugunsten von Internally Displaced Persons tätig. Die Organisation beschränkte sich in ihren Aktivitäten vielmehr auf

316 Vgl. auch UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, para. 99, zur Position des UNHCR. 317 S. Anhang IV. 318 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 144. 319 Vgl. UNHCR, Report 1995/96,33.

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR

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den Schutz von Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, jener Flüchtlinge also, die sich außerhalb der Grenzen des eigenen (Aufenthalts-)Staates befanden. Dies entsprach formal dem durch die Satzung vorgegebenen Mandat des UNHCR. Schon wenige Jahre nach der Gründung kamen Aktivitäten zugunsten anderer externally displaced persons hinzu. Bereits hierbei reagierte der UNHCR durchaus anpassungsfähig auf humanitäre Herausforderungen durch politisch bedingte Migration. Seit 1972 wurde der UNHCR - bevollmächtigt durch die VN-Generalversammlung - dann schließlich auch zugunsten von Internally Displaced Persons tätig. Im folgenden soll die darin zum Ausdruck kommende flexible Handhabung des Mandats skizziert werden, die zur Entwicklung konkreter Einsatzkriterien im Hinblick auf Internally Displaced Persons geführt hat. Eine abschließende Bewertung der aus humanitärer Sicht bedeutsamen Frage, ob es dem UNHCR damit im Rahmen seiner personellen und materiellen Möglichkeiten gelungen ist, auf das Phänomen des internat disptacement angemessen zu reagieren, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht vorgenommen werden. 320

I. Struktur und "klassisches" Mandat der Organisation 1. Gründung und Struktur der Organisation Mit der Resolution 319 (IV) der VN-Generalversammlung zu "Refugees and stateless persons"321 beschlossen die VN, die Aufgaben des internationalen Flüchtlingsschutzes mit Wirkung vom 1. Januar 1951 einem noch zu schaffenden Amt eines Flüchtlingshochkomrnissars zu übertragen. Der eigentliche Gründungsakt des "United Nations High Comrnissioner for Refugees" erfolgte mit Verabschiedung der Resolution 428 (V) durch die VN-Generalversammlung. 322 Im Anhang der Resolution findet sich die Satzung des UNHCR, die dessen Aufgaben und Struktur beschreibt. Der UNHCR wurde faktisch zur Nachfolgeorganisation der erst 1946 gegründeten International Refugee Organization (lRO).323 Institutio-

320 V gl. hierzu etwa Kleine·Ahlbrandt, 26-31, zur Rolle des UNHCR beim Schutz der Internally Displaced Persons in Ruanda 1994 und 1995. 321 Vgl. UNIIID/OR-A (11) III a vorn 3. Dezember 1949, para. 1. 322 Statute of the Office of the United Nations High Cornrnissioner for Refugees, UN AlRES/428 (V) vorn 14. Dezember 1950, Annex. 323 Einen Teil der Funktionen der IRO übernahm zudem das Intergovernmental Cornrnittee for European Migration (ICEM), vgl. Seidl-HohenveldernlLoibl. Rn. 0612. Zu Entste-

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

nell wurde der UNHCR als Nebenorgan der VN-Generalversamrnlung im Sinne des Art. 22 VN-Charta eingesetzt. 324 Dementsprechend ist der UNHCR gemäß para. 3 der Satzung an Weisungen durch die VN-Generalversamrnlung und den ECOSOC gebunden. Auf dieser Grundlage haben beide Organe der VN in erheblichem Umfang zur Fortentwicldung des Mandats der Organisation beigetragen. Einen bedeutenden Einfluß auf die Aktivitäten des UNHCR haben zudem der VN-Generalsekretä2 25 und seit seiner Gründung im Jahr 1957 zudem das Executive Committee on the High Commissioner's Programme (EXCOM), in dem Vertreter aus 50 Staaten mit beratender Funktion tätig sind. 326 Sitz der Organisation ist Genf. In insgesamt 249 Büros in 122 Ländern waren Ende 1997 annähernd 6.000 Personen für den UNHCR tätig. 327

2. Die Hauptfunktionen des UNHCR, zugleich Kompetenzen ratione materiae Zu den satzungs gemäßen Hauptaufgaben des UNHCR zählen nach para. 1 der internationale Schutz der Flüchtlinge ("protection") sowie die Suche nach dauerhaften Lösungen des Flüchtlingsproblems ("durable solutions"). Der UNHCR soll in Ausübung seiner Tätigkeiten vollkommen unpolitisch, humanitär und sozial sein. 328 In para. 8 der Satzung werden exemplarisch einige Tätigkeiten genannt, mit denen der UNHCR zum Schutz der Flüchtlinge beitragen soll. Zu diesen zählen etwa die Förderung des Abschlusses und der Ratifizierung internationaler Abkommen zum Schutz der Flüchtlinge, die Koordinierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Flüchtlinge im Aufnahmeland, die allgemeine Förderung der Aufnahme von Flüchtlingen sowie der freiwilligen Rückkehr, jeweils in möglichst enger Zusammenarbeit mit den betreffenden Regierun-

hungsgeschichte und Konzeption der IRO vgl. Türk, 15-20 und allg. Holborn, The International Refugee Organization. 324 Zur - im Ergebnis wohl zu bejahenden - Frage, ob dem UNHCR eine (partielle) Völkerrechtssubjektivität im Sinne einer IGO zukommt, vgl. Türk, 113-118 m.w.N. 325 Vgl. Türk, 95-97. 326 Vgl. Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 9; zu den im EXCOM vertretenen Staaten, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland zählt, vgl. Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, Annex 6, 550. 327 V gl. UNHCR, Jahresrückblick 1997, in: UNHCR (Hg.), Flüchtlinge, Nr. 3/1997.31. 328 Vgl. para. 2 der Satzung.

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR

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gen sowie zwischenstaatlichen und privaten Organisationen. 329 Auf der Grundlage von Weisungen der VN-Generalversamrnlung muß sich der UNHCR auch mit zusätzlichen Tätigkeiten befassen, para. 9 der Satzung. Die freiwillige Rückkehr in den Heimatstaat sowie die Eingliederung in neue staatliche Gemeinschaften sind die beiden wichtigsten Methoden zur Erzielung dauerhafter Lösungen des Flüchtlingsproblerns. 330 Aufgrund der deutlich abnehmenden Bereitschaft vieler Zufluchtsstaaten, Flüchtlinge dauerhaft in den Staatsverbund zu integrieren33 !, stellt die freiwillige Repatriierung die bei weitem wichtigste Methode auf dem Weg zu "durable solutions" dar. Nach der Satzung des UNHCR zählt humanitäre Hilfe ("humanitarian assistance") selbst nicht explizit zu dessen Hauptaufgaben. 332 Die Hoffnung der Satzungsgeber, die Zeit großangelegter Hilfsoperationen sei nach dem Ende des 2. Weltkrieges vorbei, und der UNHCR könne sich, anders als noch die IRO, auf Rechtsschutzaktivitäten und die Unterstützung der Repatriierung beschränken, erfüllte sich jedoch nicht. 333 Vor allem die VN-Generalversamrnlung entwickelte in zahlreichen Resolutionen seit 1952 die assistance-Funktion des UNHCR. 334 Hierbei spielte auch der Einsatz des Instituts der good offices ein bedeutende Rolle. 335 Die Leistung humanitärer Hilfe zählt heute zu den festen Bestandteilen der Aufgaben des UNHCR, der sich damit eindeutig zu einer operationellen Organisation entwickelt hat.

3. Die" klassischen" Kompetenzen ratione personae Die personelle Zuständigkeit des UNHCR, die Kompetenz ratione personae, ist in para. 6 der Satzung klar definiert. Nach para. 6 A erstreckt sie sich zum einen auf sogenannte statuäre Flüchtlinge. Danach fallen all jene Personen in die Kompetenz des UNHCR, die nach der Satzung der IRO oder aufgrund früherer 329 Eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Rechtsschutzaktivitäten findet sich bei Türk, 139-169 m.w.N. 330 Vgl. von Glahn, 136-142. 331 Vgl. UNHCR, Report 1994, 114; UNHCR, Report 1997/98,278. 332 Vgl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 38; Türk, 190. 333 V gl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 39/40; KöfnerlNicolaus, 175/176 m.w.N. 334 Vgl. die Auflistung der Resolutionen der VN-Generalversamrnlung seit 1952 bei Türk, 191/192. m V gl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 41; näher zum Institut der good offices u. 3. Kap. C. IV., 248 ff.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Abkommen als Flüchtlinge gelten. Zum anderen sind nach para. 6 A jene Personen erfaßt, die aufgrund von Ereignissen vor dem 1. Januar 1951, also dem Datum des Tätigkeitsbeginns des UNHCR, zu Flüchtlingen im Sinne der GFK wurden. Die aus para. 6 A folgende Kompetenz des UNHCR ist heute praktisch obsolet. 336 Eine völkerrechtlich erheblich bedeutendere Kompetenzbeschreibung findet sich in para. 6 B. 337 Denn die Satzung des UNHCR enthielt mit para. 6 B als erstes völkerrechtliches Instrument eine nach allgemeinen Kriterien bestimmte und, anders als die Definition der GFK, zugleich zeitlich und geographisch unbegrenzte Flüchtlingsdefinition. Der zeitlich auf Ereignisse vor dem 1. Januar 1951 und geographisch auf Europa beschränkte Anwendungsbereich der GFK selbst wurde erst mit dem New Yorker Zusatzprotokoll vom 31. Januar 1967 aufgehoben. 338 Seither entsprechen sich die Flüchtlingsdefinition der GFK und die der Satzung des UNHCR weitgehend. Die Bedeutung der Definition des para. 6 der Satzung des UNHCR beschreibt Goodwin-Gill überzeugend: "The definition remains a critical point of departure in deterrnining who is entitled to the protection and assistance of the United Nations.,,339 Da sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimat- oder Aufenthaltsstaates befinden muß, um in die Zuständigkeit des UNHCR zu fallen, sind Internally Displaced Persons mangels Grenzüberschreitung nicht erfaßt. Das "klassische" Mandat des UNHCR erstreckte sich somit eindeutig nicht auf Internally Displaced Persons. Bei einer streng am Wortlaut der Satzung orientierten Interpretation der Zuständigkeit des UNHCR wären allerdings auch andere extern Vertriebene oder Flüchtlinge nicht erfaßt worden. Denn nicht immer ließen sich die beiden anderen Hauptkriterien der Flüchtlingsdefinition, das Vorliegen einer individuell begründeten Furcht vor Verfolgung oder das Fehlen staatlichen Schutzes, eindeutig nachweisen. Das Mandat des UNHCR wurde jedoch beim Auftreten humanitärer

Vgl. Maynard, ICLQ 31 (1982),415,417. Para. 6 B. lautet: Any other person who is outside the country ofhis nationality or, ifhe has no nationality, the country of his former habitual residence, because he has or had well-founded fear of persecution by reason of his race, religion, nationality or political opinion and is unable or, because of such fear, is unwilling to avail hirnself of the protection of the government ofhis nationality or, ifhe has no nationality, to return to the country ofhis former habitual residence. 338 V gl. das Gesetz zu dem Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. II 1969, 1293; vgl. auch KöfnerlNicolaus, 175 m.w.N. 339 Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 8. 336 337

C. Der Schutz der Intemally Displaced Persons durch den UNHCR

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Krisen seitens der VN-Generalversammlung nicht im strengen Wortsinn gehandhabt, sondern schrittweise auf andere Personengruppen erstreckt.

11. Die Entwicklung des Mandats Erweiterung der Kompetenzen ratione personae Angesichts gewaltiger humanitärer Herausforderungen an den internationalen Schutz von Flüchtlingen und Vertriebenen wurde die personelle Zuständigkeit des UNHCR seit 1956 kontinuierlich erweitert. Dabei lassen sich für den Zweck der Untersuchung zwei wesentliche Phasen unterscheiden. In einer ersten Phase, die 1956 begann, befaßte sich der UNHCR erstmals mit Flüchtlingen, die sich zwar außerhalb ihres Landes befanden, deren Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Satzung aber aufgrund des Massenexodus aus Kapazitätsgründen nicht festgestellt werden konnte oder bei denen diese Feststellung nicht opportun erschien. Auf die damit verbunde Erweiterung der Kompetenzen ratione personae kann nur in Kürze eingegangen werden. Die zweite und für den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons entscheidende Phase begann 1972 mit der Autorisierung des UNHCR durch den ECOSOC und später die VN-Generalversammlung, zugunsten von Vertriebenen und Flüchtlingen im Heimatstaat tätig zu werden.

1. 1956 - Die erste Phase: Prima-facie-Anerkennung von Flüchtlingen und good offices 1956 wurden die aus einer wörtlichen Interpretation der Satzung folgenden formalen Hindernisse für ein Tätigwerden des UNHCR erstmals überwunden. Anlaß dieses Vorgangs war die dem ungarischen Volksaufstand im Herbst 1956 folgende spontane Massenemigration von über 200.000 Ungarn, die überwiegend nach Österreich flohen. Das erhebliche Ausmaß des Flüchtlingsstroms machte eine nach der Satzungsbestimmung des para. 6 B an sich erforderliche individuelle Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zumindest vorübergehend unmöglich. Um den sich stellenden akuten humanitären Herausforderungen wirksam zu begegnen - die österreichische Regierung war zur Versorgung aller Flüchtlinge nicht in der Lage - forderte die VN-Generalversammlung den UNHCR auf, die humanitäre Hilfe zugunsten der ungarischen Flüchtlinge zu koordinieren. 34O Damit

340Vgl. UN NRES/lOO6 (ES-lI) vom 9. November 1956 und AlRES/1039 (XI) vom 23. Januar 1957.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

wurde die juristische und institutionelle Barriere der Mandatsbestimmung überwunden, die ein Tätigwerden des UNHCR im Prinzip verhindert hätte. Ausschlaggebend waren hierfür offenbar pragmatische und humanitäre Gründe. 341 Die darin zum Ausdruck kommende Prima-jacie-Anerkennung von Flüchtlingen wurde in der Folgezeit zunächst in den Fällen der Flüchtlinge des algerischen Bürgerkriegs in Marokko und Tunesien 342 sowie der angolanischen Flüchtlinge im Kongo, später auch in zahlreichen anderen afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern angewandt. Zur Darstellung der Erweiterung des Mandats ratione personae ist weiterhin der 1957 aufgetretene Fall der Flüchtlinge der Volksrepublik China in Hong-Kong von Interesse. Angesichts der seit 1949 faktischen Existenz zweier chinesischer Staaten erschien es in internationalen Gremien nicht opportun, von politischen Flüchtlingen im Sinne des Mandats des UNHCR zu sprechen. Problematisch war vor allem, daß mit der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus im Sinne des Mandats eine inzidente Anerkennung eines der chinesischen Staaten verbunden gewesen wäre. 343 Da humanitäre Hilfe dennoch auch in diesem Fall dringend geboten war, wurde in den VN nach Möglichkeiten gesucht, die in para. 6 B der Satzung formulierten Grenzen zu überwinden. Schließlich wurde der UNHCR durch Resolution 1167 (XII) vom 26. November 1957 der VN-Generalversarnmlung344 autorisiert, seine good offices anzubieten, um Hilfsleistungen zugunsten der chinesischen Flüchtlinge in Hong Kong zu fördern. Dies hatte zur Folge, daß der UNHCR im Rahmen der "guten Dienste" humanitäre Hilfe leisten konnte, ohne die Flüchtlinge als Mandatsflüchtlinge anerkennen zu müssen. 345 In den darauffolgenden Jahren ging die VN-Generalversarnmlung zunächst weiterhin von einer relativ strengen terminologischen Trennung von Mandatsflüchtlingen und solcher Flüchtlinge aus, denen "gute Dienste" gewährt wurden. So heißt es in der Resolution 1673 (XVI) von 1961, der UNHCR solle "his activiVgl. Aga Khan, RdC 1976 Bd. I, 287, 340/341; Köfner/Nicolaus, 176. Vgl. hierzu v. Glahn, 144/145. 343 Vgl. Holbom, Refugees: A problem of our time, 434-436 u. 676-692; v. Glahn, 146/147; Türk, 267 m.w.N. 344 UN AlRES/1167 (XII) vom 26. November 1957, para. 2 der Resolution lautet: [The General Assembly] ... authorizes the UNHCR to use his good offices to encourage arrangements for contributions. 345 Vgl. UN AlRES/1388 (XIV) vom 20. November 1959, para. 2 der Resolution lautet: [The General Assembly] Authorizes the High Commissioner, in respect of refugees who do not come within the competence ofthe United Nations, to use his good offices in the transmission of contributions designed to provide assistance to these refugees. Vgl. auch u. 3. Kap. C. IV., 248 ff. zur Bedeutung der good offices. 341

342

C. Der Schutz der Intemally Displaced Persons durch den UNHCR

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ties on behalf of refugees within his mandate or those to whom he extends his good offices" weiter verfolgen. 346 Wohlgemerkt wurden die letztgenannten Flüchtlinge weder durch eine Prima-facie-Anerkennung noch durch die Gewährung "guter Dienste" zu Flüchtlingen im Sinne des Mandats des UNHCR. Dies führte dazu, daß ihnen formell in erster Linie humanitäre Hilfe zukam, Rechtsschutzmaßnahmenjedoch nicht. 1965 hob die VN-Generalversammlung dann die Unterscheidung zwischen Mandatsflüchtlingen und jenen Flüchtlingen, denen der UNHCR seine "guten Dienste" zukommen läßt, vollständig auf. 347 Seit 1966 wurde allgemein von Flüchtlingen gesprochen, die "his concern" seien. 348 Hieraus läßt sich folgern, daß sich die personelle Kompetenz des UNHCR nicht nur auf Personen im Sinne des para. 6 der Satzung, sondern auch allgemein auf Gruppen und Kategorien von Flüchtlingen erstreckt, wie dies para. 2 der Satzung des UNHCR vorsieht. 349

2. 1972 - Beginn der zweiten Phase: Der UNHCR befaßt sich erstmals offiziell mit 1nternally Displaced Persons Im Jahr 1972 begann eine Entwicklung, die für den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons von erheblicher Bedeutung sein sollte. Auslöser dieser Entwicklung war die Beendigung des sudanesischen Bürgerkriegs durch den Friedensvertrag von Addis Abeba, die die Repatriierung der in die Nachbarländer des Sudan geflohenen Menschen ermöglichte. Schätzungsweise 500.000 Sudanesen waren jedoch zudem während des Bürgerkriegs innerhalb der Grenzen des Sudans geflohen und befanden sich noch außerhalb ihrer angestammten Siedlungsgebiete. Damit war offensichtlich, daß eine international unterstützte Rückführung der etwa 180.000 Flüchtlinge das Problem der sudanesischen Internally

346Vgl. UN AlRESIl673 (XVI) vom 18. Dezember 1961, para. 1; vgl. Melander, AWRBuH. 1971,195-199; Fang, BYIL 52 (1981), 53, 77; Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 340/341; v. Glahn, 149/150. 347 Vgl. UN AlRES/2039 (XX) vom 7. Dezember 1965. 348 Vgl. UN AlRES/2197 (XXI) vom 16. Dezember 1966; AlRES/2294 (XXII) vom 11. Dezember 1967; AlRES/2399 vom 6. Dezember 1968; Gaadwin-Gill, The refugee in internationallaw, 10; Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 3411342; Köjner/Nicalaus, 176 m.w.N; Fang, BYIL 52 (1982), 53, 78/79. 349 Para. 2 der Satzung lautet: The work of the High Commissioner ... shall relate, as a rule to groups and categories ofpersons. Vgl. auch Türk, 283.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

Displaced Persons berücksichtigen mußte, um Erfolg zu haben. 35O Mit den Resolutionen 1655 (LU) und 1705 (LIII) des ECOSOC wurde der UNHCR neben Regierungen und anderen Organisationen der VN aufgefordert, Rückkehrern und "displaced persons" die erforderliche Hilfe bei der freiwilligen Rückkehr, Rehabilitierung und Wiederansiedlung zu leisten. 351 Die VN-Generalversamrnlung bekräftigte noch im selben Jahr die genannten Resolutionen. 352 Die entsprechende Befugnis der VN-Generalversamrnlung folgt aus para. 3 sowie para. 9 der Satzung des UNHCR. 353 Der UNHCR wurde damit erstmals ermächtigt, nicht nur zugunsten zurückkehrender Flüchtlinge, sondern auch zugunsten von Internally Displaced Persons in deren Herkunftsstaat tätig zu werden. Damit war das Kriterium der nach der Satzung erforderlichen Grenzüberschreitung überwunden. Daß es sich dabei um eine vollkommen neue Form des operationellen Einsatzes des UNHCR mit potentiell weitreichenden Folgen handelte, läßt sich an der Aussage des damaligen Flüchtlingshochkommissars Aga Khans ablesen: Our task in the Sudan is a new one. As Uni ted Nations coordinators we are not only helping refugees but also displaced people inside the country. Now, we are not just bringing families to the borders, but we will look after them for some time when they are back horne. This is an important development and it gives us a chance to help people in a new and challenging way.354 Nach der Einschätzung Aga Khans bestand das Motiv dieser Erweiterung der Kompetenz ratione personae zunächst ausschließlich darin, eine Lösung des sudanesischen Flüchtlingsproblems zu erreichen. Die Erweiterung zielte jedoch nicht darauf ab, die Zuständigkeit des UNHCR generell zu erweitern. 355 Seit Verabschiedung der Resolution 3454 (XXX) von 1975 durch die VN-Generalversammlung kann jedoch von einer allgemeinen Erweiterung der personellen Zuständig350 Vgl. Holborn, Refugees: A problem of ourtime, 1352 u. 1329-1370; zur (damaligen) Gesamtflüchtlingsproblematik des Sudan. m Vgl. UN ESClRESI1655 (LII) vom 1. Juni 1972, Assistance in the relief, rehabilitation and resettlement of Sudanese refugees; UN ESCIRES/1705 (UII) vom 27. Juli 1972, Assistance to southem Sudanese refugees retuming from abroad, para. 1 der Resolution 1705 lautet: [The Econornic and Social Council] Urges Govemments, the United Nations High Cornrnissioner for Refugees ... to provide the assistance required for the voluntary repatriation, rehabilitation and resettlement of the refugees retuming from abroad, as well as of persons displaced within the country. 352 Vgl. UN AlRES12958 (XXVII) vom 12. Dezember 1972. 353 Vgl. Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 2141215. 354 UNHCR, Bulletin No. 1, 1972. 355 Vgl. Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 342.

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR

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keit des UNHCR ausgegangen werden. In der Präambel zur Resolution werden die humanitären Tätigkeiten des UNHCR zugunsten von Flüchtlingen und displaced persons in allgemeiner Form bekräftigt.356 Damit wurde die personelle Kompetenz des UNHCR grundsätzlich um Internally Displaced Persons erweitert. Ursachen dieser prinzipiellen Erweiterung der Zuständigkeit waren offenbar die faktischen Umstände der Flüchtlingsprobleme, die einen Einsatz des UNHCR jeweils erforderlich machten. 357 Eine "reguläre" Kompetenz des UNHCR zugunsten von Internally Displaced Persons läßt sich hieraus jedoch nicht schließen, denn sie fallen nicht unter die maßgeblichen Mandatsbestimmungen. 358 Dessenungeachtet wurde der UNHCR auf dieser Grundlage in der Zeit nach 1972 in zahlreichen Ländern auch zugunsten von Internally Displaced Persons tätig. Im Zeitraum bis 1982 lassen sich vor allem folgende Fälle nennen: Zypern (seit 1974); Angola, Guinea-Bissau und Mozarnbique (1974); Laos und Vietnam (1975); Äthiopien (1979); Uganda (1979); Zimbabwe (1980); Tschad (1981) und der Libanon (1982).359 Die Vielzahl der Einsätze entsprach der in der Resolution 34/60 vom 29. November 1979 formulierten Aufforderung der VN-Generalversammlung an den UNHCR, "to continue to promote ... solutions to refugees and displaced persons wherever they occur. ,,360 Der darin zum Ausdruck kommende faktische Kompetenzwandel wurde auch von den Staaten unterstützt, was sich aus den Resolutionen der VN-Generalversammlung der Folgejahre schließen läßt. 361

356 UN AJRes/3454 (XXX) vorn 9. November 1975; zur Interpretation der Resolution vgl. Fong, BYIL 52 (1981), 53, 80-82. m Vgl. Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 342. 358 Vgl. Türk, 289; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 144. 359 Vgl. die Übersicht, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996,6 sowie speziell zu Angola und Zypern, UNHCR's operational experience with internally displaced persons; 37-39 (Angola); 56-58 (Zypern). In Zypern wurden arn 1. Januar 1997 noch ca. 265.000 Internally Displaced Persons durch den UNHCR betreut, vgl. UNHCR, Jahresrückblick 1997, in: UNHCR (Hg.), Aüchtlinge Nr. 3/1997, 30. 360 UN AJRES/34/60 vorn 29. November 1979, para.!. 361 Vgl. die Resolutionen der VN-Generalversarnmlung, AJRES/31/35 vorn 30. November 1976; AJRES/32167 vorn 8. Dezember 1977; AJRES/33/26 vorn 29. November 1978; AJRES/34/60 vorn 29. November 1979; AJRES/35/41 vorn 25. November 1980; AJRES/36/ 125 vorn 14. Dezember 1981; AJRES/37/195 u. AJRES/371196 jeweils vorn 18. Dezember 1982; AJRES/38/121 vorn 16. Dezember 1983; AJRES/391105 u. Al391140 jeweils vorn 14. Dezember 1984; AJRES/401118 vorn 13. Dezember 1985; AJRES/41/124 vorn 4. Dezember 1986; AJRES/421108 vorn 7. Dezember 1987; AJRES/431117 vorn 8. Dezember 1988; AJRES/44/137 vorn 15. Dezember 1989; AJRES/451140 vorn 14. Dezember 1990; AJRES/ 46/106 vorn 16. Dezember 1991; AJRES/47/105 vorn 16. Dezember 1992; AJRES/481116 16

Geißler

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Die Beendigung der Ost-West-Konfrontation und die dadurch bedingte Zunahme nicht-internationaler Konflikte führte jedoch gegen Ende der achtziger Jahre weltweit zu einem drastischen Anstieg der absoluten Zahlen der Internally Displaced Persons. Die praktische Umsetzung der seit 1972 bestehenden prinzipiellen Zuständigkeit des UNHCR im Hinblick auf alle internally displaced persons hätte die Kapazitäten der Organisation deutlich überfordert. Allein in der Zeit von 1990 bis 1996 wurde der UNHCR in dreizehn verschiedenen Staaten tätig, wobei einige der Operationen noch heute andauern. Es handelt sich dabei um folgende Staaten362 : Nicaragua (1990); Sri Lanka (seit 1990, 200.000); Irak (1991); Ehemaliges Jugoslawien (seit 1991, 800.000); Afghanistan (seit 1992, 310.000); Aserbaidschan und Armenien (seit 1992, 549.000); Liberia (seit 1991, 971.000); EI Salvador (1992); Sierra Leone (seit 1992, 1.500.000); Angola (1993); Georgien (seit 1993,280.000); Ruanda (seit 1993); Tadschikistan (1993), Burundi (seit 1994, 216.000) und die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, GUS, (seit 1995, 180.000).363 Trotz dieses beachtlichen Umfangs der Einsätze, wurde der UNHCR damit bei weitem noch nicht in allen Ländern aktiv, in denen sich Internally Displaced Persons befanden. Selbst in den Ländern, in denen er tätig wurde, befaßte er sich nicht mit allen Internally Displaced Persons. Sollten die operationellen Möglichkeiten der Organisation nicht maßlos überfordert werden, war es zwingend erfoderlich, konkrete Kriterien zu entwickeln, auf deren Grundlage der UNHCR neben Flüchtlingen auch für Internally Displaced Persons tätig werden konnte. 364

vom 20. Dezember 1993; AlRES/49/169 vom 23. Dezember 1994; AlRES/50/152 vom 21. Dezember 1995; A/RES/51175 vom 12. Dezember 1996; A/RES/52/103 vom 12. Dezember 1997; vgl. auch Hull, Ga.J.Int'l & Comp.L. 13 (1983),795,7681789; Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 14/15; Nanda, in: Williamette L.Rev. 28 (1992),791,802. 362 Die Ziffern hinter den Jahreszahlen geben die Zahl der durch den UNHCR am 1. Januar 1997 betreuten Internally Displaced Persons wieder; die Zahl deckt sich in der Regel nicht mit der Gesamtzahl der Internally Displaced Persons in diesen Ländern, vgl. UNHCR, Jahresrückblick 1997, in: UNHCR (Hg.), Flüchtlinge Nr. 3/1997, 30. 363 Vgl. UNHCR, The internally displaced, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996,6 und UNHCR' s operational experience with internally displaced persons, zu allen genannten Einsätzen. 364 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, paras. 147/148.

