Der Versorgungsausgleich im internationalen Vergleich und in der zwischenstaatlichen Praxis: Colloquium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht. Tutzing 1984 [1 ed.] 9783428458295, 9783428058297

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Der Versorgungsausgleich im internationalen Vergleich und in der zwischenstaatlichen Praxis: Colloquium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht. Tutzing 1984 [1 ed.]
 9783428458295, 9783428058297

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MAX·PLANCK·INSTITUT FOR AUSLXNDISCHES UND INTERNATIONALES SOZIALRECHT

Der Versorgungsausgleich im internationalen Vergleich und in der zwischenstaatlichen Praxis

Schriftenreihe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht Herausgegeben von H ans F. Zacher, München

Band 11

Der Versorgungsausgleich im internationalen Vergleich und in der zwischenstaatlichen Praxis Colloquium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht Tutzing 1984

Herausgegeben von

Hans F. Zacher

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Redaktion: Cornelius Mager/ Stephan Wittmer Redaktionelle Anmerkung:

Redaktionsschluß war im September 1984. Den Autoren dieses Bandes konnte nicht ermöglicht werden, später erschienenes Material zu berücksichtigen.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Der Versorgungsausgleich im internationalen Vergleich und in der zwischenstaatlichen Praxis: Colloquium d. Max-Planck-Inst. für Ausländ. u. Internat. Sozialrecht, Tutzing 1984 I hrsg. von Hans F. Zacher.- Berlin: Duncker und Humblot, 1985. (Schriftenreihe für Internationales und Vergleichendes Sozialrecht; Bd. 11) ISBN 3-428-05829-1 NE: Zacher, Hans F. [Hrsg.]; Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Sozialrecht (München); GT

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1985 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

© 1985 Duncker

ISBN 3-428-05829-1

Vorwort Im Laufe des Jahres 1982 erzählte mir Dr. Ludwig Bergner, Direktor der Landesversicherungsanstalt Oberbayern in München, er habe Methoden erarbeitet, um Rentenanwartschaften Österreichischen Rechts so zu bewerten, daß sie in den Versorgungsausgleich deutschen Rechts einbezogen werden können. Er regte an, darüber einmal ein kleines Colloquium zu machen. Das war der Anfang, auf den dieser Band zurückgeht. Wir berieten dann im Institut, ob diese Anregung realisiert werden sollte. Das Thema "Versorgungsausgleich" fand zwar reges Interesse. Jedoch schien es notwendig, die Lösungsansätze von Bergner in einen breiteren Rahmen zu stellen. Das war auch die Meinung des Fachbeirates des Instituts, insbesondere seines Vorsitzenden, des damaligen Präsidenten des Bundessozialgerichts, Prof. Dr. Georg Wannagat (Kassel), als er sich im Frühjahr 1983 mit der Arbeitsplanung des Instituts befaßte. Im Laufe des Sommers 1983 führten die Diskussionen im Institut ebenso wie Gespräche mit Prof. Dr._ Erik Jayme (damals München, jetzt Heidelberg) zu der thematischen und personellen Konzeption eines Colloquiums. Aus dem Kreis der Mitarbeiter des Instituts, die mich dabei und bei allen folgenden Vorarbeiten unterstützten, seien hier besonders Dr. Eberhard Eichenhafer und Rolf Schuler genannt. Doch haben auch weitere Mitglieder des Instituts wesentlich zur sachlichen Klärung beigetragen und wichtige personelle Hinweise gegeben. Die Vorbereitung war in der Tat weitgehend eine gemeinsame Sache des Instituts. Zu den Erträgen dieser Gespräche gehörte, daß das Hauptcolloquium durch ein Vorcolloquium vorbereitet werden sollte. Das Vorcolloquium, das dann am 1. Dezember 1983 in den Räumen des Instituts in München stattfand, sollte dazu dienen, die Vorarbeiten des Instituts mit auswärtigem Sachverstand aus Wissenschaft und Praxis zu konfrontieren und die Problematik des Hauptcolloquiums gemeinsam mit dessen Referenten zu erarbeiten. Frühere Colloquien hatten gezeigt, daß schriftliche Vorbereitungen nicht genügten, um die oft sehr unterschiedlichen Ausgangspunkte der Referenten und Diskutanten so aufzuhellen oder aneinander heranzuführen, daß sofort in ein fruchtbares Gespräch eingetreten werden konnte. Jedenfalls zwischen den Referenten und zwischen ihnen und den Mitgliedern des Instituts sollte diesmal

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Vorwort

für größere Vertrautheit gesorgt werden. Dabei hatten die Referenten des Vorcolloquiums, welche dieser Begegnung die Grundlage zu geben hatten, eine besonders schwierige und undankbare Aufgabe. Sie haben sie auf sehr verdienstvolle Weise gemeistert. Ihnen gilt ein ganz besonderer Dank. Gleichwohl verdient auch Erwähnung, daß auch die Referenten des Hauptcolloquiums, soweit sie damals schon bekannt waren, sich dem Konzept des Vorcolloquiums unterwarfen und sich dazu im Institut einfanden. Angesichts der großen Belastung, der wohl alle Referenten durch berufliche und wissenschaftliche Aufgaben ausgesetzt sind, verdient allein schon dieses Opfer besonderen Dank. Vom Institut aus gesehen freilich war alles seinen Preis wert: es kam zu einem sehr fruchtbaren Gespräch. Das Hauptcolloquium fand dann vom 3. bis 6. Juli 1984 in den Räumen der Akademie für politische Bildung in Tutzing statt. Nun konnte weiter ausgegriffen und differenzierter und intensiver gearbeitet werden. Zwei elementare Ansätze waren zu unterscheiden: der Versorgungsausgleich als "nationales" Problem- das Recht des Versorgungsausgleichs als nationale Problemlösung; der "grenzüberschreitende" Versorgungsausgleich als Herausforderung an das Kollisionsrecht die Antwort des Kollisionsrechts. Natürlich standen dabei das deutsche Recht des Versorgungsausgleichs und das deutsche Kollisionsrecht im Vordergrund. Aber exemplarische Studien zum österreichischen, zum kanadischen sowie zum belgischen, niederländischen und Iuxemburgischen Recht sowie ein rechtsvergleichendes Ausgreifen weit darüber hinaus weiteten den Diskussionsrahmen, bereicherten den Vorrat denkbarer Lösungen und gaben alles in allem den Erörterungen Tiefenschärfe. Das auslandsrechtliche und rechtsvergleichende Material erwies sich naturgemäß auch für die kollisionsrechtliche Diskussion als in besonderem Maße anregend und bedeutsam. Zu dem Hauptcolloquium waren außer den Referenten des Hauptcolloquiums selbst, den Referenten des Vorcolloquiums und den Teilnehmern aus dem Institut eine Reihe von Diskutanten gekommen, deren verschiedene Disziplinen und Erfahrungsbereiche das Spektrum der Diskussion ganz wesentlich bereicherten. Hervorzuheben ist, daß eine Reihe von Familienrichtern an dem Colloquium teilgenommen haben. Sie haben in ganz besonderem Maße die Wirklichkeit des Versorgungsausgleichs in die Beratungen eingebracht. Das Institut schuldet allen Dank: allen Referenten und allen Diskutanten. An dieser Stelle ist auch das Verdienst von Frau Marion Friedrich-Marczyk (Kassel) hervorzuheben, welche die Diskussion tatkräftig und umsichtig geleitet hat. Nach Schluß des Colloquiums haben zwei Mitarbeiter des Instituts, Herr Rechtsreferendar Cornelius Mager und Herr Rechtsreferendar Stephan Wittmer, damit begonnen, die Edition des Bandes vorzube-

Vorwort

7

reiten. Sie haben diese Arbeit sehr rasch, intelligent, einfühlsam, intensiv und verläßlich durchgeführt. Das Institut und wohl alle, die an dem Druck der Erträge des Colloquiums interessiert sind, haben ihnen zu danken. Zu danken habe ich schließlich den wissenschaftlichen Referenten, Stipendiaten und Gästen des Instituts, welche die Diskussionsberichte gefertigt haben, den Damen des Schreibdienstes, für die auch dieser Band neue Belastungen brachte, Frau Dorothee Schade und Frau Eva Lutz, welche die Zusammenfassungen ins Englische übertrugen, Herrn Dopfer, der für die Bandaufnahmen und manche andere Hilfe verantwortlich war und endlich aber nicht zuletzt Frau Dagmar Fischer, die bei der technischen Vorbereitung und Durchführung beider Colloquien eine zentrale Rolle spielte. Der Versorgungsausgleich und sein Kollisionsrecht sind in der aktuellen rechtspolitischen Diskussion. Das Institut hofft, einen nützlichen Beitrag dazu geleistet zu haben, daß diese rechtspolitische Diskussion gute Ergebnisse zeitigt. München, im Oktober 1984

Hans F. Zacher

Inhaltsverzeichnis Hans F. Zacher:

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil: Das Vorcolloquium Programm des Vorcolloquiums

45

Ursula Köbl:

Der Versorgungsausgleich - Ordnungsauftrag und Rollenve rteilung von Familienrecht und Sozialrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary .. .... . . .... .. . .. . .. . . .. .. . . ........ . .... . .. . .. . .. .. . .. . ..

47 8!J 94 97

Erik Jayme:

Der Versorgungsausgleich im internationalen Privatrecht - Stand der Rechtsprechung und der Reform ..................... . ....... . ... . .. 101 Thesen/ Zusammenfassung ............... . .............. .. ... . ... . . 108 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Ulrich Lardschneider :

Praktische Probleme der Anwendung des deutschen Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung aus familienrechtlicher Sicht . . ... . .............. ... .............. ... ........ . ...... .... .... Thesen . .. . ... . ... . .... . . . . . .. . . .. . .... . . .. .... ....... . . . ..... . . . ... Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary . . .. . . . ... . . . .. .. ... ... .. . . ... . . .. . . . ... . . . . ... .... . . . . .. .

111 122 125 127

Kurt Maier:

Praktische Probleme der Anwendung des deutschen Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung aus sozialrechtlicher Sicht ..... . . .. ........ . .... . ... ... . ......... . . . ... .. . .. ....... . . .... Thesen ... . . .. .. . . .. . . ...... .. ..... .. ..... . . . . .... . .... . ..... . . ..... Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary .... .... .. .. .. .. ...... ... .. . .. .. . . . .. . . . ... .. . .... . . . .....

131 153 156 157

Inhaltsverzeichnis

10

Zweiter Teil: Das Hauptcolloquium Programm des Hauptcolloquiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Erster Abschnitt: Allgemei nes

A. Die Ordnungsaufgaben Franz Ruland:

Die Problemstruktur des Versorgungsausgleichs ... .... . ... . ... . . . .. . 167 Thesen ...... . ................. . ....... . ...... ... ......... . ... . . .... 208 Zusammenfassung ....... . ............. . . . .... .. . ........ . ...... .. .. 212 Summary ..................... . ....... . ...... .. ............ . . . . .. . . 213 Diskussionsbericht (Bernd Schulte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 B. Die Lösungen Günther Beitzke:

Die deutsche Lösung: Das Familienrecht .. .. . . . . . .......... . ... . . ... 223 Thesen ... . ......... . ..... . .. . ........... .... ................ . ... ... 243 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Bernd von Maydell:

Die deutsche Lösung: Das Sozialrecht und andere Instrumente sozialer Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Thesen I Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Bernhard Lohr:

Der Stand der Reform des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Thesen I Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Diskussionsbericht (Thomas Simons)

281

Eri k Jayme:

Die Lösungsansätze im internationalen Vergleich ............ . ..... .. 289 Thesen .. .... . .... . .. . ..... . .. .. . .. . . . .. .... .... .. . ... . . .... .. ..... . 309 Zusammenfassung . ..... . . . .. .. ... ........ .... .. . .. .. . .. . . . . ... . . . . . 311 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Diskussionsbericht (Otto Kaufmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

Inhaltsverzeichnis

11

C. Die kollisionsrechtliche Problematik Hans Jürgen Sonnenberger:

Probleme und Problemlösungen des Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung - Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Thesen ... . ............. .. . .. .. . .......... . . . . . ........ . ...... .. . . . . 338 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Jörg Pirrung:

Der Versorgungsausgleich in der Reform des deutschen internationalen Privatrechts ......... . . . .............. . . .. .................... . . 343 Thesen .. .. .............. .. .............. ... ........................ 356 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Chri stian von Bar:

Probleme und Problemlösungen des Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung - Die familienrechtliche Praxis . . . . . . 361 Thesen I Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Helmut Bürgte:

Anerkennung von Auslandsscheidungen und nachträglicher Versorgungsausgleich im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Thesen ........... . ...... . .. .. .. . .... . ..... . .. . ................ . .... 405 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Diskussionsbericht (Edda Blenk-Knocke und Ulri ch Lohmann)

409

Eric Jayme (Nachtrag):

Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung und Theorie des internationalen Privatrechts - Begriffe und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Lot har Frank:

Probleme und Problemlösungen des Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung - Die Praxis der Rentenversicherung 427 Thesen .... ... .... .. . . ... . . .. . .. . . ... . .. . .... . . . . . ... . ....... . .. .... 444 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Diskussionsbericht (Josef Hoffmann) .. . ......... ... ...... .. . . ... . . ..... 448

Inhaltsverzeichnis

12

Zweiter Abschnitt: Erörterung der Problematik anhand ausgewählter Länder

A. Österreich Franz Marhold:

Die Problematik des Versorgungsausgleichs im Österreichischen Familien-, Sozial- und Kollisionsrecht ............ .. . .. ........... . . ... ... Thesen ................... .. ................. . .. .............. .. .... Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary ........... .. ...... . .. .. ............ . . . .. .. . ... . . . ... .. . ..

459 477 478 479

Ludwig Bergner:

Anrechte aus der Österreichischen Pensionsversicherung im deutschen Versorgungsausgleich ...... . .................... . ................ .. . 481 Thesen I Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 Summary ............................ . ... . .... .. ........ . . . ... . . . .. 513 Diskussionsbericht (Peter A. Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 B. Kanada Wolfgang Hering:

Die Problematik des Versorgungsausgleichs im kanadischen Familienund Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thesen .. . .............................. . .. . ............ . . . . . .. .. . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

519 553 555 556

Heinz-Dietrich Steinmeyer:

Die Problematik des Versorgungsausgleichsrechts im kanadischen Sozialrecht und Sozial-Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thesen ..... . .... .... . ..... .. .............. . ............... .. ....... Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

557 579 580 580

Diskussionsbericht (Gisela Schatte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 C. Belgien, die Niederlande und Luxemburg Walter Pintens:

Die Problematik des Versorgungsausgleichs im belgischen und niederländischen Familien-, Sozial- und Kollisionsrecht ..... . . . .... . ...... Thesen . .. . . .............. . .. .... . .. .... . . .... . ..... .. ... ... .. .... .. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

587 600 601 602

Inhaltsverzeichnis

13

Pierre Mores (Kurzreferat): Zum Versorgungsausgleich in Luxemburg .. .... . ... . ........... .. .. 605 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Diskussionsbericht (Gerhard Ig!) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Dritter Abschnitt: Zusammenführende Aspekte Eberhard Eichenhofer:

Vermögens- und vorsorgerechtliches Denken im Versorgungsausgleich - Versuch einer Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Thesen .... .............. .. . . . . ... . . . ......... . . . . ............. . . . . . 645 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 Diskussionsbericht (Ro!f Schu!e1·)

650

Michae! Wuppermann

Zusammenfassende Bemerkungen aus der Sicht eines Familienrichters 669 Hans F. Zacher:

Versuch eines Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671

Verzeichnis der Mitwirkenden

675

Einleitung Von Hans F. Zacher

Inhaltsübersicht I. Zur Problematik des deutschen Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundkonstellationen

15 15 20

II. Der Versorgungsausgleich im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das "vorrechtliche" Problem des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . 2. Die deutsche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Varianten der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Sinn der vergleichenden Wahrnehmung der Vielfalt . . . . . . . . . .

27 27 28 30 32

III. Die kollisionsrechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Potenzierung der Schwierigkeiten im Kollisionsrecht . . . . . . . . 2. Der Horizont der kollisionsrechtlichen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Suche nach dem Versorgungsausgleichs-Statut . . . . . . . . . . . . . . 4. Verweisungsnorm oder Sachnorm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die völkerrechtliche Verbesserung des Instrumentariums . . . . . . . .

32 32 35 36 36 39

2. Die Besonderheit von Vorsorge und "Vorsorgegütern" . . . . . . . . . . 3. Die Relativität der gegenwärtigen Gestalt des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

I. Zur Problematik des deutschen Versorgungsausgleichs 1. Grundkonstellationen

Während eine Ehe besteht, stellen das Familienrecht, wie vor allem • das Recht der Kooperation der Eheleute, • das familiäre Unterhaltsrecht und • das Ehegüterrecht sowie -

das Recht der Sozialleistungssysteme\ nämlich • der Vorsorgesysteme, z. B . der Sozialversicherung und der Beamtenversorgung,

1 Zu Systematik und Überblick s. etwa Hans F. Zacher, Einführung in das Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1983, S. 20 ff.

16

Hans F. Zacher • der sozialen Entschädigungssysteme, z. B. der Kriegsopferversorgung2, • der Hilfs- und Förderungssysteme, und zwar sowohl der besonderen Hilfs- und Förderungssysteme wie des Kindergeldes, der Jugendwohlfahrt, des Wohngeldes und der Arbeitsförderung als auch des allgemeinen Hilfs- und Förderungssystems der Sozialhilfe,

eine mehr oder weniger harmonische Einheit mit dem Zweck dar, dem Zusammenwirken und den Lebensverhältnissen der Ehepartner eine angemessene, gerechte Ordnung zu geben. Dabei geben das Recht der Kooperation der Eheleute, das familiäre Unterhaltsrecht und das Ehegüterrecht den verschiedenen Konstellationen ehelicher Rollenverteilung und Vermögensverhältnisse Raum. Die sozialen Vorsorge- und Entschädigungssysteme knüpfen an die Verdienerrolle an und substituieren das Einkommen und damit auch die Unterhaltskraft des Verdieners, wenn dessen Erwerbsfähigkeit ausfällt oder wesentlich vermindert wird. Und endlich vermitteln die Hilfs- und Förderungssysteme den Ehepartnern und denen, die von ihrem Unterhalt abhängen, Chancen sozialer Teilhabe und elementare Daseinsvorsorge auch dort, wo Vermögen, Einkommen, sozialer Einkommensersatz und Unterhalt dies nicht schon zulänglich bewirken. Die Vielfalt der Konstellationen - des Zusammen- oder Getrenntlebens, der Kooperation, der Rollenverteilung, der Erwerbs- und Vermögensverhältnisse, der Familiengröße, der Unterhaltslasten usw. - wird diesem Kosmos des "Privat- und Sozialrechts der Ehe" im Einzelfall die unterschiedlichsten Wirkungen geben. Und die Vielfalt der beteiligten rechtlichen Regelungen mag nicht für alle Situationen und Verläufe hinreichend koordiniert sein. Im Großen und Ganzen aber stellen Familienrecht und Sozialleistungsrecht doch eine Einheit dar, die im Zeitverlauf situationsgerecht wirkt. Wird die Ehe aufgelöst, so löst sich auch dieser funktionale Verbund radikal auf. Das Recht hat in dieser Lage, abgesehen von der Regelung der Auflösung selbst, zwei elementare Aufgaben:

-

retrospektive Gerechtigkeit herzustellen: nämlich die vorhandenen Güter unter den Ehepartnern in einer Weise aufzuteilen, die den Kooperations-, Vermögens-, Erwerbs-, Konsum- und Unterhalts-

2 Eine Zwischenlage hat die Unfallversicherung. Wie das soziale Entschädigungsrecht dient sie der Kompensation eines Schadens und der Verwirklichung einer Verantwortung (des Unternehmers oder des Gemeinwesens). Wie die anderen Zweige der Sozialversicherung (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) wirkt die Unfallversicherung - jedenfalls im Kernbereich der "echten" Unfallversicherung gegen den Arbeitsunfall aber auch als eine Institution der Vorsorge.

Einleitung

17

verhältnissen zu Beginn und während der zurückliegenden Ehe entspricht; und prospektive Gerechtigkeit herzustellen: nämlich die Güter unter den Ehepartnern so aufzuteilen und die Rechte und Pflichten der Ehepartner untereinander sowie im Rahmen von Sozialleistungssystemen so zu gestalten, wie das mit der künftigen Trennung ihrer rechtlichen und sozialen Schicksale aber auch der unvermeidlich fortwirkenden Tatsache und Geschichte ihrer ehelichen Gemeinschaft und der aus ihr resultierenden Verantwortung der Ehepartner füreinander entspricht.

-

Dabei muß das Recht, ebenso wie bei den Gestaltungen zur Zeit der Eingehung der Ehe und während der Ehe, auch Spielraum lassen für den Willen der Beteiligten. Aber es muß diesen Willen auch limitieren, wenn anders unerträgliche Ungerechtigkeiten zwischen den Ehepartnern und gegenüber denen, die von ihnen abhängen, und Kollusion zu Lasten der Solidarverbände, welche die Sozialleistungssysteme tragen, vermieden werden sollen. Daß es einen elementaren Unterschied macht, ob die Ehe durch Tod aufgelöst wird oder geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wird3 , bedarf keiner Betonung. Im Falle des Todes eines Ehepartners teilen sich Ehegüterrecht und Erbrecht in die Aufgabe retrospektiver Gerechtigkeit. Je nach den Lebensverhältnissen der Ehepartner erfüllen die entsprechenden Dispositionen auch Funktionen prospektiver Gerechtigkeit. Im allgemeinen freilich ist die prospektive Gerechtigkeit primär den Sozialleistungssystemen anvertraut, die den Unterhalt, den der verstorbene Ehepartner geleistet hat, durch Unterhaltsersatzleistungen substituieren. Die Vorsorge- und Entschädigungssysteme werden dabei, wie auch während der Ehe, durch Hilfs- und Förderungssysteme dahin ergänzt, daß Mindestsicherung und angemessene soziale Teilhabe gewährleistet bleiben'. Diese Ordnungsaufgabe des Rechts ist verhältnismäßig einfach. Die gefundenen Problemlösungen sind - abgesehen von dem "Quadratur-des-Kreises"-Problem der Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Hinterbliebenensicherung - vergleichsweise erprobt und bewährt. Ganz anders ist die Lage, wenn die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wird - wobei im folgenden aus naheliegenden 3 Die Bedeutungsunterschiede zwischen Nichtigkeit (Nichtigerklärung), Aufhebung der Ehe und Ehescheidung sollen damit nicht verwischt werden. Sie können hier aber - wegen der statistischen Dominanz der Ehescheidung ebenso wie wegen der Ähnlichkeit, die den Wirkungen von Nichtigerklärung, Aufhebung und Scheidung auch rechtlich zukommt - vernachlässigt werden. 4 Ihre Deformation durch sozial unausgewogene Sparmaßnahmen muß hier, wo es um grundsätzliche Zusammenhänge geht, außer Betracht bleiben.

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versorgungsausgleich

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Gründen nur von der Auflösung durch Scheidung gesprochen werden soll. Zwar läßt sich retrospektive Gerechtigkeit im Prinzip einfach durch die Aufteilung der während der Ehe erworbenen Güter, im übrigen durch die konsequente "Liquidation" des von den Ehegatten gewählten Güterstandes bewirken. Ehegüterrecht und Scheidungsrecht wirken hier zusammen. Die prospektive Gerechtigkeit aber wirft überaus komplexe Probleme auf. Schon die Verbindung des Prinzips der Trennung der rechtlichen und sozialen Schicksale mit einem Prinzip fortwirkender Verantwortung der Ehepartner füreinander führt zu schweren Spannungen. Welche Rolle sollen dabei die Geschichte der Ehe, die Geschichte ihrer Auflösung und der Umstand haben, welche Unterhaltslasten, aber auch welche Güter die Ehepartner aus der Ehe mitgenommen haben? Was soll es für ihre fortdauernde Verantwortung bedeuten, wie ein jeder die getrennten Wege geht, und welches Geschick einem jeden - genauer: einem jeden der früheren Ehepartner und auch denen, die er aus dem alten Unterhaltsverband mitgenommen hat, - auf diesen getrennten Wegen bereitet ist? Und endlich: welche Probleme sind Sache allein jedes Ehegatten und eventuell des neuen Unterhaltsverbandes, in den er sich begeben hat; welche Probleme dagegen sind Sache der fortwirkenden Verantwortung der beiden Ehepartner füreinander? Welche Probleme endlich sind Sache der Sozialleistungssysteme und also der Solidarverbände, die hinter den Sozialleistungssystemen stehen? Die Aufgabe prospektiver Gerechtigkeit erscheint so von vornherein schon durch die Ungewißheit und Widersprüchlichkeit ihrer Maximen und durch die Vielfalt der einzubeziehenden Teilrechtsordnungen aufs äußerste erschwert. Daneben aber steht der ganz andere Komplex von Schwierigkeiten: die Frage der Zeit. Die prospektive Ordnung soll im Zeitpunkt der Scheidung gestaltet werden. Die Trennung der sozialen und rechtlichen Schicksale der Ehepartner erfordert dies. Sie brauchen Gewißheit über das, was nun zwischen ihnen gilt. Aber was zwischen ihnen gelten soll, richtet sich nach Umständen, die in der Zukunft liegen. Jene angemessene Ordnung zwischen den Ehepartnern, die hier als die Aufgabe prospektiver Gerechtigkeit bezeichnet wird, muß sich den Entwicklungen, die ihre Schicksale nehmen, anpassen können. Die Entscheidung ausschließlich im Zeitpunkt der Scheidung oder eine offene Ordnung, die den Partnern begleitend über die Zeit hin folgt? Das scheint die Alternative zu sein. Die Nachteile eines jeden dieser Extreme lassen nach einem Kompromiß Ausschau halten. Er scheint sich anzubieten: in der Verbindung der Konzentration der Entscheidung auf den Zeitpunkt der Scheidung mit Korrektiven, die den Ehepartnern über die Zeit hin folgen. Dabei aber spielen die involvierten Teilrechtsordnungen eine recht unterschiedliche Rolle. Vereinbarungen der Parteien oder Entscheidungen der Familienrichter, welche die Auseinandersetzung des

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Vermögens regeln oder auch den künftigen Unterhalt zu bestimmen suchen, folgen der Maxime der Konzentration der Entscheidung im Zeitpunkt der Scheidung. Gesetzliches Unterhaltsrecht und Sozial~ Ieistungssysteme aber müssen für die Zukunft offen bleiben und den Schicksalen über die Zeit hin folgen. Was die rigiden Problemlösungen des Vermögensrechts und des Vorsorgerechts (Versicherungsrechts, Sozialversicherungsrechts) jetzt wie später bedeuten, läßt sich ausrech~ nen. Aber für das Ungefähre, für das Unabsehbare, bleiben die flexib~ leren, "weicheren", "mitleidigeren" Problemlösungen des Unterhalts~ rechts oder der Hilfs~ und Förderungssysteme des Sozialhilferechts offen. Gefälle also, Inklinationen, welche gewisse Ordnungen mit der Konzentration der Entscheidung auf den Zeitpunkt der Scheidung verbinden, andere Ordnungen dagegen in die Dimension der offenen Zukunft stellen. Prospektive Ordnung aber soll alles umfassen. Etwas genauer noch gesagt. Familienrechtlich kommt dem Unter~ haltsrecht, sozialrechtlich den Hilfs- und Förderungssystemen, vor allem dem Sozialhilferecht, eine Funktion zu, die dem subsidiären Charakter des Unterhaltsrechts und des Sozialhilferechts widerspricht: der Sub~ sidiarität des Unterhaltsrechts, die sich aus dem Primat der Trennung der rechtlichen und sozialen Schicksale der geschiedenen Ehepartner ergibt; und der Subsidiarität des Sozialhilferechts, dem alle anderen Sozialleistungssysteme vorzugehen haben. Sollte es da nicht geboten sein, die Aufgabe der prospektiven Gerechtigkeit, statt ihre Erfüllung auf den Zeitpunkt der Scheidung zu konzentrieren, begleitend, fortlaufend zu erfüllen? Das aber würde die Wirkung der Scheidung minimalisieren. Die Schicksale blieben ver~ kettet, die Grundlagen der neuen Lebensplanung labil. Zudem könnte das nicht die spezifischen Unterschiede zwischen den Teilrechtsordnungen, zwischen ihrer "Rigidität" und ihrer Flexibilität und Anpassungs~ fähigkeit, aufheben. Alles in allem ist die Aufgabe prospektiver Gerechtigkeit eingespannt in einen doppelten Widerspruch zwischen den Maximen der Rechtssicherheit und der Besitzstandgerechtigkeit auf der einen Seite und der Maxime der Bedürfnisgerechtigkeit auf der anderen Seite (zwischen denen die Maxime der Leistungsgerechtigkeits eine eher zufällige und also unbefriedigende Rolle spielt). Ein doppelter Widerspruch: erstens, weil die historisch auf die Scheidung fixierte Lösung Rechtssicherheit und Besitzstandgerechtigkeit verkörpert, eine offene, begleitende Lösung laufender Entscheidungen, die den Entwicklungen folgen, dagegen 5 Zur Trias von Bedürfnis-, Leistungs- und Besitzstandsgerechtigkeit s. Walter Kerber, Gerechtigkeit als rechte soziale Ordnung, in: Franz Böckle u. a. (Hg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft, Teilband 17, 1981,

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die Bedarfsgerechtigkeit; zweitens, weil die rigiden Ordnungen Rechtssicherheit und Besitzstandsgerechtigkeit schaffen, die "weicheren" Ordnungen dagegen Bedarfsgerechtigkeit. 2. Die Besonderheit von Vorsorge und "Vorsorgegütern"

Die bisherigen Überlegungen haben den Gegensatz zwischen den Aufgaben der retrospektiven und der prospektiven Gerechtigkeit betont, die Verbindungen dagegen eher vernachlässigt. In der Tat bestehen solche schon ohne die besonderen Institutionen der Vorsorge. Und von diesen Verbindungen war auch schon die Rede: nämlich davon, daß die Wahrnehmung prospektiver Gerechtigkeit nicht außer Betracht lassen kann, was die Ehepartner nach Herstellung retrospektiver Gerechtigkeit - einfacher: nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung- aus der Ehe mitnehmen. Die besonderen Institutionen der Vorsorge aber erheben- weit darüber hinaus -gerade die Verbindung zwischen retrospektiver und prospektiver Gerechtigkeit zum Prinzip. Sie ermöglichen den Ehepartnern, durch Einsatz von Arbeit oder Vermögen Anwartschaften auf Rechte ("Vorsorgegüter") zu erwerben, die ihnen, wenn bestimmte Umstände eintreten, die ihr Einkommen langfristig bedrohen (Alter, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit), ganz oder teilweise Kompensation für den Verlust an Einkommen vermitteln. Diese spezifische Umschreibung erfaßt freilich nicht alles, was unser Recht an Vorsorge ermöglicht. Vorsorge im allgemeinen6 ist die Sicherung gegen bestimmte typische Gefahren unter vorherigem leistenden Einbezug derer, die gesichert werden, oder anderer, die für ihr Einkommen oder ihren Unterhalt Verantwortung tragen oder übernehmen. Der Grundtyp aller Vorsorge ist die Versicherung. Die sozial wichtigste Variante ist die Sozialversicherung. Versicherung und Sozialversicherung haben gemeinsam, daß in einem spezifischen Vorsorgeverhältnis die Anwartschaften erwachsen, die sich, wenn das Risiko sich verwirklicht, in Leistungsansprüche umsetzen. Die Beamtenversorgung, als ein weiterer Typ von Vorsorge, dagegen erwächst aus einem komplexen Dienstverhältnis, das die Versorgung einschließt.7 Die betriebliche Alterssicherung, um ein letztes Beispiel für Vorsorge zu nennen, kann beiden Grundtypen entsprechen: die Zusage - analog zur Beamtenversorgung- in das Arbeitsverhältnis "internalisieren" oder sie- wie Versicherung oder Sozialversicherung - auf besondere Vorsorgeverhältnisse hin "externalisieren" 8 • Das kann und braucht hier nicht weiter s. Zacher (Anm. 1), S. 20 f., 25 f. s. Hans F. Zacher, Die Versorgung der Beamten, Richter und Soldaten, 1984, s. 3, 23 f. 8 s. dazu etwa Bernd von Maydell, Betriebliche Altersversorgung, in: Sachverständigenkommission Altersversicherungssysteme, Gutachten der Sachverständigenkommission, Berichtsband 2, 1983, S. 243 ff. 6

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vertieft zu werden. Zu unterstreichen ist vielmehr, daß solche Vorsorge nicht nur für den Fall des Alters und der Invalidität (Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit) möglich ist, sondern gegen eine Reihe weiterer Risiken wie Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit oder Tod unter Zurücklassung Unterhaltsabhängiger. Vorsorge gegen diese Risiken aber unterscheidet sich im Sinnzusammenhang der Ehescheidung wesentlich von der Vorsorge für das Alter und die Invalidität. Die Vorsorge für den Fall des Todes z. B. gehört, wenn sie sich überhaupt von der Vorsorge für den Fall des Alters und der Invalidität trennen läßt9 , in den Sinnzusammenhang der Auflösung der Ehe durch Tod. Vorsorge für den Fall der Krankheit (wenn und soweit sie nicht in Invalidität umschlägt), der Mutterschaft und der Arbeitslosigkeit (soweit sie "echte" abstrakte Vorsorge und nicht konkrete Arbeitslosenhilfe ist) betrifft je aktuelle, kurz- oder mittelfristige Probleme, nicht aber die langfristigen Probleme des Lebenseinkommens, die Gegenstand der Vorsorge für den Fall des Alters und der Invalidität sind. Die Vorsorge für den Fall der Krankheit, der Mutterschaft und der Arbeitslosigkeit ist somit von dem Prinzip der Ehescheidung dominiert, das die Schicksale der Partner nach der Ehescheidung trennt. Gewiß kann kein Phänomen der Vorsorge ganz aus der Frage nach dem Übergang von der retrospektiven zur prospektiven Gerechtigkeit ausgeklammert werden. Den Kern dieser Problematik aber treffen eben jene Institutionen, die auf eine Sicherung des Lebenseinkommens angelegt sind. Diese auf das Lebenseinkommen gerichteten Institutionen der Vorsorge für den Fall des Alters und der Invalidität können während der Ehe erworben werden, und werden in der Regel während der Ehe erworben, um gerade den Ehepartnern als gemeinsame Lebensgrundlage zu dienen. Die Anwartschaften, die so erwachsen, gehören so einerseits zu den Gütern, die zu bilanzieren und aufzuteilen sind, wenn die Ehepartner sich trennen. Sie gehören in den Auftrag der retrospektiven Gerechtigkeit. Zugleich sind sie auf die Zukunft gerichtet - darauf, die Lebensgrundlage gerade für Entwicklungen zu sichern, die noch nicht abzusehen sind. Und deshalb gehören sie andererseits auch in die Gestaltung der künftigen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehepartner und in den Auftrag der prospektiven Gerechtigkeit. Deshalb aber lassen sie sich auch nicht einfach - genauer: lassen sie sich nur höchst fiktiv - im Zeitpunkt der Scheidung "bilanzieren". Und noch weniger lassen sie sich einfach aufteilen. Die Teilung verändert Sinn, Funktion und Wert. Dazu kommt ein anderes. Vorsorge ist personal gebunden. Alter und Invalidität treten bei ganz bestimmten Personen 9 s. dazu etwa Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme, Gutachten der Alterssicherungskommission, Berichtsband 1, 1983, S. 20.

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ein. Diese Personen sorgen vor; oder für sie wird vorgesorgt. Die Teilung verändert diese personale Zuordnung. Und auch diese subjektive Neu-Zuweisung verändert Sinn und Funktion jedenfalls des Anteils, der das Subjekt wechselt - im Regelfall auch des anderen Teils. Endlich ist die Vorsorge zumeist rechtlich gebunden. Die Vorsorge wird erzwungen oder, soweit freiwillig, doch in besonderer Weise rechtlich bindend normiert. Ihr Einbezug in das Aufteilungsgeschäft retrospektiver Gerechtigkeit ist so gar nicht möglich, ohne daß die personale Bindung gelöst und die rechtliche Bindung dafür geöffnet wird. So erweisen sich jene Institutionen der Vorsorge und die aus ihnen erwachsenden Anwartschaften nicht nur als Verbindungen zwischen den Sphären retrospektiver und prospektiver Gerechtigkeit. Sie erweisen sich auch selbst als resistent gegen ihre Zuordnung zu der einen oder der anderen Sphäre. Sie können nicht einfach güterrechtlich "aufgebrochen" oder unterhaltsrechtlich "eingesetzt" werden. Sie bedürfen, wenn es zur Ehescheidung kommt, einer spezifischen rechtlichen Lösung, die ihrer Zwischen- und Brückenstellung gerecht wird. Diese spezifische Lösung ist der "Versorgungsausgleich". Damit schiebt sich zwischen die Regelung, wie Vorhandenes aufzuteilen ist, und die Regelung, wie die Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehepartner künftig gestaltet werden und miteinander verbunden bleiben sollen, die Aufteilung der "Vorsorgegüter" durch den "Versorgungsausgleich". Das darf aber nicht verdecken, daß er doch in beides gehört: in den Auftrag retrospektiver und in den Auftrag prospektiver Gerechtigkeit. Und gerade das erweist sich als Problem. Das Eigenleben des "Versorgungsausgleichs" macht es überaus schwer, ihn noch in die Aufgaben retrospektiver und prospektiver Gerechtigkeit einzubinden. Und es verführt dazu, diese Einordnung auch für entbehrlich zu halten. Der Blick auf den Gesamtzusammenhang geht so aber verloren. Das deutsche Recht hat diese Problematik erstmals mit der Scheidungsreform von 1976/ 77 thematisiert. Bis dahin hatte man die spezifische Problematik der "Vorsorgegüter" vernachlässigt. Vor allem folgende Entwicklungen waren es wohl, welche die Aussonderung ebenso notwendig machten, wie möglich: -

die Ausbreitung von Institutionen der Vorsorge für den Fall des Alters und der Invalidität (in der Sozialversicherung, der Versorgung der Beamten, Richter und Soldaten, der betrieblichen Alterssicherung, der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, den berufsständischen Versorgungswerken, der Privatversicherung) und die Zunahme der Lebensbedeutung und der gesellschaftlichen Bewertung dieser Vorsorge;

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die Ablösung der festen Verteilung der Rollen des Verdieners und der Haushaltsführung auf Mann und Frau durch eine zunehmende Vermischung und Angleichung der Rollen sowie die Neubewertung auch der Nichtverdienerrolle, wie sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zum Ausdruck kommt, letztlich also das Prinzip, daß die Ehegatten das in der Ehe Erworbene zu gleichen Teilen aus der Ehe mitnehmen sollen;

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die Perspektive einer eigenständigen sozialen Sicherung der Frau, auch der Hausfrau, die dazu führen würde, daß beide Partner "Vorsorge-Konten" haben, denen aufgespaltene und umverteilte Anwartschaften der früheren Ehepartner unschwer hinzugefügt werden können; jedenfalls aber die zunehmende Erwerbstätigkeit auch von Frauen und demzufolge die Erwartung, daß sich im Falle des Versorgungsausgleiches "auf beiden Seiten" selbst erworbene und übertragene Werte zu einer leistungsfähigen Anwartschaft ergänzen können;

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die Lösung der Ehescheidung vom Verschuldensprinzip, ihre Hinwendung zum Zerrüttungsprinzip und im Gefolge dessen auch die Umstellung des Unterhaltsrechts von der Verantwortung des "Schuldigen" für den "Unschuldigen" auf die Verantwortung des "Leistungsfähigen" für den "Bedürftigen";

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schließlich die ganz spezifische Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung, • die Rechenhaftigkeit der Ermittlung des Wertes der Anwartschaften und somit auch ihre Teilbarkeit und Übertragbarkeit sowie • die Deckung der Risiken des Alters und - wenn auch mit Einschränkungen - der Invalidität auch für Versicherte, die selbst nicht erwerbstätig waren10•

Kraft dieser Entwicklung wurde die Rentenversicherung zum "Ideal" eines Vorsorgeverhältnisses, das den Bedürfnissen der Herstellung retrospektiver Gerechtigkeit wie einer prospektiven Ordnung auf der Basis künftiger Eigenverantwortung beider Ehepartner - sei es im Sinne des weiteren Ausbaues der Anwartschaft durch eigene Erwerbstätigkeit, sei es durch getrennte Abdeckung der Risiken des Alters und der Erwerbsunfähigkeit - maximal entspricht. Alles in allem: der "Versorgungsausgleich" erschien so ebenso möglich wie unvermeidlich. "Vorsorgegüter" schienen hinreichend entwickelt, verbreitet und wichtig, um in ihrer Aufteilung retrospektive 10 Dies gilt freilich nicht mehr, seit- infolge des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 - die Sicherung für den Fall der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit an versicherungspflichtige Tätigkeiten geknüpft ist.

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und prospektive Gerechtigkeit zugleich zu realisieren, ihre Aufteilung aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung herauszunehmen und durch ihre Aufteilung die wechselseitige Unterhaltsverantwortung der Geschiedenen weitgehend zu entlasten. In Wahrheit aber zeigten sich große Schwierigkeiten. Die Spaltung der "Vorsorgegüter" verändert, ja verfremdet sie. Selbst bei der Rentenversicherung, dem "idealsten" Vorsorgegut, zeigt sich das. Je weitergehend die Anwartschaft nur von einem Verdiener erworben wurde, desto weniger sichert sie nach der Spaltung zwei selbständige Existenzen. Sie ist auch in erster Linie auf Verdienerrisiken zugeschnitten, nicht auf die Risiken in der Person dessen, der tätigen Unterhalt leistet. Die Sicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit mußte für die "Nurhausfrau" schon vor dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 faktisch "leerlaufen". Nun ist durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 auch die Sicherung für den Fall der Erwerbsunfähigkeit ausgeschlossen. Die eigenständige Sicherung der Frau blieb überhaupt aus. Auch zeigte sich, daß die weiteren Entwicklungen der sozialen Biographien der beiden Partner sowie der Renten im allgemeinen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen können, daß also die realen Wirkungen der Spaltung der Anwartschaft weniger abgesehen werden können, als die Rechenhaftigkeit ihres Wertes im Zeitpunkt der Spaltung das annehmen läßt. Noch viel deutlicher zeigten sich diese Probleme dort, wo etwa, wie in der Beamtenversorgung oder in der betrieblichen Alterssicherung weder eine vergleichbare Rechenhaftigkeit des Wertes noch die Übertragbarkeit gegeben sind. Wenn etwa eine Beamtenversorgung aufgeteilt und für den nichtbeamteten Ehepartner eine Anwartschaft in der Rentenversicherung begründet wird, so verändert das nicht nur den Inhalt des übertragenen, in eine Rentenversicherung "verwandelten" Anteils grundlegend; beide "Teile"- der beamtenrechtliche "Rest" und der rentenrechtliche "Erwerb" - werden sich auch in Zukunft nach grundlegend anderen Gesetzen weiterentwickeln. Noch viel schwerer wiegt, wenn im "schuldrechtlichen Versorgungsausgleich" das - durch einen öffentlich(recht)lichen Solidarverband oder einen privaten Versicherungsträger garantierte - "Vorsorgegut" durch einen privatrechtliehen Anspruch gegen einen der Ehepartner substituiert werden soll. Endlich befrachtete der Versorgungsausgleich auch unter den Aspekten der Zuständigkeit und des Verfahrens die Ehescheidung mit Dispositionen sozial-, dienst-, arbeits- und versicherungsrechtlicher Natur, die sowohl für das Scheidungsrecht als auch für die betroffenen "Vorsorgerechte" große Belastungen bedeuteten. Vor allem auch bewirkte der öffentlichrechtliche Charakter der wichtigsten "Versorgungsgüter", daß ihr Einbezug die Autorität des Richters verlangte und nicht einfach

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der Parteidisposition überlassen werden konnte. Das vertiefte den Graben zwischen Güterrecht und "Versorgungsausgleich" und bekräftigte die Tendenz zur zeitlichen Konzentration der Entscheidung auf den Zeitpunkt der eigentlichen richterlichen Entscheidung - also der Scheidung. Nur das mochte rationell erscheinen: daß der Richter in einem scheidet und ausgleicht. Eine andere Ebene der Schwierigkeiten ist die, daß "Vorsorgegüter", die auf solche Weise erworben, ausgerechnet, gespalten, übertragen und weiterentwickelt werden können, immer nur typischen, in rechtliche Tatbestände kleidbaren und gekleideten Bedürfnissen (wie eben des Alters, der Erwerbsunfähigkeit, dem Tod eines Unterhaltsträgers usw.) dienen können. Sie sind, wie das für "Vorsorgesysteme" wesentlich ist, abstrakte Vorsorge für abstrakt umschriebene Fälle. Das macht ihren Charakter als "soziale Sicherheit" aus. Sie gewähren - sozialpolitisch gesehen - das in typischen Fällen abstrakt Richtige auf die Gefahr hin, im Einzelfall das konkret Richtige zu verfehlen. Das ist Voraussetzung dafür, daß die Anwartschaften unmittelbar auf ausrechenbare Inhalte berechtigen. Das aber macht sie an sich unfähig, der Fülle der Lebenssachverhalte gerecht zu werden. Sie bedürfen der Ergänzung durch Regulative, die den konkreten Bedürfnissen nachgehen - Regulative, wie sie im Privatrecht das Unterhaltsrecht, im öffentlichen Recht vor allem das Sozialhilferecht darstellen; Regulative, die nun, da ihnen der Versorgungsausgleich mit seinen weit gestreuten Wirkungen vorgegeben ist, noch mehr als vor dem Versorgungsausgleich unterschiedlich belastet sind. 3. Die Relativität der gegenwärtigen Gestalt des Versorgungsausgleichs

Der Versorgungsausgleich, wie er im Zusammenhang mit der Scheidungsreform 1976/ 77 eingeführt wurde, war eine große Anstrengung und spektakuläre Leistung der Rechtsentwicklung. Ihn zu erfassen und zu verstehen, ihn praktikabel zu machen, ihntrotzaller Schwierigkeiten zu bewältigen, hat für viele Jahre die Kraft der Anwender und Interpreten absorbiert. Das Bundesverfassungsgericht hat durch eher fragmentarische Beanstandungen11 Gesetzgebung und Rechtsanwendung vor neue schwierige Fragen gestellt. Der Bundesgesetzgeber hat endlich durch das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. 2. 1983 der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, zugleich aber auch gewissen Erfahrungen der Praxis Rechnung getragen. Das Gesetz versteht sich als interimistisch. Es soll zum Ende des Jahres 1986 außer Kraft treten (§ 13 Abs. 3). Die Rechtspolitik ist somit auf11

BVerfGE 53, S. 257; 63, S. 88. Beschluß vom 4. April 1984, NJW 1984,

s. 2147.

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g€fordert, über die Revision des Versorgungsausgleichs nachzudenken. Für dieses Nachdenken wird folgendes wichtig sein. Die Lösung von 1976/ 77 wäre wohl kaum möglich gewesen, wenn das Spiel aller denkbaren Varianten ganz aufgedeckt gewesen wäre. Seine Kombinatorik hätte dann möglicherweise die Kraft des Gesetzgebers überfordert. Nur daß das Unmaß der Komplexität sich zunächst noch hinter dem Vordergrund verbarg, der sich dem ersten Zugriff zeigte, konnte wohl den Weg ebnen. Nachdem dieses Stadium der "Erfindung" aber weit zurückliegt, ist es jetzt geboten, das Spiel der Varianten aufzumachen und das geltende Recht ebenso wie Vorschläge zu einer Veränderung im- erhellenden, freilich auch verwirrenden- Lichte dieses Spiels zu sehen. Das Spiel der Varianten hat vor allem die folgenden Dimensionen: -

die richtige Abgrenzung jener "Vorsorgegüter", für die sich das tertium eines besonderen "Versorgungsausgleichs" als die angemessenere Lösung gegenüber dem schlichten Einbezug in die retrospektive Ordnung der Güterverteilung ebenso wie gegenüber der schlichten Einrechnung der unveränderten Anwartschaften in die prospektive Ordnung der künftigen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehepartner darstellt;

-

die Unterschiede zwischen den verschiedenen "Vorsorgegütern", für die ein besonderer "Versorgungsausgleich" zwischen retrospektive und prospektive Ordnung gestellt wird, insbesondere die unterschiedliche Wirkung, die der "Versorgungsausgleich" auf sie - auf Rentenanwartschaften, auf Beamtenversorgung, auf Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, auf betriebliche Alterssicherung, auf Lebensversicherungsverträge usw.- hat;

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die unterschiedliche B€deutung der verschiedenen Methoden des "Versorgungsausgleichs" (des Splittings, des quasi-Splittings, des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs usw.) - die freilich aufs engste mit den Unterschieden der "Vorsorgegüter" selbst zusammenhängt;

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die unterschiedlichen Möglichkeiten von Verfahren und Kompetenzen (richterliche Entscheidung, Vertrag usw.) und ihre Tragweite;

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die zeitliche Lage des "Versorgungsausgleichs", insbesondere der Gegensatz zwischen seiner Konzentration auf den Zeitpunkt der Scheidung oder seiner Auflösung im Sinne einer die Schicksale der geschiedenen Partner begleitenden Reaktion auf wesentliche Veränderungen;

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das richtige Verhältnis des "Versorgungsausgleichs" zur güterrechtlichen Auseinandersetzung - sowohl im Hinblick auf die Abgren-

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zung der "Vorsorgegüter" von sonstigen Gütern, als auch in Hinblick auf Kompetenzen, Verfahren und zeitliche Lage der Regelung; -

vor allem aber das richtige Verhältnis des "Versorgungsausgleichs" zur sonstigen prospektiven Ordnung der Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehepartner, insbesondere im Verhältnis zum Unterhaltsrecht und zu jenen Sozialleistungssystemen, welche die Vorsorgesysteme ergänzen (soziales Entschädigungsrecht, Hilfs- und Förderungssysteme) -, und auch dies im Sinne der materiellen Gehalte sowie der Verfahren und Kompetenzen und der zeitlichen Lage der Entscheidungen.

Hinter allem muß das Ziel gesehen werden, den Versorgungsausgleich in eine befriedigende Ordnung des gesamten Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts, also auch der güterrechtlichen Auseinandersetzung, des Unterhaltsrechts und des Sozialrechts jenseits der "Vorsorgerechte" zu integrieren. Diese Frage nach einer befriedigenden Gesamtordnung ist zunächst die Frage nach sachlichen Prinzipien, die es erlauben würden, die beteiligten Teilrechtsordnungen so zu gestalten und nebeneinanderzustellen, daß ihre Summe jene befriedigende Gesamtordnung ergibt. Oder ist ein "Regulativ dahinter", eine "Übernorm" denkbar, die zu einem befriedigenden Gesamtergebnis auch dort führt, wo das Konzert der Teilrechtsordnungen dies nicht herbeiführt? Diese Frage aber richtet sich nicht nur auf Sachnormen, sondern auch auf das richtige Verhältnis der Kompetenzen. Und analog zu der Frage nach der "Norm hinter den Normen" stellt sich die Frage nach einer "Kompetenz hinter den Kompetenzen". Wäre etwa ein permanenter Auftrag des Scheidungsrichters denkbar, die involvierten Teilrechtsbeziehungen den Entwicklungen anzupassen, wenn anders ein angemessenes Gesamtergebnis nicht mehr erzielt wird? Eine befriedigende Gesamtordnung über all diese Sachbereiche und über die Zeit hin zu fordern, mag unrealistisch erscheinen. Aber welches andere Ziel sollte eine Reform sonst haben?

II. Der Versorgungsausgleich im Rechtsvergleich 1. Das "vorrechtlidle" Problem des Versorgungsausgleichs

Ein wichtiges Mittel, die Dimensionen der Variabilität einer Problemlösung zu erkennen, ist der Rechtsvergleich. Rechtsvergleich heißt, die verschiedenen Lösungen zu vergleichen, mit denen mehrere Rechtsordnungen auf die Herausforderung durch ein jeweils gleiches Problem -das "vorrechtliche" Problem12 antworten. Versucht man die einfach-

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sten Elemente des Problems herauszuschälen, auf dessen Herausforderung die Institution des Versorgungsausgleichs - antwortet, so läßt sich das Gesagte wohl zusammenfassen wie folgt: -

Es gibt eine Ehescheidung;

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und es gibt Rechte, die während der Ehezeit erworben werden, um in typischen Bedarfssituationen das Lebenseinkommen der Ehepartner zu sichern.

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Diese sollen im Falle der Ehescheidung • sei es in Hinblick auf die zurückliegende Ehe und die Umstände des Erwerbs dieser Rechte, • sei es in Hinblick auf die künftige Verselbständigung der rechtlichen und sozialen Schicksale der Partner und die gleichwohl zwischen ihnen bleibende Verantwortung, • sei es in Hinblick auf beides in den Dienst der Bedürfnisse beider Partner gestellt und entsprechend aufgeteilt werden. 2. Die deutsche Lösung

Auf diese Herausforderung gibt der deutsche Versorgungsausgleich eine äußerst komplexe und gleichwohl geschlossene, äußerst spezifische Antwort: (1) Die Auflösung der Ehe durch die Scheidung beendet nicht die aus der Ehe herrührende Verantwortung für die Lebensgrundlage des jeweils anderen Partners. Genauer bedeutet dies: Während der Ehe besteht eine Vorsorgeverantwortung der Partner füreinander - welchen Inhalts, welcher Rechtsnatur und welchen Rechtsgrundes auch immer; nach der Ehe besteht trotz der Selbstverantwortung jedes Partners für sich eine fortwirkende Verantwortung der geschiedenen Eheleute füreinander. (2) Dieser Verantwortung soll möglichst wenig durch nachehelichen Unterhalt, möglichst viel dagegen durch die Aufteilung von "Vorsorgerechten" Rechnung getragen werden. Der Versorgungsausgleich steht so neben dem Recht der güterrechtlichen Auseinandersetzung ebenso wie neben dem Recht des nachehelichen Unterhalts, ohne in ein festes funktionales Verhältnis zu diesen beiden Rechtsbereichen zu treten. 12 Der Begriff verkennt nicht, daß auch "vorrechtliche" Problerne rechtlich bedingt sein können, wie das gerade für den Versorgungsausgleich der Fall ist. Es geht nicht notwendig um eine Problematik, die "vor" jedem Recht liegt, sondern um die Problematik, die "vor" gerade der zu vergleichenden Regelung liegt.

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(3) Der Versorgungsausgleich konzentriert sich auf typische, final der Vorsorge für den Fall des Alters und der Invalidität dienende Anwartschaften (Sozialversicherung, Beamtenversorgung, betriebliche Alterssicherung, Privatversicherung usw.). Dagegen ignoriert er Rechte, die als Lebensgrundlage dienen (z. B. Renten aus sozialer Entschädigung) oder dienen können (Vermögenswerte), jedoch nicht als Vorsorgerechte gestaltet sind. Der Versorgungsausgleich ist so sowohl zum sonstigen (nicht vorsorge-rechtlichen) Sozialrecht als auch zur güterrechtlichen Auseinandersetzung von Vermögenswerten abgegrenzt. (4) Die Rechtsordnung stellt solche typischen Vorsorgerechte in vielfältiger Gestalt bereit. Infolge dieser Vielfalt entstehen wesentliche Unterschiede der Wirkungen des Versorgungsausgleichs, die sich daraus ergeben, daß die Vorsorgerechte dem Versorgungsausgleich unterschiedlich zugänglich sind und auf den Zugriff des Versorgungsausgleichs unterschiedlich reagieren. Je nach der "Komposition" der Vorsorge finden sich diese Differenzen auch innerhalb einund desselben "Versorgungsausgleichs". (5) Der Versorgungsausgleich ergreift die Vorsorgeanwartschaften der geschiedenen Eheleute umfassend. Er knüpft nicht an einzelne Vorsorgeanwartschaften an. (6) Die Aufteilung erfolgt grundsätzlich im Zeitpunkt der Scheidung. Ihre Richtigkeit kann daher durch Entwicklungen in Frage gestellt werden, die zum Zeitpunkt der Scheidung nicht abzusehen sind. Das Unterhaltsrecht begleitet dagegen die Schicksale der geschiedenen Ehepartner im Zeitverlauf. Spätere Entwicklungen können auch dazu führen, daß das Verhältnis zwischen den Wirkungen des Versorgungsausgleichs und den Unterhaltslasten unrichtig wird. Härteregelungen versuchen deshalb nunmehr, einen Ausgleich zwischen der Entwicklung der Unterhaltslast und den Wirkungen des Versorgungsausgleichs zu schaffen. (7) Die Entscheidung ergeht grundsätzlich von Amts wegen durch den Scheidungsrichter. Die Regelung des Versorgungsausgleichs durch die Parteien unterliegt der Kontrolle durch den Richter. (8) Der Versorgungsausgleich kann, wenn das Vorsorgerecht dafür geeignet ist, auf die Vorsorgeanwartschaft durchgreifen und neue Vorsorgeanwartschaften begründen (Splitting, Realteilung, quasiSplitting). Die Eigenart von Vorsorgeanwartschaften sowie der Parteiwille kann aber auch dazu führen, daß an die Stelle des verfügenden Versorgungsausgleichs ein nur verpflichtender (schuldrechtlicher) Versorgungsausgleich tritt.

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(9) Der Versorgungsausgleich greift weitgehend in Rechte ein, die durch zwingendes Gesetzesrecht geregelt sind. Er bedarf daher der gesetzlichen Grundlage und einer entsprechenden Definition der Befugnisse zum Eingriff. Demgegenüber ist das eheliche Güterrecht von der Parteidisposition geprägt, das Unterhaltsrecht hingegen von einer Verbindung einer gesetzlichen Regelung mittels unbestimmter Rechtsb€griffe mit Parteidisposition und richterlicher Gestaltung und Kontrolle. Das Güterrecht hat im Zeitpunkt der Auseinandersetzung die größeren Spielräume, das Unterhaltsrecht über die Zeit hin die größere Fähigkeit, sich den Entwicklungen anzupassen. 3. Varianten der Lösung

Im Verhältnis zu der elementaren Frage, die der Versorgungsausgleich aufwirft, ist dieses differenzierte, komplexe "Gesamtprogramm" des deutschen Versorgungsausgleichs von hoher Beliebigkeit. Freilich besteht diese "Beliebigkeit" nicht innerhalb des deutschen Rechts. Hier ist vieles zwangsläufig- die Konsequenz aus Vorgaben des deutschen Rechts, die dem Versorgungsausgleich vorausliegen. Der Rechtsvergleich ab€r läßt diese Vorgaben des nationalen Rechts hinter sich. Damit weiten sich die Spielräume fast ins Unendliche. Es ist nicht möglich und wäre auch nicht sinnvoll, hier zu versuchen, das volle Spektrum alternativer Konstellationen auszubreiten. Die nachfolgenden Hinweise sollen nicht mehr bewirken, als die Tür für eine unvoreingenommene rechtsvergleichende Wahrnehmung funktionaler Äquivalenzen aufzustoßen: -

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Der Akzent der Problemlösung kann ganz auf den Erwerb der Anwartschaft und auf den Vermögenswert gelegt werden, den die Anwartschaft darstellt. Mit anderen Worten: die Problemlösung kann ganz in den Bereich des Ehegüterrechts und der Auseinandersetzung des ehelichen Vermögens "eintauchen". Die Problemlösung kann eingebunden sein in eine Aufteilung aller Rechte und Pflichten, welche die Lebensgrundlage der Ehepartner bestimmen. Das relativiert die Grenzen zum Unterhaltsrecht und zu anderen Sozialleistungssystemen, ab€r auch zu Schadenersatzund Entschädigungsansprüchen. Der Versorgungsausgleich muß nicht alle Vorsorgegüter umfassen. Er kann sich auf einige konzentrieren - sei es wegen ihres Vermögenswertes, sei es wegen ihrer Unterhaltsb€deutung, sei es wegen ihrer Eignung, aufgespalten zu werden, usw. Der Versorgungsausgleich muß nicht auf den Zeitpunkt der Scheidung konzentriert sein. Er kann auf spätere Zeitpunkte verlagert

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oder verteilt werden, z. B. eben auf die Zeitpunkte, in denen die Bedürfnisse, auf welche die Versorgungsrechte eingerichtet sind, erwachsen. Der Versorgungsausgleich muß nicht vom Scheidungsrichter vorgenommen werden und nicht von Amts wegen erfolgen. Er kann dispositiv sein. Die Vorsorgerechte können so gestaltet sein, daß sie die Problematik des Versorgungsausgleichs in sich aufnehmen. Das wichtigste Beispiel ist die Geschiedenenwitwenrente. Ihr liegt zumeist eine "Arbeitsteilung" zwischen Unterhaltsrecht und Rentenrecht zugrunde: bis zum Tode des geschiedenen Mannes lebt die geschiedene Frau von seinem Unterhalt; nach seinem Tode lebt sie von der Geschiedenenwitwenrente. Diese Lösung deckt nicht alles, was der Versorgungsausgleich zu decken anstrebt. Aber die Praxis kennt diese partikulare Lösung. Eine wichtige Voraussetzung für Gestaltung und Wirkung des Versorgungsausgleichs ist, ob das Scheidungsfolgenrecht das Prinzip der rechtlichen und der sozialen Selbständigkeit der geschiedenen Ehepartner betont oder gar absolut setzt, oder ob das Scheidungsfolgenrecht eine fortwirkende Verantwortung der Ehepartner für die Lebensverhältnisse des jeweils anderen anerkennt, welche Voraussetzungen es statuiert und in welche Richtung diese entwickelt sind. Die Bedeutung des Versorgungsausgleichs ist eine jeweils andere, je nachdem wie viele Lebensbedürfnisse durch andere Soziaileistungssysteme als die, die vom Versorgungsausgleich erfaßt werden, "versorgt" sind. Allgemeiner: Die Bedeutung des Versorgungsausgleichs wird wesentlich durch den Gesamtstand der Soziaileistungssysteme bestimmt. Je mehr sich der Versorgungsausgleich beschränkt oder in andere Teilrechtsordnungen (Ehegüterrecht, Unterhaltsrecht) einfügt, desto geringer werden die Koordinationsprobleme zwischen den Teilrechtsordnungen, welche unter den geschiedenen Ehepartnern die prospektive Gerechtigkeit herstellen sollen. Desto leichter aber ist es, anders gesehen, diese Teilrechtsordnungen einem einheitlichen, harmonisierenden Regime zu unterstellen.

Diese Varianten der Problemlösung können hier nicht weiter erschlossen und dargestellt werden. Und vollends ihre Kombinatorik entzieht sich einer knappen Darstellung. Aber das Gesagte sollte genügen, um die reiche Vielfalt denkbarer Gestaltungsalternativen aufzuzeigen. Nur eines ist noch anzumerken. Nicht überall steht hinter Ansätzen zu einem "Versorgungsausgleich" auch ein Konzept. Oft sind es tastende Teillösungen der Rechtsprechung, die Gedanken des Versorgungsaus-

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g1eichs aufgreifen, ohne daß der Anlaß oder die Kompetenz gegeben wäre, eine umfassende Ordnung zu entwickeln. Solche fragmentarischen Phänomene werden noch schwerer einzuordnen sein als bewußte Schritte auf ein Gesamtkonzept hin. 4. Der Sinn der vergleichenden Wahrnehmung der Vielfalt

Diese Vielfalt zu sehen, ist zunächst wichtig, um die Relativität der deutschen Lösung zu sehen. Die Wahrnehmung dieser Relativität wiederum ist wichtig, weil sie hilft, Bedarf und Möglichkeit einer Korrektur zu sehen und zu beurteilen. Die Vielfalt denkbarer Lösungen und die Relativität der spezifischen deutschen Lösung zu sehen, ist aber auch deshalb wichtig, weil sich immer dann, wenn an ein- und demselben Fall mehrere nationale oder lokale Rechtsordnungen beteiligt sind, das volle Spiel der Vergleichbarkeiten und Unvergleichbarkeiten eröffnen kann. Ist dann dem deutschen Versorgungsausgleich nur gleichzustellen, was dem vollen "Programm" des deutschen Begriffs entspricht? Oder kann ihm auch eine andere Problemlösung gleichgestellt werden: eine partikulare, eine güterrechtliche, eine umfassend sozialrechtliche, eine dispositive, eine über die Zeit hin verteilte usw.? Oder gibt es Fälle, in denen die Frage nach dem "Versorgungsausgleich" nur auf etwas zielen kann, was dem "kompletten" deutschen Programm entspricht, und andere Fälle, in denen begrenzte funktionale Äquivalenzen genügen? Analoge Fragen stellen sich dann, wenn an einem Fall nicht das deutsche Recht beteiligt ist, wohl aber verschiedene ausländische Rechtsordnungen beteiligt sind. lll. Die kollisionsrechtliche Problematik 1. Die Potenziernng der Schwierigkeiten im Kollisionsreeht

Angesichts dieser Offenheit des Phänomens "Versorgungsausgleich" erscheint die kollisionsrechtliche Problematik nahezu hoffnungslos. Zu viele Teilrechtsordnungen sind involviert: Eherecht, Scheidungsrecht, Ehegüterrecht, Versorgungsausgleichsrecht, Unterhaltsrecht, Sozialleistungsrecht, aber auch das "Sachrecht" eines jeden einzelnen betroffenen Gutes, insbesondere eines jeden einzelnen "Vorsorgegutes". Und jedes dieser Rechte kann seinen eigenen "Auslandsbezug" aufweisen, kann eigene Antworten auf diesen Auslandsbezug bereithalten und die Frage aufwerfen, was dieser Auslandsbezug und diese Antwort für die anderen involvierten Teilrechtsordnungen bedeuten. Jede nationale Ordnung aber hat auch das Ziel, je für sich eine leistungsfähige und gerechte Ordnung der betroffenen Lebensverhält-

Einleitung

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nisse zu geben. Und diese "Norm hinter den Normen" stellt kollisionsrechtlich eine Herausforderung eigener Art dar. Muß nicht jede Teilzuordnung unter dem Maßstab stehen, daß sie sich in eine befriedigende Gesamtordnung eines Rechts - des einen oder des anderen beteiligten Rechts - einfügt? Und was, wenn eine Teillösung die Gesamtordnung zerstört, ohne eine andere zu erschließen? Und wer kennt die "Norm hinter den Normen", wenn das Recht sich nur in je spezifischen Realisationen ausdrückt? Endlich aber ist dies alles nicht nur in Kategorien des materiellen Rechts zu denken. Immer stehen Probleme von Zuständigkeit und Verfahren daneben. Kollisionsrecht des "Versorgungsausgleichs" ist nicht nur "Internationales Privatrecht", sondern immer auch - zumindest potentiell - "Internationales Verwaltungsrecht" und "Internationales Prozeßrecht". Und alle diese Fragen können im Zeitverlauf sich immer wieder neu - mit immer wieder neuen Schwerpunkten von immer wieder neuen Seiten - stellen. Das Kaleidoskop kollisionsrechtlicher Fragen ist so überaus reich. Geht man davon aus, daß der Versorgungsausgleich die Existenz von Vorsorgegütern voraussetzt, so ist es zunächst eine Frage des Kollisionsrechts des "Vorsorgegutes", über die Konsequenzen der "Grenzüberschreitung" zu entscheiden. In dem Maße, in dem "Vorsorgerecht" Sozialrecht ist, ist es also eine Frage des "internationalen Sozialrechts", im Sinne von "Sozial-Kollisionsrecht" zu entscheiden, ob eine oder wenn mehrere Rechtsordnungen zuständig sind, diese dahin koordiniert sind, daß die in verschiedenen nationalen Rechten erwachsenen Anwartschaften sich zu einem Ganzen fügen - daß z. B. die in mehreren Ländern "erdiente" Rente zu einer Gesamtrente zusammengerechnet wird. Welches Recht aber entscheidet, ob überhaupt ein Versorgungsausgleich und welcher Versorgungsausgleich stattfindet? So kann eine Rechtsordnung einen universalen Versorgungsausgleich (im Sinne des deutschen Versorgungsausgleichs) vorsehen, eine andere Rechtsordnung dagegen einen selektiven Versorgungsausgleich, der sich auf einzelne Vorsorgegüter beschränkt. So kann eine Rechtsordnung den Versorgungsausgleich (nach deutschem Muster) zwischen retrospektive und prospektive Ordnung stellen, eine andere aber ihn in der retrospektiven Ordnung der ehegüterrechtlichen Auseinandersetzung aufgehoben sehen. Ist eine Rechtsordnung maßgeblich, die den Versorgungsausgleich anordnet, und bezieht sich dieser Versorgungsausgleich auf ein ausländisches Vorsorgegut: Was bedeutet es, daß der Richter auf ausländische Vorsorgegüter nicht in der gleichen Weise zugreifen kann wie auf inländische, daß der Bestand und der Wert des ausländischen Vorsorgegutes sich der Kenntnis des inländischen Richters mehr oder 3 Versorgungsausgleich

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minder entzieht, daß die Zukunft des Vorsorgegutes in der Hand eines ausländischen Gesetzgebers liegt? Ist eine Rechtsordnung für die prospektive Ordnung der Lebensverhältnisse der Ehegatten verantwortlich, was bedeutet es für sie, wenn die Lebensverhältnisse eines Ehepartners von ausländischem Sozialrecht mitgetragen werden? Halten wir hier mit den Fragen, die immer nur Beispiele sein können, inne. Der Kern der kollisionsrechtlichen Problematik erschließt sich aus jenen Schwierigkeiten, die sich schon im nationalen Recht gezeigt haben. Der Versorgungsausgleich verselbständigt um der Eigenart der Vorsorgegüterwillen im Falle der Scheidung deren Zuteilung zu einem eigenen Rechtsinstitut. Dieses Rechtsinstitut ist aber doch nur sinnvoll im Gesamtgefüge von retrospektiver und prospektiver Ordnung der Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehepartner- mit anderen Worten: im Gesamtgefüge von Eherecht, Scheidungsrecht, Güterrecht, Unterhaltsrecht und Sozialleistungsrecht. Liegt es schon im nationalen Recht nahe, nach einer umfassenden Ordnung dieses Gesamtgefüges zu fragen, so drängt sich erst recht im Kollisionsrecht das Bedürfnis auf, eben diesen Gesamtzusammenhang einem einheitlichen Statut zu unterstellen. Je komplexer aber die Lebensverhältnisse und die sie ordnenden Teilrechtsordnungen sind, die in diesen Gesamtzusammenhang einzufügen sind, desto schwerer ist es schon im nationalen Recht, ihre befriedigende Ordnung auf den Nenner einer Gesamtnorm zu bringen. Unvergleichlich schwieriger aber erscheint es, eine Gesamtordnung ausfindig zu machen, wenn die Lebensverhältnisse und Teilrechtsordnungen, die erfaßt sind, in verschiedenen Staaten und Rechtsordnungen belegen sind. Ist man im rein inländischen Fall - angesichts der Komplexität der involvierten Teilrechtsordnungen - versucht, die Frage nach einer umfassenden "Norm hinter den Normen" zurückzustellen und durch die Frage einer umfassenden diskretionären richterlichen Kompetenz zu substituieren, so erweist sich im "internationalen" Fall gerade diese Lösung, wenn es je eine sein sollte, als ganz besonders erschwert. Zwischen dem richterlichen Zugriff auf eine inländische Rente und dem richterlichen Einbezug einer ausländischen Rente - über die sich zu unterrichten er keine Befugnis hat, die zu evaluieren er keine verläßlichen Hilfen hat, und deren künftige Entwicklung außerhalb der Verantwortung der von ihm zu handhabenden Rechtsordnung liegt - liegen Welten. Je "hoffnungsloser" aber die Suche nach einer- sei es durch materielles Recht, sei es durch Kompetenzen konstituierten - Gesamtordnung wird, desto schwächer wird auch die Legitimation der institutionellen Verselbständigung des Versorgungsausgleiches. Das gilt im Kollisionsrecht wie im materiellen Recht.

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2. Der Horizont der kollisionsrechtlichen Lösung

Die isolierende Frage nach einem Versorgungsausgleichsstatut- wie sie etwa der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Privatrechts13 in Art. 17 ebenso stellt wie die Stellungnahme des Bundesrates hierzu14 - erscheint deshalb als eine äußerste Verkürzung der Problematik. Vielleicht sind Regelungen dieser Art eine unvermeidliche Zwischenstufe der Entwicklung. Das Ziel der Entwicklung können sie nicht sein. Das Ziel der Entwicklung muß vielmehr dahin gehen, den Gesamtzusammenhang, in dem der Versorgungsausgleich steht, auch im internationalen Zusammenhang darzustellen und zu verwirklichen. Das bedeutet einerseits, daß das internationale Recht dem Bedürfnis Rechnung zu tragen hat, soziale Anwartschaften zu "konvertieren" - durch wechselseitige Information, durch wechselseitige Öffnung für Dispositionen im Sinne eines Versorgungsausgleichs. Das bedeutet aber andererseits, daß das Kollisionsrecht sich der Relativität des Versorgungsausgleichs öffnet. Auch im Kollisionsrecht ist der Versorgungsausgleich nur ein Element in einem größeren Sinngefüge: der richtigen retrospektiven und prospektiven Ordnung der Verhältnisse der geschiedenen Ehepartner. Das Kollisionsrecht muß die Sach- und Verweisungsnormen zur Verfügung stellen, die es erlauben, dieses größere Sinngefüge zu realisieren. Die Sach- und Verweisungsnormen für den Versorgungsausgleich haben sich dem einzuordnen. Das macht die Frage nach dem Kollisionsrecht des Versorgungsausgleichs ebensowenig überflüssig, wie die Relativität des Versorgungsausgleichs im nationalen Recht die nationalrechtliche Frage nach dem Versorgungsausgleich überflüssig macht. Es geht darum, die Dialektik zwischen dem Ganzen und dem Teil zu sehen. Der Versorgungsausgleich existiert in einer Gemengelage des Familienrechts mit den Vorsorgerechten, vor allem also mit dem Sozialrecht. Indem das Institut des Versorgungsausgleichs etwa den Familienrichter ermächtigt, sozialrechtliche Anwartschaften zu spalten und zu übertragen, verrichtet der Familienrichter ein sozialrechtliches Geschäft. Auch der größere Sinnzusammenhang, in dem der Versorgungsausgleich existiert, umschließt familienrechtliche und sozialrechtliche - allgemeiner: privatrechtliche und öffentlich-rechtliche - Elemente. Nur ihre harmonische Verfugung kann eine befriedigende Gesamtordnung ergeben. Das gilt auch für das Kollisionsrecht. Die anzustrebende Ordnung muß eine scheidungs- und vorsorgerechtliche, eine familien- und sozialrechtliche, eine privat- und öffentlich-rechtliche sein. Und wiederum: auch das gilt für das Kollisionsrecht 13 14

3*

Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/504. Ebd., S. 98 ff.

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Der Versorgungsausgleich ist ein gänzlich neues Rechtsinstitut. Das Kollisionsrecht wird der Komplexität dieser Lösung ebensowenig gerecht, wie dem Sinnzusammenhang, in dem sie steht, indem es sie auf eine familienrechtliche Verweisungsnorm hin reduziert. Es würde der Komplexität des Problems freilich auch nicht gerecht, indem es sich auf die Unendlichkeit denkbarer Varianten hin auflöste. Es muß einen mittleren Weg der Differenzierung suchen. Davon aber ist die augenblickliche Diskussion noch weit entfernt. 3. Die Suche nach dem Versorgungsausgleichs-Statut

Soweit das Erfassen und Verstehen des Phänomens und seine regelungstechnische Bewältigung hinter diesen Zielen zurückbleiben, mag es doch, wie schon bemerkt, ein unvermeidliches Zwischenstadium sein, nach einem Statut des Versorgungsausgleichs in der Weise zu suchen, wie das in Art. 17 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts geschieht. Was aber wird mit einem solchen Versorgungsausgleichs-Statut wirklich erreicht? Welche Ähnlichkeit genügt, um ausländischen "Versorgungsausgleich" mit deutschem "Versorgungsausgleich" gleichzustellen? Oben (II.l.) wurde das "vorrechtliche Problem" des Versorgungsausgleichs umschrieben. Ihm wurde (II. 2.) die Komplexität der deutschen Lösung gegenübergestellt. Welche der vielen möglichen Antworten auf die Herausforderung des "vorrechtlichen Problems" kann der komplexen deutschen Lösung so gleichgestellt werden, daß es sinnvoll erscheint, von ihrem Vorkommen die Verweisung ins deutsche Recht oder umgekehrt die Verweisung vom deutschen Recht in das ausländische Recht abhängig zu machen? Sorgfältige Analyse der Probleme ebenso wie sorgfältiger Rechtsvergleich werden hier erst noch das Gleichartige vom Ungleichartigen zu unterscheiden haben. Was aber mit den Lösungen und Lösungsansätzen, die zwar partikular Ähnlichkeiten mit dem deutschen Versorgungsausgleich aufweisen, von ihm aber doch so weit abweichen, daß ihre kollisionsrechtliche Gleichbehandlung ausscheidet? Auch insofern steht die Diskussion noch in den Anfängen. 4. Verweisungsnorm oder Sachnorm?

Ist es aber überhaupt mit der Suche nach der anzuwendenden Rechtsordnung getan? Ist nicht denkbar, daß das kollisionsrechtliche Problem damit gar nicht gelöst werden kann, daß dem Hereinspielen ausländischer Sachverhalte und Rechte vielmehr durch einen Wechsel des Regelungskonzepts in der Sache Rechnung getragen werden muß? Allein schon die Problematik, die bisher im Vordergrund der Überlegungen gestanden hat, drängt diese Frage auf. Diese Problematik

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erwächst, um es noch einmal zu sagen, daraus, daß sich im Fall des Versorgungsausgleichs mit Auslandsberührung die Gesamtheit des anzuwendenden Rechts aus "Rechtspartikeln" ergibt, die nach zwei voneinander unabhängigen, sich je nach Lage des Falles mehr oder minder vielfältig überschneidenden Differenzierungsmustern gebildet werden, nämlich aus der sachlichen Differenzierung (in Ehescheidungsrecht, Scheidungsfolgenrecht, Ehegüterrecht, Unterhaltsrecht, Sozialversicherungsrecht, sonstige Vorsorgerechte usw.) sowie -

aus der nationalen Differenzierung.

Die nationale Differenzierung kann zwischen den sachlichen Regelungseinheiten verlaufen (so daß etwa das Ehescheidungsrecht einer Rechtsordnung, ein Vorsorgerecht dagegen einer anderen Rechtsordnung angehört). Es kann aber auch sachliche "Partikel" zerschneiden (so etwa, wenn ein Vorsorgerecht Bezüge zu mehreren nationalen Rechtsordnungen aufweist). Die Schwierigkeit, aus diesen "Partikeln" eine leistungsfähige, zumindest eine erträgliche Regelung des Einzelfalles zu gewinnen, differiert nach Zahl und Eigenart der beteiligten sachlichen und nationalen Rechtsordnungen. Aber es ist nicht zu verkennen, daß sie ein äußerstes Maß erreichen kann- bis hin zur Ausweglosigkeit. Allein schon diese Gefahr zwingt zu der Überlegung, ob es nicht notwendig sein kann, das "Puzzle" zu vereinfachen - etwa Vorsorgerechte dort zu lassen, wo sie zur Zeit der Ehescheidung sind, und den Auftrag prospektiver Gerechtigkeit wieder auf das Unterhaltsrecht zu konzentrieren. Genauer geht es um folgende Alternative: -

Das "Normalkonzept" für die Lösung eines Versorgungsausgleichsfalles mit Auslandsberührung ist, daß überall dort, wo Auslandsberührung besteht, mit Hilfe der Verweisungsnormen das maßgebliche Recht gesucht wird.

-

Die hier erwogene Alternative ist die, als Reaktion auf die Schwierigkeiten, die aus der Auslandsberührung erwachsen, das Versorgungsausgleichsrecht so zu verändern, daß die Komplexität reduziert wird- daß jedenfalls die "Verschachtelung" verschiedener nationaler Rechtsordnungen vermindert wird. Erst nach dieser inhaltlichen Veränderung des Versorgungsausgleichsrechts wäre dort, wo auch dann noch Auslandsberührungen relevant sind, die Frage nach den Verweisungsnormen aufzuwerfen und zu beantworten.

Stellt sich diese Frage schon bei einer rein "normativen" Betrachtungsweise, so wird sie um so dringender, wenn die Schwierigkeiten in Betracht gezogen werden, die sich der Realisierung des Versorgungsausgleichs in Fällen mit Auslandsberührung entgegenstellen können.

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Mehr oder minder gilt dies für alle beteiligten sachlichen "Partikel". In ganz besonderem Maße aber häufen sich die Schwierigkeiten hinsichtlich der Vorsorgegüter. Da ist zunächst das Problem der Information über ausländische Vorsorgerechte. Eine internationale Pflicht der Stellen, die Vorsorgegüter administrieren, ausländische Richter, Verwaltungsbehörden oder Prozeßparteien über die Existenz und den Inhalt von Anwartschaften zu unterrichten, besteht nicht; vielmehr mag sogar zweifelhaft sein, ob auch nur das Recht zu solchen Informationen besteht, ob nicht etwa aus Gründen des individuellen oder des nationalen Interesses Auskünfte ins Ausland eingeschränkt oder unzulässig sind. Zuweilen mögen auch technische Unzulänglichkeiten die Information behindern. Probleme der Realisierung des Versorgungsausgleichs mit Auslandsberührung bestehen sodann hinsichtlich des Zugriffs. Vorsorgerechte sind weitgehend öffentlichrechtlicher Natur: gesetzlich zwingend geregelt und in der Verantwortung öffentlicher Verwaltung. Schon nach nationalem Recht kann in sie zumeist nur kraft besonderer rechtlicher Zulassung und Befugnis eingegriffen werden. Und diese Befugnis wiederum ist in der Regel Behörden vorbehalten, deren Autorität sich aus der gleichen Rechtsordnung ergibt - einfacher gesagt: inländischen Behörden. Sollten ausländische Behörden an ihre Stelle treten können, so bedürfte das der übereinstimmenden Legitimation durch die beteiligten Rechtsordnungen - und so grundsätzlich auch einer entsprechenden Koordination dieser Rechtsordnungen durch Völke rvertragsrecht. Es bedarf keiner Darlegung, wie es gegenwärtig um das Vor kommen solcher Befugnisse bestellt ist, und welche Entwicklungen hinsichtlich der Ausbildung und Ausbreitung solcher Befugnisse zu erwarten sind. Ohne ein solches positives Instrumentarium aber können ausländische Behörden auf Dispositionen über Vorsorgegüter zumeist nur mittelbar einwirken: über die Berechtigten oder - und auch das ist ohne besondere Regelung kaum denkbar - durch Vermittlung der inländischen Behörden. Zumeist aber scheidet jede mittelbare oder unmittelbare Einwirkung aus. Die notwendige Disposition kann nicht durchgeführt werden. Sie kann allenfalls substituiert werden (so wie im inländischen Recht das Splitting durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich substituiert wird). Die hier zu registrierenden Probleme der Realisierung des Versorgungsausgleichs liegen schließlich auf einer dritten Ebene, nämlich der Ebene der Evaluation der ausländischen Vorsorgegüter. Daß der Einbezug von Vorsorgegütern in eine sinnvolle retrospektive und prospektive Ordnung Evaluation voraussetzt, braucht nicht mehr dargetan zu werden. Evaluation aber bedeutet Kenntnis der realen Bedeutung eines Vorsorgegutes und der Bestimmungsfaktoren ihrer künftigen Entwicklung. Beides, vor allem die Prognose der Entwicklung, ist gegenüber ausländischen Vorsorgegütern in besonderer Weise erschwert, oft unmöglich.

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Inwieweit für andere involvierte Teilrechtsordnungen ähnliche oder andere Schwierigkeiten der Realisation über die Grenzen hinweg bestehen, kann und braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Die Dimensionen der Problematik sind absehbar. Woraus auch immer im Einzelfall die Schwierigkeiten erwachsen - aus der Komplexität des Gefüges beteiligter sachlicher Teilrechtsordnungen und nationaler Rechte, aus den Problemen der Realisation oder aus beidem -, so ist jedenfalls abzusehen, daß die Möglichkeit, daß der Versorgungsausgleich im Falle der Auslandsberührung eine real sinnvolle Ordnung nicht ergibt, nicht nur als eine zu vernachlässigende Ausnahme in Betracht gezogen werden muß. Bliebe das Recht des Versorgungsausgleichs dieser Gefahr gegenüber blind, so würde es seinen spezifischen Ordnungsauftrag ebenso verraten wie den Ordnungsauftrag des Rechts überhaupt. Und in dem Maße, in dem sich dieser Ordnungsauftrag in der Verfassungsordnung niedergeschlagen hat, müßte die Blindheit eines grenzüberschreitenden Versorgungsausgleichs gegenüber der Gefahr der Unordnung oder der Ineffizienz auch mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit rechnen. Solche Überlegungen verkennen nicht, daß die Verfugung verschiedener - sachlicher und/ oder nationaler - Rechtsordnungen den Beteiligten, den Behörden und den Gerichten auch sonst Anstrengungen auferlegt. Sie verkennen ebenfalls nicht, daß der Unterschied zwischen Norm und Normverwirklichung auch sonst besteht. Es geht hier darum, daß die Schwierigkeiten aus Gründen, die in der Natur der Sache liegen, hier mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit einen Grad erlangen, der eine besondere Bewertung erfordert - der der Abweichung der Normverwirklichung vom Normziel eine besondere Qualität gibt. Darum muß mit Nachdruck die Forderung erhoben werden, zu prüfen, inwieweit dort, wo dies notwendig ist, das mit der Ehescheidung verbundene Geschäft, retrospektive und prospektive Gerechtigkeit herzustellen, so angepaßt und vereinfacht werden kann, daß eine leistungsfähige Gesamtordnung der Scheidungsfolgen erreicht wird. In der - inländischen und noch mehr in der ausländischen - Praxis wird dieses Ziel heute vielfach durch den Verzicht auf den Versorgungsausgleich mit Auslandsbezug erreicht. Diese apokryphe Praxis ist nicht unbedenklich. Die Rechtsordnung jedoch sollte das Symptom aufgreifen, aus der Erfahrung lernen und positive Gestaltungen suchen, die verantwortet werden können. 5. Die völkerredltliche Verbesserung des Instrumentariums

Neben der Notwendigkeit, das Kollisionsrecht zu verbessern, ist aber auch die Notwendigkeit zu sehen, das Instrumentarium der Information über ausländische Vorsorgegüter und des Zugriffs auf ausländische

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Vorsorgegüter zu verbessern. Ausgangspunkt dieses Erfordernisses ist wieder der typische institutionelle Charakter von Vorsorgerechten: ihr weitgehend öffentlich-rechtlicher Charakter, ihre gesetzliche Regelung und Bindung und ihre behördliche (oder ähnlich ermächtigte und gebundene) Administration. Informationen über diese Rechte und der Zugriff auf sie stoßen daher auf besondere Schranken der Gesetzesbindung und der öffentlichen Verwaltung. Diese können im Inland nur durch entsprechende gesetzliche Regelung - einschließlich der Zuweisung entsprechender Dispositionsbefugnisse - überwunden werden. Grenzüberschreitend bedeutet das die Notwendigkeit entsprechender Verträge, die dann nach Maßgabe der jeweiligen Verfassungsordnung innerstaatlichem Gesetzesrecht gleichstehen. Diese Forderung ist zu unterscheiden von dem allgemeineren Ziel des internationalen Sozialrechts, Vorsorgerechte "konvertibel" zu machen -etwa Rentenanwartschaften, die in verschiedenen Ländern "erdient" wurden, zu einer einheitlichen Anwartschaft zu verbinden. Das Phänomen ist mit dem oben skizzierten Problem internationaler Koordination nicht unverwandt. Auch die Koordination der nationalen Sozialrechtsordnungen im Sinne der "Konvertibilität" von Vorsorgegütern bedarf der positiven internationalen Regelung durch Verträge (oder des supranationalen Rechts). Auch ist dort, wo die in den Versorgungsausgleich involvierten Vorsorgerechte Bezüge zu mehreren nationalen Sozialrechtsordnungen aufweisen, das Ziel ihrer "Verfugung" mittelbar auch ein Ziel des Versorgungsausgleichsrechts. Doch sind auch die Unterschiede deutlich. Internationale "Konvertibilität" von Vorsorgegütern ist nicht weniger dort von Interesse, wo die Anwartschaften Unverheirateten oder ungeschieden Verheirateten zustehen. Die Forderung, die hier darüber hinaus erhoben wird, ist dagegen spezifisch versorgungsausgleichsrechtlicher Natur. Sie richtet sich darauf, Informationen und Befugnisse in bezug auf Vorsorgegüter international so zu regeln, daß jene Hindernisse der Realisierung des Versorgungsausgleichs, von denen eben die Rede war, vermindert werden. Für das internationale Vertragsrecht stellen sich damit auch konzeptionelle Fragen. Sind Instrumente, wie sie hier gefordert werden, als Fortentwicklung des internationalen Sozialrechts zu denken und somit technisch etwa in Sozialversicherungsabkommen aufzunehmen? Oder sind sie als Bestandteile des Vorsorgeausgleichsrechts zu denken und hätten sie ihren Platz in - bisher nirgends ersichtlichen - Vereinbarungen über die internationale Durchführung von Versorgungsausgleich? Wären nicht intensivere Möglichkeiten internationalen Informationsaustausches, internationaler Anerkennung von Entscheidungen und internationalen Vollzugs von Entscheidungen für den gesamten Problemkreis des Versorgungsausgleichs wesentlich? Diese Fragen sollen

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hier nur gestellt werden, um zu zeigen, wie weit gespannt die Zusammenhänge sind. Anders gewendet: die Fragen sollen hier aufgeworfen werden, um noch einmal die Weite des Horizonts anzudeuten, der sich auftut, wenn nach dem "internationalen Versorgungsausgleichsrecht" gefragt wird.

ERSTER TEIL

Das Vorcolloquium

Programm des Vorcolloquiums Zeit: 1. Dezember 1983 Ort:

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht, Leopoldstraße 24, 8000 München 40

I. Erschließung des Themas 1. Der Versorgungsausgleich -

Ordnungsauftrag und Rollenverteilung von Familienrecht und Sozialrecht Referentin: Professor Dr. Ursula Köbl (Augsburg)*

2. Der Versorgungsausgleich im internationalen Privatrecht Rechtsprechung und der Reform Referent: Professor Dr. Erik Jayme (Heidelberg)*

Stand der

3. Praktische Probleme der Anwendung des deutschen Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung a) aus familienrechtlicher Sicht Richter am Amtsgericht utrich Lardschneider (München) b) aus sozialrechtlicher Sicht Professor Dr. Kurt Maier (Braunschweig)

U. Vorbereitung des Hauptcolloquiums

* Professor Köbl und Professor Jayme waren wegen Erkrankung an der persönlichen Teilnahme am Vorcolloquium verhindert; anstelle von Professor Jayme nahm Wiss. Assistent Heinz-Peter Mansel an den Diskussionen des Vorcolloquiums teil.

Der Versorgungsausgleich Ordnungsauftrag und Rollenverteilung von Familienrecht und Sozialrecht Von Ursula Köbl*

Inhaltsübersicht I. Über den Sinn "vorrechtlicher" Betrachtungen zum Versorgungs-

ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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11. Soziale Funktion und rechtsethische Legitimation des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Versorgungsausgleich als Nachentrichtung ehelichen Vorsorge-

.......... .................. ................ . .......

51

2. Partnerschaftlichkeit der Zukunftsvorsorge als Teilungsgrund und -maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

unterhalts?

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3. Vervollständigung der Zugewinngemeinschaft - Mitverdienst als Teilungsgrund und -maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Geringe Rechtsfolgenrelevanz der Rechtsnaturfrage . . . . . . . . . . . . . .

61

III. Zielerreichung und Unzulänglichkeiten aufgrund güterrechtlicher Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Sicherungsdefizite mangels Vorsorgemasse -

Abrundungsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gefahr unzureichender Sicherung beider Partner . . . . . . . . . . . . . . b) Bleibende Verbindung mit dem nachehelichen Unterhaltsrecht c) Intention totaler Erfassung des Vorsorgevermögens . . . . . . . . . . d) Abrundung und Lückenausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 65 66 67

2. Ordnungs- und Gleichheitsdefizite wegen überspannten Eigenständigkeits- und Trennungsdenkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Optimierungsstreben hinsichtlich Vorsorgeeffizienz . . . . . . . . . . . . 68 b) Erforderlichkeit späterer Korrekturmöglichkeiten wegen subjektiv- und objektivrechtlich bedingter Änderungen . . . . . . . . . . 71 c) Fragwürdigkeit der Berücksichtigung nachehelichen Vorsorgebedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Inlandsrechtliche Gesamtbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

* Wegen der Weitläufigkeit der im Text berührten Fragen können nur in sehr beschränktem Umfang Nachweise gegeben werden.

48

Ursula Köbl

IV. Problemaspekte bei Auslandsbezug des Versorgungsausgleichs 1. Haupttypen der Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78

2. Zur gegenständlichen Erstreckung des Versorgungsausgleichs auf Auslandsanwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Personaler Auslandsbezug und sozialrechtliche Sonderanknüpfung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfungspalette de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Argumente für eine sozialrechtliche Sonderanknüpfung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Argumente für eine funktionsgerechte Eingrenzung . . . . . . . . . .

82 82 85 88

Thesen

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Zusammenfassung

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Summary

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I. tJ'ber den Sinn "vorrechtlicher" Betrachtungen zum Versorgungsausgleich Der Versorgungsausgleich ist eine der faszinierendsten und schwierigsten "juristischen Erfindungen" unseres Rechtswesens, in seinen anziehenden wie abstoßenden Seiten ein Abbild und Erzeugnis äußerst komplexer Lebensverhältnisse und insgesamt wohl ein typischer Repräsentant deutscher Rechtskultur1 • Welchen Sinn kann es nun noch haben, da er im Kern seine verfassungsgerichtliche Feuerprobe bestanden hat2 und damit zur Dauereinrichtung werden könnte, sich mit den seiner Einführung voraus- und zugrundeliegenden Ordnungsproblemen zu befassen? Hinreichenden Anlaß hierfür bietet vor allem die neuerlich entstandene rechtspolitische Unruhe um Bewährung oder Reformbedürftigkeit des Versorgungsausgleiches. Selbstverständlich hätte es keinen Sinn, gedanklich bis zu einem "Naturzustand ohne rechtliche Ordnung" zurückgehen und sich unsere überkommenen Einrichtungen und Strukturen im Familien- und Sozialrecht wegdenken zu wollen, um im Raum von Familie und Lebensvorsorge frei rechtlich konstruieren zu können. An wirklich "vorrechtliehen" Gegebenheiten würden wir nicht viel mehr antreffen als das "Mängelwesen" Mensch und seine lebenslange Angewiesenheit auf mannigfaltige Daseinsvorsorge durch Selbsthilfe und die Hilfe anderer. 1 Der man häufig Kompromißlosigkeit, Rigorismus und Perfektionismus nachsagt; hier u. a. D. Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 1977, Rz. 476; F.W. Bosch, Weitere Reformen im Familienrecht der Bundesrepublik Deutschland? FamRZ 1982, S. 862. 2 BVerfGE 53, S. 257 = NJW 1980, S. 692 = FamRZ 1980, S. 326.

Der Versorgungsausgleich-sein Ordnungsauftrag

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Schon bei den urtümlichsten Formen und Beziehungen der Bedarfsdeckung aber, wie der Anlegung von Nahrungsvorräten oder der Sorge für die Nachkommen, sähe man, daß sie dauerhaft nur mit Hilfe normativer Verhaltensmodelle funktionieren3• Sollen mit diesem Colloquium die anstehenden Aufgaben, für die der Versorgungsausgleich einen Lösungsversuch darstellt oder die durch ihn erst ausgelöst werden, nicht nur beiläufig vorangebracht werden, so dürfen wir uns vom geltenden Rechtszustand und den aktuellen Bestrebungen zu seiner Reform nicht zu weit entfernen. Selbst unter diesen praktischen Einschränkungen fällt es im gegenwärtigen Zeitpunkt schwer, einen halbwegs festen Rahmen abzustecken, befinden sich doch alle wesentlichen Teilstücke des größeren Rechtsgefüges, Alters- und Hinterbliebenenversorgung, Scheidungsfolgenrecht und Internationales Privatrecht - noch immer oder schon wieder oder endlich- im Umbau. Nicht einmal die Grundanlage des Versorgungsausgleichs ist derzeit als so stabil zu betrachten, wie man nach der verfassungsgerichtlichen Sanktion von 1980 zunächst annehmen konnte. Eine Fülle von Problemen der Detailausformung-4, insbesondere bei nachträglichen Veränderungen, dazu manche für unbillig erachteten Auswirkungen in bestimmten Fallkonstellationen (s. u. III.), vielleicht auch allgemeine restaurative Strömungen veranlassen viele, den gegenwärtigen Versorgungsausgleich, zumal den Verbund mit der Scheidung, als überkompliziert und fehldimensioniert, gleichsam als eine Art "Saurier der Rechtswelt" nicht für dauerhaft lebensfähig zu halten und zumindest vom Aufschub bis zum Eintritt des Versorgungsfalles beim Ausgleichsberechtigten zugleich erhebliche Verfahrensvereinfachung und gerechtere Ergebnisse zu erwarten5 • Ferner ist mit Beeinflussungen infolge der an sich bis 1984 durchzuführenden Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung6 und langfristig auch infolge einer am rechtsN. Luhmann, Rechtssoziologie, 1972, Bd. I, S. 1. Vgl. B. von MaydeH, Überblick über die bisherige Rechtsprechung zum Versorgungsausgleich, FamRZ 1981, S. 509 ff., 623 ff.; und die laufend und zahlreich bes. in der FamRZ veröffentlichten Entscheidungen. 5 A.R. Lang (Justizminister von Bayern), Was wird aus dem Versorgungsausgleich?, FamRZ 1984, S. 317 m. Hinweis auf Reformpläne des Bundesministeriums der Justiz ("Modell ,87'") und dem eigenen Urteil: "Das noch geltende System des Versorgungsausgleichs ist gescheitert und kann nach bisherigen Erkenntnissen nicht mehr in Ordnung gebracht werden", (S. 321). Ferner Meldungen der Tagespresse (z. B. FAZ v. 26. 3. 1983, S. 2; v. 18. 1. 1984, S. 1; Korrekturankündigung durch den Bundesjustizminister H. A. Engelhard, ZRP 1983, S . 235. 6 Der "Gesetzgebungsauftrag" erging schon 1975 durch BVerfGE 39, S. 169; daraufhin Gutachten der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, 1979; zum aktuellen Reformstand: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, BR-Drucks. 500/ 84. 3

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versorgungsausgleich

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politischen Horizont sich abzeichenden Harmonisierung der Altersversorgungssysteme7 zu rechnen. Vor einer baldigen Neugestaltung steht schließlich auch das Internationale Privatrecht8, dessen familienrechtlicher Teil vor allem die überfällige legislative Anpassung an den Gleichberechtigungsgrundsatz zu vollziehen hat9 • Wer sich daher zur Zeit mit dem Versorgungsausgleich theoretisch befaßt, mag schwanken, ob er sich einstweilen noch auf rechtsdogmatische Feinarbeit am geltenden Recht oder mehr auf rechtspolitisch großflächig€res Gestalten einrichten sollte. Indessen bleibt in der Übergangsphase, in der die Praxis das geltende Versorgungsausgleichsrecht noch beständig anzuwenden und fortzubilden hat, beides gefordert. Für die rechtspolitische wie die rechtsdogmatische Problemerörterung erscheinen wenig fruchtbar Bemühungen um eine genaue r€chtssystematische Einordnung des Versorgungsausgleichs in die Kategorien von Familien- oder Sozialrecht, von privatem oder öffentlichem Recht, von allgemeinem Ehewirkungs-, Güter- oder Scheidungsfolgenrecht. Demgegenüber sind, wenngleich nicht im selben Maße, sowohl eine rationale und auf Konsens bedachte Rechtssetzung ebenso wie normgebundene Rechtsanwendung auf Orientierung an den der betroffenen Rechtseinrichtung zugrundeliegenden bzw. zugrundezulegenden sozialpolitischen Zwecken und rechtsethischen Wertungen angewiesen. Anhand dieser Richtpunkte sind dann vor allem aufgrund von Gleichheitserwägungen10 weitere Linien zu ziehen. Nun wurzelt eine tiefgreifende rechtliche Neuerung, die jeden angeht und den Lebensstandard der Betroffenen auf Jahrzehnte bestimmen kann, wohl in einem weiter verzweigten Motivgeflecht, als es amtliche Gesetzesmaterialien und öffentliche Diskussionsbeiträge ausweisen. Zudem muß sich die zukunftsgerichtete sozialpolitische Diskussion jeweils neu über den Legitimationsstand vergewissern und kann bei den Absichten und Bewertungen eines früheren Gesetzgebers nicht haltmachen; dessen einstige "gute Absichten" werden durch "schlechte Gesetzeswirkungen" zunichte gemacht. Nach allen Erfahrungen bleibt auch der gebundenen Rechtsanwendung und -fortbildung noch reichlich Raum für freiere Wertungen, da 7

Vgl. Gutachten der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme,

8

Zuletzt Regierungsentwurf zum Einführungsgesetz zum BGB, BT-Drucks.

1983.

10/504.

9 BVerfGE (Beschluß v. 22. 2. 1983), NJW 1983, S. 1968; BGH, NJW 1983, S. 1259; A. Heldrich, Reform des internationalen Familienrechts durch Richterspruch, FamRZ 1983, S. 1079; C. von Bar, Das internationale Eherecht auf dem Prüfstand der Verfassung, NJW 1983, S. 1929; ders., in: Staudinger, Vorbem. Art. 13 EGBGB Rz. 168. 10 Dazu nur R. Zippelius, Einführung in die juristische Methodenlehre, 3. Aufl. 1980, S. 86, mit der Pointierung, "der Grundsatz der Gleichbehandlung sei die Seele der juristischen Hermeneutik". Eingehend H. M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 1981, Rz. 341, 345, 394, u. ö.

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sehr komplexe Dinge kaum einfachen, homogenen und geradeaus weiter zu entfaltenden Motiven entstammen. Allein das auch in diesem Sachgebiet stets gegenwärtige Spannungsverhältnis von materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit eröffnet immer wieder Entscheidungsalternativen, zwischen denen nicht axiologisch zwingend eine Wahl getroffen werden kann. In der Überzeugung, daß die unverstellte Offenlegung der jeweils eigenen Präferenzen, verbunden mit der Bereitschaft zum Kompromiß, letztlich zu den überzeugendsten Lösungen führt11 , werden im folgenden zu aktuellen Fragen mehrfach auch sehr direkte und unabgesicherte Stellungnahmen gewagt. Dies möge in erster Linie als Aufruf zum offenen und problembezogenen Argumentieren verstanden werden, damit auf die anstehende Bewältigung insbesondere auch der kollisionsrechtlichen Problematik des Versorgungsausgleichs nicht mehr die Feststellung zutreffe12 : "Allzu sehr sind manche Ansichten zum Versorgungsausgleich von den Unsicherheiten der gegenwärtigen Rechtslage beeinflußt. Hinter vielen Auffassungen steht zudem mehr oder minder unausgesprochen das Ziel, einen Versorgungsausgleich - wenn irgend möglich - zu vermeiden. Das ohnehin schwierig zu handhabende, ungeliebte Rechtsinstitut wird ausgeschaltet, wann immer es geht; nach jeder Theorie, welche im Einzelfall die Durchführung des Versorgungsausgleichs entfallen läßt, wird dankbar gegriffen. Das ist aus praktischen Gesichtspunkten verständlich, geht aber zu Lasten der familienrechtlichen Gerechtigkeit." II. Soziale Funktion und rechtsethische Legitimation des Versorgungsausgleichs 1. Versorgungsausgleich als Nachentrichtung ehelichen Vorsorgeunterhalts?

Wer zunächst versucht, sich dem Wesen des Versorgungsausgleichs durch Vergleich mit benachbarten und ähnlichen Erscheinungen unserer Rechtsordnung auf anschauliche Weise zu nähern, wird sogleich seiner eigenartigen Mehrgesichtigkeit gewahr: Im Panorama der familienprivatrechtlichen Einrichtungen nimmt er sich auf den ersten Blick wie die Vollendung der Zugewinngemeinschaft mit der längst überfälligen 11 Statt vieler M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1. Aufl. 1967, Leitsatz 22; 2. Aufl. 1976, S. 218 f.; G. Haverkate, Offenes Argumentieren im Urteil, ZRP 1973, S. 281; R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1978, bes. S. 261 ff., 349 ff.; das Postulat "rationaler Argumentation" bei der richterlichen Rechtsfortbildung auch in BVerfGE 34, S. 287. - Ein beträchtlicher Rationalitäts- und Stabilitätsgewinn scheint mir vor allem aus dem "Zwang" zur argumentativen Konsequenz zu fließen. 12 So. E. Jayme, Versorgungsausgleich in Auslandsfällen, NJW 1978, s. 2417.

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Erstreckung des Zugewinnausgleichs auch auf das spezifische Vorsorgevermögen aus. Auf den zweiten Blick erscheint er mit dem nachehelichen Vorsorgeunterhalt verschwistert als eine Form der "Nachentrichtung ehelichen Vorsorgeunterhalts" 13• Innerhalb des weiträumigen und buntscheckigen Tableaus des Sozialrechts (i. w. S.) ähnelt der Versorgungsausgleich der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung von Beamten und anderen Personen, die aus ihrer versicherungsfreien Beschäftigung ohne Versorgung ausscheiden (§ 1232 RVO, § 9 AVG): Der während bestehender Ehe über den ehelichen Unterhalt abgesicherte Partner erhält mit dem Ausscheiden aus dem "familienrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis" den angemessenen Vorsorgeanteil seines ehelichen Unterhalts nachentrichtet, und zwar möglichst durch Begründung oder Erweiterung von Versorgungsanrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bildet auch die beamtenrechtliche Unterordnung mit ihrer Gesetzes- und Weisungsgebundenheit so ziemlich den polaren Gegensatz des modernen gleichberechtigungsgeprägten Eheleitbildes, so stimmen doch "Nachversicherungszwecke und -formen" überein. Hier wie dort geht es auch nicht um denjenigen Unterhaltsbedarf, der unmittelbar infolge des Ausscheidens aus dem "Alimentationsverhältnis" entsteht, sondern um die Sicherung eines ungewissen, künftigen, infolge alters- oder invaliditätsbedingter Erwerbslosigkeit auftretenden Bedarfs. Keine Entsprechung gibt es beim Vorsorgemaß. Parallel zum Sozialrecht und mit Rücksicht auf die öffentlichen Soziallasten setzt sich zunehmend auch im privaten Familienunterhaltsrecht, das ja Leistungen aus kollektiven Sicherungssystemen ehedem nur reflexhaft (als Minderung von Unterhaltsbedürftigkeit bzw. Steigerung von Leistungsfähigkeit) berücksichtigte, als Leitbild des erwachsenen Menschen das der wirtschaftlich unabhängigen Einzelperson durch, die ihren Lebensbedarf selbst erarbeiten kann und nicht genötigt ist, ihn von solchen Familienangehörigen zu beziehen, mit denen sie nicht in einer Haushaltsgemeinschaft des gegenseitigen Gebens und Nehmens zusammenlebt. So ist auch nachehelicher Unterhalt grundsätzlich nur mehr als Provisorium angelegt und beinhaltet seinerseits eine eigenständige Vorsorgekomponente (§ 1578 III BGB). 13 BT-Drucks. 7/4361, S. 18 f., die Scheidung ohne Versorgungsausgleich sogar als "teilweise Rücknahme geleisteten Unterhalts" qualifizierend; von pauschaler Abgeltung des Vorsorgeunterhalts spricht F. Ruland, Das "Rentensplitting" im Versorgungsausgleich als verfassungsrechtliches Problem, DRV 1980, S. 56; einer reinrassigen Qualifikation als Vorsorgeunterhalt steht jedoch die Unabhängigkeit von einem Vorsorgeunterhaltsbedürfnis entgegen (so schon D. Schwab, Verfassungswidrigkeit des Versorgungsausgleichs?, FamRZ 1977, S. 768 ff., 770; ders., Der Versorgungsausgleich - eine Ehewirkung des alten Rechts?, FamRZ 1979, S. 276 ff., 278); umgekehrt erfolgt trotz Bedürfnis keine Vorsorge, wenn der eheliche Lebensunterhalt etwa aus dem Vermögen des Mannes bestritten wurde.

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Mit dem Zug zur Überlagerung und Ablösung der privatrechtliehen Unterhaltsbeziehungen durch außerfamiliäre Vorsorge-, Hilfs- und Förderungsveranstaltungen14 folgt das Recht einem starken Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten nach überindividuell verankerter sozialer Sicherheit15• Der familienrechtliche Unterhalt zwischen Erwachsenen, die nicht zusammenleben, erscheint mehr und mehr als antiquierte, allmählich aussterbende Einrichtung. Vom Verpflichteten wird diese Form der Bedarfsdeckung oft als drückende Sonderlast, vom Berechtigten als unzureichend oder gar demütigend empfunden. Der allgemeinen Grundstimmung mit ihrer Wertschätzung von individueller Entfaltungsfreiheit, Selbständigkeit, Vorausplanung und Gestaltbarkeit der eigenen Lebensverhältnisse entsprechen die Einrichtungen kollektiv organisierter und planmäßiger Risikovorsorge; einseitige und langfristig unberechenbare Unterhaltsabhängigkeiten zwischen Einzelpersonen aber laufen diesen Grundströmungen zuwider. Die verläßlicheren Formen der kollektiv-solidarischen Unterhaltssicherung und Risikovorsorge knüpfen aber traditionsgemäß unmittelbar nur an die Stellung als (i. d. R. unselbständiger) Erwerbstätiger an16• Wer seine wirtschaftliche Existenz auf Erwerbsarbeit gründet, erlangt in diesem Status sowohl einen zunehmenden Bestandsschutz durch die Vorkehrungen des Arbeits- und Arbeitsförderungsrechts, des öffentlichen Dienstrechts und vielem anderen mehr, wie auch Vorsorge für die persönlichen Erwerbsrisiken Krankheit, Invalidität und Alter, und zwar für die beiden letzten Hauptrisiken umfangmäßig anwachsend mit der Zeit der Zugehörigkeit zum Vorsorgesystem. Engmaschig vernetzte soziale Systeme der Vorsorge und Entschädigung, insbesondere der Sozialversicherung, sind darauf eingerichtet, den Ausfall von Arbeitseinkommen wegen Krankheit, dauernder Erwerbsminderung oder -'1lnfähigk!eit, wegen Alter und Arbeitslosigkeit, durch Lohnersatzleistungen wen1gstens annähernd zu kompensieren, .so daß der Lebensbedarf des ZIUvor voll Erwerbstäti:gen (und seines UnterhaltsV'erbandes), wenn ·auch auf regelmäßig niedrigerem Niveau, gesichert ilst.17 14 Zu dieser Thematik W. Gitter/J. Hahn-Kemmler, Die Verdrängung des Zivilrechts durch das Sozialrecht - dargestellt am Unterhaltsrecht, SGB 1979, S. 195; B. von Maydell, Sozialstaatliche Existenzsicherung und Familienunterhalt, in: Rechtspolitischer Kongreß der SPD 1980, S. 171; T . Ramm, Der Funktionswandel der Ehe und das Recht, JZ 1975, S. 506 ff. 15 Dazu F.-X. Kaufmann, Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem, 2. Aufl. 1973, S. 28 ff., 251 ff.; H. Braun, Das Verhältnis des Bürgers zur sozialen Sicherung- Entwicklung und aktuelle Probleme, in: Braun u.a., Selbstverantwortung in der Solidargemeinschaft, 1981, S. 17 ff. jeweils mit Hinweis auf empirisches Material; J. Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl. 1980, § 28 I. 16 Hierzu nur H. F . Zacher, Zur Anatomie des Sozialrechts, SGb 1982, S. 329 f.; ders., Einführung in das Sozialrecht, 1983, S. 10 ff., und das Reformschrifttum, s. u. Anm. 20.

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Das Gegenbild zu dieser auf Eigenständigkeit, Stabilität und Kontinuität der wirtschaftlichen Lebensgrundlage angelegten Verdienerrolle stellt die Haushaltsführerrolle vorwiegend der nichterwerbstätigen Frauen dar. Wenn Kinder (oder pflegebedürftige Personen) zu versorgen sind, erfordert die Führung des Familienhaushalts die volle Arbeitskraft, bietet dem "Familienarbeiter" aufgrundunseres liberalen Eheverständnisses aber nur geringen Bestandsschutz und damit auch keine verläßliche Unterhalts- und Risikovorsorge. So lange die Ehe besteht, hat die Frau am Einkommen und an den Einkommensersatzleistungen des Ehemannes wenigstens mittelbar Anteil infolge des Anspruches auf familiären Unterhalt (§ 1360 BGB); bei Auflösung der Ehe durch den Tod des Verdieners treten an die Stelle des Unterhaltes die Unterhaltsersatzleistungen der sozialen Vorsorgesysteme, die Hinterbliebenenrenten u. dgl. Der rechtlichen Gleichbewertung von Unterhaltsarbeit und Erwerbsarbeit im ehelichen Unterhaltsrecht (§ 1360 S. 2 BGB) entspricht die Wirklichkeit zumindest auch hinsichtlich der privaten Durchsetzbarkeit der Unterhaltsansprüche. Zusammenlebende Ehepartner brauchen kaum rechtliche Zwangsmaßnahmen zu Hilfe zu nehmen, um den nötigen Geld- bzw. Dienstunterhalt für sich und die Kinder zu erstreiten, denn Wechselseitigkeit und Gleichzeitigkeit der Unterhaltsbeziehungen zwischen ihnen18 versetzen einen jeden in die Lage einer Zug-um-Zug-Austauschbeziehung19• Diese Strukturen der lediglich abgeleiteten und akzessorischen Sicherung insbesondere der Ehefrauen sind hinnehmbar, so lange mit dem Bestand der Ehe auch die Unterhaltssicherung gewährleistet bleibt. Im Scheidungsfalle, zumal wenn Scheidungsgründe zu bloßen Fristwah17 Privates Vermögen ist in unserer Gesellschaft zu gering und zu ungleichmäßig gestreut vorhanden, so daß es nur für relativ wenige eine dauerhafte Existenzgrundlage ohne Arbeit abgeben kann. Unsere arbeitsund sozialvorsorgerechtlichen Ordnungen lassen daher, indem sie auf individuelle Bedürftigkeit in Tatbeständen und Rechtsfolgen nicht abstellen, Privatvermögen außer Betracht. Zum Verhältnis von Privatvermögen und Versorgungsvermögen R. J. Hober, Versorgungsvermögen in der Vermögensverteilung, 1981. 18 So prägnant F. Ruland, Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit, S. 22 ff. 19 Die Erscheinung von einseitigen oder stark ungleichgewichtigen familiären Unterhaltsleistungen zieht sich zunehmend auf die Fürsorge der Eltern gegenüber ihren Kindern in der Kleinfamilie zurück, und selbst dort, in der "Keimzelle von Staat und Gesellschaft", scheint sie zusätzlicher rechtlicher und sozialpolitischer Stützen zu bedürfen. Zwar werden die Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern im allgemeinen als natürlich empfunden und erfüllt, aber ihre Geringhaltung erfolgt durch Geburtenkontrolle, da ein späterer individueller Unterhaltsausgleich zwischen den Generationen weder mehr erwartet noch unserer kollektiven Altersversorgungssysteme wegen benötigt wird, mit der Wirkung, daß die soziale Rentenversicherung als wichtigste Basisvorsorgeeinrichtung unserer Gesellschaft in die Gefahr einer "self-destroying institution" gerät.

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rungsvoraussetzungen abgeschwächt werden, reißt aber eine tiefe Kluft auf zwischen dem wirtschaftlich-sozialen Status des Verdieners und dem des nichterwerbstätigen Partners, der durch Familienarbeit tätigen Unterhalt gegenüber Ehepartner und Kindern leistete 20• Nacheheliche Unterhaltsansprüche bieten dafür häufig nur kümmerlichen Ausgleich, da sie, wenn auch nicht mehr vom Scheidungsverschulden, so doch unvermeidlich von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten abhängig sind, diese aber mit der Haushaltstrennung und besonders der Gründung einer neuen Familie absinkt. Selbst durch eine unmittelbar an die Ehe anschließende Erwerbstätigkeit kann die Frau die während der vergangenen Ehezeit eingetretenen Lücken ihrer Vorsorgepositionen nicht auffüllen. Nur durch neuerliche Eheschließung könnte sie wieder eine zwar ebenfalls nur abgeleitete, aber für die Ehezeit vollwertige Sicherung erlangen. Diese wirtschaftlich-soziale Benachteiligung der nichterwerbstätigen Ehefrau bei Scheidung machte mit dem äußeren Bestand auch die innere Sinnhaftigkeit einer Ehe zu einem für Erwerbstätige und Nichterwerbstätige tiefgreifend andersartigen Lebensrisiko21 • Mit den Scheidungserleichterungen der Eherechtsreform von 1976/77 durfte diese krasse Ungleichbehandlung nicht noch verschärft werden. Spätestens bei der Regelung der Scheidungsfolgen mußte das Problem der Verbesserung der sozialen Sicherheit der nichterwerbstätigen Frauen, ungeachtet seiner vielfältigen Implikationen und Ausläufer, angepackt werden. Mit dem Versorgungsausgleich wurde ein "eheinternes" Instrument gewählt, das die Kassen des Staates und der Sozialleistungsträger weitgehend schont, den (wirtschaftlich höherwertig) erwerbstätigen Ehegatten aber schwer belastet. Dies bedarf weiterer Rechtfertigung; man stützt sich dabei allgemein auf zwei Grundgedanken, die sich abkürzend als "Mitversorgungs"- und "Mit20 Zur schier unübersehbaren Reformdiskussion nur F. Ruland, Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherheit, 1972, S. 394 ff. m.w.N.; H. F. Zacher, Gleiche Sicherung von Mann und Frau - zur gesellschaftspolitischen Relevanz der Rentenversicherung, DRV 1977, S. 197 m.w.N.; W. Gitter, Welche rechtlichen Maßnahmen sind vordringlich, um die tatsächliche Gleichstellung der Frau mit den Männern im Arbeitsleben zu gewährleisten?, Sozialrechtliches Teilgutachten zum 50. Deutschen Juristentag (DJT), in: Verhandlungen des 50. DJT 1974, Bd. I, D, S. 107; H. Langkeit (Gutachten), und H. F. Zacher (Referat), Empfiehlt es sich, die gesetzlichen Vorschriften über die soziale Sicherung der nichtberufstätigen Frau während und nach der Ehe, insbesondere im Fall der Scheidung zu ändern?, in: Verhandlungen des 47. DJT 1968, Bd. I, F, S. 7, Bd. II, 0, S. 7; der Gedanke des Rentensplittings wurde zuerst veröffentlicht von H. Planken, Die soziale Sicherung der nichterwerbstätigen Frau, 1961. 21 Umgekehrt sind aber auch der verdienende Partner und die Kinder gegen den Ausfall der Hausfrau und Mutter nicht abgesichert; vgl. Zacher (Anm. 20), Verhandlungen des 47. DJT, Bd. II, 0, S. 15 f.; Ruland (Anm. 18), S. 309 ff.; D. Schäfer, Einkommenssicherung bei Invalidität, 1979, bes. S. 28 f., 80 ff., 127 ff., 167 ff., für die Schließung der Lücke im Rahmen eines allgemeinen Reformkonzepts "finaler" (anstelle "kausaler") Invaliditätssicherung.

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verdienst"-Gedanke kennzeichnen lassen. Wie häufig findet man beide auch im amtlichen Begründungstext miteinander verwoben22 : "Der vorgeschlagenen Regelung liegt die Erwägung zugrunde, daß das Gesetz die Leistung der Ehegatten in der Ehe auch bei einer Aufteilung der Aufgaben in die des Verdieners und die des Haushaltsführenden jeweils für den Bereich des Familienunterhalts als gleichwertig anerkennt ... Dies rechtfertigt es, auch die in der Ehe begründeten Aussichten auf eine spätere Versorgung, deren Zweckbestimmung die Sicherstellung künftigen Unterhalts ist, als auf einer gemeinsamen Lebensleistung beider Ehegatten beruhend anzusehen und nach der Scheidung der Ehe beide Ehegatten an dieser Sicherung in Zukunft gleichmäßig zu beteiligen. Der Umstand, daß die Versorgungsrechte und die zu erwartende Versorgung selbst formal dem Vermögensbereich eines der Ehegatten zugeordnet sind, tritt hinter dem bei natürlicher Betrachtung der Versorgung zukommenden Zweck, dem künftigen Unterhalt der Familie, also insbesondere beider Ehegatten zu dienen, so weit zurück, daß ihm auch für den Fall der Scheidung keine Bedeutung beizumessen ist. Daher kann die Teilhabe an dieser Zukunftssicherung nicht davon abhängig gemacht sein, in welchem Güterstand die Ehegatten gelebt haben. " 23 2. Partnerscbaftlicbkeit der Zukunftsvorsorge als Teilungsgrund und -maß

Wenn typischerweise die Frau in der Ehe für längere Zeit auf eigene (volle) Erwerbstätigkeit verzichtet24 oder davon freigestellt wird, so beruht dies wesentlich auf der gemeinsamen Lebensgestaltung, Familienplanung und Aufgabenverteilung der individuellen Partner, wenngleich gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie Organisation der Berufsarbeit, Arbeitsmarktlage, außerhäusliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten u. a. m. diesen Gestaltungsspielraum einengen25• Der laufende Unterhaltsaufwand der Familie, ihr Lebensstandard, richtet sich primär nach dem Einkommen des Verdieners, und man lebt regelmäßig in der BT-Drucks. 7/650, S. 155. Vgl. auch BT-Drucks. 6/ 8097; MünchKomm- Maier, Vor § 1587 Rz. 8 ff.; Palandt!Diederichsen, Einf. vor § 1587 Anm. 3 b; G ernhuber (Anm. 15), § 28 I; Ruland (Anm. 13), DRV 1980, S. 48 ff.; G. Langenfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 1984, Rz. 373 ff. 24 Hierin erblickt die eigentliche Rechtfertigung Schwab (Anm. 1), Rz. 478; ders. (Anm. 13), FamRZ 1977, S. 171. 25 "Utopische" Überlegungen zu mehr rollenangleichenden Organisationen von Arbeits- und Familienleben bei E. Vilar, Die Fünf-Stunden-Gesellschaft, 1978; eine Gegenposition (ohne ausdrückliche Bezugnahme) hierzu formuliert W. Zöllner, Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter, FS Strasser, 1983, S. 223 ff., u. a. mit Bedenken aufgrund sehr ungünstiger Ausnutzung beruflicher Qualifikationen. 22

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Gewißheit, daß von diesem Einkommen entweder schon kraft Gesetzes oder durch eigene Dispositionen ein Teil für die Altersvorsorge abgezweigt wird2n. Da die Leistungen der öffentlichen Altersvorsorgeeinrichtungen wiederum nach dem typischen Bedarf nicht nur einer Einzelperson, sondern einer Klein(st)farnilie bemessen sind, lassen es die oben gekennzeichnete allgerneine Hochschätzung sowohl der kollektivsolidarischen Zukunftssicherung wie der Erfüllung der Familienaufgaben als legitim erscheinen, die im Laufe des Erwerbslebens kontinuierlich heranreifenden Früchte der Altersvorsorge nicht nur dem jeweiligen im späteren Leistungszeitraum mitzuversorgenden Ehepartner zugute kommen zu lassen, sondern ehezeitanteilig auch den Partnern aus früheren Ehen. Aufgrund neuer sozialethischer Wertungen, nicht lediglich der Urnbenennung und Urndeutung alter Fakten27, gilt nun: Altersvorsorge im Alleingang während der Ehe gibt es nach dem gesetzlichen Ehemodell überhaupt nicht mehr; der andere hat stets seinen stillen Anteil daran, selbst wenn solches Vermögen zur Vorsorge aufgewendet wird, das als Anfangsvermögen (§§ 1373, 1374 BGB) nicht einmal dem Zugewinnausgleich unterläge28 • Werden hier jegliche Mitverdienst- und Leistungsgedanken beiseite gelassen, so rücken sie an anderer Stelle wieder ganz in den Vordergrund: Bestreiten die Eheleute ihren laufenden Lebensunterhalt etwa vorn Vermögen des einen oder leben sie bereits von einer Altersrente oder von Renten der gesetzlichen Unfallversicherung oder aufgrund sozialer Entschädigung, so kann davon, da nichts während der Ehe "durch Arbeit oder Vermögen" erworben wurde, auch nach der Scheidung nichts mitgenommen werden (s. auch u. III. 1.). Für die Bemessung des via Versorgungsausgleich im Scheidungsfall nachzuzahlenden "Vorsorgeunterhalts" die Ehedauer zugrundezulegen, leuchtet ohne weiteres ein. Es entspricht im allgemeinen den Wachsturnsgesetzen unserer Vorsorgeanrechte und deckt sich mit dem tatsächlichen Zeitraum des gegenseitigen Unterhaltsaustausches von Geldmitteln und tätiger Fürsorge durch die Ehepartner. Selbst die schematische Halbierung des in der Ehezeit angewachsenen Vorsorgevermögens unter Vernachlässigung jedweder Gesichtspunkte der effektiven Mitwirkung oder familiär eigenständiger Leistungen (s. u . 3.), scheint unter dem bloßen Vorsorgeaspekt zunächst angemessen, führt aber wegen der Begrenztheit der Versorgungsgüter zu Dürftigkeitserscheirrungen (s. u. III. 1.). 28 Den Gedanken der Versorgungsgemeinschaft halten für ausschlaggebend G. Beitzke, Familienrecht, 22. Aufl. 1981, S. 160; BGH, NJW 1979, S. 1289 ff., 1300 f.; NJW 1980, S. 47; BGH, FamRZ 1982, S. 41. 27 Diese Richtigstellung schon bei Schwab (Anm. 13), FamRZ 1979, S. 278. 28 Zum Problem, schenkungsweise drittfinanzierte oder unmittelbar zugewandte Versorgungsanrechte vom Versorgungsausgleich auszunehmen, nun BGH, FamRZ 1984, S. 570 m. Nachw. zum Meinungsstand.

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Ursula Köbl 3. Vervollständigung der ZugewinngemeinschaftMitverdienst als Teilungsgrund und -maß

Eine durchaus solide, wenn auch nur abhängige Rechtfertigungsbrücke läßt sich von dem zwei Jahrzehnte älteren und bereits zum festen Rechtsbestand gehörenden Zugewinnausgleich zum Versorgungsausgleich schlagen29 • Es ist schwer vorstellbar, daß auf unabsehbare weitere Zukunft der Rechtszustand der auf den Privatvermögensbereich beschränkten Zugewinngemeinschaft vor Gleichheitssatz, Familienschutzgebot und Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlichen Bestand hätte haben können, wenn nicht emsthaft ein Weg gesucht worden wäre, auch das in der Ehe gebildete Vorsorgevermögen einer Aufteilung zu unterwerfen, indem die vomehmlich in seiner öffentlichrechtlichen Rechtsstruktur hiergegen begründeten Hemmnisse überwunden wurden. Zum einen überragt die soziale Bedeutung des Vorsorgevermögens für den Großteil der von Arbeits- und Sozialeinkommen abhängigen Bevölkerung die des frei disponiblen Privatvermögens bei weitem30• Zum anderen bestimmen über die Bildung von Privat- oder Vorsorgevermögen auf eine weite Strecke positivrechtlich leicht verrückbare Grenzen bezüglich Versicherungspflichten, Beitragsbemessungsgrenzen, Zugehörigkeitsvoraussetzungen und Rechtsformen betrieblicher oder berufsständischer Vorsorge u. ä. m., Grenzen, die weder nach den Maßstäben von Leistung und partnerschaftlicher Aufgabenteilung in der Familie noch im Hinblick auf Bedarf und Angewiesenheit die folgenreiche Differenzierung zwischen ausgleichspflichtigem PrivatvermögensZugewinn und ausgleichsfreiem Vorsorgevermögens-Zugewinn zu tragen vermögen. Nun folgt aus der Einsicht, daß eine Rechtseinrichtung konsequenterweise nicht ohne eine andere bestehen sollte, zwar nicht auch, daß beide zusammen existieren sollten, doch zeigt der Konsens über den Zugewinnausgleich, dem ja ebenfalls ein rechtsethisch fragwürdiger Schematismus zugrundeliegt, daß in der Bevölkerung eine starke Bereitschaft zur Anhebung des wirtschaftlichen Status des nicht oder nur geringerwertig erwerbstätigen Ehegatten verbreitet ist31 • 29 Vgl. BT-Drucks. 7 /2228; nun auch wieder im !PR-Entwurf, BT-Drucks. 10/504, S. 61; Langkeit (Anm. 20), 47. DJT, Bd. I, F, S. 88, 118; Lang (Anm. 5), FamRZ 1984, S. 317; LangenfeLd (Anm. 23), Rz. 373 ff. - Die Unabhängigkeit des Versorgungsausgleichs vom Güterstand (§ 1414 BGB) ist als Auswuchs übertriebenen Vorsorgeperfektionismus zu werten. 30 Aufgrund empirisch-quantitativer Untersuchungen kommt Haber (Anm. 17), 8.197, zu dem Ergebnis: " ... das Versorgungsvermögen (hat) für die ärmeren beiden Drittel der Haushalte die gleiche Bedeutung ... , wie für das reichste Drittel der Haushalte das Haus- und Grundvermögen und das Produktiv- und das Wertpapiervermögen". 31 Indizien hierfür sind auch das Vordringen der Errungenschaftsgemeinschaft im Ausland (vgl. E. Jayme, Die Entwicklung des europäischen Familienrechts, FamRZ 1981, S. 221) und verschiedenartige Ansätze zur Berücksichtigung der Vorsorgegüter im Scheidungsfolgenrecht (dazu bes. E. Jayme,

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Nur auf der Basis dieses Einverständnisses, das die bisherige Situation für untragbar hält, ohne außerfamiliäre Finanzierungsquellen größeren Ausmaßes für Verbesserungen erschließen zu können, ist das Legitimationsargument der "Gleichwertigkeit" von Erwerbs- und Familienarbeit der Ehegatten verständlich. Der unbezweifelbare gesamtgesellschaftliche Höchstrang sowohl der Erwerbs- wie der Familienarbeit beinhaltet nicht auch den Umrechnungsmaßstab, nach dem sich die Leistung der einzelnen Hausfrau und Mutter dem Einkommen just ihres Mannes als gleichwertig erweist. Die an sich vornehmste rechtliche Begründung für jegliche Umverteilung von Vermögenswerten, die Einsicht, daß diese Werte vom Empfänger im Grunde "miterarbeitet" und "mitverdient" seien, hat bezüglich des Privat- und Vorsorgevermögens der konkreten Ehegatten nach objektiv feststellbaren Kausalzusammenhängen mit der Realität im allgemeinen nur wenig zu tun32 • Richtig ist lediglich, daß Arbeitsentgelte und die daran orientierten Lohnersatzleistungen sehr global mit Rücksicht auf die Unterhaltsbedürfnisse der Kleinfamilie und nicht lediglich einer Einzelperson bemessen werden. Die Behauptung einer wirklichen Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit konkreter Ehepartner spräche allen Qualifikations- und Leistungsunterschieden und den darauf fußenden Einkommensunterschieden in der Arbeitswelt Hohn. Nicht minder würde auch die immense Spannweite der von Frauen in den verschiedenen Ehe- und Familientypen erbrachten Familienleistungen übersehen. Allein auf der Achse vom kinderlosen Haushalt mit hohem Einkommen bis zum kinderreichen Haushalt mit niedrigem Einkommen gestalten sich häufig die wirklichen Leistungen der haushaltsführenden Frau geradezu umgekehrt proportional zum Einkommen und zur Vermögensbildung. Außer Ansatz bleiben oder nur beiläufig. wirksam werden auch spezifisch einkommensrelevante Leistungen der Frauen durch Mitarbeit in Beruf oder Geschäft des Mannes und verstärkte Unterstützung in den entscheidenden Zeiten der Ausbildung und der Berufsanfänge des Mannes33 • Mit einiger Bitterkeit vermerken Frauen, die sich mit Familien- und Berufsarbeit- und somit ohnehin schon ziemlich "ausgleichsineffektiv" -abplagen, daß gerade an der Nivellierung des sich in der Doppelverdienerehe etwa noch ergebenden Versorgungsgefälles W. Hering, H.-D. Steinmeyer, W. Pintens, P. Mores in diesem Band); die Schematisierung teils kritisierend, teils rechtfertigend, Ramm (Anm. 14), S. 507 f. 32 Die "Zugewinngemeinschaftsideologie" geißelt besonders scharf A. Dieckmann, Unterhalts- und versorgungsrechtliche Betrachtungen zur Reform des Scheidungsrechts, FS Bosch, 1976, S. 768; Schwab (Anm. 13), FamRZ 1979, S. 276 ff., FamRZ 1977, S. 768 ff. 33 Sanktioniert ist lediglich die starke Abweichung ins Negative durch die Härteklauseln, §§ 1587 c, 1587 h BGB. - Unter diesem Aspekt sinnvoll die Vorstellungen des Modell '87, s. u. III 2 c.

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Anstoß genommen wird34, obwohl doch die schlichte Anschauung unserer gegenwärtigen Lebensverhältnisse zeigt, daß die Familienlasten immer noch überwiegend den Frauen, ob berufstätig oder nicht, zufallen35, und daß nicht selten gerade beruflich selbst engagierte Frauen auch unmittelbar für Einkommen und berufliches Fortkommen ihrer Ehemänner noch Beträchtliches leisten. Diese Kritik gerade am "kleinen" Versorgungsausgleich in der Doppelverdienerehe offenbart den Versorgungsausgleich als Zugeständnis nach Art einer Aufopferungsentschädigung, das den Zweck verfolgt, die mehrheitlich geschätzte Familienordnung und die geschlechtsspezifische Rollenverteilung in der Arbeitswelt im wesentlichen zu bewahren. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Versorgungsausgleich seine Hauptrechtfertigung nicht aus dem "Mitverdienst"-, sondern aus dem "Mitversorgungsgedanken" bezieht, ohne daß dieser jedoch hinreichte, dem Gesamtkomplex der Versorgungsausgleichsordnung rundum eine Erklärungsbasis zu geben. Es zeigt sich stets eine Zone diffuser Legitimation36• Was das Teilungsmaß anbelangt, so erscheint die rigorose Halbierung als Verlegenheitslösung mangels besserer Alternativen31 hinnehmbar, aus ähnlichen Gründen wie die Ersetzung des Verschuldens- durch das Zerrüttungsprinzip. Sehr viel mehr an materieller Versorgungs- und Teilungsgerechtigkeit könnte selbst mit einer individualisierenden Betrachtung nicht erzielt werden, auch nur ein Weniges mehr aber würde schon den unerschwinglich hohen Preis eines eingehenden Erforschens, Bewertens und Abwägens vieler privater Lebensumstände der Betroffenen fordern. Eine noch maßvolle Zwischenlösung wäre allenfalls mit einer Ausgleichsbemessung am fiktiven eigenen Vorsorgeausfall des Berechtigten anstatt am Vorsorgezugewinn des Verpflichteten zu verwirklichen38• Auch dieses erforderte aber bereits erheblichen Schätzungsaufwand. 34 U. a. D. Schwab, DNotZ Sonderheft 1977, S. 61; Palandt!Diederichsen, Einführung vor§ 1587 Anm. 9 a. E.; dezidiert anderer Ansicht: Ruland (Anm. 13), DRV 1980, S. 55 ff.; durchgängig gegen die eherechtliche Einheitslösung Ramm (Anm. 14), S. 507 ff. as S. Meyer/E. Schulze, Nichteheliche Lebensgemeinschaften Alternativen zur Ehe? Eine internationale Datenübersicht über die nichtehelichen Lebensgemeinschaften, Kölner Zeitschr. f. Soziologie u. Sozialpsychologie, 1983, s. 748. 38 Gernhuber (Anm. 15), § 28 I. 37 In prinzipiell ähnlicher Weise wird auch im Internationalen Privatrecht der Knoten durchgehauen, wenn zwischen Staatsangehörigkeits- und Wahnsitzprinzip eine generelle Entscheidung getroffen wird. - Ruland (Anm. 13), DRV 1980, S. 56 hingegen auch für die m aterielle Richtigkeit der Halbteilung kraftehezeitlicher Solidarität. 38 Vgl. auch Ruland in diesem Band.