C. Der Schutz der Intemally Displaced Persons durch den UNHCR

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IH. Der neuen Herausforderung begegnen: Die Entwicklung konkreter Einsatzkriterien zum Schutz der Internally Displaced Persons Die Entwicklung möglichst konkreter Einsatzkriterien im Hinblick auf internally displaced persons war also in erster Linie aufgrund der gestiegenen quantitativen Anforderungen an den UNHCR geboten. Denn an den durch den Souveränitätsgrundsatz bedingten rechtlichen Rahmenbedingungen eines Einsatzes des UNHCR im Heimatland der Internally Displaced Persons hatte sich seit 1972 nichts Wesentliches geändert. Die Ausarbeitung von Einsatzkriterien war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, die zum einen eher methodischer Natur waren und zum anderen mit dem Mandat und dem Selbstverständnis des UNHCR zusammenhingen.

1. Methodisch-praktische Schwierigkeiten In methodischer Hinsicht war zu beachten, daß das Phänomen des internal displacement in einer Vielzahl von Konflikt- und Fluchtsituationen auftreten kann. In einer Studie des UNHCR wird der Versuch unternommen, zwischen Konflikt- und Fluchtphasen zu unterscheiden, in denen internal displacement auftritt. Genannt werden drei Konfliktphasen (Pre-conflict; During conflict; Postconflict) und fünf Fluchtphasen (Prevention; Flight; Preparation for return; Return; Post-return).365 Eines der wesentlichen Ergebnisse der Studie besteht darin, daß sich trotz der Anwendung des Schemas auf die analysierten Fälle nur sehr bedingt verallgemeinerbare Schlußfolgerungen ziehen lassen. 366 Bei der Formulierung von konkreten Einsatzkriterien mußte diese Erkenntnis (vorausschauend367 ) berücksichtigt werden, damit die Kriterien auch für die Praxis von Relevanz sein konnten.

3M Vgl. UNHCR, UNHCR's operational experience with intemally displaced persons, 18-20. 366 Vgl. UNHCR, UNHCR's operational experience with intemally displaced persons, 73. 367 Die Abfassung der Studie selbst liegt zeitlich ca. eineinhalb Jahre nach der ersten Formulierung von Einsatzkriterien durch den UNHCR im Jahr 1993, vgl. u. 246.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

2. Schwierigkeiten im Hinblick auf Mandat und Selbstverständnis des UNHCR

a) Der Zusammenhang zwischen internal displacement und Flüchtlingsproblemen Ein Aspekt, der generell zu beachten war und eng mit dem aus der Satzung folgenden Mandat und Selbstverständnis des UNHCR zusammenhängt, war darin zu sehen, daß sich der UNHCR in erster Linie als Flüchtlingshilfsorganisation versteht. Dementsprechend ist er gehalten, seine Aufmerksamkeit in operativer Hinsicht primär den Flüchtlingen zu widmen, die sich außerhalb des eigenen Landes befinden. Ein Einsatz zugunsten der Internally Displaced Persons sollte daher in der Regel mit dem institutionellen Schutz von Flüchtlingen im Sinne des Mandats und anderen De-facto-Flüchtlingen eng zusammenhängen. Dieser Zusammenhang, häufig wird von einem "mix-factor" oder einem "direct link" gesprochen, kann sich aufgrund geographischer oder personeller Überschneidungen ergeben. 368 Das Vorliegen eines entsprechenden Zusammenhangs mit "klassischen" Flüchtlingsfragen ist dabei stets situationsabhängig und kann nicht immer gegeben sein. Da der UNHCR - wenngleich in seltenen Fällen - auch ausschließlich zugunsten von Internally Displaced Persons in einzelnen Ländern tätig wurde 369, waren die Einsatzkriterien entsprechend weit zu fassen, um vergleichbare Einsätze in Zukunft nicht auszuschließen.

b) Die Gefahr für das Institut des Asyls Ein weiteres gravierendes Problem, das ebenfalls eng mit dem Selbstverständnis der Organisation zusammenhängt, ist darin zu sehen, daß mit dem Einsatz im Herkunftsstaat der Internally Displaced Persons implizit anerkannt werden könnte, daß im konkreten Zusammenhang kein Zugang zum Asyl besteht, also eine Flucht ins Ausland unmöglich ist. Hintergrund dieser Besorgnis des UNHCR ist die bereits angesprochene Tendenz vieler potentieller Zufluchtstaaten, den Zugang zum Asyl oder anderer Formen des temporären Rechtsschutzes zu Lasten der Flücht368 Vgl. UNHCR, Protection aspects of UNHCR activities on behalf of internally displaced persons, 1994, para. 15; dies folgt auch aus den Ergebnissen der Analyse der Praxis, vgl. UNHCR, UNHCR's operational experience with intemally displaced persons, 73174; Kourula, 186-189; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 144. 369 Etwa in Zypern und Aserbaidschan, vgl. UNHCR, UNHCR's operational experience with internally displaced persons, 23/24, 56/57 u. 73.

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR

245

linge stark zu beschneiden. 370 Mit dem Einsatz zugunsten der Internally Displaced Persons dürfte also weder eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit noch eine Aushöhlung des Instituts des Asyls verbunden sein. 371 Anderfalls würde man zur Förderung der genannten Abschottungstendenz beitragen, was nicht im Interesse einer Flüchtlingshilfsorganisation liegen kann und deren Selbstverständnis widerspräche. Sowohl die Guiding Principles on Internal Displacement als auch die ILA-DraJt Declaration on Internally Displaced Persons tragen diesem Punkt ausdrücklich Rechnung, indem sie darauf hinweisen, daß die Anwendung der jeweiligen Grundsätze das Recht, im Ausland Asyl zu suchen, nicht beeinträchtigen darf. 372

3. Die Formulierung konkreter Kriterien

a) Die Vorarbeiten des EXCOM Der Prozeß der Ausarbeitung konkreter Einsatzkriterien verlief zunächst im Rahmen des EXCOM sowie des UNHCR selbst. 373 Erste konkrete "baseline criteria" für den Einsatz des UNHCR zugunsten von Internally Displaced Persons entwarf das EXCOM in einer "Note on International Proteetion" vom 25. August 1992. Da diese "baseline criteria" die Grundlage für weitere Entwicklungen der Einsatzkriterien bilden, sollen sie im Wortlaut aufgeführt werden: UNHCR' s participation in a context of internal displacement should only be considered by the Office where baseline criteria are met. Prior to initiating or accepting arequest for illvolvement, UNHCR should ascertain that: the option of asylum remains open; the Office is given full access, security and other conditions which allow it to operate; the situation calls for UNHCR's particular expertise; and the Office's involvement is based 370 Vgl. UN GA, EXCOM, Notes on international proteetion, UN AlAC.96/863 vom 1. Juli 1996, para. 2 u. AlAC.96/882 vom 2. Juli 1997, para. 14; UNHCR, Report 1995/96, 59/60; UNHCR, Report 1997/98, 134. 371 Vgl. UNHCR, Report 1995/96, 59/60; UNECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 148. Vgl. auch u. 4. Kap. C. 11.2. d), 288/289. 372 V gl. Grundsatz 2 Abs. 2 der Guiding Principles on Internal Displacement, Anhang I, und Art. 17 der ILA-Draft Declaration, Anhang 11; vgl. auch Hathaway, JRS 8 (1995), 288,291-294, der sich sehr kritisch zur "in-country protection" des UNHCR im ehemaligen Jugoslawien auf Kosten des Instituts des Asyls äußert sowie CoheniCuenod, in: Cohenl Deng (Hg.), 130. 373 V gl. etwa die internen Evaluierungspapiere: UNHCR and the internally displaced persons vom 27. November 1991, UNHCR/600/Gen und UNHCR's role in protecting and assisting internally displaced people von November 1993, UNHCR EV ALlIDPIl3/2, Hervorhebung durch den Verfasser.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

on the consent of all parties involved, and enjoys the political support of the international community. Adequate special funds would also have to be available. 374

b) Das Memorandum 33/93 des UNHCR Der UNHCR formulierte am 28. April 1993 eigene konkrete Einsatzkriterien. Er bezog sich dabei auf die Resolution 471105 der VN-Generalversammlung, die die Tätigkeiten des UNHCR zugunsten der Internally Displaced Persons erneut in allgemeiner Form und unter teilweiser Einbeziehung der Kriterien des EXCOM begrüßte. In einem Memorandum für alle Büros des UNHCR werden die genannten Kriterien in Form von ,juristischen und praktischen Parametern" zusammengefaßt. 375 Die wesentlichen Einsatzkriterien lassen sich wie folgt wiedergeben: Vor dem Tätigwerden soll eine Aufforderung seitens eines dazu befugten Organs der VN vorliegen, also etwa des VN-Generalsekretärs, der VN-Generalversammlung oder des ECOSOC. Die Tätigkeit soll eine "natürliche Erweiterung" des allgemeinen Mandats des UNHCR bilden und setzt die für einen Einsatz zugunsten der Internally Displaced Persons relevanten Kenntnisse voraus. Weiterhin sollen der betroffene Staat oder andere entscheidende Einheiten376 einer Tätigkeit des UNHCR zustimmen. Zudem sollen die Tätigkeiten durch die verfügbaren Ressourcen zu bewältigen sein. 377 Im Hinblick auf die konkreten faktischen Situationen, in denen ein Einsatz des UNHCR zugunsten von Internally Displaced Persons sinnvoll erscheint, unterscheidet der UNHCR in dem Memorandum zwei Typen: zum einen solche Situationen, in denen eine klare Verbindung ("clear link") zu Tätigkeiten besteht, die

374 EXCOM, Note on International Protection, UN AJAC.961799 vom 25. August 1992, para. 33. 375 Vgl. UNHCR/IOM/33/93, UNHCRlFOM/33/93 vom 28. April 1993, UNHCR's Role with Internally Displaced Persons, para. 3; abgedruckt in: UNHCR, UNHCR's operational experience with internally displaced persons, Annex I. 376 V gl. hierzu Goodwin-Gill, The refugee in international1aw, 266, der auf die Parallelen zu den Vorschriften des 11. Protokolls verweist. 377 Para. 7lit. (a)-(d); vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Report, 1994, paras. 30-32; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, 144; Interessanterweise werden die meisten der genannten Kriterien bereits 1976 von Aga Khan genannt, RdC 1976 Vol. I, 287, 347/348, der unter anderem auf die vergleichbare Situation der Begünstigten von Hilfsprogrammen hinweist ("the beneficiaries of the assistance programme must be in a situation analogous to that of refugees."). Aga Khan beschränkt den Einsatz in materieller Hinsicht jedoch eindeutig auf humanitäre Hilfe, eine Position, die vom UNHCR heute nicht mehr vertreten wird.

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR

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zur Erfüllung des Mandats geleistet werden. Zum anderen jene Fälle, in denen keine Verbindung zum eigentlichen Mandat besteht. Zu den erstgenannten Situationen zählen alle Fälle, in denen sich Internally Displaced Persons mit Rückkehrern vermischen oder vermischen könnten sowie solche Fälle, in denen die gleichen Ursachen zu internal displacement und Flucht geführt haben oder ein Risiko VOn grenzüberschreitenden Flüchtlingsströrnen besteht. 378 Bei den letztgenannten Situationen ist ein Einsatz des UNHCR möglich, der sich ausschließlich mit Internally Displaced Persons befaßt und damit an sich nicht unter das Mandat des UNHCR fällt. Ein solcher Einsatz ist in Situationen erwägenswert, in denen die humanitäre Aktion des UNHCR zur Verminderung der Ursachen des internal displacement oder zur KonfIiktIösung beitragen könnte. In diesen Fällen würde es sich normalerweise um einen Einsatz des UNHCR handeln, der in Ergänzung zu einem generellen Einsatz der VN stattfindet. 379 An grundlegenden Prinzipien für einen Einsatz zugunsten der Internally Displaced Persons werden die Nichtbeschränkung des Zugangs zum Asyl, der ungehinderte Zugang zur betroffenen Bevölkerung sowie der unpolitische und humanitäre Charakter des Einsatzes des UNHCR genannt. 380 Diese Kriterien und Prinzipien wurden in der Folgezeit sowohl durch das EXCOM 381 als auch die VN-GeneraIversanunlung382 wiederholt bekräftigt. Sie bilden demnach organintern die verbindliche Einsatzgrundlage des UNHCR im Hinblick auf Internally Displaced Persons.383 Es ist wichtig zu betonen, daß sich aus dieser faktischen Erweiterung des Mandats keinerlei Rechtsansprüche auf ein Tätigwerden des UNHCR ableiten lassen. 384 Para. 8 lit. (a), (i) u. (ii). Para. 8 lit. (b). 380 Para. 10 lit. (a)-(c). 381 Vgl. EXCOM General Conclusion No. 68 (XLIII) 1992, UN NAC.96/804, vom 15. Oktober 1992, para. 21 (q); General Conclusion No. 71 (XLIV) 1993, UN N48/12/Add.l, para. s; Note on International Protection, NAC.96/815, paras. 44-50; EXCOM Report of the Sub-Committee ofthe whole on international protection, NAC.96/819, paras. 18-20; Protection aspects of UNHCR activities on behalf of internally displaced persons, EC/ 1994/SCP/CRP vom 4. Mai 1994 und EXCOM Conclusion on internally displaced persons No. 75 (XLV) 1994, UN N49/12/Add. 1, para. 20. 382 Vgl. UN NRES/47/105 vom 16. Dezember 1992; NRES/48/116 vom 20. Dezember 1993; NRES/49/169 vom 23. Dezember 1994; AlRES/50/152 vom 21. Dezember 1995. 383 Vgl. Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 266/267. 384 Vgl. O. 3. Kap. B. IV. 2. b), 222 ff. zum Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe; vgl. auch Köjner/Nicolaus, 178. 378

379

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

IV. Exkurs: Die Bedeutung des Instituts der good offices für den Schutz der Intemally Displaced Persons durch den UNHeR 1. Das Institut der good offices im allgemeinen Völkerrecht Das Institut der good offices ("gute Dienste") stammt aus dem allgemeinen Völkerrecht und steht in der Regel im Zusammenhang mit Methoden der friedlichen Streitbeilegung. 385 Die "guten Dienste" können darin bestehen, daß ein Staat, eine internationale Organisation, der VN-Generalsekretär oder etwa das IKRK unmittelbare Verhandlungen zwischen zwei oder mehreren im Streit befangenen Völkerrechtssubjekten initiieren, vorbereiten oder fördern. Hierzu kann unter Wahrung strikter Unparteilichkeit ein Konferenzort angeboten oder personelle wie auch materielle Hilfe geleistet werden. 386 In der Staatenpraxis stellen die "guten Dienste" die wichtigste Methode der VN zur friedlichen Streitbeilegung im Wege der "stillen Diplomatie" dar. 387 In der Regel leistet der VN-Generalsekretär "gute Dienste" aus eigener Initiative, oder er wird dazu durch den Sicherheitsrat oder die VN-Generalversammlung beauftragt.388 Möglich ist aber auch die Einsetzung eines Ausschusses oder eines Sonderbeauftragten. 389 Neben dieser wichtigen Funktion im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung kommt dem Institut der guten Dienste auch beim Menschenrechtsschutz eine große Bedeutung ZU. 390 Good offices der VN oder anderer IGOs können etwa darin bestehen, den Abschluß und die spätere Ratifikation von Menschenrechtsverträgen zu fördern, Verhandlungen zur Lösung von Menschenrechtsproblemen einzuleiten, von Menschenrechtsverletzungen betroffene Individuen oder Gruppen zu unterstützen, Versöhnungs-

385 Vgl. allg. zum Begriff der good offices, Probst, RdC 1987 Vol. I, 211, 225-239; Bindschedler, in: Bemhardt (Hg.), EPIL Vol. 11 (1995), 601-603; VerdrosslSimma, § 1314. 386 Vgl. Probst, RdC 1987 Vol. I, 211, 237-239 unter Betonung der hervorgehobenen Rolle der neutralen Staaten wie etwa der Schweiz; Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 281 m.w.N; Bindschedler, in: EPIL Vol. 11 (1995), 601/602. 387 V gl. die Nachweise zur Staatenpraxis bei FrankINolte, in: RobertslKingsbury (Hg.), 143, 144-172. 388 Vgl. FrankINolte, in: RobertslKingsbury (Hg.), 143, 172/173; Escher, 132-136; Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 284; Stein/Richter, in: Simma (Hg.), Art. 36, para. 2; von Morr, in: Wolfrum (Hg.), 29, Rn. 10. 389 Vgl. Jaenicke, in: Simma (Hg), Art. 7, para. 16 m.w.N.; Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 283/284. 390 Vgl. al1g. Ramcharan, Humanitarian good offices in international law; Jemow, N.Y.U. J. Int'l Law & Pol. 28 (1996), 785, 811-822 m.w.N.

C. Der Schutz der Intemally Displaced Persons durch den UNHCR

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maßnahmen oder Beobachtungen der Menschenrechtslage durchzuführen. 391 Das Recht, good offices anzubieten, besteht völkergewohnheitsrechtlich392 und darf prinzipiell nicht als unerlaubte Handlung angesehen werden. 393

2. Die Bedeutung des Instituts der good offices für den UNHCR, insbesondere für den Schutz der Internally Displaced Persons a) Legitimation und generelle Bedeutung des Instituts für den UNHCR Der Einsatz von good offices findet sich nicht in der Satzung des UNHCR. Das Angebot und der Einsatz "guter Dienste" durch den UNHCR kann jedoch allgemein als implied power im Hinblick auf die Erreichung des Zwecks der Organisation betrachtet werden. 394 Dem allgemeinen völkerrechtlichen Institut der good offices kommt eine erhebliche Bedeutung für die Entwicklung der Kompetenz des UNHCR ratione personae und ratione materiae zu. Es blieb im übrigen auch selbst von dieser Entwicklung nicht unbeeinflußt. 395 Dies gilt vor allem für die umfangreiche Erweiterung des Instituts um den genannten Aspekt des Menschenrechtsschutzes, der heute zu den regelmäßigen Inhalten "guter Dienste" zählt. Funktional spielen "gute Dienste" für den UNHCR zum einen zur Schaffung von good will im Wege stiller Diplomatie bei der Lösung von Flüchtlingsproblemen eine Rolle. 396 Zum anderen gewinnen "gute Dienste" zunehmend auch im Rahmen der Konflikt- und Fluchtprävention an Bedeutung. 397

Vgl. Ramcharan, Humanitarian good offices in intemationallaw, 37. Vgl. Bindschedler, in: Bemhardt (Hg.), EPIL Vol. II (1995), 602 der zudem auf zahlreiche vertragliche Grundlagen guter Dienste hinweist. 393 Vgl. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 282; Ramcharan, Humanitarian good offices in intemationallaw, 38; vgl. auch die Ausführungen o. 3. Kap. B. III. 3. a), 188 ff. zur Vereinbarkeit des Angebots humanitärer Dienste mit dem Interventionsverbot. 394 Vgl. Türk, 226/227. 395 Vgl. Türk,225. 396 Vgl. Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 349. 397 Vgl. Goodwin-Gill, The refugee in intemationallaw, 290; Türk, 227/228 m.w.N. 391

392

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

b) Die Bedeutung des Instituts der good offices für die Entwicklung der Kompetenz des UNHCR ratione personae Wie bereits dargestellt, wurden "gute Dienste" des UNHCR erstmals 1957 zur Unterstützung der chinesischen Flüchtlinge in Hong Kong nach Autorisierung durch die VN-Generalversammlung ausgeübt. Der Einsatz der "guten Dienste" erfolgte dabei in erster Linie zur Erweiterung der personellen Kompetenz des UNHCR, dem nach dem Wortsinn der Satzungsbestimmungen die Hände gebunden waren und daher an sich nicht hätte tätig werden können. 398 Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung diese Kompetenzerweiterung zugunsten von externen Flüchtlingen auf die Ausdehnung der Zuständigkeit auf Internally Displaced Persons hatte. Auch wenn die Terminologie der VN-Generalversammlung im Hinblick auf Flüchtlinge im weitesten Sinne nicht immer einheitlich ist399 , so fällt dennoch auf, daß sie den Begriff der good offices im Zusammenhang mit Flüchtlingsfragen 1973 zuletzt verwendete, also nur ein Jahr nach der ersten durch sie autorisierten Tätigkeit des UNHCR zugunsten von Internally Displaced Persons. 400 Bemerkenswert ist zudem, daß sich 1972 weder der ECOSOC noch die VN-Generalversammlung in ihren Aufforderungen an den UNHCR, zugunsten der Internally Displaced Persons tätig zu werden, ausdrücklich auf das Institut der good offices bezogen haben. Hieraus läßt sich schließen, daß die Kompetenzerweiterung hinsichtlich der Internally Displaced Persons nicht unmittelbar auf das Institut der good offices zurückgeführt werden kann. 401 Hierfür bestand allerdings auch keine Notwendigkeit, da die VN-Generalversammlung in den einschlägigen Resolutionen bereits seit 1965 von" various groups of refugees within his [des UNHCR] competence" und später allgemein von Flüchtlingen "of his concern" sprach. 402 Diese spezifische Terminologie ist dahingehend zu interpretieren, daß sich die Kompetenz des UNHCR allgemein auch auf Personen außerhalb des eigentlichen Mandatsbereichs erstrecken kann, sofern diese sich in Situationen befinden, die der eines Mandatsflüchtlings entsprechen ("a situation Vgl. o. 3. Kap. C. 11. 1.,237 ff. Vgl. Türk, 266-269 m.w.N.; Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 11. 400 UN AlRES/3143 (XXVIII) vom 14. Dezember 1973, para. 2; vgl. Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 10. 401 Vgl. aber UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, para. 68, der davon ausgeht, der UNHCR sei in zahlreichen Fällen in einer "good office's capacity" zugunsten der Internally Displaced Persons tätig geworden. 402 Vgl. AlRES/2039 (XX) vom 7. Dezember 1965 und AlRES 2197 vom 16. Dezember 1966, vgl. hierzu Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 3411342; Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 10/11; v. Glahn, 150/151. 398 399

C. Der Schutz der Internal1y Disp1aced Persons durch den UNHCR

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analogous to that of refugees"403). Das Institut der good offices war daher für die Erweiterung des personellen Kompetenzbereichs um Internally Displaced Persons nicht zwingend erforderlich. 404 Dennoch bildete der Einsatz von good offices zugunsten von Flüchtlingen außerhalb des eigentlichen Mandats die faktische Grundlage für die spätere Erweiterung um Internally Displaced Persons. Die Erweiterung selbst erfolgte dann in erster Linie aus pragmatischen und humanitären Erwägungen. Die Bedeutung des Instituts der good offices sollte demnach im Hinblick auf den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR nicht unterschätzt werden. Obwohl das Institut der good offices aufgrund der allgemeinen Kompetenzerweiterung ratione personae an Bedeutung verloren hat, hält der ehemalige Flüchtlingshochkommissar Aga Khan es zu Recht auch weiterhin für nützlich: "The institution remains as useful as ever for contingencies and situations on the fringe of the normal activities of the High Commissioner's Office.,,405 Dies gilt vor allem für das Recht des UNHCR, humanitäre Dienste in Situationen anzubieten, die nicht in den eigentlichen Mandatsbereich fallen. 406

c) Die Bedeutung des Instituts der good offices für die Entwicklung der Kompetenz des UNHCR ratione materiae Da die Erweiterung der Kompetenz des UNHCR zugunsten der Internally Displaced Persons nicht unmittelbar auf das Institut der good offices gestützt wurde, fällt es nicht leicht, dessen Bedeutung im Hinblick auf die Kompetenz ratione materiae zugunsten der Internally Displaced Persons präzise einzuschätzen. Wie bereits dargelegt wurde, ist die Bedeutung der good offices hauptsächlich darin zu sehen, daß deren Einsatz für externe Flüchtlinge außerhalb der Mandatsbestimmungen des UNHCR die Grundlage für einen späteren Einsatz zugunsten der Internally Displaced Persons bildete. Die Bedeutung des Einsatzes

403 Vgl. zu dieser Formulierung Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 342 und die Stellungnahme des UNHCR vor dem EXCOM am 4. Oktober 1977, UN AlAC.96/549 vom 19. Oktober 1977. 404 V gl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 42; Ramcharan, Humanitarian good offices in internationallaw, 44. 405 Vgl. Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 349; vgl. auch Ramcharan, Humanitarian good offices in international1aw, 44/45. 406 Vgl. Türk, 226/227.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

der good offices ist daher in erster Linie in der Erweiterung der personellen Kompetenzen des UNHCR zu sehen. 407 Der Einsatz des Instituts der good offices hat aber auch hinsichtlich der konkreten Tätigkeiten des UNHCR zugunsten der Internally Displaced Persons eine Präzedenzwirkung. So wurden im Rahmen von good offices zugunsten von externen Flüchtlingen zunächst nur Assistance-Aufgaben übernommen408 und erst zu einem späteren Zeitpunkt auch klassische Rechtsschutzaufgaben. 409 Aus der Staatenpraxis geht hervor, daß der UNHCR mit Zustimmung der verantwortlichen Staatsgewalten auch zugunsten der Internally Displaced Persons zahlreiche Rechtsschutzaktivitäten ausübt. Entsprechende Befugnisse stehen dem UNHCR nach den einschlägigen Resolutionen der VN-Generalversammlung ZU. 410 In der Zeit nach der ersten Autorisierung, zugunsten der Internally Displaced Persons tätig zu werden, leistete der UNHCR dagegen überwiegend humanitäre Hilfe. 4l1 Zu nennen sind die Einsätze im Sudan (1972), Mozambique, Zypern (1974), Angola, Vietnam und Laos (1975), Äthiopien, Uganda (1979), Zimbabwe (1980), Tschad (1981); Libanon (1982). Zwar war mit einem Einsatz des UNHCR im jeweiligen Staat ein gewisser De-Jacto-Rechtsschutz und damit eine implizite Ausdehnung der Kompetenzen ratione materiae verbunden. 412 Rechtsschutzaktivitäten im engeren Sinne nahm der UNHCR jedoch zunächst nur in sehr begrenztem Umfang wahr. 413 Seit 1987 übt der UNHCR neben reinen Hilfstätig407 Vgl. Türk, 227; vgl. aber auch Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 41/42 zur Entwicklung der Assistance-Funktion des UNHCR durch den Einsatz von good offices. 408 Vgl. Melander, AWR-Bull. 1971, 195, 199, der - aus damaliger Sicht verständlich - ausschließlich Assistance-Aufgaben für zulässig hält. 409 Vgl. Aga Khan, RdC 1976 Vol. I, 287, 339-342; Köfner/Nicolaus, 175/176; Türk, 290, m.w.N. 410 Vgl. UN AlRES/47/l04 vom 16. Dezember 1992, in der noch allgemein von "activities in favour of internally displaced persons" gesprochen wird, vgl. auch EXCOM, UN NAC.96/804 vom 15. Oktober 1992, Abschn. III A. para. 21 (q). In der Folgezeit wird stets auch der Rechtsschutz (protection) genannt, vgl. UN AlRES/48/l16 vom 20. Dezember 1993; NRES/49/l69 vom 23. Dezember 1994; NRES/50/l52 vom 21. Dezember 1995; NRES/51175 vom 12. Dezember 1996; NRES/52/l03, vom 12. Dezember 1997. 411 Vgl. Macalister-Smith, International humanitarian assistance, 42; Kourula, 185. 412 V gl. KöfnerlNicolaus, 178. 413 Im Sudan, in Vietnam und Laos und in Zypern übte der UNHCR auch einige Rechtsschutztätigkeiten aus, vgl. UNHCR, UNHCR' s operational experience with internally displaced persons, 4 (Sudan; Überwachung des Waffenstillstands als Mitglied einer vereinigten Kommission); 6 (Vietnam und Laos; Überwachung der Rückführung von Flüchtlingen und Internally Displaced Persons); 11 (Zypern; Appelle an die türkischen Zyprioten, Familienzusammenführungen zu ermöglichen).

C. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch den UNHCR

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keiten auch umfangreiche Rechtsschutzaktivitäten aus. Bedeutende Fälle aus der Staatenpraxis sind Nicaragua (1987), Sri Lanka (seit 1990), Irak, Äthopien und das ehemalige Jugoslawien (seit 1991), Azerbaidschan und Arrnenien (seit 1992), EI Salvador (1992) und Angola (1993).414 Zu den Rechtsschutzaktivitäten zählen unter anderem Appelle an die zuständigen Staatsgewalten, Rechtsschutz zu leisten oder rejoulement im eigenen Land zu unterlassen, die Unterstützung bei der Ausstellung von Ausweispapieren oder die Beobachtung der Menschenrechtslage der Internally Displaced Persons. 41S Das EXCOM beschreibt entsprechende Schutzaktivitäten als "international support for national proteetion", und betont, daß es sich nicht um einen Ersatz für nationale Schutzmaßnahmen handeln darf. 416 In den Fällen, in denen der UNHCR zugunsten der Internally Displaced Persons tätig wird, umfassen dessen Aktivitäten also in der Regel sowohl Rechtsschutz als auch humanitäre Hilfe. 417 Der UNHCR ist damit abgesehen vom IKRK die einzige Organisation im System der VN, die sowohl Assistance- als auch ProtectionFunktionen zugunsten der Internally Displaced Persons wahmimmt. 418 Anzumerken ist, daß vor dem Hintergrund der Staatenpraxis und der konkreten Einsätze des UNHCR die generelle Beschränkung des operationellen Teils der Guiding Principles on Internal Displacement auf "humanitarian assistance" nicht zu überzeugen vermag. 419 Geboten wäre vielmehr eine Erweiterung um Rechtsschutzaktivitäten, sofern diese in das Mandat der Akteure zum Schutz der internally displaced persons im engeren Sinne oder aufgrund von Erweiterungen fallen.

414 Vgl. die einzelnen Fallstudien, in: UNHCR, UNHCR's operational experience with internally displaced persons, 18-67; UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1993, paras. 95/96; nicht überzeugend ist die Auffassung v. Glahns, 152, nach der dem UNHCR keine Kompetenz zustehe, "displaced persons" auch Rechtsschutz zu gewähren. 415 V gl. die umfangreiche Auflistung, in: UNHCR, Protection aspects of UNHCR activities on behalf of internally displaced persons, 1994, para. 29 sowie UN ECOSOC, DengReport, 1995, para. 146; UNHCR, UNHCR's operational experience with internally displaced persons, 79. 416 UN GA, EXCOM, Note on international protection, AI AC.96/830 vom 7. September 1994, para. 65. 417 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 145. 418 V gl. UNHCR, Protection aspects of UNHCR activities on behalf of internally displaced persons, 1994, para. 35. 419 V gl. Section IV der Guiding Principles on lntemal Displacement, Anhang I; vgl. demgegenüber Art. 3 Abs. 2 der ILA-Declaration, Anhang 11, wonach sich das Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe und Rechtsschutz erstreckt.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

V.Bewertung Mit der Formulierung konkreter Einsatzkriterien zum Schutz der Intemally Displaced Persons hat der UNHCR den Versuch unternommen, der großen humanitären Herausforderung an die Organisation zu begegnen. Ob dies im Hinblick auf die Bedürfnisse der Intemally Displaced Persons beziehungsweise die Kapazitäten der Organisation selbst gelungen ist, kann nur anhand empirischer Studien bewertet werden. Wird der UNHCR im Rahmen der faktischen Erweiterung der Mandats zugunsten der Intemally Displaced Persons tätig, so geben humanitäre Erwägungen und das durch den Heimatstaat verursachte "lack of protection" im Einzelfall den Ausschlag. So ist es aus Sicht des UNHCR oftmals weder vernünftig noch möglich, zwischen verschiedenen Flüchtlingen und Vertriebenen imjuristischen Sinne Kategorisierungen vorzunehmen und entsprechend tätig zu werden oder schlicht untätig zu bleiben. 420 Gleichzeitig ist der UNHCR bislang offenbar nicht bereit, generell zur "lead agency" zu avancieren und den Einsatz zugunsten der Intemally Displaced Persons durch eine ausdrücklichen Mandatserweiterung zu einer originären Aufgabe zu machen. 421 Der UNHCR ist der Auffassung, die gewaltigen Ausmaße des Problems erforderten eine umfassende und konzertierte Anstrengung der VN. Eine einzelne Organisation sei damit bei weitem überfordert. 422 Dies wird durch entsprechende Diskussion im zuständigen Third Committee des ECOSOC bestätigt, nach denen vor allem ein negativer Einfluß auf die Arbeit des UNHCR zugunsten von Flüchtlingen befürchtet wird. 423

420 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 149; EXCOM, Note on international protection, UN AlAC.96/830, vom 7. September 1994, para. 64: [UNHCR] seeks to respond to the relevant needs of all members of the community, making distinctions, where appropriate, on the basis of actual needs rather than status. 421 Einen entsprechenden Vorschlag unterbreiteten die Niederlande bei einer Sitzung des EXCOM 1993, vgl. Cohen/Cuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced persons, 79; In einer Stellungnahme vor dem EXCOM führte der UNHCR hierzu aus: "Although I am heartened by the endorsement by the General Assembly of UNHCR's activities on behalf of the internally displaced, I would like to make it dear that we are not seeking a global mandate for the internally displaced.", UN Al48112/Add. 1, Annex, para. 17. 422 V gl. Cohen/Cuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced persons, 79; UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1993, para. 97; daß eine entsprechende Veränderung des Mandats vor dem Hintergrund weiter zurückgehender Flüchtlingszahlen und im Rahmen einer generellen Neustrukturierung nicht auszuschließen sei, äußerte ein hoher Mitarbeiter des UNHCR in Genf gegenüber dem Verfasser. 423 Vgl. Kourula, 189; vgl. auch u. 4. Kap. C.I. 1.,279/280.

D. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK

255

Es wird also auch in Zukunft bei einer selektiven und beschränkten Wahrnehmung des erweiterten Mandats des UNHCR zugunsten der Internally Displaced Persons bleiben. 424 Dies hat zur Folge, daß der institutionelle Schutz zwangsläufig lückenhaft bleibt. Denn an der Ad-hoc-Natur der meist reaktiven425 Einsätze des UNHCR hat sich auch oder vielmehr gerade nach der Entwicklung konkreter Einsatzkriterien nichts geändert. Die Einsätze werden an eine Reihe von faktischen und normativen Bedingungen geknüpft, die im Einzelfall einen Einsatz des UNHCR verhindern können. Die Ausarbeitung der Kriterien erscheint aus Sicht der Organisation durchaus legitim und ist auf Kapazitätsgrenzen sowie Vorbehalte hinsichtlich des Selbstverständnisses der Organisation zurückzuführen. So soll vor allem das Institut des Asyls durch einen Einsatz zugunsten der Internally Displaced Persons nicht untergraben werden. Ob damit den humanitären Erfordernissen der Internally Displaced Persons im Einzelfall angemessen Rechnung getragen wird, muß zumindest bezweifelt werden. Zugunsten der insgesamt eher zurückhaltenden Position des UNHCR darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß viele Einsätze zugunsten der Internally Displaced Persons mit erheblichen Gefahren für die Mitarbeiter des UNHCR verbunden sind und daher in Zweifelsfällen eher unterbleiben oder zumindest in nur eingeschränktem Umfang stattfinden. Dies gilt vor allem für jene Situationen, in denen es zu einem weitgehenden Zusammenbruch der staatlichen Ordnung infolge innerer Unruhen oder eines Bürgerkrieges gekommen ist. 426

D. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK In normativer und in operativer Hinsicht ist das IKRK die neben dem UNHCR wichtigste Organisation, die zugunsten der Internally Displaced Persons tätig wird. Das IKRK handelt auf der Grundlage der Normen des humanitären Völkerrechts und der Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung zugunsten von zivilen Opfern internationaler oder nicht-internationaler bewaffneter Auseinandersetzungen. Im Unterschied zum UNHCR, bei dem erst die durch die VN-Generalversarnmlung autorisierte faktische Erweiterung des Man-

424 Vgl. die im UNHCR Report 1997/98, 125 wiedergegebene Kritik und allg. UNHCR, Protection aspects of UNHCR activities on behalf of internally displaced persons, 1994, para. 9. 425 Vgl. die Kritik von Goodwin-Gill, The refugee in internationallaw, 15. 426 Vgl. UN GA, EXCOM, Note on international protection, AlAC.96/882 vom 2. Juli 1997, paras. 26-28.

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

dats den Schutz der Internally Displaced Persons ennöglichte, hatte das IKRK stets ein eindeutiges Mandat, den Internally Displaced Persons Schutz und Hilfe zu gewähren.

I. Struktur und Mandat der Organisation 1. Gründung und Struktur des 1KRK Die Gründung des IKRK geht auf eine private Initiative des Schweizers Henry Dunant zurück. In seinem berühmten Werk "Un Souvenir de Solferino" von 1862 beschreibt er eindringlich die Greuel des Krieges, geprägt durch den Anblick der unversorgten verwundeten Soldaten auf dem Schlachtfeld von Solferino. Mit dem Ziel, medizinische Hilfsdienste zum Schutz der Kriegsopfer zu gewährleisten und diese zugleich (völker-)rechtlich abzusichern, errichtete Dunant eine Kommission interessierter Bürger.427 Die eigentliche Gründung des IKRK, die sich nach schweizerischem Privatrecht richtete, datiert auf das Jahr 1863. 428 Das IKRK ist Teil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung (auch Internationales Rotes Kreuz genannt), die aus drei Teilen besteht: Der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondföderation, den nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften429 und dem IKRK selbst. Einzig dem IKRK wird Völkerrechtssubjektivität zuerkannt. 43o Sie folgt aus der Anerkennung des IKRK in den Genfer Abkommen431 und den Internationalen Rotkreuzkonferenzen. 432 Zu 427 Vgl. Forsythe, HRQ 12 (1990), 265, 266; die Kommssion umfaßteGustave Moynier, Guillaume-Henri Dufour, Louis Appia, Theodore Maunoir und Dunant selbst. 428 Vgl. Willemin/Heaeoek, 19; Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, Rn. 921: ,,Juristisch gesehen ist es [das IKRK] lediglich ein aus sieben Schweizer Bürgern bestehender Schweizer Verein ...... 429 Ende 1997 gab es 175 anerkannte Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (145 bzw. 30). Die Zuständigkeit für die Anerkennung der nationalen Gesellschaften liegt beim IKRK, vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. b) der Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, angenommen von der XXV. Internationalen Rotkreuzkonferenz 1986 in Genf, Auszüge aus der RICR 1992, 197-216,205. 430 Vgl. Forsythe, HRQ 12 (1990), 265; Harroff-Tavel, IRRC 1993, 195, 199/200; Kimminieh, Einführung in das Völkerrecht, 189; Seidl-HohenveldernlLoibl, Rn. 0104, sprechen von einer Völkerrechtspersönlichkeit besonderer Art. 431 Skeptisch: Dominice, in: Studies and essays in honour of Pietet, 663, 667, der die Völkerrechtsflihigkeit aber aufgrund des Abschlusses und des Inhalts von Vereinbarungen zwischen dem IKRK und einzelnen Staaten bejaht, 668-673; vgl. auch Reuter, in: Studies and essays in honour of Pietet, 783, 787-791 und Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht,

D. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK

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den Mitgliedern der Internationalen Rotkreuzkonferenz, dem obersten beschlußfassenden Organ der Bewegung, zählen neben den genannten Organen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung auch die Vertrags staaten der Genfer Abkommen. 433 1990 erhielt das IKRK Beobachterstatus bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen. 434 Auf der Grundlage von Vereinbarungen mit nationalen Regierungen erhält das IKRK und seine Mitarbeiter die für !GOs üblichen Immunitäten und Privilegien und steht diesen insofern weitgehend gleich. 435

Sitz des IKRKist Genf. Im Jahr 1997 unterhielt es in 55 Ländern ständige Vertretungen und führte in über 80 Ländern Tätigkeiten durch. Das IKRK beschäftigte 1997 insgesamt über 9.500 Mitarbeiter, die sich aus entsandten Fachkräften, Mitarbeitern der nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften und lokalen Angestellten zusammensetzten. 436

2. Das Mandat des IKRK Die urspünglich selbstgestellten und später durch die Internationale Rotkreuzund Rothalbmondbewegung bestätigten Aufgaben des IKRK sind sehr ambitiös. F orsythe umschreibt den Auftrag des IKRK wie folgt: "The ICRC [was] set out to do nothing less than to humanize war...437 In diesem Sinne ist das IKRK gleichsam der "Wächter des humanitären Völkerrechts ..438 , also des Rechts, das die Kriegs-

Rn. 920, der auf die dem IKRK nach der III. und IV. GK eingeräumte Möglichkeit, eine Schutzmachtfunktion wahrzunehmen, abstellt. 432 V gl. Art. 5 Abs. 1 der Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, vgl. Auszüge aus der RICR 1992, 195,204. 433 V gl. Art. 9 der Statuten der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, Auszüge aus der RICR 1992, 195,2081209. Am 31.Dezember 1997 waren 188 Staaten Vertragsstaaten der Genfer Konventionen von 1949, vgl. IRRC 1998, 181; vgl. auch Harroff-Tavel, IRRC 1993,195,199. 434 UN AlRES/45/6 vom 16. Oktober 1990. 435 Vgl. Seidl-HohenveldernlLoibl. Rn. 0104; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 167; Plattner, in: Studies and essays in honour of Pietet, 761-769. 436 Grundsätzlich kooptiert das IKRK seine Mitglieder unter Schweizer Bürgern, vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 2 der Statuten der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung; vor allem durch die Einbeziehung der Mitarbeiter der nationalen Gesellschaften internationalisiert sich das IKRK zunehmend, vgl. auch IKRK, Das IKRK in aller Welt, 1; SZ vom 8. Mai 1998. 431 Vgl. Forsythe, HRQ 12 (1990), 265, 266. 438 Vgl. Lavoyer, IRRC 1995, 162, 166. 17 Geißler

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3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

führung bestimmten Regeln unterwirft und vornehmlich dem Schutz von Kriegsgefangenen, Verwundeten und Nichtkombattanten dienen soll. Die Arbeit der gesamten Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und damit auch die des IKRK basiert auf sieben grundlegenden Prinzipien: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität. 439 Die Zusammenarbeit des IKRK mit den Regierungen ist allgemein vertraulich - ein Preis, den das IKRK zahlt, um die stets erforderliche Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste zu erhalten. Nur ausnahmsweise und nach wiederholtem Mißerfolg der Appelle des IKRK werden schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht öffentlich angeprangert, wie zuletzt im Rahmen der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda. 440 Die Grundlagen des Mandats des IKRK im Hinblick auf nicht-internationale Konflikte finden sich im gemeinsamen Art. 3 GK, der das IKRK ausdrücklich erwähnt, und im 11. Protokoll. Auch wenn Art. 18 des 11. Protokolls das IKRK im Unterschied zu den nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften nicht nennt, wird der Umfang des Mandats dadurch nicht eingeschränkt. 441 Ergänzt wird das Mandat durch Art. 5 der Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Da die Normen des humanitären Völkerrechts im Rahmen innerer Unruhen keine Anwendung finden, erlangen vor allem Art. 5 Abs. 2lit. d) und Abs. 3 besondere Bedeutung. Danach soll das IKRK den Opfern innerer Unruhen Schutz und Hilfe gewähren (Art. 5 Abs. 2 lit. d)) und die hierzu notwendigen humanitären Initiativen ergreifen (Art. 5 Abs. 3). Weitere Berufungsgrundlagen im Hinblick auf innere Unruhen ergeben sich zudem aus den einschlägigen Resolutionen der Internationalen Rotkreuzkonferenzen. 442 Allgemein ist zu beachten, daß sich das IKRK bei seinen Aktivitäten nicht unmittelbar auf menschenrechtliche Normen beruft, da ihm diese keine Legitimation vermitteln. Die Förderung und Wahrung der Menschenrechte selbst erfolgt vielmehr implizit durch den faktischen Schutz, der sich aufgrund der Rechtsschutzund Hilfsaktivitäten des IKRK ergibt. 443

439 Vgl. die Präambel der Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, abgedruckt in: Auszüge aus der RICR 1992, 195, 1991200. 440 Vgl. Harroff-Tavel, IRRC 1993, 195,2061207; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 165. 441 Vgl. o. 3. Kap. B. III. 3. a) (1),188 ff. 442 Vgl. IKRK, IRRC 1988,9, 15/16 zu den Resolutionen 14 der 10. Internationalen Rotkreuzkonferenz von 1921 in Genf und der Resolution 6 der 21. Internationalen Rotkreuzkonferenz von 1981 in Manila. 443 Vgl. Forsythe, HRQ 12 (1990), 265, 2711272; vgl. auch 0.3. Kap. B. III. 1. b) (3), 177 ff. zum Begriff des Dejacto-Rechtsschutzes.

D. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK

259

a) Das Mandat des IKRK ratione materiae Zu den Haupttätigkeiten des IKRK auf der Grundlage des Mandats zählen unter anderem: der Schutz und die Versorgung von zivilen und militärischen Opfern bewaffneter Konflikte, so durch die Evakuierung von Verwundeten oder die Kennzeichnung von Minengebieten; Besuche von IKRK-Delegationen in Gefängnissen und Gefangenenlagern, um Fälle von "Verschwindenlassen" oder Mißhandlungen zu verhindern; die Suche nach Vermißten allgemein oder speziell zum Zwecke der Familienzusammenführung; die Verbreitung von Kenntnissen im humanitären Völkerrecht. 444 Zu den Hilfs- und Versorgungstätigkeiten zählen in der Hauptsache die medizinische (Notfall-)Versorgung, die Unterstützung von Gesundheitsprogrammen, etwa hinsichtlich der Wasserversorgung, Nahrungsmittelhilfe und die Bereitstellung sonstiger Grundversorgungsgüter. 445 Das Mandat des IKRK umfaßt damit sowohl Rechtsschutz- als auch reine Hilfstätigkeiten. Beide Handlungsformen des institutionellen Schutzes stehen dabei in einem engen Zusammenhang und werden prinzipiell nicht getrennt vorgenommen. Der Schwerpunkt eines Einsatzes richtet sich nach den konkreten Erfordernissen der jeweiligen Konfliktsituation. 446 Charakteristisch für viele Programme des IKRK ist deren Notfallcharakter. Die Operationen des IKRK sind daher oftmals von wesentlich kürzerer Dauer als die Programme des UNHCR. 447

b) Das Mandat des IKRK ratione personae Es kann als unumstritten gelten, daß das IKRK ratione personae für Internally Displaced Persons zuständig ist. Exemplarisch hierfür sei die Aussage des Präsidenten des IKRK Comelio Sommaruga wiedergegeben: 444 Vgl. Harroff-Tavel, IRRC 1993,195,207-217; Mauricelde Courten, IRRC 1991,9, 14/15; IKRK, IRRC 1988,9, 18-25 zu den Aktivitäten des IKRK im Rahmen innerer Unruhen; ausführlich: Willemin/Heacock, 35-116; vgl. auch die Muntarbhom vorgeschlagenen "Principles for humanitarian protection and assistance", IRRC 1988, 351, 365/366. 445 Vgl. Lavoyer, IRRC 1995, 162, 1741175; UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, para. 370; vgl. auch o. 3. Kap. B. III. 1. b), 177 ff. 446 Vgl. Blondei, IRRC 1987,457,468; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 175. 447 Vgl. Muntarbhom, IRRC 1988,351,355; vgl. auch das "Statement of Policy" der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung bezüglich "International Red Cross Aid to Refugees", abgedruckt in: IRRC 1981,339; Punkt 3 S. 2 lautet: Since Red Cross relief programmes are essentially of an emergency character, they should be phased out as soon as other organizations are in a position to provide the aid required.

260

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

In terms of people displaced within their own countries, there can be no doubt: ICRC has a mandate, and intends to carry it out. It is a mandate of protection and assistance for these people, who are civilians, who have been forcibly displaced or have fled because of an armed conflict. 448

Abgesichert wird das so verstandene Mandat ratione personae des IKRK durch zahlreiche normative Grundlagen. Im Rahmen bewaffneter nicht-internationaler Konflikte kann sich das IKRK bei seinen Einsätzen zugunsten der Internally Displaced Persons auf den gemeinsamen Art. 3 GK sowie das 11. Protokoll berufen, sofern dieses Anwendung findet. Denn Internally Displaced Persons fallen als zivile Opfer der bewaffneten Auseinandersetzungen, sei es aufgrund von Flucht oder infolge von Zwangsurnsiedlungen, in den personellen Anwendungsbereich dieser Normen. Die erste ausdrückliche Nennung der Internally Displaced Persons in einem verbindlichen Dokument der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung findet sich in Resolution 21 der 24. Internationalen Rotkreuzkonferenz von 1981.449 Para. 2 der Resolution 21 lautet: [The XXIVth Conference of the Red Cross] pledges the unremitting support and the collaboration of the Red Cross with the Uni ted Nations High Commissioner for Refugees in their respective activities in favour of refugees and displaced persons, within the framework of this policy.

Bedeutsam ist der Punkt 1 des "Statement of Policy", welches Bestandteil der Resolution 21 ist. Denn die Internationale Rotkreuzkonferenz berücksichtigt damit erstmals ausdrücklich die institutionelle Schutzlücke im Hinblick auf Internally Displaced Persons: The Red Cross should at all times be ready to assist and to protect refugees, displaced persons and returnees, when such persons are considered as protected persons under the Fourth Geneva Convention of 1949, ... especially when they cannot, in fact, benefit from any other protection or assistance, as in some cases of internally displaced persons.

Die darin zum Ausdruck kommende Erstreckung des Mandats auf Internally Displaced Persons wurde in der Folgezeit wiederholt bekräftigt. Von entscheidender Bedeutung sind hierbei in erster Linie die 1986 überarbeiteten Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, die unter anderem die Aufgaben des IKRK festlegen. Da sie durch eine Internationale Rotkreuzkonferenz beschlossen wurden, haben sie für das IKRK bindende Wirkung. Nach Art. 5 Abs. 2 lit. d) der Statuten hat das IKRK die Aufgabe zu erfüllen,

448 Vgl. Interview in: UNHCR, The internally displaced, UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 111996,28. 449 V gl. The Twenty-fourth International Red-Cross Conference von 1981 in Manila, IRRC 1981,311,338/339.

D. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK

261

als neutrale Institution, deren humanitäre Tätigkeit insbesondere in bewaffneten Konflikten - internationaler oder anderer Natur - oder bei inneren Unruhen erfolgt, sich jedeneit darum zu bemühen, den militärischen und zivilen Opfern solcher Ereignisse und ihrer direkten Folgen Schutz und Hilfe zu gewähren. 450

Auch ohne ausdrückliche Nennung fallen Internally Displaced Persons danach als "zivile Opfer" bewaffneter Konflikte oder innerer Unruhen in den personellen Aufgabenbereich des IKRK. Mit Resolutionen der Ratstagungen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung von 1991 und 1993 werden alle Teile der Bewegung aufgefordert, sich entschieden zugunsten von Flüchtlingen, Asylsuchenden, displaced persons und Rückkehrern einzusetzen. 451 Auf der 26. Internationalen Rotkreuzkonferenz von 1995 wurde dies durch Resolution 4 A. 2 lit. a) erneut bekräftigt: [The 26th International Conference of the Red Cross and Red Crecent] invites ... the Movement ... to continue to provide assistance and protection to, and to work with determination on behalf of and together with, internally displaced persons, refugees and returnees. 452

Damit besteht das wohl klarste Mandat aller internationalen humanitären staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, zugunsten der Internally Displaced Persons humanitäre Hilfe und Rechtsschutz zu leisten. Dabei ist zu betonen, daß das IKRK großen Wert auf den Grundsatz des unterschiedslosen Schutzes aller zivilen Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen und innerer Unruhen legt. Dieser Ansatz basiert vor allem auf dem Prinzip der Menschlichkeit und spiegelt sich auch in der Haltung des IKRK zur Frage der Definition von Internally Displaced Persons wider. 453 Der Umstand der Flucht oder Zwangs vertreibung ist danach als solcher für einen Einsatz des IKRK unerheblich. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, daß es sich bei den Internally Displaced Persons um zivile Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen oder innerer Unruhen handelt. 454 Das IKRK "denkt" und handelt in diesem Sinne nicht in Kategorien von Personen. 450 Vgl. Auszüge aus der RICR 1992, 195,204/205. 451 V gl. Resolution 9 lit. a) der Ratstagung von Budapest 1991, vgl. Resolutions of the Council ofDelegates, IRRC 1992,43-65,53 und Resolution 7 l.lit. b) der Ratstagung von Birmingham 1993, vgl. Resolutions of the Council of Delegates, IRRC 1993, 488-501, 497. 452 V gl. The Twenty-sixth International Conference of the Red Cross and Red Cresent 1995 in Genf, IRRC 1996,55-78,71. 453 Vgl. o. 1. Kap. A. 11. 1.,43. 454Vgl. Maurice/de Courten, IRRC 1991,9, 10/1l;Lavoyer,IRRC 1995, 162, 174/175; de Courten, in: Lavoyer (Hg.), 84, 85/86; vgl. auch die Stellungnahme des IKRK gegenüber der Task Force on Internally Displaced Persons des Inter-Agency Standing Committee derVN,1.

262

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Internally Displaced Persons

Auf dieser in personeller Hinsicht sehr weiten Mandatsbasis wurde das IKRK in zahlreichen internen Konflikten auch zugunsten von internally displaced persons tätig. In Afrika leistete das IKRK in jüngerer Zeit vor allem in folgenden Ländern humanitäre Hilfe und Rechtsschutz zugunsten von Internally Displaced Persons: in Burundi (seit 1991), Kenia (seit 1997), der Demokratischen Republik Kongo (seit 1997), Liberia (von 1989-1992), Mozambique (seit 1992), Ruanda (seit 1990), Sierra Leone, Somalia (seit 1991), Sudan (seit 1984) und in Uganda (seit 1997). In Asien werden humanitäre Dienste zugunsten von internally displaced persons in erster Linie in Kambodscha, Sri Lanka, dem Irak und in Afghanistan geleistet. In Europa sind die Beispiele des ehemaligen Jugoslawiens (seit 1991), Arrneniens und Aserbaidschans, Georgiens, Tadschikistans und Tschetscheniens (seit 1994) zu nennen. In Südamerika wurde das IKRKinjüngerer Zeit in Kolumbien und Peru zugunsten von Internally Displaced Persons aktiv. 455

11. Bewertung

Das IKRK legt im Hinblick auf das weitgesteckte Mandat ratione materiae und personae sowie unter Berücksichtigung der Prinzipien der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung zu Recht großen Wert auf den unterschiedslosen Einsatz zugunsten aller Opfer bewaffneter Konflikte und innerer Unruhen. Zum einen schließt dieser Ansatz nicht aus, daß den besonderen Bedürfnissen der Internally Displaced Persons Rechnung getragen wird. Auf die durch Flucht oder Vertreibung enstehenden zusätzlichen Belastungen kann durch entsprechende Hilfsprogramrne (beispielsweise durch Nahrungsmittel, Unterkünfte oder Brunnenbau) oder Rechtsschutzmaßnahmen (etwa der Familienzusammenführung oder der Minenkennzeichnung) reagiert werden. 456 Zum anderen ist die Nichtdifferenzierung zwischen den Opfern bewaffneter Konflikte bedeutsam für die Wahrung der Neutralität und Unabhängigkeit des IKRK, die ihrerseits einen weiten Handlungsspielraum ermöglicht. Denn auf dieser Grundlage sind die Konfliktparteien eher

4S5 Vgl. ICRC. The Movement, refugees and displaced persons. Part H. 28-41; de Courten, in: Lavoyer (Hg.), 84-87. Detaillierte Angaben zu den aktuellen Tätigkeiten des IKRK finden sich unter: http://www.icrc.org. 456 V gl. die Stellungnahme des IKRK gegenüber der 54. Menschenrechtskommissionssitzung vom 6. April 1998 und Punkt 3 S. 1 des "Statement of Policy" zu "International Red Cross Aid to Refugees", IRRC 1981,339: Assistance from the Red Cross should at all times take due account of the comparable needs of the local population in the areas in which refugees, returnees and displaced persons are accomodated.