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Neben den Gründen der Rechtssicherheit, der Praktikabilität, der Beweisschwierigkeiten und des Schutzes der Persönlichkeitssphären mag noch der Gesichtspunkt überzeugen, daß die wirtschaftlichen Folgen der Ehe schicksalhafter Fügung sowohl wie eigenem Verhalten entspringen. Darum ist der Gesetzgeber letztlich nicht zu tadeln für seine hurtige Bereitschaft "über eine sehr komplexe Wirklichkeit simple Aussagen zu stülpen, die aus eben jener Wirklichkeit gewonnen sein sollen (die gemeinschaftliche Lebensleistung, der Zweck der Versorgung), ihr aber keinesfalls entsprechen" 39 • Rechtsethisch und sozialpolitisch bessere Lösungen aber sind leichter denkbar als bezahlbar, da man wohl "eheexterne" Finanzierungsanteile größeren Umfangs einbauen müßte. Trotzdem sollten solche Lösungen den Vorzug haben, wo immer sich Chancen zu ihrer (eventuell schrittweisen) Verwirklichung bieten. In erster Linie gilt dies für solche Verbesserungen der eigenständigen Sicherung der nichterwerbstätigen Frauen, die proportional zu meßbaren und gesellschaftlich wertvollen Leistungen, insbesondere der Kinderzahl, angelegt sind40• 4. Geringe Rechtsfolgenrelevanz der Rechtsnaturfrage

Es mag sich besonders dem deutschen Rechtsdenken aufdrängen, offene Fragen des Versorgungsausgleichs, zumal bei Auslandsbezug, aufgrund seiner "Rechtsnatur" als privatrechtliches oder als öffentlichsozialrechtliches Institut41 anzugehen. Soweit von solcher Wesensaufhellung jedoch gewichtige Argumente für die Entscheidung praktischer Rechtsfragen, wie der des Umgangs mit Auslandsanwartschaften oder der Auswahl unter kollidierenden Rechtsnormen erwartet wird, erweist sich die Klärung der rechtssystematischen Zuordnung des Versorgungsausgleichs als wenig ergiebig. Dies vor allem deshalb, weil Familienund Sozialrecht die gesellschaftlichen Ordnungsaufgaben der Unterhaltssicherung und -vorsorge schon lange gemeinsam, wenn auch mit je eigenen (privaten oder öffentlichen) Anspruchssubjekten und Kostenträgern erfüllen. Hierbei beziehen sich beide Rechtsgebiete zunehmend enger aufeinander, durchdringen sich förmlich in den neuen Einrichtungen des Vorsorgeunterhalts und des Versorgungsausgleichs, so daß 39 40

Gernhuber (Anm. 15), § 28 I. Schwab (Anm. 13), FamRZ 1977, S. 770 für eine Abstufung nach den Ver-

sorgungsbedürfnissen, der Dauer der Ehe und den Umständen des Scheiterns der Ehe; als Vertreter derer, die familienpolitisch schnell wirksame Maßnahmen befürworten, W. Ecker, Der Generationenvertrag - eine vernachlässigte Garantie, Die Sozialversicherung 1983, S. 147 f. - Für die grundlegende Relevanz des Familientypus auch Zacher (Anm. 20), 47. DJT, Bd. II, 0, S. 18 f., 25 ff.; Gitter (Anm. 20), 50. DJT, Bd. I, D, S. 158 f. 41 Dafür J. Plagemann/H. Plagemann, Versorgungsausgleich in Auslandsfällen, NJW 1977, S. 1989; M. Wochner, JZ 1980, S. 61, Anm. zu BGHZ 75,

s. 241.

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zwar noch die pragmatisch-positivistische Grenzziehung im "äußeren System" klar erhalten ist, aber nicht mehr durchgängig eine nach materiellen Ordnungsgesichtspunkten zu treffende Grenzziehung im "inneren System" 42 • Diese funktionale Verschränkung wird am sinnfälligsten, wenn man sich die Vorsorgesolidarität der Ehegatten noch perfektioniert denkt, etwa bis zu einem bereits mit der Eheschließung beginnenden Realsplitting ihrer sämtlichen während der Ehe anfallenden Versorgungsanwartschaften. Trotzdem bleiben die Unterschiede, welche Personen oder Institutionen - z. B. Ehegatte oder Sozialversicherung, Arbeitgeber oder Sozialhilfeträger - die jeweilige soziale Last zu tragen haben, von zentraler Bedeutung für Rechtspolitik und Rechtsanwendung. Somit ist der Versorgungsausgleich überwiegend privatrechtlicher Natur, nicht so sehr, weil die familienrechtlichen Vorgänge Ehe und Scheidung das "Grundverhältnis" für den Versorgungsausgleich schaffen, als vielmehr, weil der besser versorgte Ehegatte einen Teil seines Vorsorgevermögens abgeben muß. Gewinn und Verlust decken sich im wesentlichen bei den privaten Betroffenen43 ; die Versorgungsträger werden demgegenüber nur am Rande tangiert. Die andere Seite des Versorgungsausgleichs aber ist dem Sozialrecht zugewandt, indem primär öffentlich-rechtlich begründete Vorsorgegüter erfaßt werden, um aus ihnen zugunsten des Ausgleichsempfängers für die klassischen sozialrechtsrelevanten Erwerbsrisiken, Alter und Invalidität, soweit irgend angängig und zumutbar, wiederum klassische sozialversicherungsrechtliche Positionen zu begründen bzw. auszubauen44 • Nebensächlich ist bei alledem der äußere Standort im Rechtssystem. Hätte es sich nur darum gehandelt, öffentlich-rechtliche Vorsorgegüter aufzuteilen - der Ausgleich wäre ohne weiteres im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen von Sozialversicherung und Beamtenversorgung unterzubringen gewesen. Die Sachverhalte "Ehe" und "Scheidung" hätten ebenso als bloße Tatbestandsmerkmale sozialrechtlicher Normen für die Anwartschaftsübertragung auf den Ausgleichsberechtigten auf42 Diesen Unterschied zwischen "formalem" und "materialem" Sozialrecht immer wieder herausarbeitend H. F. Zacher, Das Vorhaben des Sozialgesetzbuches, 1973, S. 10 f.; ders., Einführung in das Sozialrecht 1983, S. 9 ff.; ders., Materialien zum Sozialgesetzbuch, A 18 ff. 43 So auch H. J. Sonnenberger, Der Versorgungsausgleich im internationalen Privatrecht, FS Beitzke 1979, S. 741 f.; B. v. Maydell, Was kann ein internationales Sozialversicherungsrecht leisten?, in : Tomandl (Hg.), Auslandsberührungen in der Sozialversicherung, 1980, S. 13. 44 In diesem Sinne auch schon Hannemann/Kinzet, Versorgungsausgleich bei Auslandsberührung, DAngV 1978, S. 369 f.; von Maydell (Anm. 43), aufgrund des Versorgungsausgleichs die Trennung von öffentlichem und privatem Recht in Zweifel ziehend; ähnliche Überlegungen zur Grenzverwischung anhand des Arbeitsrechts bei J. J. M. van der Ven, Eins- Zwei- Drei, Bürgerliches, öffentliches, soziales Recht, FS Reinhard, 1972, S. 176 ff., 174.

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treten können wie in den Tatbeständen der Geschiedenenwitwenrente oder der Familienhilfe und der Versicherungsberechtigung des geschiedenen Ehegatten in der Krankenversicherung. Aber die Globalsaldierung sämtlicher, auf äußerlich getrennte, breit verstreute Rechtsmaterien sich gründender Vorsorgegüter nötigte zu einer von den Standorten des Sozialversicherungs-, Beamtenversorgungs-, Arbeits-, Privatversicherungs-, berufsständischen und sonstigen Versorgungsrechts abgesonderten und zusammenfassenden Regelung, ganz ähnlich wie das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge im bürgerlichen Vermögensrecht nach dem Tod eines Menschen eine Sondermaterie "Erbrecht" erfordert. Die materiell- und verfahrensrechtliche Ansiedlung des Versorgungsausgleichs als Scheidungsfolge im Familienrecht ist ferner zweckmäßig, da neben der Ehezeit noch gewisse andere Umstände der Eheführung wegen der Härteklauseln ausgleichsrelevant werden können; als durchgängige AbkappeJung von allen materiell-sozialrechtlichen Bezügen darf dies jedoch besonders im Hinblick auf die Auslandsproblematik nicht verstanden werden. Daß die unterhaltssichernden Einrichtungen von Familien-, Sozialund Arbeitsrecht in der Gegenwart ausdrücklich und planmäßig komplementär zueinander gestaltet sind und in einem breiten Bereich annähernd funktional äquivalent, somit auch teilweise austauschbar geworden sind, sollte nach der Rechtspolitik auch der dogmatischen Rechtswissenschaft geläufig werden. 111. Zielerreichung und Unzulänglichkeiten aufgrund güterrechtlicher Grundstruktur 1. Sicherungsdefizite mangels VorsorgemasseAbrundungsvorstellungen

a) Gefahr unzureichender Sicherung beider Partner

Man darf in den Versorgungsausgleich nicht Erwartungen setzen, die er seiner Anlage gemäß von vornherein nicht erfüllen kann, und umgekehrt sollten nicht Nachteile überschätzt werden, die ebenfalls zwangsläufig und vorhersehbar gerade mit seinen positiven Auswirkungen verbunden sind. So kann zwar eine formell eigenständige, aber nicht auch auskömmliche Alters- und Invaliditätsvorsorge der nichterwerbstätigen (geschiedenen) Frauen gewährleistet werden. Dazu kann der Versorgungsausgleich nur einen Teil beitragen, dessen Umfang innerhalb einer großen Bandbreite je nach Dauer und Vorsorgevermögenszuwachs während der Ehe schwankt. Je kürzer die Ehe, desto weniger ist dem Ausgleichsempfänger genützt und dem Ausgleichsverpflichteten geschadet; aus dieser trivialen Feststellung läßt sich aber

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in Anbetracht der Vielzahl von Scheidungen junger Ehen die Erwartung ableiten, daß mit einem Aufschub des Versorgungsausgleichs bis zum Eintritt des Versorgungsfalles45 beim Ausgleichsberechtigten eine erhebliche Entlastung der Familiengerichte und der Versorgungsträger verbunden sein könnte, da vermutlich viele Ausgleichsberechtigte nach Jahrzehnten auf ihre Berechtigung nicht zurückkommen würden. Auch nach längerer Ehe verschafft der Versorgungsausgleich in aller Regel noch keine quantitativ ausreichende Sicherung, sondern legt nur ein mehr oder weniger breites Fundament bzw. setzt auf ein schon vorhandenes Fundament ein weiteres "Stockwerk" auf. Andererseits aber kann vom "Versorgungsgebäude" des Ausgleichsverpflichteten so viel abgetragen worden sein, daß seine eigene Sicherung nicht mehr oder nur weit unter seinem früheren Lebensstandard gewährleistet ist. Hier stößt das Recht an die "natürlichen" Grenzen der Vorsorgevermögensbildung, über die keine Fiktionen und autonomen Bewertungen wie "Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit" und lediglich "formale" Zuordnung der Vorsorgerechte an den verdienenden Ehegatten hinweghelfen. Wohl haben die Altersversorgungen den Zweck, auch den Ehegatten des Versicherten mitzuversorgen, aber eben nur einen Ehegatten und typischerweise nur in Haushaltsgemeinschaft mit dem Berechtigten. Auf zwei getrennte Haushalte mit eventuell gar drei oder vier erwachsenen Mitgliedern sind die Versorgungsleistungen nicht ausgelegt; zumindest kann der dem Verdienereinkommen gemäße Lebensstandard nicht gehalten werden40 • Wer schnell und umfassend diesen Mangel beheben wollte, müßte "eheexterne" Finanzmittel bereitstellen. Auf längere Sicht aber mildern sich in der großen Zahl auch die Versorgungsdefizite der jetzigen "eheinternen" Teilungslösung, denn mit der Verstetigung der sozialen Biographie der Frauen steigen auch die Chancen "versorgungsausgleichgeschädigter" Männer, neue Partnerschaften mit Frauen eingehen zu können, die im Ruhestandsalter aufgrund ihres eigenen, auf Erwerbs- oder Familienarbeit basierenden Sozialeinkommens zum Geldunterhalt der Familie beitragen können.

s. u. 2. und Nachweise in Anm. 5. Die Gefahr von Kleinstrenten, gar unter Sozialhilfeniveau, wurde frühzeitig gesehen; vgl. Langkeit (Anm. 20), Verhandlungen des 47. DJT, Bd. I, F, S. 91; Gitter (Anm. 20), S. 133, 157 f.; Schwab (Anm. 1), Rz. 479; F . RuZandl B. Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, 1977, Rz. 729, mit Nachweisen. 45 48

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b) Bleibende Verbindung mit dem nachehelichen Unterhaltsrecht Anlagebedingt bringen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich auch keine Gesamterledigung der vermögensmäßigen Ehewirkungen und Scheidungsfolgen. Zwischen Scheidung und Versorgungsfall liegt meist eine lange Lebensstrecke, während der beide Partner auf Erwerbseinkommen oder familiären Unterhalt angewiesen sind. Häufig kann die Frau wegen Kinderbetreuung oder schlechter Arbeitsmarktchancen nicht alsbald eine unterhaltsdeckende und angemessene Erwerbstätigkeit aufnehmen und will oder kann auch keine neue Ehe eingehen. Über die Möglichkeiten zum reibungslosen Übergang der Frauen von einem Bedarfsdeckungs- und Vorsorgesystem ins andere hegte der Eherechts.gesetzgeber von 1976 wohl falsche Vorstellungen; von der schlechten Arbeitsmarktlage sind Frauen sogar verstärkt betroffen. In welchem Ausmaße dann dem früheren Ehemann kraft "nachehelicher Solidarität" nacheheliche Unterhaltspflichten aufgebürdet werden können, dürfte das schwierigste Problem des neuen Scheidungsrechts überhaupt darstellen, demgegenüber sich die Probleme des Versorgungsausgleichs als relativ leicht, jedenfalls überschaubar ausnehmen - solange man sich nicht auf eine Verkrüppelung des Versorgungsausgleichs durch Wiederannäherung an das nacheheliche Unterhaltsrecht einläßt (s. u. 2. a. E.). Welches Maß an nachehelicher Solidarität in Gestalt von Unterhaltspflichten auch immer für angemessen erachtet wird, mit dem Zusammentreffen der Belastungen durch Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhaltspflicht ist nun stärker zu rechnen, als dies bei der ursprünglichen Anlage des Versorgungsausgleichs geschah. Zwar mindert sich aufgrund des Versorgungsausgleichs die Unterhaltsbedürftigkeit des Ausgleichsempfängers und somit die nacheheliche Unterhaltslast des anderen47, doch erst ab dem Zeitpunkt, in dem der an sich unterhaltsbedürftige Teil tatsächlich Versorgungsleistungen erhält. Zuvor konnte sich aufgrund des Versorgungsausgleichs eine Unterhaltslücke vor allem zu seinen Lasten auftun, wenn zunächst beim ehemals Ausgleichsverpflichteten und weiterhin Unterhaltsverpflichteten der Versorgungsfall eintrat und er nun aufgrund seiner ausgleichsbedingt minderen Versorgungsleistungen zur Unterhaltsleistung nicht mehr oder nicht mehr voll imstande war. Nunmehr ist durch § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) v. 21. 2. 1983 diese Lücke geschlossen, indem dem Unterhaltsrecht die "Vorfahrt" eingeräumt ist und die Versorgungsausgleichswirkungen bis zum Versorgungsfall des Unterhaltsberechtigten aufgeschoben werden. 47 Als allgemeinen Überblick hierzu R. von Hornhardt, Versorgungsausgleich und nacheheliches Unterhaltsrecht, FamRZ 1979, S. 655; Ruland/Tiemann (Anm. 46), Rz. 630 ff.

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Ursula Köbl c) Intention totaler Erfassung des Vorsorgevermögens

Volle Billigung verdient das Perfektionsstreben bei der Bildung der Ausgleichsmasse. Ohne Ansehen von Rechtsnatur, Entwicklungsstand und Vorsorgeumfang ergreift das Recht des Versorgungsausgleichs sämtliche Rechtspositionen {"Anwartschaften und Aussichten", § 1587 I BGB), aus denen eine Versorgung wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit erwachsen kann - sofern diese Rechtspositionen mit Hilfe des Vermögens oder durch Arbeit der Ehegatten während der Ehezeit begründet oder aufrechterhalten wurden. Dieser äußerst weite gegenständliche Ausgriff findet wohl unter all den Rigorositätsphänomenen des Versorgungsausgleichs nach wie vor am meisten Zustimmung, man wird ihn geradezu durch den Gleichheitssatz für verfassungsrechtlich geboten erachten müssen. Hat man sich einmal für die, wie immer letztlich zu begründende, wirtschaftliche Solidarität der Ehegatten durch Zugewinn- und Versorgungsgemeinschaft entschieden, so entbehrt jede Ausgrenzung versorgungsträchtiger Rechtspositionen der sachlichen Rechtfertigung. Im Gegenteil: Es ist die Frage zu stellen, ob sich der Gegenstandsbereich der Ausgleichsmasse weit genug erstreckt, ob nicht ein so bedeutender Teilbereich wie die private Kapitallebensversicherung, die nur dem Zugewinnausgleich unterstellt wird, zum Versorgungsausgleich geschlagen werden sollte, und ferner, ob nicht auch Renten aus Unfallversicherungen und Renten aus sozialen Entschädigungssystemen, die jetzt gleichsam als "Vorsorge-Sondergut" ihres Inhabers gelten, wenigstens mit ihrem Lohnersatzanteil auch bei der Trennung der Versorgungsschicksale der Ehegatten eine gewisse Rolle spielen sollten {s. u. d). Die Grenze zwischen Zugewinn- und Versorgungsausgleich ist im allgemeinen nur rechtstechnisch wichtig, für die quantitativen Teilungswirkungen aber nicht sonderlich bedeutsam. Nur die spezifische Eignung zur Versorgung im Alter und bei Invalidität, die in der Wiederkehr der Leistungen bis zum Lebensende bzw. zum Ende des Versorgungsfalles zu sehen ist, qualifiziert ein Gut als Vorsorgegut, das dem Versorgungsausgleich unterfällt und somit dem Zugewinnausgleich entzogen ist (§ 1587 111 BGB). Eine exakt versorgungsfunktional abgestützte Grenzziehung bildet dies allerdings nicht, da etwa dingliche Rechte an Wohnimmobilien mehr zur materiellen Zukunftssicherung beitragen als geringfügige, unstabile oder nichtdynamisierte Versorgungsanrechte. Zudem können alle materiellen Werte einen Versorgungszweck erfüllen und werden nicht zuletzt im Hinblick hierauf erworben und gehalten, sei es, daß sie wie Eigenheim, Wohnung, Hausrat und Grundstücke einen Unterhaltsbedarf schon unmittelbar decken, sei es, daß sie wie Bargeld, Bankguthaben, Wertpapiere, Sacheigentum, Immaterialgüterrechte und jedwede An-

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sprüche erst aufgrund von Tausch-, Einziehungs- und Erfüllungsvorgängen in unterhaltsgeeignete Mittel umgewandelt werden können. Der verfahrensmäßig äußerst aufwendige Versorgungsausgleich erübrigt sich aber für alle solche privatrechtlich ausgestalteten Güter, seien sie auch im Einzelfall gezielt zur Alterssicherung angeschafft worden. Denn ihre freie Verfügbarkeit ermöglicht über die Drehscheibe eines Zugewinnausgleichsanspruchs in Geld, daß sich beide Partner ohne weitere hoheitliche Transferhilfe auf dem Markt wieder gleichartige, gleichwertige oder doch ähnliche Güter beschaffen können. d) Abrundung und Lückenausfüllung

Einfachheit und Klarheit dieser Konzeption verlieren sich aber bei einem bedeutenden und weitverbreiteten Teil privat gebildeten Vorsorgevermögens, den privaten Versicherungen. Sie mit der h. M.48 einzig aufgrund ihres Auszahlungsmodus - einmalige Kapitalzahlung oder laufende Rentenzahlung - entweder als Kapitalversicherung dem Zugewinnausgleich oder als private Rentenversicherung dem Versorgungsausgleich zuzuordnen, vernachlässigt nicht nur ihre Vorsorgefunktion, sondern auch einen möglichen speziellen Zusammenhang mit der unselbständigen Erwerbstätigkeit ihres Inhabers, und zwar sowohl bei der Direktversicherung als einer verbreiteten Form betrieblicher Altersversorgung wie auch bei der ehemals zulässigen (gemäß Art. 2 § 1 AnVNG von der Sozialversicherungspflicht) befreienden Privatversicherung. Dies könnte als nur äußerlich rechtstechnische Angelegenheit abgetan werden, wenn der Ausgleichsberechtigte im Wege des Zugewinnausgleichs zur Hälfte am wirklichen Wert dieser Versicherungen teilhaben würde. Doch ist dies nicht der Fall, da der Ausgleichsberechtigte nur am sog. Zeit- oder Rückkaufswert partizipieren kann, dieser Wert aber, am Schlußauszahlungskapital gemessen, erheblich unter dem Anteil liegt, der den auf die Ehezeit entfallenden Versicherungsprämien entspricht49• Eine befriedigendere Aufteilung dieser im fiktiven Rückkaufszeitpunkt disproportional niedrig angesetzten Werte wäre auf verschiedene Weise zu bewerkstelligen, am sinnvollsten durch Änderung des Privatversicherungsrechtes, also mit Wirkung für alle Ver48 Für die h . M. F. Ruland, Probleme des Versorgungsausgleichs in der betrieblichen Altersversorgung und privaten Rentenversicherung, 1982, Rz. 8 ff.; nun auch eingehend H.-G. Eisenecker, Versorgungsausgleich und Privatversicherungsrecht, 1983, S. 60 ff., 82 ff.; a. A. P. Friederici, Versicherungsverträge im Versorgungsausgleich, NJW 1979, S. 2550, für den Einbezug sämtlicher zum Zweck der Altersversorgung abgeschlossener Kapitalversicherungen; W. Gitter/M. Hoffmann, Privatversicherung und Versorgungsausgleich, FS Beitzke, 1979, S. 937, 949 für den Einbezug von sog. Befreiungsversicherungen. 49 R . Gärtner, Privatversicherungsrecht 1976, S. 183, 247, 344, 345 f.; ders., Der Prämienzahlungsverzug, 2. Auf!. 1977, S. 18, 146.

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sicherungsverträge, ansonsten durch eine Erweiterung des Zugewinnausgleichs etwa um die Option des Ausgleichsberechtigten auf eine spätere Aufteilung im Versicherungsfall oder auch durch Überweisung an den Versorgungsausgleich. Wenn und soweit die Eheleute bereits den gemeinsamen Unterhalt von Altersruhegeldern oder Lohnersatzleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder sozialen Entschädigungssystemen bestritten haben, so wird hiervon nichts abgespalten. Dies ergibt sich zwar eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut, weil diese Rechtspositionen "durch Arbeit oder Vermögen" entweder überhaupt nicht oder nicht mehr während der Ehezeit erworben wurden, vollends ist hieran dem anderen kein "Mitverdienst" zuzusprechen (s.o. II. 3.). Dennoch befriedigt diese Ausgrenzung unter mehreren Aspekten nicht ganz, zum einen wegen Eignung und Zweck der rentenmäßigen Lohnersatzleistungen für die dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes des Berechtigten und seines Unterhaltsverbandes, zum anderen im Hinblick auf die Naturalunterhaltsleistungen des Partners, dessen Anteil an den Lasten der gemeinsamen Lebensführung nicht leichter zu sein braucht, im Falle der Pflegebedürftigkeit des Rentners sogar das Normalmaß erheblich übersteigen kann. Man sollte prüfen, ob nicht der ehezeitlichen Vorsorgesolidarität auch gewisse Ausgleichsfolgen angemessen sind5°. 2. Ordnungs- und Gleichheitsdefizite wegen überspannten Eigenständigkeits- und Trennungsdenkens

a) Optimierungsstreben hinsichtlich Vorsorgeeffizienz (1) Auf das Ziel hin, aus einer möglichst großen Versorgungsausgleichsmasse auch das Beste für die Versorgungslage des Ausgleichsberechtigten zu machen, sind straff und auf Lückenlosigkeit bedacht die Bewertungs- und Durchführungsbestimmungen ausgerichtet (§§ 1587 a-p BGB). Dem Ausgleichsberechtigten soll nicht nur zu einem formell eigenständigen Versicherungsverhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung, sondern vor allem auch zu einem möglichst hochwertigen und verläßlichen Versorgungsstock verholfen werden. Um dieses Ideal zu verwirklichen, sieht besonders die ursprüngliche Konzeption bildhaft gesprochen- die "Einbahnstraße in die Rentenversicherung" vor, hält Seitenabzweigungen zu anderen Ausgleichsarten nur in geringstnötigem Umfange offen und unterbindet gegenläufige Wertbewegungen nach vollzogenem Ausgleich ganz; der Ausgleich soll endgültig sein.

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Vgl. auch Ruland und Zacher, in diesem Band.

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Nach dieser Vorstellung sind nicht nur Guthaben auf den Versicherungskonten der gesetzlichen Rentenversicherungen zu egalisieren, sondern auch alle sonstigen Versorgungsgüter (s.o. 1.) sind anhand ausgeklügelter Bewertungsregeln auf potentiell wertentsprechende Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen und in selbständige Rentenanwartschaften des Berechtigten umzumünzen, äußerstenfalls sogar- so die ursprüngliche Regelung (§ 1587 b III. BGB) - durch Beitragsentrichtung seitens des Ausgleichspflichtigen51• Um Vorsorgequantität und -qualität zu optimieren, ist vorrangig der empfängergünstige, öffentlich-rechtliche Wertausgleich zu vollziehen, lediglich hilfsweise wird der empfängerungünstige schuldrechtLiche Ausgleich zugelassen, der einem herkömmlichen Unterhaltsanspruch52 zwar noch den relativ festliegenden, weil ehezeitbezogenen Umfang voraus hat, aber hinter den gesteckten Vorsorgezielen weit zurückbleibt, weil er erst mit dem Versorgungsfall auch des Ausgleichsverpflichteten einsetzt und dessen Tod nicht überdauert53• (2) Um Gefährdungen der Vorsorgeziele durch privatautonome Gestaltungen der Ehegatten hintanzuhalten, sind den Versorgungsaus-

gleich betreffende Verträge binnen eines Jahres vor Stellung des Scheidungsantrages der Inhaltskontrolle durch das Familiengericht unterworfen (§§ 1587 o, 1408 BGB) 54• Gegenüber den gegenwärtigen Reformbestrebungen, diese Fesseln der Privatautonomie ganz abzustreifen, sei lediglich das Bedenken ang.e meldet, daß eine sachliche Angemessenheitskontrolle durch den beurkundenden Notar allenfalls ausgeübt werden kann, soweit ihm Gesetz oder Richterrecht hierfür inhaltliche Maßstäbe und Durchsetzungshilfe geben55• (3) Wem es mit der Verbesserung der sozialen Sicherheit der nichterwerbstätigen Frauen ernst ist, kann das Bestreben nach Effizienz, Eigenständigkeit und Bestandssicherheit der Vorsorge im Recht des Versorgungsausgleichs grundsätzlich nur gutheißen. Die allzu rigorose Verfolgung aber läßt den Versorgungsausgleich als den "juristischen Saurier" erscheinen, der seiner rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwelt nicht angepaßt ist. Mehrere Modifikationen aufgrund verfassungsgerichtlicher Beanstandungen sind schon erfolgt58, Umfassend dazu Ruland/Tiemann (Anm. 46). In dieser Nähe sieht ihn auch BGH, FamRZ 1981, S. 856, 861. - Zur "Vorsorgeschwäche" eingehender Ruland/Tiemann (Anm. 46), Rz. 732. 53 Dazu R. Kienast, Der Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, Diss. Göttingen 1982, mit dem Vorschlag einer Ausgleichsfortsetzungsrente. 54 Verfassungsmäßigkeit bejaht von BVerfG, FamRZ 1982, S. 769. 55 Vgl. U. Köbl, DNotZ 1973, S. 389, 391 ff. (aus Anlaß von Formularbauträgerverträgen). 58 BVerfGE 53, S. 257 = FamRZ 1980, S. 326 = NJW 1980, S. 692; BVerfGE 51 52

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weitere sind in Sicht, legislative Umgestaltungen zeichnen sich ab57, schließlich ist auch die praktisch vollständige Demontage nicht außerhalb jeder Diskussion. Zu dieser Entwicklung seien einige Punkte skizziert: Durch verfassungsgerichtliche Beanstandung wurde die öffentlichrechtliche Ausgleichsform der Beitragsentrichtung wegen unverhältnismäßiger Belastungen des Ausgleichsverpflichteten wieder aufgehoben58 ; ein dinglicher Ersatz für sie aber wurde bisher nur teilweise durch die sog. Realteilung der Versorgungsrechte und Erweiterung des QuasiSplittings geschaffen (§ 1 VAHRG). Da nunmehr insbesondere die betrieblichen Versorgungsanwartschaften lediglich dem deutlich nachteiligeren schuldrechtlichen Ausgleich zugewiesen sind, erscheint die aufgerissene Lücke nicht annähernd adäquat geschlossen. Es müßten, falls nicht ohnehin in absehbarer Zeit das "generalüberholende" Konzept des insgesamt auf den Versorgungsfall vertagten Ausgleichs verwirklicht werden sollte, um der Gleichbehandlung und Systemkonsequenz willen die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten einer weitergehenden Realteilung und ähnlich (quasi-)dinglich wirkender Instrumente bei privatrechtliehen Versorgungsanrechten genauer als bisher überprüft werden59• Nur von ungefähr geurteilt könnte man aber meinen, daß ein Gesetzgeber, dem es nicht verwehrt wurde, entgegen gewichtigen Arbeitgeberbelangen die betriebliche Altersversorgung durch Unverfallbarkeitsregelung, Insolvenzsicherung, Quasi-Dynamisierung u. a. m. zu einem festen Bestandteil der Altersversorgung auszubauen, auch kaum daran zu hindern wäre, eine weitere, den Art. 3 und 6 GG konforme Belastung aufzuerlegen. Erkannt, aber lange nicht bewältigt, sind die Transformationsschwierigkeiten, die infolge der verschiedenen Dynamisierungsbestimmungen der Versorgungsanrechte auftreten60• Hier muß mit mehr oder minder fiktiven Annahmen gearbeitet werden, von denen die spätere tatsächliche Entwicklung so erheblich abweichen kann, daß die schroffe und endgültige Zertrennung der sozialen Biographien der geschiedenen Ehegatten im Scheidungszeitpunkt als vernünftigerweise nicht durchhaltbar disqualifiziert wird. 6::l, 8. 88 = NJW 1983, 8.1417 = FamRZ 1983, 8. 342; BGHZ 85, 8.194 = NJW 1983, 8. 336 = FamRZ 1983, 8. 40 (zu § 1 III BarwertvO). 57 s. o. Anm. 5. 5s BVerfGE 63, 8. 88. 59 Von der Unzulässigkeit der Realteilung jedoch ohne nähere Prüfung ausgehend BT-Drucks. 7/4361, 8. 39; aufgeschlossener aber BVerfG, FamRZ 1983, 8. 343. 60 Vgl. Lang (Anm. 5), FamRZ 1984, 8. 318 u. Hinw. auf W. Morawietz, Die Bewertung t eildynamischer Betriebsrentenanwartschaften im Versorgungsausgleich, 1981, sowie Löffter/Teurer, FamRZ 1981, 8. 8.

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b) Erforderlichkeit späterer Korrekturmöglichkeiten wegen subjektiv- und objektivrechtlich bedingter Änderungen (1) Zwei Regelungsaufgaben, miteinander zusammenhängend, aber keineswegs deckungsgleich, sind hinsichtlich der zeitlichen Determinanten des Versorgungsausgleichs zu bewältigen: Zum einen ist der für den Erwerb der ausgleichsunterworfenen Versorgungsanrechte maßgebliche Zeitraum bzw. sonstige Kriterien der Aufteilung, festzulegen, zum anderen sind Zeitpunkt und Ausmaß der Bestandskraft der gerichtlichen Ausgleichs~mtscheidung zu bestimmen. Eine der materiellen Rechtskraft fähige Versorgungsausgleichsentscheidung kann im Verbund mit der Scheidung nur getroffen werden, wenn ausschließlich zurückliegende Vorgänge für Art und Umfang des Ausgleichs erheblich sind und zukünftige Versorgungslagen der Geschiedenen ohne Einfluß bleiben. Doch selbst mit oder gerade wegen dieser Begrenzung treffen bei den Problemen der Bestandskraft der gerichtlichen Gestaltungsentscheidungen die Interessen an Rechtssicherheit einerseits und die Interessen an materieller Gerechtigkeit andererseits in scharfer Zuspitzung aufeinander. In der Regel sind im Scheidungs- und Ausgleichszeitpunkt erst Anwartschaften, nicht Versorgungsleistungen aufzuteilen. Die im Ausgleichszeitpunkt vorhandenen Anwartschaften werden unter der Voraussetzung ihres Weiterbestehens und ihres planmäßigen, voraussehbaren Anwachsens geteilt61 • Hierfür aber besteht aus vielerlei persönlichen, wirtschaftlichen und vor allem auch objektiv-rechtlichen Gründen keine Gewähr. In Anbetracht sowohl der subjektiv-rechtlich begründeten Entwicklungsunsicherheiten wie auch der sprichwörtlichen Dynamik und Wandelbarkeit unseres objektiven Sozialrechts62 werden stets in gewissem Umfang ungelegte Eier verteilt. Hierzu nur einige Beispiele63 : (2) Auch zunächst unverfallbar erworbene Anwartschaften können wieder verlorengehen, etwa weil der Inhaber aus seinem Beamtenverhältnis ausscheidet und seine besseren beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften gegen die weniger wertvollen Versorgungsanwart-

BT-Drucks. 7 I 4361, S. 36. Über die gängigen Feststellungen hinaus auch sozialpsychologische Hintergründe des unstillbaren Gestaltungsverlangens aufhellend H. F. Zacher, Was können wir über das Sozialstaatsprinzip wissen?, FS P. Ipsen, 1977, S. 207, 231 ff.; ders., Sozialstaat und Recht. Grundlagen - Entwicklungen Krise, VSSR 1983, S. 127 ff.; F. Tenbruck, Kritik der planenden Vernunft, 61

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1972.

63 Eingehend zur gesamten Änderungsproblematik L. Bergner, Versorgungsausgleich und Berücksichtigung veränderter Verhältnisse, Diss. München 1981; K . Maier!T. Herrmann, Die Korrektur des Versorgungsausgleichs, NJW 1980, S. 11 ff.

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schaften der gesetzlichen Rentenversicherung kraft Nachversicherung eintauschen muß 6\ oder weil ihm als Arbeitnehmer seine zeitmäßig unverfallbar gewordenen Anrechte auf betriebliche Versorgungsleistungen wegen grober arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen wieder entzogen werden65 • (3) Von ungleich größerer Breitenwirkung sind sodann Änderungen des objektiven Rechts. Innerhalb der jahrzehntelangen Zeitspanne, in der sich das Versorgungsvermögen bildet, unterliegen die Rechtsgrundlagen - staatliche Gesetze und Verordnungen, Satzungen, berufsständische und betriebliche Versorgungsordnungen u. a. m. - so mannigfaltigen Veränderungen, daß schließlich Tatbestände von Ersatzund Ausfallzeiten, freiwilligen Beitragsleistungen, der Zugehörigkeit zu mehreren Versorgungssystemen, ja der Versicherungsfälle selbst u. v. a. m. gravierend andere Rechtsfolgen auslösen, als ihnen zur Zeit des Geschehens zugeordnet waren68 • So können beispielsweise aufgrund der Anrechnungsvorschriften für beitragslose Versicherungszeiten die Anrechnungsvoraussetzungen, insbesondere die sog. Halbbelegung für die Ausfallzeit (§ 1259 111 RVO, § 36 111 A VG) später wieder entfallen und somit dem vollzogenen Ausgleich nachträglich den inneren Rechtsgrund entziehen. Auch die neuerliche Änderung des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung, die den Nichterwerbstätigen die Erlangung einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente versperrt oder erschwert67 , erzeugt einen weiteren recht originellen Typ von Anpassungsproblem: Durch diese Reduktion der Versicherungs- und Leistungsfälle bei Nichterwerbstätigen büßen deren Anwartschaften, ursprünglich eigene wie übertragene, ca. 30 °/o ihres Wertes ein68 • (Eine Überlegung dazu am Rande: Möglicherweise wäre diese Wertverschiebung dadurch ins Lot zu bringen, daß man gegen den Wertverlust infolge des Subjektwechsels (pauschalierend) "aufrechnet" mit dem bei Nichterwerbstätigen aufgrund höherer Lebenserwartung längeren Leistungsanfall im Alter.) Der Gesamttendenz des Sinkens des Sozialleistungsniveaus nach dürfte es sich bis auf weiteres um Veränderungen handeln, die die Position des Ausgleichspflichtigen nachträglich verschlechtern. Auch zwei der gegenwärtig diskutierten Reformvorhaben würden sich spürbar nachteilig für ihn auswirken: Die Anrechnung von betrieblichen 64 Hierzu allerdings ausdrückliche Regelungen in § 1402 VIII RVO I § 124 VIII AVG; den Ausgleichsüberschuß trägt der Dienstherr; kritisch dazu: Bergner (Anm. 63), S. 56 f. 65 BAG, DB 1980, S. 500; BAG, DB 1980, S. 2143. 66 Vgl. Bergner (Anm. 63), S. 210, 45 ff. Zur Relevanz der Änderung von § 10 II BeamtenVG: s. Lang (Anm. 5), FamRZ 1984, dort Fn. 25. 67 Neufassung der §§ 1246, 1247 RVO I§§ 23, 24 AVG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 v. 22. 12. 1983, BGBl. I, S. 1532. 68 Vgl. Lang (Anm. 5), FamRZ 1984, S. 319.

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Versorgungsleistungen auf die der gesetzlichen Rentenversicherung, und die rentenversicherungsrechtliche Gutschrift von Kinderbetreuungsjahren für die nichterwerbstätigen Mütter69 • (4) Zudem schwebt über aller legislativen Ordnung das Damoklesschwert der verfassungsgerichtlichen Beanstandung, eine um so dringendere Gefahr, je bewegter und sprunghafter sich die normativen und faktischen Grundlagen des Sozialrechts wandeln70 • Aufgrund von Eigentumsgarantie, Sozialstaatsprinzip und rechtsstaatlichem Vertrauensschutzprinzip wird die Gesetzgebung im Sozialrecht allerdings generell nicht sonderlich eingeengt. Trotz nunmehr grundsätzlicher Unterstellung der Rentenansprüche und -anwartschaften unter die Eigentumsgarantie (Art. 14 I GG) beläßt das Bundesverfassungsgericht der Gesetzgebung einen weiten Spielraum insbesondere für solche Regelungen, die der Aufrechterhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems und seiner Anpassung an veränderte wirtschaftliche Bedingungen dienen71 • Die Umverteilung von Versorgungsvermögen zur Abwicklung des Privatrechtsverhältnisses Ehe wird jedoch an einem strengeren Maßstab gemessen. So mußten noch an einer weiteren Stelle schon kraft verfassungsgerichtlichen Verdikts Abstriche vom ursprünglichen Scheidungsleitbild einer strikten Trennung der Versorgungsschicksale der Geschiedenen gemacht werden: Die ausgleichsbedingten Kürzungswirkungen treten nicht mehr ein, wenn die übertragenen Anwartschaften beim Empfänger wegen seines frühen Todes zu keinem oder nur zu einem kurzzeitigen (d. h. weniger als zweijährigem) Leistungsbezug führten (§ 4 VAHRGr2 • Es konnten also die Logik des Versicherungsprinzips und die Teleologik des Eigenständigkeits- und Trennungsanliegens die Rebellion des Rechtsgefühls gegen derart "zweckverfehlende Enteignungen" von persönlich verdientem Vorsorgevermögen nicht bezwingen. Aus alledem resultiert ein fortdauerndes Unstimmigkeitsrisiko, das es nicht erlaubt, die bisher schon variantenreich zutagegetretenen Korrekturbedürfnisse als bloße Anfangsschwierigkeiten abzutun. Sich 69 s. nun den Regierungsentwurf (Anm. 6); W. Kannengießer, DAngV 1984, S . 42; B. von MaydeH, DAngV 1984, 8 . 101.; ders., DRV 1984, S. 662 ff.; R. Kolb, DRV 1984, S . 635 ff.; H. Kaltenbach, DAngVers 1984, S. 525 ff.; W. Quartier, DAngVers 1985, S. 1 ff. 70 Weitere Beispiele: BVerfG, NJW 1981, S. 2177 (zu § 1255 IV b RVO I § 32 IV b AVG - Gleichbehandlung der Frauen bei den Durchschnittsverdiensten); dazu F. Ruland, Kein Rechtsstillstand im Bereich des Versorgungsausgleichs, NJW 1982, S. 913; BVerfG, NJW 1984, S . 476, betr. Erhalt der Widerruflichkeit von Ruhegeldzusagen. 7 1 BVerfG, NJW 1980, S. 693. 72 BVerfG, NJW 1980, S. 694 mit dem Auftrag einer Härteregelung; u. a. daraufhin Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich v. 21. 2. 1983 (BGBI. I, S. 105) = VAHRG.

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um spätere Korrekturmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs nicht gekümmert zu haben, ist der Legislative als grobe Überschätzung der eigenen Regelungsmacht vorzuwerfen73• Trotz der ausgefeilten, auch sozialrechtlich detaillierten Regelungstechnik des Versorgungsausgleichs hat man den Eindruck, als sei nur ein Privatrechtsgesetzgeber am Werk gewesen, der sich der Dynamik des Sozialrechts nicht bewußt war. (5) Die Kompliziertheit der Rechtsmaterie, die Vielzahl der relevanten Sachverhaltselemente sowie die soziale und individuelle Bedeutung und Wirkungsdauer der Gestaltungsentscheidung drängen zu einer eher weichen und flexiblen Lösung des Bestandskraftproblems14 • Unter den Gegenargumenten erscheint das des zu befürchtenden Verfahrensaufwandes am wenigsten stichhaltig angesichts der unablässigen und sich teilweise überstürzenden Neuerungen im Sozialrecht und schon dadurch bedingter Verwaltungskosten, in Anbetracht auch des dem nachehelichen Unterhaltsrecht um der Einzelfallgerechtigkeit willen allezeit zugestandenen Verfahrensaufwandes. Wenn es nicht in absehbarer Zeit gelingt, den Versorgungsausgleich insgesamt so zu konstruieren, daß letztendlich nicht lediglich ehemals "wahrscheinlich gewesene", sondern daß nur im Versorgungszeitraum wirksame Anrechte auszugleichen sind, müßte an eine Verfassungswidrigkeit der strengen Unwandelbarkeit wegen unverhältnismäßiger Eigentumsbeeinträchtigung gedacht werden75• Das Recht kann, wie sich besonders am nachehelichen verschuldensunabhängigen Unterhaltsrecht zeigte, das Rechtsgefühl der Bevölkerung kurzfristig doch nur sehr begrenzt umformen. Wenn der Schematismus der Halbteilung aus mancherlei sachlichen Gründen noch einsichtig gemacht werden kann die Unwilligkeit des Rechts, spätere Störungen des Teilungsgleichmaßes (zu Lasten des Ausgleichspflichtigen!) zu beheben, findet auf lange Sicht kein hinreichendes Verständnis mehr.

73 Schwab (Anm. 1), Rz. 481 ("Schwere Nachlässigkeit"); Lang (Anm. 5), FamRZ 1984, S. 319 ("Hybris"). 74 Die Rechtsprechung läßt nur zu, Änderungen zwischen Ende der Ehezeit und gerichtlicher Versorgungsausgleichsentscheidung zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 1984, S. 565; OLG Düsseldorf, FamRZ 1984, S. 595). Darüberhinaus findet selbst bei gesetzlich veranlaßten Korrekturbedürfnissen keine Korrektur statt: BGH, FamRZ 1982, S. 1003 f.; KG Berlin, FamRZ 1983, S. 286; zulässig ist zwar die Wiederaufnahme gern. §§ 578 ff. ZPO (BGH, NJW 1984, S. 438 = FamRZ 1984, S. 159), die spätere Berichtigung von Auskünften des Rentenversicherungsträgers wird jedoch nicht als Wiederaufnahmegrund anerkannt. - Im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich können nachträgliche Änderungen ohne weiteres berücksichtigt werden, vgl. BGH, FamRZ 1981, S. 856, 861; OLG Koblenz, FamRZ 1983, S. 607. 75 So auch Bergner (Anm. 63), S. 219 ff.; ders., SozVers 1980, S. 199, 203.

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Gemäß dem Eheleitbild einer nivellierenden wirtschaftlichen Solidarität der Ehepartner für die Ehezeit und dem Scheidungsleitbild einer weitgehenden Trennung ihrer Vermögensverhältnisse im Scheidungszeitpunkt mag es zur Not angehen, rein individuell veranlaßte nacheheliche Veränderungen auch nurmehr dem unmittelbar Betroffenen (und gegebenenfalls seinem neuen Ehepartner) zuzurechnen, obwohl auch dies wegen der mittelbaren Einschränkung der Handlungsfreiheit sehr bedenklich ist, keinesfalls aber dürfen die objektiv-rechtlich begründeten Veränderungen des ehezeitbezogenen Versorgungszuwachses ebenso pauschalierend vernachlässigt werden. Sicher wäre ein ständiger Gleichschritt von Änderung und Anpassung zu aufwendig und in der Breitenwirkung vermutlich sogar ineffektiv, da er den Betroffenen selbst lästig fiele; eine Art "Endkontrolle" im Leistungszeitpunkt müßte jedoch mindestens zugelassen werden. Allerdings ebnet die Fülle der mittlerweile bewußt gewordenen, prinzipiell nicht ausschaltbaren Fehlerquellen und Unsicherheiten einer wesentlichen Umgestaltung des Versorgungsausgleichs in Richtung der Auflösung des Entscheidungsverbundes und des Aufschubs bis zum Versorgungsfall den Weg78 • Entschließt man sich hierzu, so sollte in der Euphorie der Befreiung vom Ballast der Anpassungs- und Änderungsprobleme nicht vergessen werden, wieviel an Rechtssicherheit und durchaus auch an materieller Gerechtigkeit man mit abwirft77• Der Versuch, davon Wesentliches zu bewahren, verlohnte die Mühe. Durch gewisse Vorkehrungen im Scheidungszeitpunkt könnte der spätere Versorgungsausgleich organisatorisch, verfahrensmäßig und auch sachlich summarisch schon vorbereitet werden. c) Fragwürdigkeit der Berücksichtigung nachehelichen Vorsorgebedarfs Darüber hinaus aber droht die Aushöhlung des Trennungsprinzips noch weiter fortzuschreiten: Im rechtspolitischen Raum wird bereits ernsthaft darüber diskutiert, ob neben dem verfahrensmäßigen Entscheidungsverbund nicht auch die materiell-rechtliche Beschränkung der Ausgleichsmasse auf die in der Ehezeit tatsächlich angewachsenen Vorsorgegüter fallengelassen werden sollte. Es erscheint manchen gerechter, auch den weiteren nachehelichen Verlauf der sozialen Biographien der geschiedenen Partner bei einem späteren Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, also auch Art und Ausmaß ihrer nach der Ehe erworAuch zu finanziellen Gründen Lang (Anm. 5), FamRZ 1984, S. 317 ff. die Auflösung des Entscheidungsverbundes: Deutscher Familiengerichtstag, FamRZ 1984, S. 456; Ruland in diesem Band. 11 So dürfte es dann wohl zuweilen dem Sozialhilfeträger zufallen, "alte" Versorgungsausgleichsrechte zu aktivieren. 78

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benen Versorgungsanrechte sowie ihre Angewiesenheit auf eine Teilhabe an dem Vorsorgevermögen des früheren Ehepartners. So lassen wiederum besonders gelagerte Fälle den Eindruck einer gewissen Zweckverfehlung des Versorgungsausgleichs entstehen, weil der abgebende Partner im Hinblick auf seine Gesamtversorgungslage mehr verloren hat, als der empfangende Partner zu seiner Versorgung nötig hat. Solche Situationen ergeben sich beispielsweise bei frühzeitigem Eintritt des Versorgungsfalles beim Ausgleichsbelasteten, der dann auch wegen des Versorgungsausgleichs geringe Leistungen erhält und die Versorgungslücke nicht mehr auffüllen kann, während sich der Ausgleichsempfänger noch einen stattlichen nachehelichen Versorgungszuwachs schaffen kann78 • Verständlicherweise stoßen sich patriarchalische Vorstellungen besonders an Diskrepanzen dieser Art, wenn die "Überversorgung" des einstigen Ausgleichsempfängers auf einer späteren Ehe beruht. Aber speziell in solchen Konstellationen erweist sich nicht der Versorgungsausgleich als zu "progressiv", sondern das Hinterbliebenenversorgungsrecht als rückständig. Der Erwerb der vollen Hinterbliebenenversorgung mit der bloßen Eheschließung ist ein Anachronismus. Es wäre längst an der Zeit, die Rentenleistungen an Witwe bzw. Witwer in eine angemessene Relation zur Dauer der Ehe (und/oder anderen "leistungsbezogenen" Kriterien) zu bringen79 • Ohne dies stellt sich die Ehe weiter im pejorativen Sinn als "Versorgungsinstitut" dar. Solange eine annähernde "Synchronisation" der Vorsorgewirkung von Erwerbs- und Familienarbeit auch ungeschiedener Ehen nicht stattfindet, werden die verschiedenen Bauelemente sich nicht zu einem harmonischen Gebäude zusammenfügen. Setzte die Mängelbeseitigung nur am Versorgungsausgleich an, so ist vor mehr als Abmilderungen im Härteklauselmaßstab 80 (eventuell auch der Einführung gewisser Schwellenwerte) zu warnen, zum einen wegen der unentwirrbaren Bewertungsschwierigkeiten, zum anderen wegen unerwünschter Auswirkungen auf das versorgungsrelevante Verhalten der Ausgleichsempfänger(-innen). Denn vermutlich gingen von einer ausgleichsmindemden Berücksichtigung nachehelicher Erwerbstätigkeit oder von Unterhaltsansprüchen aufgrund einer späteren Ehe die trefflichsten Anreize zur Eingehung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und zur Zurückhaltung im Erwerbsleben aus. Mit der neuerlichen VerVgl. den Fall BGH, FamRZ 1982, S. 36. Ansätze hierzu in der "großen" und "kleinen" Witwenrente, § 1268 RVO I § 45 AVG und § 20 BeamtenVG; die Anspruchsvoraussetzung der 3monatigen Ehedauer (§§ 19, 27 BeamtenVG) kann nur Manipulationen verhindern. Eine "ehrliche Teilung" erzwang auch die Geschiedenenwitwenrente. 80 In dieser Richtung BGH, FamRZ 1982, S. 36 (Dienstunfähigkeit des Beamten vor Eheende); dazu Hahne/Glockner, FamRZ 1982, S. 561 ; auch Ruland/Tiemann (Anm. 46), Rz. 634 m. Nachw. 78 79

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knüpfung der nachehelichen Versorgungsschicksale näherte man sich wieder unterhaltsrechtlichen Kategorien, die abgesehen von ihrer fragwürdigen sachlichen Angemessenheit den Betroffenen auch noch jede Vorausplanung erschweren. Der Wert der Familienarbeit für die soziale Sicherheit des Tätigen fiele wieder weit hinter den der Erwerbsarbeit zurück. 3. Inlandsrechtliche Gesamtbeurteilung

Trotz nicht weniger mittlerweile zutagegetretener Mängel und beträchtlicher Opfer an Einzelfallgerechtigkeit fällt eine überschlägige Gesamtwürdigung des Versorgungsausgleichs deutscher Prägung positiv aus, ist er als deutlicher sozialer Fortschritt gegenüber der nachehelichen Unterhaltsabhängigkeit und -Unsicherheit zu bewerten. Wie bei allen menschlichen und rechtlichen Einrichtungen ist auch beim Versorgungsausgleich neben den beabsichtigten Wirkungen mit ungewollten, ja sogar zweckwidrigen Folgen zu rechnen. So mögen die gegenwärtig zu beobachtende "Flucht aus der Ehe" (insbesondere vieler Frauen) und die "Flucht vor der Ehe" 81 ihre Gründe auch in de:n vorteilhaften bzw. belastenden Regelungen der vermögensmäßigen Scheidungsfolgen haben. Neben dem nachehelichen Unterhaltsrecht könnte auch durchaus der Versorgungsausgleich scheidungsfördernd bzw. ehehindernd wirken. Selbst wenn hierfür Beweise vorlägen82, wäre es aber verfehlt, solchen Entwicklungen etwa mit einer restriktiven Anwendung des Versorgungsausgleichs gegensteuern zu wollen. Damit würde aufs große Ganze gesehen nur an Einzelsymptomen kuriert, die ärgsten Gerechtigkeitsmängel aber nicht geheilt; hierzu müßte der Gesetzgebungsweg beschritten werden, in Teilbereichen könnte auch wohl durch verfassungsgerichtliche Kontrolle und Korrektur Abhilfe geschaffen werden. Ansonsten ist der Rechtsstab zu loyalem Vollzug und systemkonsequenter Fortentwicklung der Versorgungsausgleichsordnung in "denkendem Gehorsam" verpflichtet. Die Mängel, die Anlaß zur Unzufriedenheit mit der Versorgungsausgleichsordnung geben, beruhen zu einem wesentlichen Teil auf einer allzu engen Anlehnung an das eheliche Güterrecht und die Möglichkeiten der Auseinandersetzung einer Zugewinngemeinschaft. Doch selbst mit der Transferhilfe von Familiengericht und gesetzlicher Rentenversicherung kann Vorsorgevermögen nicht in Entsprechung zu frei 81 Einer merklichen Abnahme der Eheschließungen steht eine Zunahme der Ehescheidungen gegenüber, vgl. Statistisches Jahrbuch 1983, S. 70 ff.: Nach 26 und mehr Ehejahren wurden im Jahr 1981 34 349 Ehen auf Antrag des Mannes, hingegen 65 067 Ehen auf Antrag der Frau geschieden. 82 Dazu M. Wingen, FamRZ 1981, S. 331; D. Henrich, FS Beitzke, 1979, S. 507; empirische Daten und Erklärungsansätze bei N.\eyer/Schulze (Anm. 35), S. 735.

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verfügbarem und werttransparentem Privatvermögen aufgeteilt werden. Die gesetzliche Regelung des Versorgungsausgleichs, zumal in der Erstfassung vor verfassungsgerichtlichen Beanstandungen und Erlaß des Härteregelungsgesetzes, ist allzu starr auf folgende zum Teil gegenläufige Zielvorstellungen ausgerichtet: vollständige Erfassung aller Vorsorgegüter und wertmäßig gerraue Halbteilung, strenger Ehezeitbezug der ausgleichserheblichen Erwerbsvorgänge, optimale Vorsorgequalität für den Ausgleichsempfänger und vor allem Unwandelbarkeit der im Scheidungszeitpunkt vorgenommenen Aufteilung. Hiervon sind um der materiellen Gerechtigkeit willen gewisse Abstriche zu machen, da der Versorgungswert von Anwartschaften im Scheidungszeitpunkt nicht gerrau errechenbar ist, nicht über Jahrzehnte stabil bleibt und den Subjektwechsel nicht neutral übersteht. Zweckmäßig erscheint daher die Schaffung größerer Spielräume für privatautonome Regelungen der Betroffenen und für familienrichterliche Gestaltungen, unerläßlich die letztendliche Maßgeblichkeit des effektiven Vorsorgewertes. Der Gesetzgeber muß jedoch beachten, daß Ehe- und Familienschutz nicht einseitig auf Kosten der Gleichberechtigung und der Ehefreiheit der nicht erwerbstätigen Partner betrieben werden darf. Dies ist vor allem zu bedenken, wenn der Versorgungsausgleich völlig aus dem Entscheidungsverbund gelöst und nicht mehr allein aufgrund ehezeitbezogener Faktoren bemessen werden sollte.

IV. Problemaspekte bei Auslandsbezug des Versorgungsausgleichs 1. Haupttypen der Auslandsberührung

Das ohnehin schwierige Recht des Versorgungsausgleichs kompliziert sich noch beträchtlich in Fällen mit Auslandsberührung83 • Unsicherheiten über das "Ob" und "Wie" eines Versorgungsausgleichs treten in zwei Hauptfennen des Auslandsbezuges auf, einem gegenständlich (1) und einem primär personell (2) bedingten: (1) Deutsche Ehegatten haben, ausschließlich oder unter anderem, Versorgungsanrechte bei einem ausländischen Versorgungsträger erworben. (2) Einer oder beide Ehegatten haben eine ausländische Staatsangehörigkeit; es ergeben sich die Konstellationen der deutsch-ausländischen Ehe, der gemischtnationalen und der gleichnationalen Ausländerehe. 83 Monographisch dazu nun C. Nolte-Schwarting, Der Versorgungsausgleich in Fällen mit Auslandsberührung, 1984.

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Im geltenden Gesetzesrecht sind weder für den gegenständlichen noch für den persönlichen Auslandsbezug ausdruckliehe Sach- bzw. Kollisionsregelungen enthalten; auch zwischenstaatliche Abkommen nahmen sich dieser Fragen bisher nicht an84• Der Regierungsentwurf zum Internationalen Privatrecht von 198385 überrascht allerdings mit einer denkbar weit ausgreifenden, ja fast "versorgungsimperialistisch" anmutenden Erstreckung des deutschen Versorgungsausgleichsrechts (Art. 17 EGBGB-E): Nicht nur - zu Gunsten und zu Lasten - eines jeden deutschen Ehegatten sollen deutsche Scheidungsfolgen einschließlich des Versorgungsausgleichs maßgebend sein, sondern auch jede noch so geringe in Deutschland "belegene" Anwartschaft soll genügen, um selbst zwischen ausländischen Partnern gleicher Nationalität auf Antrag eines von ihnen den umfassenden Versorgungsausgleich nach deutschem Recht durchzuführen86• Die kollisionsrechtliche, über einige Jahre sehr engagiert und kontrovers geführte Diskussion kann hier weniger noch als die Inlandsproblematik breit aufgerollt werden; der einleitenden Themenstellung entsprechend wird nur selektiv nach gewissen Grundlinien und Marksteinen Ausschau gehalten, die für die weiteren kollisionsrechtlichen Überlegungen beachtlich erscheinen. Die infolge gegenständlichen oder personalen Auslandsbezugs mit einem Versorgungsausgleich verbundenen Komplikationen zu überwinden und Vorschläge mit möglicherweise deutlichen Mängeln, aber als "kleinere Übel" zu akzeptieren, gelingt wohl nur auf der Basis einer wenigstens im Grundsätzlichen positiven Einstellung gegenüber dem Versorgungsausgleich (s. o.l., 111.), sind doch in diesem Bereich in Fülle plausible Argumente zur Hand, die es erlauben, größere Personengruppen bei uns ansässiger Ausländer oder wesentliche Teile eines Vorsorgevermögens "vom Versorgungsausgleich zu verschonen". 2. Zur gegenständlirhen Erstreckung des Versorgungsausgleirhs auf Auslandsanwartschaften

Der Erwerb ausländischer Vorsorgegüter vollzieht sich materiell und formell nach anderen Gesetzen, und die Versorgungsträger sind deutschen Familiengerichten nicht zur Auskunft verpflichtet. Es liegt daher 84 D. Gobbers, Gestaltungsgrundsätze des zwischenstaatlichen und überstaatlichen Sozialversicherungsrechts, 1980; besprochen von E. Eichenhofer, SGb 1984, S. 41. 85 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks.10/504, Art.17; über die Reformdiskussion und die verschiedenen Entwürfe MünchKomm- Sonnenberger, Einl. EGBGB Rz. 491 ff.; Staudinger/von Bar, Vorbem. zu Art. 13 EGBGB Rz. 162. 88 In Anbetracht dessen erscheint die gängige Ausdrucksweise vom "Heimwärtsstreben" einer Rechtsordnung (vgl. Staudinger/von Bar, Vorbem. Art.13 EGBGB Rz. 169) als euphemistische Verniedlichung.

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auf der Hand, daß die für den deutschen Versorgungsausgleich erforderlichen ehezeitbezogenen Feststellungen und Bewertungen bei ausländischen Anwartschaften häufig nicht real und exakt, sondern bis zu einem gewissen Grade allenfalls fiktiv und somit nur mehr schwach normativ fundiert getroffen werden können87 • Zudem sind die öffentlich-rechtlichen Ausgleichsformen allein aufgrundinnerdeutschen Rechts ohne international-vertragsrechtliche Hilfe nicht vollziehbar. Trotzdem sollte die grundsätzliche Aufgeschlossenheit für rechtsstaatlich und vorsorgefunktional nicht ganz vollwertige Problemlösungen nicht schwer fallen, bedenkt man, daß die Entscheidungsalternative hinsichtlich der ausländischen Versorgungsanrechte ja nicht lautet: -

-

Durchführung eines Versorgungsausgleichs entweder in gleicher Präzision wie bei reinen Inlandssachverhalten oder mit erheblich minderer Präzision, sondern: Durchführung des Versorgungsausgleichs entweder mit den nicht genau ermittelbaren Auslandsanrechten oder völlig ohne sie.

Die totale Nichtberücksichtigung ausländischer Anwartschaften aber würde den Inhaber deutscher Anwartschaften klar benachteiligen. Somit weisen das unser Versorgungsausgleichsrecht prägende Anliegen der möglichst vollständigen Erfassung des Vorsorgevermögens sowie der Gleichheitssatz, das Familienschutzgebot und das Sozialstaatsprinzip wohl deutlich zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten auf Seitenwege, etwa den Weg der schätzungsweisen Ermittlung und Bewertung von Auslandsanwartschaften oder der großzügig beurteilten und sogar gerichtlich anempfohlenen privatautonomen Regelung, ferner des Härteklauselgebrauchs u . dgl. m.88 • Zudem wurde der Auffangtatbestand unter den Bewertungsvorschriften, § 1587 a Abs. 5 BGB, auch im Hinblick auf die Vielfalt unterschiedlicher Versorgungsanrechte im internationalen Bereich eingeführt89 • Was die spannungsreichen Unterschiede der zeitlichen Komponenten der Vorsorgeanrechte anbelangt, so darf man eine "Ermächtigung" zu etwas freierer Rechtsfindung auch daraus entnehmen, daß schon die 87 In der Literatur wurden besonders beleuchtet die Schwierigkeiten mit den zeitlich anders strukturierten Österreichischen Pensionsanwartschaften: E. Jayme, Ver sorgungsausgleich und internationales Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung der deutsch-österreichischen Scheidungsfälle, ZfRV 1980, 8.175 ff.; Bergner, IPRax 1981, 8.128 f.; ders. in diesem Band; SonnenbergeT, IPRax 1981, S. 51 ff. 88 Vgl. auch Bürgle und Bergner, IPRax 1981, S. 126, 128; sehr restriktiv dagegen bei Unsicherheit Sonnenberger, IPRax 1981, S. 207 f., jedoch für den Einsatz privatautonomer Regelungen nach § 1587 o BGB, IPRax 1981, S. 52; Nolte-Schwarting (Anm. 83), S. 185 ff. 89 BT-Drucks. 7 I 4361, S. 40.

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innerdeutschen Beamtenanrechte und alle sonstigen zeitlich nicht linear anwachsenden Versorgungspositionen durch ausdrückliche Vorschrift begradigt und in das Schema eingepaßt werden (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 1, 3 u. 4 b BGB). Auch mit den Problemen der Dynamisierung ist ja ebenfalls nur auf solche ziemlich grob typisierende Weise fertig zu werden90 • Zu erinnern ist schließlich daran, daß im letztendlichen Leistungsergebnis das einstige Gleichgewicht durch die (noch) unterschiedlichen Besteuerungsbestimmungen abermals verschoben werden kann. Je "entfernter" das zu berücksichtigende ausländische Vorsorgerecht dem unsrigen liegt und je seltener es von deutschen Familiengerichten anzuwenden ist, desto unsicherheitsträchtiger wird zwangsläufig seine Anwendung. Die Entscheidungen des Familiengerichts mögen in die Richtigkeitszene von Vergleichen herabsinken, doch spielen diese immerhin im funktionsverwandten familiären Unterhaltsrecht eine hervorragende Rolle, wie überhaupt gerade dieses Rechtsgebiet mit seiner Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe (z. B. angemessener Lebensbedarf, Lebensstellung u. v. a.) fast durchgängig den "Richter als Politiker und Gesetzgeber" fordert 91 • Diesen Richtertyp aus dem Versorgungsausgleichsrecht völlig fernhalten zu wollen, bestätigte einmal mehr den beträchtlichen Wahrheitsgehalt des Aphorismus, die Jurisprudenz verberge die Unlogik ihrer Entscheidungen, indem sie sie auf kleine Schritte verteile 92 • Die Leistungsfähigkeit unserer Amtsgerichte brauchte ebensowenig wie in sonstigen Fällen mit Auslandsberührung schon die Grenze der Berücksichtigung ausländischen materiellen Privat- oder Sozialrechts zu markieren. Die vorhandenen und etwa noch auszubauenden deutschen Einrichtungen, die sich mit dem ausländischen und zwischenstaatlichen Sozialrecht befassen, dürften zumindest in der Lage sein, ausländisches öffentliches Versorgungsrecht zu ermitteln und gegebenenfalls auch Vorschläge zur Integration deutschen und ausländischen Versorgungsrechts zu unterbreiten. Doch auch wenn man die Auffassung teilt, daß Scheidungsfälle mit Auslandsbezug nicht prinzipiell einen geringeren Einsatz rechtswissenschaftlicher Ressourcen rechtfertigen als etwa Erbfälle mit Auslandsbezug, so unterscheiden sich die Probleme doch noch in dem wesentlichen Punkt darin, daß in Versorgungsausgleichsfällen regelmäßig nicht ohne die Hilfe der ausländischen Behör90

s. o. III. 1., 2.