D. Der Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK

263

bereit, die gesamte Bandbreite des Mandats ratione materiae zu gestatten, also sowohl die Leistung humanitärer Hilfe als auch Rechtsschutzmaßnahmen. 457 Neben der Kritik am oftmals übervorsichtigen Vorgehen des IKRK458 stellt der Mangel an Koordination der Einsätze mit anderen humanitären Organisationen, insbesondere den operationellen Organen der VN wie dem UNHCR oder dem WFP, den wohl größten Ansatzpunkt für Kritik dar. 459 Denn ungeachtet der weitgehend konkurrenzfreien Zusammenarbeit zwischen dem IKRK und etwa dem UNHCR besteht ein erheblicher Bedarf an gesteigerter Koordination der Einsätze. Dies läßt sich nicht zuletzt an der stetigen Betonung der erforderlichen Koordination zwischen den humanitären Organisationen ablesen460 , die auf negative Erfahrungen schließen lassen. In der Praxis kann in erster Linie die allzu strikte Beachtung der Grundsätze der Neutralität und der Unabhängigkeit durch das IKRK zu einem Mangel an Koordination der Einsätze führen. Dies gilt vor allem für jene Fälle, in denen Einsätze der VN von "humanitären Interventionen" begleitet werden und das IKRK seine Operationen parallel und weitgehend eigenständig durchführt. In der Tat können bei militärischen Einsätzen der VN beziehungsweise der durch sie autorisierten Verbände Zweifel an der Neutralität bestehen. Andererseits ergibt sich vor allem vor dem Hintergrund der jüngeren besorgniserregenden Erfahrungen des IKRK461 auch für dessen Einsätze ein erhöhter Bedarf an militärischer Sicherung bei gleichzeitiger Trennung von humanitären Einsätzen einerseits und militärischen Operationen andererseits. 462 Ein Ausbau der Koordination ist für Vgl. BlondeI, IRRC 1987,451,467. Vgl. Forsythe, HRQ 12 (1990), 265, 288. 459 Vgl. auch allg. u. 4. Kap. C. I., 278 ff. 460 Vgl. etwa Resolution 9lit. g) der Ratstagung 1991 in Budapest, IRRC 1992,43,53; Resolution 7, Punkt 1 lit. c) der Ratstagung 1993 in Birrningham, IRRC 1993,488, 497; Resolution 4, A. Punkt 2lit. e) der 26. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz 1995 in Genf, IRRC 1996, 55, 72; Resolution 7 der Ratstagung 1997 in Sevilla, IRRC 1998, 140, 146/147 und das "Agreement on the organization of international activities of the components of the International Red Cross and Red Cresent Movement", IRRC 1998, 159-176; ICRC, Activities of the ICRC in behalf of internally displaced persons, 2; vgl. auch Sommaruga, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996,28,30; Forsythe, IRRC 1996, 512,525. 461 Zu nennen sind die Ermordung von IKRK-Mitarbeitern in Burundi (im Juni 1996), in Tschetschenien (im Dezember 1996, vgl. hierzu IRRC 1997, 140--142), in der Demokratischen Republik Kongo (1997 und 1998) sowie in Sierra Leone (im März 1998) und die Geiselnahme von 10 IKRK-Mitarbeitern in Somalia im April 1998, vgl. SZ vom 17.,21. und 25. April 1998; vgl. hierzu die Resolution 8, Punkt 5 der Ratstagung von 1997 in Sevilla, Resolutions ofthe Council of Delegates, IRRC 1998, 140, 153/154. 462 V gl. SZ vom 8. Mai 1998; sehr kritisch im Hinblick auf die mögliche Vermengung humanitärer und politisch/militärischer Einsätze: Comtesse, IRRC 1997, 143, 150/151; vgl. 457 458

264

3. Kap.: Analyse institutionellen Schutzes Intemally Displaced Persons

das IKRK auch vor dem Hintergrund des sehr weiten Mandats ratione personae notwendig, da dessen praktische Umsetzung die materiellen und personellen Kapazitäten des IKRK ständig zu überfordern droht. Ungeachtet dessen bietet das Mandat des IKRK im Hinblick auf den untersuchten institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons den umfassensten und beständigsten Schutz. Für die vor allem in jüngerer Zeit sehr umfangreichen Hilfsund Schutzaktivitäten des IKRK zugunsten ziviler Opfer nicht-internationaler Konflikte463 bedurfte es keiner Erweiterung des Mandats. Das IKRK reagierte mit der Erweiterung des Umfangs seiner Einsätze zugunsten der Internally Displaced Persons vielmehr auf die bestehenden humanitären Herausforderungen. Falls es im Einzelfall nicht zum gewünschten Schutz der Internally Displaced Persons durch das IKRK kommt, ist dies auf die restriktive Position der De-jure oder Defacto-Staatsgewalt zurückzuführen, die die beabsichtigten Hilfseinsätze des IKRK untersagen. Insofern hat sich am Befund Beyerlins von 1975 prinzipiell nichts geändert: Da jede humanitäre Aktion aber der Zustimmung der Konfliktspartei(en) bedarf, entscheiden die Verhandlungskunst des IKRK und der gute Wille der Partei(en) allein über Erfolg oder Mißerfolg der humanitären Initiativen des IKRK. 464

auch die "Recommendations for improving the security of humanitarian workers", IRRC 1997, 152-155; vgl. auch die Resolution 5 der Ratstagung 1993 in Birmingham, IRRC 1993,488,494/495 und Plattner, IRRC 1996, 161, 176, die darauf hinweist, daß der militärische Schutz humanitärer Hilfe deren neutralen Charakter nicht gefährdet, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Vgl.auch u. 4. Kap. C. 11. 2., 285 ff. zu den Voraussetzungen wirksamer safe areas. 463 1995 wendete das IKRK hierfür über 80 % seines Budgets auf, vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 150; vgl. auch Plattner, IRRC 1992,567,574. 464 Vgl. Beyerlin, Die humanitäre Aktion zur Gewährleistung des Mindeststandards in nicht-internationalen Konflikten, 105.

Viertes Kapitel

Lösungsansätze A. Einleitung Der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung liegt auf der Analyse des bereits bestehenden völkerrechtlichen Schutzes der Internally Displaced Persons. Im Hinblick auf die aufgezeigten normativen und faktischen Schutzlücken sowie das erhebliche Ausmaß des Phänomens des interna I displacement ist es jedoch geboten, auf einige der diskussionswürdigen Lösungsansätze hinzuweisen. Hierbei bietet sich die Unterteilung in normative und rechtstheoretische Überlegungen einerseits sowie institutionelle und operative Lösungsansätze andererseits an.

B. Nonnative und andere rechtliche Lösungsansätze Hinsichtlich des normativen Rechtsschutzes der Internally Displaced Persons wurde von der völkerrechtlichen Theorie und Praxis intensiv die Frage diskutiert, ob es sinnvoll sei, ein völkerrechtlich verbindliches Instrument zu schaffen, welches auf den spezifischen Status der Internally Displaced Persons abstellt, oder lediglich eine nichtbindende Deklaration oder Prinzipienerklärung zu erarbeiten. Zu berücksichtigen waren dabei nicht nur die besonderen Belange der Internally Displaced Persons selbst, sondern auch die Implikationen für die übrige Zivilbevölkerung und deren potentielle oder faktische Bedrohung. Neuere aber auch bereits bewährte rechtstheoretische Überlegungen könnten bei der Erweiterung des Schutzes der Internally Displaced Persons eine große Rolle spielen. Hervorzuheben sind das Recht der Staatenverantwortlichkeit sowie der individuellen völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. Neue Konzeptionen der Staatenverantwortlichkeit könnten eine gemischt präventiv-reaktiv wirkende Verpflichtung der Staaten zur Zulassung humanitärer Hilfe zum Gegenstand haben. Nach Rückkehr oder Wiederansiedlung der Internally Displaced Persons

266

4. Kap.: Lösungsansätze

kommen vor allem Wiedergutmachungs- und Genugtuungsansprüche gegenüber den maßgeblichen Fluchtverursachern in Betracht. Die bereits seit 1946 etablierten Grundsätze der individuellen völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit erfahren in jüngster Zeit eine neue Dynamik der Fortentwicklung und könnten für den Schutz der Zivilpersonen und der Internally Displaced Persons von gewichtiger Bedeutung sein. Neben den hier nicht näher zu behandelnden Ad-hoc-Tribunalen zum ehemaligen Jugoslawien sowie zu Ruanda 1, sind vor allem der Code of Crimes der ILC sowie die internationalen Bestrebungen zur Errichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs zu nennen.

I. Neue Normen zum Schutz der Internally Displaced Persons 1. Zu den Grenzen und Gefahren der Schaffung verbindlicher Normen zum Schutz der 1nternally Displaced Persons Führt man sich das im 2. Kapitel der Arbeit eingehend untersuchte menschenrechtliehe und humanitärrechtliche Regelwerk vor Augen, so fällt auf, daß der Schutz des Menschen vor staatlichen oder quasistaatlichen Übergriffen bereits in großem Umfang durch verbindliche Konventionen und Pakte geregelt ist. 2 Nur vereinzelt lassen sich klare Schutzlücken ausmachen, denn häufig können vermeintliche Lücken durch die Interpretation einschlägiger Normen geschlossen werden. Der Bedarf an vollkommen neuen Normen ist somit in diesem Gebiet des Völkerrechts von vorneherein gering. Die bereits sehr hohe Anzahl völkerrechtlicher Normen auf dem Gebiet der Menschenrechte sowie des humanitären Völkerrechts hat nach ganz herrschender Ansicht zur Folge, daß auf internationaler Ebene in absehbarer Zeit nicht mit der Verabschiedung neuer verbindlicher und umfassender Normen zu rechnen ist. Dies gilt letztlich auch für die Option einer völkerrechtlichen Konvention zum Schutz der Internally Displaced Persons. 3

1 Vgl. hierzu O'Brien, AJIL 87 (1993), 639-659; Hollweg, JZ 1993,980-989; Oeter, ZaöRV 53 (1993),1,26--42; Thürer, SZIER 1993,491,494-501; Sharga/Zacklin, EJIL 5 (1994),360-380; Akhavan, AJIL 90 (1996), 501-510; de Zayas, AVR 35 (1997), 29, 60-68; Tavemier, IRRe 1997,605-621 jeweils m.w.N. 2 Vgl. Helton, ASIL Proc. 90 (1996), 546, derin bezug auf Normen zum Schutz vor erzwungener Migration ausführt: "A myriad of normative arrangements ... are relevant to issues of forced migration." 3 Vgl. Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 289.

B. Normative und andere rechtliche Lösungsansätze

267

Die Diskussion über die Schaffung eines neuen Rechtsinstruments zum Schutz der Intemally Displaced Persons wurde aber nicht nur von dieser Erkenntnis bestimmt. Von größerer Bedeutung und Einfluß auf die Diskussion war die Auffassung, daß mit der Schaffung einer spezifischen Konvention zum Schutz der Intemally Displaced Persons erhebliche Gefahren verbunden wären. So würde ein gesonderter rechtlicher Status geschaffen, der dem Status der Flüchtlinge nach dem Flüchtlingsvölkerrecht vergleichbar wäre. Im Unterschied zu Flüchtlingen befinden sich Intemally Displaced Persons aber gerade noch innerhalb der Grenzen des eigenen Landes und unterstehen demzufolge auch dem Schutz des Heimatstaates, beziehungsweise der De-Jacto-Staatsgewalten. Hebt man die Intemally Displaced Persons als eigene rechtliche Kategorie hervor, so geht dies unter Umständen zu Lasten anderer verwundbarer Gruppen innerhalb des eigenen Landes. 4 Hinzu kommt die Gefahr der Aushöhlung des Rechtsinstituts des Asyl, durch die Schaffung eines letztlich nur vermeintlich gesonderten Schutzstatus im eigenen Land. In normativer Hinsicht ging es daher in erster Linie um die systematische Zusammenfassung des völkerrechtlich bereits garantierten Schutzes der Intemally Displaced Persons, ergänzt um spezifische Normen zur Schließung der Lücken oder der nicht expressis verbis geregelten Bereiche, die die besondere Verwundbarkeit der Intemally Displaced Persons ausmachen. 5

2. Konkrete normative Ansätze - Die Guiding Principles sowie die Drajt Declaration der [LA

Diesen Bedenken und Vorgaben haben Deng, der Sonderberichterstatter des Generalsekretärs der VN, sowie das Komitee zu Intemally Displaced Persons der ILA in unterscheidlichem Umfang Rechnung getragen. Beide Gremien befassen sich seit 1992 maßgeblich mit der Erarbeitung von Normen zum Schutz der internally displaced persons. Schon frühzeitig nahmen beide Gremien von der Idee der

4 Vgl. McNamara, in: Lavoyer(Hg.), 59, 65; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 179/180; ders., in: Lavoyer (Hg.), 26, 34/35; Kälin, in: Lavoyer (Hg.), 15,25; sehr kritisch auch Petrasek, RSQ 14 (1995), 285-290, der sich für eine sowohl Aüchtlinge als auch Internally Displaced Persons umfassende Lösung ausspricht. 5 Vgl. UN ECOSOC, Analytical Report ofthe Secretary-General, 1992, paras. 104/105; Cohen, Human rights protection for internaUy displaced persons, 22-24; Hofmann, in: Europäische Kommssion (Hg.), Vol. I, 249, 289/290; McNamara, in: Lavoyer (Hg.), 59, 65; Kälin, in: Lavoyer(Hg.), 15,25; Goldman, in: IIDH/UNHCR (Hg.), 281, 291; Franeo, in: AI-Nauimi/Messe (Hg.), 871, 867/877; Plender, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 119, 127.

268

4. Kap.: Lösungsansätze

Schaffung einer Konvention6 Abstand und konzentrierten sich auf die Erarbeitung von Grundsätzen zum Schutz der Intemally Displaced Persons, die in einer Prinzipienerklärung beziehungsweise Deklaration zusammengefaßt werden sollten. 7 Die unter der Federführung von Deng erarbeiteten Guiding Principles on Internal Displacement wurden im April 1998 der Menschenrechtskommission der VN unterbreitet. Deng beabsichtigt, die Guiding Principles im Rahmen seines zunächst bis zum Jahr 2001 verlängerten Mandates bei der Zusammenarbeit mit Regierungen, De-Jacto-Staatsgewalten sowie IGOs und NGOs zu verwenden. Ziel dieses Einsatzes ist neben der Bereitstellung einer spezifischen Rechtsquelle, das für einen erweiterten Schutz der Intemally Displaced Persons notwendige moralische und politische Klima zu schaffen. 8 Das Inter-Agency Standing Committee der vNJ plant, die Guiding Principles auf der Führungsebene der verbunden Organisationen zu verbreiten. Die maßgeblich von Lee und Hofmann erarbeitete Draft Declaration on Internally Displaced Persons der ILA stellt eine überarbeitete Fassung des 1996 in Helsinki vorgelegten Entwurfs dar und wurde im Mai 1998 der ILA-Konferenz in Taipeh unterbreitet und dort vorläufig angenommen. Eine weitere Überarbeitung der dann voraussichtlich endgültigen Version der Deklaration wird bis zur nächsten ILA-Konferenz in London im Jahr 2000 abgeschlossen sein. Der spezifische Inhalt der in den beiden Erklärungen enthaltenen Grundsätze wurde bereits im Rahmen der Analyse des normativen und institutionellen Schutzes eingehend dargestellt und bewertet. Es soll daher an dieser Stelle genügen, auf einige der wesentlichen konzeptionellen und strukturellen Unterschiede einzugehen. Ein grundlegender konzeptioneller Unterschied der beiden Erklärungen besteht darin, daß die Guiding Principles on Internal Displacement die ge- oder ver-

6 Vgl. zu den entsprechenden Vorschlägen de Zayas, Harv.lnt'l L.J. 16 (1975), 207, 2571258; Schechla, TWQ 14 (1993), 239, 267; Freedman, Geo.lmrnigr.L.J. 9 (1995), 565, 598. 7 V gl. IKRK, Comments on the Compilation vom 10. April 1996, 2; UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 6; UN ECOSOC, Deng-Report, 1996, para. 12, in denen Deng darauf hinweist, daß die Durchsetzung der bestehenden Normen letztlich wichtiger sei, als eine rechtliche Reform; UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, paras. 134/135; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Comprehensive study, 1993, paras. 71-86; vgl. auch Gasser, IRRC 1988, 38,45-48 u. Meron, IRRC 1988,59-61, die einen "Code ofConduct" bzw. eine Deklaration zum Schutz der Zivilbevölkerung im Rahmen innerer Unruhen vorschlagen. 8 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 6 u. UN ECOSOC, Deng-Report, 1998, I. B. 8. 9 Vgl. hierzu u. 4. Kap. C. I. 2. a), 280 ff.

B. Nonnative und andere rechtliche Lösungsansätze

269

botenen Handlungen ausdrücklich und überwiegend enumerativ auflisten lO , während die Drajt Declaration on Internally Displaced Persons der ILA nur wenige Ge- und Verbote ausdrücklich benennt und im übrigen auf die allgemeinen völkerrechtlichen Schutzinstrumente verweist. 11 Hervorgehoben werden in der Draft Declaration der ILA nur jene Bereiche, in denen sich Schutzlücken oder Unklarheiten der Rechtslage der Internally Displaced Persons ausmachen lassen. 12 Für den bezweckten Schutz der Internally Displaced Persons oder anderer bedrohter Zivilpersonen folgen aus der unterschiedlichen Normtechnik keine nennenswerten Konsequenzen. Ein deutlicher materieller Unterschied der beiden Erklärungen ergibt sich jedoch im Hinblick auf die Rechtstellung der Internally Displaced Persons. So vermeiden es die Guiding Principles on Internal Displacementim Unterschied zur Draft Declaration on Internally Displaced Persons der ILA, den internally displaced persons einen gesonderten Rechtsstatus zuzuschreiben. \3 Dies ergibt sich unter anderem daraus, daß die Guiding Principles an die Bedrohung des einzelnen während verschiedener Phasen anknüpfen und sich dementsprechend der Schutz vor displacement an alle Menschen ("every human being") richtet. 14 Die Guiding Principles befassen sich folglich mit der Gesamtproblematik des internal displacement, ohne die Internally Displaced Persons als eigene rechtliche Kategorie hervorzuheben. Die Draft Declaration der ILA stellt demgegenüber ausschließlich auf Internally Displaced Persons ab und schützt diese selbst vor internal displacement. 15 Der beabsichtigte Schutz läuft jedoch weitgehend leer, da er ratione personae und ratione temporis falsch ansetzt. 16 Damit offenbart sich ein grundlegender Mangel der Gesamtkonzeption der Draft Declaration der ILA. Auch wenn es sich sowohl bei den Guiding Principles als auch der ILA-Deklaration nur um 10 Vgl. etwa Grundsatz 10 zum Schutz des Lebens, s. Anhang I. Deng führt in diesem Zusammenhang aus: "The resulting document consolidates the numerous relevant nonns which are too dispersed and diffuse to be effective in ensuring adequate protection and assistance for the intemally displaced persons. At the same time it clarifies grey areas and gaps in the law that have been identified.", vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1998, I. B. 3. 11 Vgl. Anhang zur Draft Declaration on lntemally Displaced Persons, s. Anhang 11. 12 Zu nennen sind die Beispiele des Rechts auf Rückkehr, Art. 5 Abs. 1, des Rechts auf die Ausstattung mit Ausweispapieren, Art. 6, des Rechts auf Familienzusammenführung, Art. 7 sowie der Kompensationsansprüche, Art. 9, s. Anhang 11. 13 Vgl. Lee, ASIL Proc. 86 (1992), 630, 631; ders., JRS 9 (1996), 27, 30. 14 Vgl. Section 11 - Principles relating to protection from displacement, s. Anhang I; vgl. hierzu die befürwortende Stellungnahme des IKRK vor der 54. Sitzung der VN-Menschenrechtskommission vom 6. April 1998. 15 Vgl. Art. 4 Abs. 1, s. Anhang 11. 16 Vgl. hierzu 0.2. Kap. E. 11. 1. a) (4),123/124.

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4. Kap.: Lösungsansätze

soft law handelt, spiegeln viele der darin enthaltenen Prinzipien bereits Rechtslagen de lege lata wider. In diesem Kontext begegnet die Hervorhebung eines spezifischen rechtlichen Status der Internally Displaced Persons gewissen Bedenken, da diese Betonung entsprechend der Befürchtungen des IKRK sowie einiger Experten 17 zur Relativierung des Schutzes anderer Zivilpersonen führen könnte. Eine Überarbeitung des Deklarationsentwurfs der ILA ist daher in diesem Punkt dringend geboten. 18

11. Sonstige rechtliche Lösungsansätze zum Schutz der Internally Displaced Persons J. Das Recht der Staatenverantwortlichkeit

Abgesehen von den umfangreichen und hier nicht zu vertiefenden Möglichkeiten der Bekämpfung der root causes vor Flucht und Vertreibung im Bereich des Menschenrechtsschutzes, der Konfliktprävention sowie der Entwicklungszusammenarbeie 9 , stellt sich die Frage, wie auf Situationen des intemal displacement reagiert werden kann. In normativer Hinsicht gilt es dabei insbesondere zwei mögliche Ausprägungen der Staatenverantwortlichkeit zu entwickeln, um einen umfassenderen Schutz zugunsten der Internally Displaced Persons zu gewährleisten. Während akuter Fälle von Flucht und Vertreibung, die nicht zur Grenzüberschreitung führen (können), stellt sich regelmäßig die drängende Frage nach den Optionen internationaler humanitärer Hilfe. Dies betrifft vor allem jene Fälle, in denen der Heimatstaat oder die betreffenden De-facto-Staatsgewalten zur Leistung angemessener Hilfe nicht bereit oder in der Lage sind. Beim Vorliegen entsprechender Situationen ist daran zu denken, daß die kraft Personal- und Gebietshoheit bestehende staatliche Schutzpflicht für den einzelnen die Pflicht zur Zulassung internationaler Hilfe umfaßt. Im Anschluß an Flucht und Vertreibung stellt 17 Vgl. Lavoyer, IRRC 1995, 162, 179/180; IKRK, Comments on the Compilation vom 10. Apri11996, 2; UNHCR, Report 1997/98, 134/135; vgl. auch o. 1. Kap. A. 11. 1.,43 und 3. Kap. D. I. 2. b), 260 ff. 18 Vgl. die deutliche Kritik Hathaways, zitiert nach Littie, ASIL Proc. 90 (1996), 545, 562: ''This project [die Draft Dec1aration on Internally Displaced Persons] is an unfair and inappropriate priveleging of a subset of internal human rights victims." 19 Vgl. UN ECOSOC, Aga Khan-Study on human rights and massive exoduses, 1981, para. 5; Stavropouiou, Am.UJ.lnt'1 L. & Pol'y 9 (1994), 689, 706-709 u. 713-717 m.w.N.; Lee, AJIL 78 (1984), 480-484; ders., AJIL 81 (1987),442-444; Achennann, 131-133 u. 180/181 zur Idee der präventiv wirkenden Gefahrdungshaftung. Vgl. auch Art. 11 Abs. 2 der Draft Declaration on lntemally Dispiaced Persons, s. Anhang 11.

B. Nonnative und andere rechtliche Lösungsansätze

271

sich neben dem zumindest normativ weitgehend gelösten Sicherheitsproblem in erster Linie die Frage nach Restitutions- oder Kompensationsansprüchen der (ehemaligen) Internally Displaced Persons.

a) Die Begründung einer Pflicht zur Zulassung humanitärer Hilfe Wie bereits im Rahmen der Analyse des institutionellen Schutzes der Internally Displaced Persons festgestellt wurde, läßt sich de lege lata nicht von einer allgemeinen Rechtspflicht der Staaten zur Zulassung humanitärer Hilfe ausgehen. Hervorzuheben ist jedoch die zunehmende Bedeutung des subsidiär eingreifenden internationalen humanitären Schutzes. Können oder wollen Staaten beziehungsweise die entsprechenden De1acto-Staatsgewalten ihrer Schutzpflicht im Hinblick auf das absolut notwendige Existenzminimum der Zivilbevölkerung einschließlich der Internally Displaced Persons nicht genügen, so ist es ihnen zumindest de lege ferenda verwehrt, angebotene internationale humanitäre Hilfe willkürlich abzulehnen. 2o Kommt es beim Vorliegen einer entsprechend gravierenden Situation zu einer Ablehnung angebotener internationaler humanitärer Hilfe, so wäre dieses Vorgehen als "internationally wrongful act" zu qualifizieren. 21 Wünschenswert wäre eine normative Entwicklung des "Subsidiaritätsprinzips", nach dem internationale humanitäre Hilfe in extremen Notsituationen der Zivilbevölkerung bei gleichzeitigem staatlichem Unvermögen angenommen werden muß. Erste normative "Indizien" hinsichtlich der Entwicklung einer solchen Staatenverpflichtung lassen sich in verschiedenen Grundsätzen der Guiding Principles on Internal Displacemenr2 sowie der Draft Declaration on Internal Displaced Persons der ILN3 erkennen. Es bedarf jedoch noch einer umfassenden Beschäftigung mit der entsprechenden Ausprägung der staatlichen Verantwortlichkeit, die Vgl. o. 3. Kap. B. IV. 3. a). 226 ff. Unabhängig davon. ob es sich bei dem Verstoß des Staates um ein ..international delict" oder ein ..international crime" handelt, wären dritte Staaten als verletzt im Sinne des Art. 40 des ILC-Draft on State Responsibility zu betrachten, vgl. Art. 40 Abs. 2 lit. (e) und Art. 40 Abs. 3, UN GA. ILC Report 1996,140/141. Dies würde vor allem im Hinblick auf die mögliche Verletzung von Nonnen mit Erga-omnes-Charakter gelten. Vgl. auch die Art. 2 S. 2 der Cairo Declaration of Princip1es of International Law on Compensation to Refugees der ILA. Report of the sixty-fifth Conference, 1992, 428. im folgenden: Cairo Declaration on Compensation to Refugees. 22 Vgl. die Grundsätze 3 Abs. 1 und 25 Abs. 2 S. 1 der Guiding Principles on Internal Displacement. s. Anhang I. 23 Vgl. die Art. 10 Abs. 1 und 14 Abs. 1 der Draft Declaration on Internally Displaced Persons. Anhang 11. 20 21

272

4. Kap.: Lösungsansätze

dann nicht nur zugunsten der Internally Displaced Persons, sondern zugunsten der Zivilbevölkerung insgesamt wirksam werden könnte. Im übrigen ist zu beachten, daß die Zulassung humanitärer Hilfe das Entstehen staatlicher Verantwortlichkeit verhindern kann. Denn grenzüberschreitende Flüchtlingsströme können durchaus zu staatlicher Verantwortlichkeit der Herkunftsstaaten gegenüber den Flüchtlingen selbst sowie den Zufluchts staaten und Internationalen Organisationen führen. 24 Entsprechend kann sich der erfolgreiche Einsatz internationaler humanitärer Hilfe in doppelter Hinsicht präventiv auswirken: zum Schutz des einzelnen vor oder während des internal displacement sowie zur Verhinderung staatlicher Ersatzleistungen. Im Vordergrund sollte bei der Entscheidung über die Zulassung humanitärer Hilfe allerdings der durch diese zu gewährleistende effektive Schutz des einzelnen stehen und nicht die Absicht, ökonomische oder andere Sanktionen zu verhindern, die als Reaktionen auf "internationally wrongful acts" in Betracht kommen. 2s

b) Rechte der Internally Displaced Persons auf Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht Neben der restitutio in integrum in Form der Rückkehr an den Heimatort oder den ehemaligen gewöhnlichen Aufenthaltsort stellt sich die Frage des Bestehens weiterer Entschädigungs- oder Genugtuungsansprüche zugunsten der (ehemaligen) Internally Displaced Persons. Anspruchsgegenstand können neben dem zerstörten, beschädigten oder zwangsenteigneten Eigentum auch physische und psychische Schmerzen und Leiden sein. 26

24 V gl. allg. zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit fluchtverursachender Staaten, Hof mann, ZaöRV 45 (1985), 694-713; Tomusehat, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 59, 71-78; Achermann, 171-218jeweils m.w.N. Vgl. auch die Grundsätze 6 und 11 derILA-Declaration of Principles of International Law on Mass Expulsion, abgedruckt in: Report of the sixty-second Conference, 1986, 546-552. Skeptisch im Hinblick auf die Entlastung des Staates durch die Zulassung internationaler Hilfe, Gowlland-Debbas, 93, 120. 25 Vgl. auch Hofmann, ZaöRV 45 (1985), 694, 712/713 zur möglichen Verschlechterung der Situation der Zivilbevölkerung nach wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber den fluchtverursachenden Staaten. 26 Vgl. auch UN ECOSOC, Al-Khasawneh-Report, 1994, paras. 87-123; Fronhöfer, AVR 34 (1996), 276, 287, zu weiteren "Sekundäransprüchen", neben dem auf Unterlassung von fluchtverursachendem staatlichen Handeln gerichteten ,.primäranspruch". Zu diesen zählen nach Fronhöfer neben umfassenden Maßnahmen zur Rückkehr und Wiedereingliederung auch Verfahrensrechte zur Durchsetzung von Wiedergutmachungsansprüchen.

B. Nonnative und andere rechtliche Lösungsansätze

273

Wie bereits durch den StIGH festgestellt wurde, handelt es sich bei der Wiedergutrnachungspflicht eines Staates für völkerrechts widrige Handlungen um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Völkerrechts. 21 Der Grundsatz findet in erster Linie im zwischenstaatlichen Kontext Anwendung. 28 Darüber hinaus besteht ein umfangreiches völkerrechtliches Instrumentarium, nach dem dem einzelnen Ansprüche gegenüber dem völkerrechtswidrig handelnden Staat zustehen können. Zu nennen sind internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte, das humanitäre Völkerrecht sowie Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts. 29 Auf dieser Basis bestehen verschiedene Ansätze, Flüchtlingen und anderen Opfern schwerer Menschenrechtsverletzungen Ansprüche zuzuweisen. Die Staatenpraxis ist diesen theoretischen Überlegungen bislang kaum gefolgt.30 Eine sehr interessante institutionelle Entwicklung ist in der Errichtung von United Nations Compensation Commissions zu sehen. Auf der Grundlage der Sicherheitsratsresolution 687 wurde eine entsprechende Kommission beispielsweise zu Lasten des Iraks eingerichtet. 31 Nach der Verfahrens ordnung der Kommission können (ausländische) Zivilpersonen Wiedergutrnachungsanprüche für "personal injury and mental pain and anguish" an den Irak richten. 32 Die Einrichtung der Kommission geht im Hinblick auf die Beschränkung der potentiellen AnspruchssteIler auf ausländische Staatsangehörige auf traditionelle Konzepte des Fremdenrechts zurück. Sie könnte aber einen bedeutenden Präzedenzfall für zukünftige Entwicklungen des allgemeinen Rechts der Staatenverantwortlichkeit bilden. Die Konzeption eines Anspruchs der Opfer von Menschenrechtsverletzungen ließe sich ohne weiteres auch für Internally Displaced Persons nutzbar machen. Sowohl die Guiding Principles on Internal Displacement als auch die Draft Decla ration on Internally Displaced Persons der ILA sehen bereits entsprechende

27

Vgl. StIGH, Chorzow Factory Case, PClJ, Sero A (1928), 27, 47.

28 Vgl. Art. 42-45 des ILC-Draft on State Responsibility, UN GA, ILC Report 1996, 141-143; Tomusehat, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 59, 64/65.

29 Vgl. UN ECOSOC, van Boven-Study, 1993, paras. 26-49 U. 137; Lee, AJIL 80 (1986),532,537-552; UN ECOSOC, AI-Kasawneh-Report, 1994, paras. 87-105; Gowlland-Debbas, 93, 101-117; Achennann, 153-157; vgl. auch die wiederholt bestätigte Resolution 194 der VN-Generalversamrnlung vom 11. Dezember 1948, A1RES/194 (111), bzgl. der Flüchtlinge aus Palästina und die Cairo Declaration on Compensation to Refugees der ILA, S. O. Anm. 21. 30 Vgl. Tomuschat, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 59, 65-68; Achennann, 156/157. 31 Vgl. Achennann, 157-159 m.w.N.; Henckaerts, 188/189; ILA, Report and Draft Declaration for consideration at the 1998 Conference, 14; Bäckstiegel, VN 1997, 89-93. 32 Vgl. Henckaerts, 188, zur Entscheidung 3 der Compensation Commission vom 18. Oktober 1991, abgedruckt in: ILM 31 (1992),1028; vgl. auch Bäckstiegei, VN 1997, 89. 18 Geißler

274

4. Kap.: Lösungsansätze

Ansprüche vor. 33 Insgesamt bedarf die Frage aber schon aufgrund der nur abgeleiteten Völkerrechtssubjektivität des einzelnen noch der vertiefenden Untersuchung. 34

2. Das völkerrechtliche Strafrecht a) Der Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind der ILC Im Juli 1996 nahm die ILC den Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind an. 35 Mit der Annahme des Code ofCrimes wurde ein bereits 1947 begonnener und in der Folgezeit wiederholt unterbrochender Kodifikationsprozeß erfolgreich beendet. 36 Hinsichtlich der Rechtsnatur des Code of Crimes ist zu beachten, daß er keine verbindliche Rechtsquelle des Völkerrechts darstellt, und vor dem Hintergrund der Bestrebungen zur Schaffung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs aller Voraussicht nach auch nicht die Form einer Konvention annehmen wird. 37 Ausschlaggebend ist hierbei, daß das Statut des geplanten Internationalen Strafgerichtshofs auch Regelungen zur materiellen Zuständigkeit enthält und damit inzident einen internationalen Strafrechtskatalog. 33 Vgl. Grundsatz 29 Abs. 2 der Guiding Principles und Art. 9 der Draft Declaration, s. Anhang I u. 11. Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten, vor allem der Frage des Verhältnisses zu Normen des nationalen Rechts, die unter Umständen entschädigungslose Enteignungen zulassen, vgl. Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 297; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Compilation, 1995, paras. 269-278, 284; GoldmanlKälin, in: CohenIDeng (Hg.), 108/109 jeweils m.w.N. 34 V gl. Tomuschat, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 59, 63 m.w.N. Eine der Schlußfolgerungen van Bovens in seiner Studie zu Ersatzleistungen für schwere Menschenrechtsverletzungen lautet: "In spite of the existence of relevant international standards to that effect, the perspective ofthe victim is often overlooked. It appears that many authorities consider this perspective a complication, an inconvenience and a marginal phenomenon. Therefore, it cannot be stressed enough, that more systematic attention has to be given ... to the implementation of the right to reparation for victims of gross violations of human rights.", vgl. UN ECOSOC, van Boven-Study, 1993, para. 133. 3S Vgl. UN GA, ILC Report 1996,4, 13. 36 Vgl. zur Entstehungsgeschichte UN GA, ILC Report 1996, 9-13; Reichert, ZRP 1996,134-137; Tomusehat, EuGRZ 1998,1,1/2. 37 Vgl. UN GA, ILC Report 1996, 13, mit dem Hinweis auf die mögliche zukünftige Rechtsnatur des Code of Crimes. Genannt werden die Modelle einer Konvention, des Code ofCrimes als Bestandteil des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs sowie die Form einer Deklaration. Die Entscheidung über die geeignetste Form sollte nach den Vorstellungen der ILC durch die Generalversammlung der VN getroffen werden, ILC Report 1996, 14.

B. Normative und andere rechtliche Lösungsansätze

275

Die einschlägigen Tatbestände des Code 01 Crimes zum Schutz der Zivilbevölkerung sowie der Internally Displaced Persons wurden bereits im Rahmen der Analyse des nonnativen Schutzes dargestellt. Neben der Normierung der aus Sicht der Völkerrechtsgemeinschaft gravierendsten Tatbestände, ist vor allem die Bekräftigung des Grundsatzes der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit hervorzuheben. 38 Denn die wesentlichen Funktionen des Code olCrimes werden in Zukunft voraussichtlich darin bestehen, daß er dem geschriebenen und ungeschriebenen Recht der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit zusätzlichen Ausdruck verschafft und zu dessen konkretisierender Interpretation beiträgt. In diesem Sinne geht Tomuschat wohl zutreffend davon aus, daß sich der Code 01 Crimes "als Referenzwerk für den Stand der gewohnheitsrechtlichen Entwicklung" behaupten werde. 39 Ob sich der Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit für schwere Verstöße gegen menschenrechtliche und hurnanitärrechtliche Prinzipien tatsächlich durchsetzen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die dafür notwendigen institutionellen Voraussetzungen in Form eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs geschaffen werden. Denn erst dann wird eine faktische Erhöhung des Schutzes des einzelnen sowie der Internally Displaced Persons spürbar. 40

b) Der ständige Internationale Strafgerichtshof Am 17. Juli 1998 verabschiedete eine Staatenkonferenz der VN in Rom das Statut eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs. 41 Der Inhalt des Statuts kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht angemessen behandelt werden. 42 Es sollen daher nur einige allgemeine Überlegungen im Hinblick auf die Erweiterung des Schutzes der Internally Displaced Persons durch den noch zu errichtenden Internationalen Strafgerichtshof angestellt werden. Die Bedeutung eines Internationalen Strafgerichtshofs liegt in erster Linie in dessen abschreckender und repressiver Wirkung. Hinzu kommt eine gewisse Befriedungsfunktion, die in einer von internen Konflikten zerrissenen Gesellschaft 38 Vgl. Thürer, SZIER 1993,491,507,510; Tomuschat, EuGRZ 1998, 1,2 sowie 0.2. Kap. A. H. 1.,64/65, vgl. auch Art. 19 der Turku Declaration, Anhang III. 39 Tomusehat, EuGRZ 1998, 1,7. 40 Vgl. UNHCR, Report 1997/98, 135; vgl. auch a11g. Reichert, ZRP 1996, 134, 137 u. Thürer, SZIER 1993,491,514-517. 41 Vgl. UN AlCONF.l83/9 vom 17. Juli 1998. 42 Zu einer ersten Einschätzung des ..Durchbruchs von Rom" vgl. Kaul, VN 1998, 125-130 sowie Tomuschat, Friedenswarte 1998,335-347.

276

4. Kap.: Lösungsansätze

einen großen Stellenwert einnehmen und die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden kann. 43 Dabei darf die internationale Strafgerichtsbarkeit bei der Ahndung und Aufarbeitung des Geschehens keineswegs alleine stehen. 44 Allgemein darf die praktische Wirksamkeit eines internationalen Strafgerichts nicht überschätzt werden. Dennoch könnte der ständige Internationale Stragerichtshof der "rule of law" im Rahmen der Völkerrechtsordnung eine verstärkte Geltung verschaffen. Speziell vor dem Hintergrund der bestehenden Lücken und Schwächen des internationalen Menschenrechtsschutzes im Bereich der Durchsetzung kann der Internationale Strafgerichtshof zu einem bedeutenden zusätzlichen Instrument werden. Neben zahlreichen offenen strukturellen Fragen, die im Extremfall zu einem Scheitern der Konferenz führen konnten4S , bestand lange keine Klarheit über den genauen Umfang der materiellen Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Nach den Art. 5-8 des Statuts von Rom wird sich die materielle Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs nunmehr jedenfalls auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Kriegsverbrechen erstrecken, wenn nationale Gerichte zu Aburteilung der Taten nicht bereit oder in der Lage sind (Grundsatz der Komplementarität46 ). Hinzu kommt unter Umständen der für den Schutz der Internally Displaced Persons nur zweitrangige Tatbestand der Aggression. 47 Zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit zählen gemäß Art. 7 Abs. llit. d) des Statuts von Rom auch völkerrechts widrige Zwangsumsiedlungen innerhalb eines Staates.48 Bis zum Schluß der Verhandlungen war umstritten, welche der in nicht-internationalen Konflikten begangenen Kriegsverbrechen in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fallen sollten. 49 In den vor und während der Konferenz von Rom zu beobachtenden Widerständen einzelner Staaten spiegelte sich damit die bereits bei den Vorarbeiten der ILC zum Code 01 Crimes zu beobachtende Zurückhaltung hinsichtlich der internationalen Strafbarkeit entsprechender De-

Vgl. GeißlerlLüthke, 135. Vgl. Meron, AJIL 89 (1995), 554, 556. 45 Zu nennen sind die konkreten Kompetenzen des Sicherheitsrates der VN, die Frage der automatischen Zuständigkeit des Gerichtshofs im Sinne des Weltrechtsprinzips sowie die Frage der Ex-officio-Befugnis der Anklagebehörde; vgl. hierzu näher GeißlerlLüthke, 135,138-144; Kaul, HRU 18, (1997), 169-174; ders., VN 1998,125; Tomusehat, Friedenswarte 1998,335; Zimmermann, ZaöRV 58 (1998), 47,84-95. 43

44

V gl. Präambel sowie Art 17 des Statuts von Rom. Vgl. Art. 5 Abs. 2 sowie Art. 121-123 des Statuts von Rom. 48 Vgl. auch Art. 18 lit. (g) des Code 0/ Crimes der ILC, UN GA, ILC Report 1996, 94. 49 Vgl. Zimmermann, ZaöRV 58 (1998), 47, 71-73. 46

47

C. Institutionelle und operative Lösungsansätze

277

lilete wider. 50 Die nunmehr in Art. 8 des Statuts von Rom verabschiedete Auflistung der Kriegsverbrechen stellt nicht-internationale Konflikte den internationalen Konflikten weitgehend gleich. 51 Die somit insgesamt recht weit gefaßte materielle Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs kann für den Schutz der Internally Displaced Persons von großer Bedeutung sein. Es gilt daher, den Impuls der "großen zivilisatorischen Kodifikationsleistung"52 aufzunehmen, und die bis zum Inkrafttreten des Statuts von Rom und der endgültigen Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs noch bestehenden Schwierigkeiten bald zu überwinden. 53

c. Institutionelle und operative Lösungsansätze Ungeachtet der umfangreichen Hilfs- und Schutzaktivitäten des UNHCR sowie des IKRK zugunsten der Internally Displaced Persons, wird den Opfern innerer Unruhen und bewaffneter Konflikte in zahlreichen Notsituationen kein angemessener Mindestschutz gewährt. Dies gilt in besonderem Maße für den Schutz der Internally Displaced Persons. 54 Die Gründe hierfür liegen nicht nur in der mitunter fehlenden Zustimmung der Staaten, humanitäre Dienste durch internationale Organisationen zuzulassen. Als weiterer wesentlicher Grund kommt vor allem die mangelhafte Koordination der humanitären Ad-hoc-Einsätze bei allgemein knappen Ressourcen der Hilfsorganisationen hinzu. Die Hilfsorganisationen stehen zudem in einem im Hinblick auf die Not der Adressaten kaum nachzuvollziehenden Konkurrenzverhältnis. 55 Die Bemühungen um finanzielle Zuwendungen durch Staaten und private Haushalte sowie der Drang nach Anerkennung und interna50 V gl. hiezu bereits o. 2. Kap. B. III. 4., 85. Vgl. auch Meron, AJIL 89 (1995), 554-577; Blakesley, DenJ.lnt'l L.& Pol'y 25 (1997),233,251-253. 51 Vgl. im einzelnen Art. 8 Abs. 2lit. c) und e) des Statuts von Rom sowie Tomuschat, Friedenswarte 1998,335,339. 52 Vgl. Kaul, VN 1998, 125, 129. 53 Hierzu zählen u. a. die Erarbeitung einer Verfahrensordnung des Gerichtshofs, die Konkretisierung der Definitionen einzelner Tatbestände sowie die Aufstellung eines Haushaltes sowie von Finanzregelungen, vgl. Kaul, VN 1998, 125, 130. 54 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 175; CoheniCuenod, in: Lavoyer (Hg.), 53,54; Kleine-Ahlbrandt, 66-69 zum Beispiel Ruandas; Human Rights Watch, Failing the internally displaced, 1,26/27 zum Beispiel Kenias, vgl. auch Forsythe, IRRC 1996,512, 520. 55 V gl. Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 300/301; vgl. auch CoheniDeng, 161/162, die daraufhin weisen, daß sich viele Organisationen nur ungern koordinieren lassen und häufig bevorzugt eigene Interesssen verfolgen.

278

4. Kap.: Lösungsansätze

tionaler Aufmerksamkeit mögen einige Bestandteile der Erklärungsmuster sein. Cohen und Cuenod, die den institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons am bislang umfangreichsten untersucht haben, führen hierzu zusammenfassend aus: The overall result is a highly uneven international response in which the needs of the internally displaced are met in varying degrees in some countries but are largely neglected in others. 56

Vor diesem Hintergrund und der bislang fehlenden ausschließlichen Zuständigkeit eines Organs der VN zugunsten der Internally Displaced Persons, ergibt sich die dringende Notwendigkeit der Koordinierung der jeweiligen Aufgaben und Einsätze. Erste Lösungsansätze in der Form institutioneller Zusammenarbeit sind auf internationaler und auf regionaler Ebene zu beobachten. Die zu diesem Zwecke eingerichteten Gremien und ihre möglichen Funktionen sollen im folgenden dargestellt werden. Im Hinblick auf operative Einsätze zugunsten der Internally Displaced Persons werden in erster Linie die verschiedenen Formen der "in-country protection" diskutiert. Hierbei spielt das Konzept der sogenannten Schutzzonen eine bedeutende Rolle, was sich auch an der jüngeren Staatenpraxis ablesen läßt. Mit der Einrichtung von safe areas, die häufig im Zusammenhang mit "humanitären Interventionen" stehen, sind sowohl Chancen als auch Risiken verbunden. Vor diesem Hintergrund sollen Kriterien für einen wirksamen Einsatz des Konzepts entwickelt werden.

I. Koordination und Zusammenarbeit auf internationaler und regionaler Ebene Eine der wesentlichen Schlußfolgerungen aller vorliegenden Studien und Analysen zum Schutz der Internally Displaced Persons besteht darin, daß die Koordination und Zusammenarbeit zwischen den humanitären Organsationen verbessert werden muß. 57 Die Bedeutung der Kooperation auf internationaler und regionaler

CoheniCuenod, in: Lavoyer (Hg.), 53, 54. Vgl. UN ECOSOC, Cuenod-Report, 1991, paras. 129-134; CoheniCuenod, in: Lavoyer (Hg.), 53, 54; Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 301; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 179; Kleine-Ahlbrandt, 103-106; Human Rights Watch, Failing the internally displaced, 13. 56

57

C. Institutionelle und operative Lösungsansätze

279

Ebene wird auch in der Draft Declaration on Internally Displaced Persons der ILA betont. 58

I. Keine Chance auf eine neue IGO zugunsten der Internally Displaced Persons

Dies gilt um so mehr, da es in absehbarer Zeit im Rahmen der VN nicht zur Errichtung einer Unterorganisation oder eines Spezialorganes kommen wird, welches ausschließlich für den Schutz der Internally Displaced Persons zuständig wäre. 59 Entsprechende Vorschläge haben innerhalb der VN wenig Anerkennung gefunden, da Resourcen fehlten und dies nur zu weiteren Überschneidungen mit den Mandaten der bereits bestehenden Organisationen und Spezialorgane führen würde. 60 Hinzu kommt, daß die umfangreichen Belange der Internally Displaced Persons eine einzelne Organisation deutlich überfordern würden. 6 ! Auch die wiederholt vorgeschlagene normativ abgesicherte Ausdehnung des Mandats des UNHCR zugunsten der Internally Displaced Persons hat keine Aussicht auf Erfolg. 62 Notwendig ist daher eine umfassende Strategie innerhalb der VN sowie auf regionaler Ebene, um auf die personellen und materiellen Herausforderungen des internal displacement angemessen reagieren zu können. 63 Dabei müssen neben den durch humanitäre Hilfe abzudeckenden Belangen der

58 V gl. Art. 11 Abs. 2 der ILA-DraJt Declaration, s. Anhang 11, der sich an die Staaten richtet sowie Art. 12, der folgenden Wortlaut hat: States, de facto authorities, the United Nations and other international organizations, both governmental (including regional) and nongovernmental, shal1 al1 cooperate with one another to establish and maintain appropriate institutional arrangements to implement the provisions of this Dec1aration. 59 V gl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1996, para. 16; Cohen, in: HenkinIHargrove (Hg.), 17, 21; CohenlCuenod, Improving institutional arrangements for the internal1y disp1aced, 78/79. 60 V gl. CohenlCuenod, in: Lavoyer (Hg.), 53, 55; Plender, in: Gowlland-Debbas (Hg.), 119,132; CohenlDeng, 168/169. 61 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 10 u. Deng-Report, 1995, para. 199. 62 V gl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 200; CohenlCuenod, Improving institutional arrangements for the internal1y displaced, 79/80; Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 433. Wenig aussichtsreich erscheint darüber hinaus der sog...two-agency-approach", nach dem sich der UNHCHR mit Fragen des Rechtsschutzes und das DHA mit der Koordinierung der humanitären Hilfe befassen sollte, vgl. CohenlCuenod, 80/81. Zur möglichen Ausdehnung des UNICEF-Mandats vgl. CohenlDeng, 171. Zu den Einwänden des UNHCR vgl. auch o. 3. Kap. C. V., 254 ff. 63 Vgl. Goldmann, in: IIDHlUNHCR (Hg.), 281, 291/292.

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4. Kap.: Lösungsansätze

Internally Displaced Persons stets auch die notwendigen und in der Praxis oft vernachlässigten Rechtsschutzmaßnahmen berücksichtigt werden. 64

2. Internationale und regionale Ansätze

Seit das Phänomen des interna I displacement mit dem Beginn der 90er Jahre verstärkt in das öffentliche Bewußtsein gerückt ist, befassen sich diverse Gremien auf internationaler und auf regionaler Ebene verstärkt mit Methoden zur nachhaltigen Bekämpfung der Ursachen sowie der Auswirkungen von innerstaatlicher Flucht und Vertreibung für Internally Displaced Persons.

a) Das Inter-Agency Standing Comrnittee der VN Im Rahmen der VN hat das 1992 geschaffene Departrnent of Humanitarian Affairs (DHA) in Genf ein Inter-Agency Standing Comrnittee (IASC) eingerichtet. 65 Dessen Aufgabe besteht im wesentlichen darin, eine effektive Arbeitsteilung der verschiedenen Organe und Programme der VN zu erreichen, die dort jeweils auf höchster Ebene vertreten sind. 66 Eine Arbeitsgruppe des IASC befaßt sich ausschließlich mit dem Rechtsschutz und der humanitären Hilfe zugunsten der Internally Displaced Persons. An der Arbeit dieser "Task Force on Internally Displaced Persons" sind unter anderen UNHCR, UNDP, WFP, 10M und UNICEF beteiligt. Daneben sind der Sonderberichterstatter des VN-Generalsekretärs Deng sowie verschiedene NGOs in die Arbeit des IASC eingebunden. 67

64 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, paras. 12/13; Deng-Report, 1995, paras. 180-184; CoheniCuenod, Improving institutional arrangements for the internally displaced, 7 u. 54-57; CoheniDeng, 176-181. 65 V gl. Brandrup, in: Lavoyer (Hg.), 68, 68/69. Das Mandat des DHA selbst geht auf die Resolution 461182 der Generalversammlung der VN zurück, vgl. UN AlRES/461182 vom 19. Dezember 1991. Es wurde 1997 durch ein kleineres Büro, das Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), ersetzt, vgl. CoheniDeng, 143. 66Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995,paras.1701171 U.176-179. 67 Zu den NGOs zählt vor allem auch das für den Schutz der Internally Displaced Persons bedeutsame IKRK. Andere NGOs werden durch den International Council for Voluntary Agencies (ICV A) vertreten, vgl. Borgen, The protection of internally displaced persons by the Norwegian Refugee Council, 16. Die enge Verbindung der Tätigkeiten Dengs und des IASC äußert sich auch darin, daß das IASC Dengs Studien sowie die Guiding Principles on Internal Displacement in die Arbeit miteinbezieht, vgl. UN CHRlRESI1998/50 vom 17. April 1998.

C. Institutionelle und operative Lösungsansätze

281

Die Aufgabe des IASC wird in Zukunft vor allem darin bestehen, die spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten der einzelnen Organisationen zu analysieren und in Form zusammenhängender Einsatzpläne umzusetzen. Diese Pläne müssen sämtliche Phasen der Flucht und Vertreibung berücksichtigen und am Ziel der Erreichung dauerhafter Lösungen orientiert sein. Ein wesentliches Anliegen der Planungen sollte die Nutzung der komparativen Vorteile der einzelnen Organisationen sein, wobei vor allem auch die individuellen Fähigkeiten der NGOs zu berücksichtigen sind. 68 Die eigentliche "Bewährungsprobe" dieser Einsatzpläne erfolgt dann bei konkreten Einsätzen zugunsten der Internally Displaced Persons auf dem sogenanntenfield level, also unmittelbar vor Ort. Auf das Bestreben des IASC hin, hat das DHA im Dezember 1994 den Emergency Relief Coordinator zur zentralen Stelle der Koordinierung der Einsätze der VN in sich entwickelnden oder akuten Situationen des internal displacement bestimmt. 69 Der Emergency Relief Coordinator ist einer der Untersekretäre des Generalsekretärs der VN, womit die hervorgehobene Behandlung des Phänomens deutlich unterstrichen wird. Eine Evaluierung seiner Tätigkeit steht noch aus. Cohen und Cuenod äußern sich zurückhaltend zu diesem Vorhaben: This system-wide approach in which existing capacities are mobilized by a central point is new and needs to be tested. Strong leadership will need to be demonstrated by the Standing Cornrnittee and its Task Force and proof of its ability to address situations of internal dis placement will need to be shown. Leadership in particular will be needed in the field ... 70 Insgesamt gesehen ist die Koordinierung auf der Ebene des gesamten Systems der VN eine dringend gebotene Methode, um einen effektiveren institutionellen Schutz der Internally Displaced Persons zu erreichen. 71

68 Vgl. Cohen, Human rights protection for internally displaced persons, 9-15; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 179; Goldman, in: IIDHlUNHCR (Hg.), 281, 301-303; ders., in: Essays in honour of Buergenthal, 517, 545-548; CoheniDeng, 143-151. 69 Vgl. Brandrup, in: Lavoyer (Hg.), 68, 69-71; vgl. auch Kommentar zu Art. 12 der Draft Declaration on lntemally Displaced Persons der ILA, Report and Draft Declaration for consideration at the 1998 Conference, 19. 70 CoheniCuenod, in: Lavoyer (Hg.), 53, 55; vgl. auch UN ECOSOC, Deng-Report, 1996, paras. 22-26. 71 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1996, para. 20; CoheniCuenod, in: Lavoyer (Hg.), 53,55; dies., Improving institutional arrangements for the internally displaced, 51-54 u. 81182; vgl. auch Macalister-Smith, der auf die Hindernisse der Koordinierung hinweist, namentlich die erhebliche Autonomie vieler Sonderorganisationen sowie die Schwierigkeit, im Einzelfall festzulegen, "who shall coordinate and who shall be coordinated.", in: Kalshoven (Hg.), 99, 110/111; ders., IRRC 1987,501-508.