Zu dieser Problematik kritisch J. Gernhuber, Der Richter und das Unterhaltsrecht, FamRZ 1983, S. 1069; G. Walter, Grundsätze des Unterhaltsrechts in der Ausgestaltung durch die Rechtsprechung, NJW 1984, S. 257; unterhaltsrechtliche Leitlinien der Oberlandesgerichte - Gesamtüberblick (Stand 91

1. 1. 1984), NJW 1984, S. 278. 92 N. Luhmann, Funktionale Methode und juristische Entscheidung, AöR 94 (1969), s. 19. 6 Versorgungsausgleich

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den und Versorgungsträger die Versorgungsrechtslage des Einzelfalles zu ermitteln ist. Diese Unterstützung könnte verläßlich nur mit Hilfe zwischenstaatlicher Verträge beschafft werden. Fehlerrisiken und Veränderungsdruck sind in Auslandsfällen eher höher zu veranschlagen als bei reinen Inlandsfällen. Doch wird das derzeit noch festgehaltene Prinzip der Unwandelbarkeit des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs über kurz oder lang wohl ohnehin auf die eine oder andere Weise aufgelockert werden müssen (s.o. 111. 2.). Schon jetzt aber können in Auslandsfällen wegen des notgedrungen größeren Anwendungsbereiches des schuldrechtlichen Ausgleichs Veränderungsbedürfnisse weitgehend befriedigt werden. Somit hat sich zu Recht dem Grundsatz nach die Auffassung durchgesetzt, daß die bei ausländischen Versorgungsträgern erworbenen Anwartschaften deutscher Eheleute in den Versorgungsausgleich nach deutschem Recht einzubeziehen sind93, sei es wenigstens als Anrechnungsposten bzw. als Grundlage für einen schuldrechtlichen Ausgleich oder eine Vertragsregelung. Nun kann man allerdings nicht generelle Toleranzgrenzen dafür festlegen, innerhalb deren die Berücksichtigung ausländischer Vorsorgegüter mit den subsidiären und zweitrangigen Mitteln der deutschen Versorgungsausgleichsordnung und etwaiger "lockerer" Fortbildungen noch als rechtlich gesteuertes Verfahren gelten kann und außerhalb deren ein solches Vorgehen bereits als Willkür zu brandmarken ist. Auf längere Sicht und in größerem Rahmen dürften allerdings stimmige Lösungen nur im Zusammenspiel der in- und ausländischen Entscheidungs- und Versorgungsträger aufgrundzwischenstaatlichen Rechts erzielt werden können. 3. Personaler Auslandsbezug und sozialrechtliche Sonderanknüpfung des Versorgungsausgleichs

a) Anknüpfungspalette de lege lata Sobald einer der Ehegatten nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, bereitet nicht in erster Linie das "Wie", sondern das "Ob" eines Versorgungsausgleichs Kopfzerbrechen. Die Lösung ist zunächst unter den eherechtliehen Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts 93 H. Bürgle, Zum Versorgungsausgleich bei Scheidungen mit Auslandsberührung, FamRZ 1978, S. 388; ders., IPRax 1981, 8.126; BGH, NJW 1980, S. 47; MünchKomm- Maier, § 1587 a Rz. 226; Palandt!Diederichsen, § 1587 Anm. 2 a; SonnenbergeT (Anm. 43), FS Beitzke, S. 755; Jayme, ZfRV 1980, S. 185 ff.; Bergner, IPRax 1981, S. 128; ders., IPRax 1982, S. 231; B. Monot, Der Versorgungsausgleich bei Scheidungen mit Auslandsberührung, dargestellt am deutsch-schweizerischen R echt, Diss. Göttingen 1981, S. 67 ff.; NolteSchwarting (Anm. 83), S. 185 ff. jew. m. w. Nachw.

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zu suchen (Art. 13-17 EGBGB). Hier ist jedoch noch nirgends vom Versorgungsausgleich die Rede. Dies hat eine nach Ergebnissen und Argumenten breit gefächerte Auseinandersetzung um die richtige international-privatrechtliche Anknüpfung des Versorgungsausgleichs ausgelöst. Sämtliche denkbaren Qualifikationsmöglichkeiten der Art. 14 bis 17 EGBGB - allgemeine Ehewirkungen, Ehegüterrecht, Scheidungsvoraussetzungen und Scheidungsfolgen - fanden ihre Befürworter94 : Mit dem Spruch des BGH zugunsten der Qualifikation des Versorgungsausgleichs als Scheidungsfolge95 könnte nun causa finita sein, wenn nicht die anstehende Neuordnung des Internationalen Privatrechts erneute Bemühungen herausforderte, durch genuin rechtswissenschaftliehe und kollisionsdogmatische Argumente die Anknüpfungsfragen in eine bestimmte Bahn zu lenken und den Gestaltungsspielraum des !PR-Gesetzgebers systembedingt zu verengen. Zunächst in Stichworten die Lösungen aufgrund des noch geltenden Art. 17 EGBGB und von Art. 3 GG: Auf ausländische Eheleute gleicher Nationalität findet nur ihr gemeinsames Heimatrecht Anwendung. Für deutsch-ausländische Ehen ist für die Scheidungsfolgen samt Versorgungsausgleich immer deutsches Recht maßgeblich96• Ausländische Eheleute verschiedener Nationalität sind zwar nach deutschem Recht zu scheiden, wenn Deutschland ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war, aber die Durchführung eines Versorgungsausgleichs wird von der h. M. abgelehnt, weil ihn i. d. R. keines der Heimatrechte kennt97 • Das Vorliegen inländischer Anwartschaften als solches öffnet de lege lata keinen Weg zum Versorgungsausgleich98• Dies soll sich nach dem Regierungsentwurf zum Internationalen Privatrecht von 1983 ändern (s. o. 1.). 94 Zu dieser Diskussion besonders Jayme (Anm.12), NJW 1978, S. 2417; Bürgte, FamRZ 1978, S. 388 ff.; Sonnenherger (Anm. 43), FS Beitzke, S. 739 ff.; M. K. Wolff, Versorgungsausgleich im deutschen IPR, RabelsZ 43 (1979), S. 721 ff.; Plagemann/Plagemann (Anm. 41), NJW 1977, S. 1989; K. Firsching, Anm. OLG München, FamRZ 1978, S. 903; Staudinger/von Bar, Art. 17 Rz. 153 ff.; eingehend nun auch Nolte-Schwarting (Anm. 83). 95 BGHZ 75, S. 241 = NJW 1980, S. 47 m. Anm. Kropholler = FamRZ 1980, S. 29; BGH, NJW 1982, S. 520. Heldrich (Anm. 9), FamRZ 1983, S.1079 ff.; BGH, NJW 1983, S. 1979 = JZ 1984, S. 139 m. Anm. v. Lüderitz, C. von Bar, Neue Rechtsprechung zum Kollisionsrecht (Teil II), JZ 1984, S. 177. 98 Bei Beteiligung auch nur eines deutschen Partners findet schon jetzt ohne Rücksicht darauf, wer den Scheidungsantrag gestellt hat, immer ein Versorgungsausgleich statt (Art.17 III EGBGB): BGH, NJW 1980, S. 47; BGH, NJW 1983, S . 1259, 1970; grundlegend hierfür ist, daß der Versorgungsausgleich als Scheidungsfolge qualifiziert wird und somit dem Scheidungsstatut unterfällt; s. Nachw. Anm. 95, 96. 97 BGH, NJW 1983, S. 1259; C. von Bar, IPRax 1984, S. 9; Stauding er/von Bar, Art. 17 Rz. 140 ff. zum Meinungsstand, aber mit Bedenken gegen die h. M.; s. auch Argumente unten, b). 98 Eine Sonderanknüpfung des Versorgungsausgleichs wird nach geltendem IPR abgelehnt, auch OLG Stuttgart, FamRZ 1980, S. 783; OLG Frankfurt, FamRZ 1983, S. 728 f. dem BGH im Interesse einer bundeseinheitlichen Hand-

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Gegen den Versuch, den Versorgungsausgleich systemrein anhand der durch das deutsche Sachrecht vorgeformten klassifikatorischen Systembegriffe - allgemeine Ehewirkungen, Ehegüterrecht, Scheidungsvoraussetzungen und Scheidungsfolgen - zu qualifizieren, sei es auch einem Außenseiter gestattet, Skepsis anzumelden. Denn wie man es dreht und wendet, es läßt sich zwar eine ordnungsbegriffliche, nicht aber eine sich damit voll deckende funktionale Einordnung des Versorgungsausgleichs unter eine der vorhandenen Kategorien vornehmen. Mit gleichsam "vorpositiver" Eindeutigkeit eignet dem Versorgungsausgleich nur sein vermögensrechtlicher Charakter, ansonsten aber weist er in Voraussetzungen, Zielsetzung und Durchführungsweisen Gemeinsamkeiten mit allen drei Systembegriffen auf99 • So ist er ohne jeden Zweifel "Scheidungsfolge" insofern, als er nur im Scheidungsfalle stattfindet. Die Risikoereignisse, Alter und Invalidität, für die durch den Versorgungsausgleich vorgesorgt wird, liegen meist in ferner Zukunft der Beteiligten, ihr Eintritt ist ungewiß; mangels anderweitiger Unterhaltssicherung kommen also grundsätzlich nacheheliche Unterhaltsansprüche des bedürftigen Ehegatten in Betracht. Trotz dieses Zusammenhangs mit dem nachehelichen Unterhalt erscheint die Verwandtschaft mit dem ehelichen Unterhalt noch enger, da sämtliche Bemessungsfaktoren des Versorgungsausgleichs (noch) ausschließlich der Ehezeit entnommen werden, so daß den Versorgungsausgleich von einer Qualifikation als ehelicher Unterhalt in Gestalt von Vorsorgeunterhalt nurmehr der rechtstechnische Schritt zur kontinuierlichen Anwartschaftsteilung während der gesamten Ehezeit trennt. Vom Zugewinnausgleich des gesetzlichen Güterstandes aber scheiden den Versorgungsausgleich nur die besonderen öffentlich-rechtlichen Strukturen des Vorsorgevermögens. Dieser systemübergreifende, chamäleonhafte Charakter des Versorgungsausgleichs bildet sich auch deutlich ab in§ 1587 o BGB, der Vorschrift über die familiengerichtliche Inhaltskontrolle privatautonomer Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich, wonach in die Angemessenheitsprüfung auch die Unterhaltsregelung und die Vermögensauseinandersetzung einzubeziehen sind. Es muß hier dahinstehen, ob man aufgrund solcher Überlegungen nicht schon de lege lata besser darauf verzichtet hätte, den Versorgungsausgleich in eine der überkommenen Systemkategorien zu zwängen, um stattdessen eine Lücke im deutschen Kollisionsrecht festzustellen und diese durch eine eigenständige Anknüpfung des Versorgungsaushabung folgend. Für eine Sonderanknüpfung schon de lege Iata H. Göppinger, Vereinbarungen anläßlich der Ehescheidung, 4.Aufl. 1982, S.llOff.; ders., Scheidungs(folgen)statut und Versorgungsausgleich, FamRZ 1983, S. 777 und 820. 99 BT-Drucks. 10/504, S. 50; ähnlich auch Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucks. 10/ 504, S. 99.

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gleichs zu schließen. Die Tendenzen der Neuregelung des internationalen Eherechts gehen nun offenbar auf Einebnung der systembegrifflichen Schranken zwischen allgemeinen Ehewirkungen, Ehegüterrecht und Scheidungsrecht. Angestrebt ist ein möglichst einheitliches Ehestatut, das jedoch aufgrund besonderer Interessenlagen von mehreren Sonderanknüpfungen durchsetzt wird. b) Argumente für eine sozialrechtliche Sonderanknüpfung de lege ferenda (1) Die kollisionsrechtliche Diskussion soll hier nur bezüglich der im Regierungsentwurf von 1983 vorgesehenen sozialrechtlichen Sonderanknüpfung des Versorgungsausgleichs aufgenommen werden. Geradezu als peinlicher deutscher Rechtsoktroi könnte es erscheinen, wenn, wie es der Regierungsentwurf von 1983 vorsieht (Art. 17 III Nr. 2 EGBGB), eine jede in Deutschland erworbene Versorgungsanwartschaft als Auslöser eines vollen Versorgungsausgleiches nach deutschem Recht hinreicht, ungeachtet, daß Scheidung und Scheidungsfolgen im übrigen sich nach dem gemeinsamen Heimatrecht der Beteiligten richten, somit ohne weitere Rücksicht auf die sich nach den vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen des ausländischen Rechts ergebende Gesamtversorgungssituation. Man ist auf den ersten Blick versucht, dies eine krasse Fehlentscheidung zu nennen10ij, zumal für solche Fälle, in denen die inländische Anwartschaft aus einem lediglich kurzzeitigen, peripheren Inlandsbezug des gemeinsamen Lebens resultiert. Von Grenzfällen sollte aber bei der grundsätzlichen Diskussion zunächst abgesehen werden, denn diese sind sowohl im Recht des Versorgungsausgleichs wie auch im Internationalen Privatrecht besonders untauglich, die Reichweite von Regelungen einsichtig zu machen, da hier wie dort schon im Ansatz zu groben Vereinfachungen und der Willkürlichkeit nahekommenden Schematisierungen gegriffen wird101 • Es sollte daher der Blick zunächst auf mengenmäßig typische Fallgestaltungen gerichtet werden: (2) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Gastarbeiterland, in der Millionen von "Ausländern", d. h. de iure Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, de facto aber Mitbürger, die jahrzehntelang und teils schon in zweiter oder dritter Generation bei uns leben, arbeiten und kraft Gesetzes in unser System der sozialen Sicherheit vielfältig gebend und nehmend integriert sind. Auf diese Bevölkerungsgruppen auch die ehe- und scheidungsbedingten Konsequenzen der inländischen 10° Kritisch zum Entwurf auch in diesem Punkt C. von Bar, Der Versorgungsausgleich in der !PR-Reform, IPRax 1984, S. 7, 9; ders., NJW 1983, 8.1929, 1935; E. Lorenz, Die Reform des deutschen IPR, ZRP 1982, S. 148, 152. 101 s. o. II. 3., III.

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sozialen Sicherungssysteme auszudehnen, erscheint zumindest nicht prinzipiell als Fehlgriff102• Über der Einbettung des Versorgungsausgleichs ins Familienrecht und deren internationalprivatrechtliehen Auswirkungen müssen, wie schon betont, nicht zwingend sozialrechtliche Anliegen unbeachtet bleiben. In international-sozialrechtlichen Perspektiven aber stehen ohnehin seit jeher gebietsbezogene Sachverhaltselemente - Beschäftigungsort, Wohnsitz, tatsächlicher und gewöhnlicher Aufenthalt - für die kollisionsrechtliche Bestimmung der Normanwendungsbereiche im Vordergrund; auf etwas unmittelbarere Weise als im herkömmlichen Internationalen Privatrecht werden hier wohl die Zwecke und Funktionen der Sachnormen für die Entscheidung der Sachverhalte mit Auslandsberührung herangezogen103• Die im Inland beschäftigten Ausländer sind aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses Pflichtmitglieder unserer Sozialversicherung. Ihre Beiträge bemessen sich nach ihrem Arbeitsentgelt und führen im Inland zu gleichen Leistungsberechtigungen wie bei deutschen Versicherten. Infolge verfassungsgerichtlicher Beanstandung sind nunmehr auch die hier erarbeiteten Renten exportfähig geworden und in Höhe von 70 OJo an den gewöhnlichen Aufenthaltsort ins Ausland zu zahlen (§§ 1318-1323 RVO, §§ 97-102 AVG). Ohne Durchführung eines Versorgungsausgleichs bei Scheidung der gleichnationalen Ausländerehe liegen daher Sachverhaltsgestaltungen nicht ferne, die prima facie einen schlagenden Beweis für die Durchführung eines Versorgungsausgleichs liefern: Der (u. U. mehrfach) geschiedene ausländische Ehemann verzehrt seine durch keinen Versorgungsausgleich geschmälerte Rente weit hinten in seinem Heimatland oder er verstirbt frühzeitig; die ausländische Ehefrau aber bleibt hier und ist auf Sozialhilfe angewiesen104• 102 Für einen grundlegenden Neuansatz der Einbeziehung sowohl der öffentlichen Interessen, wie der Interessen Dritter bei vermögensrechtlichen Streitfragen unter Privaten C. Joerges, Zum Funktionswandel des Kollisionsrechts, 1971, bes. S. 151 ff.; zu solchen Bestrebungen ferner K. Schurig, Kollisionsnorm und Sachnorm, 1981, bes. Teil I; MünchKomm- Sonnenberger, Einl. EGBGB Rz. 6 ff. Zur Dominanz des materiellen Rechts im internationalen Sozialrecht im Gegensatz zum internationalen Privatrecht E. Eichenhofer, SGb 1984, S. 4, in: Bespr. von Tomandl (Hrsg.), Auslandsberührungen in der Sozialversicherung, 1980, unter Hinweis insbes. auf die Abhandlung von W. Selb, Was versteht man unter Territorialprinzip?, ebd., S.17 ff., im Unterschied zu der mehr zum IPR passenden Position von von Maydell, ebd., S. 1.Exemplarisch mit den Zwecken und Funktionen der inländischen Normen arbeitend E. Eichenhofer, Das bundesdeutsche internationale Arbeitsförderungsrecht, SGb 1983, S. 377. 103 Die Grundsatzfrage verliert wohl an Bedeutung, je mehr das positive Recht problemorientiert nicht nur einem Prinzip, dem Staatsangehörigkeitsprinzip, folgt, sondern auch Ausnahmen zuläßt. So blicken über den Interessenrahmen der Parteibeziehungen hinaus insbesondere auch Art. 16 und teilw. Art. 18 EGBGB-Entwurf.

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Das Gewicht dieses Kostenarguments wird allerdings durch verschiedene Umstände abgeschwächt: Zum einen ist der Versorgungsausgleich mit seiner Begründung von zwei selbständigen Rentenstammrechten nicht völlig kostenneutral für die Versorgungsträger; zum anderen besteht in gewissem Umfang die rechtliche Möglichkeit, Ausländer auch nach langjährigem Inlandsaufenthalt wegen Sozialhilfebedürftigkeit auszuweisen (§ 11 i. V. m. § 10 Nr. 10 AusländerG). Schließlich würde der Gesetzgeber auch mit der Zulassung einer Rechtswahl zu erkennen geben, daß das Kostenargument nicht allein ausschlaggebend ist. Vor die nüchterne finanzielle Erwägung schiebt sich daher letztlich das menschlich-soziale Anliegen, langjährigen ausländischen Mitgliedern unserer Gesellschaft in ihrem persönlichen Interesse annähernd dieselben Lebensbedingungen und denselben Standard an sozialer Sicherheit zu schaffen wie den deutschen Bürgern. (3) Solche Folgenüberlegungen würden sich von vornherein erübrigen, wenn durch die "Verschonung" von gleichnationalen ausländischen Ehepartnern vor dem Versorgungsausgleich der Gleichheitssatz verletzt würde105• Der Gedanke hieran bietet sich an, da infolge der Einführung des Versorgungsausgleichs auch für die ausländischen Mitglieder der Sozialversicherung die frühere Geschiedenenwitwenrente weggefallen ist. Wie häufig läßt sich jedoch ein Gleichheitsverstoß auch hier nicht stringent dartun. Schon die Tatsache der Ausländereigenschaft und der damit vom deutschen Internationalen Privatrecht grundsätzlich belassenen Zugehörigkeit zum eigenen Heimatfamilienrecht und dessen Scheidungsfolgen ist geeignet, den Vorwurf willkürlicher Ungleichbehandlung gegenüber deutschen und gemischtnationalen Ehepartnern zu entkräften106• Hinsichtlich des generellen Wegfalls der Geschiedenenwitwenrente ohne Versorgungsausgleich für die Versicherungsverhältnisse von verheirateten Ausländern gleicher Nationalität steht der Feststellung eines Gleichheitsverstoßes zusätzlich der Umstand im Wege, daß dem Versicherten selbst infolge der "Verschonung vom Versorgungsausgleich" ja nicht eigentlich die vollen Früchte seiner Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten werden107, sondern daß er im Gegenteil privilegiert wird. Der gegebenenfalls ausgleichsberechtigte Ehegatte aber hat ohne und vor Durchführung eines Versorgungsausgleiches aufgrund des Versicherungsverhältnisses des anderen Ehegatten noch keine selbständigen Rechte; erst das Ehe(kollisions)recht würde sie ihm ja übertragen. Bezüglich der öffentlichen Interessen aber 10' Auf den Gesichtspunkt der Bewahrung vor Sozialhilfe weist auch hin H. Ptagemann, NJW 1979, S. 469. 105 Zum Kontrollmaßstab hier nur BVerfGE 9, S. 334, 337; 22, S. 387, 415; 52, s. 277, 280. 108 s. o. bei Anm. 97. 107 So aber OLG Frankfurt, FamRZ 1983, S. 729.

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wird man sagen müssen, daß mit der langfristigen Aufnahme von Ausländern immer besondere Integrations- und Separationsrisiken auf allen Lebensgebieten verbunden bleiben, aufgrund deren dem Gesetzgeber auch ein größerer Spielraum für rechtliche Differenzierungen einzuräumen ist. (4) Andererseits aber würde der deutsche Kollisionsrechtsgesetzgeber nicht von vornherein willkürlich Ungleiches gleich behandeln, wenn er aufgrund von hier erworbenen Versorgungsanrechten einen Versorgungsausgleich auch für Ausländer gleicher Nationalität anordnete. Die lebenslange Unterhaltssicherung aller im Inland lebenden Menschen ist eine öffentliche Angelegenheit von überragender Bedeutung. Zur Bewältigung dieser Aufgabe wird ein gigantischer Vorsorge- und Umverteilungsapparat, nicht zu geringen Teilen auch durch breite Ströme öffentlicher Finanzmittel, in Gang gehalten. Auch wer im Inland als Erwerbstätiger vollwertig in unsere Erwerbsgesellschaft eingegliedert ist und das mit solcher Position verbundene Vorsorgevermögen aufbaut, erhält ja potentiell mehr als nur das Äquivalent seiner Beitragsleistungen, und nicht nur bei den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ist der "Sozialanteil" 108 neben dem "Eigenanteil" erheblich, auch die berufsständischen, betrieblichen und privaten Versorgungseinrichtungen werden- rechtstechnisch über das Steuersystem- aus öffentlichen Mitteln mitgespeist. Keinesfalls brauchen somit de lege ferenda die Scheidungsfolgen von Ausländerehen mit ihren Unterhalts- und Vorsorgeproblemen als solche "rein privatrechtlicher Natur" unter Ausblendung öffentlicher Interessen behandelt zu werden. c) Argumente für eine funktionsgerechte Eingrenzung

Das Störende an der geplanten sozialrechtlichen Sonderanknüpfung auf schmalster Basis liegt daher weniger im grundsätzlichen Ansatz als vielmehr in der undifferenzierten Maßlosigkeit begründet. Es sollte doch ein irgendwie qualifizierter Inlandsbezug vorausgesetzt sowie vor allem Rücksicht auf die vielgestaltigen familien- und sozialrechtlichen Einrichtungen der kollidierenden ausländischen Rechtsordnungen genommen werden10v. Nicht ganz nebensächlich erscheint auch der GeDazu nur BVerfG, NJW 1980, S. 693; BSG, FamRZ 1977, S. 644. Solche Rücksichtnahme und Angemessenheitsprüfung fordern ebenfalls Jayme (Anm. 31), FamRZ 1981, S. 224; SonnenbergeT (Anm. 43), FS Beitzke, S. 158, mit dem allgemeinen Postulat für das !PR, Rücksicht auf gleichartige Zielsetzungen im ausländischen Recht zu nehmen. - Für zeitliche Eingrenzungen, Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 10/504, S. 99. -Für eine versorgungsgegenständliche Beschränkung des Ausgleichs etwa nur auf inländische Anwartschaften des öffentlichen Rechts von Bar, IPRax 1984, S.10.Allgemein zu einer Theorie der Relevanz ausländischen Sachrechts bei Anwendung inländischen Sachrechts (Ehrenzweigs Datum-Lehre), E. Jayme, Gedächtnisschrift f. Ehrenzweig, 1976, S. 36. 108 109

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danke an die Kosten, die dem deutschen Rechtssystem zumal in schwierigen Auslandsfällen mit der Durchführung eines Versorgungsausgleichs erwachsen. Auch im Hinblick hierauf könnte sich eine Bagatellgrenze empfehlen; das Erfordernis eines Antrages nur eines (von zwei nicht selten uneinigen) Eheleuten kann Minimalausgleichsfälle nicht fernhalten. In Betracht ziehen könnte man ferner eine Prüfung der konkreten Angemessenheit eines Versorgungsausgleichs, die nur bestanden wäre, wenn den hier erworbenen Versorgungsanwartschaften im Verhältnis etwa zur Ehedauer und zum gesamten Vorsorgevermögen der Beteiligten eine nicht unwesentliche Sicherungsbedeutung zukäme. Am dringendsten zu bedenken wären aber die Kollisionen mit solchen ausländischen Rechtseinrichtungen, die zwar in rechtstechnisch anderen Formen, aber materiell im wesentlichen gleiche oder ähnliche Funktionen wie der deutsche Versorgungsausgleich erfüllen. Nachehelicher Unterhalt und Geschiedenenwitwenrente kommen hier ebenso in Betracht wie etwa eine die Vorsorgegüter mitumfassende Auseinandersetzung über das Vermögen der Ehegatten bei der Scheidung110• Auf diesem Gebiet müßte wohl noch gründliche rechtsvergleichende Arbeit geleistet werden, um dem !PR-Gesetzgeber zu sinnvoller Einschränkung zu raten und die am ehesten zu erwartende generalklauselartige Restriktion einzelfallgerecht konkretisieren zu können. Für den gesamten Bereich der Auslandsberührungen könnte sich der Aufschub des Versorgungsausgleichs als "Patentlösung" vieler tatsächlich und rechtlich bedingter Schwierigkeiten empfehlen. Die neu auftretenden Unsicherheiten lassen jedoch weit mehr noch als bei reinen Inlandsfällen die letztendliche Fruchtlosigkeit der Versorgungsausgleichsordnung befürchten. Thesen I.

1. Nicht ein Zustand "ohne rechtliche Ordnung" der familiären Be-

ziehungen und der sozialen Sicherungseinrichtungen kann im Kontext von Scheidungs- und Vorsorgerecht interessieren, sondern die auf der Basis einer gegebenen Rechts- und Sozialordnung neu getroffenen und weiterführenden rechtsethischen Wertungen und sozialpolitischen Zwecksetzungen. Aus ihnen sind wesentliche Richtpunkte für die Entscheidung der offenen Fragen zu gewinnen.

110 Den "Ähnlichkeitskreis" sollte man allerdings nicht zu eng ziehen. Für die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei ausländischen Anwartschaften würden im wesentlichen die oben zu IV 2 angeführten Überlegungen gelten können.

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2. Auf solche Klärungen angewiesen ist sowohl eine rationale, konsenssuchende Gesetzgebungsarbeit (wie sie in den Reformen des inländischen Versorgungsausgleichs-Sachrechts und des Internationalen Privatrechts ansteht) wie auch normgebundene Rechtsanwendung, für deren theoretische Vor- und Aufbereitung allerdings gegenwärtig infolge der rechtspolitischen Bewegungen in sämtlichen Bereichen der Alterssicherung keine feste Grundlage vorhanden ist. 3. Der Vorrang teleologischer Rechtsfindungsfaktoren bedarf zwar keiner prinzipiellen Rechtfertigung mehr, an den Problemen des Versorgungsausgleichs, zumal auch bei Fällen mit Auslandsbezug, erweist sich jedoch in exemplarischer Weise, wie unterschiedlich die je aktuellen Gewichtungen kollidierender Interessen ausfallen, insbesondere im Widerstreit von materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, wie sehr ferner "Vorverständnisse" und Folgenorientierungen, aber auch noch immer Rücksichten auf äußerlich-rechtssystematische Kategorien die Ergebnisse bestimmen. Dauerhaft überzeugende Lösungen können am ehesten durch offene Argumentation unter direktem Zugriff auf die tangierten Rechtswerte und Individualinteressen erarbeitet werden.

II. 1. Zweck des Versorgungsausgleichs ist es, zur eigenständigen Absicherung des für Alter und Invalidität nicht oder nur minderversorgten geschiedenen Ehegatten wesentlich beizutragen. "Familienarbeit" soll ebenso wie Erwerbsarbeit zu einer eigenständigen Sicherung wenigstens im Scheidungsfalle führen, in dem das familiäre Unterhaltsrecht aufgrund mangelnder Leistungszumutbarkeit, -fähigkeit und -Willigkeit des früheren Ehegatten weithin versagt. Sicherungsmittel ist ausschließlich die Umverteilung von Versorgungsanrechten der Ehepartner, so daß der Versorgungsausgleich cum grano salis als pauschale "Nachgewährung ehelichen Vorsorgeunterhalts" aufg,efaßt werden kann.

2. Diese einschneidende Umverteilung ist nach legislativ offizieller Begründung und verbreiteter Meinung auf eine doppelte Rechtfertigung zu stützen: Zum einen erscheint der Versorgungsausgleich als Vollendung des Zugewinnausgleichs in Anerkennung der "gemeinsamen Lebensleistung" der Ehegatten und unter Vernachlässigung der geschlechtsspezifischen Zuweisung der "Familienarbeiterrolle" ohne eigenständige soziale Sicherung und der Verdienerrolle mit ihrem Zugangsmonopol zu den Systemen gehobener sozialer Sicherheit. Zum anderen wird abgestellt auf die eheliche Solidarität und den Zweck des Vorsorgevermögens, im Alter auch

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dem nicht erwerbswirtschaftlich tätigen Partner (im Wege von Unterhaltsanspruch und Hinterbliebenenrente) Sicherheit zu gewähren. Jeder Begründungsgesichtspunkt für sich erweist sich jedoch als mehr oder minder unzulänglich. Am weitesten, wenngleich nicht rundum abdeckend, reicht die Erklärungskraft der ehelichen Versorgungssolidarität. 3. Der "Leistungsgedanke" wird in unserer deutschen Zugewinn- und Versorgungsgemeinschaft mit ihrer rigorosen Halbteilung sämtlicher Vermögens- und Vorsorgepositionen bis an die Grenze des Erträglichen zurückgestellt. Beiträge effektiven Mitverdienstes werden ebenso vernachlässigt wie Art und Umfang der der Familie gewidmeten Arbeitsleistungen. Nur mit Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität, der Beweisschwierigkeiten und des Schutzes der Persönlichkeitssphären kann dieser Schematismus vor dem Willkürverdikt gerettet werden. Im Gegensatz zum nachehelichen Unterhaltsrecht besticht der Versorgungsausgleich jedoch durch die infolge des klaren Ehezeitbezugs "ehrliche" und überschaubare Aufteilung. 4. Rechtsethisch weitaus qualitätvoller erscheinen insgesamt jedoch solche Vorschläge zur eigenständigen Sicherung der nicht erwerbstätigen Hausfrauen und Mütter, die proportional auf partner-, familien- oder vermögensbezogene wertvolle Leistungen (insbesondere die Kinderzahl) abheben.

rrr. 1. Dem Eheleitbild der nivellierenden wirtschaftlichen Solidarität schließt sich das Scheidungsleitbild einer möglichst umfassenden Trennung von Vermögen und Versorgung der Geschiedenen an. Die Bedingungen unseres Rechtssystems lassen indessen eine vollständige Verwirklichung beider nicht zu.

2. Anlagegemäß kann durch den Versorgungsausgleich nur ein mehr oder minder großer Anteil einer eigenständigen Alterssicherung bereitgestellt werden. Quantitatives VoZZständigkeits- und qualitatives Vollw ertigkeitsstreben walten durchwegs in der Ausgestaltung der ehelichen Versorgungsgemeinschaft: mit der auf Lückenlosigkeit ausgehenden Erfassung allen Vorsorgevermögens, der zwingenden Rangfolge von Übertragungsformen, der Verweisung des vorsorgeschwachen schuldrechtlichen Ausgleichs auf die letzte Stelle als bloßes Auffanginstrument und der Einschränkung privatautonomer Gestaltung in Scheidungsnähe.

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3. Gegenständliche Auslassungen von Vorsorgevermögen sind zwar nur von marginaler Bedeutung, insbesondere im Bereich der privaten Versicherungen sowte der gesetzlichen Unfallversicherung und der sozialen Entschädigungssysteme sollten aber Komplettierungen gründlicher als bisher erwogen werden. Femer ist zu fragen, inwieweit es zulässig oder gar geboten ist, die infolge des Wegfalls der Beitragsentrichtung durch den Ausgleichsverpflichteten gerissene Lücke mit Hilfe einer Ausweitung der "Realteilung" oder ähnlich dinglich wirkender Maßnahmen zu füllen. - Kaum erträglich ist es auch, wenn das Halbierungsgleichgewicht durch den Wechsel des Inhabers des Vorsorgegutes gestört wird (z. B. wegen abweichender Vorsorgefälle oder Leistungsbemessungskriterien). 4. Stark überschätzt wurde indessen die Trennungs- und Erledigungskapazität des Verbundes von Scheidung und Versorgungsausgleich. Die auf den Scheidungszeitpunkt konzentrierte Gesamtsaldierung sämtlicher Anwartschaften, die unter verschiedenen zeitlichen und wertmäßigen Entwicklungsgesetzen stehen und zudem zahlreichen unvorhersehbaren Änderungen unterliegen, gelingt nur um den Preis von Unterstellungen und Prognosen, die häufig durch den späteren Verlauf, insbesondere auch durch Änderungen des objektiven Rechts, widerlegt werden und die darum keine unumstößliche Ausgleichsbasis bilden können. Die Anrechnung nur fiktiv zugrundegelegter Versorgungsanrechte kann aber zu unverhältnismäßigen Eigentumsbeeinträchtigungen führen, die kraft verfassungsrechtlicher Notwendigkeit weitergehende Möglichkeiten der Korrektur erheischen als bisher bestehen. Die totale Verselbständigung der Versorgungsschicksale der Ehegatten ab dem Scheidungszeitpunkt hat sich als undurchführbar erwiesen. Ein voller Aufschub des Versorgungsausgleichs aber auf den oft Jahrzehnte später eintretenden Versorgungsfall würde schon in reinen Inlandsfällen ein hohes Maß an Unsicherheit und damit auch an Einbußen materieller Gerechtigkeit mit sich bringen. Um diese Nachteile möglichst klein zu halten, sollte bereits im Scheidungszeitpunkt der wahrscheinliche spätere Versorgungsausgleich sachlich und verfahrensmäßig vorbereitet werden. 5. Trotz der beträchtlichen Defizite an Einzelfallgerechtigkeit ist der Versorgungsausgleich deutscher Prägung gleichwohl als sozialer Fortschritt gutzuheißen und auch solchen Lösungen gegenüber vorzuziehen, die in vollem Umfange bei der nachehelichen Unterhaltsabhängigkeit des finanziell schwächeren Partners bleiben oder gar eine "posthume Sozialisierung" der Unterhaltslast geschiedener Männer durch mehrere volle Geschiedenenwitwenrenten vornehmen.

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6. Unabhängig von der grundsätzlichen rechtspolitischen Bewertung aber ist der Rechtsstab zu loyalem Vollzug unserer Versorgungsausgleichsordnung in "denkendem Gehorsam" verpflichtet. Weder sind im Zweifelsfall generell restriktive Auslegungen noch gar teleologische Reduktionen gerechtfertigt, da hiermit die Gerechtigkeitsdefizite nicht gezielt und flächendeckend aufgefüllt werden können. Allenfalls durch verfassungsrechtliche Kontrollen könnte noch mancherorts Abhilfe geschaffen werden. 7. Abgesehen vom Konkretisierungsspielraum der Härteklauseln dürfte der Rechtsstab auch nicht einer möglicherweise auf Oberspannung der nacheheZiehen Solidaritätspflichten beruhenden EheunwiZZigkeit mit den Mitteln der Gesetzesanwendung und der Rechtsfortbildung entgegensteuern. Etwaigen disfunktionalen Wirkungen des Scheidungsfolgenrechts kann und darf nur mit legislativen Mitteln begegnet werden, denen jedoch durch den Gleichheitssatz wiederum enge Grenzen gesteckt sind. IV. 1. Für die sich entweder aufgrund versorgungsgegenständlichen oder

personalen Auslandsbezugs ergebenden Schwierigkeiten enthält unser Gesetzesrecht kaum Anweisungen, so daß eine jahrelange, nach Argumenten und Ergebnissen breitgefächerte Auseinandersetzung um die richtige internationalrechtliche Behandlung geführt wurde. Befürchtungen vor einem Ausgleichschaos mit Überschneidungen, Verdoppelungen und Lücken sind weitgehend begründet, wenn man unsere inländischen Ausgleichskriterien der "ersten Güteklasse" in Bezug auf Feststellung, Bewertung und Übertragungsstabilität anlegt.

2. Diese Anforderungen sind vor allem dann zu ermäßigen, wenn deutsche Eheleute ausländische Vorsorgegüter einbringen. Da die volle Nichtberücksichtigung ihrer ausländischen Anwartschaften beträchtlich ungerechter ist als eine nur näherungsweise richtige Berücksichtigung, sollten subsidiär die zweitrangigen Ausgleichsmechanismen wie familienrichterliche Ermessens- und Gestaltungsentscheidungen und privatautonome Regelungen eingesetzt werden. 3. Bei personalem Auslandsbezug sind aufgrund der Rechtsnatur des Versorgungsausgleichs als primär familienrechtlichem Institut zwar die Lösungen zunächst im internationalen Privatrecht zu suchen, doch dürfen hiermit nicht die Sozialrechtsbezüge vollständig abgeschnitten werden. Daher erscheinen Tendenzen zu einem weiten Ausgriff des deutschen Versorgungsausgleichsrechts vom grundsätzlichen

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Ansatz her sinnvoll und nicht schon wegen der Anwendung des ausländischen Rechts auf die Scheidung selbst und sonstige Scheidungsfolgen von vornherein als verfehlt. 4. Das Anliegen der weitgehenden Integration von Gastarbeitern in die inländische Erwerbsgesellschaft drängt auf zunehmend gleichheitliehe Teilhabe dieser Bevölkerungsgruppe an unserem System der sozialen Sicherheit. Öffentliche Interessen, insbesondere an möglichster Schonung der inländischen Sozialhilfe, dürfen in die Gesamtabwägung mit eingestellt werden. Die im Sozialrecht seit jeher vorherrschenden Anknüpfungen an territoriale Sachverhaltselemente i. w. S. treffen sich mit zeitgemäßen gleichgerichteten Auflockerungen des Staatsangehörigkeitsprinzips im internationalen Familienrecht. 5. Abzulehnen ist aber der undifferenzierte Ausgriff von schmalster inländischer Versorgungsbasis her, so daß auch Bagatellfälle aufgrund peripheren Inlandsbezugs erfaßt werden. Zu fordern ist zumindest Rücksichtnahme auf ausländische Rechtseinrichtungen mit äquivalenten oder ähnlichen Versorgungswirkungen (z. B. Unterhaltspflichten, Geschiedenenwitwenrente, umfassendere "güterrechtliche" Auseinandersetzung). Zu bedenken wären ferner sonstige Eingrenzungen anhand von Angemessenheitskriterien wie der Dauer der Ehe im Inland od€r dem Verhältnis der inländischen Anwartschaften zum Gesamtversorgungsvermögen der Ehegatten u . a. m. 6. Mehr noch als Inlands- erscheinen Auslandsprobleme durch eine Vertagung des Versorgungsausgleichs gelöst; zugleich müßten jedoch anderweitige Unsicherheiten und dadurch verursachte beträchtliche Opfer an materieller Gerechtigkeit in Kauf genommen werden. Zusammenfassung I.

Der von Eheunterhalt und Güterrecht systematisch abgesonderte Versorgungsausgleich stellt die überfällige Antwort dar auf die ehedem grobe vorsorgerechtliche Benachteiligung des während der Ehe nichterwerbstätigen Ehepartners nach der Scheidung. Umverteilt werden ausschließlich Versorgungsgüter der Ehepartner, so daß der Versorgungsausgleich funktionell als "Nachgewährung ehelichen Vorsorgeunterhalts" aufgefaßt werden kann, auch wenn er im Detail nicht sämtliche Merkmale des herkömmlichen Unterhalts aufweist. Die gleichmäßige Teilhabe der Ehegatten unterstellt in stark generalisierender Betrachtungsweise eine Vorsorgesolidarität der Ehegatten,

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die dem tatsächlichen Verhältnis ihrer individuellen Leistungen, Belastungen und Partnerschaft häufig nicht gerecht wird, die aber aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität, der Beweisschwierigkeiten und des Schutzes der Persönlichkeitssphären nicht als willkürlich verurteilt werden kann. Obwohl rechtsethisch qualitätvollere Vorschläge zur eigenständigen Sicherung der nicht erwerbstätigen Hausfrauen und Mütter vorzuziehen wären, ist der Versorgungsausgleich in seiner Gesamtanlage als sozialer Fortschritt vor allem gegenüber der nachehelichen Unterhaltsabhängigkeit und -Unsicherheit positiv zu bewerten; die Beseitigung seiner Mängel ist ein vordringliches rechtspolitisches Anliegen. I I.

Das Eheleitbild der nivellierenden wirtschaftlichen Solidarität wird ergänzt durch das Scheidungsleitbild einer möglichst umfassenden und endgültigen Aufteilung des Zuwachses an Privatvermögen und Vorsorgevermögen unter die Geschiedenen. Vorsorgevermögen kann jedoch

selbst mit der Transferhilfe von Familiengericht und gesetzlicher Rentenversicherung nicht schon im Scheidungszeitpunkt ebenso sachlich richtig aufgeteilt werden wie frei verfügbares und werttransparentes Privatvermögen. Die gesetzliche Regelung des Versorgungsausgleichs, zumal in der Erstfassung vor verfassungsgerichtlichen Beanstandungen und Erlaß des Härteregelungsgesetzes, ist allzu starr auf folgende zum Teil gegenläufige Zielvorstellungen ausgerichtet: vollständige Erfassung aller Vorsorgegüter und wertmäßig genaue Halbteilung, strenger Ehezeitbezug der ausgleichserheblichen Erwerbsvorgänge, optimale Vorsorgequalität für den Ausgleichsempfänger und vor allem Unwandelbarkeit der im Scheidungszeitpunkt vorgenommenen Aufteilung. Hiervon sind um der materiellen Gerechtigkeit willen gewisse Abstriche zu machen, da der Versorgungswert von Anwartschaften im Scheidungszeitpunkt nicht genau errechenbar ist, nicht über Jahrzehnte stabil und einem Subjektwechsel gegenüber nicht neutral bleibt. Die totale Verselbständigung der Versorgungsschicksale der Ehegatten ab dem Scheidungszeitpunkt hat sich als undurchführbar erwiesen. Ein voller Aufschub des Versorgungsausgleichs aber auf den oft Jahrzehnte später eintretenden Versorgungsfall würde schon in reinen Inlandsfällen ein hohes Maß an Unsicherheit und damit auch an Einbußen materieller Gerechtigkeit mit sich bringen. Um diese Nachteile möglichst klein zu halten, sollte schon im Scheidungszeitpunkt der wahrscheinliche spätere Versorgungsausgleich sachlich und verfahrensmäßig vorbereitet werden. Zweckmäßig erscheint ferner ein größerer Spielraum für privatautonome Regelungen der Betroffenen und für familienrichterliche Gestaltungen.

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Ursula Köbl

De lege ferenda müßte auch die gegenständliche Abgrenzung der Vorsorgegüter auf ihre Vollständigkeit hin überprüft werden, insbesondere hinsichtlich von Lohnersatzleistungen aus sozialen Entschädigungssystemen wie der gesetzlichen Unfallversicherung und von Privatversicherungen mit besonderem Vorsorgecharakter. Schließlich sollte der Anwendungsbereich des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs eingeschränkt oder seine Vorsorgequalität verbessert werden. Die Instrumente der Rechtsanwendung reichen zu einer flächendeckenden Mängelbeseitigung hingegen nicht aus. Die Mittel der Härteklauseln, der Ermessensvorschriften und der Inhaltskontrolle von Versorgungsausgleichsverträgen sollten aber zur Erzielung sinnvoller Ergebnisse voll ausgeschöpft werden. Der Gesetzgeber muß vor allem beachten, daß Ehe- und Familienschutz nicht einseitig auf Kosten der Gleichberechtigung und der Ehefreiheit der nicht erwerbstätigen Partner betrieben werden darf. Dies ist vor allem zu bedenken, wenn der Versorgungsausgleich völlig aus dem Entscheidungsverbund gelöst und nicht mehr allein aufgrund ehezeitbezogener Faktoren bemessen werden sollte. III. Die Schwierigkeiten der Durchführung häufen sich bei versorgungsgegenständlichem oder personalem Auslandsbezug; klare gesetzliche Anweisungen fehlen hierfür. Befürchtungen vor einem Ausgleichschaos mit Überschneidungen, Verdoppelungen und Lücken sind weitgehend begründet, wenn man unsere inländischen Ausgleichskriterien der "ersten Güteklasse" in Bezug auf Feststellung, Bewertung, Übertragungsstabilität und Vorsorgeeffizienz anlegt. Diese Anforderungen sind vor allem dann zu ermäßigen, wenn deutsche Eheleute ausländische Vorsorgegüter einbringen. Da die volle Nichtberücksichtigung ihrer ausländischen Anwartschaften beträchtlich ungerechter ist als eine nur näherungsweise richtige Berücksichtigung, sollten subsidiär die zweitrangigen Ausgleichsmechanismen wie familienrichterliche Ermessensund Gestaltungsentscheidungen sowie privatautonome Regelungen eingesetzt werden. Auch bei personalem Auslandsbezug erscheinen Tendenzen zu einem weiten Ausgriff des deutschen Versorgungsausgleichsrechts vom grundsätzlichen Ansatz her sinnvoll und nicht schon wegen der Anwendung des ausländischen Rechts auf die Scheidung selbst und sonstige Scheidungsfolgen von vornherein als verfehlt. Das Anliegen der weitgehenden Integration von Gastarbeitern in die inländische Erwerbsgesellschaft drängt auf zunehmend gleichheitliehe

Der Versorgungsausgleich-sein Ordnungsauftrag

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Teilhabe dieser Bevölkerungsgruppe an unserem System der sozialen Sicherheit. Öffentliche Interessen, insbesondere an möglichster Schonung der Sozialhilfe, dürfen in die Gesamtabwägung mit eingestellt werden. Die im Sozialrecht seit jeher vorherrschenden Anknüpfungen an territoriale Sachverhaltselemente i. w. S. treffen sich mit zeitgemäßen gleichgerichteten Auflockerungen des Staatsangehörigkeitsprinzips im internationalen Familienrecht. Abzulehnen ist aber der undifferenzierte Ausgriff von schmalster inländischer Versorgungsbasis her, so daß auch Bagatellfälle aufgrund peripheren Inlandsbezugs erfaßt würden. Zu fordern ist zumindest Rücksichtnahme auf ausländische Rechtseinrichtungen mit äquivalenten oder ähnlichen Versorgungswirkungen (z. B. Unterhaltspflichten, Geschiedenenwitwenrente, umfassendere "güterrechtliche" Auseinandersetzung). Zu bedenken wären ferner sonstige Eingrenzungen anhand von Angemessenheitskriterien wie der Dauer der Ehe im Inland oder dem Verhältnis der inländischen Anwartschaften zum Gesamtvorsorgungsvermögen der Ehegatten u. a. m. Summary The compensation of pension rights division of roles of family and sociallaw

I.

The compensation of pension rights, systematically set apart from maintenance and the matrimonial property regime, represents the overdue answer to the gross disadvantage as regards pension provisions for the spouse who was not gainfully employed during marriage. Only the pension rights of the spouses are redistributed; thus, from a functional point of view the compensation of pension rights can be considered "belated granting of conjugal maintenance" even if in the details it does not display all the usual features of maintenance. When generalising to a high degree the equal participation of spouses presupposes the spouses' solidarity as regards pension provisions; this frequently does not correspond to their actual share of individual contributions, burdens and partnership, but for reasons of legal certainty and practicality, difficulty of proof and protection of the spheres of personal rights cannot be condemned arbitrarily. Although from a legal ethics viewpoint better proposals for independent pension provisions for housewives and mothers who are not gainfully employed would be preferable, in its entirety the compensation of pension rights is to be approved as social progress, especially compared with post-nuptial 7 Versorgungsausgleich

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dependence on maintenance and the uncertainty associated with this. Legal policy should give priority to eliminating the shortcomings. II. The marriage image of levelling economic solidarity is completed by the divorce image of as comprehensive and final a separation of the increase of private property and pension provisions of the divorcees as possible. However, even with the help of the family court and statutory pensions insurance, pension provisions cannot be divided as pertinently and correctly at the time of divorce as freely disposable private property of obvious value. The statutory regulation of the compensation of pension rights, especially in the first version before objections at the Constitutional Court and the law on the Settlement of hardship cases, is too rigidly oriented to the following partially Contradietory aims: complete coverage of all pension provisions and exact halving in terms of value, strict reference of the major compensation items to the marital period, optimal quality of pension provisions for the recipient and, above all, the unchangeable nature of the division made at the time of divorce. For the sake of material justice, certain cuts have to be made since it is impossible to calculate the exact value of qualifying periods at the time of divorce; moreover, this value is not stable over the decades and does not remain neutral vis-a-vis a change of subject. Total autonomy of the spouses' pension fates from the time of their divorce onwards has proven impossible to implement. However, full deferment of the compensation of pension rights to the event giving rise to a pension - often decades later - would entail a high degree of uncertainty even in purely domestic cases, and thus also a loss of material justice. In order to keep these disadvantages to a minimum, the probable later compensation of pension rights should be prepared factually and procedurally at the time of divorce. Moreover, greater scope should be left for private autonomaus arrangements by the parties concerned and by the family courts. 'De lege ferenda', the completeness of the concrete definition of pension provisions should be checked, especially with regard to wage substitution benefits from social compensation systems, such as statutory accident insurance and private insurances of a special pensions nature. Finally, the field of application of the compensation of pension rights under the law of Obligations should be limited or the quality of its provisions improved. In contrast, the instruments for application of the law do not suffice to eliminate shortcomings across the board. The means provided by

Der Versorgungsausgleich-sein Ordnungsauftrag

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hardship clauses, discretionary regulations and control of the contents of pension ri.ghts compensation agreements should be used to the full in order to achieve meaningful results. The legislator must ensure in particular that protection of marriage and family is not supported one-sidedly at the expense of equality of rights and the marital freedom of the partners who are not gainfully employed. This is to be considered especially ü the compensation of pension ri.ghts is completely separate from the entire package of decisions and is no Ionger to be gauged solely with reference to factors relating to the marriage period. III. The düficulties of implementation increase in cases of pension rights compensation with a foreign element: no clear statutory guidelines exist. Fears of compensation chaos with overlapping, duplication and gaps are largely justified ü one takes the domestic compensation criteria of "first quality" as regards determination, assessment, transfer stability and efficiency of pension provisions as a basis. These requirements are to be reduced, especially if German spouses bring in foreign pension rights. Since the complete non-regard of their foreign pension rights is considerably less just than a merely approximately right consideration, the secondary compensation mechanisms, such as family court discretionary judgments and decisions on arrangements made as well as private autonomaus rulings should be used. In cases of personal foreign elements, tendencies towards broad extension of German pension rights compensation seem expedient as regards the fundamental approach and are not wrong from the start because of the application of foreign law to the divorce itself and other consequences of divorce. The concern of far-reaching integration of guest workers into the Federal German working population demands increasingly uniform participation of this group of the population in our system of social security. Public interests, especially in preserving social assistance as far as possible, should be included in overall considerations. The links that have always prevailed in social law, namely to territorial factual elements in the broad sense, coincide with contemporary easing of the principle of nationality in international family law. Undifferentiated extension of the narrowest domestic pension basis is to be rejected, however, so that even petty cases are included on the basis of marginal domestic reference. At least one should demand that consideration be given to foreign legal institutions with equivalent or similar pension schemes (e. g. maintenance obligations, divorced

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widows' pension, more comprehensive "property law arrangements"). Furthermore, other limitations based on reasonable criteria, such as the length of the marriage in the Federal Republic of Germany or the proportion of domestic pension qualifications of total pension assets, inter alia, should be bornein mind.

Der Versorgungsausgleich im internationalen Privatrecht Stand der Rechtsprechung und der Reform Von Erik J ayme

Inhaltsübersicht I. Problembereiche

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II. Lösungen 1. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Thesen I Zusammenfassung . . .......................................... 108 Summary

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

I. Problembereiche Die kollisionsrechtlichen Fragen, die der Versorgungsausgleich aufwirft, lassen sich in sechs Problembereiche aufteilen, welche untereinander eine logische Abfolge ergeben. (1) Zunächst geht es um die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, über den Versorgungsausgleich zu entscheiden. (2) Dann ist die Bestimmung des anwendbaren Rechts zu treffen. Das ist de lege lata ein Problem der Qualifikation des Versorgungsausgleichs, d. h. der Einordnung dieser Rechtsfrage in den vorhandenen Bestand der Kollisionsnormen. De lege ferenda stellt sich die Frage, ob eine gesonderte Kollisionsnorm für den Versorgungsausgleich aufgestellt werden soll und wenn ja, welchen Inhalts. Sonderprobleme - auch hinsichtlich der güterrechtlichen Auswirkungen - wirft der Sachverhalt auf, daß der Versorgungsausgleich während der Ehe ausgeschlossen wird1 • 1

Vgl. AG München, 22. 9. 1983, IPRax 1984, S. 104.

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(3) Ist nach dem deutschen internationalen Privatrecht ausländisches Recht anwendbar, so ist die Rückverweisung zu prüfen. Hier stellt sich die Qualifikationsfrage aus der Sicht des Auslandes. Dabei ergeben sich Sonderfragen bei der "versteckten" Rückverweisung, d. h. bei solchen ausländischen Systemen, welche die Schwerpunktbildung in internationalen Scheidungsfällen mit Hilfe jurisdiktioneUer Normen vornehmen2. Ferner taucht das Problem der Teilrückverweisung auf3• (4) Sind deutsche Sachnormen aufgrund einer Verweisung oder einer Rückverweisung maßgebend, so haben Lehre und Rechtsprechung besondere Regeln für Auslandsfälle herausgebildet. (a) Betroffen ist zunächst die Verpflichtung zum Ausgleich. Im Rahmen des § 1587 c BGB berücksichtigt der BGH, "wieweit nach der kollisionsrechtlich verdrängten Rechtsordnung ebenfalls Unterhaltsund Versorgungspflichten zu erfüllen wären"\ Hier ergeben sich Ansätze für eine "zweistufige" Theorie des IPR5 , bzw. Möglichkeiten für die sogenannte "Datum-Theorie" 6 • Der Auslandsbezug wird dabei auf zwei Ebenen bedeutsam. Zunächst wird unter den kollidierenden Rechtsordnungen mit Hilfe des Verweisungsrechts die anwendbare Sachnorm bestimmt. Dann wird bei den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Sachnorm die verdrängte ausländische Rechtsordnung berücksichtigt. (b) Ist der Versorgungsausgleich nicht ausgeschlossen, so ergeben sich Probleme bei der Ermittlung und Berechnung der Anwartschaften. Hier stellt sich die Frage, wie ausländische Anwartschaften in den inländischen Versorgungsausgleich einbezogen werden. (c) Sind die Anwartschaften ermittelt und bewertet, so hat das Vorliegen ausländischer Anwartschaften Auswirkungen auf die Art des Ausgleichs. Aus der Natur der ausländischen Anwartschaften können sich Grenzen für ein "Splitting" oder ein "Quasisplitting" ergeben. Im Verhältnis zu sozialistischen Ländern stellt sich wegen der Besonderheiten der bilateralen Beziehungen das Problem, ob § 1587 b Abs. 4 deshalb eingreift, weil die Durchführung des Versorgungsausgleichs unwirtschaftlich wäre7 • 2 Staudinger/v. Bar, Art. 17 Rz. 129; vgl. auch Jayme, Versorgungsausgleich und internationales Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung der deutsch-österreichischen Scheidungsfälle, ZffiV 1980, S. 175 ff., 182-183. 3 Jayme, Versorgungsausgleich in Auslandsfällen, NJW 1978, S. 2417 ff., 2420. 4 BGH, 26. 5. 1982, IPRax 1984, S. 180 ff., 184. 5 Vgl. hierzu die Dissertation von Joachim Heßler, München 1984. 0 Vgl. allgemein Jayme, Ausländische Rechtsregeln und Tatbestand inländischer Sachnormen - Betrachtungen zu Ehrenszweigs Datum-Theorie, Gedächtnisschrift Ehrenzweig, 1976, S. 37 ff. 1 Vgl. hierzu Bergner, IPRax 1984, S. 189 ff.

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(5) Sind ausländische Sachnormen anwendbar, so fragt es sich, ob deutsche Gerichte einen Versorgungsausgleich nach ausländischem Recht durchführen können8 • (6) Schließlich ergeben sich Sonderprobleme in Fällen, in denen die Scheidung derselben Ehe im Inland und im Ausland betrieben wird. Die kontroverse Diskussion hat sich insbesondere auf die Frage konzentriert, ob nach einer Scheidung im Ausland nachträglich im Inland der Versorgungsausgleich durchgeführt werden kann9 • II. Lösungen

Hier sollen nicht alle Problembereiche angesprochen werden, sondern nur die Fragen I, 1-3, bei denen sich bereits Lösungen herauskristallisiert haben. Die eigene Stellungnahme zu den Fragen 4-6 ist unter III. kurz skizziert. 1. Internationale Zuständigkeit

Mangels besonderer Vorschriften über die internationale Zuständigkeit hat sich der Gedanke der "internationalen Verbundszuständigkeit" durchgesetzt10• Die zur Unterstützung des Verbundes angeordnete örtliche Zuständigkeit in § 621 II ZPO indiziert zugleich die internationale Zuständigkeit. Sind also deutsche Gerichte nach §§ 606, 606 b ZPO für die Scheidung international zuständig, so erstreckt sich diese internationale Zuständigkeit zugleich auf Folgeentscheidungen wie diejenige über den Versorgungsausgleich. Der BGH hat diesen Grundsatz auch auf selbständige Verfahren ausgedehnt, "da auch in diesen Fällen der sachliche Bezug zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich in gleicher Weise besteht" 11 • 2. Anwendbares Recht

Die heute h. M. in Rechtsprechung und Lehre qualifiziert den Versorgungsausgleich als Scheidungsfolge, unterstellt also die Frage, ob ein solcher Ausgleich durchgeführt werden soll, nicht dem Art. 14 oder dem Art. 15 EGBGB, sondern dem Art. 17 EGBGB. Maßgebend ist das Scheidungsstatut (Art. 17 EGBGB} 12• Hierfür sprechen folgende Gesichtspunkte: 8 Vgl. hierzu Piltz, Versorgungsausgleich nach spanischem Recht durch deutsche Gerichte, IPRax 1984, S. 193 f. 9 Vgl. hierzu Jayme, Ausländische Scheidung und inländischer Versorgungsausgleich, FamRZ 1979, S. 557 ff.; OLG Düsseldorf, 19. 11. 1979, FamRZ 1980, S. 698; a. A.: OLG Frankfurt, 4. 5. 1981, FamRZ 1982, S. 77. 10 Jayme, Fragen der internationalen Verbundszuständigkeit, IPRax 1984, s. 121 ff. u BGHZ 75, S. 241 ff., 244.

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(a) Die systematische Stellung der§§ 1587 ff. im BGB; (b) die Ausgestaltung des Ausgleichs als Scheidungsfolge. Der Versorgungsausgleich kann nicht während bestehender Ehe verlangt werden; (c) der Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs, scheidungsbedingte Nachteile zugunsten des sozial schwächeren Ehegatten auszugleichen; (d) der innere Zusammenhang zwischen Scheidungsvoraussetzungen (Zerrüttungsprinzip) und Versorgungsausgleich. Die Erleichterung der Scheidung bedingt eine stärkere wirtschaftliche Sicherung des sozial schwächeren Ehegatten; beide Fragen sollten nicht verschiedenen Rechten unterstellt werden13• Der BGH hat gleichwohl zum Teil eigenständige Regeln für den Versorgungsausgleich entwickelt, und zwar für den Fall gemischt-nationaler Ehen, bei denen ein deutscher Ehegatte beteiligt ist. Hier gilt deutsches Recht für den Versorgungsausgleich unabhängig davon, ob der deutsche Ehegatte die Scheidung beantragt hat oder nicht14• In der Reformdiskussion ist die Neuregelung umstritten15• (1) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (Art. 17 Abs. 3 E) übernimmt die Qualifikation als Scheidungsfolge16• Scheidungsstatut kann aber bei gemischt-nationaler Ehe das Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt sein. In einem solchen Fall ist nach dem Reformentwurf der Versorgungsausgleich nur durchzuführen, wenn ihn das Recht eines der beiden Heimatstaaten kennt. Kann ein Versorgungsausgleich danach nicht stattfinden, so ist er nach deutschem Recht durchzuführen, wenn ein Ehegatte Deutscher ist oder bei der Eheschließung war, ferner auf Antrag eines Ehegatten, wenn der andere Ehegatte in der Ehezeit eine Anwartschaft bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat. (2) Der Bundesrat möchte dagegen den Versorgungsausgleich dem Recht der allgemeinen Ehewirkungen unterstellen17• Er schränkt die 12 Staudinger/v. Bar, Art. 17 Rz.161; MünchKomm- E. Lorenz, Art.17 Rz. 320, 322; a. A. neuestens Göppinger, Scheidungs{folgen)statut und Versorgungsausgleich, FamRZ 1983, S. 777, und ders., Anm. zu OLG Frankfurt, 6. 5. 1983, FamRZ 1983, S. 820-821 {eigenständige Anknüpfung). 13 Vgl. MünchKomm- E. Lorenz, Art.17 Rz. 324. 14 BGH, 8. 6. 1983, IPRax 1983, S. 239; vgl. hierzu Jayme, Zur Neubestimmung des Scheidungsstatuts für gemischt-nationale Ausländerehen, IPRax 1983, s. 221 ff., 222-223. 15 Vgl. hierzu v. Bar, Der Versorgungsausgleich in der !PR-Reform, IPRax 1984, s. 7 ff. 16 BT-Drucks. 10/504 {20. 10. 1983), S. 10 {Text), S. 61-62 (Begründung), S.105 (Gegenäußerung). 17 Ebd., S. 99-100.

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Durchführung des Versorgungsausgleichs auf vielfältige Weise ein, angeblich um eine Benachteiligung des deutschen Ehegatten zu verhindern. M. E. ist dem Bundesrat nicht zu folgen. Er verkennt, daß kollisionsrechtliche Regelungen nicht bestimmte materielle Ziele direkt verfolgen. Zu Recht weist die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung darauf hin, daß es für die "Besserstellung" auf die konkrete Lage der Anwartschaften ankommt' 8 • Der Bundesrat verkennt, daß die deutschen Sachnormen durch die Generalklauseln in der Lage sind, Unbilligkeiten aufzufangen. Im Schrifttum hat v. Bar eine einseitige Kollisionsnorm vorgeschlagen19. Dies berührt eine Kernfrage, ob nämlich das ausländische Recht funktional verwandte Rechtsregeln entwickelt hat. M. E. ist die Allseitigkeit beizubehalten, da viele ausländische Rechte ähnliche Regeln entwickelt haben20• 3. Rückverweisung

Die Rückverweisung durch das ausländische Recht wurde zunächst abgelehne1 • Das Hauptargument ging dahin, daß dem ausländischen Recht der Versorgungsausgleich unbekannt sei. Dieses Argument wird im Schrifttum neuerdings immer mehr angegriffen22 ; das AG Harnburg hat jüngst eine Rückverweisung b ejaht23 • M. E. ist zu unterscheiden. Hat das ausländische System ein kodüiziertes internationales Privatrecht (z. B. das Österreichische Recht), so läßt sich das den ausländischen Sachnormen unbekannte Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs in jenes Kollisionsnormensystem einordnen; eine Rückverweisung ist möglich. Größere Schwierigkeiten bereitet die "versteckte" Rückverweisung, welche sich aus den ausländischen Jurisdiktionsnormen ergibt. Hier spielt m. E. doch eine gewisse Rolle, ob funktionsähnliche Ausgleichsvorschriften vorhanden sind und welche jurisdiktioneilen Regeln insoweit bestehen. Allerdings haben hier viele amerikanische Rechte solche Ausgleichsregeln entwickelt. Insgesamt ist also die Rückverweisung nach allgemeinen Regeln zu prüfen und nicht von vornherein ausgeschlossen.

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Ebd., S. 105. Oben Anm.15. Vgl. Jayme (Anm. 3). OLG Bamberg, 2. 8. 1979, FamRZ 1979, S. 930. Staudinger/v. Bar, Art. 17 Rz. 129. AG H a mburg, 10. 3. 1983, IPRa x 1984, S. 103-104.

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111. Stellungnahme 1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den Versorgungsausgleich ergibt sich aus§ 621 Abs. 2 ZPO, d. h. dem Grundsatz der "internationalen Verbundszuständigkeit". Somit genügt es, daß ein Ehegatte Deutscher ist. Sind beide Eheleute Ausländer, so müssen die Voraussetzungen des § 606 b ZPO vorliegen. Erfolgte die Ehescheidung durch ein ausländisches Gericht, so ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Durchführung eines nachträglichen Versorgungsausgleiches aus der Anwendbarkeit deutschen Rechts, d. h. der sogenannten Statutszuständigkeit. Für die örtliche Zuständigkeit gilt dann § 45 FGG.

2. Der Versorgungsausgleich ist als Scheidungsfolge zu qualifizieren und untersteht daher dem Scheidungsstatut. a) Der BGH hat de lege lata eine Sonderregel für gemischt-nationale Ehen aufgestellt, wenn ein Ehegatte Deutscher ist; hier soll stets deutsches Recht für den Versorgungsausgleich maßgebend sein, auch wenn die Ehe auf Antrag des ausländischen Ehegatten nach ausländischem Recht geschieden wird24 • Dies ist abzulehnen, da der innere Zusammenhang des Sachrechts zwischen Scheidungsvoraussetzung und Scheidungsfolge zerrissen wird. b) De lege ferenda ist dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 10/504, Art. 17, Gegenäußerung der Bundesregierung, S. 105) insoweit zuzustimmen, als der Versorgungsausgleich dem Scheidungsstatut unterstellt wird. Abzulehnen ist der Gegenvorschlag des Bundesrates (ebd., S. 99 f.), welcher das Recht der allgemeinen Ehewirkungen heranziehen möchte. Die Schranke, daß bei gemischt-nationalen Ausländerehen kein Versorgungsausgleich durchzuführen ist, wenn keines der beiden Heimatrechte den Versorgungsausgleich kennt, läßt sich aus dem System der Anknüpfungen begründen, wonach das Staatsangehörigkeitsprinzip grundsätzlich den Vorrang vor dem Aufenthaltsprinzip hat, so daß der - negative - gleichlautende Inhalt der beiden ausländischen Heimatrechte sich hier durchsetzt. Die Erleichterung der Aufgaben in der Praxis - so die Begründung der Bundesregierung (ebd., S. 62 linke Spalte)- trägt m. E. diese Ausnahme nicht, weil ein funktionaler Vergleich mit den ausländischen Rechten vorzunehmen ist. Die vom Regierungsentwurf vorgesehene "Ausnahme von der Ausnahme" (Art. 17 Abs. 3 S. 3 EGBGB) läßt sich insoweit halten, als ein Normenmangel vermieden wird (Nr. 2); sie ist bedenklich, sofern - ohne Rücksicht auf das Scheidungsstatut - das deutsche Recht maßgebend sein soll, wenn ein Ehegatte Deutscher ist oder dies bei der 24

Oben Anm. 14.

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Eheschließung war. Hier ist der Kritik des Bundesrates (ebd., S. 99) zuzustimrnen25. 3. Die Rückverweisung scheitert grundsätzlich nicht daran, daß dem ausländischen System, auf welches das deutsche !PR verweist und dessen Kollisionsnormen im Rahmen der Gesamtverweisung zu prüfen sind, der Versorgungsausgleich unbekannt ist. 4. Ist deutsches Recht anwendbar, so haben Rechtsprechung und Lehre Sonderregeln für Auslandsfälle entwickelt: a) Im Rahmen der Billigkeitsschranke des § 1587 c BGB wird bei einem Staatsangehörigkeitswechsel berücksichtigt, "in welchem Land und unter welchen sozialen Verhältnissen die Ehe tatsächlich geführt worden ist und wieweit nach der kollisionsrechtlich verdrängten Rechtsordnung ebenfalls Unterhalts- und Versorgungspflichten zu erfüllen wären" 28 • Hier ergeben sich m . E. zu billigende Ansätze für eine "zweistufige Theorie" des !PR, die ihre Vorläufer in der sogenannten "DatumTheorie" (Currie, Ehrenzweig) hat. b) Bei der Ermittlung und Berechnung der Anwartschaften sind ausländische Anwartschaften in den inländischen Versorgungsausgleich einzubeziehen27• c) Bei der Art des Ausgleichs ergeben sich Besonderheiten insoweit, als Splitting oder Quasisplitting bei ausländischen Anwartschaften ausscheiden. d) Im Rahmen der Frage, ob § 1587 b Abs. 4 BGB deshalb eingreift, weil die Durchführung des Versorgungsausgleichs unwirtschaftlich wäre, können die sozialrechtlichen Grundsätze der bilateralen Staatsverträge von Bedeutung sein. e) Die Gerichte tendieren dazu, den Ausgleich bezüglich ausländischer Anwartschaften dadurch zu vermeiden, daß ein Ausschluß gemäß § 1587 o BGB nahegelegt wird. Dies erscheint ebenso verständlich wie bedenklich. 5. Sind ausländische Sachnormen anwendbar, so können deutsche Gerichte den Versorgungsausgleich im Rahmen der Scheidungsfolgenregelung durchführen. Dabei geht es meist darum, daß Versorgungsanwartschaften im Rahmen des unterhaltsrechtlichen oder güterrechtlichen Ausgleichs berücksichtigt werden, bzw. die Verpflichtung zu scheidungsbedingten gesonderten Ausgleichszahlungen auslösen. Zu 25 Gegen eine solche "einseitige Vorbehaltsklausel" siehe auch die Stellungnahme des Max-Planck-lnstituts für ausländisches und internationales Privatrecht, RabelsZ 1983, S. 595 ff., 640. 28 Oben Anm. 4. 27 Bergner, IPRax 1982, S. 231.