282

4. Kap.: Lösungsansätze

Die politischen und administrativen Bemühungen der VN sollten sich jedoch nicht auf die internationale Ebene beschränken, da sich viele Flucht- und Migrationsfragen nur im spezifischen regionalen Kontext dauerhaft lösen lassen. Hierzu ist es allerdings erforderlich, daß die VN bereit sind, einige der durch Sonderorganisationen oder Spezialorgane übernommenen Aufgaben dauerhaft zu delegieren oder aufzugeben.

b) Die Consulta Permanente sobre Desplazamiento Interno en las Americas Auf regionaler Ebene verdient die Ende 1992 ins Leben gerufene Consulta Permanente sobre Desplazamiento Interno en las Americas (CPDIAf 2 besondere Erwähnung. Sie stellt einen prinzipiell informellen Zusammenschluß der wichtigsten auf dem amerikanischen Kontinent vertretenen VN-Organisationen sowie einiger NGOs und unabhängiger Experten dar. 73 Sitz des Sekretariats ist das Interamerikanische Menschenrechtsinstitut in San Jose, Costa Rica. Zu den Hauptaufgaben der CPDIA zählt, neben der allgemeinen Förderung der Menschenrechte der Internally Displaced Persons, die Koordinierung zwischen den beteiligten Organisationen und die Entwicklung von Frühwarnsystemen im Hinblick auf drohende Situationen des internat displacement. 74 Die CPDIA hat bereits mehrere Missionen nach Kolumbien und Guatemala durchgeführt, in denen die spezifischen Belange der Internally Displaced Persons analysiert und den für deren Schutz entscheidenden Akteuren zugänglich gemacht wurden. 75 Die Ad-hoc-Natur des Zusammenschlusses hat die Arbeitsfähigkeit der CPDIA nach den bisherigen Erfahrungen nicht beeinträchtigt. Vor allem im Fall Kolumbiens kam es zu sehr positiv zu bewertenden Absprachen zwischen den verschiedenen zugunsten der Internally Displaced Persons tätigen Organisationen. Die CPDIA stellt somit ein nachahmenswertes Modell der regionalen Zusammenarbeit internationaler und nationaler Regierungs- und Nichtregierungsorgani-

72 Ständige Konsultativgruppe zu Fragen der Binnenflucht und -vertreibung in den Amerikas (Übersetzung durch den Verfasser). 73 Zu den Mitgliedsorganisationen oder Körperschaften der CPDIA zählen UNHCR, UNDP, UNICEF, WFP, 10M, IIHR, die Interamerikanische Menschenrechtskommission sowie das IKRK mit Beobachterstatus, vgl. Goldman, in: IIDH/UNHCR (Hg.), 281, 293/294. 74 Vgl. Goldman, in: IIDH/UNHCR (Hg.), 281, 294/295. 75 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 216/217; Goldman, in: IIDH/UNHCR (Hg.), 281, 294-297.

C. Institutionelle und operative Lösungsansätze

283

sationen dar. 76 Die Übertragung des Modells auf andere Regionen, die mit dem Phänomen des internal displacement konfrontiert werden, sollte ernsthaft in Erwägung gezogen werden. 77

11. Operative Lösungsansätze 1. Safe areas - Chancen und Gefahren Unter den allgemein schwierigen Bedingungen humanitärer Einsätze im Rahmen innerer Unruhen und bewaffneter Konflikte, verspricht ein humanitärer Einsatz in der Regel nur dann erfolgreich zu sein, wenn mit den Konfliktparteien Vereinbarungen über den Zugang zur betroffenen Bevölkerung und die Modalitäten des Einsatzes ausgehandelt wurden. 78 Nicht immer gelingt es jedoch, alle Konfliktparteien von der Notwendigkeit humanitärer Einsätze zu überzeugen. Dies hat zur Folge, daß Rechtsschutz und humanitäre Hilfe unter Umständen gar nicht oder nur unter sehr schwierigen und gefährlichen Bedingungen für Personal und Material geleistet werden können. 79 Hieran schließt sich unmittelbar die Frage nach Legitimität und Funktion sogenannter humanitärer Interventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung an. Auf die mit dem Einsatz humanitärer Interventionen generell zusammenhängenden Problemfelder wurde bereits hingewiesen. 8o Ein Teilaspekt des Einsatzes multinationaler militärischer Verbände hat speziell im Hinblick auf den Schutz der Internally Displaced Persons besondere Aufmerksamkeit erlangt. Es handelt sich um das Konzept sogenannter Schutzzonen zugunsten der notleidenden Bevölkerung im eigenen Land. Hinter den zahlreichen dafür verwandten Bezeichnungen81 steht 76 Vgl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, para. 215; Kommentar zu Art. 12 der Draft Declaration on intemally displaced persons der ILA, Report and draft Declaration for consideration at the 1998 Conference, 19/20; CohenlDeng, 232 sprechen von einem einzigartigen Beispiel eines regionalen Ansatzes zur Lösung des internal displacement. 77 Vgl. auch Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 301, zur möglichen Rolle des Humanitären Büros der Europäischen Kommission (ECHO) und UN ECOSOC, Deng-Report, 1997, para. 26, UN ECOSOC, Deng-Report, 1995, paras. 220-227 u. Cohen, in: HenkinIHargrove, 17, 34/35, zu denkbaren und bereits praktizierten institutionellen Ansätzen im amerikanischen, afrikanischen und europäischen Raum. 78 Vgl. UNHCR, Report 1997/98, 138; vgl auch 0.3. Kap. B. III. 4. b), 208 ff. 79 Vgl. UNHCR, Report 1997/98,138; vgl. auch allg. o. 3. Kap. B. III. 3. c) (1), 200 ff. 80 Vgl. o. 3. Kap. B. III. 3. c) (2) (a), 202 ff.. 81 Verwandt werden u. a. die im wesentlichen synonymen Begriffe der "safe areas", "safety zones", "safe haven zones" sowie "open relief centers" und "safe corridors", vgl.

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4. Kap.: Lösungsansätze

ein auf den ersten Blick überzeugender Ansatz der "in-country-protection": Ein bestimmtes Gebiet wird von den Kampfzonen räumlich getrennt und unter Schutz vor militärischen Angriffen gestellt. Der Schutz kann im Einzelfall durch den Einsatz multinationaler militärischer Truppen garantiert werden. Gleichzeitig kann die im geschützten Gebiet lebende oder sich dort vorübergehend aufhaltende Bevölkerung von humanitären Organisationen versorgt werden. Die staatlichen und! oder nichtstaatlichen humanitären Organisationen können im Rahmen ihrer Kapazitäten Soforthilfe-, Rückführungs- oder Reintegrationsprogramme durchführen. Gleichzeitig können Informationen über Menschenrechtsverletzungen gesammelt oder erste Entwicklungsmaßnahmen eingeleitet werden. Der potentielle Wert der safe areas läßt sich nach Tiso an drei Kriterien ablesen: Als wichtigstes Kriterium könnten safe areas einen effektiven Schutz der verfolgten oder berdrohten Zivilbevölkerung bieten. Zudem könne die Suche nach Lösungen der Flüchtlingsprobleme heimatnah und ohne Auswirkungen auf die Nachbarregionen unternommen werden. Nicht zuletzt erhöhe sich durch den Verbleib in der Heimatregion die Wahrscheinlichkeit ausgehandelter Friedenslösungen. 82 Vor diesem Hintergrund spricht eine gewichtige Vermutung dafür, daß der Einsatz von Schutzzonen auch zugunsten der Internally Displaced Persons einen sinnvollen Lösungsansatz darstellt. Bei kritischer Bewertung der jüngeren Staatenpraxis läßt sich diese Vermutungjedoch nur bedingt aufrechterhalten. Denn zu häufig entstanden durch die Errichtung von Sicherheits zonen zusätzliche Gefahren für die geschützte Bevölkerung. Die Angriffe bosnischer Serben auf die durch den Sicherheitsrat eingerichteten Schutzzonen von Srebrenica und Zepa83 in Bosnien-Herzogowina 1995 sind zwei deutliche Belege hierfür. 84 Es stellt sich daher die Frage nach den Bedingungen, die ein Einsatz von Schutzzonen erfüllen muß, um einen überzeugenden Lösungsansatz zum Schutz der Internally Displaced Persons darzustellen. 85 Landgren, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996, 16. 82 Vgl. Tiso, Geo.Imrnigr.L.J. 8 (1994), 575, 590-593. 83 V gl. UN SIRES/818 vom 16. April 1993 bzgl. Srebrenica sowie UN SIRES/824 vom 6. Mai 1993 bzgl. Goradze, Zepa, Tuz1a, Bihac und Sarajewo. 84 V gl. UNHCR, Report 1997/98, 143/144. V gl. auch ILA, Report and Draft Dec1aration for consideration at the 1998 Conference, 22. 8S Die Formulierung des Art. 14 Abs. 3 der Draft Declaration on lntemally Displaced Persons der ILA, s. Anhang 11, "Safe areas may be estab1ished where appropriate", ist sehr offen. Die als möglich bezeichneten Voraussetzungen folgen erst aus der Kommentierung des Art. 14: (a) the existence ofsituations which are like1y to threaten the lives and freedom of IDPs; (b) adetermination by an international organization to establish safe areas; (c) the

C. Institutionelle und operative Lösungsansätze

285

2. Voraussetzungen wirksamer safe areas a) Das Konzept der safe areas im humanitären Völkerrecht und in der jüngeren Staatenpraxis Bevor auf einige konkrete Bedingungen wirksamer safe areas eingegangen werden kann, ist auf eine grundlegende Unterscheidung hinzuweisen. Im humanitären Völkerrecht zur Regelung internationaler Konflikte finden sich vereinzelt Vorschriften, die sich auf das Konzept von Schutzzonen beziehen. 86 Sicherheitszonen im Sinne des humanitären Völkerrechts werden danach nur dann anerkannt, wenn deren Einrichtung von allen beteiligten Konfliktparteien beschlossen wurde. Es handelt sich demnach um prinzipiell freiwillige Vereinbarungen. Als Vermittler der Vereinbarungen über Schutzzonen und zur späteren Überwachung tritt in der Regel das IKRK auf. 87 Schutzzonen im Sinne des humanitären Völkerrechts sind von den seit 1991 wiederholt durch den Sicherheitsrat der VN erzwungenen Schutzzonen deutlich zu unterscheiden. Denn die im Nord-Irak 1991 88 oder im ehemaligen Jugoslawien 1993 eingerichteten Schutzzonen stellten Zwangsmaßnahmen nach dem VII. Kapitel der VN-Charta dar, die den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts für Schutzzonen nicht entsprachen. 89 Die Einrichtung entsprechender Schutzzonen setzt andere, gleichsam schärfere Bedingungen voraus, da ein Bruch oder eine Bedrohung des Friedens im Sinne des Art. 39 VN-Charta vorliegen muß und die Zuconsent of the territorial State; (d) an agreement between the international organizations concerned and the territorial State, vgl. ILA, Report and Draft Declaration for consideration at the 1998 Conference, 22. 86 Vgl. Art. 14 ("Hospital and safety zones and localities") u. 15 ("Neutralized zones") IV. GK, Art. 59 ("Non-defended localities") u. 60 ("Demilitarized zones") des I. Protkolls; vgl. Pictet, Commentaire IV Convention de Geneve, 129-143; BothelPartsch/Solj, 375-389; PictetiPilloud, in: SandovSwinarski/Zimmermann (Hg.), paras. 2259-2318. Vgl. auch Sandoz, der auf die historischen Ursprünge des Konzepts der Schutzzonen eingeht, die sich bis zur Antike zurückverfolgen lassen, Sandoz, The establishment of safety zones for persons displaced within their country of origin, 4-9 sowie 10-17 zu den Vorschriften des humanitären Völkerrechts. 87 Vgl. Lavoyer, IRRC 1995, 162, 176 zur Schwierigkeit der Gewähr der Sicherheit der Schutzzonen durch das IKRK. 88 Vgl. UN SIRES/688 vom 5. April 1991; vgl. hierzu Adelman, URL 4 (1992), 4, 18-38; Tiso, Geo.lmmigr.LJ. 8 (1994), 575, 577-580; Freedman, Geo.lmmigr.L.J. 9 (1995),565,580-583; Franco, in: AI-NauimilMesse (Hg.), 871, 878/879. 89 Vgl. Sandoz, The establishment of safety zones for persons displaced within their country of origin, 18; Lavoyer, IRRC 1995, 162, 176; Franco, in: Al-NauimilMesse (Hg.), 871,878.

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4. Kap.: Lösungsansätze

stimmung der Konfliktparteien unerheblich ist. Im Hinblick auf Internally Displaced Persons bedeutet dies, daß sich aufgrund des großen Ausmaßes des internal displacement eine Bedrohung des Friedens ergibt - eine vielfach denkbare, wenngleich selten anerkannte Konstellation. 90

b) Gefahren für die Neutralität Auch wenn sich der Einsatz militärischer Gewalt zum Schutz der Menschenrechte nicht immer vermeiden läßt und unter bestimmten eng gefaßten Voraussetzungen auch geboten ist, sollten die nach dem VII. Kapitel eingerichteten Schutzzonen nur ausnahmsweise und als "last res ort" in Erwägung gezogen werden. 91 Denn gegen die mit militärischer Gewalt erzwungenen Schutzzonen sprechen verschiedene Erwägungen. Durch die oftmals unvermeidliche Vermengung geopolitischer und militärstrategischer Interessen einerseits sowie humanitärer Überlegungen andererseits, gerät auch ein als "humanitär" deklarierter Einsatz sehr schnell mit dem Grundsatz der Neutralität in Konflikt. Dieser Grundsatz zählt zwar nicht zu den Prinzipien der VN. Im Gegenteil ist oftmals gezieltes und zwangsläufig parteiisches Einschreiten der VN gegen ein völkerrechts widriges Verhalten eines Staates verlangt. Auf der anderen Seite ist die Wahrung der Neutralität für viele humanitäre Organisationen unabdingbare Handlungsmaxime und bildet zudem eine der zwingenden Voraussetzungen der Vereinbarkeit humanitärer Hilfe mit dem Interventionsverbot, sofern diese nicht im Rahmen einer auf das VII. Kapitel der VN-Charta gestützten Maßnahme geleistet wird. 92 Vor allem das operationeIl bedeutsame IKRK darf im Rahmen der für seine Arbeit wesentlichen Grundsätze den Boden der Neutralität nicht verlassen. 93 Humanitäre Hilfe deren unparteiischer Charakter nicht eindeutig von den Konfliktparteien anerkannt ist, läuft Gefahr, selbst zum Objekt militärischer Angriffe zu werden. Zudem geht ein gemischt militärisch-humanitärer Einsatz tendenziell zu Lasten humanitärer Erfordernisse. 94

90 Vgl. Achennann, 232-245 u. Freedman, Geo.lmmigr.L.J. 9 (1995), 565, 580-594 jeweils zu den Fällen des Irak, ehemal. Jugoslawien, Somalia, Haiti und Ruanda. Vgl. auch Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 302/303. 91 Vgl. Daudin, in: Lavoyer (Hg.), 99, 102; Hofmann, in: FS Bemhardt, 417, 433; Lewis, Geo.lmmigr.L.J. 6 (1992), 693, 717. 92 Vgl. Lavoyer, IRRe 1995, 162, 179. 93 Vgl. o. 3. Kap. D. 11, 262 ff. 94 Vgl. hierzu 0.3. Kap. B. III. 3. c) (2), 202 ff.

C. Institutionelle und operative Lösungsansätze

287

c) Die Voraussetzung der Zustimmung zur Einrichtung von safe areas Ein weiteres Argument gegen die zwangsweise Einrichtung von Schutzzonen besteht in der praktisch immanenten fehlenden Akzeptanz der Schutzzonen durch die Konfliktparteien. Werden die Konfliktparteien nicht in die Vereinbarungen über Schutzzonen miteinbezogen, entstehen zwangsläufig erhebliche Gefahren für die "geschützten Gebiete". Dies gilt vor allem dann, wenn der erforderliche politische Wille fehlt, eine zwangsweise eingerichtete Schutzzone auch unter Einsatz militärischer Gewalt aufrechtzuerhalten, wie dies etwa in Srebrenica und Zepa zu beobachten war. 9S Wesentliche Voraussetzung einer wirksamen Schutzzone ist daher der einverständliche Wille aller beteiligten Konfliktparteien. 96 Eine weitere bedeutsame Voraussetzung für den Erfolg einer Schutzzone besteht darin, daß die Zone selbst vollkommen entmilitarisiert ist. 97 Die Schutzzonen dürfen unter keinen Umständen als Aufmarsch- oder Rückzugsgebiete mißbraucht werden, wie dies in der Praxis häufig zu beobachten war. 98 Entsprechende Verbote müssen in den Vereinbarungen enthalten sein. Wer als "Schutzmacht" oder im Rahmen von good offices als Vermittler und späterer Garant der Vereinbarungen über Schutzzonen auftritt, ist ohne große Bedeutung, auch wenn vieles für neutrale oder weitgehend bündnisfreie Staaten sowie das IKRK spricht.

9S Vgl. Achermann, 237/238; Hofmann, in: Europäische Kommission (Hg.), Vol. I, 249, 303; ders., in: FS Bemhardt, 417, 428/429 zum allgemein selektiven und parteiischen Ansatz der internationalen Staatengemeinschaft und ihrer Organe. Vgl. auch Tiso, der bereits 1994 schreibt: "Recents events in Gorazde also illustrate the necessity for maintaining sufficient military forces in safe zones, possibly for substantial periods, to protect the civilian population.", Geo.lmmigr.LJ. 8 (1994), 575, 588. Vgl. auch Sandoz, The establishment of safety zones for persons displaced within their country of origin, 24/25 u. Partseh, R., Ein stiller Ort der Verzweiflung, FR vom 11. Juli 1997. 96 Vgl. Sandoz, The establishment of safety zones for persons displaced within their country of origin, 20-23; Daudin, in: Lavoyer (Hg.), 99, 101, der ausführt, daß zuverlässige Vereinbarungen im Rahmen der Konflikte in Somalia, Liberia und Sierra Leone nicht möglich gewesen wären. 91 Die seitens der bosnischen Serben nicht anerkannten Schutzzonen in Bosnien-Herzegowina wurden wiederholt von bosnischen Regierungstruppen als Militärstützpunkt in Anspruch genommen. Dadurch wurden die Schutzzonen zu legitimen Zielen bewaffneter Angriffe, vgl. UNHCR, Report 1997/98, 144; Tiso, Geo.lmmigr.L.J. 8 (1994), 575, 584-587. 98 Vgl. Landgren, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996, 16-18 zu den Fällen des Irak, Bosnien-Herzegowina sowie Ruanda.

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4. Kap.: Lösungsansätze

d) Gefahren für den Zugang zum Asyl Ein wichtiger Aspekt ist zudem die Offenhaltung der Fluchtmöglichkeit und damit des potentiellen Zugangs zum Asyl. Es überrascht in diesem Zusammenhang nicht, daß das gesteigerte Interesse der Staatengemeinschaft an der Errichtung von Schutzzonen mit der allgemein abnehmenden Tendenz zur Asylgewährung zusammenfällt.99 Es sollte hierbei jedoch unter keinen Umständen inhaltliche Verknüpfungen geben, die zur Verhinderung eines effektiven Schutzes des einzelnen führen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, daß der unmittelbare Schutz vor gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Ausland gegenüber dem vorläufigen Schutz in entmilitarisierten Zonen im Herkunftsland regelmäßig wirksamer sein wird. lOo So stellte etwa die Mehrzahl, der im ehemaligen Jugoslawien eingerichteten Schutzzonen keinen adäquaten Ersatz für das Institut des Asyls dar. 101

e) Das Modell der Open Relief Centers Ein weiterer Aspekt, der mit dem der Offenhaltung der Asylmöglichkeit eng zusammenhängt, ist die Garantie möglichst ungehinderter Bewegungsfreiheit innerhalb der Schutzzone sowie darüber hinaus. Das Modell der seit 1990 durch den UNHCR in Sri Lanka praktizierten "Open Relief Centers" (ORCs) ist unter diesem Gesichtspunkt, wie auch im übrigen vorbildlich. 102 Denn der Schutz, der innerhalb der - von den Konfliktparteien respektierten - ORCs möglich ist, ist nicht mit einer Beschränkung der Bewegungsfreiheit verbunden. 103 Die ORCs bestehen aus relativ kleinen und generell nur temporären Stationen. Die ORCs befinden sich in sowohl in den von der Regierung als auch den durch die LTTE ("Tamil Tigers") kontrollierten Gebieten. Sie sind vollständig entrniVgl. Tiso, Geo.Immigr.L.J. 8 (1994), 575, 575/576. V gl. Daudin, in: Lavoyer (Hg.), 99, 102. Vgl. auch die scharfe Kritik Hathaways, der darauf hinweist, daß der UNHCR 1995 mehr Mittel für den Schutz innerhalb des ehemaligen Jugoslawien einsetzte als in Gesamt-Afrika, obwohl sich dort im gleichen Zeitraum vierrnal soviele Flüchtlinge befanden, JRS 8 (1995), 288, 292-294. 101 Vgl. Franco, in: AI-NauimiIMesse (Hg.), 871, 880-883 u. 886. 102 Vgl. Tiso, Geo.Immigr.LJ. 8 (1994), 575, 596-600; Landgren, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996, 16, 18. 103 Vgl. Clarance, URL 3 (1991), 320, 325; vgl. auch o. 2. Kap. D.n. 1. b), 1021103 zur möglichen Beschränkung der persönlichen Freiheit in geschlossenen Internierungslagern für Internally Displaced Persons. 99

100

C. Institutionelle und operative Lösungsansätze

289

litarisiert und ethnisch gemischt. 104 Die ORCs sind zudem militärisch ungeschützt, was die Kritik einiger UNHCR-Mitarbeiter hervorgerufen hat. So sei der Schutz in den ORCs sei eine Illusion und dem Schutz durch Asyl in einem anderen Land weit unterlegen. Landgren hält dem Vorwurf des nur eingeschränkten Schutzes entgegen: These remain valid reasons not to equate safety zone protection with refugee protection. But in practice, faced with the lack of possibilities for flight and the desirability, amid a conflict that waxes and wanes, of staying dose to land and proterty, the Sri Lankans have concurred in finding a modus vivendi. lOs

An anderer Stelle fügt sie jedoch einschränkend hinzu: Safety zones are an interim measure, not a solution. 106

Die ORCs können aber durchaus als weiteres Modell des präventiven Flüchtlingsschutzes sowie des Schutzes der Internally Displaced Persons dienen und sollten vor diesem Hintergrund häufiger umgesetzt werden. 107

104 V gl. Clarance, IJRL 3 (1991), 320, 325/326; Landgren, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996, 16, 18. 105 Vgl. Landgren, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996, 16, 18. 106 Vgl. Landgren, in: UNHCR (Hg.), Refugees Nr. 1/1996,16, 19; vgl. auch Franeo, in: AI-NauimilMesse (Hg.), 871, 885. 107 Vgl. Clarance, IJRL 3 (1991), 320, 328; Tiso, Geo.lmrnigr.LJ. 8 (1994), 575, 599; UNHCR, Report 1994,148. 19 Geißler

Zusammenfassung der Ergebnisse

1. Definition der lntemally Displaced Persons Internally displaced persons sind als zivile Opfer innerer Unruhen und bewaffneter Auseinandersetzungen besonderen Bedrohungen ausgesetzt. Dies macht es erforderlich, die Internally Displaced Persons als eigene schutzbedürftige Kategorie aufzufassen, ohne ihnen damit zwangsläufig einen eigenen völkerrechtlichen Status zuzuschreiben. Um die möglichen Bedrohungsformen politisch bedingter Migration oder allgemein drohender Gewalt zu erfassen, bedarf es einer flexiblen und hinreichend weiten Definition der Internally Displaced Persons. Die Definition sollte jene Personen, die aufgrund von Infrastrukturprojekten oder Umweltkatastrophen fliehen oder zwangsumgesiedelt werden, nicht erfassen, da kein vergleichbares Bedrohungspotential zu Lasten der Menschenrechte besteht.

2. Grundlagen des nonnativen Schutzes Die wesentlichen root causes für Flucht und Vertreibung innerhalb der Grenzen des eigenen Landes folgen aus der abstrakt oder konkret drohenden Gefahr, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. Das Phänomen des internal displacement tritt insbesondere im Rahmen innerer Unruhen und nicht-internationaler Konflikte auf. Für den normativen Schutz ist daher zwischen den menschenrechtlichen Normen, die grundsätzlich in allen Konfliktlagen Anwendung finden und dem auf nicht-internationale Konflikte anwendbaren humanitären Völkerrecht zu unterscheiden. Vor allem im Hinblick auf die Derogationsmöglichkeiten menschenrechtlicher Normen und die unterschiedlichen Anwendungsschwellen der Normen des humanitären Völkerrechts ergibt sich ein abgestufter Schutz, der normative Schutzlücken zu Lasten der Internally Displaced Persons zur Folge hat. Das Fehlen effektiver Kontrollverfahren wirkt sich im humanitären Völkerrecht besonders gravierend aus. Allgemein ist zu beachten, daß keine verbindlichen völkerrechtlichen Normen bestehen, die ausschließlich auf internally displaced persons anwendbar sind.

Zusammenfassung der Ergebnisse

291

3. Der Schutz des Rechts auf Leben Der Schutz des Rechts auf Leben als dem "supreme human right" ist normativ umfassend geregelt. Das Verbot der zahlreichen faktischen Bedrohungsformen des Rechts auf Leben ergibt sich überwiegend unmittelbar aus dem Wortlaut der Normen, andernfalls im Wege der Interpretation oder aufgrund von Völkergewohnheitsrecht. So gilt etwa das Verbot des unterschiedslosen oder unverhältnismäßigen militärischen Angriffs auf Zivilpersonen qua Völkergewohnheitsrecht. Die Gefahr, daß Internally Displaced Persons im Rahmen von Maßnahmen der De- jure-Regierung zur Aufstandsbekämpfung rechtmäßig getötet werden, besteht nicht in normativer Hinsicht. Sie ist vielmehr Folge von verheerenden Fehleinschätzungen, die sie zu vermeintlich legitimen Zielen werden läßt. Die eigentliche Schutzlücke besteht demnach in der mangelnden Beachtung der normativen Vorgaben zum Schutz des Lebens.

4. Der Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit Auch der Schutz der körperlichen Unversehrtheit ist zumindest normativ erschöpfend geregelt. Das Verbot der Folter oder anderer Formen grausamer oder unmenschlicher Behandlung ist notstandsfest und hat zudem Ius-cogens-Charakter. Dies gilt inzwischen auch für das nicht expressis verbis erfaßte Verbot von Vergewaltigungen und anderen Formen sexuellen Mißbrauchs. Aus den unterschiedlichen Anwendungsschwellen der Normen des humanitären Völkerrechts ergeben sich keine Schutzlücken.

5. Der Schutz der persönlichen Freiheit Der Schutz der persönlichen Freiheit ist internationalrechtlich in verbindlicher Form nur lückenhaft geregelt. Der Schutz vor Inhaftierungen kann im Rahmen nationaler Notstände außer Kraft gesetzt werden, wobei sich das weitgehende Fehlen humanitärrechtlicher Normen erschwerend auswirkt. Ein Schutz vor "Verschwindenlassen" oder shielding ergibt sich nur implizit aus menschenrechtlichen Normen. Kinder unter 18 Jahren werden nur sehr eingeschränkt vor Zwangsrekrutierungen geschützt.

292

Zusammenfassung der Ergebnisse

6. Das Recht, nicht vertrieben zu werden Ein Recht, nicht vertrieben zu werden, läßt sich im Wege des Umkehrschlusses aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit herleiten, da es dessen negativen Ausdruck bildet. Ein ausdrücklicher menschenrechtlicher , Schutz vor Zwangsurnsiedlungen besteht nicht. Da sich dieser aber aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit und anderen relevanten Rechten herleiten läßt, besteht auch hier das Problem in der fehlenden Respektierung der Normen, wie sich arn drastischsten an Fällen der "ethnischen Säuberungen" ablesen läßt. Ein Schutz vor Flucht aufgrund abstrakter Verfolgungsgefahr besteht nur dann, wenn die Bedrohungen ein gewisses Ausmaß erreicht haben, da andernfalls eine überwiegend freiwillige Migration vorliegt. In Bürgerkriegssituationen besteht ein allgemein unzureichender Schutz der Internally Displaced Persons, da praktisch keine Regelungen zum Schutz der Bewegungsfreiheit bestehen und sich bei den Normen des 11. Protokolls das Problem der hohen Anwendungsschwelle stellt.

7. Das Recht auf Rückkehr und der Schutz vor refoulement Das Recht auf Rückkehr läßt sich ebenfalls aus dem Recht auf Bewegungsfreiheit herleiten. Das Bestehen eines umfassenden Rückkehrrechts wurde zudem in der jüngeren Staatenpraxis wiederholt bekräftigt. Hieraus läßt sich folgern, daß ein Rückkehrrecht der Internally Displaced Persons weitgehende Anerkennung im Sinne einer opinio iuris gefunden hat. Der Schutz vor refoulement läßt sich zugunsten von internally displaced persons auf dogmatisch überzeugende Weise nur aus menschenrechtlichen Normen zum Schutz des Lebens beziehungsweise der körperlichen Unversehrtheit herleiten. Eine analoge Anwendung des flüchtlingsrechtlich anerkannten refoulementVerbots scheitert an den nicht vergleichbaren Rechtslagen beider Personengruppen.

8. Der Schutz sonstiger Rechte Bei den Rechten im Zusammenhang mit der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit, die als solche umfassend geschützt ist, besteht ein normativer Regelungsbedarf hinsichtlich der Ausstattung mit Ausweispapieren. Auch das Recht auf

Zusammenfassung der Ergebnisse

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Familienzusammenführung ist nur rudimentär geregelt. Zahlreiche sonstige Rechte, wie das Recht auf Meinungsfreiheit sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind einschränkbar und nicht notstandsfest, wodurch sich gewisse Mißbrauchsgefahren ergeben. Dagegen sind das Selbstbestimmungsrecht der V ölker, das Diskriminierungsverbot sowie die Religions- und Gewissensfreiheit umfassend geschützt.

9. Die Bedeutung der Einschränkung der staatlichen Souveränität Aus dem Grundsatz der territorialen Hoheitsgewalt folgt, daß der Schutz der Internally Displaced Persons grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Heimatstaates fällt. Der Souveränitätsanspruch des Staates und der Bereich der exklusiv inneren Angelegenheiten ist jedoch nicht uneingeschränkt, denn der Staat ist hinsichtlich der Behandlung der ihm gewaltunterworfenen Individuen an zahlreiche völkerrechtliche Verpflichtungen gebunden. Diese ergeben sich aus der Ratifikation menschenrechtlicher und humanitärrechtlicher Abkommen, der Mitgliedschaft in Internationalen Organisation, insbesondere den VN, sowie aufgrund von völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen. Die zunehmende "Internationalisierung des Schutzes der Menschenrechte" führt also zu einer Reduzierung des souveränen Bereichs der domestic jurisdiction.

10. Das Spannungsverhältnis zwischen Interventionsverbot und institutionellem Schutz der Intemally Displaced Persons Der institutionelle Schutz der Internally Displaced Persons in Form von Rechtsschutz und humanitärer Hilfe steht in einem strukturellen Spannungsverhältnis mit dem Interventionsverbot. Völkerrechtlich zulässig sind das Angebot humanitärer Dienste, sofern damit keine Drohung oder Anwendung von Gewalt verbunden ist, sowie die Leistung der Dienste mit Zustimmung der De-jureStaatsgewalt. Beschränkt sich die Zustimmung im Einzelfall auf die Leistung humanitärer Hilfe, ist der damit zumindest zu erzielende De-Jacto-Rechtsschutzeffekt zu beachten. Wird die aus juristischen und praktischen Gründen bedeutsame Zustimmung zur Leistung humanitärer Dienste endgültig verweigert, so können diese grundsätzlich nicht geleistet werden. Andernfalls bestünden neben der Gefahr eines Verstoßes gegen das Interventionsverbot erhebliche Gefahren für Personal und Material humanitärer Einsätze. Ausnahmefälle stellen der Einsatz von Zwangsmaßnahmen nach dem VII. Kapitel der VN-Charta sowie die Leistung

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Zusammenfassung der Ergebnisse

humanitärer Hilfe auf dem Gebiet aufständischer Verbände dar, sofern letztere dem Einsatz zustimmen.

JJ. Zu Fragen einer staatlichen Verpflichtung zur Annahme humanitärer Hilfe sowie eines Rechts der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe

De lege lata besteht keine Rechtspflicht der Staaten, angebotene humanitäre Hilfe anzunehmen. In normativer Hinsicht ist jedoch zu berücksichtigen, daß aus menschenrechtlichen Normen zum Schutz des Lebens auch positive Schutzpflichten der Staaten resultieren. Kann ein Staat seiner Schutzpflicht nicht genügen, etwa da die nationalen Ressourcen erschöpft sind oder nicht zur Verfügung stehen, so darf er angebotene humanitäre Hilfe nicht willkürlich ablehnen. Eine entsprechende Reduzierung des staatlichen Ermessens läßt sich für den Fall nicht-internationaler Konflikte im Sinne des 11. Protokolls annehmen.

Ein Recht der Internally Displaced Persons auf humanitäre Hilfe hat in erster Linie den Aufenthaltsstaat zum Adressaten. Gegenüber dritten Akteuren humanitärer Hilfe besteht ein solches Recht de lege lata nicht, da es an einer erforderlichen Pflichtenbeziehung fehlt. Drittstaaten und Internationale Organisationen haben lediglich eine moralische Verpflichtung, notleidenden Staaten und damit auch den Internally Displaced Persons humanitäre Hilfe zu leisten.

J2. Das Mandat des UNHCR im Hinblick auf Internally Displaced Persons

Der UNHCR wurde 1972 erstmals durch den ECOSOC sowie die Generalversammlung der VN autorisiert, zugunsten von Internally Displaced Persons tätig zu werden. In der Folgezeit führte der UNHCR wiederholt Rechtsschutz- und Hilfsmaßnahmen zugunsten von Internally Displaced Persons durch. Erst mit dem massiven Anstieg der absoluten Zahlen der Internally Displaced Persons entwickelte der UNHCR konkrete Einsatzkriterien. Diese stellen insbesondere darauf ab, daß ein Bezug zu Aufgaben des Schutzes der "klassischen" Flüchtlinge besteht und durch den Einsatz zugunsten von Internally Displaced Persons das Institut des Asyls nicht untergraben wird. Da der UNHCR aus Gründen des Selbstverständnisses sowie von Kapazitätsgrenzen nicht bereit ist, die alleinige organisatorische Verantwortung zu tragen, wird es auch in Zukunft bei einer selektiven und beschränkten Wahrnehmung des faktisch um Internally Displaced Persons erweiterten Mandats bleiben.

Zusammenfassung der Ergebnisse

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13. Das Mandat des IKRK im Hinblick auf Intemally Displaced Persons Das IKRK hat als "Hüter des humanitären Völkerrechts" ein umfassendes Mandat zum Einsatz zugunsten der Opfer militärischer Konflikte. Auf der Basis humanitärrechtlicher Normen sowie organisationsinterner Vorgaben hat das IKRK damit das klarste Mandat aller internationalen humanitären staatlichen und nichtstaatlichen Organsiationen, zugunsten von Internally Displaced Persons humanitäre Hilfe und Rechtsschutz zu leisten. Da das IKRK aber gleichzeitig großen Wert auf den Grundsatz des unterschiedslosen Schutzes aller zivilen Opfer legt, ist es mit der Kategorisierung der Internally Displaced Persons als eigene schutzbedürftige Gruppierung sehr zurückhaltend. Ungeachtet dieser Einschränkung, die in erster Linie auf humanitäre Erwägungen zurückzuführen ist, unternimmt das IKRK faktisch sehr umfangreiche Hilfs- und Schutzaktivitäten zugunsten von Internally Displaced Persons. Hierbei ist die Organisation jedoch stets auf die Zustimmung der betreffenden De-jure- oder De-facto-Staatsgewalten angewiesen.

14. Normative und rechtliche Lösungsansätze zum Schutz der 1ntemally Displaced Persons Seit 1992 befassen sich zwei internationale Gremien mit der Ausarbeitung von Normen zugunsten der Internally Displaced Persons. Die vom Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der VN Deng ausgearbeiteten Guiding Principles on Internal Displacement sowie die Draft Declaration on Intemally Displaced Persons der ILA wurden jeweils im Frühjahr 1998 unterbreitet und (vorläufig) angenommen. Der Zweck der beiden Vorhaben besteht darin, die zugunsten der Internally Displaced Persons anwendbaren Rechtssätze in Form von nichtverbindlichen Normen zusammenzufassen und bestehende Schutzlücken zu schließen. Beide Konzeptionen weisen inhaltliche und strukturelle Mängel auf, die aber den Nutzen nicht insgesamt in Frage stellen. Die Rezeption der Normen durch die Staatenpraxis steht noch aus. Das Recht der Staatenverantwortlichkeit ließe sich in zwei Ausprägungen zugunsten der Internally Displaced Persons nutzbar machen: Zum einen im Hinblick auf die Begründung einer staatlichen Pflicht, in Situationen, die außerhalb der domestic jurisdiction liegen, angebotene humanitäre Hilfe anzunehmen. Zum anderen durch die Entwicklung eines Rechts der Internally Displaced Persons auf Wiedergutmachung und Entschädigung.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Funktion des völkerrechtlichen Strafrechts wird in Zukunft unter anderem darin bestehen, die für Flucht und Vertreibung von Internally Displaced Persons verantwortlichen Individuen zur Verantwortung zu ziehen. Institutionell kommt dabei der geplanten Errichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs große Bedeutung zu.

15. Institutionelle und operative Lösungsansätze zum Schutz der Internally Displaced Persons In institutioneller Hinsicht muß der Schwerpunkt der Bemühungen um einen umfassenderen Schutz der Internally Displaced Persons bei der Koordination und Zusammenarbeit auf internationaler und regionaler Ebene liegen. Denn alle empirischen Untersuchungen zeigen, daß der Mangel an Koordination und Zusammenarbeit sich erheblich zu Lasten der Internally Displaced Persons auswirkt. Erste Ansätze lassen sich sowohl auf internationaler als auch auf regionaler Ebene beobachten. Das Konzept der Schutzzonen kann ein aussichtsreiches operatives Modell zur Leistung von Rechtsschutz und humanitärer Hilfe darstellen. Damit Schutzzonen tatsächlich wirksam sind, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden, zu denen prinzipiell auch die Zustimmung der betroffenen Konfliktparteien zählt.

Anhang I. Guiding Principles on Internal Displacement 1

Introduction: Scope and Purpose 1. These Guiding Principles address the specific needs of internally displaced persons worldwide. They identify rights and guarantees relevant to the protection of persons from forced displacement and to their protection and assistance during displacement as weIl as during return or resettlement and reintegration. 2. For the purposes of these Principles, internally displaced persons are persons or groups of persons who have been forced or obliged to flee or to leave their hornes or places of habitual residence, in particular as a result or in order to avoid the effects of armed conflict, situations of generalized violence, violations of human rights or natural or humanmade disasters, and who have not crossed an internationally recognized state border. 3. These Principles reflect and are consistent with international human rights law and international humanitarian law. They provide guidance to: (a) The Representative ofthe Secretary-General on internally displaced persons in carrying out his mandate; (b) States when faced with the phenomenon ofinternal displacement; (c) All other authorities, groups and persons in their relations with internally displaced persons; and (d) Intergovernmental and non-governmental organizations when addressing internal displacement. 4. These Guiding Principles should be disseminated and applied as widely as possible.

Seetion I - General Principles Principle 1

1. Internally displaced persons shall enjoy, in fuIl equality, the same rights and freedoms under international and domestic law as do other persons in their country. They shall not be discriminated against in the enjoyment of any rights and freedoms on the ground that they are internally displaced. 1 V gl. UN ECOSOC, Deng-Report, 1998, Add. 2, Guiding Principles on Internal Displacement.

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Anhang

2. These Principles are without prejudice to individual criminal responsibility under internationallaw, in particular relating to genocide, crimes against humanity and war crimes. Principle 2

1. Th~se Principles shall be observed by all authorities, groups, and persons irrespective of their legal status and applied without any adverse distinction. The observance of these Principles shall not affect the legal status of any authorities, groups, or persons involved. 2. These Principles shall not be interpreted as restricting modifying or impairing the provisions of any international human rights or international humanitarian law instrument or rights granted to persons under domestic law. In particular these Principles are without prejudice to the right to seek and enjoy asylum in other countries. Principle 3

1. National authorities have the primary duty and responsibility to provide protection and humanitarian assistance to internally displaced persons within their jurisdiction. 2. Internally displaced persons have the right to request and to receive protection and humanitarian assistance from these authorities. They shall not be persecuted or punished for making such arequest. Principle 4

1. These Principles shall be applied without discrimination of any kind, such as race; color; sex; language; religion or belief; political or other opinion, national, ethnic, or social origin; legal or social status; age; disability; property; birth; or on any other similar criteria. 2. Certain internally displaced persons, such as children, especially unaccompanied minors, expectant mothers, mothers with young children, female heads of household, persons with disabilities and elderly persons, shall be entitled to protection and assistance required by their condition and to treatment which takes into account their special needs.

Seetion TI - Principles relating to proteetion from displacement Principle 5

All authorities and international actors shall respect and ensure respect for their obligations under internationallaw, including human rights and humanitarian law, in all circumstances, so as to prevent and avoid conditions that might lead to displacement of persons. Principle 6

1. Every human being shall have the right to be protected against being arbitrarily displaced from his or her horne or place of habitual residence.

I. Guiding Principles on Internal Displacement

299

2. The prohibition of arbitrary displacement includes displacement: it is based on policies of apartheid, "ethnic cleansing" or similar practices aimed at/or resulting in altering the ethnic, religious or racial composition of the affected population; (b) In situations of armed conflict, unless the security of the civilians involved or imperative military reasons so demand; (c) In cases of large-scale development projects which are not justified by compelling or overriding public interests; (d) In cases of disasters unless the safety and health of those affected requires their evacuation; and (e) When it is used as a collective punishment.

(a)

3. Displacement shall not last longer than required by the circumstances.

Principle 7

I. Prior to any decision requiring the diplacement of persons, the authorities concerned shall ensure that all feasible alternatives are explored in order to avoid displacement altogether. Where no alternatives exist, all measures shall be taken to minimize displacement and its adverse effects. 2. The authorities undertaking such displacement shall ensure, to the greatest practical extent, that proper accommodation is provided to the displaced persons, that such displacement are effected in satisfactory conditions of safety, nutrition, health and hygiene, and that members of the same farnily are not separated. 3. If displacement occurs in situations other than during the emergency stages of armed conflicts and disasters, the following guarantees shall be complied with: (a) (b)

A specific decision by aState authority empowered by law to order such a measure; Adequate measures to guarantee to those to be displaced fuH information on the reasons and procedures of their displacement and, where applicable, on compensation and relocation; (c) The free and informed consent of those to be displaced shall be sought; (d) The authorities concerned shall endeavor to involve those affected, particularly women, in the planing and management of their relocation; (e) Law enforcement measures, where required, shall be carried out by competent legal authorities; and (0 The right to an effective remedy, including the review of such decisions by appropriate judicial authorities shall be respected.

Principle 8

Displacement shall not be carried out in a manner that violates the rights to life, dignity, liberty and security of those affected.

300

Anhang

Principle 9 States are under a particular obligation to protect against the displacement of indigenous peoples, minorities, peasants, pastoralists and other groups with a special dependency on and attached to their lands.

Seetion 111- Principles relating to protection during displacement

Principle 10 1. Every human being has the inherent right to life which shall be protected by law. No one shall be arbitrarily deprived of his or her life. Intemally displaced persons shall be protected in particular against: (a) Genocide; (b) Murder; (c) Summary and arbitrary executions; and (d) Enforced disappearances, including abduction or unackknowledged detention, threatening or resulting in death. Threats and indictment to commit any of the foregoing acts shall be prohibited. 2. Attacks or other acts of violence against intemally displaced persons who do not or no longer participate in hostilities are prohibited in all circumstances. Intemally displaced persons shall be protected, in particluar, against: (a) (b) (c) (d) (e)

Direct or indiscriminate attacks or other acts of violence, including the creation of areas wherein attacks on civilians are permitted; Starvation as a method of combat; Their use to shield military objectives from attack or to shield, favor or impede military operations; Attacks against their camps or settlements; and The use of antipersonnelland mines.

Principle 11 1. Every human being has the right to dignity and physical, mental and moral integrity. 2. Intemally diplaced persons, whether or not their liberty has been restricted, shall be protected in particular against: (a)

(b) (c)

Rape, mutilation, torture, cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, and other outrages upon personal dignity, such as acts of gender-specific violence, forced prostitution and any form of indecent assault; Slavery or any contemporary form of slavery, such as sale into marriage, sexual exploitation, or forced labor of children; and Acts of violence intended to spread terror among intemally displaced persons.

I. Guiding Principles on Internal Displacement

301

Principle 12

1. Every human being has the right to libertyand security of person. No one shall be subjected to arbitrary arrest or detention. 2. To give effect to this right for internally displaced persons, they shall not be interned in or confined to a camp. If in exeptional circumstances such internment or confinement is absolutely necessary, it shall not last longer than required by the circumstances. 3. In no case shall internally displaced persons be taken hostage.

Principle 13

1. In no circumstances shall displaced children be recruited nor be required or permitted to take part in hostilities. 2. Internally displaced persons shall be protected against discriminatory practices of recruitment into any armed forces or groups as a result of their displacement. In particular any cruel, inhuman or degrading practices that compel compliance or punish non-compliance with recruitment are prohibited in all circumstances.

Principle 14

1. Every internally displaced person has the right to liberty of movement and freedom to choose his or her residence. 2. In particular, internally displaced persons have the right to move freely in and out of camps or other settlement.

Principle 15

(a) (b) (c) (d)

Internally displaced persons have: The right to seek safety in another part of the country; The right to leave their country; The right to seek asylum in another country; and The right to be protected against forcible return to or resettlement in any place where their life, safety, liberty and/or health would be at risk.

Principle 16

1. All internally displaced persons have the right to know the fate and the whereabouts of missing relatives. 2. The authorities concerned shall endeavour to establish the fate and the whereabouts of internally displaced persons reported missing, and cooperate with the relevant international organizations engaged in this task. They shall inform the next ofkin on the progress of the investigation and notify them of any result.

302

Anhang

3. The authorities concerned shall endeavour to collect and identify the mortal remains of those deceased, prevent their despoliation or mutilation, and facilitate the return of those remains to the next kin or dispose of them respectfuIly. 4. Grave sites of internally displaced persons should be protected and respected in all circumstances. Internally displaced persons should have the right of access to the grave sites of their deceased relatives.

Principle 17 I. Every human being has the right to respect of his or her family life. 2. To give effect to this right of internally displaced persons, family members who wish to remain together shall be allowed to do so. 3. Families which are separated by displacement should be reunited as quickly as possible. All appropriate steps shall be taken to expedite the reunion of such families, particularly when children are involved. The responsible authorites shall facilitate inquiries made by family members and encourage and cooperate with the work of humanitarian organizations engaged in the task of family reunification. 4. Members of internally displaced families whose personalliberty has been restricted by internment or confinement in camps shall have the right to remain together.

Principle 18 I. All internally displaced persons have the right to an adequate standard of living. 2. At the minimum, regardless of the circumstances, and without discrimination, competent authorities shall provide internally displaced persons with and ensure safe access to: (a) (b) (c) (d)

Essential food and potable water; Basic shelter and housing; Appropriate clothing; and Essential medical services and sanitation.

3. Special efforts should be made to ensure the full participation of women in the planning and distribution of these basic supplies.

Principle 19 1. All wounded and sick internally displaced persons as weIl as those with disablities shall receive to the fullest extend practicable and with the least possible delay, the medical care and attention they require, without distinction on any grounds other than medical ones. When necessary, internally displaced persons shall have access to psychological and social services. 2. Special attention should be paid to the health needs of women, including access to female health care providers and services, such as reproductive health care, as weIl as the appropriate counselling for victims of sexual and other abu ses.

I. Guiding Principles on Internal Displacement

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Principle 20 1. Every human being has the right to recognition everywhere as a person before the law. 2. To give effect to this right for internally displaced persons, the authorities concerned shall issue to them all documents necessary for the enjoyment and exercise of their legal rights, such as passports, personal identification documents, birth certificates and marriage certificates. In particular, the authorities shall facilitate the issuance of new documents or the replacement of documents lost in the course of displacement, without imposing unreasonable conditions, such as requiring to return to one's area of habitual residence in order to obtain these or other required documents. 3. Women and men shall have equal rights to obtain such necessary documents and shall have the right to have such documentation issued in their own names.

Principle 21 1. No one shall be arbitrarily deprived of property and possessions. 2. The property and possessions of internally displaced persons shall in all circumstances be protected, in particular, against the following acts: (a) Pillage; (b) Direct or indiscriminate attacks or other acts of violence; (c) Being used to shield military operations or objectives; (d) Being made the object of reprisaI; and (e) Being destroyed or appropriated as a form of collective punishment. 3. Property and possession left behind by internally displaced persons should be protected against destruction and arbitrary and illegal appropriation, occupation or use.

Principle 22 I. Internally displaced persons, whether or not they are living in camps, shall not be discriminated against as a result of their displacement in the enjoyment of the following rights: (a) The rights offreedom ofthought, conscience, religion or belief, opinion and expression; (b) The right to freely seek opportunities for employment and to participate in economic activities; (c) The right to seek freely opportunities for employment and to participate in economic activities; (d) The right to associate freely and participate equally in community affairs; (e) The right to communicate in a language they understand.

Principle 23 I. Every human being has the right to education.

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Anhang

2. To give effect to this right for internally displaced persons, the authorities concerned shall ensure that such persons, in particular displaced children, receive education which shall be free and cornpulsory at the prirnary level. Education should respect their cultural identity, language and religion. 3. Special efforts should be made to ensure the full and equal participation of women and girls in educational programmes. 4. Education and training facilities shall be made available to internally displaced persons, in particular adolescents and women, whether or not living in camps, as soon as conditions permit.

Section IV - Principles relating to humanitarian assistance Principle 24

I. All humanitarian assistance shall be carried out in accordance with the principles of humanity and impartiality and without discrimination. 2. Humanitarian assistance to internally displaced persons shall not be diverted, in particular for political or military reasons.

Principle 25

I. The primary duty and responsibility for providing humanitarian assistance to internalIy displaced persons lies with national authorities. 2. International humanitarian organizations and other appropriate actors have the right to offer their services in support of the internally displaced. Such an offer shall not be regarded as an unfriendly act or an interference in a State's internal affairs and shall be considered in good faith. Consent thereto shall not be arbitrarily withheld, particularly when authorities concerned are unable or unwilling to provide the required humanitarian assistance. 3. All authorities concerned shall grant and facilitate the free passage of humanitarian assistance and grant persons engaged in the provision of such assistance rapid and unimpeded access to the internally displaced.

Principle 26

Persons engaged in humanitarian assistance, their transport and supplies shall be respected and protected. They shall not be the object of attack or other acts of violence.

Principle 27

1. International humanitarian organizations and other appropriate actors when providing assistance should give due regard to the protection needs and human rights of internally

I. Guiding Principles on Internal Displacernent

305

displaced persons and take appropriate measures in this regard. In so doing, these organizations and actors should respect relevant international standards and codes of conduct. 2. The preceding paragraph is without prejudice to the protection responsibilities of international organizations rnandated for this purpose, whose services may be offered or requested by States.

Section V - Principles relating to return, resettlement and reintegration Principle 28 1. Competent authorities have the primary duty and responsibility to establish conditions, as weIl as provide the means, which allow internally displaced persons to return voluntarily, in safety and with dignity, to their hornes or places of habitual residence, or to resettle voluntarily in another part of the country. Such authorities shall endeavour to facilitate the reintegration of returned or resettled internally displaced persons. 2. Special efforts should be made to ensure the full participation of internally displaced persons in the planning and management of their return or resettlement and reintegration.

Principle 29 I. Internally displaced persons who have returned to their hornes or places of habitual residence or who have resettled in another part of the country shall not be dicrirninated against as a result of their having been displaced. They shall have the right to participate fully and equally in public affairs at all levels and have equal access to public services. 2. Competent authorities have the duty and responsibility to ass ist returned and/or resettled internally displaced persons to recover, to the extent possible, their property and possessions which they have left behind or were dispossessed ofupon their displacement. When recovery of such property and pos sessions is not possible, competent authorities shall provide or assist these persons in obtaining appropriate compensation or another form of just reparation.

Principle 30 All authorities concerned shall grant and facilitate for international humanitarian organizations and other appropriate actors, in the exercise of their respective mandates, rapid and unirnpeded access to internally displaced persons to assist in their return or resettlernent and reintegration.

20 Geißler

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Anhang

11. Draft Declaration of Principles of International Law on Internally Displaced Persons2 International Committee on Internally Displaced Persons International Law Association Preamble The International Law Association Concemed that, despite the end of the Cold War, there are still some 13 million refugees worldwide, joined by some 30 million internally displaced persons, who have been forced to leave or flee their hornes for essentially the same reasons; Noting that, in contrast to refugees, who are protected and assisted by many global and regional legal instruments and who may thus enjoy comparative safety in the countries of asylum or resettlement, as weH as the protection and assistance by many international organizations, both governmental and nongovernmental, internally displaced persons lack such safety, proteetion and assistance; Recognizing the need to ensure greater protection of and assistance to internally displaced persons under internationallaw, including human rights, refugee and humanitarian law; Stressing the right of any person to freedom of movement, including the right not to be arbitrarily displaced from that person's horne or place ofhabitual residence; Emphasizing that nothing in the present Declaration shall affect other international agreements in force between States parties to them, and that in situations not covered by such agreements, internally displaced persons are nevertheless protected by the general principles of internationallaw, by the humanitarian practices of international organizations accepted by States, by the principle ofhumanity, by the rules ofbasic human rights, and by rights granted under domestic law; Taking into account the work of the Representative of the Secretary-General on Internally Displaced Persons developing a legal framework applicable to the protection and assistance needs of the internally displaced, that includes a compilation and analysis of existing rules and norms and the drafting of a code of conduct comprising guiding princi pIes on internal displacement, as weil as an analysis of causes, prevention and solution of forced displacement; Urging all States, defacto authorities, the United Nations and other international organizations, both governmental (including regional) and nongovernmental, to systematicaHy review their existing roles vis-a-vis refugees to ensure that the rights and interests of internally displaced persons are properly safeguarded and integrated therein; Declares the following principles of international law applicable to the legal status of internally displaced persons:

2

V gl. ILA, Report and Draft Declaration for consideration at the 1998 Conference.

11. Draft Declaration of Prindples of International Law

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Seetion I - Definitions Article 1 1. For the purpose of this Declaration, the term "internally displaced persons" refers to "persons or groups of persons" who have been forced to flee or leave their hornes or places of habitual residence as a result of armed conflicts, internal strife or systematic violations of human rights, and who have not crossed an internationally recognized State border. 2. By .ode facto authorities" are meant any non-State entities in actual control of parts of aState' s territory which are parties to an armed conflict and/or internal strife or have generated or hosted internally displaced persons.

Seetion 11 - Rights of InternaUy Displaced Persons Article 2 1. Internally displaced persons shall be protected and assisted in accordance with all generally accepted and, where appropriate, regionally agreed upon, human rights, refugee and humanitarian law. 3 2. Notwithstanding that preferential treatment shall be accorded to certain internally displaced persons, such as expectant mothers, mothers with young children, unaccompanied minors, persons with disabilities and elderly persons, no discrimination may be made on the basis of race, color, sex, language, religion or belief, political or other opinion, national, ethnic or sodal origin, legal or sodal status, age, disability, property, birth, or any other similar criteria.

Article 3 1. Internally displaced persons are entitled to all the rights as citizens of the country of displacement. To the extent that such rights do not adequately address their vulnerable position, they also benefit from the rights secured by internationallaw for aliens, refugees and stateless persons. 2. Internally displaced persons have the right to seek and to receive, freely and in security, all humanitarian assistance and protection from national and defacto authorities, as weH as duly authorized international organizations.