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Recht geht der Regierungsentwurf von einer allseitigen Kollisionsnorm aus. Der Vorschlag für eine einseitige Kollisionsnorm28 ist m. E. abzulehnen, da er die funktionsähnlichen ausländischen Rechtsinstitute außer Acht läßt. Die Praxis hat sich allerdings nur zögernd an den Versorgungsausgleich nach ausländischem Recht herangetastet29 • 6. M. E. ist nach einer Scheidung im Ausland ein Versorgungsausgleich nachträglich im Inland durchzuführen, wenn die nach deutschem internationalen Privatrecht maßgebende Rechtsordnung den Versorgungsausgleich vorsieht. Thesen I Zusammenfassung Die Einführung des Versorgungsausgleichs in das deutsche Recht hat zu kollisionsrechtlichen Problemen geführt, die unterschieden werden können wie folgt: 1. Die erste Frage betrifft die Zuständigkeit deutscher Gerichte für den

Versorgungsausgleich in den Fällen, in denen die geschiedenen Ehegatten eine ausländische Staatsangehörigkeit oder einen ausländischen Wohnsitz haben. Rechtsprechung und Schrifttum haben die Doktrin der "Verbundszuständigkeit" entwickelt; das Gericht, das für die Parteien zuständig ist (nach deutschem Recht ergibt sich diese Zuständigkeit entweder aus der bloßen deutschen Staatsangehörigkeit oder aus dem Wohnsitz eines Ehegatten; sind beide Ehegatten Ausländer, so ist die Anerkennung der deutschen Ehescheidung im Heimatland der Ehegatten erforderlich), entscheidet auch im Hinblick auf den Versorgungsausgleich.

2. Der Versorgungsausgleich ist Bestandteil des Scheidungsfolgenrechts und folgt deshalb dem Recht, das für die Scheidung maßgeblich ist. Die deutsche Rechtsprechung hat besondere Regeln für den Fall entwickelt, daß ein Ehegatte Deutscher ist; in solchen Fällen wird das deutsche Recht ohne Rücksicht darauf angewandt, welcher der Ehegatten die Scheidung begehrt. In anderen Fällen sind die Regeln des deutschen Rechts nur anwendbar, wenn deutsches Recht auf die Scheidung angewandt wird. Der Entwurf für eine Neugestaltung des internationalen Privatrechts enthält teils Einschränkungen, teils Ausdehnungen dieses Prinzips. Der Versorgungsausgleich, wie ihn das deutsche Scheidungsrecht kennt, greift nur dann Platz, wenn wenigstens eine der für die Vgl. v . Bar, oben Anm. 15. Vgl. neuestens AG Gütersloh, 13. 7. 1983 - 16 F 201182 - betreffend eine Vereinbarung der Eheleute im Hinblick auf die 10. Zusatzbestimmung zum spanischen Scheidungsgesetz Nr. 30/1981, IPRax 1984, S. 214. 2s

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Ehegatten einschlägigen Rechtsordnungen ähnliche Vorschriften kennt. Wenn das anwendbare Recht den Versorgungsausgleich nicht kennt, findet das deutsche Recht nur Anwendung, wenn einer der Ehegatten deutscher Staatsangehöriger ist oder, auf besonderen Antrag, wenn die zu teilenden Rechte in Deutschland erworben wurden. 3. Verweisen die Regeln des internationalen Privatrechts auf ausländisches Recht, so ist ein Renvoi nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das fremde Recht den Versorgungsausgleich nicht kennt. 4. Findet deutsches Recht Anwendung, so kann das verdrängte ausländische Recht dennoch durch die allgemeine Billigkeitsklausel des deutschen Rechts Bedeutung erlangen. Wenn z. B. ein Ehegatte die deutsche Staatsangehörigkeit während des Scheidungsverfahrens erwirbt, kann dies zu einem Wechsel des anwendbaren Rechts führen. Auf der anderen Seite kann die Existenz eines ähnlichen Ausgleichs in einem fremden Recht für die Entscheidung einer Frage relevant werden, ob der Versorgungsausgleich als ungerecht auszuschließen ist. 5. Wenn deutsche Ehegatten im Ausland geschieden werden, kann der Versorgungsausgleich durch deutsche Gerichte nachträglich durchgeführt werden. Summary The compensation of future pension rights of divorced spouses in conßicts of laws - case law and reform proposals

The introduction into German law of the compensation of future pension rights and similar expectancies between divorced spouses, has led to conflicts problems which may be distinguished in the following way: 1. The first question regards the jurisdiction of German courts with regard to such compensation where spouses having a foreign nationality or domicile are concemed. Courts and writers have developed a doctrine of "annexed" jurisdiction; the court which has jurisdiction over the parties (under German law jurisdiction is based either on the mere German nationality or on the habitual r esidence of one spouse; if both are foreign, probable recognition of the German divorce in the spouses' home country is required) decides also with regard to the division of pension rights and other retirement benefits.

2. The compensation and division of pension rights is part of the rules relating to the effects of divorce and, therefore, subject to the law governing divorce. The German courts have developed special rules

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Erik Jayme where one spouse is German; in such cases German law applies regardless of whether the German spouse has asked for the divorce or not. In other cases, the German rules are applicable only where the courts apply German domestic law on divorce. The draft of a statute on private international law contains restrictions and extensions of that principle. The compensation, according to the German divorce law, takes place only where at least one national law of the spouses knows of similar provisions. If the applicable law does not know such compensation of future rights and expectancies, German law applies, if one spouse is a German national or, on special motion, where such rights are accrued in Germany.

3. If the rules on private international law refer to a foreign system, a renvoi is not excluded by the mere fact that such compensation is unknown to the foreign system. 4. If German law applies, the "displaced" foreign law may receive factual significance within the general equity-clauses of German law. If e.g. a spouse acquires the German nationality during the time of the divorce proceedings, this fact may lead to the change of the applicable law. On the other band, the subsistence of similar compensation under foreign law may become relevant for determining whether such compensation is to be excluded as being unjust. 5. If German spouses have been divorced abroad, the compensation of pension rights may be dealt with by German courts later.

Praktische Probleme der Anwendung des deutschen Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung aus familienrechtlicher Sicht Von Ulrich Lardschneider Inhaltsübersicht I. Amts- oder Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Amtsverfahren nach Auslandsscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Verfahren nach Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung 113 II. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III. Kollisionsrechtliche Fragen ........................................ 1. Rechtsprechung des BGH zur Anknüpfung .............. .... .. . . 2. Problematik der Verweisung und Rückverweisung . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung ausländischen Rechts auf den Versorgungsausgleich 4. Wechsel der Staatsangehörigkeit eines Beteiligten .............. ..

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IV. Einbeziehung ausländischer Anwartschaften in den Versorgungsausgleich ........................................................ 1. Allgemeine Fragen der Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung des Versorgungsausgleichs ................ .. ..... . a) Notwendigkeit der Bilanzierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problemfälle der Einbeziehung ....................... .. ..... 3. Unmöglichkeit der Einbeziehung durch den Familienrichter . . . . . . 4. Lösungsversuche . ........................................ . ......

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Thesen

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Zusammenfassung .............................. . .. ................... 125 127

Summary

I. Amts- oder Antragsverfahren

Eine gesetzliche Regelung des Versorgungsausgleichs im internationalen Privatrecht fehlt bislang1• Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den Versorgungsausgleich als Scheidungsfolge dem 1 Vgl. hierzu nunmehr Art. 17 Abs. 3 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Privatrechts- BT-Drucks. 10/ 504.

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Scheidungsstatut des Art. 17 EGBGB zugeordnee. Danach ist der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht durchzuführen, wenn einer der an der Scheidung beteiligten Ehegatten deutscher Staatsangehöriger ist3 • Im Gegensatz zum subsidiären schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, der gern. § 1587 f BGB nur auf Antrag zu regeln ist, hat der Familienrichter den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich von Amts wegen anzuordnen4 • 1. Amtsverfahren nach Auslandsscheidung

In der Regel gleicht der Familienrichter die Versorgungsanrechte der an der Scheidung beteiligten Ehegatten zusammen mit dem Ausspruch der Scheidung aus5 • Hierfür, d. h. für den Einbezug der Folgesache Versorgungsausgleich in den Scheidungsverbund, bedarf es keines Antrages6. Probleme ergeben sich jedoch, wenn die Scheidung nicht im Inland, sondern im Ausland ausgesprochen wurde und das ausländische Gericht den Versorgungsausgleich nicht geregelt hat'. In einem solchen Fall hat der Familienrichter den Ausgleich der § 1587 b BGB unterfallenden Anwartschaften von Amts wegen in einem isolierten Verfahren vorzunehmen. In der Literatur wird unter Berufung auf § 623 Abs. 3 ZPO die Auffassung vertreten, daß der Versorgungsausgleich, auch in seiner öffentlich-rechtlichen Ausprägung, nur auf Antrag zu erfolgen hat8• Aus § 623 Abs. 3 ZPO läßt sich diese Auffassung nicht rechtfertigen. Zweck dieser Vorschrift ist nämlich ausschließlich die Entscheidungskonzentration bei einem Richter und die abschließende Regelung der Scheidungsfolgen bereits bei Ausspruch der Scheidung sicherzustellen9 • Ein Versorgungsausgleich findet aber auch in anderen Fällen der Eheauflösung statt - also nicht nur im Fall einer Scheidung- es sei denn, die Ehe wird durch den Tod eines der Ehegatten aufgelöst. Sowohl im Fall der Nichtigerklärung10 als auch im Fall der 2 BGH, Beschluß vom 7. 11. 1979 IV ZB 159/78 in FamRZ 80, S. 29; BGH, FamRZ 82, S. 795; BGH, FamRZ 82, 8.152; BGH, FamRZ 82, S. 996; BGH, FamRZ 82, S. 585; BGH, FamRZ 83, S. 255; BGH, FamRZ 83, S. 876; vgl. hierzu auch BVerfG, FamRZ 83, S. 1211. 3 BGH, Beschluß vom 8. 6. 1983 IV ZB 620/ 80, FamRZ 83, S. 876. 4 BT-Drucks. 7/4361, S. 67. 5 § 623 ZPO. 6 § 623 Abs. 3 ZPO. 7 Vgl. dazu Anmerkung von Schack, FamRZ 80, S. 339. Auch wenn das Kollisionsrecht des ausländischen Gerichts auf das deutsche Recht verweist, so wird der ausländische Richter den Versorgungsausgleich nicht nach den deutschen Vorschriften regeln können; hierzu fehlen ihm die Eingriffsbefugnisse gestaltend tätig zu werden. 8 Ausführlich Paetzold, in: Rahm, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Rdnr. 512 und die dort zitierten Fundstellen. 9 BT-Drucks. 7/650, S. 87 und 7/ 4361, S. 67. 1o § 26 Abs. 1 EheG.

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Aufhebung einer Ehe11 ist der Versorgungsausgleich Gegenstand eines isolierten Verfahrens12• Eine Verbundentscheidung ist technisch nicht möglich, da die vermögensrechtlichen Folgen binnen 6 Monate nach Rechtskraft der Eheauflösung durch Erklärung eines Ehegatten ausgeschlossen werden können. Aus der Durchführung im isolierten Verfahren kann aber nicht das Antragserfordernis hergeleitet werden. Der Versorgungsausgleich ist Gegenstand der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ob ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit amtswegig oder auf Antrag durchzuführen ist, ergibt sich nicht aus dem Verfahrensrecht, sondern aus den materiellen Vorschriften. In diesen wird das Antragserfordernis ausdrücklich vorgeschrieben13• So bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ausdrücklich einem Verfahrensantrag vorbehalten. Dies gilt aber nicht für § 1587 h BGB. Die materiellrechtlichen Vorschriften unterscheiden beim Versorgungsausgleich nicht nach Inlands- und Auslandsscheidungen, so daß der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich des § 1587 b BGB auch bei einer Auslandsscheidung von Amts wegen stattfindet. 2. Verfahren nach Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung

Die tatsächliche Durchführung des Versorgungsausgleichs nach einer im Inland anerkannten Auslandsscheidung ist jedoch nur zufällig. Ein Verfahrensantrag wird in der Regel nicht gestellt. Für die Landesjustizverwaltung besteht keine gesetzliche Verpflichtung, die Anerkennung einer Auslandsscheidung zum Zwecke des Versorgungsausgleichs dem Familiengericht mitzuteilen. Die Landesjustizverwaltung ist kein Gericht, das von Amts wegen tätig werden müßte. Das Familiengericht erhält in der Regel Kenntnis von einer Auslandsscheidung nur über eine etwaige unterlassene Regelung der elterlichen Sorge oder einem im Inland vor dem zuständigen Richter anhängigen Scheidungsantrag, welcher im Hinblick auf eine zwischenzeitlich im Ausland ausgesprochene und im Inland anerkannte Scheidung zurückgenommen wird. Der vom Gesetzgeber bezweckte Schutz des nicht versorgten Ehegatten und die weitgehend eingeschränkte Dispositionsfreiheit der Ehegatten über den Versorgungsausgleich im Falle einer Scheidung wird damit unterlaufen. Faktisch handelt es sich beim nachträglichen Versorgungsausgleich gemäß § 1587 b BGB um ein Antragsverfahren. 11

§ 37 Abs. 1 EheG.

BT-Drucks. 7/650, S. 94. B ayObLG, NJW 66, S. 1322; BT-Drucks. 7/ 4361 , S. 46; die Ansicht von Ruland, in: Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, Rdnr. 668, wonach es im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich eines Verfahrensantrags bedarf, ist unzutreffend. Das Gegenteil ist der Fall. 12

13

8 Ve rsorgungsausgleich

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II. Internationale Zuständigkeit Für das Verfahren über den Versorgungsausgleich fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung der intemationalen Zuständigkeit. Der Bundesgerichtshof leitet die intemationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus dem Scheidungsverbund des § 623 ZPO her14• Dies ist die nunmehr herrschende Auffassung und wird auch hinsichtlich der vergleichbaren amtswegigen Regelung der elterlichen Sorge für im Ausland lebende ausländische Kinder, deren Ehe von einem deutschen Gericht geschieden wird, vertreten. Bedenken bestehen gegen diese Auffassung, da der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 623 ZPO keine neue zusätzliche intemationale Zuständigkeit einführen wollte. § 623 ZPO bezweckt die einheitliche Entscheidung des Scheidungsbegehrens und der Scheidungsfolgen und setzt die intemationale Zuständigkeit aufgrund anderer Vorschriften voraus. Die intemationale Zuständigkeit ergibt sich des weiteren aus der Beteiligung eines deutschen Staatsangehörigen an einer Scheidung. Besitzen die Ehegatten eine ausländische Staatsangehörigkeit, so ist die intemationale Zuständigkeit fraglich. Um eine unterschiedliche Beurteilung der intemationalen Zuständigkeit zu vermeiden, je nachdem, ob die ausländischen Ehegatten von einem deutschen oder einem ausländischen Gericht geschieden werden, ist im Anschluß an den Bundesgerichtshof15 die intemationale Zuständigkeit bei einem isolierten Verfahren, die nicht unter § 623 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO fallen, anzunehmen. Auch in diesen Fällen besteht ein sachlich starker Bezug zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich16. Dies führt aber dazu, daß bei einer Auslandsscheidung von ausländischen Staatsangehörigen ohne Beteiligung eines deutschen Staatsangehörigen - der Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen ist, falls das Heimatrecht der geschiedenen Ehegatten auf das deutsche Recht verweist. 111. Kollisionsrechtliche Fragen 1. Rechtsprechung des BGH zur Anknüpfung

Auch wenn der Bundesgerichtshof in einer eingehenden Judikatur zur verfassungsrechtlichen Problematik des Art. 17 EGBGB 17 in Bezug auf das Recht des Versorgungsausgleichs und dessen kollisionsrechtlicher 14

BGH, FamRZ 80, S. 29, 30.

15 Vgl. Anm. 14. 16 Die internationale Zuständigkeit folgt der internationalen Zuständig-

keit für den Scheidungsausspruch. Liegen die Voraussetzungen des § 606 b ZPO vor, so besteht auch für die Scheidungsfolgen die internationale Zuständigkeit. Konnte im Inland die Scheidung ausgesprochen werden, so gilt dies auch für das isolierte Versorgungsausgleichsverfahren. 17 BGH, FamRZ 83, S. 255 und FamRZ 83, S. 876.

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Anknüpfung weitgehende Klärung für die Praxis herbeigeführt hat, so sind noch Probleme offen. Bei Beteiligung ausländischer Staatsangehöriger an der Scheidung sind maßgebend die gemeinsame Staatsangehörigkeit oder das Recht des Staates, dem beide Ehegatten zuletzt angehört haben, wenn einer der Ehegatten diesem Staat noch angehört18• Nicht entscheidend ist hierbei offensichtlich, ob es sich um die effektive Staatsangehörigkeit handelt, zu welcher ein Mehrstaater die stärkere Bindung hat. Bei gemischtnationalen Ehen, in denen ein Ehegatte die deutsche Staatsangehörigkeit hat, klaffen hinsichtlich des Versorgungsausgleichs Scheidungs- und Scheidungsfolgenstatut auseinander. Der Bundesgerichtshof wendet bei einer solchen Fallkonstellation auf die Scheidungsfolgen, und damit auch auf den Versorgungsausgleich, ausschließlich deutsches Recht an. Dies gilt auch dann, wenn nur der ausländische Ehegatte Scheidungsantrag gestellt hat19• Die für die Scheidung selbst maßgebenden Normen entnimmt der Bundesgerichtshof dem jeweiligen Heimatrecht des Antragstellers. Dieselben Grundsätze gelten auch bei einer Auslandsscheidung eines deutschen Staatsangehörigen. Ob deutsches Scheidungsfolgenrecht eingreift und der Versorgungsausgleich nach deutschen Recht durchzuführen ist, kann demzufolge nicht davon abhängen, welcher Ehegatte das Scheidungsverfahren vor dem ausländischen Gericht betrieben oder wer die Anerkennung der Scheidung durch die Landesjustizverwaltung beantragt hat20 • Ausdrücklich offen gelassen hat der Bundesgerichtshof die Fallgestaltung, daß keiner der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit hat und eine gemeinsame Staatsangehörigkeit nie gegeben war•. Lediglich hinsichtlich des Scheidungsbegehrens läßt der BGH eine unterschiedliche Anknüpfung zu, während er für die Scheidungsfolgen eine einheitliche Anknüpfung postuliert. Als Lösung bietet sich hier die Anwendung des Rechts des gemeinsamen, hilfsweise des letzten gemeinsamen Aufenthalts der Ehegatten an22 • 2. Problematik der Verweisung und Rückverweisung

Ebenso problematisch sind die Verweisung und Rückverweisung auf das inländische Recht, wenn das ausländische materielle und das ausländische Kollisionsrecht ein dem Versorgungsausgleich vergleichbares BGH, FamRZ 83, S. 255. BGH, FamRZ 83, S. 876. 20 Bei Scheidung im Ausland ist der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht immer dann durchzuführen, wenn eine Scheidung im Inland deutschem Recht unterstanden hätte- OLG Düsseldorf, FamRZ 1980, S. 698. 2t BGH, FamRZ 83, S. 255, 257. 21 Henrich, IPRax 83, S.161, 162; so auch nunmehr der BGH, FamRZ 84, s. 350. 18

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Rechtsinstitut nicht kennt. Vertretbar ist es und wird weitgehend in der richterlichen Praxis so gehandhabt, in einem derartigen Fall den Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Denn es soll kein Ehegatte mit dem Versorgungsausgleich belastet oder begünstigt werden, dessen Heimatrecht eine gleiche oder ähnliche Regelung nicht vorsieht. Andererseits aber widerspricht es dem Gerechtigkeitsgefühl, ausländische Ehegatten, die sich auf Dauer im Inland niedergelassen und keine faktische Beziehung zu ihrem Heimatland mehr haben, und die im Inland wie deutsche Staatsangehörige teils mit staatlicher Hilfe eine Alters- und Invaliditätsversorgung erworben haben, vom Versorgungsausgleich auszunehmen. Ein Hauptargument für die Reglementierung des Versorgungsausgleichs ist, daß andernfalls die unversorgt geschiedene Ehefrau der staatlichen Sozialhilfe anheimfallen würde. Dies gilt aber auch bei im Inland lebenden ausländischen Staatsangehörigen. Bei einer Verweisung auf das deutsche Aufenthaltsstatut wird daher der Versorgungsausgleich durchzuführen sein. Dies gilt insbesondere für das "domicile" des englischen und nordamerikanischen Rechtssystems, das das anzuwendende materielle Recht der lex fori unterstellt. 3. Anwendung ausländischen Rechts auf den Versorgungsausgleich

Bei einer Verweisung auf das ausländische Recht ohne Rückverweisung steht der Familienrichter vor einem von ihm zur Zeit nicht lösbaren Problem der Ermittlung des ausländischen Sozialrechts. Der Familienrichter hat insbesondere zu prüfen, ob der im Ausland vorgesehene Schutz des unversorgt geschiedenen Ehegatten dem inländischen Versorgungsausgleich entspricht. Die Beurteilungskriterien sind eng zu ziehen. In Betracht dürfte nur ein System kommen, das ähnlich wie in § 1587 Abs. 1 BGB die Aufteilung von individuell mit eigenen Mitteln der Ehegatten erworbene Versorgung vorsieht. Volksrenten dürften nicht darunter fallen. Hinzu kommt, daß der deutsche Richter nicht gestaltend in ausländische Versorgungssysteme eingreifen kann. 4. Wechsel der Staatsangehörigkeit eines Beteiligten

Das für den Versorgungsausgleich maßgebende Statut ist wandelbar. Dies ist dann der Fall, wenn einer der Ehegatten die Staatsangehörigkeit wechselt, insbesondere Deutscher wird. Problematisch kann sein, wie der Versorgungsausgleich zeitlich zu berechnen ist, d. h. vom Beginn der Ehezeit oder vom Wechsel der Staatsangehörigkeit an. Die erste Alternative dürfte richtig sein, da nach dem System des Versorgungsausgleichs die erworbene Versorgung als Ergebnis der gesamten Ehezeit betrachtet wird23 • 23

Vgl. hierzu BGH, FamRZ 8, S. 585.

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IV. Einbeziehung ausländischer Anwartschaften in den Versorgungsausgleich 1. Allgemeine Fragen der Einbeziehung

Zwischen den geschiedenen Ehegatten findet ein Versorgungsausgleich statt, soweit einer der Ehegatten Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung für den Fall des Alters oder der Invalidität während der Ehezeit durch Arbeit oder mittels eigenem Vermögen erworben hat. Auch laufende Versorgungsleistungen sind auszugleichen. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Versorgungen, so daß auch ausländische Versorgungen in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind. Allein der Umstand, daß ein ausländisches Versorgungssystem eine zeitanteilige Aufteilung von Versorgungen und deren Teilung auf zwei Personen nicht kennt, rechtfertigt es nicht, eine solche nicht "teilbare" Anwartschaft im Versorgungsausgleich unberücksichtigt zu lassen14 • Der Familienrichter steht vor derselben Problematik, wenn er inländische Versorgungen teilen soll. Denn kein Versorgungssystem ist bei seiner Schaffung daraufhin konzipiert worden, Versorgungen und deren Anwartschaften zu teilen. In der Regel ist nämlich die Versorgung das Ergebnis eines gesamten Arbeitslebens des Versorgungsberechtigten und auf diesen individuell zugeschnitten. So sind maßgebend für die Höhe der Versorgung Beschäftigungsdauer, Vermögensaufwand, berufliche Stellung, Lebensalter etc. Mit dem Versorgungsausgleich hat es an sich nichts zu tun, daß sich der Erwerb von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zeitanteilig feststellen läßt. Aber auch die gesetzliche Rentenversicherung erfordert bei nominal gleicher Rente einen verschiedenen Kapitalaufwand nach den unterschiedlichen Lebensdaten der am Ausgleich beteiligten Ehegatten, so daß auch die Teilung der gesetzlichen Rente durch Begründung eigener Rentenanwartschaften systemwidrig ist. Ob und wie eine Versorgung - also auch eine ausländische Versorgung- in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, zu bewerten und auszugleichen ist, ergibt sich nicht aus der jeweiligen Versorgungsordnung, sondern aus §§ 1587 Abs. 1, 1587 a, 1587 b, 1587 g BGB:5• Nur hinsichtlich der Durchführung der Realteilung macht das Gesetz eine Ausnahme. Der Gesetzgeber hat in den Bewertungsvorschriften des § 1587 a BGB versucht, unter Anpassung an die jeweiligen Versorgungssysteme einen zeitlichen Aufteilungsmodus und eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Versorgungssysteme zu finden. Soweit sich in§ 1587 a 24 Vgl. hierzu Sonnenberger, IPRax 81, S. 50 und IPRax 81, S. 207, sowie Bürgle, IPRax 81, S. 126. 25 So aber Sonnenb erger, IPRax 81, S. 207.

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Abs. 1-Abs. 4 BGB kein Bewertungsmaßstab findet, was wohl für alle ausländischen Versorgungen gelten dürfte, da der Gesetzgeber sich bei der Schaffung der Bewertungsvorschriften offensichtlich nur von den bekannten inländischen Versorgungssystemen leiten ließ, muß der Familienrichter unter sinngemäßer Anwendung der Bewertungsvorschriften nach billigem Ermessen bewerten. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine rechtliche Einordnung, die ein Gutachter dem Familienrichter nicht abnehmen kann. Sie ist richterliche Aufgabe und setzt außer der Kenntnis der persönlichen Daten des Versicherten die Kenntnis der jeweiligen Versorgungsordnung durch den Richter voraus. 2. Durcllfübrung des Versorgungsausgleichs

Die Einbeziehung ausländischer Anwartschaften in den Versorgungsausgleich vollzieht sich in folgenden Schritten: (1) Qualifizierung der ausländischen Versorgung ausschließlich gemäß § 1587 Abs.1 BGB. Wenn sie die Tatbestandsmerkmale erfüllt, muß der Familienrichter eine Bewertung und Teilung vornehmen. (2) Berechnung einer fiktiven Rente auf den künftigen Rentenfall unter Berücksichtigung der Bemessungsgrundlagen zum Ende der Ehe. (3) Ermittlung des Ehezeitanteils. (4) Ermittlung eines gemeinsamen Vergleichsmaßstabes sämtlicher Versargungen der beteiligten Ehegatten. (5) Gegenüberstellung der Versorgungen und Feststellung der Ausgleichspflicht. (6) Durchführung des Ausgleichs in den Formen des öffentlich-rechtlichen und schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs.

a) Notwendigkeit der Bilanzierung? Das geltende System des Versorgungsausgleichs setzt eine Bilanzierung, eine Gegenüberstellung der einzelnen Versorgungen voraus. Ausgleichspflichtig ist der Ehegatte mit den werthöheren Anwartschaften. Dies bedeutet in der Regel, daß stets - zur Feststellung der Bilanz - die ausländischen Versorgungsanrechte eines der beteiligten Ehegatten bewertet werden müßten. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgleichsformen des § 1587 b und der §§ 1 Abs. 2 und 3 sowie 2 VAHRG ist eine solche Bewertung nicht in jedem Fall vorzunehmen. Das Splitting!' und das Quasisplittingz7 (einschließlich dem erweiterten Quasisplitting)28 betreffen nur die inländische gesetzliche Rentenversicherung, die Beamtenversorgung und die Versorgungen öffentlich§ 1587 b Abs. 1 BGB. n § 1587 b Abs. 2 BGB. 28 § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. 2. 1983 (VAHRG). 2e

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rechtlicher Träger. Nur insoweit greift der Familienrichter rechtsgestaltend in die Versorgung ein und begründet in der gesetzlichen Rentenversicherung Anrechte für den Begünstigten. Soweit ein Ausgleich in der genannten Form nicht stattfinden kann, greift subsidiär die schuldrechtliche Ausgleichsform ein29 • Diese ist damit auch die für die ausländischen Anwartschaften einzig mögliche Ausgleichsform, es sei denn, die Ehegatten treffen eine abweichende Vereinbarung, oder der Richter führt den Versorgungsausgleich gern. § 1587 b Abs. 4 BGB in anderer Weise durch. Zwar hat der Familienrichter real30 zu teilen, d. h. eigenständige Anrechte für den Ausgleichsberechtigten bei der Versorgung des Ausgleichspflichtigen zu begründen, wenn dies die Versorgungsordnung des Verpflichteten vorsieht. Nach dem Gesetzeswortlaut dürfte eine vom ausländischen Versorgungsträger vorgeschriebene Realteilung verbindlich sein. Es liegt aber kein einsichtiger Grund vor, daß sich ein ausländischer Versorgungsträger mit einer solchen Realteilung belastet. Auch die schuldrechtliche Ausgleichsform setzt eine Bewertung voraus31. Im Gegensatz zur fiktiven Hochrechnung der Rente, die beim Ausgleich von Anwartschaften im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich notwendig ist, kann die tatsächlich gezahlte ausländische Rente dem Ausgleich zugrunde gelegt werden. In der Regel wird sich der Ehezeitanteil durch eine zeitratierliche Aufteilung ermitteln lassen, so daß eine Auswertung der jeweiligen ausländischen Versorgungsordnung sich erübrigt. Hinzu kommt, daß bei mehreren Versorgungendes Ausgleichspflichtigen jede für sich ausgeglichen wird. Das Problem der vorgeschriebenen Bilanzierung entschärft sich weiterhin dadurch, daß im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht mehr als die Hälfte der einzelnen auszugleichenden Versorgung ausgeglichen werden darf32, somit der Einbezug einer ausländischen Anwartschaft nicht zu einer Erhöhung der Ausgleichsquote führen darf (Verbot des "Supersplittings"). Eine ausländische Rentenanwartschaft auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehegatten muß demnach ohne Anrechnung auf die anderen Anwartschaften des Pflichtigen für sich im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich aufgeteilt werden33 •

2 VAHRG. 1 Abs. 2 V AHRG. 31 1587 g BGB. 32 1587 b Abs. 1 und Abs. 2 BGB. 33 Zu den verschiedenen Anrechnungsstufen vgl. ausführlich Gutdeutschi Lardschneider, in: FamRZ 83, S. 845, 850 und Lardschneider, in: Rahm, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Rdnr. 245.1. 29

3o

§ § § §

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-ulrich Lardschneider

b) Problemfälle der Einbeziehung Als Problemfall der Einbeziehung ausländischer Anwartschaften verbleibt im Bereich der Bewertung und Bilanzierung die Anrechnung von solchen Anrechten des Ausgleichsberechtigten auf Anrechte des Ausgleichsverpflichteten. Es ist immer zuerst der Ausgleichsverpflichtete anhand der inländischen Anwartschaften zu ermitteln. Hat der nach dieser ersten Bilanzierung festgestellte Ausgleichsverpflichtete zusätzlich ausländische Versorgungsanrechte (vgl. vorstehend), so sind diese dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten. Hat dagegen der aufgrund dieser ersten Gegenüberstellung ermittelte Ausgleichsberechtigte zusätzliche ausländische Anwartschaften, so kann es zwei Fallgestaltungen geben: (1)

(2)

Bleiben die Anwartschaften des Berechtigten insgesamt hinter den Anwartschaften des anderen Ehegatten zurück, so kommt es im öffentlichrechtlichen Ausgleich zu einer Verrechnung nach der Verrechnungsvorschrift des§ 1587 b Abs. 3 Satz 3 BGB. Übersteigen die Anwartschaften insgesamt die Anwartschaften des anderen Ehegatten, so dreht sich die Ausgleichspflicht um, was zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich führt.

Die Fallgruppe (1) ist noch zu modifizieren. Hat der Ausgleichsverpflichtete neben Anwartschaften, die der Teilung nach § 1587 b Abs. 1 und 2 BGB, § 1 Abs. 2 und 3 VAHRG unterliegen, sonstige Anwartschaften, und übersteigen diese die ausländischen Anwartschaften des anderen Ehegatten, so greüt wiederum der schuldrechtliche Versorgungsausgleich subsidiär ein. Haben beide Ehegatten ausländische Anrechte, so ist auf jeden Fall eine Bilanzierung durchzuführen. Im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ist das Problem der Gegenverrechnung geringer, da der Nominalbetrag der eingewiesenen Rente ohne weitere Umrechnung gegenübergestellt werden kann. 3. Unmöglichkeit der Einbeziehung durch den Familienrichter

Die Bilanzierung nach § 1587 a Abs. 1 BGB und der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich unter Einbeziehung ausländischer Anrechte müssen scheitern - im Gegensatz zum Ausgleich ausschließlich inländischer Anrechte - , wenn: der Familienrichter keinen Zugang zur ausländischen Versorgungsordnung hat, oder (2) der Inhaber ausländischer Anrechte unbekannten Aufenthalts ist, was sehr häufig vorkommt, (3) im Ausland lebt und an der Aufklärung seiner Anrechte nicht mitwirkt, (4) insbesondere den Versorgungsträger nicht von der Verschwiegenheitspflicht befreit, oder (5) letzterer dennoch die Auskunft verweigert.

(1)

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Im Inland erteilen die Versorgungsträger auf Anforderung des Gerichts Rentenauskünfte, die der Richter überprüfen kann. Zur Mitteilung der für die Berechnung maßgebenden Daten und der Versorgungsordnungen sind die Versorgungsträger verpflichtet 34 • Eine vergleichbare Verpflichtung ausländischer Versorgungsträger besteht nicht. Erteilen dennoch ausländische Versorgungsträger Auskünfte und berechnen diese die Rentenanwartschaft, so dürfte die Auskunft ohne Kenntnis der individuellen für die Versorgung maßgebenden Daten des Versicherten und der Versorgungsordnung unbrauchbar sein. Der ausländische Versorgungsträger kennt entweder die Anforderungen, die der deutsche Versorgungsausgleich an seine Auskunft stellt, nicht, oder steht diesem Rechtsinstitut recht hilflos gegenüber. Es ist nicht nur damit getan, daß dem Richter eine nach den Grundsätzen des Versorgungsausgleichs hochgerechnete Rente mitgeteilt wird, sondern der Richter braucht noch Informationen über die Versorgung, um sie zeitbezogen aufteilen und den anderen Versorgungen vergleichbar machen zu können. Zumindest aber ist das Verfahren zur Ermittlung ausländischer Anwartschaften aufgrund der notwendigen Rückfragen so zeitraubend, daß es zur sonstigen Arbeitsbelastung eines Familienrichters und zur Bedeutung der Sache in keinem akzeptablen Verhältnis steht. Abhilfe können Gutachten schaffen. Wenn der Familienrichter die Entscheidungsgrundlagen des Gutachtens nicht kennt (Versorgungsordnung, persönliche Versicherungsdaten des Versicherten) kann er, nimmt er seine richterliche Verantwortung auch für den Versorgungsausgleich ernst, das Gutachten nicht in seine Entscheidung übernehmen. 4. Lösungsversuche

In der Praxis wird daher versucht, dem Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung auszuweichen. Dies beweisen die zahllosen Versuche, bereits über die kollisionsrechtliche Anknüpfung den Versorgungsausgleich auszuschließen. Dies ist auch die Motivation dafür, das isolierte Ausgleichsverfahren mit Auslandsbezug dem Antragserfordernis zu unterstellen. In der Judikatur findet sich demnach kaum eine Entscheidung, die sich mit einer ausländischen Versorgungsordnung auseinandersetzt. Schließlich sind die meisten scheidungswilligen Ehegatten mehr an einer baldigen Scheidung, als an der Durchführung und Förderung des Versorgungsausgleichs interessiert- ausgenommen vielleicht Ehegatten, die sehr lange verheiratet waren und die Ehefrau unversorgt ist, und Ehegatten, die auf diese Weise die Scheidung verzögern wollen. 34

§ 53 b FGG und § 11 V AHRG.

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Es bieten sich folgende Lösungen an, wenn die ausländischen Anwartschaften nicht ermittelbar sind: (1) Vereinbarung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs insgesamt, was jedoch bei dem Einbezug einer Beamtenversorgung der Zustimmung des Versorgungsträgers bedarf; (2) Genehmigung eines Verzichts, wenn aufgrund eigener inländischer Anrechte eine hinreichende Alters- und Invaliditätssicherung gegeben ist, oder Genehmigung einer sonstigen Vereinbarung im Rahmen des § 1587 o BGB; (3) Ausgleich nur der inländischen Anwartschaften, die während des gemeinsamen Aufenthalts der Parteien im Inland erworben wurden; (4) überschlagsmäßige Prüfung, ob nach der Zeitdauer der Mitgliedschaft bei der ausländischen Versorgung, aufgrundfehlender Wartezeiten, aufgrund entfallener Versicherungspflicht noch eine verfallbare Anwartschaft vorliegt und ob der Versicherte die Voraussetzungen zum Bezug einer Rente in Zukunft noch schaffen wird; (5) Ausschluß, auch Teilausschluß nach § 1587 c BGB, wenn der Ausgleichspflichtige ausschließlich inländische Anwartschaften öffentlich-rechtlich auszugleichen hat, und der andere Ehegatte, der ausschließlich ausländische Anrechte besitzt, zu deren Feststellung nichts beiträgt. In diesem Fall dürfte es rechtlich möglich sein, dem Ausgleichsberechtigten für den Fall, daß die ausländischen die inländischen Anrechte übersteigen, den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten. Hinsichtlich der Ziffern (3) und (4) können rechtliche Bedenken bestehen, da zum Nachteil der Rentenversicherung im Inland die gemäß § 1587 b BGB verbindliche Ausgleichsquote verändert werden kann. Aufgrund von Versicherungsabkommen können auch ausländische Versicherungszeiten im Inland anerkannt werden.

Thesen 1. Auch bei Auslandsscheidungen ist amtswegig zu prüfen, ob der Versorgungsausgleich durchzuführen ist.

2. Aus § 623 Abs. 3 ZPO läßt sich nicht herleiten, daß außerhalb des Scheidungsverbundes der Versorgungsausgleich nur auf Antrag durchzuführen ist; lediglich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich des § 1587 f ff. BGB und des § 2 V AHRG unterliegt dem Verfahrensantrag. 3. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei Auslandsscheidungen im isolierten Verfahren ist nur zufällig. Ein Verfahrensantrag wird in der Regel nicht gestellt. Für die Landesjustizverwaltungen besteht keine gesetzliche Pflicht, die Anerkennung einer Auslandsscheidung zum Zwecke des Versorgungsausgleichs dem Familiengericht mitzuteilen.

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4. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus der Verbundzuständigkeit des § 623 ZPO. Im isolierten Verfahren - außerhalb des Scheidungsverbunds ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus der Beteiligung eines deutschen Staatsangehörigen. Es liegt eine unterschiedliche Behandlung vor: im Verbundverfahren wird auch bei ausländischen Staatsangehörigen die internationale Zuständigkeit bejaht. 5. Das anzuwendende materielle Recht folgt dem Scheidungsstatut. a) Bei Beteiligung ausländischer Staatsangehöriger bei Scheidung der Ehe ist maßgebend die gemeinsame Staatsangehörigkeit oder das Recht des Staates, dem beide Ehegatten zuletzt angehört haben, wenn noch einer der Ehegatten diesem Staat angehört. Das in Betracht kommende Aufenthaltsrecht (letzter gemeinsamer Aufenthalt) führt zur Anwendung des deutschen Rechts bei gemischtnationalen ausländischen Ehen, nicht dagegen, wenn beide Ehegatten dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen. b) Bei gemischtnationalen Ehen, in denen ein Ehegatte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, klaffen bezüglich des Versorgungsausgleichs Scheidungs- und Scheidungsfolgenstatut auseinander. Dies gilt auch dann, wenn nur der ausländische Ehegatte Scheidungsantrag stellt. Im isolierten Verfahren zum Ausgleich von Versorgungsanwartschaften nach Auslandsscheidung kann daher nicht maßgebend sein, wer den Scheidungsantrag gestellt hat oder wer die Anerkennung vor der Landesjustizverwaltung betrieben hat. 6. Ungeklärt ist, ob im Wege der Rückverweisung bei ausländischen Ehegatten der Versorgungsausgleich zur Anwendung kommt, wenn das ausländische materielle Recht und das Kollisionsrecht ein dem Versorgungsausgleich vergleichbares Institut nicht kennt. Das "domicile" des englischen Rechtssystems dürfte zur Anwendung führen, da maßgebend die lex fori ist (Jurisdiktion). 7. Dem Versorgungsausgleich unterliegen nicht nur inländische Anwartschaften auf eine Versorgung für den Fall des Alters oder/und der Invalidität; in den Ausgleich sind ausländische Anwartschaften einzubeziehen. Kennt eine ausländische Versorgungsordnung eine zeitabschnittliehe Bewertung nicht, so ist die Versorgung oder deren Anwartschaft nicht aus diesem Grund vom Ausgleich auszunehmen.

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8. Ausländische Anwartschaften sind im amtswegigen öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich nur im Wege der Gegenverrechnung auszugleichen. Eine Realteilung kommt theoretisch in Betracht. a) Hat nur der Ausgleichspflichtige eine Versorgungsanwartschaft nach ausländischem Recht erworben - entweder alleine oder neben einer inländischen Anwartschaft - so kann diese nur im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichen werden. b) Hat der nach Gegenüberstellung der inländischen Anwartschaften Ausgleichsberechtigte noch zusätzlich ausländische Anwartschaften, so kommt immer eine Verrechnung mit Anwartschaften des Pflichtigen, die nach § 1587 b Abs. 1 und Abs. 2 ("Splitting" und "Quasisplitting") auszugleichen sind, und damit eine vorausgehende Bewertung in Betracht. 9. Die Bewertung ist gern. § 1587 a Abs. 4 BGB vorzunehmen. Sie ist richterliche Aufgabe und setzt außer den persönlichen Daten des Versicherten die Kenntnis der jeweiligen Versorgungsordnung durch den Richter voraus. 10. Der Ausgleich scheitert, anders als bei der Ermittlung inländischer Anwartschaften, wenn der Inhaber ausländischer Anwartschaften: - unbekannten Aufenthaltes ist, - im Ausland lebt und keine Auskünfte gibt, oder - den Versorgungsträger von der Verschwiegenheitspflicht nicht befreit, oder der Versorgungsträger die Auskunft verweigert. 11. Soweit eine Gegenverrechnung mit ausländischen Versorgungen notwendig erscheint, bieten sich folgende Lösungen an: -

-

Parteivereinbarung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs insgesamt; Aufteilung nach Zeitabschnitten entsprechend dem jeweiligen gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten; überschlagsmäßige Prüfung, ob nach der Zeitdauer der Mitgliedschaft bei der ausländischen Versorgung, aufgrund der Erfüllung von Wartezeiten, aufgrund andauernder Versicherungspflicht etc. eine unverfallbare Anwartschaft vorliegt und eine Anrechnung auf inländische Versorgungen, die öffentlichrechtlich auszugleichen sind, in Frage kommt; Ausschluß, auch Teilausschluß nach § 1587 c BGB, wenn der Ausgleichspflichtige ausschließlich inländische Anwartschaften öffentlich-rechtlich auszugleichen hat, die während der Trennungszeit erworben wurden.

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Zusammenfassung Eine gesetzliche Regelung des Versorgungsausgleichs im internationalen Privatrecht fehlt bislang. Der Bundesgerichtshof hat nun in ständiger Rechtsprechung ein System der privatrechtliehen Anknüpfung entwickelt, das jedoch nicht in allen Fällen befriedigt. Der BGH greift einerseits auf die "Kegel'sche Leiter" zurück, will aber andererseits dem Prinzip des deutschen IPR, der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, soweit wie möglich den Vorrang geben. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich unterliegt dem Amtsverfahren und ist zusammen mit dem Ausspruch der Scheidung durchzuführen. Auch bei Auslandsscheidungen deutscher Staatsangehöriger ist in einem isolierten Verfahren vom Familienrichter - ohne daß es hierzu eines besonderen Antrags bedarf - der Ausgleich der von den Ehegatten erworbenen Anwartschaften vorzunehmen. Dies bedeutet eine besondere Schwierigkeit für die Familiengerichte, da sie nur zufällig von einer Auslandsscheidung erfahren. Dagegen gilt für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auch bei Auslandsscheidungen das Antragserfordernis. Haben die Ehegatten nur im Ausland gelebt, so dürften sie in der Regel keine inländischen Anwartschaften erworben haben. In diesen Fällen bleibt es dann beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, welcher auf Antrag durchzuführen ist. Letztlich dürfte daher ein Versorgungsausgleich, sei es in seiner öffentlich- oder schuldrechtlichen Ausprägung nur auf "Anregung" einer der beteiligten Ehegatten durchzuführen sein. Der vom Gesetzgeber bezweckte Schutz des nicht versorgten Ehegatten und die deshalb weitgehend eingeschränkte Dispositionsfreiheit der beteiligten Ehegatten wird bei Auslandsscheidungen somit in der Regel unterlaufen. Nach der nunmehr herrschenden Auffassung sind die deutschen Gerichte international zuständig, soweit es auch um den Ausgleich ausländischer Anwartschaften und Versorgungsrechte geht, oder inländische Versorgungen von Ehegatten, die im Ausland geschieden wurden, auszugleichen sind. Dies gilt auch für ausländische Staatsangehörige, wenn das Heimatrecht auf das deutsche Recht verweist. Die internationale Zuständigkeit folgt nicht nur aus dem Scheidungsverbund des § 623 ZPO, sondern ist auch für die isolierten Verfahren gegeben. Für die kollisionsrechtliche Anknüpfung sind nach der Rechtsprechung des BGH drei Fallgestaltungen zu unterscheiden: (1) gemischtnationale Ehen mit Beteiligung eines deutschen Staatsangehörigen; (2) gemischtnationale Ehen ohne Beteiligung eines deutschen Staatsangehörigen; (3) Ehen mit gemeinsamer oder ehemals gemeinsamer Staatsangehörigkeit mit ständigem Aufenthalt im Inland oder Ausland.

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In der Fallgestaltung (1) ist immer der deutsche, in der Fallgestaltung (3) ist dann der deutsche Versorgungsausgleich durchzuführen, wenn der gemeinsame Aufenthalt im Inland gelegen ist. Problematisch sind die Fälle der Rückverweisung, wenn das ausländische Recht kein dem Institut des Versorgungsausgleichs vergleichbares Recht kennt, oder die Fälle, daß ein ausländisches Recht ein vergleichbares Institut kennt. Letzterem Fall vergleichbar ist, wenn ein ausländischer Richter bei Verweisung in das deutsche Recht den Versorgungsausgleich anwenden soll. Sowohl der deutsche als auch der ausländische Richter dürften gehindert sein, hoheitlich in Rechte Dritter einzugreifen, wie es der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich vorsieht. Von der vorgenannten kollisionsrechtlichen Anknüpfung ist der Einbezug ausländischer Rechte in den Versorgungsausgleich zu unterscheiden. Wenn das System des Versorgungsausgleichs nicht in Frage gestellt werden soll, müssen ausländische Versorgungen, so wie es§ 1587 BGB anordnet, mit in den Ausgleich einbezogen werden. Nur über eine Billigkeitsentscheidung nach § 1587 c BGB lösbar sind die Fälle, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte Ansprüche und Anwartschaften auf eine Versorgung hat, die weder durch Arbeit noch durch Vermögen während der Ehezeit erworben wurden. Ob und wie eine Versorgung - auch eine ausländische Versorgung - in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist, ergibt sich nicht aus der jeweiligen Versorgungsordnung, sondern aus dem deutschen Recht. Damit wird der Richter vor unlösbare Probleme gestellt. Er kann einerseits kaum zuverlässig die ausländischen Anrechte ermitteln, andererseits ist er aber gezwungen unter Einbeziehung ausländischer Versorgungen eine genaue Bilanz zu bilden. Diese Probleme bestehen aber sowohl beim öffentlich- wie auch beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Auch wenn bis auf wenige Problemfälle nach nunmehrigem Recht über § 2 V AHRG der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich vom schuldrechtlichen Versorgungsausgleich abgelöst wurde, so bedeutet dies letztlich nur eine zeitliche Verlagerung der Probleme, wobei letztlich der Familienrichter hofft, daß ein Antrag auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht gestellt werden wird. Auf die "Halde" des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs lassen sich aber nicht die Fälle schieben, in denen der aufgrund der Gegenüberstellung inländischer Anwartschaften ausgleichsberechtigte Ehegatte zusätzliche ausländische Anwartschaften erworben hat. Die Familiengerichte stehen dem Ausgleich ausländischer Anwartschaften mit Zurückhaltung gegenüber. Ein Studium der veröffentlichten Judikatur wird zeigen, daß sich die Gerichte bislang in erster Linie kollisionsrechtlich darum bemüht haben, den Versorgungsausgleich nicht stattfinden zu lassen.

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Summary Practical problems of applying tbe German law on pension rights compensation to cases with a foreign element

Statutory regulation of the compensation of pension rights does not exist yet in international private law. The Bundesgerichtshof (BGH = Federal High Court of Justice) has now developed a system allowing a connection with private law, during the course of established case law; however, it is not satisfactory in all cases. The BGH on the one hand refers to the Kegel scale, but at the same time wants as far as possible to give priority to the principle of German international private law the link with nationality. The compensation of pension rights under public law is subject to official proceedings and is to be carried out with the pronouncement of the divorce. Even in the case of divorces abroad of German nationals, the compensation of the pension rights accrued to the spouses is to take place in isolated proceedings before the family judge, without a special application being necessary. This represents a special difficulty for the family courts as they learn of foreign divorces only by chance. In contrast, an application is required for the compensation of pension r.ights under the law of ob1igations in the case of ;d ivorce a:broad. If the spouses have lived only abroad, they are unlikely to have acquired any domestic pension rights. In these cases the compensation of pension rights under the law of obligations applies, and is to be made upon application. Ultimately, therefore, a compensation of pension rights, whether under public law or under the law of obligations, should only be made if "stimulated" by one of the spouses concerned. The protection which the legislator intended for the spouse not covered by a pension scheme and, thus, the largely limited freedom of arrangements of the spouses concerned, is not generally made use of in cases of divorces abroad. According to the opinion now prevalent, the German courts are competent internationally in as far as the compensation of foreign pension qualüications and rights are concerned, or if the domestic pension rights of spouses divorced abroad have tobe compensated. This applies also to foreign nationals if their country's law refers to German law. The international jurisdiction is not just the result of the divorce system according to Section 623 Zivilprozeßordnung (ZPO = Code of Civil Procedure) but is also given for the isolated proceedings. According to the case law of the BGH three types of case can be differentiated for the link with the conflict of laws provisions: (1)

marriages of mixed nationality with one of the spouses a German national;

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marriages of mixed nationality with neither of the spouses a German national; (3) marriages between spouses of the same or formerly of the same nationality with permanent residence in the Federal Republic of Germany or abroad. (2)

In cases of type (1), the ~rman pension rights compensation is always to take place and in cases of type (3) it is to take place if both spouses were in the Federal Republic. Cases of "renvoi" are difficult if the foreign law does not have a comparable institution to pension rights compensation, or cases where a foreign law has a comparable institution. This is comparable to the case where a foreign judge is to carry out pension rights compensation with reference to the ~rman law. Both the German and the foreign judge should be prevented from intervening with the laws and jurisdiction of third parties, as provided by the compensation of pension rights under public law. There is a difference between the link concerning the conflict of law provisions and the inclusion of foreign laws in the compensation of pension rights. If the system of pension rights compensation is not to be questioned, foreign pensions - as stipulated by Section 1587 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB = Civil Code) - have to be included in the compensation. Cases in which the spouse entitled to compensation has claims and rights to a pension which have been acquired neither through work nor by assets during the marriage can be solved only by a decision based on fairness in accordance with Section 1587 c BGB. Whether and to what extent a pension - also a foreign pension - is to be included in the compensation of pension rights, does not ensue from the relevant pension regulations but from German law. Thus, the judge is faced with insoluble problems. On the one hand he can hardly assess the foreign rights reliably and on the other hand, however, he is forced to make an exactly balanced account, including foreign pensions. These problems exist both in connection with the compensation of pension rights under public law and under the law of Obligations. With the exception of a few problematic cases, even if according to present law pursuant to Section 2 VAHRG (Act relating to the settlement of hardship cases within the compensation of pension rights) the compensation of pension rights under public law has been replaced by the compensation of pension rights under the law of obligations, this ultimately means only a time shift of the problems; the family judge hopes that an application will not be made for the compensation of the pension rights under the law of obligations. However, cases in which the spouse entitled to compensation has acquired additional pension qualifications abroad on the basis of comparison with domestic pension qualifications cannot be "dumped" on the compensation of pension rights under the law of obli_gations.

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The family courts face the problern of compensation of pension rights acquired abroad with some reserve. A study of the case law published will show that the courts have so far mainly made efforts from a conflict of law rules viewpoint not to carry out pension rights compensation.

Praktische Probleme der Anwendung des deutschen Versorgungsausgleichsrechts in Fällen mit Auslandsberührung aus sozialrechtlicher Sicht Von Kurt Maier

Inhaltsübersicht I. Grundsätzliche Einbeziehung ausländischer Anwartschaften in den Versorgungsausgleich nach deutschem Recht ......... . .. .. ... . . . .. 132 li. Das Scheidungsfolgenstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

III. Der Versorgungsausgleich im interlokalen Privatrecht: DDR-Aufenthalt . ... .............. . ...................................... . . .. 138 1. Die Problematik der Anknüpfung .......... . ............... . ... 138

2. Die einzelnen Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Ehescheidung durch ein Urteil der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Ehescheidung durch ein Urteil der Bundesrepublik . . . . . . . . . . 139 3. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich bei DDR-Aufenthalt eines geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Ausgleichsberechtigter hat gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik, Ausgleichspflichtiger in der DDR . . . . . . . . . . . 140 b) Ausgleichspflichtiger hat gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik, Ausgleichsberechtigter in der DDR . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Der Versorgungsausgleich bei Auslandsscheidung ...... .... . ... .. 143 1. Grundzüge des auslandsberührenden Versorgungsausgleichs ... . . 143

2. Zum Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung des Polenabkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 V. Probleme im Rahmen österreichischer Pensionsanwartschaften . . .. 149 VI. Kleinstrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VII. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich als Ausweg aus der Sackgasse in Fällen der Auslandsberührung ..... .. ............. . ... .. 151 Thesen .............. . ..... ...... . . .. .. .. ... ... .. . . .. . . . . . ....... . ..... 153 Zusammenfassung .. . ...... .. ... .... . .... . . . .. . .......... . . . ..... . .... 156 Summary 9*

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I. Grundsätzliche Einbeziehung ausländischer Anwartschaften in den Versorgungsausgleich nach deutschem Recht Schon bei der Konzeption des Versorgungsausgleichs war es für den Gesetzgeber eigentlich klar, daß bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht auch ausländische Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind. Selbst wenn der Gesetzgeber auch nirgends eine diesbezügliche gesetzliche Regelung getroffen hat, so ergibt sich dies doch zumindest aus der Begründung des Rechtsausschusses zu § 1587 a Abs. 5 BGB. Diese Bestimmung wurde in die gesetzliche Regelung aufgenommen, "weil es angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Versorgungsrechte, insbesondere auch im internationalen Bereich ... " unmöglich erschien, für alle Berechnungsmodalitäten geeignete Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln1 • Darüber hinaus entspricht eine solche Einbeziehung ausländischer Anwartschaften in den Versorgungsausgleich, worauf Plagemann2 zu Recht hinweist, auch der Handhabung beim Zugewinnausgleich, der sich soweit nicht das Einzelstatut der im Ausland belegenen Sache dem entgegenstehen sollte - auf in- und ausländische Vermögenswerte bezieht. ß. Das Scheidungsfolgenstatut Ebensowenig wie "ob" ein Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung durchzuführen ist, hat der Gesetzgeber dann auch nicht die Frage, "unter welchen Voraussetzungen in Fällen mit Auslandsberührung ein Versorgungsausgleich stattfindet", im 1. EheRG geregelt. Diese Frage wurde in der Folgezeit in der Rechtssprechung wie auch im Schrifttum recht unterschiedlich behandelt und mit der herrschenden Meinung, die sich auch der BGH mit seinem Beschluß vom 7. 11. 19793 zu eigen machte, dahingehend entschieden, daß sie nach den Regeln des internationalen Privatrechts zu beurteilen sei. Die öffentlich-rechtliche Herleitung einer Anknüpfung an das internationale Sozialrecht4 mit der Zuordnung des Versorgungsausgleichs im Blick auf seine sozialpolitische Zielsetzung zum öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungsrecht mit der Folge einer Beschränkung der Durchführung des Versorgungsausgleichs auf inländische Anwartschaften vermochte nicht zu überzeugen. Die gesetzestechnische Reg.e lung im BGB als Scheidungsfolge, die Konstruktion des Versorgungsausgleichs als familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zwischen gleichberechtigten 1 Vgl. auch Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen, 1977, S. 135; BT-Drucks. 7/4361, S. 40. 2 NJW 1977, S. 1989. 3 FamRZ 1980, S. 29 ff.; NJW 1980, S. 47 ff. 4 Plagemann/Plagemann, NJW 1977, S. 1991 f.; NJW 1979, S. 469 und AG Hamburg, FamRZ 1978, S. 421 f.

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Personen, deren Dispositionsbefugnis im Rahmen der §§ 1408 Abs. 2, 1587 o BGB wie auch die durch das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. 2. 1983 (VAHRG) 5 beim Ausgleich betrieblicher Altersversorgungen und vor allem beim Ausgleich von Versorgungsrechten mit Auslandsbezug noch in ihrer Bedeutung herausgehobene Möglichkeit des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs insbesondere, wenn man die von Hahne/Glockner vertretene Quotentheorie6 zugrundelegt - 7 , verdeutlicht den Privatrechtsbezug. Darüber hinaus dürfte der Regierungsentwurf für das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 20. 10. 19838 mit seiner Versorgungsausgleichsbestimmung in Art. 17 Abs. 3 ein weiteres beredtes Zeugnis für den Privatrechtsbezug abgeben. Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH9 greift hier das in Art. 17 EGBGB - wenngleich auch bezüglich seines Absatzes 1 im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG teilnichtig - 10 geregelte Scheidungsfolgenstatut ein. Der BGH folgte damit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur11 und versagte dem insbesondere von Bürgle12, Firsching13 und Jochem14 befürworteten Ehewirkungsstatut gern. Art. 14 EGBGB mit dem Grundsatz des schwächeren Rechts15 ebenso die Gefolgschaft wie der Einordnung des Versorgungsausgleichs unter das Güterrechtsstatut des Art. 15 EGBGB, bei dem es primär um die Verteilung bestimmter Vermögenswerte bei Auflösung der Ehe geht18• BGBl. I, S. 105. Vgl. Hahne/GZockner, FamRZ 1983, S. 221, 225. 7 Näheres hierzu s. auch MilnchKomm - Maier, 6. Erg.Lfg., Anhang III, Rdnr. 22, 29. 8 Vgl. BT-Drucks. 10/504 vom 20. 10. 1983. 9 Vgl. Beschl. v. 7.11.1979 in NJW 1980, S. 47 ff. u . BGHZ 75, S . 241; Beschl. v. 4. 11.1981 in NJW 1982, S. 520; Beschl. v. 24. 2. 1982 in NJW 1982, S. 1939 und FamRZ 1982, S. 473 ff.; Urt. v. 8. 12. 1982 in NJW 1983, S. 1259 ff. u. FamRZ 1983, S. 255 sowie Beschl. v. 22. 12. 1982 in FamRZ 1983, S . 263 ff. 10 Vgl. BGH Urt. v. 8. 12. 1982 in NJW 1983, S. 1259 ff. sowie v . Bar, NJW 1983, s. 1929 ff. 11 OLG München, FamRZ 1978, S. 696 und 1979, S. 55 ff., 310 ff.; OLG Bamberg, FamRZ 1979, S. 239; OLG Saarbrücken, FamRZ 1979, S. 142 ff. ; OLG Hamburg, F a mRZ 1979, S. 308 ff.; OLG Stuttga rt, FamRZ 1979, S. 824; Jay m e, NJW 1977, S. 1382 ff.; ders., NJW 1978, S. 2418; Kegel, IPR, 4. Aufl., § 20 IV 4; Palandt/Heldri ch, Art.17 EGBGB Anm. 5; Maier, DAngVers 1978, S.154; Hannemann/Kinzel, DAngVers 1978, S.154. 12 FamRZ 1978, S. 389 ff. 13 FamRZ 1978, S. 789 ff.; DNotZ 1978, S. 440 f. " JuS 1978, S. 708 f. 15 Vgl. hierzu BGHZ 78, S. 288 f. m .w.N. 18 Befürworter dieser Auffassung: OLG Hamm, NJW 1979, S.1107, AG Wunsiedel, FamRZ 1978, S. 513; AG Charlottenburg, NJW 1978, S.1116 ; Schack, FamRZ 1978, S. 861 ff. 5

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Mit der Aussonderung der Anwendung des Ehewirkungs- und Güterrechtsstatuts auf den Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung wurde zugleich der "faktischen Blockade" einer Einbeziehung ausländischer Versorgungsanwartschaften in den deutschen Versorgungsausgleich eine Absage erteilt. Damit stellten sich zugleich die Schwierigkeiten der Realisierung der ausländischen Versorgungsanwartschaften im deutschen Versorgungsausgleich ein. Die Frage der Durchführung eines Versorgungsausgleichs bei gescheiterten gemischt-nationalen Ehen drängte daher zwangsläufig immer stärker auf eine Klärung des deutschen internationalen Scheidungsprivatrechts, zumal der Spanier-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4. 5. 197Il7 an den Grundfesten der Verfassungskonformität des Art. 13 Abs. 1 EGBGB mit der Inzidenz auf Art. 17 EGBGB gerüttelt hatte. In der Entscheidung vom 7. 11. 197918, in der es um die Durchführung des Versorgungsausgleichs zwischen einem Österreicher und einer Deutschen ging, fand der BGH einen recht brauchbaren Ausweg. Er ließ zunächst dahingestellt, ob an seinem früheren Standpunkt der Verfassungskongruenz von Art. 17 EGBGB "uneingeschränkt festzuhalten" seP' und stellte sodann in Übereinstimmung mit der hergebrachten Meinung darauf ab, daß sich die Scheidungsfolgen nur nach einem einheitlichen Recht bestimmen können, selbst wenn über Art. 17 Abs. 1 und Abs. 3 EGBGB die bisherigen Scheidungsanträge nach dem jeweiligen Heimatrecht zu beurteilen seien. Da nun an den Absätzen 1 und 3 des Art. 17 EGBGB der Wille des Gesetzgebers zutage trete, "dem deutschen Antragsteller auch in einer gemischt-nationalen Ehe in jedem Falle die Anwendung seines Heimatrechts zu sichern, könne das Scheidungsstatut nur das deutsche Recht sein". Unter diesem Ausgangspunkt ergab sich zwar im konkreten Fall die Gleichberechtigungsproblematik für den BGH noch nicht, weil die deutsche Frau selbst den Scheidungsantrag gestellt hatte und ebensowenig wie der Mann aus geschlechtsspezifischen Gründen benachteiligt war. Indes führte der BGH als besonders interessantes obiter dieturn aus, daß der vom Gesetzgeber erkennbar gewollte Schutz des inländischen Ehegatten sich dann vielmehr auch insoweit durchsetzen müsse mit der Folge, daß jedenfalls die Scheidungsfolgen unabhängig von der Parteirolle der Ehegatten nach deutschem Recht zu beurteilen seien, wenn ein Ehegatte Deutscher ist, was um so mehr gelte, als es im deutschen sachlichen Scheidungsrecht auf die Parteirolle nicht mehr ankomme und es verfassungsrechtlich nicht unbedenklich sei, einer deutschen Frau, die sich nicht scheiden lassen wolle, anzusinnen, eventualiter einen Scheidungsantrag zu stel17 18 19

BVerfGE 31, S. 58; NJW 1971, S. 1509. BGHZ 75, S. 341; NJW 1980, S. 47. BGHZ 75, S. 253.

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len, um so über Art. 17 Abs. 3 EGBGB in den Genuß der Anwendung deutschen Rechts und damit der Durchführung eines Versorgungsausgleichs zu gelangen20• Um die partielle Verfassungswidrigkeit des vorkonstitutionellen Art. 17 EGBGB im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG durch Austausch der verfassungswidrigen Normteile ins Lot zu bringen, genügt es mithin, sich der Berkemann'schen Lösung21 zu bedienen: Es findet stets deutsches Recht Anwendung, wenn einer der Eheleute deutscher Staatsangehöriger ist. Dementsprechend stellt der BGH in seinem Beschluß vom 8. 6. 198322 auch klar, daß in einer Ehe zwischen einem deutschen und einem ausländischen Ehegatten das Scheidungsbegehren jedes Ehegatten zwar nach seinem Heimatrecht zu beurteilen ist, daß sich jedoch die Scheidungsfolgen und damit der Versorgungsausgleich gleichfalls nach deutschem Recht richten, "wenn nur der ausländische Ehegatte die Scheidung beantragt hat". Die Neuordnung des deutschen internationalen Scheidungsprivatrechts dürfte damit vorerst abgeschlossen sein. Dabei ist das diesem Beschluß vorausgegangene- noch weit bedeutsamereUrteil des BGH vom 8. 12. 198223 in die Gesamtschau mit einzubeziehen - eine Entscheidung, in der das Gericht endlich sich dazu bekannt hatte, daß Art. 17 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist: Er verstößt expressis verbis gegen das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG, soweit für das anzuwendende Recht in einer gemischt-nationalen Ausländerehe an die Staatsangehörigkeit des Mannes angeknüpft wird. Damit wird mit der Sentenz von Savigny24 und Niemeyer5 aufgeräumt, daß es der durch die Staatsangehörigkeit ersetzte Wohnsitz des Ehemannes als Haupt der Familie ist, welche den Ausschlag gibt, wenn etwa die Ehegattin eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, was im übrigen keiner weiteren Rechtfertigung bedürfe. Die Begründung entspricht über weite Strecken fast wörtlich dem bereits erwähnten Spanierbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4. 5. 1971; sie stemmt sich gegen eine im Zeitalter der Zerrüttungsentscheidung nicht mehr den Wertungen der Zeit entsprechende, auf die Analogie zu den Absätzen 1 und 3 des Art. 17 EGBGB gestützte Anwendung des Heimatrechts des Antragstellers, die ja auch bei der Scheidungsfolge des Versorgungsausgleichs wenig ergiebig ist, wenn beide Ehepartner die Scheidung begehren. Auf dieser Linie liegt denn auch die Ablehnung BGHZ 75, S. 241, 255; NJW 1980, S. 47 ff. FamRZ 1977, S. 301; so auch Beitzke, JZ 1961, S. 653 und Roth-Stielow, in: Bastian/Roth-Stielow /Schmeiduch. n NJW 1983, S. 1970. 23 BGH, NJW 1983, S. 1259; FamRZ 1983, S. 255. 2' System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849, S. 325. 25 Vorschläge und Materialien zur Kodifikation des Internationalen Privatrechts 1895, S. 201. 20

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der Anwendung beider Heimatrechte nach dem Grundsatz des schwächeren Rechts. So bleibt nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung im Kern der Übergang zum Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts übrig, sofern sich nicht eine frühere gemeinsame und "jedenfalls nicht ineffektive" Staatsangehörigkeit finden läßt26 und sofern man dieser mit dem BGH den Vorzug gibt. Zwar gelangt man dadurch in ein beachtliches Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Wandelbarkeit des Scheidungsfolgenstatus, worauf von Bar in NJW 1983, S. 1933 zu Recht hinweist. Das bedeutet für den der Entscheidung des BGH vom 8. 12. 1982 zugrundeliegenden Tatbestand, in welchem es um die Scheidungs- und Scheidungsfolgenregelung einer 1941 in Stuttgart zwischen einem Österreicher und einer Amerikanerin, die bis 1969 zusätzlich noch Österreichische Staatsangehörige war, geschlossenen Ehe ging, daß der Amerikanerin in Anwendung des Österreichischen Rechts, das einen Versorgungsausgleich nicht kennt, dieser Versorgungsausgleich verwehrt blieb. Wäre sie nie Österreicherin gewesen, dann hätte allerdings deutsches Recht zur Anwendung gebracht werden müssen und der Versorgungsausgleich hätte mit den zur deutschen Rentenversicherung vom Ehemann geleisteten Pflichtbeiträgen Platz gegriffen. Daraus erhellt, daß sich unter Zugrundelegung der neueren BGHRechtsprechung als Rechtsfolge durchaus ergeben kann, daß deutsche Rentenanwartschaften eines ausländischen Ehepaares, das nicht seinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hatte, von einem Versorgungsausgleich ausgeschlossen bleiben. Läßt sich indes ein spanischer Gastarbeiter, der mit einer Jugoslawin verheiratet ist und beide niemals eine gemeinsame Staatsangehörigkeit gehabt haben, scheiden, so ist im Hinblick auf den beider gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt beider in der Bundesrepublik für die Scheidung und den Versorgungsausgleich das deutsche Aufenthaltsrecht maßgebend. Deutsches Recht findet nach der neuerlichen Rechtsprechung des BGH vom 8. 6. 198327 hinsichtlich der Scheidungsfolge des Versorgungsausgleichs auch dann Anwendung, wenn eine gemischt-nationale Ehe, wobei einer der Ehepartner Deutscher ist, in Frage steht. Zwar richtet sich das Scheidungsbegehr jedes Ehegatten nach seinem Heimatrecht, die Scheidungsfolgen beurteilen sich jedoch nach deutschem Recht, wenn nur der ausländische Ehegatte die Scheidung beantragt hat. Damit sind die Rechtswirkungen der BGH-Rechtsprechung vom 20. 5. 198228 zur Frage der Statthaftigkeit des Versorgungsausgleichs überholt und in positivem Sinne gelöst. 2. Leitsatz des BGH-Urteils vom 8. 12. 1982; NJW 1983, S. 1259. NJW 1983, S. 1970. 2s NJW 1982, S. 1940. 26 27

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Damit ist nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung auch schon teilweise geltendes Recht, was die Reform des internationalen Privatrechts zur Scheidung und den Scheidungsfolgen vorsieht. Allerdings wird man sich mit bestimmten Sonderregelungen abfinden müssen. Nach dem Regierungsentwurf zur Neuregelung des internationalen Privatrechts29 ist nämlich ein Versorgungsausgleich in Zukunft nur noch durchzuführen, "wenn ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages angehören. Kann ein Versorgungsausgleich danach nicht stattfinden, so ist er nach deutschem Recht durchzuführen, (1) wenn ein Ehegatte in diesem Zeitpunkt Deutscher ist oder dies bei

der Eheschließung war oder

(2) auf Antrag eines Ehegatten, wenn der andere Ehegatte in der Ehe-

zeit eine Anwartschaft bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat" 30•

Wird diese Konzeption Gesetz, so greift auch künftig der Versorgungsausgleich bei einer deutsch-ausländischen Ehe Platz. In einer reinen Ausländerehe ist indes Voraussetzung für die Durchführung eines Versorgungsausgleichs, daß einer der Ehegatten einem Land angehört, das ebenfalls einen Versorgungsausgleich kennt. Einen solchen gibt es jedoch in erst sehr wenigen Staaten, wie z. B. in Kanada seit dem 1. 1. 197831 und den USA32• Sofern der Gesetzgeber in diesen Fällen dann auch noch davon ausgeht, daß er mit dem deutschen Versorgungsausgleich kongruent sein muß - was eine beachtliche Sachkenntnis des ausländischen Rechts voraussetzt - so dürfte diese Regelung kaum wirksam werden; denn nicht einmal der kanadische Versorgungsausgleich fiele darunter, weil in Kanada nur die gesetzlichen Rentenversicherungsanrechte, die im Gegensatz zur Bundesrepublik nur einen ganz geringen Teil der Altersversorgung ausmachen, aufgeteilt werden. Es wird weder die kanadische Grundalterssicherung in Form einer steuerfinanzierten und vom vorherigen Einkommen unabhängigen Rente erlaßt, noch werden die Betriebsrentenanwartschaften, die überdies güterrechtlichen Bestimmungen unterliegen und in den einzelnen Provinzen unterschiedliche Regelungen aufweisen33, einbezogen. Des weiteren hat der kanadische Versorgungsausgleich zur Voraussetzung, daß die Ehegatten 36 Monate zusammengelebt haben. Zudem liegt die Aufteilung der Versorgungsanrechte dort nicht- wie hier- in richterzo Vgl. BT-Drucks. 10/504 vom 20. 10. 1983. Vgl. Art. 17 Abs. 3 RegE. 31 Vgl. dazu Steinmeyer, FamRZ 1982, S. 335 ff. 32 Vgl. Bürsch, ZVglR Wiss 1980, S. 191 ff. 33 Steinmeyer (Anm. 31). 3o

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licher, sondern in behördlicher Zuständigkeit. Sicherlich werden mit der Entwurfsregelung zum einen die Aufgaben der Praxis in Fällen des Versorgungsausgleichs erleichtert, zum anderen jedoch, insbesondere wenn sich die Rechtsprechung dazu entschließen sollte, einen eigenständigen internationalen privatrechtliehen Versorgungsausgleichsbegriff zu prägen - wovor von Bar zu Recht warnt34 - , werden sich neue schwierige Qualifikationsprobleme ergeben, die eine Verunsicherung bereits vorprogrammieren. Jedenfalls bedarf das Entwurfskonzept: Kein Versorgungsausgleich bei Ausländern ohne inländische Anrechte, stets ein Versorgungsausgleich bei Beteiligung eines Deutschen und auch bereits bei Begründung einer privaten Lebensversicherung und andere Scheidungsfolgen, nach dem Recht, nach dem geschieden wurde35, eines sorgfältigen Nachdenkens. 111. Der Versorgungsausgleich im interlokalen Privatrecht: DDR-Aufenthalt 1. Die Problematik der Anknüpfung

Es liegt nahe, für den Versorgungsausgleich im Verhältnis der Bundesrepublik zur DDR - also in Fällen einer interlokalen Rechtskollision - ebenfalls Art. 17 EGBGB in der aufgezeigten verfassungskonformen Modifikation anzuwenden. Grundsätzlich wäre hiermit immer an das Heimatrecht i. S . der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten anzuknüpfen36• Wegen der einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit kann aber dieser Meinung nicht gefolgt werden. Vielmehr ist für die Bestimmung, ob das Recht der Bundesrepublik oder das der DDR anzuwenden ist, als Anknüpfungspunkt die deutsche Staatsangehörigkeit durch das gemeinsame Personalstatut, d. h. durch die durch Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründete Zuständigkeit zum Rechtskreis einer der beiden deutschen Staaten zu ersetzen. Daran ändert auch der Grundlagenvertrag vom 21. 12. 197237 nichts, weil er lediglich ein interne Beziehungen regelnder Vertrag ist. Maßgebend ist das gegenwärtige gemeinsame Personalstatut beider Ehegatten; ist ein solches nicht vorhanden, gilt das letzte gemeinsame Personalstatut. Ob es zu einem Versorgungsausgleich kommt, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab38•

34

s. NJW 1983, S. 1935.

Vgl. v. BaT (Anm. 10). So BSG-Urt. v. 29. 7. 1971, BSGE 41, S. 253. 37 BGBl. II 1973, S. 421. 88 Anwendung von Art.l4 EGBGB; OLG München, FamRZ 1980, S. 374; und OLG Hamburg, FamRZ 1983, S. 512 wenden hier auch Art. 17 EGBGB an. s~

38

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2. Die einzelnen Fallgestaltungen

a) Ehescheidung durch ein Urteil der DDR Leben die Ehegatten im Zeitpunkt der Ehescheidung beide in der DDR und haben somit in diesem Gebiet ihren gemeinsamen Aufenthalt, so ist das Recht der DDR maßgebend, das keine dem Versorgungsausgleich adäquate Regelung kennt. Ein Versorgungsausgleich findet mithin nicht statt - zumindest solange, wie ein Ehegatte noch in der DDR lebt. Nicht anders verhält es sich, wenn das letzte gemeinsame Personalstatut das der DDR war, weil der letzte gemeinsame Aufenthalt beider Ehegatten im Gebiet der DDR lag, sodann der eine Ehegatte in die Bundesrepublik übersiedelte, der andere Ehegatte, der das Scheidungsverfahren in der DDR betrieb, dort auch weiterhin und auch zur Zeit der Ehescheidung seinen Aufenthalt hatte. Dennoch gibt es Fälle, in denen ein Versorgungsausgleich stattfinden kann, obwohl die Scheidung in der DDR beantragt und ausgesprochen wird. Dies trifft in entsprechender Anwendung der interlokalen Kollisionsnorm des Art. 14 Abs. 2 EGBGB dann zu, wenn der letzte gemeinsame Aufenthalt in der Bundesrepublik lag, einer der beiden Ehegatten in die DDR übersiedelte, dort das Scheidungsverfahren beantragte und ein Kreisgericht der DDR die Scheidung durch Urteil rechtskräftig aussprach. Fraglich ist indes, ob ein Versorgungsausgleich dann Raum greift, wenn beide Ehegatten zur Zeit der Scheidung in der DDR ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten und nach der Scheidung zunächst der eine Ehegatte, später der andere Ehegatte in die Bundesrepublik übersiedelte. Denn jetzt ist das Bundesrecht zum gemeinsamen Personalstatut geworden und da das Scheidungsfolgenrecht wandelbar ist38, kann der Versorgungsausgleich im "Nachtragsverfahren" beantragt werden•0 • Die in der DDR von einem oder beiden Ehegatten zurückgelegten Beitragszeiten stünden dabei den in der Bundesrepublik zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Das heißt aber nicht, daß sie mit den in der DDR erzielten Entgelten abgegolten werden, sondern vielmehr nach den Vorschriften der §§ 22, 23 FRG im Wege der Leistungsgruppeneinstufung zu bewerten sind. b) Ehescheidung durch ein Urteil der Bundesrepublik Wird die Ehe durch ein Gericht der Bundesrepublik, in dessen Gebiet die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt Vgl. Palandt/Heldrich, Art. 17 EGBGB, Anm. 7. So auch AG Lüneburg, Urt. v. 5. 12. 1977 - 29 F 3177 - letzter Absatz der Gründe, NJW 1978, S. 379 f. Nr. 10; Nieders. Rechtspfleger 1978, S. 14 f . 39 '0

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hatten, geschieden, so sind grundsätzlich die Bestimmungen über den Versorgungsausgleich nach §§ 1587 ff. BGB beachtlich, auch wenn der andere, die Scheidung nicht betreibende Ehegatte vor dem Scheidungsurteil in die DDR übersiedelte. 3. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich bei DDR-Aufenthalt eines geschiedenen Ehegatten

Sind die Vorschriften über den Versorgungsausgleich nach §§ 1587 ff. BGB im Hinblick auf die Kollisionsnorm des Art. 14 Abs. 2 EGBGB grundsätzlich anwendbar, so wird dennoch in zahlreichen Fällen ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich nicht Raum greifen. Auch hier müssen wiederum mehrere Fallgruppen unterschieden werden, je nachdem, ob der Ausgleichsberechtigte oder der Ausgleichspflichtige in der Bundesrepublik bzw. der DDR seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. a) Ausgleichsberechtigter hat gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik, Ausgleichspflichtiger in der DDR Nach § 17 Abs. 1 Lit. a FRG sind DDR-Beitragszeiten - ohne daß besondere persönliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen- zugleich Beitragszeiten nach Bundesrecht Das bedeutet: Grundsätzlich können auch die Rentenanwartschaften des in der DDR sich aufhaltenden Ausgleichspflichtigen errechnet und im Wege der Anwartschaftsübertragung ausgeglichen werden. Im Falle einer solchen Anwartschaftsübertragung wären beim in der Bundesrepublik sich gewöhnlich aufhaltenden Ausgleichsberechtigten als Bonus zusätzlich Werteinheiten zu berücksichtigen, obwohl beim in der DDR lebenden Ausgleichspflichtigen als Malus ein entsprechender Werteinheiten-Abzug infolge seines DDR-Aufenthalts faktisch nicht in Betracht kommt. Man könnte allenfalls daran denken, für ihn beim Rentenversicherungsträger des Ausgleichsberechtigten ein provisorisches Versicherungskonto zu führen und dort den Malus zu verbuchen, was aber zu keiner Rentenminderung beim Ausgleichspflichtigen führt, solange dieser sich in der DDR aufhält und dort im Hinblick auf das Fehlen der entsprechenden Versorgungsausgleichsregelung keine Abzüge seiner in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften und mithin auch nicht im Versicherungsfall eine Schmälerung seiner Rente zu gewärtigen hat. Damit wird man indes dem Grundgedanken der Versorgungsausgleichsregelung nicht gerecht, deren Zweck in einer kostenneutralen Umverteilung der beiderseitigen während der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften liegt41 • 41 Vgl. hierzu Bergner, SGb 1978, S. 140; Maier, DAngVers 1978, S. 153, 156 und Roth-Stielow, NJW 1979, S. 1148.

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Der Grundgedanke der kostenneutralen Umverteilung ist zwar nicht expressis verbis im 1. EheRG niedergelegt. Insoweit ist Schmeiduch42 zuzustimmen. Indes wurde bei der Gesamtkonzeption des Versorgungsausgleichs im Grundsatz davon ausgegangen, daß sich zwischen der Erhöhung und Minderung der Renten nach § 1304 a Abs. 4 RVO ein in etwa ausgleichendes Äquivalent ergibt, das lediglich insoweit eine Einschränkung erfährt, als das Invaliditätsrisiko und unterschiedliche Rentenbeginne beim Ausgleichsverpflichteten und Ausgleichsberechtigten eine zwangsläufige Ausnahme bedingen43 • Beim Quasi-Splitting nach § 1587 b Abs. 2 BGB sind vom Dienstherrn der geschiedenen Beamten an den Rentenversicherungsträger entsprechende Beträge zu erstatten44, was andererseits wiederum durch Kürzungen der Versorgung aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis egalisiert wird. Auch das Härteregelungsgesetz strebt mit seiner Realteilung und dem in § 1 Abs. 3 VAHRG anstelle der Beitragszahlung nach § 1587 b Abs. 3 Satz 1 BGB tretenden Quasi-Splitting eine relativierte Kostenneutralität an, sodaß dieser Aspekt nicht außer acht gelassen werden darf. Diese Gesichtspunkte legen es nahe, eine Rentenanwartschaftsübertragung nicht durchzuführen. In Betracht kommt mithin im Endergebnis der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach§ 1587 f Nr. 5 BGB. Es fragt sich indes, ob dieser schuldrechtliche Versorgungsausgleich im Transfer durchgeführt werden kann. Das Transferabkommen vom 25. 4. 197445 erstreckt sich nach seinem Wortlaut nur auf Unterhaltszahlungen zur Erfüllung von familienrechtlich begründeten Verpflichtungen und auf Schadensersatzleistungen, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für Personenschäden an die Verletzten bzw. deren Hinterbliebene zu leisten sind. Bisher hat sich die Praxis beiderseits strikt am Wortlaut der Vereinbarung orientiert und ein Transfer von Versorgungs-, Renten- und Pensionszahlungen ist bislang mit der DDR vertraglich nicht geregelt. Lehnt man eine extensive Auslegung der Transfervereinbarung jedoch ab, dann bedarf es entweder eines Zusatzabkommens oder aber auch der schuldrechtliche Versorgungsausgleich findet - so wie das Amtsgericht Lüneburg mit Urteil vom 5. 12. 197746, das AG CharlottenVgl. Amtl. Mitt. LVA Rheinpr. 1978, S. 453. s. hierzu auch Bergner, SGb 1978, S. 140. 41 Vgl. § 1304 Abs. 2 Satz 2 RVO. 45 Vereinbarung zwischen dem Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland und dem Minister der Finanzen der Deutschen Demokratischen Republik über den Transfer von Unterhaltszahlungen, BGBI. 1974, Il, s. 622. 46 NJW 1978, S. 379 f.; Nieders. Rechtspfleger 1978, S. 14 f. 42

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burg mit Urteil vom 26. 10. 197847 und jüngst auch das OLG Harnburg mit Beschluß vom 22. 12. 1982'8 entschieden hat - nicht statt. Im Bundesjustizministerium wurde eine solche Lösung bereits 1978 für durchaus zulässig erachtet.

b) Ausgleichspflichtiger hat gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik, Ausgleichsberechtigter in der DDR Das wirtschaftliche Ergebnis entspricht im wesentlichen dem soeben Dargestellten: Im Falle der Rentenanwartschaftsübertragung nach § 1587 b Abs. 1 BGB, § 1304 a Abs. 1 RVO wäre eine Werteinheitenminderung (Malus) und eine entsprechende Rentenminderung nach § 1304 a Abs. 4 RVO bei dem in der Bundesrepublik lebenden Ausgleichspflichtigen vorzunehmen, obwohl der Bonus durch Erhöhung an Werteinheiten dem sich in der DDR aufhaltenden Ausgleichsberechtigten im Hinblick auf das Ruhen seiner Rente nach § 1317 RVO nicht zugute käme. Bei einer Rentenanwartschaftsbegründung durch Quasi-Splitting nach § 1587 b Abs. 2 BGB, § 1304 Abs. 2 RVO würden trotz Kürzung der Beamtenversorgungsanrechte des Ausgleichspflichtigen die zugunsten des Ausgleichsberechtigten begründeten Rentenanwartschaften diesem nichts nützen, weil sich auch hier die Ruhensvorschrift des § 1317 RVO zu seinen Lasten auswirken würde. Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich erweist sich mithin wiederum im Sinne von § 1587 b Abs. 4 BGB als unwirtschaftlich, sodaß auch bei dieser Konstellation der Ausgleich "in anderer Weise" eingreift und im Endergebnis der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach § 1587 f Nr. 5 BGB in Betracht kommt. Dies ist aber nicht nur wegen der bislang noch ungeklärten Frage der Durchführung dieser Angleichung im interlokalen Transfer mit den bereits aufgezeigten Konsequenzen problematisch. Ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich würde so die Aktivierung von Anwartschaften bedeuten, die über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durch § 1317 RVO bis zum Zuzug des Ausgleichsberechtigten vom Gesetzgeber blockiert ist. Wird aber ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich lediglich als besondere Erscheinungsform des Versorgungsausgleichs verstanden, so erscheint es nicht unbedenklich, diesem im Verhältnis zur DDR- durch die bloße Möglichkeit einer frühzeitigen Aktivierung - im Ergebnis einen qualifizierten höheren Wert als dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzuräumen. 47

48

Vgl. FamRZ 1979, S. 143 ff. Vgl. FamRZ 1983, S. 512.

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Familienrichter und Rentenversicherungsträger sind hier vor schwierige Fragen gestellt, deren Lösung nicht einfach ist und auch von Hannemann-Kinzel49 , Schmeiduch50 sowie Paetzold51 nicht mit Effektwirkung gefunden wurde, sofern man nicht von vornherein und apodiktisch den Versorgungsausgleich in diesen Fällen des interlokalen Bereichs ausschließen will5 z.

IV. Der Versorgungsausgleich bei Auslandsscheidung 1. Grundzüge des auslandsberührenden Versorgungsausgleichs

In Fortführung seiner grundlegenden Entscheidung vom 7. 11.197953 hat der BGH seine Rechtsprechung zum Versorgungsausgleich mit Auslandsberührung kontinuierlich richtungsweisend ausgebaut. Lagen den Entscheidungen, in denen sich der erkennende Senat bei Auslandsberührung grundsätzlich zum Scheidungsfolgenstatut nach Art. 17 EGBGB bekannte, so, daß die Ehegatten während der Ehe im Inland gelebt und auch nur inländische Versorgungsrechte erworben hatten54, so erstreckte er in seinen Beschlüssen vom 24. 2. 198255 und 22. 12. 198256 diese Grundsätze auch auf solche Ehegatten, die während der Ehe zeitweise gemeinsam im Ausland gelebt hatten, wobei die Ehefrau nach der Trennung der Parteien in ihren ausländischen Heimatstaat zurückgekehrt war bzw. dort verblieben ist. Letztlich liegt dem Scheidungsfolgenstatut grundsätzlich das Staatsangehörigkeitsprinzip mit seinen eingangs zur Rechtsprechung des Art. 17 EGBGB entwickelten Modifikationen57 zugrunde - und schließlich ist der Versorgungsausgleich nicht auf Fälle mit ausschließlich inländischen Versorgungsanrechten beschränkt. Praktische Schwierigkeiten, die sich bei der Ehescheidung hinsichtlich ausländischer Anrechte im Versorgungsausgleich ergeben können, werden vom BGH durchaus gesehen, indes aber dadurch verdrängt, daß ein Versorgungsausgleich bei Auslandsaufenthalt nicht aus Gründen des Sozialversicherungsrechts ausgeschlossen werden könne. Im Interesse des Gesamtsystems legt er wohl erstmals in seinem Beschluß vom 24. 2. 1982 die von der Literatur und z. T. auch von der zweitDAngVers 1978, S. 373. Amtl. Mitt. LVA Rheinprovinz 1978, S. 453. 51 Rahm, Handbuch des FamG-Verfahrens, Stand 1982, Teil VIII Rz. 756. 52 s. hierzu im einzelnen Maier, DAngVers. 1978, S. 153 ff. 53 V gl. Anm. 3. u BGHZ 75, S. 241; FamRZ 1980, S. 29; ferner BGH, Beschl. v. 4. Nov. 1981, FamRZ 1982, S. 152. 65 FamRZ 1982, S. 473 ff. 5e FamRZ 1983, S. 263. 67 Vgl. Ausführungen zu Ziff. 2, Das Scheidungsfolgenstatut. 49

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instanzliehen Rechtsprechung vorgezeichnete Marschroute fest, daß, wenn die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 1315 ff. RV058 in ihrer erweiterten Fassung durch das Rentenanpassungsgesetz 1982 vom 1. 12. 198159 den extensivierten Leistungsexport auch im Rahmen des Versorgungsausgleichs zulassen, dieser dann auch in Fällen der Auslandsberührung zuzulassen sei. Es ist nur folgerichtig, wenn dann der BGH feststellt, daß in den erkennbaren Fällen, in denen sich ein Versorgungsausgleich in den Formen des§ 1587 b Abs. 1 und 2 BGB voraussichtlich nicht zugunsten des Ausgleichsberechtigten auswirken würde oder unwirtschaftlich wäre, das Familiengericht gehalten ist, den Ausgleich nach § 1587 b Abs. 4 BGB in anderer Weise zu regeln, etwa in der Form des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 1587 f Nr. 5 BGB, der jedenfalls bis zum Tode des Ausgleichsverpflichteten in Betracht kommen kann60 • Jedenfalls ist die Nichtzulassung der Vollstreckung aus einer dieser Ehegatten zum Ausgleich verpflichtenden deutschen Entscheidung seitens des ausländischen Aufenthaltsstaates entgegen der Auffassung von Diederichsen81 für sich allein kein Grund, den Versorgungsausgleich nicht stattfinden zu lassen. 2. Zum Versorgungsausgleich unter Berücksiebtigung des Polenabkommens

In Konsequenz dessen hat der BGH in seinem Beschluß vom 22. 12. 1982 - IV b ZB 649/80 - 62 auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs für eine in Polen lebende Ausgleichsberechtigte, deren Ehemann in die Bundesrepublik verzogen und von dort aus die Ehescheidung betrieben hatte, dem Grunde nach mit der bereits in der Entscheidung vom 24. 2. 1982 fixierten Argumentation bejaht. Auch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. 10. 1975 und die dazu erlassenen innerdeutschen Rechtsvorschriften63 enthielten keine Regelungen, die die Durchführung eines Versorgungsausgleichs nach § 1587 BGB in der Bundesrepublik zugunsten eines in der Volksrepublik Polen lebenden polnischen Ehegatten hindem würden. Vgl. ~§ 1316 Abs. 1, 1320 Abs. 2 und § 1323 RVO. BGBl. I, S. 1205. so Erlöschen mit dem Tode des Ausgleichsverpflichteten wird bejaht u. a. von Bastian/Schmeiduch/Klinkhardt, 1. EheRG § 1587 K BGB Anm. 7; Ermann/Ranke, BGB, 7. Auf!., § 1587 k Rz. s; MünchKomm- Maier, Erg.-Band § 1587 k Rdnr. 8 und Soergellvon Hornhardt, BGB, 11. Aufl., § 1587 k Rz. 6; verneinend: Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1587 k BGB Anm. 2, sowie Palandt/Diederichsen, BGB, 41. Aufl., § 1587 k Anm. 3. 81 ·Ebd., 40. Aufl., Einf. Anm. 6 vor § 1587 BGB. &z FamRZ 1983, S. 263 ff. 63 Gesetz vom 12. 3.1976, BGBI. II, S. 393, VO v. 24. 6.1977, BGBI. II, S. 585. 58

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Eine abschließende Sachentscheidung hat hingegen der Bundesgerichtshof nicht getroffen; die Angelegenheit wurde vielmehr an das zuständige Amtsgericht zurückverwiesen. Dabei hat der BGH darauf hingewiesen, daß für den Fall, daß ein Antrag nach § 1587 b Abs. 4 BGB gestellt würde, wenn der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich sich voraussichtlich nicht zugunsten des Berechtigten auswirken würde oder unwirtschaftlich wäre, geprüft werden müsse, ob die sachlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen. Hierfür würde es, sofern nicht festzustellen ist, daß die Ehefrau im Rentenalter voraussichtlich in die Bundesrepublik Deutschland übersiedeln wird, vor allem darauf ankommen, ob die Ehefrau aufgrund einer in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommenen Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften in der Volksrepublik Polen in den Genuß von Rentenleistungen kommen könne. Bei der Beurteilung der Frage, wie sich der Versorgungsausgleich im Rahmen des deutsch-polnischen Rentenabkommens - das vor der Einführung des Versorgungsausgleichs abgeschlossen und in Kraft gesetzt worden ist und demzufolge insoweit keine besondere Regelung enthält- auswirken würde, wäre gegebenenfalls auch eine hierzu von polnischer Seite vertretene Rechtsauffassung mit zu berücksichtigen. Abschließend stellte der BGH fest, daß sich das Gericht in Fällen des§ 1587 b Abs. 4 BGB nicht damit begnügen darf, einen Versorgungsausgleich in den Formen des § 1587 b BGB abzulehnen. Es müsse vielmehr zugleich entscheiden, auf welche andere Weise dann der Ausgleich durchzuführen sei. Doch hiermit verbinden sich eine Reihe von Schwierigkeiten, welche die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 1587 b BGB hindern, wenn ein am Verfahren beteiligter Ehepartner in der Volksrepublik Polen wohnt. Immer, wenn der auch unter Berücksichtigung polnischer Anwartschaften gemäß § 1587 a BGB Berechtigte sich in Polen aufhält, werden bei ihm durch die abgesplitteten Rentenanteile keine Rentenleistungen ausgelöst. Im Wege des Versorgungsausgleichs zu übertragende oder zu begründende Anwartschaften wirken sich zwar nach deutschem Sozialversicherungsrecht wie Beitragsmonate aus 64• Es handelt sich hierbei indes nicht um zeitlich festlegbare Versicherungszeiten im herkömmlichen Sinne. Derartige Anwartschaften zur deutschen Rentenversicherung wirken sich daher weder nach zwischenstaatlichem Recht noch nach polnischen innerstaatlichen Vorschriften zugunsten eines in Polen lebenden Ausgleichsberechtigten aus. Das am 1. 5. 1976 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und 64

Vgl. § 1304 a Abs. 4 u. 5, § 1304 b Abs. 2 Satz 1 RVO.

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Unfallversicherung vom Oktober 197565 beruht auf dem sog. Wohnsitzbzw. Eingliederungsprinzip. Hiernach erhält jeder Berechtigte seine Rente von dem Versicherungsträger seines Wohnlandes nach den dort geltenden Vorschriften. Für den Anspruchserwerb und bei der Rentenberechnung werden die im anderen Abkommensstaat zurückgelegten Versicherungs-, Beschäftigungs- und gleichgestellte Zeiten vom Versicherungsträger im Wohnsitzland so berücksichtigt, als ob sie im eigenen Land zurückgelegt worden wären88 • Ein Leistungsexport, d. h. die Zahlung von Renten in den anderen Abkommenstaat, findet nicht statt87• Verlegt ein Rentenberechtigter seinen Wohnsitz in das Gebiet des anderen Abkommenstaates, so endet die Verpflichtung des bisherigen Wohnsitzlandes, und zugleich wird eine Leistungsverpflichtung des neuen Aufenthaltsstaates begründet68 • Aus der im Abkommen getroffenen Regelung ergibt sich somit, daß Ansprüche eines Versicherten gegen die Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland nur bei Aufenthalt im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) bestehen und bei Verzug in die Volksrepublik Polen erlöschen bzw. bei ständigem Aufenthalt in Polen gar nicht entstehen können. Die Ansprüche richten sich dann, und zwar nach Maßgabe des polnischen Rentenrechts, ausschließlich gegen die polnische Rentenversicherung. Rentenansprüche können somit unter Berücksichtigung von Abkommenszeiten nur bei Aufenthalt beider Ehepartner im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) übertragen werden. Einem "zwischenstaatlichen Ausgleich", d. h. der Übertragung von deutschen Ansprüchen oder Anwartschaften auf die polnische Rentenversicherung und umgekehrt, steht das strikte Wohnsitzprinzip des Abkommens entgegen. Auch sehen die in Polen gültigen Rentenvorschriften keine Möglichkeit einer Teilung der Rentenleistungen im Falle einer Ehescheidung vor. Eine Übertragung von Anwartschaften zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland ist - abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten, die sich aus den unterschiedlichen Anspruchs- und Berechnungssystemen ergeben würden - damit nicht möglich. Die Feststellung des BGH, in dieser und seiner Vorgängerentscheidung, daß im Falle der Ablehnung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs unter Beachtung des § 1587 b Abs. 4 BGB zugleich entschieden werden müsse, auf welche andere Weise dann der Ausgleich durchzuführen ist, führt zu folgender Betrachtungsweise: 85 86

87

88

BGBl. II 1976, S. 393 ff. Art. 4 Abs. 1 u. 2 des Abkommens. Art. 4 Abs. 3 des Abkommens. Art. 5 des Abkommens.

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Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. 2. 1980 - 1 BvL 17177 - 69 festgestellt, daß die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 GG dann entfällt, "wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne daß sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt". Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung die bestehenden Vorschriften nicht als verfassungsrechtlich zu beanstanden erachtet, aber vom Gesetzgeber eine ergänzende Regelung gefordert, um verfassungswidrige Lösungen zu vermeiden. Mit dem Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. 2. 19837& ist der Gesetzgeber diesem Auftrag nachgekommen. Das Härteregelungsgesetz (VAHRG) enthält nunmehr Regelungen über vorläufige Maßnahmen zur Beseitigung der Beitragszahlungspflicht im Versorgungsausgleich, wobei die Verpflichtung zur Beitragszahlung durch die Ausgleichsformen der sog. Realteilung71 und des sog. Quasi-Splittings72 ersetzt worden ist; im übrigen verweist das Gesetz auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§ 2 VAHRG) 73• Danach kommt "eine Realteilung der auszugleichenden Anwartschaft in Betracht, wenn die Satzung des Versorgungsträgers der betrieblichen bzw. berufsständischen Altersversorgung oder der Geschäftsplan des Lebensversicherungsunternehmens dies vorsehen. Scheidet eine Realteilung aus, so ist das Quasi-Splitting durchzuführen, wenn sich das auszugleichende Anrecht gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger richtet. Hiervon betroffen sind insbesondere Anrechte der berufsständischen Altersversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, der landwirtschaftlichen Altersversorgung und der Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. In den verbleibenden Fällen, insbesondere in Fällen des Ausgleichs betrieblicher Altersversorgung, wird die Ausgleichsform des§ 1587 b Abs. 3 BGB durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich der§§ 1587 f ff. BGB ersetzt und damit in seiner Wirkungsbreite beachtlich erweitert, obwohl diese Ausgleichsform die erstrebte soziale Sicherung des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht immer herbeizuführen vermag: NJW 1980, S. 692 ff. BGBl. I, S. 105. 71 § 1 Abs. 2 VAHRG. 72 § 1 Abs. 3 VAHRG. 73 Vgl. in diesem Zusammenhang Michaelis/ Sander, Auswirkungen des Versorgungsausgleichs in Härtefällen, DAngVers 1983, S. 104 ff.; u. Maier, Härteregelungen zum Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung, 1983, S. 7 ff.; ders., Die Änderungen im Recht des Versorgungsausgleichs zur Regelung von Härtefällen, RV 1983, S. 81 ff. sowie MünchKomm- Maier, Anhang III zu §§ 1587-1587 p, 6. Erg.-Lfg. so

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Zum einen, weil die schuldrechtliche Ausgleichsrente erst verlangt werden kann, wenn beide Ehegatten "versorgungsberechtigt" sind74 und zum anderen, weil der Anspruch mit dem Tod des Verpflichteten erlischt. Die Regelungen des § 1 Absätze 2 und 3 VAHRG - Realteilung und Quasi-Splitting - sind in erster Linie auf inländische Institutionen zugeschnitten und eröffnen in den Polenfällen keine Möglichkeiten des Versorgungsausgleichs. Dies wird im Bericht des Rechtsausschusses zum VAHRG75 ausdrücklich hervorgehoben, und es wird ferner bemerkt, daß das Gesetz keine Regelung für Anwartschaften von Ehegatten vorsieht, auf die fremdes Recht anzuwenden ist. An bezeichneter Stelle wurde eingeräumt, daß ausländische Anwartschaften vom deutschen Gesetzgeber nicht beeinflußt werden können. Er kann insbesondere nicht annähernd sicherstellen, daß und in welcher Höhe später Leistungen aus diesen Anwartschaften erbracht werden. Gerade deshalb führt das VAHRG dazu, daß solche ausländischen Anwartschaften grundsätzlich schuldrechtlich ausgeglichen werden76 • Zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach §§ 1587 f ff. BGB ist, abgesehen von den bereits kurz angeführten Nachteilen, zunächst hervorzuheben, daß dieses Verfahren nur auf Antrag eines Ehegatten eingeleitet wird. Zwar werden bei dieser Art des Versorgungsausgleichs, der regelmäßig erst viele Jahre nach der Ehescheidung in einem isolierten Verfahren stattfinden wird, für den Berechtigten eigene Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht begründet; doch ist durch die Bezugnahme in § 1587 g Abs. 2 BGB auf § 1587 a BGB die Ermittlung der auszugleichenden Versorgungsanrechte beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich der Wertberechnung beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich gleichgestellt, d. h. es müssen auch bei einem solchen Verfahren die während der Ehezeit erworbenen ausländischen Anwartschaften für die Gegenüberstellung ermittelt werden. Insoweit treten beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht selten die gleichen Schwierigkeiten auf, die auch beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich keiner befriedigenden Lösung zugeführt werden können. Die polnischen Rentenvorschriften lassen eine auf die Ehezeit bezogene Rentenberechnung gar nicht zu und Auskünfte zu Rentenangelegenheiten dieser Art für in der Volksrepublik Polen lebende polnische Staatsbürger vom polnischen Versicherungsträger sind nicht zu erhalten. N § 1587 g Abs. 1 Satz 2 BGB. 1s Vgl. BT-Drucks. 9/2296, S. 10.

76 Vgl. auch Einzelbegründung zum Regierungsentwurf des Art. 17 Abs. 3 EGBGB, BT-Drucks. 10/504 v. 20. 10. 1983, S. 61.

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V. Probleme im Rahmen österreichischer Pensionsanwarfschaffen Auch treten ansonsten die Schwierigkeiten bei der Einbeziehung ausländischer Versorgungsanwartschaften in den deutschen Versorgungsausgleich immer stärker hervor. Dies gilt in besonderem Maße bei Rentenanwartschaften, die vor allem in Österreich erworben wurden. Dies ist nicht zuletzt auf das dort herrschende Rentenversicherungssystem zurückzuführen. So bereitet insbesondere Schwierigkeiten die Ziff. 19 des Schlußprotokolls zum deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen, wonach der deutsche Versicherungsträger bestimmte Versicherungszeiten- auch bei einem Übergang in die Österreichische Versicherungslast-weiterhin bei der Berechnung der deutschen Rente berücksichtigen muß, selbst wenn der Österreichische Versicherungsträger diese Zeiten honoriert. Im Leistungsfall ist dann wiederum die Österreichische Pension auf die deutsche Rente anzurechnen, soweit sie auf diese Zeiten entfällt. Da jedoch bei der Feststellung der Rentenanwartschaft für den Versorgungsausgleich zumeist noch keine Österreichische Pension zusteht und ein fiktiver Versicherungsfall in Österreich nicht anzunehmen ist, kommt es hier zu keiner Anrechnung. Gerade dies, daß das Österreichische Recht die Berechnung auf den fiktiven Versicherungsfall nicht kennt und nach österreichischer Auffassung auch die Berechnung einer Anwartschaft wie auch des Ehezeitanteils einer solchen Anwartschaft nicht möglich ist, schafft Schwierigkeiten. Dennoch müßte es - wie im deutschen Recht - möglich sein, einen fiktiven Versicherungsfall zum Ende der Ehezeit zu fixieren und auf diesen Eckwert rechnerisch eine Pensionsanwartschaft aufzubauen. Man wird bei dem Einwand der Unberechenbarkeit von dem Gefühl der Angst beschlichen, daß eine fiktive Pensionsberechnung andere Ergebnisse zeitigen kann, als die spätere Pensionsberechnung bei Eintritt des tatsächlichen Versicherungsfalles ergibt. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet. Denn anders als das deutsche Rentenversicherungsrecht enthält das Österreichische Pensionsversicherungsrecht Vorschriften über die Verfallbarkeit von Zeiten und damit von Anwartschaften. Es gibt z. B. Versicherungsmonate, die nur dann anrechenbar sind, wenn sie in einen bestimmten Anrechnungszeitraum fallen. Damit im Zusammenhang stehen Bestimmungen über die Halbdeckung (§ 223 ASVG). Darüber hinaus besteht ein Pensionsanspruch, wenn die sog. "Dritteldeckung" gegeben ist, d. h., wenn die letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 12 anrechenbare Versicherungsmonate enthalten (§ 223 ASVG). Andererseits entfällt das Erfordernis der Dritteldeckung u. a., wenn die Zweidritteldeckungnach § 237 ASVG vorliegt.

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Kurt Maier

In Anbetracht dieser Rechtslage kann nicht ausgeschlossen werden, daß am Ende der Ehezeit die Voraussetzungen für die Anrechenbarkeit von Zeiten im Zusammenhang mit der Halbdeckung oder Dritteldeckung gegeben sind, zum Zeitpunkt des tatsächlichen Versicherungsfalles indes nicht mehr. Das kennt aber auch das deutsche Recht. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage nach einer analogen Anwendung des § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB jedenfalls dann, wenn die Österreichische Pensionsanwartschaft dem ausgleichspflichtigen Ehegatten zusteht'7 •

VI. Kleiostrenten Mehrere über- und zwischenstaatliche Abkommen, darunter auch das deutsch-österreichische Sozialversicherungsabkommen78 bestimmen, daß eine Rentengewährung aus dem Vertragsstaat außer Betracht bleibt, wenn zu dessen Versicherungsträger weniger als 6, 1279 oder 18 Monate (je nach Abkommen) zurückgelegt sind. Solche kurzen Zeiten sollen dann in der Rente des anderen Staates mithonoriert werden. Hierzu wird von den Rentenversicherungsträgern trotz der Einwendungen von Bergner80 die Auffassung vertreten, daß im Hinblick darauf, daß diese Bestimmungen stets dann nicht zum Tragen kommen, wenn aus den weniger als 6, 12 oder 18 Monaten Versicherungszeit bereits ein innerstaatlicher Anspruch besteht (z. B. die Wartezeitfiktion), infolge des § 1587 a Abs. 7 BGB ihre Anwendung ausgeschlossen bleibt, sofern in der deutschen Rentenversicherung in der Tat weniger als 6, 12 oder 18 Monate zurückgelegt sind. Dabei gilt es zu bedenken, daß nach dieser Regelung im Extremfall bereits aus einem einzigen Betrag ein fiktives Altersruhegeld in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist. Im Gegensatz zu Bergner, der diese ausländischen Minizeiten beim Versorgungsausgleich in der deutschen Rentenversicherung berücksichtigt wissen will, stehen die Rentenversicherungsträger auf dem Standpunkt, daß eine Abgeltung dieser ausländischen Zwergzeiten in der deutschen Rentenversicherung dann als deutsche Rentenanwartschaft am Versorgungsausgleich teilnimmt und nach § 1587 b Abs. 1 BGB im Wege des Splitting ausgeglichen wird, was nach über- und zwischenstaatlichem Recht nicht zulässig sein dürfte. Es fragt sich in der Tat, ob diese Minizeiten letztlich nicht doch beim Versorgungsausgleich berücksichtigt werden sollen, zumal die §§ 1587 a Abs. 7 und § 1587 b Abs. 1 BGB insoweit keine unüberwindbaren Barrieren darstellen. Vgl. Bergner, IPrax 1982, S. 233. Vgl. Art. 26 Abs. 4. 79 z. B. nach Art. 36 deutsch-österr. SV-Abkommen. so Vgl. IPrax 1982, S. 223. 77 78

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VII. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich als Ausweg aus der Sackgasse in Fällen der Auslandsberührung Läßt man die Probleme des Versorgungsausgleichs mit Auslandsberührung mit ihren vielerlei Fallgruppen - von denen nur einige herausgegriffen wurden - revue passieren, so steckt in jeder Fallgruppe die Tücke des Objekts. Am problemlosesten ist noch die Gruppe, bei der bereits eine ausländische Rente (Pension) bezogen wird. In allen anderen Fällen überlagern sich die Schwierigkeiten und Unsicherheiten mehr oder minder intensiv. Allein schon die Berechnung der ausländischen Anwartschaften mit der Fiktion eines Versicherungsfalles zum Ende der Ehezeit nach den Bewertungsgrundsätzen des § 1587 a Abs. 2 und Abs. 5 BGB stößt an nur schwer zu überwindende Barrieren. Mitunter setzen diese Anwartschaften entweder wie in Schwedens', Dänemarks2 und Australiens3 keine eigenen vorausgegangenen Leistungen des Betroffenen - weil aus den Steueraufkommen finanziert - voraus, so daß nur die Anwartschaften auf die Zusatzrente in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind und die Anwartschaften auf die steuerfinanzierte "Volksrente" außer Betracht bleibt oder aber der endgültige Rentenbetrag wird ohne entsprechendes ratierliches Ansteigen während der Anwartschaftszeit nach dem letzten Durchschnittseinkommen vor Eintritt des tatsächlichen Versicherungsfalles berechnet. In beiden Fällen stellt sich bei einer Scheidung die Frage nach dem Anhaltspunkt für die Berechnung des Ausgleichsbetrages. Dann gibt es aber auch Probleme mit den Zunächst-/Teilrenten. So bestimmen z. B. die Verordnung Nr. 1408/71 EWG in Art. 46 Abs. 2, das deutsch-griechische Sozialversicherungsabkommen in seinem Art. 28 Abs. 3 und das deutsch-spanische Sozialversicherungsabkommen in Art. 22 Abs. 3 grundsätzlich eine sog. Zunächst-/Teilrentenberechnung, wenn neben deutschen Versicherungszeiten auch solche Versicherungszeiten in d~m jeweiligen anderen Mitglieds- oder Vertragsstaat vorli~gen. Sie sind bei der Ermittlung der Rentenanwartschaft für den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, während die im deutschösterreichischen und im deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen in Ausnahmefällen vorgesehene Zunächst-/Teilrentenberechnung für die Ermittlung der Rentenanwartschaft beim Versorgungsausgleich außer Betracht bleibt84 •

st Vgl. OLG Bamberg, FamRZ 1980, S. 62. s2 Vgl. Soergel!Schmeiduch, § 1587 a Rdnr. 213. sa Vgl. OLG Koblenz, FamRZ 1981, S . 293. 84 s. hierzu auch Hannemann/Kinzel, DAngVers 1978, S. 369 ff., 375.

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Kurt Maier

Wer ist schon in der Lage, das ausländische Rentenrecht mit allseinen Spezialitäten und ständigen Neuerungen zu beherrschen. Hier erscheint es dringend angezeigt, im Rahmen zwischenstaatlicher Abkommenserweiterungen die ausländischen Versicherungsträger zur Berechnung der jeweiligen ausländischen Bemessungsgrundlagen zu verpflichten. In Anbetracht all dieser Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten ist es nur allzu verständlich, daß die Familiengerichte geradezu spontan, die Literatur indes zunächst zögernd auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich trotz all seiner Schwächen, vor allem des Zeitpunkts seines Eintritts und Erlöschens wie auch der durch ihn bewirkten sozialen Sicherung zusteuerten. Im Rahmen der BGH-Rechtsprechung hat er - vor allem beim Versorgungsausgleich bei Auslandsberührung seinen festen Standort. Auch im Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich hat der schuldrechtliche Versorgungsausgleich als Lückenbüßer für die Fälle, in denen weder eine Realteilung noch ein Quasi-Splitting Platz greifen, eine beachtliche neue Funktion übernommen. Der Regierungsentwurf zum Neuregelungsgesetz des internationalen Privatrechts sagt in seiner Begründung zur Versorgungsausgleichsbestimmung bei Art. 17 Abs. 3 EGBGB85, daß Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Berücksichtigung ausländischer Anwartschaften auch bei rein deutschen Ehen durch das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich beseitigt werden, wobei dieses Gesetz dazu führt, daß "solche Anwartschaften grundsätzlich schuldrechtlich ausgeglichen werden" 85. Denn ausländische öffentlich-rechtliche Versorgungsanwartschaften können i. d. R. bislang kaum übertragen werden87, weil sich hier Schranken daraus ergeben, daß in die Hoheit des ausländischen Staates eingegriffen werden müßte, sofern nicht bi- oder multilaterale Sozialversicherungsabkommen diese Barrieren künftig überbrücken. Überdies ist offenbar im ausländischen Recht auch der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorherrschend. Amerikanische Gerichte stellen z. B. meist die Höhe des Anteils des Ausgleichsberechtigten fest und belasten den Ausgleichsverpflichteten mit Zahlungen "if and when received by him" 88. So ist es letztlich nur noch ein kleiner Schritt für den Gesetzgeber ausländischer Versorgungsanwartschaften in toto dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu unterstellen, wie dies im übrigen auch schon ein früherer Referentenentwurf des Bundesministers der Justiz in kluger Voraussicht einplante. 85 86 87 88

Vgl. BT-Drucks. 10/504 vom 20. 10. 1983, S. 61. s. auch Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 9/2296, S. 10. s. hierzu auch Jayme, NJW 1978, S. 2417 ff., 2420. Jayme (Anm. 87), S. 2420.

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Eine weitere Unsicherheit ergibt sich in Fällen einer Risikodivergenz, die zu ein·e m Auseinanderklaffen von errechnetem Ehezeitanteil und der späteren tatsächlichen Leistung führen kann. Auch hier wird in zunehmendem Maße auf eine Vereinbarung im Rahmen des§ 1587 o BGB ausgewichen89• Die Tendenz der Familiengerichte indes, den Versorgungsausgleich hinsichtlich der ausländischen Versorgungsrechte dadurch zu umgehen, daß sie einen Ausschluß im Wege der Vereinbarung nach § 1587 o BGB den Parteien nahelegen, ist zwar verständlich, begegnet aber Bedenken. All diese Unsicherheitsfaktoren könnte man minimieren, wenn man in einem Abänderungsverfahren, das weiter als der § 580 ZPO im Restitutionsverfahren ginge, Rechnung tragen könnte90• Am sichersten wäre es für den Versorgungsausgleich mit Auslandsbezug indes, wenn der Gesetzgeber die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht schon bei Scheidung, sondern erst zum Zeitpunkt des frühesten Versorgungsfalles eines der beiden Ehegatten normativ verfügen würde. Ausgeglichen würden dann nur Leistungen, die im Entscheidungszeitpunkt von den jeweiligen Versorgungsträgem effektiv an die Ehegatten erbracht werden. Dann werden nicht bloße Anwartschaften auf eine Versorgung ausgeglichen und die schwierigen Bewertungsfragen würden sich gar nicht erst stellen. Der Ausgleichsberechtigte würde dann seinen Anteil direkt vom Versorgungsträger erhalten und soweit der ausländische Versorgungsträger nicht aufgrund eines Abkommens zur unmittelbaren Zahlung an den Berechtigten - wozu er ansonsten nicht gezwungen werden kann - sondern an den Ausgleichsverpflichteten leisten würde, hätte der Ausgleichsverpflichtete den festgestellten Anteil an den Ausgleichsberechtigten weiterzuleiten. Das Problem der Wartezeiterfüllung mittels Anwartschaftsaufstockung beim Ausgleichsberechtigten, das ohnehin auch schon bislang Schwierigkeiten im Versorgungsausgleich bei Auslandsbezug bereitete, müßte dann allerdings noch mit Hilfe von eventuellen Verrechnungsschlüsseln einer Lösung zugeführt werden.

Thesen 1. In den Versorgungsausgleich nach deutschem Recht sind - trotz Fehlens einer ausdrücklichen diesbezüglichen gesetzlichen Regelung- auch ausländische Anwartschaften einzubeziehen. 2. Für die Frage, ob in den Fällen mit Auslandsberührung ein Ver-

sorgungsausgleich stattfindet, ist das Scheidungsfolgenstatut des

89 s. hierzu auch Becker, Versorgungsausgleichs-Verträge, Athenäum 1983, S. 300 ff. m.w.N. 90 Maier/Herrmann, Die Korrektur des Versorgungsausgleichs, NJW 1980, s. 11.

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KurtMaier Art. 17 EGBGB in verfassungskongruenter Modifikation und nicht das Ehewirkungsstatut mit dem Grundsatz des schwächeren Rechts, auch nicht das Güterrechtsstatut des Art. 15 EGBGB maßgebend.

3. Im interlokalen Privatrecht ist für den Versorgungsausgleich das gegenwärtige gemeinsame Personalstatut (Art. 14 EGBGB) maßgebend. Lebt ein Ehegatte nach der Scheidung in der DDR und der andere in der Bundesrepublik, so findet ein Versorgungsausgleich nicht statt. Das Transferabkommen vom 25. 4. 1974 läßt die Realisierung eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht zu. Die Lösung dieses Versorgungsausgleichsproblems ist auch im Hinblick darauf, daß die in der gesetzlichen Rentenversicherung der DDR zurückgelegten Beitragszeiten nach §§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 1 Lit. a FRG zugleich als nach Bundesrecht zurückgelegte Zeiten gelten, schwierig. 4. Nach der Rechtsprechung des BGH soll ein Versorgungsausgleich nicht aus Gründen des Sozialversicherungsrechts ausgeschlossen werden können. Dabei bleibt der durch das RAG 1982 erweiterte Leistungsexport (§§ 1315 ff. RVO) auch im Rahmen des Versorgungsausgleichs beachtlich. Vermag sich der Versorgungsausgleich nicht in den Formen des § 1587 b Abs. 1 und 2 BGB zugunsten des Ausgleichsberechtigten auszuwirken, oder wäre er unwirtschaftlich, so hat der Ausgleich nach§ 1587 b Abs. 4 BGB in anderer Weise zu erfolgen, etwa in der Form des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach§ 1587 f Nr. 5 BGB, der jedenfalls bis zum Tode des Ausgleichsverpflichteten in Betracht kommen kann. 5. Die Nichtzulassung der Vollstreckung aus einer den Ehegatten zum Ausgleich verpflichtenden deutschen Ehescheidung seitens des ausländischen Aufenthaltsstaates ist für sich allein kein Grund, den Versorgungsausgleich nicht stattfinden zu lassen (BGH-Beschluß vom 24. 2. 1982, FamRZ 1982, 474). 6. a) Für einen in Polen lebenden geschiedenen Ehegatten ist im Hinblick auf das Polenabkommen (Abkommen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. 10. 1975 (BGBL II 1976, S. 393 ff.) nach Auffassung der Rentenversicherungsträger der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich nach § 1587 b BGB nicht möglich; für den auch unter Berücksichtigung polnischer Anwartschaften gern. § 1587 a BGB in Polen sich aufhaltenden Berechtigten werden durch die abgesplitteten Rententeile keine Rentenleistungen ausgelöst. Derartige Anwartschaften zur deutschen Rentenversicherung wirken sich weder nach zwischenstaatlichem noch nach

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polnischen innerstaatlichen Vorschriften zugunsten eines in Polen lebenden Ausgleichsberechtigten aus. Nach dem Abkommen gilt das Wohnsitz- bzw. Eingliederungsprinzip. b) Jeder Berechtigte erhält seine Rente vom Versicherungsträger seines Wohnlandes nach den dort geltenden Vorschriften; ein Leistungsexport in den anderen Abkommensstaat findet nicht statt. Verlegt ein Rentenberechtigter seinen Wohnsitz in das Gebiet des anderen Abkommensstaates, so endet die Verpflichtung des bisherigen Wohnsitzlandes und beginnt eine Leistungsverpflichtung des neuen Aufenthaltsstaates (Art. 5 des Abkommens). c) Der anstelle der Beitragsentrichtung tretende schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach § 2 V AHRG erfordert durch die Bezugnahme in § 1587 g Abs. 2 BGB auf § 1587 a BGB auch hier die Ermittlung der während der Ehezeit erworbenen ausländischen Anwartschaften für eine Gegenüberstellung. Damit kommt es auch beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu ähnlichen Schwierigkeiten, die auch beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich keiner befriedigenden Lösung zugeführt werden können. 7. Schwierigkeiten bei der Einbeziehung ausländischer Versorgungsanwartschaften ergeben sich aufgrund des dortigen Rentenversicherungssystems bei Rentenanwartschaften, die in Österreich erworben wurden (Nr. 19 des Schlußprotokolls zum deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen, wonach der deutsche Rentenversicherungsträger bestimmte Versicherungszeiten- auch bei einem Übergang in Österreichische Versicherungslast - weiterhin bei der Berechnung der deutschen Rente berücksichtigen muß, selbst wenn der ÖSterreichische Versicherungsträger diese Zeiten honoriert). Das Österreichische Recht kennt die Berechnung des fiktiven Versicherungsfalles nicht; dafür gibt es im Österreichischen Pensionsversicherungsrecht die Verfallbarkeit von Zeiten (Halbdeckung, Dritteldeckung, Zweidritteldeckung). 8. Die Regelung, daß eine Rentengewährung aus dem Vertragsstaat außer Betracht bleibt, wenn zu dessen Versicherungsträger weniger als 6, 12 oder 18 Monate (je nach Abkommen) zurückgelegt sind und dafür diese kurzen Zeiten in der Rente des anderen Staates mithonoriert werden, wirft die Frage auf, ob diese ausländischen Minizeiten beim Versorgungsausgleich in der deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind.

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9. Als Ausweg aus der Sackgasse in Fällen der Auslandsberührung bietet sich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich trotz all seiner Schwächen an. Auch im VAHRG hat der schuldrechtliche Versorgungsausgleich einen renomierten Stellenwert. Es ist nur noch ein kleiner Schritt für den Gesetzgeber, die ausländischen Versorgungsanwartschaften in toto dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu unterstellen. Am sichersten wäre es für den Versorgungsausgleich mit Auslandsbezug, wenn der Gesetzgeber die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht schon mit der Scheidung, sondern erst zum Zeitpunkt des frühesten Versorgungs-(Versicherungs)falles der Ehegatten normativ verfügen würde. Zusammenfassung

Obwohl der Gesetzgeber keine speziellen Ausgleichsnormen für Fälle mit Auslandsbezug aufgestellt hat, ergibt sich doch aus der Konzeption des Versorgungsausgleichs, daß auch ausländische Versorgungsanrechte zu berücksichtigen sind. Ob ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist, beurteilt sich dann nach dem Scheidungsfolgenstatut des Art. 17 EGBGB in verfassungskongruenter Modifikation, im interlokalen Privatrecht zur DRR nach dem gegenwärtigen gemeinsamen Personalstatut des Art. 14 EGBGB. Jedenfalls dürfen sozialversicherungsrechtliche Hindernisse allein nicht zu einer Ausschaltung des Versorgungsausgleichs führen. Wenn ein Leistungsexport in der durch das RAG 1982 erweiterten Form möglich ist, muß er auch beim Versorgungsausgleich mit Auslandsbezug berücksichtigt werden. In Fällen, in denen der Versorgungsausgleich sich nicht in den Formen des Splittings- oder Quasi-Splittings zugunsten des Ausgleichsberechtigten auswirkt oder sich als unwirtschaftlich erweist, hat der Ausgleich nach § 1587 b Abs. 4 BGB in anderer Weise zu erfolgen, etwa in der Form des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 1587 f Nr. 5 BGB, der bis zum Tode des Ausgleichsverpflichteten in Betracht kommen kann. Jedenfalls entfällt der Versorgungsausgleich nicht schon deshalb, weil der Vollstreckung des deutschen Scheidungsurteils im ausländischen Aufenthaltsstaat Hindernisse entgegenstehen. Dabei gilt es Problemlösungen zu finden, die weniger auf Sozialversicherungsabkommen nach dem Verteilungsprinzip (dort bei den steuerfinanzierten Volks- und Zusatzrentensystemen) beruhen als bei Rentenberechnungen, die auf dem Integrationsprinzip basieren. Schwierigkeiten gibt es in diesem Zusammenhang vor allem -

für einen in Polen lebenden geschiedenen Ehegatten im Hinblick auf das Abkommen vom 9. 10. 1975: Hier ist nach Auffassung der Renten-

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Versicherungsträger der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich nach§ 1587 b BGB nicht möglich; für den in Polen sich aufhaltenden Berechtigten werden durch abgesplittete Rententeile keine Rentenleistungen ausgelöst und ein Leistungsexport in einen der beiden Abkommensstaaten findet nicht statt. Der anstelle einer Beitragsentrichtung tretende schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach § 2 VAHRG vermag derzeit noch nicht zu einer allseits befriedigenden Lösung zu führen; -

für in Österreich aufgrund des dortigen Rentenversicherungssystems erworbene Rentenanwartschaften (Nr. 19 des Schlußprotokolls zum deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen, wonach der deutsche Rentenversicherungsträger bestimmte Versicherungszeiten auch dann beim Übergang in die Österreichische Versicherungslast weiterhin bei der Berechnung der deutschen Rente berücksichtigen muß, wenn der Österreichische Versicherungsträger diese Zeiten honoriert);

-

für die sog. "Weniger-als-Klauseln" in Sozialversicherungsabkommen, wonach eine Rentengewährung aus dem Vertragsstaat außer Betracht bleibt, wenn zu diesem Versicherungsträger weniger als 6, 12 oder 18 Monate zurückgelegt sind und dafür diese kurzen Zeiten in der Rente des anderen Staates mithonoriert werden.

Sozialversicherungsabkommen nach dem Integrationsprinzip sind mit dem Versorgungsausgleich in öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung derzeit kaum vereinbar. Außer durch Änderung und Ergänzung von Sozialversicherungsabkommen könnten die Schwierigkeiten und Unsicherheiten dadurch überwunden werden, daß sich der Gesetzgeber entschließt, den Ausgleich ausländischer Versorgungsanwartschaften insgesamt in den flexibeleren Formen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu regeln. Bereits jetzt geht die Praxis schon vielfach diesen Weg; auch zeigt die Aufwertung dieser Ausgleichsform im VAHRG, daß der Gesetzgeber in diese Richtung denkt. Dabei sollte der Gesetzgeber auch das Prinzip der einheitlichen Entscheidung im Scheidungszeiten in Fällen mit Auslandsbezug überdenken. Summary Practical problems of applying German law on pension rights compensation in cases with a foreign element from a sociallaw viewpoint

Foreign pension rights are to be included in the compensation of pension rights in accordance with German law although there are no specific statutory regulations on this. The law applicable to the legal

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consequences of divorce of Art. 17 EGBGB (Introductory Law of the Civil Code) in its amendment according to the constitution, in the interlocal conflict of laws as regards the German Democratic Republic the actual law governing the personal status common to either parties of Art. 14 EGBGB, is decisive for the question whether the compensation of pension rights is to take place in cases with a foreign element. From a social insurance law viewpoint alone, pension rights compensation with a foreign element should not be excluded. In this context, the provisions of Section 1315 et s. Reichsversicherungsordnung (RVO = German National Insurance Code) expanded by the RAG (law on pension adjustments) of 1982 remain considerable. In cases in which the compensation of pension rights does not work in the form of "splitting'' or "quasi-splitting'' in favour of the spouse entitled to compensation, or where this proves uneconomical, the compensation is to be marle in another way pursuant to Section 1587 b Para. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB = Civil Code), approximately in the form of pension rights compensation under the law of obligations in accordance with Section 1587 f no. 5 BGB which can be used until the death of the party liable to compensation. In any event, the non-admission of performance on the part of the state of foreign residence as a result of a German divorce obliging the spouses to carry out a compensation of pension rights is in itself no reason for not allowing pension rights compensation to take place. Salutions to the problems have to be found which are based less on social insurance agreements in accordance with the principle of apportionment (in cases of taxfinanced pension systems with supplementary pensions) than cases of pension calculations in accordance with the principle of integration. Düficulties arise in particular in this context -

for a divorced spouse living in Poland with regard to the agreement of 9. 10. 1975; here, according to the pension fund, the compensation of pension rights under public law pursuant to Section 1587 b BGB is not possible; no pension benefits arise through splitting for the spouse entitled thereto but living in Poland. The compensation of pension rights under the law of obligations acting in lieu of payment of contributions in accordance with Section 2 VAHRG (Act relating to the settlement of hardship cases within the compensation of pension rights) does not lead to a satisfactory solution at the moment;

-

for pension rights that have accrued in Austria on the basis of the Austrian pension insurance system (no. 19 of the final protocol to the German-Austrian agreement on social insurance according to which

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the German insurance fund must continue to consider certain insurance periods even upon transition to the Austrian in.surance when calculating the German pension, ü the Austrian insurance fund honours these periods); -

for the so-called "less than clauses" in social insurance agreements, according to which the granting of pensions from the state which is a party to an agreement is not taken into account if contributions have been made for less than 6, 12 or 18 months and these short periods are honoured in the pension of the other state.

Social insurance agreements in accordance with the principle of integration are currently hardly compatible with the compensation of pen.sion rights under public law. Apart from amending and completing the social in.surance agreements, in cases with a forei.gn element the compensation of pension rights under the law of obligations - despite its weaknesses - is the only way out. This is also con.sidered significant in the VAHRG, and in many cases judges are already heading in this direction. It would be best to change the execution of pension rights compen.sation with a foreign element from the time of the divorce to the earliest time of the event giving rise to a pension for the spouses.

ZWEITER TEIL

Das Hauptcolloquium

Programm des Hauptcolloquiums Zeit: 3.-6. Juli 1984 Ort:

Akademie für politische Bildung, Haus Buchensee, Tutzing

Dienstag, 3. Juli 1984

A. Allgemeines I. Die Ordnungsaufgabe

Die Problemstruktur des Versorgungsausgleichs Referent: Professor Dr. Franz Ruland (Hannover) Diskussion zu I. II. Die Lösungen 1. Die deutsche Lösung

a) Das Familienrecht Referent: Professor Dr. Günther Beitzke (Bonn) b) Das Sozialrecht und andere Instrumente sozialer Sicherung im weiteren Sinne Referent: Professor Dr. Bernd von Maydell (Bonn) c) Der Stand der Reform des Versorgungsausgleichs Referent: Regierungsdirektor Bernhard Lohr (Bonn)

Diskussion zu Il. 1. 2. Die Lösungsansätze im internationalen Vergleich Referent: Professor Dr. Erik Jayme (Heidelberg) Diskussion zu II. 2. Mittwoch, 4. Juli 1984

111. Die kollisionsredltliche Problematik 1. Probleme und Problemlösungen des Versorgungsausgleichs-

rechts in Fällen mit Auslandsberührung - Grundsätzliches Referent: Professor Dr. Hans Jilrgen SonnenbergeT (Augsburg)

2. Der Versorgungsausgleich in der Reform des deutschen internationalen Privatrechts Referent: Regierungsdirektor Dr. Jörg Pirrung (Bonn) 3. Die familienrechtliche Praxis Referent: Professor Dr. Christian von Bar (Osnabrück)

164

Programm des Hauptcolloquiums 4. Anerkennung von Auslandsscheidungen und nachträglicher Versorgungsausgleich im Inland Referent: Ltd. Ministerialrat Dr. Helmut Bürgle (München) Diskussion zu III. 1.-4. 5. Die Praxis der Rentenversicherung Referent: Lothar Frank (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) (Berlin) Diskussion zu III. 5.

Donnerstag, 5. Juli 1984

B. Erörterung der Problematik anhand ausgewählter Länder I. Osterreich 1. Die Problematik des Versorgungsausgleichs im Österreichischen Familien-, Sozial- und Kollisionsrecht Referent: Dr. Franz Marhold (Wien)

2. Anrechte aus der Österreichischen Pensionsversicherung im deutschen Versorgungsausgleich Referent: Direktor Dr. Ludwig Bergner (München) Diskussion zu I.

D. Kanada

1. Die Problematik des Versorgungsausgleichs im kanadischen Familien- und Kollisionsrecht Referent: Dr. Wolfgang Hering (München)

2. Die Problematik des Versorgungsausgleichs im kanadischen Sozialrecht und Sozial-Kollisionsrecht Referent: Dr. Heinz-Dietrich Steinmeyer (Bonn) Diskussion zu II.

m. Belgien und die Niederlande 1. Die Problematik des Versorgungsausgleichs im belgischen und niederländischen Familien-, Sozial- und Kollisionsrecht Referent: Dr. Walter Pintens (Leuven) 2. Zum Versorgungsausgleich in Luxemburg Referent: Pierre Mores (Luxemburg) Freitag, 6. Juli 1984

Diskussion zu III.

C. Ergebnisse und Aufgaben Vermögens- und vorsorgerechtliches Denken im Versorgungsausgleich Referent: Dr. Eberhard Eichenhafer (München) Schlußdiskussion

Erster Abschnitt

Allgemeines

A. Die Ordnungsaufgaben

Die Problemstruktur des Versorgungsausgleichs Von Franz Ruland

Inhaltsübersicht I. Die Aufgabe

168

II. Die Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Die wirtschaftliche Sicherung des geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . a) Die Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . . . b) Die Verantwortung des früheren Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Verantwortung des Systems sozialer Sicherung . . . . . . . . . . . . d) Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 170 171 172 172

2. Aufteilung des von den Ehegatten Erworbenen ....... . .. ..... . . . 174 3. Ausgleich des Vorsorgenachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 III. Entstehungsbedingungen und Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Die Rahmenbedingungen für den Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . 178

2. Die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Grundprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Halbe Rente - keine Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . c) Eigenständige Sicherung nach Scheidung - Unterhaltsersatz für Witwen (Witwer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Grundentscheidung -

180 180 181 182

Alternativen und Probleme . . . . . . . . . . . . . 183

1. Der Zeitpunkt des Ausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die "Momentaufnahme" "unfertigen Eigent ums" . . . . . . . . . . . . . . b) Die Risiken zu später Durchführung des Versorgungsausgleichs c) Zur Notwendigkeit eines späteren Versorgungsa usgleichs . . . . .