Article 4 1. Internally displaced persons are entitled, to the fullest extent possible in accordance with internationallaw, to freedom of movement, including the right not to be arbitrarily displaced. 3 Siehe den Anhang zu diesem Anhang nach Art. 18, 3111312; List of international instruments on human rights, refugees and humanitarian law of particular relevance to the protection of and assistance to internally displaced persons.

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Anhang

2. No internally displaced person shall be compelled to leave his or her horne or place of habitual residence due to persecution or discrirnination based on race, color, sex, language, religion or belief, politieal or other opinion, national, ethnie or social origin, legal or social status, age, disability, property, birth, or any other sirnilar criteria, or subject to such persecution or discrirnination subsequent to displacement. 3. Measures aimed at deliberate alteration of the demographie composition of a given region (e.g. "ethnic cleansing") or at genocide are strictly prohibited.

Article 5

1. All internally displaced persons have the right to return to their hornes or places of habitual residence freely and in security and dignity, as soon as the conditions giving rise to their displacement have ceased. 2. Internally displaced persons shall not be detained or placed in an area whieh exposes them to dangers of armed conflict andlor internal strife.

Article 6

Identity papers shall be issued by appropriate authorities to enable internally displaced persons to fully enjoy all rights provided for under this Declaration.

Article 7

All internally displaced persons, especially children separated from their parents or other farnily members, are entitled to the right to farnily reunification.

Article 8

In the case of a federal, non-unitary or divided State, internally displaced persons are entitled to the same treatment as is accorded to local permanent residents, partieularly in respect to education, public health, housing, public relief, rationing, access to the courts, employment and social security.

Article 9

Internally displaced persons shall be entitled to restitution or adequate compensation for property los ses or damages and for physieal and mental suffering resulting from their forced displacement.

II. Draft Declaration of Principles of International Law

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Seetion m - Rights and Obligations of States and the International Community Article 10 1. National authorities, whether de jure or de facto, have the primary responsibility to protect and assist internally displaced persons within their jurisdiction. 2. In the implementation of this Declaration, States and the international community shall respect the territorial sovereignty of all States and the principle of noninterference in their internal affairs, in accordance with the Charter of the Uni ted Nations and the 1970 Declaration ofPrinciples ofInternational Law Concerning Friendly Relations and Co-operation among States. 3. Humanitarian assistance to internally displaced persons by States, de facto authorities or the international community shall not be deemed an interference in the internal affairs of the country of displacement.

Article 11 I. States and de facto authorities shall promote and respect the rights and interests of internally displaced persons as set forth in this Declaration and in other applicable instruments. Such rights and interests shall be observed by all persons, groups and authorities, irrespective of and without affecting their legal status. 2. They shall also take joint and separate action in cooperation with United Nations and international organizations, both governmantal (including regional) and nongovernmental, in addressing the root causes of internal displacement with a view to adopting preventive measures and obtaining durable solutions.

Article 12 States, de facto authorities, the United Nations and other international organizations, both governmental (including regional) and nongovernmental, shall all cooperate with one another to establish and maintain appropriate institutional arrangements to implement the provisions of this Declaration.

Article 13 1. States, de facto authorities and international organizations, both govermental (including regional) and nongovermental, may offer or be requested to provide humanitarian assistance to alleviate the suffering of internally displaced persons. Such assistance shall be carried out in accordance with the principles ofhumanity and impartiality and without discrirnination. 2. Requests for assistance shall be considered by the States, de facto authorities and international organizations concerned in the spirit of international cooperation and burden sharing and in good faith, taking into account their resources and the needs of internally displaced persons. Neither the offers or requests nor their acceptance shall be regarded as unfriendly acts.

310

Anhang

3. The assistance offered or requested may include, in particular, the provision of essential subsistance needs, such as food and potable water, clothing, housing or other forms of shelter, physical and mental health care, and sanitation. 4. Humanitarian assistance shall be offered, requested or provided regardless of the status of govemmental entities or authorities concerned. 5. The request for, or offer or provision of, humanitarian assistance shall not imply diplomatic recognition of or by the States or authorities concerned.

Article 14

1. States and de facto authorities shall adopt necessary measures to ensure that internally displaced persons have free and safe access to international assistance and, wherever appropriate, to protection by duly authorized organizations. Such assistance shall not be diverted for military or political purposes. 2. Personnel of generally recognized relief organizations involved in transporting, safeguarding and distributing relief materials or performing other services shall be given full protection from armed attack in accordance with the principles of humanitarian law and those contained in the Convention on the Safety of United Nations and Associated PersonneI, as weIl as free and safe access to internally displaced persons needing assistance and protection, in conformity with paragraph 1 of the present article. 3. Safe areas may be established where appropriate.

Article 15

1. States and de facto authorities shall never use starvation as a weapon against internally displaced persons during armed conflicts, whether international or noninternational. 2. All armed forces are prohibited from interfering with the movement of essential subsistence needs - on land, by air or sea - clearly designated for civilian consumption. Appropriate international agencies may by authorized to monitor such movement.

Article 16 If the Security Council decides that the nature and scope of a situation of internal displacement constitutes a threat to international peace and security and, in accordance with the Charter of the United Nations, orders that appropriate measures be taken, States, de facto authorities and international organizations, both governmental (including regional) and nongovernmental, shall provide protection and assistance to internally displaced persons as weIl as address the root causes that gave rise to the situation.

11. Draft Declaration of Principles of International Law

311

Seetion IV - Final CIauses

Artide 17 Nothing in the present Declaration may be construed as limiting the right of any persons to seek asylum abroad or to be protected against forcible return to the place of habitual residence where their lives or freedoms would be threatened on account oftheir race, color, sex, language, religion or belief, political or other opinion, national, ethnic or social origin, legal or social status, age, disability, property, birth, or any other similar criteria.

Artide 18 1. Nothing in the present Declaration shall affect international agreements in force between States parties to them. 2. Nothing in the present Declaration shall preclude States from concluding international agreements confirrning or supplementing or extending or amplifying the principles contained herein. 3. Any international agreement dealing with the topics covered by the present Declaration shall be interpreted in accordance with the purpose and spirit of this Declaration.

International instruments on human rights, refugees, and humanitarian law of particular relevance to the protection of and assistance to internaIly displaced persons

Charter of the United Nations, 1945 Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genozide, 1948 Universal Declaration of Human Rights, 1948 The Geneva Conventions of August 12, 1949 European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, 1950 Convention relating to the Status ofRefugees, 1951 Convention on the Political Rights ofWomen, 1953 Convention on Territorial Asylum (OAS), 1954 Convention relating to the Status of Stateless Persons, 1954 Agreement Relating to Refugee Seamen, 1957 Convention on the Reduction of Statelessness, 1961 International Convention on the Elimination of All Forrns of Racial Discrimination, 1965 European Social Charter, 1961 International Covenant on Civil and Political Rights, 1966 International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 1966 Protocol relating to the Status of Refugees, 1967 Proclamation ofTeheran (International Conference on Human Rights), 1968

312

Anhang

Ameriean Convention on Human Rights, 1969 Declaration on Social Progress and Development, 1969 OAU Convention Governing the Specifie Aspeets of Refugee Problems in Afriea, 1969 Declaration on Principles of International Law Coneerning Friendly Relations and Cooperation among States in Aeeordanee with the Charter ofthe Uni ted Nations, 1970 Convention on the Prohibition ofthe Development, Produetion and Stoekpiling ofBaeteriologieal (Biologieal) and Toxin Weapons and on Their Destruetion, 1972 International Convention on the Suppression and Punishment of the Crime of Apartheid, 1973 Protoeols Additional to the Geneva Conventions, 1977 Declaration on Territorial Asylum, 1977 International Convention against the Taking of Hostages, 1979 Convention on the Elimation of All Forms of Diserimination against Women, 1979 Convention on the Prohibitions and Restrietions on the Use of Certain Conventional Weapons Which May Be Deemed to be Exeessively Injurious and to Have Indiseriminate Effeets, and Protoeol on Prohibitions and Restrietions on the U se of Mines, Booby Traps and Other Deviees, 1980 Afriean Charter on Human and People's Rights, 1981 Cartagena Declaration on Refugees, 1984 Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, 1984 Declaration ofBasie Principles of Justiee for Vietims ofCrime and Abuse ofPower, 1985 Declaration on the Human Rights ofthe Individuals Who Are not Nationals ofthe Country in Which They Live, 1985 Strasbourg Declaration on the Right to Leave and Return, 1986 Convention on the Rights of the Child, 1989 Cairo Declaration on Human Rights in Islam, 1990 International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families, 1990 Declaration on the Rights ofPersons Belonging to National or Ethnie, Religious, and Linguistie Minorities, 1992 Declaration on the Proteetion of All Persons from Enforeed Disappearanee, 1992 Chemie al Weapons Convention, 1993 Vienna Declaration on Human Rights, 1993 Convention on the Safety of Uni ted Nations and Associated Personnei, 1994 Inter-Ameriean Convention on Foreed Disappearanee of Persons, 1994 Inter-Ameriean Convention on the Prevention, Punishment and Eradieation of Violenee Against Women ("Convention of Belem do Para"), 1994 Inter-Ameriean Convention to Prevent and Punish Torture, 1995 General Framework Agreement for Peaee in Bosnia and Herzegovina (the Dayton Aeeord), 1995 Convention on the Prohibition of the Use, Stoekpiling, Produetion and Transfer of AntiPersonnel Mines and on Their Destruetion, 1997

III. Declaration of Minimum Humanitarian Standards

313

III. Declaration of Minimum Humanitarian Standards4

Adopted by an expert meeting convened by the Institute of Human Rights, Abo Akademie University, in TurkulAbo, Finland, 30 November - 2 December 1990 and revised following a meeting at the Norwegian Institute of Human Rights in Oslo, Norway, on 29 - 30 September 1994.

Recalling the reaffirmation by the Charter of the United Nations and the Universal Declaration of Human Rights of faith in the dignity and worth of the human person; Considering that situations of internal violence, ethnic and national conflicts, disturbances, tensions and public emergency continue to cause serious instability and great suffering in all parts of the world; Alarmed by the increase in the number and brutality of violations of human rights and humanitarian norms in such situations; Concemed that in such situations human rights and humanitarian principles have often been violated; Recognizing the importance of respecting existing human rights and humanitarian norms; Noting that international law relating to human rights and humanitarian norms applicable in armed conflicts does not adequately protect human beings in situations of internal violence, ethnic, religious and national conflicts, disturbances, tensions and public emergency; Confirming that any derogations from obligations relating to human rights during astate of public emergency must remain strictly within the limits provided for by international law, that certain rights can never be derogated from and that humanitarian law does not admit of any derogations on grounds of public emergency; Confirming further that measures derogating from such obligations must be taken in a strict conformity with the procedural requirements laid down in those instruments, that the imposition of astate of emergency must be proclaimed officially, publicly, and in accordance with the provisions laid down by law, that measures derogating from such obligations will be limited to the extent strictly required by the exigencies of the situation, and that such measures must not discriminate on the grounds of race, colour, sex,language, religion, social, national or ethnic origin; Recognizing that in cases not covered by human rights and humaitarian instruments, all persons and groups remain under the protection of the principles of international law derived from established custom, from the principles of humanity and the dictates of public conscience; Believing that it is important to reaffirm and develop principles governing behaviour of all persons, groups, and authorities in situations of internal violence, ethnic, religious and national conflicts, disturbances, tensions and public emergency; Believing further in the need for development and strict implementation of national legislation applicable to such situations, for strengthening co-operation necessary for more

4

Vgl. Institute for Human Rights, Abo Akademi University, Turku 1997.

314

Anhang

efficient implementation of national or international norms, including international mechanisms for monitoring, and for the dissemination and teaching of such nonns; Now, therefore ... Proclaims this Declaration ofMinimum Humanitarian Standards

Article 1

I. This Declaration affinns minimum humanitarian standards which are applicable in all situations, including internal violence, ethnic, religious and national conflicts, disturbances, tensions, and public emergency, and which cannot be derogated from under any circumstances. These standards must be respected whether or not astate of emergency has been proclaimed. 2. The present standards shall not be interpreted as restricting or impairing the provisions of any international humanitarian or human rights instruments.

Article 2

These standards shall be respected by, and applied to all persons, groups and authorities, irrespective of their legal status and without any adverse discrimination.

Article 3

I. Everyone shall have the right to recognition everywhere as a person before the law. All persons, even if their liberty has been restricted, are entitled to respect for their person, honour and convictions, freedom on thought, conscience and religious practices. They shall in all circumstances be treated humanely, without any adverse distinction. 2. The following acts are and shall remain prohibited: a) violence to life, health and physical or mental well-being of persons, in particular murder, torture, mutilation, rape, as weIl as cruel, inhuman or degrading treatment or punishment and other outrages upon personal dignity; b) collective punishment against persons and their property; c) the taking of hostages; d) practicing, perrnitting or tolarating the involuntary disappearance of individuals, including their abduction or unacknowledged detention; e) pillage f) deli berate deprivation of access for necessary food, drinking water and medicine;

g) threats or incitement to comrnit any of the foregoing acts.

III. Declaration of Minimum Humanitarian Standards

315

Article 4

1. All persons deprived of their liberty shall be held in recognized places of detention. Accurate information on their detention and whereabouts, including transfers, shall be made promptly available to their family members and counsel or other persons having a legitimate interest in the information. 2. All persons deprived oftheir liberty shall be allowed to communicate with the outside world including counsel in accordance with reasonable regulations promulgated by the competent authority. 3. The right to an effective remedy, including habeas corpus, shall be guaranteed as a means to determine the whereabouts oe the state of health of persons deprived of their liberty and for identifying the authority ordering or carrying out the deprivation ofliberty. Everyone who is deprived ofhis or her liberty by arrest or detention shall be entitled to take proceedings by which the lawfulness of the detention shall be decided speedily by a court and his or her release ordered if the detention is not lawful. 4. All persons deprived of their liberty shall be treated humanely, provided with adequate food and drinking water, decent accommodation and clothing, and be afforded safeguards as regards health, hygiene, and working and social conditions.

Article 5

1. Attacks against persons not taking part in acts of violence shall be prohibited in all circumstances. 2. Whenever the use of force is unavoidable, it shall be in proportion to the seriousness of the offence or the situation, or the objective to be achieved. 3. Weapons or other material or methods prohibited in international armed conflicts must not be employed in any circumstances.

Article 6

Acts or threats of violence the primary purpose or foreseeable effect of which is to spread terror among the population are prohibited.

Article 7

1. All persons have the right to remain in peace in their hornes and their places of residence. 2. The displacement of the population or parts thereof shall not be ordered unless their safety or imperative security reasons so demand. Should such displacements have to be carried out, all possible measures shall be taken in order that the population may be transferred and received under satisfactory conditions of shelter, hygiene, health, safety, and nutrition. Persons or groups thus displaced shall be allowed to return to their hornes or their places of residence as soon as the conditions which made their displacement imperative have ceased. Every effort shall be made to enable those so displaced who wish to remain

316

Anhang

together to do so. Families whose members wish to remain together must be allowed to do so. The persons thus displaced shall be free to move around in the territory, subject only to the safety of the persons involved or reasons of imperative security. 3. No persons shall be compelled to leave their own territory.

Article 8

1. Every human being has the inherent right to life. This right shall be protected by law. No one shall be arbitrarily deprived of his or her life. 2. In addition to the guarantees of the inherent right to life, and the prohibition of genocide, in existing human rights and humanitarian instruments, the following provisions shall be respected as aminimum. 3. In countries which have not yet abolished the death penalty, sentences of death may be imposed only for the most serious crimes. Sentences of death shall not be carried out on pregnant women, mothers of young children or on children under eighteen years of age at the time of the commission of the offence. 4. No death sentence shall be carried out before the expiration of at least six months from the notification of the final judgement confirming such death sentence.

Article 9

No sentence shall be passed and no penalty shall be executed on a person found guilty of an offence without previous judgement pronounced by a regularly constituted, independent and impartial court affording all the judicial guarantees which are recognized as indispensable by the community of nations. In particular: a) the procedure shall provide for an accused to be informed without delay of the particulars of an offence alleged against hirn or her, shall provide for trial within a reasonable time, and shall afford the accused before and during his or her trial all necessary rights and means of defence; b) no one shall be convicted of an offence except on the basis ofindividual penal responsibility; c) anyone charged with an offence is presumed innocent until proven guilty according to law; d) anyone charged with an offence shall have the right to be tried in his or her presence; e) no one shall be compelled to testify against hirnself or herself or to confess guilt; f) no one shall be liable or tried or punished again for an offence for which he or she has already been finally convicted or acquitted in accordance with the law and the penal procedure; g) no one shall be held guilty of any criminal offence on account of any act or omission which did not constitute a criminal offence, under applicable law, at the time when it was committed.

III. Declaration of Minimum Humanitarian Standards

317

Article 10

Every child has the right to the measures of protection required by his or her condition as a minor and shall be provided with the care and aid the child requires. Children who have not yet attained the age of fifteen years shall not be recruited in or allowed to join the armed forces or armed groups or allowed to take part in acts of violen ce. All efforts shall be made not to allow persons below the age of eighteen to take part in acts of violence.

Article 11 If it is considered necessary for imperative reasons of security to subject any person to assigned residence, internment or administrative detention, such decisions shall be subject to a regular procedure prescribed by law affording all the judicial guarantees which are recognized as indispensable by the international community, including the right of appeal or to a periodieal review.

Article 12

In every instance, the wounded and siek, whether or not they have taken part in acts of violence, shall be protected and treated humanely and shall receive, to the fullest extent practieable and with the least possible delay, the medieal care and attention required by their condition. There shall be no distinction among them on any grounds other than their medical condition.

Article 13

Every possible means shall be taken, without delay, to search and collect wounded, sick and missing persons and to protect them against pillage and ill-treatment, to ensure their adequate care, and to search for the dead, prevent their being despoiled or mutilated and to dispose of them with respect.

Article 14

1. Medical, religious and other humanitarian personnel shall be respected and protected and shall be granted all available help for the performance of their duties. They shall not be compelled to carry out tasks which are not compatible with their humanitarian missions. 2. Under no circumstances shall any person be punished for having carried out medical activities compatible with the principles of medieal ethnics, regardless of the person benefitting therefrom.

318

Anhang Article 15

In situations of internal violence, ethnic, religious and national conflicts, disturbances, tensions ofpublic emergency, humanitarian organizations shall be granted all ofthe facilities necessary to enable them to carry out their humanitarian activities and, in particular, provide humanitarian access and relief to the population.

Article 16 In observing these standards, all efforts shall be made to protect the rights of groups, minorities and peoples, including their dignity and identity.

Article 17 The observance of these standards shall not affect the legal status of any authorities, groups, or persons involved in situations of internal violence, ethnic, religious and national conflicts, disturbances, tensions or public emergency.

Article 18 All governments, intergovernmental organizations and nongovernmental organizations, including the United Nations, the specialized agencies of the United Nations, other intergovernmental and regional organizations, UN specialized rapporteurs, groups and committees, peace-keeping forces, representatives and operational entities shall endeavour to ensure that all persons, groups and authorities fully respect the present standards in all circumstances.

Article 19 All persons, groups and authorities shall be accountable for observance of the present standards. There shall be individual responsibility for serious violations of international humanitarian law, including genocide and crimes against humanity. States shall ensure that such crimes are prosecuted before national courts or international tribunals.

Article 20 No restriction upon or derogations from any of the fundamental rights of human beings recognized or existing in any country by virtue in law, treaties, regulations, custom, or princi pies ofhumanity shall be admitted on the pretext that the present standards do not recognize such rights or that they recognize them to a lesser extent.

IV. Guiding Principles on the Right to Humanitarian Assistance

319

IV. Guiding Principles on the Right to Humanitarian AssistanceS The Council of the International Institute of Humanitarian Law: Recognizing that human sufferings, as a result of armed conflicts, in all their aspects profoundly trouble the conscience of mankind and that world public opinion demands that effective measures be undertaken to reduce them to the greatest possible extent, Noting the valuable action to provide humanitarian assistance undertaken by many national or international actors, in particular by the ICRC, UNHCR, UNICEF and other organizations of the UN stystem, as weH as other intergovernmental and non-governmental organizations, Bearing in mind the purposes of the United Nations, in particular those concerning the maintenance of international peace and security, international cooperation in solving international problems of an economic, social, cultural and humanitarian character, and in promoting respect for human rights, Considering that it is essential to reinforce humanitarian action in order to alleviate human suffering, thereby contributing to the development of international solidarity and the strengthening of friendly relations between peoples, Stressing that humanitarian assistance, both as regards those granting and those receiving it, should always be provided in conformity with the principles inherent in all humanitarian activities, namely the principles of humanity, neutrality and impartiality, so that political considerations should not prevail over these principals, Reaffirming the fundamental concern of mankind and of international community, in the event of emergencies, to ensure the protection and weH-being of human beings and also respect for human rights and humanitarian law, Recognizing that it is indispensable to undertake any measures to render rapid and efficient assistance to human beings in cases of natural and technological disasters, violence and armed conflicts, including the development of the right to humanitarian assistance, Recognizing that the respect for state sovereignty and the principles of international solidarity and cooperation are the essential components of the right to humanitarian assistance, Desiring to promote the right to humanitarian assistance, Recommends the following Guiding Principles on the Right to Humanitarian Assistance:

Principle 1

Every human being has the right to humanitarian assistance in order to ensure respect for the human rights to life, health, protection against cruel and degrading treatment and other human rights which are essential to survival, weH-being and protection in public emergencies.

S

IRRC 1993,519-525.

320

Anhang Principle 2

The right to humanitarian assistance implies the right to request and to receive such assistance, as weil as to participate in its practical implementation. Persons affected by an emergency may address themselves to competent national or international organizations and other potential donors to request humanitarian assistance. They shall not be prosecuted or punished for making such arequest.

Principle 3

The right to humanitarian assistance may be invoked: (a)

when essential humanitarian needs of human beings in an emergency are not being met, so that the abandonment of victims without assistance would constitute a threat to human life or a grave offence to human dignity;

(b)

when alllocal possibilities and domestic procedures have been exhausted within a reasonable time, and vital needs are not satisfied or are not fully satisfied, so that there is no other possibility to ensure the prompt provision of supplies and services essential for the persons affected.

Principle 4

The primary responsibilty to protect and assist the victims of emergencies is that of the authorities of the territory in which the emergency causing urgent humanitarian needs occurs.

Principle 5

National authorities, national and international organizations whose statutory mandates provide for the possibility of rendering humanitarian assistance, such as the ICRC, UNHCR, other organizations of the UN system, and professional humanitarian organizations, have the right to offer such assistance when the conditions laid down in the present Principles are fulfilled. This offer should not be regarded as an unfriendly act or as interference in a State's internal affairs. The authorities ofthe States concerned, in the exercise of their sovereign rights, should extend their cooperation concerning the offer of humanitarian assistance to their populations.

Principle 6

For the implementation of the right to humanitarian assistance it is essential to ensure the access of victims to potential donors, and access of qualified national or international organizations, States and other donors to the victims when their offer ofhumanitarian assistance is accepted.

IV. Guiding Principles on the Right to Humanitarian Assistance

321

In the case of a refusal of the offer, or of access to the victims when humantinarian assistance action is agreed upon, the States and organizations concerned may undertake all necessary steps to ensure such access, in conformity with the international humanitarian law and human rights instruments in force and the present Principles.

Principle 7

The competent United Nations organs and regional organizations may undertake necessary measures, including coercion, in according with their respecti ve mandates, in the event of severe, prolonged and mass suffering of populations, which could be alleviated by humanitarian assistance. These measures may be resorted to when an offer has been refused without justification, or when the provision of humanitarian assistance encounters serious difficulties.

In the event of measures of coercion being resorted to by competent UN organs, for reasons other than those of a humanitarian nature, the right to humanitarian assistance should be respected, in particular by exempting from such measures materials for the essential humanitarian needs of the populations.

Principle 8

In the case of measures of coercion undertaken by the competent UN organs and/or regional organizations, when humanitarian assistance is provided for, these organs should ensure that such assistance is not diverted for political, military and/or other similar purposes, and that the principles ofhumanity, neutrality and impartiality will be fully respected and implemented.

Principle 9

Humanitarian assistance may consist of any material indispensable to the survival ofthe victims, such as foodstuffs, water, medication, medical supplies and equipment, minimum shelter, clothing; of services, such as medical services, tracing services, religious and spiritual assistance, as well as civil defence, in conforrnity with the tasks defined in international humanitarian law.

Principle 10

All authorities concerned will grant the facilities necessary for humanitarian assistance to be provided. All authorities concerned will allow the transit of goods and personnel bringing humanitarian assistance and will have the right to prescribe technical arrangements for these operations.

21 Geißler

322

Anhang

Humanitarian assistance can, if appropriate, be made available by way of "humanitarian corridors" which should be respected and protected by the competent authorities of the parties involved and if necessary by the United Nations authorities.

Principle 11

The status and protection of personnel engaged in humanitarian assistance operations shall be regulated on the basis of the applicable law. This is the case, in particular, as regards the personnel of the United Nations or of organizations of the UN system when engaged in humanitarian assistance activities, the personnel ofthe ICRC, the personnel of professional organizations with humanitarian objectives, and the personnel of other national or international organizations engaged in humanitarian assistance activities. The status, rights, obligations of all these categories of personnel should be regulated by the respective national and international mIes.

Principle 12

In order to verify whether the relief operation or assistance rendered is in conformity with the relevant mIes and declared objectives, the authorities concerned may exercise the necessary control, on condition that such control does not unduly delay the providing of humanitarian assistance.

Principle 13

In order to improve efficiency and to avoid duplication and waste, the efforts of the various actors in humanitarian assistance operations should be coordinated by those who bear the main responsibility for such operations.

Principle 14

All the actors in any humanitarian assistance operation are invited to respect and implement the present Principles. They may conclude such special agreements as may be necessary in any given situation. The present Principle should not be interpreted as impairing or modifying any rights and obligations under internationallaw in force.

V. United Nations World Conference on Human Rights

323

V. United Nations World Conference on Human Rights, Vienna, 14 -15 June 1993 Vienna DecIaration and Programme of Action6

Auszug: 23. The World Conference on Human Rights reaffirms that everyone, without distinction of any kind, is entitled to the right to seek and enjoy in other countries asylum from persecution, as weil as the right to return to one' S own country. In this respect it stresses the importance of the Universal Declaration of Human Rights, the 1951 Convention relating to the Status of Refugees, its 1967 Protocol and regional instruments. It expresses its appreciation to States that continue to admit and host large numbers of refugees in their territories, and to the Office of the United Nations High Commissioner for Refugees for its dedication to its task. It also expresses its appreciation to the United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East. The World Conference on Human Rights recognizes that gross violations of human rights, including in armed conflicts, are among the multiple and complex factors leading to displacement of people. The World Conference ofHuman Rights recognizes that, in the view ofthe complexities of the global refugees crisis and in accordance with the Charter of the United Nations, relevant international instruments and international solidarity and in the spirit of burdensharing, a comprehensive approach by the international community is needed in coordination and cooperation with the countries concerned and relevant organizations, bearing in mind the mandate ofthe United Nations High Commissioner for Refugees. This should include the development of strategies to address the root causes and effects of movements of refugees and other displaced persons, the strengthening of emergency preparedness and response mechanism, the provision of effective protection and assistance, bearing in mind the special needs of women and children, as weil as the achievement of durable solutions, primarily through the preferred solution of dignified and safe voluntary repatriation, including solutions such as those adopted by the international refugees conferences. The World Conference on Human Rights underlines the responsibilities of States, particularly as they relate to the countries of origin. In the light of the comprehensive approach, the World Conference on Human Rights emphasizes the importance of giving special attention including through intergovernmental and humanitarian organizations and finding last solutions to questions related to internally displaced persons including their voluntary and safe return and rehabilitation. In accordance with the Charter of the Uni ted Nations and the principles of humantiarian law, the World Conference on Human Rights further emphasizes the importance of and the need for humanitarian assistance to victims of all natural and man-made disasters.

6

Vgl. UN NCONF.157123 vom 12. Juli 1993.

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