184 184 188 189

2. Die auszugleichenden Anrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Die sachliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Die zeitliche Begrenzung .. . ..... ... ...... . ...... .. .. . . .. . .... 192

168

Franz Ruland 3. Die Modalität des Ausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

a) Ausgleich der Hälfte der Wertdifferenz . ........ . ....... ... ... b) Realteilung aller Anrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Begründung einer zusätzlichen Sicherung für den ausgleichsberechtigten Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vollzug des Ausgleichs durch den Ausgleichspflichtigen . . . . . . . e) Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwingendes oder dispositives Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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202 203 203 205

V. Zum Korrekturbedarf des Versorgungsausgleichsrechts .... . .... . . . 206 Thesen . . ...... . ....... . . .. . . ..... .......... . . . .. . .. ... .. . ..... ... . .. .. 208 Zusammenfassung ........... . .............. .. .................. .. .. .. 212 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

I. Die Aufgabe1 Geht eine Ehe in die Brüche, stellen sich für die Rechtsordnung drei Aufgaben: (1) Sie muß die Frage nach der wirtschaftlichen Sicherung der Ehegatten neu beantworten. Deren Absicherung durch wechselseitige, gleichzeitige Unterhaltsverpflichtungen und -berechtigungen hat mit dem Bruch der Ehe ihre Basis, die eheliche Solidarität, verloren. Eine Fortdauer der unterhaltsrechtlichen Sicherung bedarf einer neuen Legitimation. Ersatzweise oder ergänzend sind neue Sicherungsformen vorzusehen. (2) Der "Ehekonkurs" macht Regelungen notwendig, die bestimmen, ob und inwieweit das, was die Ehegatten während der Ehe erworben haben, zwischen ihnen aufgeteilt wird. (3) In vielen Ehen wird noch nach der Rollenverteilung Mann= Verdiener und Frau =Hausfrau gelebt. Der mit der Hausfrauenrolle verbundene Verzicht auf Erwerbseinkommen bedeutet grundsätzlich auch den Verlust eigenständiger Vorsorgemöglichkeit, denn die durch Vorsorge vermittelte gehobene soziale Sicherung setzt entweder Beiträge oder - soweit vom Arbeitgeber getragen - Arbeits- oder Dienstleistung voraus2 • Der Verzicht der Hausfrau auf Vorsorge wird kompensiert durch ihre abgeleitete Teilhabe an der sozialen Sicherung des Ehegatten, zumeist -so auch bei uns- durch Unterhalt ersetzende Witwen- oder Witwerrenten3. Verliert der Ehegatte, der den Haushalt führte, zusammen mit 1 Vorüberlegungen zu einzelnen Teilen des Folgenden bereits in DRV 1984, S. 415 ff.; die eingeklammerten Passagen wurden aus Zeitgründen nicht vorgetragen. Die Ausführungen zu den Querbeziehungen zwischen dem Versorgungsausgleichsrecht einerseits und dem Unterhalts- und Güterrecht andererseits sind mit Rücksicht auf das Referat von Herrn Beitzke auf das Notwendigste reduziert worden. 2 Vgl. Zacher, Verhandlungen des 47. DJT, 1968, Bd. II, 0, S. 8.

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dem Status auch die an ihn geknüpfte Sicherung des hinterbliebenen Ehegatten, ohne daß ein Ersatz gefunden wäre, bliebe der zumeist durch das Aufziehen von Kindern bedingte Vorsorgenachteil ohne Kompensation. Der Versorgungsausgleich versteht sich als Beitrag zur gleichzeitigen Lösung dieser drei Aufgaben. Die Ehe geht endgültig in die Brüche, wenn sie geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wird. In einer Rechtsordnung, die die Scheidung nicht zuläßt, gibt es für ein Institut, wie den Versorgungsausgleich, kaum Bedarf. Zwar wirft auch das faktische Getrenntleben der Ehegatten die Frage nach ihrer zukünftigen wirtschaftlichen Sicherung auf, doch ist die Situation im Vergleich zu der nach der Scheidung wesentlich anders, weil dadurch geprägt, daß die Ehegatten ihren formalen Status als solche und die an ihn geknüpfte soziale Sicherung behalten haben4 • Der Ehekonkurs droht erst, er ist noch nicht eingetreten. (Doch ist interessant, daß selbst für diesen Fall das Recht eine Lösung bereithält, die Ähnlichkeiten zum - allerdings nur - schuldrechtlichen Versorgungsausgleich aufweist. Dem Ehegatten kann ein Teilbetrag der Sozialleistung ausbezahlt werden, die dem Unterhaltspflichtigen zusteht5 • Der Teilbetrag ist allerdings, das macht den Unterschied aus, am Unterhaltsanspruch orientiert.) - Die eheähnliche GemeinschaftS bietet - von den Beteiligten so gewollt oder hingenommen - nur eine faktische Sicherung; die Freiheit von der rechtlichen Bindung und Verpflichtung realisiert sich beim Bruch der Gemeinschaft, der selbst dann zwischen den ehemaligen Partnern keine Verantwortlichkeit zugunsten des sozial Schwächeren begründet, wenn infolge von durch die Gemeinschaft bedingten Nachteilen Sozialhilfe in Anspruch genommen werden muß. Insoweit mag man an Änderungen denken. Aber die Sicherungen im Falle der Scheidung auf die ehe3 Zur Hinterbliebenensicherung in Deutschland und ihrer Reform: Bakeloh, Die soziale Sicherung der Frau im Rentenrecht, 1982; Fuchs, in: Festschrift für Meinhold, 1980, S. 486 ff.; Kaltenbach, DAngVers 1980, S. 263 ff.; ders., DAngVers 1978, Beilage zu Heft 12; Kollenberg, Partnerschaft im Rentenrecht, 1977; Krupp (u. a.), Alternativen der Rentenreform '84, 1981; von Maydell, Neuordnung der sozialen Alterssicherung der Frau, 1982; Ruland, (zuletzt) Kompaß 1983, S. 206 ff.; Zacher, DRV 1977, S. 197 ff.; zum derzeit favorisierten Anrechnungsmodell: Hauck, DAngVers 1984, S. 270; Hauck/Bokelch, DRV 1984, S. 650 ff.; Kaltenbach, DAngVers 1982, S. 433 ff.; ders., DAngVers 1984, 525 ff.; Kolb, DRV 1984, S. 635 ff.; v . Maydell, DRV 1984, 662 ff.; s. a. Clausing/Page, DAngVers 1983, S. 133 f. 4 Einen "vorgezogenen" Versorgungsausgleich entsprechend § 1385 BGB gibt es nicht. Vgl. Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, 1977, Rdnr. 32; Voskuhl!Pappai/Niemeyer, Ver-

sorgungsausgleich in der Praxis, 1976, S. 17. 5 Vgl. § 48 SGB I; dazu Maier, SGb 1976, S. 305. 6 Allgemein zu den durch sie aufgeworfenen sozialrechtlichen Problemen: Behn, VSSR 1981, S. 328 ff.; Rüfner, in: Landwehr (Hrsg.), Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1978, S. 84 ff.

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ähnliche Gemeinschaft zu übertragen, hieße - von allen Schwierigkeiten ihrer Definition einmal abgesehen'- den Willen der Beteiligten, von solchen Verpflichtungen und Berechtigungen gerade frei zu sein, zu negieren, würde aber auch die Ehe als Gemeinschaft grundsätzlich lebenslang rechtlich verbindlich zugesagter Solidarität entwerten. Es sei aber nicht verschwiegen, daß andere Rechtskreise, so z. B. auch das kanadische Recht, die länger bestehende eheähnliche Gemeinschaft rechtlich weitgehend der Ehe angenähert haben8 •

ll. Die Lösungsmöglichkeiten 1. Die wirtschaftliche Sicherung des geschiedenen Ehegatten

Es gibt drei Möglichkeiten, die Verantwortung für die wirtschaftliche Sicherung des geschiedenen Ehegatten zuzuordnen: (Es ist zunächst der betreffende Ehegatte selbst, der für seinen Unterhalt Eigenverantwortung trägt. In Betracht kommt aber auch der frühere Ehegatte, dessen Unterhaltsverpflichtung dann über das Ende der Ehe hinaus verlängert werden müßte. Besteht ein System sozialer Sicherung, ist schließlich noch zu fragen, inwieweit es für den geschiedenen Ehegatten Verantwortung übernehmen kann.)

a) Die Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten Die Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten ist, was ihre Rechtfertigung anbetrifft, voraussetzungslos. Zunächst hat jeder für sich selbst zu sorgen, bevor andere in Anspruch genommen werden können9 • (Die Reichweite der Eigenverantwortlichkeit mag in Einzelfragen - etwa bei der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit - streitig sein, der Grundsatz als solcher ist es aber nicht.) Die Eigenverantwortung bietet aber nur eine begrenzt taugliche Sicherungschance. Risiken wie Krankheit, Invalidität, Alter oder Arbeitslosigkeit bedrohen die Umsetzung der Arbeitskraft in Erwerbseinkommen. Vermögen, das auch ohne den Zwang, arbeiten zu müssen, sichert, ist in den wenigsten Fällen vorhanden. Mit dem Hinweis auf die Eigenverantwortung läßt sich die Frage nach der wirtschaftlichen Sicherung des geschiedenen Ehegatten allein jedenfalls nicht ausreichend beantworten. Fremdverantwortung muß zur Abdeckung der genannten Risiken hinzutreten. 7 Zu ihnen statt aller: SchellhornlJirasek/ Seipp, Bundessozialhilfegesetz, 11. Aufl. 1984, § 122 Rdnrn. 3 ff. m. w. Nachw. 8 Dazu Eichenhofer, Sozialrecht Kanadas, 1984, S. 105 ff.; ders., DAngVers 1984, s. 216, 221. 9 Zu dieser Grundthese sozialer Sicherung: Zacher, Einführung in das Sozialrecht, 1982, S. 10.

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b) Die Verantwortung des früheren Ehegatten

An potentiellen Unterhaltsschuldnern kommt, solange keine Wiederheirat erfolgt, nur der frühere Ehegatte in Betracht. Auf die Eltern kann zumeist nicht mehr, auf die Kinder noch nicht zurückgegriffen werden. Eine Unterhaltsverpflichtung des früheren Ehegatten bedarf aber einer neuen Rechtfertigung. Sie wird vorbestimmt durch die Gründe, deretwegen die Rechtsordnung die Scheidung zuläßt. (Wird die Scheidung vom Schuldprinzip beherrscht, löst die Scheidungsschuld grundsätzlich Unterhaltspflichten aus. Das Ausbrechen aus der Ehe soll einerseits von eingegangenen Unterhaltsverpflichtungen nicht befreien können. Andererseits soll der Ehegatte keine Unterhaltsansprüche mehr haben, der mit der Ehe seine unterhaltsrechtliche Sicherung aufs Spiel gesetzt hat10• Wird - wie bei uns - das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip abgelöst, fällt die Zuweisung von Unterhaltspflichten schwerer. Ehebedingte Nachteile (z. B. Verzicht auf Ausbildung) 11 und Nachwirkungen der Ehe (Aufziehen von Kindern) 12 sind plausible Rechtfertigungsgründe. Das Argument, daß eine Erleichterung der Scheidung durch einen intensivierten nachehelichen Unterhalt ausgeglichen werden müsse, bringt nicht viel, weil auch der potentiell unterhaltsberechtigte Ehegatte die erleichterten Scheidungsmöglichkeiten nutzen kann. Wer hier Mißbrauch vorbeugen will, muß durch die Hintertür das Schuldprinzip doch wieder einlassen.) Aber selbst wenn der Gesetzgeber in weitem Umfang Unterhaltsansprüche zulassen sollte, ihr Sicherungswert darf nicht überschätzt werden. Ihre Realisierung setzt die Leistungsfähigkeit des Schuldners voraus, der sich zudem vielfach seiner Zahlungspflicht entziehen will. Trotz der passiven Vererblichkeit des Unterhaltsanspruches endet der Leistungsbezug vielfach mit dem Tode des Pflichtigen. Eine Wiederheirat des Berechtigten läßt seine unterhaltsrechtliche Sicherung entfallen. Bei der Auflösung der neuen Ehe lebt sie nur in Sonderfällen wieder auf 13• Fazit: Auch eine Kombination aus Eigenverantwortung und unterhaltsrechtlicher Sicherung kann in der Mehrzahl der Fälle keine ausreichende wirtschaftliche Sicherung des geschiedenen Ehegatten gewährleisten.

10 §§ 58 f. EheG a. F.; dazu etwa Palandt/Diederichsen, BGB, 35. Auf!., § 58 EheG Anm. 2; s. a. Furier, Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten, 1941. u Vgl. § 1575 BGB. 12 Vgl. § 1570 BGB. 13 Vgl. §§ 1586 f. BGB.

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c) Die Verantwortung des Systems sozialer Sicherung Damit rückt die Verantwortung des Systems sozialer Sicherung für den geschiedenen Ehegatten in den Vordergrund des Interesses. Aber auch seine Leistungen bedürfen der Rechtfertigung14• Am einfachsten ist sie bei der Sozialhilfe. Als allein von der Bedürftigkeit abhängige Mindestsicherung erfaßt sie geschiedene Ehegatten wie jeden anderen in Not geratenen Einwohner auch. Soweit bei Eintritt bestimmter Risiken Leistungen einer Staatsbürgerversorgung vorgesehen sind, profitiert hiervon auch der geschiedene Ehegatte, wenn er die zumeist nur an die Aufenthaltsdauer geknüpften Voraussetzungen erfüllt. Diese oder ähnliche Sicherungsformen bewahren zwar vor existentieller Not, leisten zumeist aber kaum mehr, zumal der Sicherungswert der Sozialhilfe durch ihre Subsidiarität gemindert ist. Gehobene soziale Sicherung knüpft entweder an die Vorsorge des zu Sichernden oder als Entschädigung an eine Aufopferung an. Planbar ist nur die Vorsorge. Sie erfolgt durch Versicherungsbeiträge oder Dienstleistungen. Für den nichterwerbstätigen Ehegatten ist eine Vorsorge durch Beitragszahlung nur möglich, wenn er entweder Vermögen hat oder die Mittel zur Vorsorge von seinem Ehegatten bekommt. Da die Einkommen ohnehin mit hohen Sozialabgaben belegt sind15, besteht, zumal wenn eine Familie unterhalten werden muß, kaum zusätzliche Vorsorgekapazität. (Bei uns ist der Effekt einer solchen Vorsorge zudem dadurch eingeschränkt worden, daß eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung keine Sicherung mehr gegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit bietet16 und auch nicht zur Anrechnung beitragsloser Zeiten (etwa Ausbildungszeiten) führt 17.) Vorsorge ist aber auch nur gegen bestimmte typische Risiken möglich: Alter, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, Krankheit etc. Der Unterhaltsverlust durch Scheidung ist allein kein versicherbares Risiko. Soweit Vorsorge erfolgte, sichert sie erst ab Risikoeintritt, z. B. erst im Alter, die Zeit zuvor bleibt in der Eigenverantwortung bzw. ist unterhaltsrechtlich abzusichern. d) Kombinationen Alle für den geschiedenen Ehegatten in Betracht kommenden Sicherungsformen weisen Defizite auf. Sie lassen sich durch ihre Kombination verringern. Das Hinzutreten staatlicher Sicherung garantiert mit 14 Dazu allgemein: Ruland, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Auf!. 1984, S. 347 ff. u 9,25% Rentenversicherungsbeiträge; 5-7% Krankenversicherungsbeiträge, 2,3 % Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, jeweils nur ArbeitnehmeranteiL 18 Vgl. §§ 1246 Abs. 2 a, 1247 Abs. 2 a RVO. 17 Vgl. §§ 1259 Abs. 3, 1260 Abs. 1 S. 2 RVO.

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der Sozialhilfe zunächst die Mindestsicherung. Will das System sozialer Sicherung für den geschiedenen Ehegatten mehr tun, steht es unter Berücksichtigung seiner systemimmanenten Zwänge praktisch vor folgender Alternative: Es kann den geschiedenen Ehegatten den Hinterbliebenen zurechnen, denen nach dem Tode des Versicherten Rente als Unterhaltsersatz gewährt wird18• Bei dieser Lösung werden die personell begrenzten Zugangsmöglichkeiten der Vorsorgesysteme nicht erweitert, der geschiedene Ehegatte wird den abgeleitet gesicherten Familienangehörigen zugerechnet. Diese Lösung prolongiert die unterhaltsrechtliche Verantwortung des geschiedenen Ehegatten über seinen Tod hinaus und gibt ihr damit einen höheren Sicherungswert. Die unterhaltsrechtliche Sicherung bleibt trotzdem risikobehaftet: Verlängert und abgesichert wird nur die Bezugsdauer des Unterhalts, die Zugangshürden zu dieser Sicherung, die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs, bleiben, ihr Gewicht verstärkt sich noch dadurch, daß von ihnen auch die den Unterhalt ersetzende Geschiedeneu-Hinterbliebenenversorgung abhängt. Mit dieser Unterhaltsersatzkonzeption bindet sich das Sozialrecht in seinem Bemühen, dem geschiedenen Ehegatten eine bessere soziale Sicherung zuteil werden zu lassen, an das Unterhaltsrecht. Jeder Versuch, die Nachteile der unterhaltsrechtlichen Sicherung10 nicht auf die Geschiedeneu-Hinterbliebenenversorgung durchschlagen zu lassen, hat den unerklärbaren Bruch zur Folge, daß als Unterhaltsersatz Sozialleistungen auch an Personen gezahlt werden, die keinen Unterhalt erhielten20• - Soll die sozialrechtliche Sicherung des geschiedenen Ehegatten von den Voraussetzungen des Unterhaltsanspruches unabhängig werden, muß sie die Unterhaltsersatzkonzeption aufgeben. Kann der geschiedene Ehegatte aber nicht mehr als Hinterbliebener in die Vorsorgesysteme einbezogen werden, bleibt als Alternative letztlich nur, ihm eine eigene Sicherung aufzubauen oder seine vorhandene Sicherung auszubauen. Aus eigener Kraft ist dies dem nichterwerbstätigen Ehegatten kaum möglich. Die Familien sind in aller Regel nicht in der Lage, zusätzlichen Vorsorgeaufwand zu treiben. Für eine Vorsorge des Staates fehlt im allgemeinen die Rechtfertigung. Ist sie, wie bei Kindererziehungszeiten gegeben, fehlt für ihre Anrechnung dann das Geld. Käme es einmal zu ihrer Anrechnung, wäre dies auch 18 Das war die alte Lösung des § 1265 RVO, zu ihr und zu ihrem Ungenügen: H. Bogs, in: Eherechts-Reform, 1971, S. 110 f.; Langkeit, in: Verhandlungen des 47. DJT, 1968, Bd. I, F, S. 96 ff.; Meyer/Harter, Die Stellung der Frau in der Sozialversicherung, 1974, S. 96 ff.; Ruland, Familiärer Unterhalt und Leistungen der sozialen Sicherung, 1973, S. 329 ff. 19 Konsequenz war, daß 1974 nur 13 600 Frauen eine Geschiedenen-Hinterbliebenenrente bezogen, obwohl es rund 308 000 geschiedene Frauen gab, die 55 Jahre oder älter waren, vgl. Ruland/Tiemann (Anm. 4), Rdnr. 10. 20 Zur Kritik an § 1265 S. 2 RVO: Gitter, Zweckwidrige Vielfalt und Widersprüche im Recht der Sozialversicherung, 1969, S. 65; Ruland (Anm. 18), S. 331; Ruland/Zacher, SGb 1969, S. 65.

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ein Beitrag zur besseren sozialen Sicherung des geschiedenen Ehegatten. Bleibt als Vorsorgepotential nur die soziale Sicherung, die sich der frühere Ehepartner aufgebaut hat. Kann der andere daran beteiligt werden, wird seine eigene soziale Sicherung entsprechend verbessert werden. Unterhalt und soziale Sicherung des geschiedenen Ehegatten würden voneinander unabhängig. Der geschiedene Ehegatte, der wegen seiner Erwerbstätigkeit keinen Unterhaltsanspruch hatte, könnte trotzdem an den Versorgungsanrechten des anderen teilhaben, wenn er seine Erwerbstätigkeit wegen Invalidität oder Alters aufgeben muß. Ist der geschiedene Ehegatte unterhaltsberechtigt, ergänzen sich unterhaltsrechtliche Sicherung und Teilhabe an den Anrechten des anderen Ehegatten21. Ab Alter 65 z. B. gäbe es dann Rente, insoweit statt des bis dahin gezahlten Unterhalts. Soweit die übertragenen Anrechte nicht ausreichen, muß Unterhalt ergänzend hinzutreten. Kommt es zur Doppelung von Unterhalt und Versorgungsausgleich, kann nach dem Tode des Unterhaltspflichtigen auch die Doppelung Versorgungsausgleich und Unterhalt ersetzende Geschiedenen-Hinterbliebenenversorgung sinnvoll sein22• 2. Aufteilung des von den Ehegatten Erworbenen

Von diesen Möglichkeiten interessiert hier nur die Aufteilung von Versorgungsanrechten. Ihre Realisierungschance hängt entscheidend davon ab, wie der Gesetzgeber das zweite durch die Scheidung aufgeworfene Problem gelöst hat oder lösen will: die Aufteilung des von den Ehegatten Erworbenen. Entschließt er sich dazu, jedem Ehegatten das zu belassen, was er selbst erworben hat - das Grundschema unserer Gütertrennung23 -,wäre eine Aufteilung nur der Versorgungsanrechte ein Fremdkörper, eine bestenfalls mit ihrem Sicherungszweck zu rechtfertigende Ausnahme, die aber wegen des Auseinanderlaufens der Güterstände zahlreiche Probleme aufwerfen würde, etwa wenn von der Aufteilung nur der Versorgungsanrechte der wirtschaftlich besser gestellte Ehegatte profitieren würde, der von seinem Vermögenszuwachs aber nichts herzugeben braucht. (Diese Fälle sind wegen der Unabhängigkeit des Versorgungsausgleichs vom Güterstand der Ehegatten24 vom geltenden Recht her bekannt 2s, sind aber wegen des gesetzlichen Güter21 Zum Verhältnis Versorgungsausgleich und Unterhalt außer dem Beitrag von Beitzke in diesem Band: von Hornhardt, FamRZ 1979, S. 655 ff.; Ruland/Tiemann (Anm. 4), Rdnrn. 630 ff. 22 Diesen Aspekt hat der Gesetzgeber bei der Streichung des § 1265 RVO für nach dem 30. 06. 1977 Geschiedene nicht bedacht. 23 §§ 1414 ff. BGB; dazu etwa MünchKomm- Kanzleiter, BGB, 1978, § 1414 Vorbemerkung 3, m. w. Nachw. 24 § 1587 Abs. 3 BGB. 25 Vgl. z. B. AmtsG Hamburg, NJW 1978, S. 278; BT-Drucks. 7/ 4361, S. 43; Ruland, NJW 1976, 8.1713, 1719.

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standes der Zugewinngemeinschaft nur Ausnahmefälle.) Kommt es wie bei der Zugewinngemeinschaft- zur Aufteilung des in der Ehezeit Erworbenen auf die Ehegatten, entsteht ein Argumentationsdruck zugunsten der Aufteilung auch der Versorgungsrechte. Ihre gesonderte Behandlung wird um so weniger plausibel, je mehr ihnen Vermögenswert zukommt, je mehr sie damit dem übrigen, aufzuteilenden Vermögen vergleichbar werden, zumal vielfach Versorgungsanrechte das einzig nennenswerte Vermögen der Ehegatten sind. So üben die Entscheidung zugunsten eines der Zugewinngemeinschaft vergleichbaren Güterstandes zusammen mit einer rechtlichen Wertung der Versorgungsanrechte als individuell zurechenbares Vermögen, als Eigentum, eine präjudizielle Wirkung zugunsten einer Aufteilung auch der Versorgungsanrechte aus. (Diese Parallele setzt zugleich aber auch einer solchen Aufteilung erste Grenzen. Von ihr erfaßt können nur solche Anrechte werden, die individuell zurechenbar sind; das sind- zunächst einmal vereinfacht formuliert - all die Anrechte, denen eine Gegenleistung des Berechtigten gegenübersteht, sei es in Gestalt gezahlter Beiträge, seien es Dienstleistungen, aber auch entschädigte Opfer.) Kommt es zu einer Aufteilung des Vermögens zwischen den Ehegatten, wird es naheliegen, ihren Modus auch auf die Aufteilung der Versorgungsanrechte zu übertragen. Doch können die Sicherungsfunktion dieser Anrechte und/oder spezifische sozialpolitische Zielvorstellungen Abweichungen notwendig werden lassen. So ist eine Gütergemeinschaft auf Versorgungsanrechte nicht übertragbar. Sie können wegen der damit verbundenen Erhöhung des Risikos nicht zugleich mehreren Personen zustehen, sie müssen individuell zugeordnet bleiben. Wird der Zugewinn erst am Ende der Ehe ausgeglichen, bedürfte eine permanente, z. B. jährliche, Aufteilung der Versorgungsanrechte besonderer sozialpolitischer Rechtfertigung. Ein solches "permanentes Splitting" ist in der deutschen Diskussion um eine verbesserte Sicherung des hinterbliebeneu Ehegatten erwogen worden2ß. Es hätte eine Aufteilung im Scheidungsfall erübrigt, ist aber zu Recht aufgegeben worden, weil es von den Phasen abgesehen, in denen beide Ehegatten zur gleichen Zeit Leistungen beziehen, zu Minder- oder Überversorgungen geführt hätte. (Der erwerbsunfähig gewordene Verdiener würde nur die halbe Rente bekommen, obwohl der gesamte Unterhaltsverband auf sein Einkommen angewiesen ist. Die erwerbsunfähig gewordene Hausfrau würde Rente bekommen, obwohl das Einkommen des Ver26 Vgl. BT-Drucks. 7 /4448; Geißler, Die neue soziale Frage, 1976, S. 83 ff.; ders., DAngVers 1975, S. 306 ff.; krit.: Bley, ZSR 1979, S. 523, 526 ff.; Gitter, ZVersWiss 1979, S. 133, 140 f.; Kolb, DRV 1979, S. 1, 12; Ruland, ZRP 1978,

S. 107, 109; Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, Vorschläge zur sozialen Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, 1979, S. 42 f.

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dieners dem Unterhaltsverband nach wie vor ungeschmälert zufließt. Ob im letzten Fall die Lösung wegen des Mehrbedarfs der Familie sozialpolitisch vertretbar ist, kann dahinstehen; die Lösung im ersten Falle ist es jedenfalls nicht. Das "permanente Splitting" ist aber nicht an der Abweichung zum Güterrecht gescheitert; Grund dafür waren vielmehr die sozialpolitischen Mängel dieses Modells.) Auch der Aufteilung der Versorgungsanrechte im Zeitpunkt der Scheidung werden solche Mängel nachgesagt und es wird - worüber noch zu sprechen sein wird - vorgeschlagen, die Aufteilung frühestens erst dann vorzunehmen ,wenn erstmalig einem der Ehegatten Rente bewilligt wird27 • Dementsprechend soll der andere Ehegatte nicht auch an den Anwartschaften, sondern nur an bewilligten Leistungen beteiligt werden. All diese Beispiele zeigen, daß das Güterrecht Vorbild für das "Ob" einer Aufteilung auch der Versorgungsanrechte ist, das "Wie" sich aber primär an sozialrechtlichen oder sozialpolitischen Zwangsläufigkeiten orientiert. Doch ist die Parallelität zwischen güterrechtlicher und versorgungsrechtlicher Teilhabe nicht zwingend. Die güterrechtliche Teilhabe schafft nur einen Argumentationsdruck, der aber um so größer wird, je mehr der Eigentumscharakter von Versorgungsanrechten anerkannt ist. Es gibt aber auch Hindernisse und Ge.genargumente: So zeigt das Beispiel Kanadas, daß unterschiedliche Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat zum Auseinanderlaufen der Lösungen führen können, soweit nicht die einheitliche Verfassung dem Grenzen setzt28 • In Kanada erfaßt der Versorgungsausgleich nur die Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, nur sie unterliegen der Bundeskompetenz. Ein Gegenargument kann sein, daß Anrechte nur begrenzt gesetzgeberischer Gestaltung zugänglich sind, weil sie vertraglich begründet und/oder Ausfluß besonderer Fürsorge- oder Treueverhältnisse sind. Für die betriebliche Altersversorgung und die Beamtenversorgung ist bei uns so argumentiert worden21• Ein Gegenargument kann weiter sein, daß eine Aufteilung der Versorgung nur die Sozialhilfebedürftigkeit beider Ehegatten zur Folge haben könnteM. Schließlich könnten sich Gegenargumente aus der Sicherung des hinterbliebenen Ehegatten ableiten. Würde die Aufteilung der Versorgungsanrechte dem geschiedenen Ehegatten eine bessere soziale Sicherung verschaffen, als sie dem verwitweten Zuletzt etwa Lang, FamRZ 1984, S. 317, 319. Vgl. Eichenhofer, DAngVers 1984, S. 216, 221. u Vgl. BT-Drucks. 7/4361, S. 39; s. a. Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz, in: "Zur Sache 2176 - Themen parlamentarischer Beratung", 1976, S. 245; Plagemann, ZVersWiss 1977, S. 45, 50 f. 30 Vgl. OLG Hamm, NJW 1978, S. 763 f.; Friauf, in: "Zur Sache 2/76" (Anm. 29), S. 73; Gitter, ebd., S. 44; Meyer/Harter (Anm. 18), S. 97; RohwerKahlmann, ZSR 1970, S. 403; dagegen zu Recht: BGH, NJW 1979, S. 1289, 1296. 27

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zusteht, wäre die Benachteiligung der intakten Ehe weder rechtlich noch sozialpolitisch haltbaz-:11 • 3. Ausgleich des Vorsorgenachteils

Eine Aufteilung der Versorgungsanrechte (ist ganz unabhängig davon, wie sie im Detail erfolgt, nicht nur ein Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des geschiedenen Ehegatten, sie ist nicht nur der Weg, das Prinzip, das gemeinsam Erworbene auf die Ehegatten aufzuteilen, auch auf die vermögenswerten Versorgungsanrechte zu erstrecken, sie) gleicht auch die Vorsorgenachteile aus, die insbesondere der nichterwerbstätige Ehegatte während der Ehezeit hat hinnehmen müssen. Insoweit ist die Aufteilung der Versorgungsanrechte aber nicht der optimale Weg. Der Vorsorgenachteil bleibt, er wird nur auf beide Ehegatten umgelegt. Aber das verhindert immerhin, daß er einseitig nur den einen Ehegatten belastet. Die zusätzliche Sicherung des nichterwerbstätigen Ehegatten schon während der Ehe oder erst nach der Scheidung wäre zwar der bessere Weg, weil der Vorsorgenachteil verringert würde32 • Aber er scheitert an der zumeist sehr begrenzten zusätzlichen Vorsorgekapazität der Familien, an den selbst für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fehlenden staatlichen Mitteln. Der schlechtere Weg wird daher wohl zumeist nur der einzig gangbare Weg sein33 • Er überträgt das Prinzip, von dem eben beim Vermögenszuwachs die Rede war, auch auf die ehebedingten Nachteile. Auch an ihnen sollen die Ehegatten gleichermaßen beteiligt werden. Doch sind Vorteil und Nachteil nicht spiegelbildlich. Der Vorsorgenachteil des nicht-erwerbstätigen Ehegatten ist eine von seinem sonstigen Sicherungsniveau abhängige hypothetische Größe. Den Zuwachs an Versorgungsanrechten hat der andere Ehegatte, der Verdiener; dieser Zuwachs ist Teil seines Sicherungsniveaus. Das zumeist einkommensabhängige Sicherungsniveau düferiert zwischen beiden Ehegatten um so mehr, je größer die Einkommensunterschiede zwischen ihnen sind. Sie gehen immer noch in der Mehrzahl der Fälle zu Lasten der Frauen. Die aufgezeigte Differenz läßt aber immerhin einen Mittelweg deutlich werden, wenn der Gesetzgeber den Ausgleich des Vermögenszuwachses nicht will. Er ist dann nicht auf die "Null-Lösung" angewiesen, sondern kann die Teilhabe des nichterwerbstätigen Ehegatten an den Versorgungsanrechten des anderen auf den hälftigen Ausgleich des Vorsorgenachteils begrenzen. 31 Zur Gleichbehandlung des verheirateten (verwitweten) und des geschiedenen Ehegatten: BVerfG, NJW 1984, S. 1523, 1524; S. 1949. 32 Vgl. zur Diskussion im Vorfeld der Reform : "Zur Sache 2176" (Anm. 29), s. 231 ff. 33 Er war als Vorstufe zur Einführung einer eigenständigen Sicherung der Frau gedacht, ebd., S. 232.

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Franz Ruland 111. Entstehungsbedingungen und Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs 1. Die Rahmenbedingungen für den Versorgungsausgleich

Der deutsche Gesetzgeber hat sich für die weitergehende Lösung, die Aufteilung des Versorgungszuwachses, entschieden. Dies war, betrachtet man die Rahmenbedingungen, eine nahezu zwangsläufige Entscheidung. Es entsprach züvor schon ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß zu dem Wesen der in Art. 6 Abs. 1 GG garantierten Ehe die gleiche Berechtigung beider Partner gehört, die auch nach Trennung und Scheidung der Eheleute bei der Aufteilung des ihnen früher gemeinsam zustehenden Vermögens zu berücksichtigen ist34• Nachdem sich in der verfassungsrechtlichen Diskussion zunehmend mehr die Auffassung durchsetzte und inzwischen auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, daß Anrechte auf Leistungen der g,esetzlichen Rentenversicherung Eigentum im Sinne des Art. 14 GG darst ellen115, konnte der Gesetzgeber dieses Eigentum bei der Aufteilung des von den Ehegatten erworbenen Vermögens nicht mehr unberücksichtigt lassen. Der Versorgungsausgleich ist in seinem Grundprinzip als Ausfluß der Gleichberechtigung der beiden Ehegatten verfassungsfest. Eine ersatzlose Streichung wäre nicht mehr möglich. Sie wäre auch, da alle anderen vermögenswerten Rechte vom Zugewinnausgleich erfaßt werden, wenig erklärlich. Versorgungsausgleich wie Zugewinnausgleich stehen aber zur Disposition der Ehegatten36• Gerade die Entwicklung in Deutschland bestätigt, welch präjudizielle Wirkung vom Zugewinnausgleich für die Aufteilung auch der Versorgungsanrechte ausgeht. Die Parallele zu ihm ist immer wieder gesucht und das Argument so sehr ins Feld geführt worden, daß Gegner dieser Entwicklung von einer "Zugewinngemeinschaftsideologie" 37 sprachen. Eine Streichung des Versorgungsausgleichs scheidet auch deshalb aus, weil Alternativen fehlen. Das Ungenügen der Geschiedenen-Hinterbliebenenrente war der sozialpolitisch ausschlaggebende Grund, die soziale Sicherung des geschiedenen Ehegatten neu zu konzipieren38• (Ihre Abhängigkeit vom Unterhalt schloß all die Ehegatten vom Bezug dieser Leistung aus, die entweder 34

BVerfGE 22, S. 93, 96 f.; 42, S. 64, 77; 47, S. 85, 100; 53, S. 257, 296; 63,

s. 88, 109.

3s Seit BVerfGE 53, S. 257, 289 ff., inzwischen ständige Rechtsprechung des BVerfG, zuletzt BVerfGE 64, S. 87, 97; aus der Literatur vor allem Krause, Eigentum an subjektiven öffentlichen Rechten, 1982, S. 21; Papier, VSSR 1973, 55 ff.; H. Schneider, Der verfassungsrechtliche Schutz von Renten der Sozialversicherung, 1981; Stob er/ Stolleist Rüfner/Papier/Grimm, in: Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz sozialer Rechtspositionen, 1982. as §§ 1408 Abs. 2, 1587 o BGB. 37 Dieckmann, in: FS Bosch, 1976, S.134ff.; IvlüUer, NJW 1977, S.1745, 1747. 38 Vgl. Rutand/Tiemann (Anm. 4), Rdnrn. 8 ff.

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schuldig geschieden worden waren, auf Unterhalt verzichtet oder sich wieder verheiratet hatten, die z. B. wegen einer Erwerbstätigkeit nicht bedürftig waren oder die wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des Verpflichteten ihren Unterhaltsanspruch nicht realisieren konnten. Das Resultat all dieser Ausschlußgründe war, daß nur etwa 4 °/o der vom Alter her in Betracht kommenden Frauen eine Geschiedenen-Hinterbliebenenversorgung erhielten38.) Die Abkehr vom Schuldprinzip und damit verbunden die Reduktion des Unterhaltsanspruchs auf bestimmte Bedarfssituationen haben die Aufgabe der als Unterhaltsersatz konzipierten Geschiedenen-Hinterbliebenenversorgung unausweichlich werden lassen. Zu ihr kann es, ohne daß der Geschiedenen-Unterhalt erheblich ausgeweitet würde, auch keine Rückkehr geben. Das wird in der gegenwärtigen Diskussion einer Reform des Versorgungsausgleichs auch ganz überwiegend anerkannt. Nicht das "Ob" eines solchen Ausgleichs, sein "Wie" steht zur Diskussion. 2. Die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs

Die Zwangsläufigkeit einer Entscheidung ist ein Aspekt, ihre Richtigkeit ist ein anderer. Daher muß nun der Frage nachgegangen werden, worin der Versorgungsausgleich seine Rechtfertigung findet. Die gemeinsame Leistung der Ehegatten kann es nicht sein40• Die Höhe der Versorgungsanrechte des Verdiener-Ehegatten ist zumeist allein von der Höhe seines Einkommens abhängig. Die Leistung des haushaltführenden Ehegatten hat auf sein Versorgungsniveau keinen Einfluß. Damit ist die Parallele zum Zugewinnausgleich aber nicht durchbrachen. Auch er kann nicht damit erklärt werden, daß das in der Ehe erworbene Vermögen das Ergebnis der gemeinschaftlichen Leistung beider Ehegatten sei. Der "innere Grund" des gerade für Hausfrauen-Ehen geforderten und eingeführten Zugewinnausgleichs ist, "daß die Tätigkeit der Frau als Hausfrau ihre Erwerbstätigkeit einschränkt. Zum Ausgleich dafür soll sie am Manneserwerb beteiligt werden" 41 • Der "Manneserwerb" ist aber auch wieder das Ergebnis primär seiner beruflichen Leistung, auch wenn die Tätigkeit der Hausfrau ihm diese erleichtert haben mag. Versorgungsausgleich wie Zugewinnausgleich finden ihre Rechtfertigung in der mit der Heirat einander versprochenen Solidarität der Ehegatten auch und gerade im wirtschaftlichen Bereich42 • Diese Solidarität als Folge der ehelichen Lebensgemeinschaft überspielt die 39

s.o. Anm. 19; im übrigen Abg. Lepsius, in: "Zur Sache 2/76" (Anm. 29),

s. 252.

40 Vgl. BGHZ 74, S. 38, 57 f.; Dieckmann (Anm. 37), S. 135; Ruland, JuS 1979, s. 703, 704. 41 So Ulmer, Verhandlungen des 38. DJT, 1948, B, S. 33 f. 42 So schon Ruland/Tiemann (Anm. 4), Rdnr. 26; Ruland, JuS 1979, S. 703, 704.

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wirtschaftlichen Konsequenzen der innerfamiliären Aufgabenverteilung zwischen dem Verdiener und - in aller Regel - der Hausfrau und Mutter, aber auch die Folgen unterschiedlich hoher Einkommen in einer Doppelverdiener-Ehe43 • Als Solidarität wird die Bereitschaft verstanden, auch für den anderen aufzukommen, sein Risiko mitzutragen, ihn an dem Erarbeiteten teilhaben zu lassen. Eine andere Überlegung kommt hinzu44 • Vorsorge- und Entschädigungssysteme haben die Versorgung der Altengeneration aus dem Unterhaltsverband herausgenommen und "vergesellschaftet". Im "Gegenzug" sind die Unterhaltsbeziehungen innerhalb der Kernfamilie intensiviert worden. Der Unterhaltsträger muß auch für den Fall Vorsorge treffen, daß er wegen vorhersehbarer Risiken aus dem Erwerbsleben ausscheidet45 • Dieser Unterhaltsanspruch auf Vorsorge wird regelmäßig schon dadurch erfüllt, daß der Unterhaltsträger sozialversichert oder als Beamter versorgt ist. An diesen Sicherungen hat der Ehegatte aber nur solange teil, wie die Ehe nicht geschieden ist. Für den geschiedenen Ehegatten stellt der Versorgungsausgleich eine pauschale Abgeltung des Unterhaltsanspruchs auf Vorsorge dar. 3. Grundprobleme

a) Halbe Rente -

keine Sicherung

Gleich, wie der Ausgleich der Versorgungsanrechte erfolgt, wird als Gegeneinwand geltend gemacht, daß für keinen der Ehegatten die halbe Rente ausreiche, sie vielmehr beide sozialhilfebedürftig würden46 • Dem läßt sich schon theoretisch entgegenhalten, daß von dem Ausgleich nur ein der Ehezeit entsprechender Anteil erfaßt wird, der im Regelfall zumeist deshalb relativ gering sein wird, weil die Scheidung zumeist nach kurzer Ehedauer- im Schnitt nicht länger als 5 Jahre- erfolgt. Die mit dem Versorgungsausgleich bislang gemachten Erfahrungen bestätigen dies. Die weggesplittete Rentenanwartschaft beträgt durchschnittlich 155,- DM im Monat47 • Das sind auf die durchschnittlichen Monatsbeträge der Zugangsrenten bezogen 12 OJo (Angestelltenversicherung) bzw. 18 Ofo (Arbeiterrentenversicherung) der zu erwartenden Ren43 Auch für sie ist der Versorgungsausgleich, da es nicht nur um den Ausgleich von Vorsorgenachteilen geht, sachgerecht; zur Verfassungsmäßigkeit: BVerfGE 53, 8. 257, 296; OLG Celle, NJW 1979, 8. 1659, 1660; a. A. z. B. AmtsG München, NJW 1978, 8.1011; Bergner, DRV 1977, 8. 26; von MaydeH, FamRZ 1978, 8. 752. 44 Vgl. schon Ruland, ZRP 1978, 8. 107, 108. 45 BGH, FamRZ 1978, 8. 236; BGH, LM § 844 II BGB Nrn. 2, 11; NJW 1960, 8. 1200; dazu auch H. Bogs, FamRZ 1981, 8. 81; Ruland (Anm. 18), 8. 217 ff. 40 s. o. Anm. 30. 47 Vgl. Mitt. LVA Oberfranken und Mittelfranken 1984, 8.187 f.; s. a. VDR8tatistik: Rentenzugang des Jahres 1983, 1984, Tabellen 47 Z und 48 Z, 8. 66 f.

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tenanwartschaft. Für die zumeist ausgleichsberechtigten Frauen bringt der Bonus von 155,- DM aber eine wesentliche Verbesserung ihrer zu erwartenden durchschnittlichen Rentenanwartschaft, die derzeit in der Arbeiterrentenversicherung bei 448,50 DM (34,6 Ofo) und in der Angestelltenversicherung bei 735,25 DM (21,8 Ofo) liegt48• Diese Zahlen zeigen, daß der Versorgungsausgleich die soziale Sicherung der geschiedenen Frauen wesentlich verbessert, ohne dadurch die der ausgleichspflichtigen Männer ernstlich zu gefährden. Die genannten Zahlen sind Durchschnittszahlen. Daher kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, daß wegen des Versorgungsausgleichs doch beide Ehegatten auf Sozialhilfe angewiesen sind. Ohne den Versorgungsausgleich wäre es in diesen Fällen zumeist nur die geschiedene Frau gewesen. Es ist auch Folge der Gleichberechtigung beider Ehegatten, daß sie nach der Scheidung bei insgesamt unzulänglicher Alterssicherung dann auch beide den Weg zum Sozialamt antreten müssen. b) Zur Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs

Dem Versorgungsausgleich wird weiter entgegengehalten, daß er nicht kostenneutral sei49 • Er erfolge damit zu Lasten Dritter. Diese würden wegen der Korrekturauflagen des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich noch dadurch belastet, daß sie in den Fällen, in denen aus dem übertragenen Anrecht dem ausgleichsberechtigten Ehegatten keine oder nur kurzfristig Leistungen zu erbringen sind, den Versorgungsausgleich wieder rückgängig machen müssen50• Richtig an diesem Einwand ist, daß ausgleichsberechtigt in aller Regel die Frauen sind. Richtig ist des weiteren, daß Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Das führt in der Regel auch zu längeren Rentenbezugsdauern. Doch muß andererseits in Rechnung gestellt werden, daß bei Wiederheirat beider Ehegatten aus dem Anrecht des Ausgleichspflichtigen eine unbedingte Witwenrente gewährt werden kann, während aus dem Anrecht der Ausgleichsberechtigten nur unter engen Voraussetzungen eine Witwerrente abgeleitet werden kann 51 • Zu berücksichtigen ist weiter, daß, nachdem Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten eine vorgehende versicherungspflichtige Beschäftigung voraussetzen52, allein aus den im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften Invaliditätsrenten niCht mehr hergeleitet werden können. Angesichts dieser Gegengründe muß hinter die These, der Vgl. VDR-Statistik, ebd., Tabellen 19 ARZ und 19 AVZ, S. 26 f. Zur Forderung nach der "Kostenneutralität" Bergner, SGb 1978, S. 133, 140; Maier, DAngVers 1978, S. 153, 156; a. A. SoergeUv. Hornhardt, BGB, 11. Aufl. 1981, § 1587 Vorbem. 20. 50 Lang, FamRZ 1984, S. 317, 318. 61 Vgl. zu dieser Überlegung: Waldmann/Mörschel, DRV 1978, S. 261 ff. 52 s. o. Anm. 16. 48

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Versorgungsausgleich sei nicht kostenneutral, ein Fragezeichen gesetzt werden. Exakte Untersuchungen dazu liegen jedenfalls nicht vor. Selbst wenn sich der Versorgungsausgleich nicht als kostenneutral erweisen sollte, wäre dies kein grundsätzlicher Einwand gegen eine Aufteilung der Versorgungsanrechte. Denkbar wären Lösungen, die den Mehraufwand des Versorgungsträgers infolge des erhöhten Risikos des ausgleichsberechtigten Ehegatten allein diesem aufbürden oder auf beide Ehegatten verteilen, wie es etwa bei der Realteilung privater Versicherungen nach§ 1 Abs. 2 VAHRG gemacht wird53•

c) Eigenständige Sicherung nach ScheidungUnterhaltsersatz für Witwen (Witwer) Eine Aufteilung der Versorgungsanrechte wirft, gleich wie sie ausgestaltet wird, ein weiteres Problem auf. Der Versorgungsausgleich war als erster Schritt auf dem Wege zu einer eigenständigen sozialen Sicherung der Frau gedacht54. Die Reform der Hinterbliebenensicherung sollte dieses Ziel weitgehend verwirklichen55• Im Moment jedenfalls scheint diese Absicht aufgegeben worden zu sein. Die abgeleitet konzipierte Sicherung des geltenden Rechts soll wohl nur modifiziert werden58. Auch im deutschen Recht bliebe es dann bei dem zu überprüfenden Ergebnis, daß der Ehegatte im Falle der Scheidung eigenständige Ansprüche bekäme, während er im Falle der Verwitwung nur auf eine abgeleitete Sicherung verwiesen wäre. (Keine Rechtsordnung wird aber die Schlechterstellung des verwitweten im Vergleich zum geschiedenen Ehegatten hinnehmen. Die darin begründete Manipulationsmöglichkeit würde die Ehe gefährden. Dem steht nach deutschem Recht auch Art. 6 Abs. 1 GG entgegen, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt57. Die Eigenständigkeit der Sicherung ist allein kein Vorteil, genausogut ist ihr Abgeleitetsein allein genommen kein Nachteil. Es kommt jeweils auf die Folgen an. Die abgeleitete Sicherung der Witwe ist vom Betrag der Leistung her besser als die Aufteilung der in der Ehezeit erworbenen Anrechte. 60 °/o Witwenrente aus allen Anrechten des Verstorbenen sind mehr als 50 °/o der Differenz der von den Ehegatten jeweils in der Ehezeit erworbenen Anrechte. Dies gilt aber nur, wenn die geplante Einkommensanrechnung die Witwenrente nicht unter den Betrag drückt, der der Berechtigten im Falle einer 53 Vgl. BT-Drucks. 9/2296, S. 11; Maier, Härteregelungen zum Versorgungsausgleich, 1983, § 1 Anm. 2 (S. 15). 54 s.o. Anm. 33; im übrigen: Rutand, ZRP 1978, S. 107 ff.; Voskuht, ZSR 1979,

s. 348 ff.

55 Vgl. "Vorschläge zur sozialen Sicherung der Frau ..." (Anm. 26), S. 11. sc Vgl. Hauck, DAngVers 1984, S. 265, 270. 57 s. o. Anm. 31.

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Scheidung als Bonus zugestanden hätte. Er müßte, um eine Schlechterstellung der Witwe zu vermeiden, in jedem Falle anrechnungsfrei bleiben. Die geschiedene Frau kann die ihr übertragenen Anrechte des weiteren immer schon dann realisieren, wenn in ihrer Person ein Versicherungsfall eintritt. Sie ist nicht erst dann leistungsberechtigt, wenn der Ehegatte verstorben ist. Sie behält ihre Sicherung auch iiDj Falle der Wiederheirat, während die Witwen- und Witwerrenten bei Wiederheirat wegfallen, evtl. aber nach Auflösung der neuen Ehe wieder aufleben58• Diese Schlechterstellung der Witwe bei Wiederheirat ließe sich dadurch beheben, daß auch von dem Ruhen der Witwenrente bei Wiederheirat der Teil ausgenommen wird, der einem Versorgungsausgleichsanspruch aus der ersten Ehe entspricht. Daß die Witwe Leistungen nicht schon bei einem Versicherungsfall in ihrer Person, sondern erst nach dem Versterben des unmittelbar gesicherten Ehegatten erhält, ist der abgeleiteten Sicherung systemimmanent und in ihr daher nicht änderbar. Das ist aber, auch wenn es bei der abgeleiteten Sicherung verbleiben sollte, kein Grund, auf die Aufteilung der Anrechte im Falle der Scheidung zu verzichten. Solange der Ehegatte verheiratet ist, ist er primär unterhaltsrechtlich gesichert. Diese Sicherung wird dem geschiedenen Ehegatten nur beim Vorliegen besonderer Rechtfertigungsgründe zuteil. Die an den unterschiedlichen Familienstand geknüpften unterschiedlichen Formen sozialer Sicherung lassen sich mit der unterschiedlichen unterhaltsrechtlichen Sicherung rechtfertigen. Jede der Sicherungen hat ihre Gefahren. Die geschiedene Frau kann bei geringem Ausgleichsanspruch die Wartezeit nicht erfüllen59. Ist der Unterhaltsträger leistungsunfähig, geht der verheiratete Ehegatte leer aus. Zieht man Bilanz, läßt sich feststellen, daß auch ein Festhalten des Gesetzgebers an der Unterhaltsersatzkonzeption der Hinterbliebenensicherung einer Aufteilung der Versorgungsanrechte im Falle der Scheidung grundsätzlich nicht entgegensteht. Sie macht es aber notwendig, daß dem verwitweten Ehegatten bei Einkommensanrechnung und Ruhen infolge Wiederheirat der Rentenbetrag garantiert bleibt, der einem Versorgungsausgleichsanspruch entspricht.

IV. Die Grundentscheidung- Alternativen und Probleme In seiner gegenwärtigen Konzeption folgt der Versorgungsausgleich weitgehend den Strukturprinzipien des Zugewinnausgleichs. Solange die Ehe besteht, erfolgt kein Ausgleich. Ein unterschiedliches Versorgungsniveau zwischen den Ehegatten wird unterhaltsrechtlich ausgeglichen. Der Ausgleich erfolgt frühestens mit der Scheidung. Von ihm erfaßt werden auch nur die Anrechte, die während der Ehezeit erworben 58

so

§ 1291 RVO. Vgl. § 1304 a Abs. 5 RVO.

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wurden. Ausgeglichen wird nicht jedes einzelne Anrecht, sondern es werden für jeden Ehegatten die von ihm erworbenen Anrechte zusammengerechnet und der Ehegatte mit den höheren Anrechten muß die Hälfte der Differenz an den anderen abgeben. Der Berechtigte bekommt zumeist in Höhe seines Ausgleichsanspruchs ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. In Härtefällen kann der Ausgleich ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Er steht zur Disposition der Ehegatten, die ihn - vom Jahr vor dem Scheidungsantrag abgesehen60 - sogar ersatzlos ausschließen können. 1. Der Zeitpunkt des Ausgleichs

Das deutsche Versorgungsausgleichsrecht ist wesentlich dadurch bestimmt, daß der Ausgleich grundsätzlich mit Rechtskraft der Scheidung erfolgt61 • Dies gilt von Sonderfällen abgesehen für alle Anrechte, die sich gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger (Rentenversicherung, Beamtenversorgung, berufsständische Versorgungseinrichtungen, Zusatzversorgung) richten und für sonstige Anrechte, deren Recht eine Realteilung vorsieht62 • Alle übrigen Anrechte, insbesondere solche der betrieblichen Altersversorgung, werden nur schuldrechtlich ausgeglichen, d. h. frühestens erst dann, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte die auszugleichende Versorgung bezieht63 • Damit zeigt schon das deutsche Recht alternativ Zeitpunkte für den Ausgleich auf. Ihre Diskussion ist schon deshalb notwendig, weil Überlegungen zur Reform des Versorgungsausgleichs gerade am Zeitpunkt seines Vollzugs ansetzen wollen. So sollen nach den Grundsätzen des Modells '8764 nur solche Leistungen ausgeglichen werden, die im Entscheidungszeitpunkt von den Versorgungsträgern tatsächlich an die Ehegatten erbracht werden. Allerdings soll der Ausgleichsberechtigte nicht - wie beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich - warten müssen, bis der Ausgleichspflichtige seine auszugleichende Versorgung erhält. Als "vorgezogenen Ausgleich" soll der Ausgleichsberechtigte vom Pflichtigen die Zahlung einer Geldrente verlangen können, wenn sein Einkommen hinter dem des Pflichtigen zurückbleibt und in seiner Person ein Versicherungsfall eingetreten ist.

a) Die "Momentaufnahme" "unfertigen Eigentums" Einer der Haupteinwände gegen den Versorgungsausgleich in seiner jetzigen Ausgestaltung ist, daß er die Versorgungsanrechte bis zum Vgl. Vgl. 62 Vgl. oa Vgl.

6o 61

64

§ 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB. § 53 g Abs. 1 FGG i. V. m. § 629 d ZPO. § 1587 b Abs. 1, 2 BGB; § 1 Abs. 2, 3 V AHRG. §§ 1587 g ff. BGB; § 2 V AHRG.

Zu ihm Lohr, in diesem Band; ähnlich Lang, FamRZ 1984, S. 317, 319.

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Ende der Ehezeit b€wertet und gestützt auf diese Bewertung auch dann ausgleicht, wenn es sich bei ihnen noch nicht um bereits bewilligte Leistungen, sondern erst um Anwartschaften oder Aussichten handelt65. In diesen Fällen führe die "Momentaufnahme" zum Ende der Ehezeit dann zu unerträglichen Ergebnissen, wenn das Anrecht den zum Ende der Ehezeit ermittelten und dem Ausgleich zugrunde gelegten Wert bei seiner Bewilligung im Leistungsfall nicht mehr erreichen kann. Da Anwartschaften und Aussichten auf Leistungen der sozialen Sicherung immer unter dem Vorbehalt ihrer Finanzierbarkeit stünden, mithin "unfertiges" Einkommen seien, könnten sie nicht wie anderes, bereits verdinglichtes Eigentum zum Zeitpunkt der Scheidung ausgeglichen werden. Ein Ausgleich sei daher frühestens dann möglich, wenn die Leistung bewilligt worden sei, weil erst dann ihr Wert feststehe. Diesem Einwand will das Modell '87 Rechnung tragen. Doch ist zu sehen, daß nur wenige der Beispiele, mit denen dieser Einwand gestützt wird, ihn auch tatsächlich tragen. Andere dieser Beispiele zeigen, daß das Versorgungsausgleichsrecht unter Systemwidrigkeiten der Alterssicherungssysteme zu leiden hat, deren Anrechte von ihm erfaßt werden. (Dafür hier, ohne ins Detail zu gehen, zwei Beispiele: Die "Halbbelegung", von der rentenrechtlich die Berücksichtigung insbesondere der Ausfallzeiten abhängt66 , kann, wenn sie zum Ende der Ehezeit zwar noch erfüllt war, b€im tatsächlichen Versicherungsfall aber nicht mehr, dazu führen, daß der ausgleichspflichtige Ehegatte von der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles vorhandenen Rente nicht nur 50 tl/o des auf die Ehezeit entfallenden Anteils, sondern mehr, möglicherweise sogar 100 °/o an den Ausgleichsberechtigten hat abtreten müssen. Dieses Ergebnis ist in der Tat für den Betroffenen unerträglich67. Eine Korrektur ist dringend notwendig. Nur kann dieses Ergebnis nicht dazu herhalten, einen Systemmangel gerade des Versorgungsausgleichsrechts zu beweisen. Der Grund für dieses unbillige Ergebnis liegt vielmehr in dem völlig verfehlten "Alles-oder-Nichts", zu dem die Voraussetzung der "Halbbelegung" für die Anrechenbarkeit von Ausfallzeiten führt68 . Wird, wie beabsichtigt, dieser Mangel im Reutenversicherungsrecht dadurch behoben, daß Ausfallzeiten nur, dann aber auch endgültig, in einem bestimmten Verhältnis zu Versicherungszeiten 65 Lang (Anm. 64); zur Frage der nachträglichen Korrektur von Versorgungsausgleichsentscheidungen allgemein: Bergner, SGb 1978, S. 134; Henn~­ ler, Korrektur rechtskräftiger Entscheidungen über den Versorgungsausgleich, Diss. jur. Konstanz 1983; Maier/Herrmann, NJW 1980, S. 11 ff.; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 1977, Rdnr. 481; ders., FamRZ 1977, S. 702; 768, 771; Zimmermann, Der Versorgungsausgleich bei betrieblicher Altersversorgung, 1978, S. 216 ff., 451. 66 § 1259 Abs. 3 RVO. 67 Vgl. Bergner, SGb 1978, S. 133, 134 f.; Ruland, DRV 1980, S. 48, 66 f. 68 Krit. Maier, SGb 1976, S. 429 ff.

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berücksichtigt werden, gibt es insoweit im Versorgungsausgleichsrecht keine Probleme mehr. Ein anderes Beispiel ist der Beamte, der nach seiner Scheidung aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet. Als er geschieden wurde, hatte er die Pensionsanwartschaft auszugleichen. Bei seinem Ausscheiden ist er nachversichert worden, so daß er im Leistungsfall nur auf die niedrigere Rentenanwartschaft angewiesen ist69 • Auch in diesem Beispiel steht sich der ausgleichsberechtigte Ehegatte besser. Die Kürzung der Versorgungsanwartschaft, zu der die Nachversicherung führt, trifft ihn nicht mehr, sondern nur noch den ausgleichspflichtigen Ehegatten. Aber auch hier ist darauf hinzuweisen, daß mit ein Grund für dieses unbillige Ergebnis die verfassungsrechtlich bedenkliche Regelung ist, daß ausgeschiedene Beamte nicht in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nachversichert werden70 • Sie bekämen dann immerhin wie ehemalige Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes aus der Zusatzversorgung die Versicherungsrente.) Richtig an dem eben genannten Einwand ist, daß gesetzliche Eingriffe nicht auszuschließen sind, die den Sicherungswert der Versorgung beeinträchtigen. Doch muß auch hier gesehen werden, daß nicht jede Gesetzesänderung den Ausgleich nachträglich unrichtig werden läßt. Viele der Änderungen werden den ausgleichsberechtigten wie den ausgleichspflichtigen Ehegatten in gleichem Maße treffen. Das gilt z. B. für Änderungen im Bereich der Rentenberechnung, wenn zwischen den Ehegatten ein Rentensplitting stattgefunden hat. Die gleiche Betroffenheit ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn der Gesetzgeber Faktoren der Leistungsberechnung ändert, die für die Höhe des Anrechts nur eines der Ehegatten maßgeblich waren. Wegen der Vielfalt der Sicherungssysteme kann es zu unterschiedlichen Entwicklungen kommen. So kann eine im Vergleich zur Beamtenversorgung stärkere Anpassung der gesetzlichen Renten nach Durchführung eines "Quasi-Splittings" dazu führen, daß die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragene Hälfte einen höheren Wertzuwachs hat als die Hälfte, die dem Ausgleichspflichtigen in der Beamtenversorgung verblieben ist. Wegen der mangelnden Harmonisierung der Sicherungssysteme kann der Versorgungsausgleich, wenn er bereits zum Zeitpunkt der Scheidung durchgeführt wird, nicht sicherstellen, daß das Ergebnis, das zum Zeitpunkt der Scheidung richtig gewesen war, auch im Zeitpunkt des tatsächlichen Bezugs der Leistungen noch richtig ist. Es gibt aber keine Lösung, die eine solchermaßen doppelte und andauernde Richtigkeit garantiert. Der Gesetzgeber 1232 RVO; krit. auch: Bergner, SozVers 1980, S. 199, 201. Vgl. Ruland, Möglichkeiten und Grenzen einer Annäherung der Beamtenversorgung an die gesetzliche Rentenversicherung, 1983, S. 180 f. 69

70

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muß und mußte sich entscheiden, welche Richtigkeit er meint, die zum Ende der Ehezeit oder die zum Zeitpunkt des erstmaligen Bezugs der Leistungen. Aber selbst wenn er sich für die letzte Alternative entschieden hätte, hätte er nicht verhindern können, daß sich während der Leistungsphase die Hälften doch auseinanderentwickeln. Der Gesetzgeber hat sich - verfassungsrechtlich unbedenklich - für die Richtigkeit der Entscheidung zum Zeitpunkt der Scheidung ausgesprochen. Er hat jedem der Ehegatten die Risiken zugewiesen, die sich aus der Zugehörigkeit zu jeweils seinem Sicherungssystem ergeben. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Risiken nicht dadurch verringert werden können, daß man den Versorgungsausgleich jeweils nur innerhalb eines Systems vollzieht, eine Frage, auf die noch zurückzukommen sein wird. Die echten Problemfälle sind die, in denen durch rückwirkende Gesetzesänderungen die Anwartschaft des ausgleichspflichtigen Ehegatten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs vermindert wird. Beispiele dafür sind die inzwischen zweimal erfolgte Abwertung der Ausbildungsausfallzeiten71 , die Neubewertung der ersten Kalenderjahre72 und die Neuregelung der Kumulation von Beamtenversorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in§ 55 BeamtVG73. In diesen Fällen gehen die gesetzlich verfügten Kürzungen des Versorgungsanrechts ausschließlich zu Lasten jeweils des Ehegatten, dem das betroffene Anrecht zusteht. Da mit rückwirkenden gesetzlichen Eingriffen in das System sozialer Sicherung immer zu rechnen ist, muß im Versorgungsausgleichsrecht eine Korrekturmöglichkeit geschaffen werden, die verhindert, daß sich solche Eingriffe nur zu Lasten eines Ehegatten auswirken. Man muß dann aber auch bereit sein, zu akzeptieren, daß solche Korrekturen auch zu Lasten des Ausgleichspflichtigen gehen können. Die Notwendigkeit einer solchen Korrekturmöglichkeit zwingt aber nicht dazu, das Prinzip aufzugeben, daß über den Versorgungsausgleich im Zusammenhang mit der Scheidung entschieden werden soll. Dieses Prinzip ist sachgerecht. Es stellt sicher, daß die Ehegatten im Zusammenhang mit der Scheidung mit all ihren Problemen konfrontiert werden, und daß diese Probleme auch im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren gelöst werden. Das Prinzip soll überdies dazu beitragen, die geschiedenen Ehegatten auch hinsichtlich ihrer Alterssicherung soweit wie möglich voneinander unabhängig zu machen. Es 71 Zum Problem: Bergner, Versorgungsausgleich und Berücksichtigung veränderter Verhältnisse, Diss. jur. München 1981, S. 60 f . 72 Zu den Schwierigkeiten: Ruland, NJW 1982, S. 913 f. 73 Vgl. zu den sich daraus ergebenden Fragen: BGH, FamRZ 1983, S. 565; OLG Celle, FamRZ 1983, S. 510; OLG Düsseldorf, FamRZ 1983, S. 595; OLG Hamm, FamRZ 1983, S. 488; OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, S. 79; KG, FamRZ 1983, s. 286.

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stellt schließlich auch sicher, daß jeder Ehegatte nach der Scheidung weiß, welche Anrechte auf soziale Leistungen ihm zustehen; es räumt ihm so die Möglichkeit ein, sich darauf einzustellen, etwa dadurch, daß er die vorhandenen Sicherungen weiter ausbaut oder gekürzte Anrechte wieder aufstockt. (Die Korrektur wäre überdies kein Sonderfall. Schon im geltenden Recht haben wir die Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs, wenn aus den dem ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragenen Anwartschaften überhaupt keine Leistungen oder nur Leistungen unterhalb der Obergrenze von zwei Jahresbeträgen erbracht worden sind74 • Die teilweise Rückabwicklung bei rückwirkenden gesetzlichen Eingriffen in die auszugleichende Anwartschaft käme hinzu. Diese Fälle der Rückabwicklung sind aber in der Relation nur Ausnahmefälle, die es nicht lohnen, das Prinzip aufzugeben, daß über den Versorgungsausgleich im Verbund mit der Scheidung entschieden werden soll.)

b) Die Risiken zu später Durchführung des Versorgungsausgleichs Man muß auch sehen, daß ein Abgehen von diesem Prinzip zahlreiche neue Probleme aufwerfen würde. Würde über den Versorgungsausgleich erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden, etwa erst z. Z. des ersten Versicherungsfalles in der Person des Ausgleichspflichtigen oder der des -berechtigten, müßten die Ehegatten einander ständig im Auge behalten und das soziale Schicksal des anderen verfolgen75 • Eine Trennung der Ehegatten, ihre wirtschaftliche Loslösung voneinander, wäre nicht erreicht. Je mehr Zeit zwischen der Entscheidung über den Versorgungsausgleich und dem Ende der Ehezeit liegt, desto schwieriger wird es auch, die in der Ehezeit erworbenen Anteile zu ermitteln. Auch weiß keiner der Ehegatten, mit welcher Alterssicherung er rechnen kann. Hinzu kommt ein Defizit an sozialer Sicherung für den ausgleichsberechtigten Ehegatten. Kann der Ausgleich erst dann vollzogen werden, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte die auszugleichende Versorgung erhält, muß der ausgleichsberechtigte Ehegatte diesen Zeitpunkt abwarten, selbst wenn bei ihm vorher ein Versicherungsfall eingetreten ist. Abdecken läßt sich dieses Risiko dann nur unterhaltsrechtlich. Der "vorgezogene Ausgleich" des Modells '87 mit der von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten zu zahlenden Geldrente ist auch nichts anderes als ein unterhaltsähnlicher Anspruch78 • Diese unterhaltsrecht§§ 4 ff. VAHRG; s. BVerfGE 53, S. 257, 297 ff. Es ist dies eine Last, die ihnen jetzt schon der schuldrechtliche Versorgungsausgleich aufbürdet. 74

75

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liehe Sicherung versagt, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte nicht leistungsfähig ist. Es ist schwer einzusehen, daß. man bereit ist, sich all diese Nachteile einzuhandeln, nur um der wenigen aufgezeigten Ausnahmefälle wegen von dem Prinzip abzugehen, den Versorgungs~ ausgleich schon im Zeitpunkt der Scheidung zu vollziehen.

c) Zur Notwendigkeit eines späteren Versorgungsausgleichs (Die Durchführung des Versorgungsausgleichs zum Zeitpunkt der Scheidung setzt nicht zwangsläufig eine Gewißheit voraus, daß der ausgleichspflichtige Ehegatte das auszugleichende Anrecht bei einem späteren Versicherungsfall auch tatsächlich realisieren kann. Ob diese Gewißheit notwendig ist, hängt von dem Ausgleichsmodus ab. Werden dem Ausgleichspflichtigen beim Vollzug des Versorgungsausgleichs finanzielle Opfer auferlegt, setzt dies voraus, daß das auszugleichende Anrecht nicht mehr wegfallen kann, es sei denn, man wollte dem Ausgleichspflichtigen das Risiko einer Rückabwicklung seiner Leistung aufbürden77 • Es war deshalb sachgerecht, daß. der deutsche Gesetzgeber der Einzahlungspflicht des § 1587 b Abs. 3 BGB nur solche Betriebsrenten unterworfen hatte, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich schon unverfallbar waren. Ein anderes Ergebnis hätte zur Folge gehabt, daß. der ausgleichspflichtige Ehegatte zum Ausgleich seiner labilen Sicherung dem Ausgleichsberechtigten eine stabile Sicherung hätte begründen müssen. Der Gesetzgeber hatte bei diesem Ausgleichsmodus keine andere Wahl, als in diesen Fällen den Ausgleich auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Er war in Gestalt der Abfindung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs frühestens dann möglich, wenn das verfallbare Anrecht unverfallbar geworden ist. Als schuldrechtlicher Versorgungsausgleich wird er spätestens dann durchgeführt, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte die fragliche Leistung bezieht und der ausgleichsberechtigte Ehegatte einen Bedarfstatbestand erfüllt. Diese Lösung war aber nicht ohne Alternative. Hätte sich der Gesetzgeber für eine Realteilung der Betriebsrenten entschieden, hätte er auch die verfallbaren Anrechte zum Zeitpunkt der Scheidung ausgleichen können. Mit dem Risiko der Verfallbarkeit wären dann sowohl das Restanrecht des ausgleichspflichtigen Arbeitnehmers als auch das neubegründete Anrecht seines früheren Ehegatten belastet gewesen. Ein 76 Der unterhaltsähnliche Charakter selbst der im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu zahlenden Ausgleichsrente war schon im Gesetzgebungsverfahren nie im Streit, vgl. BT-Drucks. 7/4361, S. 47. 11 Zu diesem sachwidrigen Ergebnis führt BGH, NJW 1982, S. 1989 ff.; dagegen: Ruland, Probleme des Versorgungsausgleichs in der betrieblichen Altersversorgung und privaten Rentenversicherung, 1982, S. 37 ff. m. w. Nachw.

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Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb vor Eintritt der Unverfallbarkeit hätte dann den Wegfall beider Teilanwartschaften zur Folge gehabt.) 2. Die auszugleichenden Anrechte a) Die sachliche Abgrenzung

Die wichtigste vom Versorgungsausgleichsrecht zu beantwortende Frage ist die nach den auszugleichenden Anrechten. Für ihre sachliche und zeitliche Abgrenzung bieten sich zahlreiche Alternativen an. Es war eingangs schon dargelegt worden, daß für einen Ausgleich nur solche Anrechte in Betracht kommen, denen eine irgendwie geartete Gegenleistung des Versicherten gegenübersteht. Sozialhilfe oder Staatsbürgerversorgung78 sind weder ausgleichsfähig noch besteht ein entsprechender Bedarf für einen solchen Ausgleich. Für ihn kommen nur in Betracht Anwartschaften und Leistungen aus Vorsorgesystemen und Leistungen aus Entschädigungssystemen, denn individualisierbare Anwartschaften gibt es bei ihnen nicht. Ob all diese Anrechte in den Ausgleich einbezogen werden sollen, hängt von seiner Motivation ab. Die Parallele zum Zugewinnausgleich, das Abstellen auf die Leistung der oder wenigstens eines der Ehegatten, scheint es nahezulegen, nur die Anrechte aus Vorsorgesystemen dem Ausgleich zu unterwerfen. So verfährt auch das deutsche Recht: Ausgeglichen werden nur Anrechte, die durch Arbeit oder durch Vermögen der Ehegatten begründet oder aufrecht erhalten worden sind. Leistungen mit Entschädigungscharakter bleiben unberücksichtigt79. An ihnen kann der geschiedene Ehegatte nur über die herkömmliche Geschiedenen-Hinterbliebenenrente partizipieren80. Die Beschränkung auf Anrechte aus Vorsorgesystemen ist aber nur auf den ersten Blick plausibel. Richtig ist, daß das entschädigte Opfer eine "Vorleistung" ist, die sich jeder Zuordnung über den Betroffenen hinaus auch auf seinen Ehegatten entzieht. Doch kompensieren Entschädigungsleistungen zumeist auch für den Verlust der Vorsorgefähigkeit. (Die Vollrente81 etwa aus der Unfallversicherung gewährt einen vollen Einkommensersatz, somit eine Leistung, die andere, wenn überhaupt, im Wege der Vorsorge nur durch lebenslange Beitragszahlung hätten erreichen können. Bei der Dienstunfallfürsorge zugunsten der Beamten, die sich normalerweise an der Versorgung orientiert, die der 78 Vgl. zur schwedischen Volksrente OLG Bamberg, FamRZ 1980, S. 62. 79 Ganz h. M., vgl. nur BGH, FamRZ 1981, S. 239, 240; OLG Celle, NdsRPfl 1981, S. 37; Soergellv. Hornhardt (Anm. 49), § 1587 Rdnr.17. 80 Vgl. z. B. nur§ 592 RVO; § 42 BVG. 81 § 581 Abs. 1 Nr. 1 RVO.

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Beamte maximal durch Dienstleistung hätte erreichen können82, wird die Entschädigung für den Verlust der Vorsorgefähigkeit besonders deutlich. Doch trifft dies nicht für alle Entschädigungsleistungen zu. Die weitgehend immaterielle Schäden kompensierende Grundrente nach dem BVG83 ist ein Gegenbeispiel.) Soweit aber die Entschädigungsleistung Ersatz und damit Surrogat der individuellen Vorsorge ist, müßte sie in den Ausgleich mit einbezogen werden. Das gegenteilige Ergebnis des geltenden Rechts führt denn auch zu unbilligen Ergebnissen. (Beispiel: Der Ehemann erleidet kurz nach der Heirat einen Arbeitsunfall und erhält deswegen Unfallrente. Die Ehefrau ist erwerbstätig und pflichtversichert. Kommt es zur Scheidung, behielte der Mann seine Unfallrente, die ihm vollen Einkommensersatz sichert, ungeteilt und er erhielte von seiner Frau zusätzlich die Hälfte ihrer in der Ehezeit erworbenen Anrechte. Dieses Ergebnis ist nach herrschender Meinung unbillig und führt zur Anwendung der Härteklausel84 • Dabei muß allerdings bedacht werden, daß die geschiedene Ehefrau an der Unfallrente ihres Mannes mit einer Geschiedenen-Hinterbliebenenrente partizipieren kann85 • Ein völliger Ausschluß des Versorgungsausgleichs wird daher im Beispielsfall nicht in Betracht kommen.) In gleichem Maße unbillige Ergebnisse würden sich einstellen, wenn nur bestimmte Vorsorgeanrechte in den Ausgleich einbezogen würden, andere aber nicht. (Das deutsche Recht kennt solche Ausnahmen nicht. In Kanada aber werden von dem Ausgleich nur Anrechte aus der Rentenversicherung erfaßt86• Dies erklärt sich - wie schon erwähnt - mit der begrenzten Gesetzgebungskompetenz des kanadischen Bundesgesetzgebers. Bei einer solchen Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf einzelne Anrechte ist nicht auszuschließen, daß der eine Ehegatte sein nicht ausgleichspflichtiges Anrecht - etwa die Betriebsrente - voll behält, aber andererseits an dem ausgleichspflichtigen Anrecht des anderen Ehegatten, der Rentenanwartschaft, partizipiert. Ein solches Ergebnis ist nicht nur ungerecht, sondern wäre im deutschen Recht auch mit dem Gleichheitssatz unvereinbar.) Auch im deutschen Recht gibtes-aus der Privatversicherung kommend87- Überlegungen, den Versorgungsausgleich nur auf die AltersVgl. § 36 Abs. 3 BeamtvG. Zu ihr BSGE 40, S. 225, 227; Rutand (Anm. 14), S. 421. 84 Vgl. Betchaus, FamRZ 1973, S. 342; von MaydeH, FamRZ 1977, S . 172, 180. ss Vgl. Ruland/Tiemann (Anm. 4), Rdnr. 469. 88 Vgl. die Nachweise in Anm. 8. 87 Ausgangspunkt dieser Überlegungen sind die reinen Risikoversicherungen der Privatversicherung, die, wenn nicht in der Ehezeit der Versicherungsfall eingetreten ist, beim Versorgungsausgleich letztlich unberücksichtigt bleiben; vgl. OLG Celle, FamRZ 1980, S. 464 ; OLG Zweibrücken, FamRZ 1980, S. 809; EHger, VSSR 1973, S . 17, 38 f.; Glockner, BB 1979, S. 684 ; Rutand (Anm. 77), S. 56. 82

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sicherung zu begrenzen. Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten seien nicht ausgleichsfähig. Solche Überlegungen verdienen aus den eben genannten Gründen eine eindeutige Absage. Es ist zwar richtig, daß die vorzeitige Invalidität als Anlaß vorgezogener Leistung keine einen Ausgleich rechtfertigende "Vorleistung" des betreffenden Ehegatten darstellt. Aber auch hier ist zu sehen, daß auch Invaliditätsrenten zumeist so gestaltet sind, daß sie den Verlust der Vorsorgefähigkeit jedenfalls teilweise kompensieren. Es braucht insoweit nur auf die Zurechnungszeit sowohl im Rentenversicherungs- als auch im Beamtenversorgungsrecht hingewiesen zu werden88• Allerdings machen diese Überlegungen es notwendig, über die Behandlung der Zurechnungszeit im Versorgungsausgleich noch einmal nachzudenken89 •

b) Die zeitliche Begrenzung Der Ausgleich ist, das folgt aus seiner Motivation, zeitlich begrenzt. Die Anrechte werden von ihm nur insoweit erfaßt, als sie auf die Ehezeit entfallen. Nur während der Ehedauer bestand die Solidarität, die Zugewinn- und Versorgungsausgleich rechtfertigt. In die Ehezeit werden aber nach deutschem Recht jedenfalls auch Zeiten des Getrenntlebens eingerechnet90 , während derer von einer gemeinsamen Leistung nicht, von einer gegenseitigen Solidarität der Ehegatten nur bedingt gesprochen werden kann91 • (Das läßt sich, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte auszieht, damit rechtfertigen, daß das Ende der Ehezeit bei formalem Fortbestand der Ehe nicht in sein Belieben gestellt werden kann. Er soll zwar ausziehen, nicht aber auch sich damit vom Versorgungsaus.e:leich für die Zukunft befreien dürfen, zumal eine Verpflichtung, Vorsorgeunterhalt zu zahlen, durch das Getrenntleben allein nicht ausgelöst wird92 • Dieses Argument versagt aber, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte auszieht. Er kann ausziehen und partizipiert trotzdem weiterhin am Versorgungszuwachs des verlassenen Partners. Wer aber in dieser Richtung etwas ändern will, muß das Schuldprinzip wieder einführen. Dann muß geklärt und darum gestritten werden, welchen der Ehegatten die Schuld am Getrenntleben trifft. Gilt das Schuldprinzip nicht für die Scheidung, kann es noch weniger für die Vgl. § 1260 RVO; § 13 Abs. 1 BeamtvG. Zur Diskussion: OLG Celle, FamRZ 1980, S. 862; OLG Bremen, FamRZ 1981, S. 680; Bergner, SozVers 1979, S. 231; Ruland, DRV 1980, S. 48, 67; a. A. OLG Celle, FamRZ 1982, S. 618; OLG Frankfurt, FamRZ 1982, S. 619; Schmeiduch/Breuer, SozVers 1979, S. 203 ff. 90 Statt aller: BT-Drucks. 7/4361, S. 36; Ruland!Tiemann (Anm. 4), Rdnr.136; Soergel!v. Hornhardt (Anm. 49), § 1587 c Rdnr. 15 m. w. Nachw.; VoskuhU Pappai!Niemeyer (Anm. 4), S.l7. 91 So selbst BT-Drucks. 7/4361, S. 36, 80. 92 Vgl. § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB. 88

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Folgen des Getrenntlebens gelten. Die Konsequenz läßt sich auch umgekehrt ziehen: Gilt für die Scheidung das Schuldprinzip, wird man Zeiten des Getrenntlebens nicht ohne weiteres der Ehezeit zurechnen können, dann werden wohl auch Unterhalt und Versorgungsausgleich für die Zukunft von der Berechtigung zum Getrenntleben abhängen. Aber auch wenn man vom heutigen Scheidungsrecht ausgeht, fragt es sich, ob es richtig ist, daß, von ganz seltenen Härtefällen abgesehen, Zeiten des Getrenntlebens der Ehezeit zugerechnet werden.) Diese Zwangsläufigkeit läßt dem ausgleichspflichtigen Ehegatten nur die Scheidung als Alternative, es sei denn, die Ehezeit wird, was zulässig ist93, vertraglich begrenzt. Die daraus resultierende höhere Scheidungsgefahr für labile Ehen hat der Gesetzgeber beim Zugewinnausgleich vermieden. Wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben, kann jeder von ihnen den vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns verlangen9 '. Das gleiche gilt, wenn aus sonstigen Gründen (- schuldhafte Nichterfüllung von sich aus der Ehe ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen, Verschwendungen etc. -) der Zugewinnausgleich erheblich gefährdet erscheint. Dieser vorzeitige Ausgleich ist ein Ventil, das den Bestand der Ehe sichern kann. Nach Durchführung eines solchen vorzeitigen Versorgungsausgleichs brauchte der ausgleichsberechtigte Ehegatte für den Rest der Ehezeit eventuelle Vorsorgenachteile nicht allein zu tragen. Soweit er unterhaltsberechtigt ist, könnte ihm auch der Vorsorgeunterhalt zugesprochen werden. Diese Alternative zum Versorgungsausgleich ist dem geltenden Recht nicht unbekannt. Während des Scheidungsverfahrens wird als Ausgleich dafür, daß vor dessen Beginn die für den Versorgungsausgleich maßgebliche Ehezeit endet, Vorsorgeunterhalt geschuldet95 • Es wäre denkbar, diese Regelung auch auf das Getrenntleben zu erstrekken. Eine solche Lösung hat bzw. hätte aber den Vor- und Nachteil, daß der Vorsorgeunterhalt zum Aus- oder Aufbau einer zusätzlichen Sicherung führt, während der Versorgungsausgleich die vorhandene teilt. Der Vorsorgeunterhalt scheitert jedoch vielfach an der begrenzten Vorsorgekapazität des Unterhaltspflichtigen. Trotz all dieser Überlegungen ist ein "vorzeitiger Versorgungsausgleich" bei Getrenntleben abzulehnen. Er hätte, würde die Ehe doch nicht geschieden, all die sozialpolitischen Nachteile zur Folge, die mit dem "permanenten Splitting" verbunden wären96 • Außerdem eröffneten sich für die Ehegatten zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten. 93 Vgl. statt aller Soergel/v. Hornhardt (Anm. 49), § 1587 o Rdnr. 16, m. w. Nachw. 94 95 96

§ 1385 BGB.

s. nochmals Anm. 92. s. o. Text zu Anm. 26.

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Die begrenzte Vorsorgekapazität des Unterhaltspflichtigen müßte aber andererseits genügend Grund sein, zu prüfen, ob in den Fällen, in denen nach dem Ende der Ehezeit, etwa wegen Kindererziehung, Vorsorgeunterhalt geschuldet wird97, das Verlängern der Ehezeit, das heißt die Einbeziehung dieser Zeiten in den Versorgungsausgleich, nicht die bessere Lösung wäre. Das mögliche Gegenargument, daß die Angemessenheit des Vorsorgeunterhalts sich nach den Lebensverhältnissen des unterhaltsberechtigten Ehegatten richtet, während die Höhe des Versorgungsausgleichs von dem Sicherungsniveau des Ausgleichspflichtigen abhängt, beeindruckt nicht, weil kaum Fälle vorstellbar sind, in denen die Hälfte der Sicherung des Ausgleichspflichtigen noch über dem liegt, was für die des Ausgleichsberechtigten angemessen ist. Allerdings muß angemerkt werden, daß eine Verschiebung des Versorgungsausgleichs auf einen nach der Scheidung liegenden Zeitpunkt zur Herauslösung des Versorgungsausgleichs aus dem Scheidungsverbund führt. Das Scheidungsverfahren wäre dann nicht mehr in der Lage, die mit der Scheidung zusammenhängenden Fragen einer Lösung zuzuführen. Auch für die Bedeutung der Ehezeit als zeitliche Grenze gibt es Alternativen. Der Vergleich des geltenden Rechts mit den Vorstellungen des Modells '87 läßt sie deutlich werden. Das geltende Recht erfaßt auszugleichende Anrechte nur insoweit, als sie während der Ehezeit begründet oder aufrechterhalten worden sind. (Dabei wird zwar praktisch nur bei Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der genaue Wert, der in der Ehezeit erworben wurde, ermittelt, im übrigen wird aber doch wenigstens der Teil der tatsächlich erlangten oder bis zur Altersgrenze hochgerechneten Versorgung errechnet, der zeitanteilig auf die Ehezeit entfällt98.) Diese Lösung entspricht der Grundidee, die Ehegatten gleichmäßig an dem zu beteiligen, was in der Ehezeit erworben wurde. Umgekehrt rechtfertigt diese Grundidee als Ausfluß der verfassungsrechtlichen Garantie der Ehe auch den Eingriff in die verfassungsrechtlich ebenfalls geschützten Renten- oder Pensionsanwartschaften99. Das Modell '87 hingegen will dem Ausgleichsberechtigten für jeden Monat der Ehezeit einen bestimmten Anteil an der Differenz der Versorgungen zugestehen, die jeder der Ehegatten insgesamt erworben hat. Es soll- was immer wieder betont wird - unerheblich sein, ob und in welcher Höhe die Ehegatten die Versorgungen gerade in der Ehezeit erworben haben. Auszugleichen wäre nach diesen Überlegungen mithin auch eine Versorgung, die erstmalig nach der Ehezeit begründet wurde. Der Anteil des Berechtigten soll pro Monat Ehezeit 0,2 °/o, 97 § 1578 Abs. 3 BGB. 98 Vgl. § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB i. V. m. § 1304 RVO; § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB. 99 Vgl. BVerfGE 53, S. 257, 295 ff.

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maximal 50 Ofo der Differenz betragen. Diese Alternative ist von ihrer Einsatzmöglichkeit her beschränkt. Sie kann überhaupt nur dann zum Zuge kommen, wenn der Versorgungsausgleich nicht schon mit der Scheidung, sondern erst bei Leistungsbezug durchgeführt wird. Wäre das der Fall, hätte der neue Teilungsmodus den Vorteil, daß die schwierige nachträgliche Ermittlung der in der Ehezeit erworbenen Anrechte entfiele. Doch kann dieser Vorteil die Bedenken gegen eine solche Lösung nicht ausräumen. Die Idee und ihre Realisierung stehen zueinander im Widerspruch. Die Einbeziehung einer vor oder nach der Ehe erworbenen Versorgung in den Ausgleich kann weder mit einer gemeinsamen Leistung der Ehegatten noch mit ihrer Solidarität gerechtfertigt werden. Es fehlt - so läßt sich schärfer formulieren - jegliche Rechtfertigung, die Praktikabilität allein kann sie nicht liefern. Warum soll der geschiedene Ehegatte an der Karriere des anderen beteiligt werden, die dieser nach dem Ende der Ehezeit durchläuft? Warum soll es der ausgleichsberechtigte Ehegatte hinnehmen müssen, daß der Ausgleichspflichtige nach dem Ende der Ehezeit den weiteren Ausbau seiner Versorgung unterläßt und dadurch im Extremfall sogar eine Verlagerung der Ausgleichspflicht erreicht? Fehlt dem Zugriff auf die vor oder nach der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte die Rechtfertigung aus Art. 6 Abs. 1 GG, ist er mit dem Eigentumsschutz dieser Anrechte unvereinbar. Die Chancen, daß dieses Modell den Gang nach Karlsruhe überlebt, stehen schlecht. 3. Die Modalität des Ausgleiclls

Für den Vollzug des Ausgleichs gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Man braucht sie nicht theoretisch zu erfinden. Schon das deutsche Recht und die Überlegungen zu seiner Reform bieten Alternativen genug. Grundform des geltenden Rechts ist, daß für jeden Ehegatten die von ihm in der Ehezeit erworbenen Anrechte ermittelt werden. Der Ehegatte mit den höheren Anrechten schuldet die Hälfte der Differenz als Ausgleich100• Die Alternative dazu wäre, daß jedes Anrecht ausgeglichen und eine Verrechnung nur insoweit zugelassen wird, als es sich um Anrechte des gleichen Systems handelt; in diese Richtung geht in etwa das Modell '87101 • Ein grundlegend anderer Modus wäre es, dem ausgleichspflichtigen Ehegatten seine Versorgung voll zu belassen, ihn aber zu verpflichten, in Höhe des Ausgleichsanspruchs eine Versorgung für den ausgleichsberechtigten Ehegatten zu begründen. Vorbild hierfür wäre die inzwischen für verfassungswidrig erklärte Norm des § 1587 b Abs. 3 BGB, die den Ausgleich vor allem der Betriebsrenten und der berufsständischen Versorgungen betraf. Der schuldrechtliche Versor1oo 101

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1587 a Abs. 1 BGB. Siehe aber auch § 1587 Abs. 8 BGB i. d. F. der BT-Drucks. 9/ 1981. §

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gungsausgleich beläßt dem Ausgleichspflichtigen ebenfalls seine Versorgung ungeteilt, verpflichtet ihn aber, einen Betrag in Höhe des Ausgleichs an den Berechtigten zu zahlen102• Eine erste Systematisierung ergibt, daß drei dieser Ausgleichsmodelle die vorhandenen 100 °/o des in der Ehezeit erworbenen Anrechts aufteilen, während die Lösung in § 1587 b Abs. 3 BGB die Sicherung auf 150 °/o aufstocken wollte, die 100 Ofo sollten bei dem einen Ehegatten bleiben, für den anderen sollten - im Ergebnis ähnlich wie bei dem Vorsorgeunterhalt - 50 °/o neu geschaffen werden103• In den beiden letzten Modellen ist die soziale Sicherung des ausgleichsberechtigten Ehegatten von Person und Leistungsfähigkeit des Ausgleichspflichtigen abhängig. Die beiden ersten Modelle schaffen eine eigenständige soziale Sicherung für den geschiedenen Ehegatten. Bei ihnen ist aber noch eine Entscheidung darüber notwendig, ob diese Sicherung in dem System erfolgt, aus dem das auszugleichende Anrecht herrührt, oder ob ein Svstemwechsel erfolgen soll. a) Ausgleich der Hälfte der Wertdifferenz 7.wischen dem Ausgleich der Hälfte der Wertdifferenz und dem Ausl!leich jedes einzelnen Anrechts bestehen dann keine Unterschiede, wenn nur der ausgleichspflichtige Ehegatte Anrechte erworben hat. In diesem Fall kommt es in beiden Modellen zu einem Ausgleichsvorgang pro Anrecht. (Das ist, bezieht sich der Ausgleich nur auf die Hälfte der Wertdifferenz, aber nicht zwangsläufig. Es wäre auch denkbar, zwei gleichhohe Anrechte so auszugleichen, daß der Ausgleichspflichtige das eine voll behält, der ausgleichsberechtigte Ehegatte dafür das andere voll bekommt. Das "Super-Splitting" ist dafür ein Beispiel. So war, als es die Einzahlungspflicht des § 1587 b Abs. 3 BGB noch gab, eine vertragliche Gestaltung des Ausgleichs in der Diskussion, deren Ziel es war, die hohen Beitragszahlungen dadurch zu vermeiden, daß durch eine höhere Ausgleichsquote beim Renten- oder Quasisplitting die Betriebsrente mit ausgeglichen war104• Frühere Entwürfe zum Korrekturgesetz wollten diese von der Rechtsprechung als unzulässig erachtete vertragliche Modifikation gesetzlich verankern105• Auf das in dieser Modifikation steckende Problem des Systemwechsels ist noch zurückzukommen. Im Moment interessieren aber nur die Vorzüge und Nachteile des Modells, das nur die Hälfte der Wertdifferenz ausgleicht.) § 1587 g Abs. 1 S. 1 BGB. Dagegen grundsätzlich: OLG Bremen, NJW 1980, S. 702, 703; Bogs, FamRZ 1978, S. 89 ff. 1o4 Vgl. Rutand (Anm. 77), S. 72, m. w. Nachw. 105 Vgl. § 1587 b Abs. 3 i. d. F. der BT-Drucks. 9/1981 und 9/2342. 1o2 103

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Die Vorzüge zeigen sich, wenn auch der ausgleichsberechtigte Ehegatte in der Ehezeit Anrechte erworben hat. Die Beschränkung des Ausgleichs auf die Wertdifferenz verhindert, daß zwischen den Ehegatten ein Hin-und-Her-Ausgleich erfolgt. Das ist nicht nur verwaltungsökonomisch, es hat auch den Vorzug, daß das Entstehen von zahlreichen Miniversorgungen in einer Person verhindert wird. Die Probleme, die ein Ausgleich der Hälfte der Wertdifferenz aufwirft, sind aber beträchtlich. Sie liegen zunächst einmal darin begründet, daß nach der Ermittlung der Anrechte entschieden werden muß, welcher der Ehegatten ausgleichspflichtig ist. Die Antwort: der mit den höheren Anrechten, ist nur scheinbar einfach. Die Bilanzierung, die diese zutreffende Antwort voraussetzt, bedingt vergleichbare Größen. Die findet das Recht aber nicht vor, es muß sie erst noch schaffen106• Der nominelle DM-Betrag der Versorgungen ist allein keine für ihren Vergleich ausreichende Größe. Maßgeblich dafür ist ihr Sicherungswert Er ist außer von der Höhe der Versorgung abhängig von ihrer Dynamik und den Anspruchsmöglichkeiten, die sich aus ihr ergeben. So treffen in der Versorgungsausgleichsbilanz volldynamische Anrechte mit halbdynamischen und statischen Anrechten zusammen. (Volldynamisch sind sie dann, wenn sie in der Anwartschafts- und in der Leistungsphase wie die Rentenversicherung oder die Beamtenversorgung der Lohn- und/oder Kaufpreisentwicklung folgen107• Halbdynamische werden nur entweder in der Anwartschafts- oder in der Leistungsphase angepaßt, statische gar nicht.) Weitere Unterschiede ergeben sich daraus, ob sich aus den Anrechten eine Invaliditäts- und/oder Hinterbliebenensicherung ergibt, ob aus ihnen Rehabilitationsmaßnahmen hergeleitet werden können und ob und unter welchen Modalitäten mit ihnen ein Krankenversicherungsschutz verbunden ist108• Das Recht steht vor der Aufgabe, wegen der Versovgungsausgleichsbilanz nicht vergleichbare Werte vergleichbar machen zu müssen. Die unterschiedliche Dynamik wird durch eine "Dynamisierung"109 ausgeglichen, der halbdynamische und statische Anrechte unterschiedlich unterworfen werden. Das gelingt bei statischen Anrechten, denen ein Deckungskapital zugrunde liegt, relativ gut, weil das Deckungskapital eine eindeutige Größe ist, mit der die Umrechnung vorgenommen werden kann. (Mit ihr wird die - als volldynamisch geltende 106 Zu den Problemen: BGHZ 85, S. 194 ff.; Glockner, DB 1979, S. 684, 686; Glockner/Böhmer/Klein, Versorgungsausgleich bei Scheidung, 2. Auf!. 1981, 8.170 ff.; Heubeck/Zimmermann, BB 1981, S. 1125; Löffler/Theurer, FamRZ 1981, S. 8 ff.; Morawietz, Die Bewertung teildynamischer Rentenanwart-

schaften im Versorgungsausgleich, 1981. 107 § 1587 a Abs. 3 und 4 BGB. 10B Vgl. Glockner, BB 1979, S . 684, 686. 109 Zu ihr Ruland/Tiemann (Anm. 4), Rdnrn. 178 ff.

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Rentenanwartschaft ermittelt, die sich ergäbe, wenn das Deckungskapital der in der Ehezeit erworbenen Versorgung als Einmalbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet würde110.) Schwierigkeiten bereitet die Umrechnung bei den Leistungen, denen kein Dekkungskapital zugrunde liegt, vor allem bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, aber auch bei teildynamischen Leistungen berufsständischer Versorgungswerke111 • Der Gesetzgeber hat mit der neuen Barwert-Verordnung112 im zweiten Anlauf113 - im Prinzip jedenfalls - eine vertretbare und für die Rechtsprechung akzeptable Lösung gefunden, durch Umrechnung die Unterschiede zwischen der Volldynamik einerseits und der Halbdynamik und der Statik andererseits auszugleichen114• Unvermeidbar ist aber allerdings, daß diese Umrechnung mit Hypothesen- etwa was den Zinssatz anbetrifft - arbeiten muß. Zu einer exakten Zukunftsprognose ist niemand im Stande. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß auch die "Volldynamik" einer dehnbaren Auslegung zugänglich ist, wenn man die unterschiedlichen Anpassungen betrachtet, die in den letzten Jahren den Renten und den Beamtenpensionen zuteil wurden115• (Noch größere Schwierigkeiten bereiten die Einflüsse auf den Sicherungswert, die sich aus den mit dem Anrecht verbundenen Sekundäransprüchen, wie Hinterbliebenenversorgung, Rentnerkrankenversicherung etc. ergeben. Wollte man auch sie berücksichtigen, würde die Aufgabe unlösbar werden, weil für jedes Sicherungssystem eigene Barwertzahlen gefunden werden müßten. Eine solche penible Genauigkeit verlangt das Recht aber nicht. Der Gesetzgeber darf und muß typisierenm. Ungerechtigkeiten, die damit zusammenhängen, müssen von den Betroffenen hingenommen werden. Das ist in den hier interessierenden Fällen umso eher erträglich, als die Umrechnung anhand der Barwertfaktoren ohnehin dazu führt, daß die zu dynamisierende Versorgung mit einem relativ geringen Nennwert in der Versorgungsausgleichsbilanz erscheint.) Bei dem nur auf die Hälfte der Wertdifferenz bezogenen Ausgleich gibt es einen weiteren Entscheidungsbedarf: Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte mehrere Anrechte, muß bestimmt werden, wie sich der Vgl. § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB. Ebd., Nr. 2. 112 Vom 22. 05. 1984 (BGBl. I, 692); zu ihr Etlger/Glockner, FamRZ 1984, s. 733 ff. 113 Grund: Verfassungswidrige Vernachlässigung der Teildynamik durch die Barwertverordnung: BGHZ 85, S. 194 ff. 114 Krit. immer noch: Ellger/Glockner, FamRZ 1984, S. 733, 736; Lang, FamRZ 1984, S. 317, 318; Zimmermann, NJW 1984, S. 2323 ff.; Bedenken hinsichtlich eines Teilaspekts auch bei: AmtsG Friedberg, FamRZ 1984, S. 1026. m Vgl. Ruland (Anm. 70), Rdnr. 128. us Ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 11, S. 50, 60, zuletzt etwa 60, S. 16, 42. 11o 111

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Ausgleichsbetrag auf diese Anrechte verteilt. Auch hier gibt es Alternativen: Das Gesetz kann eine Rangfolge bestimmen. Entsprechend dieser Rangfolge werden dann die auszugleichenden Anrechte des ausgleichspflichtigen Ehegatten zur Hälfte auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen, bis der Ausgleichsbetrag erreicht ist. (Das ist das Modell des geltenden Rechts. In ihm haben wir die Rangfolge: Rentensplitting, Quasi-Splitting, Realteilung, erweitertes Quasi-Splitting, schuldrechtlicher Versorgungsausgleich.) Möglich wäre aber auch eine anteilige Umlegung des Ausgleichsbetrages auf alle in den Ausgleich einbezogenen Anrechte117• Verwaltungsökonomischer ist die erste Lösung. Die zweite hat den Vorzug, daß sie die mit dem Versorgungsausgleich verbundenen Lasten auf alle Versorgungsträger gleichmäßig verteilt. Bei dem nur auf die Hälfte der Wertdifferenz beschränkten Ausgleich gibt es schließlich noch ein drittes Problem. Es muß das Sicherungssystem bestimmt werden, in das dem ausgleichsberechtigten Ehegatten die zu übertragenden Anrechte gutgebracht werden. Die deutsche Lösung ist naheliegend. Der Wertausgleich verläuft grundsätzlich von den wenigen Fällen der Realteilung nach § 1 Abs. 2 V AHRG abgesehen - immer zur Rentenversicherung. Für diese Lösung gibt es vor allem zwei Gründe: Die gesetzliche Rentenversicherung ist für die Risiken der Invalidität, des Alters und des Todes unter Zurücklassung von Hinterbliebenen das Regelsicherungssystem, das über 80 Ofo der Bevölkerung erfaßt. Damit hat die dem Versorgungsausgleichsrecht vielfach vorgehaltene "Einbahnstraße zur Rentenversicherung" 118 den Vorteil, daß sie im typischen Fall entweder eine vorhandene Sicherung ausbaut oder den Grundstein zu einer von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten noch auszubauenden Sicherung legt. Für die Lösung des geltenden Rechts spricht weiter, daß das Rentenversicherungsrecht in seiner Risikobeschreibung auf den "normalen" Bürger zugeschnitten ist. Die Einbeziehung des geschiedenen Ehegatten in die gesetzliche Rentenversicherung verspricht daher für den Normalfall, daß die dadurch begründete soziale Sicherung seiner Risikostruktur gerecht wird. (Die Sondersysteme sozialer Sicherung, wie z. B. die Beamtenversorgung oder die betriebliche Altersversorgung, sind keine Alternativen. Sie sind personal begrenzt, so daß es nicht möglich ist, ihnen eine eigenständige soziale Sicherung des geschiedenen Ehegatten grundsätzlich zuzuordnen. Theoretisch wäre auch ein spezielles Sicherungssystem für geschiedene Ehegatten denkbar, das nach Kürzung der Versorgungen der Ausgleichspflichtigen mit den Erstattungen der dadurch begünstigten Versorgungsträger finanziert würde. Ein solches Modell ist generell aber 117

Auch sie ist dem geltenden Recht nicht unbekannt, vgl. Hahne!GZock-

ner, F amRZ 1983, S. 221, 224 ff., zu §§ 1, 2 VAHRG. 118 Vgl. etwa Körber, in: "Zur Sache 2176" (Anm. 29), S. 148.

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nicht in der Diskussion, wird aber begrenzt auf dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung in Erwägung gezogen119.) So richtig die "Einbahnstraße in die gesetzliche Rentenversicherung" im Regelfall ist, so problematisch ist sie dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte anderen Sicherungssystemen angehört. Am Beispiel verdeutlicht: Ist der ausgleichsberechtigte Ehegatte Beamter, dann kann er mit einer Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung kaum etwas anfangen. (Ist sie geringer als derzeit 120,- DM, kann er die für einen Rentenbezug notwendigen 60 Monate Wartezeit trotz der Umrechnung der Werteinheiten -in Wartezeitmonate120 nicht erreichen, weil zuwenig Werteinheiten übertragen worden sind. Ein Ausbau der Sicherung durch freiwillige Beiträge ist in diesen Fällen aber ebenfalls ausgeschlossen121. Ein ähnlich unwirtschaftliches Ergebnis kann sich dann ergeben, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte anderen personal begrenzten Sicherungssystemen, z. B. einem berufsständischen Versorgungswerk, angehört. Wenn die Ehegatten den mit vielen Nachteilen behafteten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich122 als Lösung nicht akzeptieren wollen123, bleibt ihnen im Rahmen des Versorgungsausgleichsrechts keine Ausgleichsmöglichkeit mehr. Mögliche Vertragsinhalte sind dann geänderte Unterhalts- oder Ausgleichsregelungen für den Zugewinn.) Dieser Mangel des Versorgungsausgleichsrechts ist nicht notwendig. Gehört der ausgleichsberechtigte Ehegatte einem Sondersystem an, besteht kein durchschlagender Grund dagegen, den Versorgungsausgleich durch Aufstockung dieser Sicherung zu vollziehen. Gehören beide Ehegatten dem Sondersystem - z. B. der Beamtenversorgung - an, bereitet bestenfalls die Unterschiedlichkeit der Dienstherren Probleme. Diese lassen sich aber in Parallele zur Erstattungsverordnung124 lösen, wenn man nicht weitergehend bereit ist, wie auch sonst im Beamtenversorgungsrecht die öffentliche Hand als Einheit anzusehen. Berufsständische Versorgungszwecke sehen schon jetzt häufig in solchen Fällen Realteilung vor125• Soweit keine Realteilung erfolgt, findet ein Wechsel des Sicherungssystems statt. (Der auszugleichende Teil der Beamtenversorgung oder berufsständischen Versorgung wird beim Ausgleichsberechtigten umVgl. Ruland (Anm. 77), S. 84. § 1304 a Abs. 5 RVO. t21 § 1233 Abs. 1 a RVO. 122 Vgl. Ruland/Tiemann (Anm. 4), Rdnrn. 618 ff. 123 Vgl. §§ 1587 b Abs. 4 i. V. m. 1587 f Nr. 5 BGB. 124 Vom 11. 3. 1980 (BGBl. I, S. 280). 125 Vgl. Hahne/Glockner, FamRZ 1983, S. 221; Zimmermann, Mitt. Rhein. Notarkammer 1983, 5.139, 143; inzwischen auch AmtsG Groß-Gerau, FamRZ 1983, s. 936. 110

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gewandelt in eine Rentenanwartschaft; die Überlegung eben .g ing dahin, Rentenanwartschaften z. B. in Beamtenpensionen oder Anwartschaften einer berufsständischen Versorgung umzugestalten.) Ein Systemwechsel hat aber seine spezifischen Probleme. Sie liegen einmal - wie eben besprochen - in der erst durch Dynamisierung erzielten begrenzten Vergleichbarkeit der Anrechte. Andere Unterschiede bleiben: Rentenanwartschaften sind lediglich mit dem Ertragsanteil zu besteuern, Beamtenpensionen unterliegen als Einkommen voll der Steuerpflicht. (Je nachdem, in welche Richtung der Versorgungsausgleich verläuft, ergibt sich nach h. M. 126 eine Besserstellung des ausgleichsberechtigten Ehegatten, weil er die aus der Beamtenversorgung herrührende Rentenanwartschaft nicht versteuern muß, umgekehrt ergäbe sich eine Verschlechterung, wenn er die aus der Rentenanwartschaft herrührende Beamtenpension versteuern müßte. Das Bundesverfassungsgericht will solche Benachteiligungen vermieden wissen127.) Erfolgt für die eine Hälfte ein Systemwechsel, können sich beide Hälften für die Zukunft hin unterschiedlich entwickeln. Erinnert sei hier nur an die über die Zeit gesehen unterschiedlichen Anpassungen von Renten einerseits und Pensionen andererseits. Die eine Hälfte kann stärker als die andere "Konsolidierungsmaßnahmen" des Gesetzgebers ausgesetzt sein. Diese unterschiedliche zukünftige Entwicklung ist - eingangs war davon schon die Rede - zwangsläufig, aber wie gesagt nur dann, wenn man keine Realteilung vornimmt. b) Realteilung aller Anrechte

Spiegelbildlich zu dem eben Ausgeführten sind die Vor- und Nachteile einer Realteilung aller Anrechte. Sie verhindert den Systemwechsel, erübrigt daher Verfahren, die die unterschiedlichen Anrechte miteinander vergleichbar machen; sie verhindert, daß die Hälften auseinanderdriften. Die Nachteile sind aber gravierend: Viele kleine Anrechte vermitteln noch keine soziale Sicherung. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Risikobeschreibung in den verschiedenen Sicherungssystemen gleich wäre. Dies ist vielfach, aber nicht immer der FalP 28 • Hinzu kommt, daß fast alle Sicherungssysteme durch das Erfordernis von Mindestversicherungs- oder Mindestdienstzeiten das Entstehen zu kleiner Anwartschaften verhindem wollen. Am Beispiel verdeutlicht: Würde der Ausgleichsanspruchnicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gebündelt werden, wäre es in vielen Fällen dem ausgleichsberechtigten Ehegatten trotz der Umrechnung nicht möglich, allein mit den aus dem VersorVSSR 1978, S. 11; Stuhrmann, DStR 1977, S. 459; a. A. Ruland,

126

Minz,

12 8

Vgl. z. B. Ruland, DB 1978, S. 1833, 1834 f.

JuS 1979, S. 703, 707. 1 2 7 BVerfGE 54, S. 11, 39.

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gungsausgleich herruhrenden Anrechten die Wartezeit zu erfüllen. Nicht weniger grundsätzlich ist der Einwand, daß sich gerade Anrechte aus personal begrenzten Sicherungssystemen einer Realteilung entziehen. Voraussetzung für die Zuordnung zur Beamtenversorgung sei der Beamtenstatus; Voraussetzung einer Zuordnung zur betrieblichen Altersversorgung sei die Arbeitnehmereigenschaft im jeweiligen Betrieb. Diese Voraussetzung erfülle der geschiedene Ehegatte aber nicht. Der Einwand sei - aus Zeitgründen - nur angemerkt, ob er zutrifft, soll dahingestellt bleiben. Zweifel daran ergeben sich, weil sowohl in der Beamtenversorgung als auch - wenn auch nur vereinzelt - in der betrieblichen Altersversorgung der geschiedene Ehegatte als Leistungsempfänger berucksichtigt wurde, wenn auch nur als Hinterbliebener. Sondersysteme können bei einer Realteilung auch wegen ihrer Risikobeschreibung Probleme aufwerfen. Ist z. B. das Risiko der Invalidität bei berufsständischen Versorgungswerken berufsspezifisch umschrieben, fällt der Berufsfremde aus dieser Sicherung heraus. Es spricht daher viel dafür, es bei der gesetzlichen Lösung, der Bündelung des Ausgleichs in der gesetzlichen Rentenversicherung, zu belassen und für den Fall, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte Sondersystemen angehört, Ausnahmen vorzusehen. Probleme der Realteilung ergeben sich aber selbst beim Normalfall, der Übertragung von Rentenanrechten. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann mit den ihm übertragenen Anrechten nicht den Status eines Pflichtversicherten erwerben. Die Auswirkungen zeigen sich bei der Anrechnung von beitragslosen Zeiten12a und bei dem erschwerten Bezug von Invaliditätsrenten130• Die Konsequenz ist die Aufteilung des Anrechts in ungleichwertige Hälften. c) Begründung einer zusätzlichen Sicherung für den ausgleichsberechtigten Ehegatten

(Zur Teilung der vorhandenen Anrechte gibt es mit der Begründung neuer Anrechte zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten (§ 1587 b Abs. 3 BGB) eine grundsätzliche Alternative. Ihr Vorzug ist offensichtlich: Die neugeschaffene Sicherung des ausgleichsberechtigten Ehegatten geht nicht zu Lasten der des Ausgleichspflichtigen. In der Praxis war ihr Nachteil entscheidend: Die Lösung übersteigt die finanzielle Leistungsfähigkeit des durch sonstige Scheidungskosten ohnehin stark in Anspruch genommenen Ehegatten. Das geltende Recht bietet eine sinnvolle Zwischenlösung: Ist die Vorsorgekapazität vorhanden, kann der ausgleichspflichtige Ehegatte seine gekürzte Versorgung wieder auf ihren ursprungliehen Betrag aufstocken oder es kann vereinbart wer129 Vgl. z. B. § 1259 Abs. 3 RVO. 1ao Vgl. §§ 1246 Abs. 2 a, 1247 Abs. 2 a RVO.

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den, daß der Ausgleichspflichtige zugunsten des Berechtigten Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt. § 1587 b Abs. 3 Satz 1 BGB ist nur insoweit verfassungswidrig und durch das Korrekturgesetz ersetzt, als er die gesetzliche Einzahlungspflicht betrifft. Eine Einzahlungaufgrund Vertrages ist davon nicht berührt.) d) Vollzug des Ausgleichs durch den Ausgleichspflichtigen

Die geschilderten Mängel des Realsplittings lassen sich vermeiden, wenn der Ausgleichsberechtigte nicht schon an den Anwartschaften oder Aussichten, sondern erst an der gewährten Leistung durch den Ausgleichspflichtigen selbst beteiligt wird. Von den Nachteilen einer solchen Ausgleichsform, der im geltenden Recht der schuldrechtliche Versorgungsausgleich entspricht, war schon die Rede. (Mit ihr wird keine der sozialen Biographie des Ausgleichsberechtigten angepaßte soziale Sicherung erreicht. Er ist, erleidet er früher als der Ausgleichspflichtige einen Versicherungsfall, wenn überhaupt nur unterhaltsrechtlich gesichert. Der Tod des Ausgleichspflichtigen nimmt ihm die Sicherung. Der Versorgungsausgleich ist, weil unterhaltsähnlich ausgestaltet, in gleicher Weise labil wie der Unterhalt. Unterschiedlich ist nur, daß bei dieser Form des Ausgleichs die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten durch den Bezug der auszugleichenden Leistung und die Bedürftigkeit des Ausgleichsberechtigten sozialrechtlich durch das Vorliegen einer Bedarfssituation, eines Versicherungsfalles, typisierend unterstellt wird. Auch die Techniken sind ähnlich, mit denen Unterhalt und - allerdings bislang nur im Beamtenversorgungsrecht - Versorgungsausgleich über den Tod des Pflichtigen hinaus erstreckt werden. Der verlängerte schuldrechtliche Versorgungsausgleich des § 22 BeamtVG ist sachlich nichts anderes als die herkömmliche GeschiedenenHinterbliebenenrente, der Höhe nach begrenzt allerdings nicht auf den Unterhaltsanspruch, sondern auf den Anspruch auf die Ausgleichsrente. Dem, der den Anwendungsbereich dieser Ausgleichsform erweitern will, kann und muß daher entgegengehalten werden, daß er sich auf dem Weg zum alten, unzulänglichen Recht zurück befindet. Der Gesetzgeber hat zu Recht den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich wegen allseiner Nachteile nur als subsidiäre Notlösung, als "Ausgleich zweiter Wahl" akzeptiert. Das Korrekturgesetz, das insbesondere für Betriebsrenten den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zur Regel hat werden lassen, ist deshalb auf Kritik gestoßen131.) e) Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs

Nur dann, wenn der Versorgungsausgleich sozialrechtlich, d. h. durch Begründung oder Übertragung einer Anwartschaft zugunsten des aus131

Vgl. Ruland, DRV 1984, S. 415, 427; s. a. BVerfGE 63, S. 88, 109.

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gleichsberechtigten Ehegatten in einem System sozialer Sicherung vollzogen wird, stellt sich die Frage, was zu geschehen hat, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte stirbt. (Bei der unterhaltsähnlichen Lösung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ist die Antwort unproblematisch. Das auszugleichende Anrecht war nie geteilt. Der ausgleichspflichtige Ehegatte braucht die Ausgleichsrente nicht mehr zu zahlen. Hinterläßt der ausgleichsberechtigte Ehegatte jedoch nicht-gemeinschaftliche Kinder, geht die geschilderte Lösung zu ihren Lasten. Ihnen die Ausgleichsrente teilweise als Hinterbliebenenleistung zu belassen, wäre sozialrechtlich gedacht. Eine solche Erweiterung der Verpflichtung wäre der unterhaltsähnlichen Lösung fremd.) Bei der sozialrechtlichen Lösung trägt ab der Begründung oder der Übertragung der Rentenanwartschaft das jeweilige Sicherungssystem das Risiko für den ausgleichsberechtigten Ehegatten. Er ist, soweit das im Sicherungssystem möglich ist, den sonstigen Gesicherten gleichgestellt. Werden bei ihnen die Beiträge erstattet, wenn es zu keinem Versicherungsfall kommt, stehen einer Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs keine Bedenken gegenüber. Verfallen jedoch die Beiträge, würde eine trotzdem vorgenommene Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs den ausgleichsberechtigten Ehegatten gegenüber allen anderen Versicherten begünstigen. Es bliebe zudem unberücksichtigt, daß der Versorgungsträger bis zum Tode des Ausgleichsberechtigten dessen Risiken abgesichert hat132• Das Bundesverfassungsgericht hat sich, als es gleichwohl die Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs anordnete133, über diese Bedenken hinweggesetzt134• (Dem ausgleichspflichtigen Ehegatten seien die Kürzungen infolge des Versorgungsausgleichs dann unzumutbar, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte nicht oder nicht lange genug Leistungen aus den übertragenen Anrechten erhalten habe.) Die Rentenversicherung dürfe kein "Geschäft" mit dem Versorgungsausgleich machen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht aber nicht sehen wollen, daß gute Risiken noch lange kein Geschäft für die Versicherung, sondern Voraussetzung dafür sind, daß auch schlechte Risiken abgesichert werden können. Daß das Anrecht des ausgleichsberechtigten Ehegatten seine Entstehung einer scheidungsbedingten innerfamiliären Umverteilung verdankt, kann keine Rolle spielen. Die Teilung der Anwartschaft ist familienrechtlich geprägt und gerechtfertigt. Ist aber der Ausgleich durch Begründung von Rentenanwartschaften vollzogen, muß der Gleichheit der Versicherten wegen das Versicherungsrecht über das Familienrecht dominieren. Wer die Vgl. Ruland, DRV 1980, S. 48, 61 ff. m. w. Nachw. BVerfGE 53, S. 257, 297 ff. 13' Vgl. die Kontroverse zwischen Krause und Dieckmann, FamRZ 1980, s. 534, 965, 969, 1089, 1090. 132

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Rückabwicklung will, kann den sozialrechtlichen Weg des Ausgleichs nicht beschreiten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt daher einen Systembruch dar, über den manche frohlocken, er habe dem Versorgungsausgleich den "Todesstoß versetzt" 135• In dieser Weise sollte man aber diese Entscheidung nicht überbewerten. Das Korrekturgesetz ist bislang, soweit es die Rentenversicherung betraf, nur in etwas mehr als 750 Fällen zur Anwendung gekommen138• Außerdem sollte eine, wenn auch aus Karlsruhe angeordnete, Systemwidrigkeit kein Grund sein, ein prinzipiell richtiges System aufzugeben. 4. Zwingendes oder dispositives Recht?

(Als letztes, grundsätzliches Problem bleibt die Frage zu erörtern, ob und inwieweit der Versorgungsausgleich zur Disposition der Ehegatten stehen soll. In dieser Frage schneiden sich drei Interessen: Es ist zunächst einmal das - verfassungsrechtlich durch die allgemeine Handlungsfreiheit abgesicherte - Interesse jedes einzelnen, die ihn erfassenden Rechtsverhältnisse möglichst selbst ausgestalten zu können. Dem steht das Interesse des Sozialstaats entgegen, den Versorgungsausgleich als soziale Sicherung des geschiedenen Ehegatten möglichst stabil zu gestalten, nicht zuletzt auch um auszuschließen, daß sie bei Bedürftigkeit der Sozialhilfe zur Last fallen. Die Rechtsordnung muß schließlich verhindern, daß ein Ehegatte die Unerfahrenheit oder Unüberlegtheit des anderen zu einer nur für ihn positiven Vertragsgestaltung ausnützt. Ähnliche Interessengegensätze ergeben sich auch in anderen Lebensbereichen. So ist die aus dem Arbeitsverhältnis resultierende soziale Sicherung der Disposition von Arbeitgeber und -nehmer entzogen137• Aber auch sonst sind die Regelungen des Arbeitsrechts weitestgehend zwingender Natur. Bei der Gestaltung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen hat der Gesetzgeber den Ehegatten aber weitreichend freie Hand gelassen. Sie haben die Wahl zwischen mehreren Güterständen, können insbesondere die Zugewinngemeinschaft ausschließen. Sie können die Scheidungsfolgen vertraglich regeln, insbesondere den nachehelichen Unterhalt. In diesem Umfeld vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten hätte der Versorgungsausgleich als zwingendes Recht eine schwer erklärbare Ausnahme dargestellt. Der durch ihn vermittelte Schutz hätte sie nicht rechtfertigen können, weil auch die zur Disposition gestellte Unterhaltsberechtigung soziale Sicherung bieten soll. Der Versorgungsausgleich findet seine Rechtfertigung in der Solidarität zwischen den Ehegatten, in ihrer Bereitschaft, für den anderen aufzukommen, sein Risiko mitzutragen und ihn an dem Erarbeiteten teil135 136

137

Lang, FamRZ 1984, S. 317, 318. Ergebnis einer Umfrage des VDR (Mai 1984). § 32 SGB I.

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haben zu lassen. Wenn die Ehegatten diese Solidarität füreinander nicht aufbringen wollen, dann soll zwingendes Versorgungsausgleichsrecht kein Hindernis für sie sein, trotzdem die Ehe einzugehen. Der Versorgungsausgleich ist zudem starres Recht, so daß es notwendig sein kann, es gesonderten Umständen anzupassen. Wird diese Notwendigkeit so dringend, daß ansonsten der Versorgungsausgleich grob unbillig würde, gibt es Härteklauseln, über deren Anwendbarkeit das Gericht entscheidet. Damit hat das Gesetz die Notwendigkeit von Anpassungen anerkannt, über deren Ausgestaltung sinnvollerweise zunächst die Ehegatten entscheiden sollten. Zumindest insoweit ist ihnen auf jeden Fall eine Dispositionsbefugnis einzuräumen. Geht das Gesetz weiter und stellt es den Versorgungsausgleich insgesamt zur Disposition der Ehegatten, bleibt zu entscheiden, ob und wie das Recht den fairen Interessenausgleich zwischen den Ehegatten absichern will und kann. Das deutsche Recht sieht zahlreiche solcher Sicherungen vor. Sie sind teils formeller Natur: notarielle Beurkundung, gerichtliche Genehmigung138• Teils kommt ihnen materiellrechtliche Bedeutung zu: Im letzten Jahr vor dem Scheidungsantrag muß eine angemessene Ersatzleistung vereinbart werden139• Damit soll der ausgleichsberechtigte Ehegatte vor allem unmittelbar vor der Scheidung vor übereilten Entschlüssen geschützt werden. Dieser Schutz wird jedoch nur bedingt erreicht, weil die Jahresfrist in § 1408 Abs. 2 BGB durch Zuwarten leicht umgangen werden kann140• Der vertraglichen Gestaltung ist der Versorgungsausgleich aber nur insoweit zugänglich, als es noch nicht zu seinem sozialrechtlichen Vollzug gekommen ist141 • Ist er vollzogen, dominiert wiederum das Sozialrecht, das Verfügungen über Anrechte wegen ihres Sicherungszwecks einerseits und der Manipulationsgefahr andererseits nur bedingt zulassen kann.)

V. Zum Korrekturbedarf des Versorgungsausgleichsrechts Aufgabe dieses einführenden Referats war es nicht, den Korrekturbedarf des geltenden Rechts zu ermitteln. Es sollten vielmehr Lösungsmöglichkeiten dargestellt und diskutiert werden. Doch führt die Diskussion von Alternativen zwangsläufig dazu, daß auch die Vor- und 1ss §§ 1408 Abs. 2, 1587 o Abs. 2 BGB. 139 §§ 1408 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 1587 o BGB. 140 Zur Kritik etwa Bogs, FamRZ 1978, S. 88; s. a. Staudinger/Ruland, § 1408 Rdnr. 64. 141 Vgl. etwa Plagemann, ZVersWiss 1977, S. 45, 59; Reinartz, NJW 1977, s. 81, 82.

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Nachteile des geltenden Rechts als der Alternative, zu der sich der Gesetzgeber bereits entschieden hat, beleuchtet werden. Da nun das geltende Recht durch ein Modell '87 ersetzt werden soll, will ich als Ergebnis der ihnen vorgetragenen Überlegungen meine Meinung zum Korrekturbedarf des Versorgungsausgleichsrechts nicht verschweigen: Der Versorgungsausgleich ist in der Grundidee ein Lösungsansatz, um die drei Fragen zu beantworten, die sich stellen, wenn eine Ehe in die Brüche geht. Der Versorgungsausgleich trägt zur wirtschaftlichen Sicherung des geschiedenen Ehegatten bei, ohne - von Ausnahmefällen abgesehen - die des Ausgleichspflichtigen ernstlich zu gefährden. Der Versorgungsausgleich bewirkt eine gerechte Aufteilung des Versorgungszuwachses auf beide Ehegatten. Er verhindert, daß sich der Vorsorgenachteil etwa infolge der Kindererziehung oder der einvernehmlichen Übernahme der Hausfrauenrolle aus sonstigen Gründen allein zu Lasten der Frau auswirkt. Als Grundidee ist der Versorgungsausgleich verfassungsfest. Auch seine gesetzliche Ausgestaltung bedarf in ihren Leitlinien keiner grundsätzlichen Korrektur. Es ist aus überwiegenden Gründen sachgerecht, daß der Ausgleich bereits im Zeitpunkt der Scheidung vollzogen wird. Dies kann nicht gelten und gilt auch nicht für Anrechte, die zu diesem Zeitpunkt noch verfallbar sind. Ein Korrekturbedarf ist aber insoweit anzuerkennen, als es nach Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einer gesetzlichen oder sonst rechtlich zulässigen Minderung des ausgeglichenen Anrechts kommt. Sachgerecht ist weiter, daß der Versorgungsausgleich auf Anrechte aus Vorsorgesystemen begrenzt wird. Ein Korrekturbedarf besteht aber insoweit, als Entschädigungsleistungen einbezogen werden müßten, soweit sie einen Vorsorgenachteil ausgleichen. Zur zeitlichen Begrenzung, wonach Anrechte nur insoweit auszugleichen sind, als sie in der Ehezeit begründet oder aufrechterhalten wurden, gibt es keine sinnvolle und verfassungsrechtlich haltbare Alternative. Daß sich der Ausgleich an der Hälfte der Wertdifferenz der von beiden Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Anrechte orientiert, wirft zwar zahlreiche Probleme auf, macht insbesondere den Vergleich unterschiedlicher Sicherungssysteme notwendig, ist aber dennoch einem Hin-und-Her-Ausgleich aus allen real zu teilenden Anrechten vorzuziehen. Ich möchte daher mein Referat mit dem Wunsch schließen, daß das Bundesjustizministerium die Pläne zu einer grundsätzlichen Reform des Versorgungsausgleichsrechts aufgibt. Ein so grundsätzlicher Korrekturbedarf besteht nicht. Das geltende Recht ist verfassungsgemäß. Die Gerichte kommen mit ihm zurecht und - von wenigen Ergebnissen abgesehen - wird der Versorgungsausgleich auch in der Bevölkerung als gerecht angesehen. Es kann keinen Sinn geben, ein solches System

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gegen ein anderes auszuwechseln, das mehr Probleme aufwirft und Rechtsprechung, Verwaltung und auch die Bevölkerung vor neue Probleme stellt. Es darf hier auch nicht vergessen werden, daß ein auf lange Zeit angelegtes Rechtsinstitut wie die Ehe auf die Stabilität ihres Rechts angewiesen ist. Der Gesetzgeber wäre besser beraten, wenn er vorurteilsfrei den Korrekturbedarf des geltenden Rechts ermitteln und Änderungsvorschläge unterbreiten würde. Thesen I. 1. Wird eine Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, muß

die Rechtsordnung (1.) die wirtschaftliche Sicherung der Ehegatten neu gestalten, (2.) entscheiden, ob und inwieweit das, was die Ehegatten während der Ehe erworben haben, zwischen ihnen aufgeteilt wird, und muß (3.) bestimmen, ob und inwieweit der Vorsorgenachteil, der mit der Hausfrauenrolle verbunden war, ausgeglichen werden soll.

2. Für einen Versorgungsausgleich gibt es nur in solchen Rechtsordnungen einen Bedarf, die die Scheidung von Ehen zulassen. Das nur faktische Getrenntleben rechtfertigt keinen Versorgungsausgleich. Die eheähnliche Gemeinschaft will und soll von rechtlichen Bindungen und damit auch vom Versorgungsausgleich frei sein. I I. 1. Für seine wirtschaftliche Sicherung ist zunächst einmal der geschie-

dene Ehegatte selbst verantwortlich. Doch bietet die Eigenverantwortung wegen der zahlreichen Risiken, die die Umsetzung der Arbeitskraft in Erwerbseinkommen gefährden, nur eine begrenzt taugliche Sicherungschance. Fremdverantwortung muß zur Abdekkung der genannten Risiken hinzutreten.

2. An potentiellen Unterhaltsschuldnern kommt normalerweise nur der frühere Ehegatte in Betracht. Seine Unterhaltsverpflichtung bedarf aber einer neuen Legitimation. Selbst wenn der Gesetzgeber in weitem Umfang Unterhaltsansprüche zulassen sollte, darf ihr Sicherungswert nicht überschätzt werden. Der Unterhalt ist von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bzw. seiner Erben abhängig. Somit kann in vielen Fällen auch eine Kombination aus Eigenverantwortung und unterhaltsrechtlicher Sicherung keine ausreichende wirtschaftliche Sicherung des geschiedenen Ehegatten gewährleisten.

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3. Leistungen des Systems sozialer Sicherung an den geschiedenen Ehegatten bedürfen einer Rechtfertigung, soweit es sich nicht um eine allen Bürgern oder Einwohnern zugängliche Mindestsicherung (Sozialhilfe, Staatsbürgerversorgung) handelt. Eine eigenständige Vorsorge des nichterwerbstätigen Ehegatten scheitert zumeist daran, daß den Familien das Geld für die zusätzlichen 1Beiträge fehlt. 4. Da alle für den geschiedenen Ehegatten in Betracht kommenden Sicherungsformen Defizite aufweisen, müssen sie durch Kombinationen verringert werden. Als Unterhaltsersatz gewährte Geschiedenen-Hinterbliebenenrenten verlängern die unterhaltsrechtliche Lösung über den Tod des Unterhaltspflichtigen hinaus. Doch bindet sich das Sozialrecht mit der Unterhaltsersatzkonzeption in seinem Bemühen, dem geschiedenen Ehegatten eine bessere Sicherung zuteil werden zu lassen, an das Unterhaltsrecht. Dessen Zugangshürden sind dann auch für die soziale Sicherung maßgeblich. Wenn der geschiedene Ehegatte aber nicht mehr als Hinterbliebener in die Vorsorgesysteme einbezogen werden kann, gibt es nur die Alternative, ihm eine eigene Sicherung aufzubauen. Weil den Familien dazu die Vorsorgekapazität fehlt, bleibt nur, den nichterwerbstätigen Ehegatten am Vorsorgepotential des Verdiener-Ehegatten zu beteiligen. 5. Die Realisierungschance einer solchen Aufteilung der Versorgungsanrechte hängt entscheidend davon ab, wie die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten nach der Scheidung geregelt ist. Behält - wie bei der Gütertrennung - jeder Ehegatte das, was er selbst erworben hat, wäre eine Aufteilung der Versorgungsanrechte ein Fremdkörper. Kommt es -wie bei der Zugewinngemeinschaft zur Aufteilung des in der Ehezeit Erworbenen auf die Ehegatten, entsteht ein Argumentationsdruck zugunsten der Aufteilung auch der Versorgungsanrechte. Dieser wird um so stärker, je mehr Versorgungsanrechte rechtlich dem Eigentum zugeordnet werden. 6. Eine Aufteilung der Versorgungsanrechte ist aber nicht der optimale Weg, den Vorsorgenachteil des nichterwerbstätigen Ehegatten aufzufangen. Der Nachteil wird nicht ausgeglichen, sondern auf beide Ehegatten aufgeteilt. Da aber den Familien zusätzliche Vorsorgekapazität fehlt, ist die Aufteilung der Versorgungsanrechte trotz des Nachteils nur der einzig gangbare Weg. Der Gesetzgeber kann, wenn er den Ausgleich des Versorgungszuwachses nicht will, die Teilhabe des nichterwerbstätigen Ehegatten an den Versorgungsanrechten des anderen auf den hälftigen Ausgleich des Vorsorgenachteils begrenzen.

14 Versorgungsausgleich

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Franz Ruland III.

1. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für den Versorgungsausgleich war eine zwangsläufige Entscheidung. Zum Leitbild der Ehe gehört die gleiche Berechtigung beider Partner, die auch nach Trennung und Scheidung bei der Aufteilung des ihnen früher gemeinsam zustehenden Vermögens zu berücksichtigen ist. Nachdem sich immer mehr die Auffassung durchgesetzt hat, daß Renten Eigentum im Sinne des Art. 14 GG sind, konnte der Gesetzgeber dieses Eigentum bei der Aufteilung des von den Ehegatten erworbenen Vermögens nicht mehr unberücksichtigt lassen. Der Versorgungsausgleich ist in seinem Grundprinzip als Ausfluß der Gleichberechtigung beider Ehegatten verfassungsfest. Die Geschiedenen-Hinterbliebenenrente wäre wegen all ihrer Defizite auch keine sozialpolitisch ernsthaft in Betracht zu ziehende Alternative mehr.

2. Der Versorgungsausgleich findet wie der Zugewinnausgleich seine Rechtfertigung in der mit der Heirat einander versprochenen Solidarität der Ehegatten auch und gerade im wirtschaftlichen Bereich. Der Versorgungsausgleich stellt zudem eine pauschale Abgeltung des Unterhaltsanspruches auf Vorsorge dar. 3. Bisher vorliegende Zahlen bestätigen, daß der Versorgungsausgleich die soziale Sicherung der geschiedenen Frauen wesentlich verbessert, ohne dadurch, von Ausnahmefällen abgesehen, die der ausgleichspflichtigen Männer ernstlich zu gefährden. 4. Ob der Versorgungsausgleich kostenneutral ist, hängt von seiner jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung ab. Fehlende Kostenneutralität ist daher kein grundsätzlicher Einwand gegen eine Aufteilung der Versorgungsanrechte. Im geltenden Recht ist der Versorgungsausgleich, soweit er zur Begründung oder Übertragung von Rentenanwartschaften führt, im Schnitt kostenneutraL Aus den Anrechten der zumeist begünstigten Frauen leiten sich (derzeit jedenfalls noch) nur in Ausnahmefällen Witwenrenten ab. 5. Sollte der Gesetzgeber an der Unterhaltsersatzkonzeption der Hinterbliebenensicherung festhalten, würde dies bei der Ausgestaltung der Hinterbliebenenrenten zwar Modifikationen notwendig werden lassen, einer Aufteilung der Versorgungsanrechte im Falle der Scheidung aber grundsätzlich nicht entgegenstehen.

IV. 1. Das deutsche Versorgungsausgleichsrecht ist wesentlich dadurch bestimmt, daß der Ausgleich grundsätzlich mit Rechtskraft der Scheidung erfolgt. Das führt in den Fällen, in denen durch rück-

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wirkende Gesetzesänderungen die Anwartschaft des ausgleichspflichtigen Ehegatten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs vermindert wird, zu einem Korrekturbedarf. Die Änderungen dürfen nicht nur den ausgleichspflichtigen Ehegatten treffen. Die Notwendigkeit einer solchen Korrekturmöglichkeit, die prozentual nur wenige Fälle betreffen wird, zwingt aber nicht dazu, das sachgerechte Prinzip aufzugeben, daß über den Versorgungsausgleich im Zusammenhang mit der Scheidung entschieden werden soll. Eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich erst zum Zeitpunkt des ersten Versicherungsfalles beim Ausgleichspflichtigen oder -berechtigten wäre kaum praktikabel. Die Risiken eines solchen Verfahrens würden alle Scheidungsfälle treffen. Ein späterer Versorgungsausgleich kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn das Anrecht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch verfallbar ist. 2. Die Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf Anrechte aus Vorsorgesystemen ist nur auf den ersten Blick plausibel. Die Entschädigungssysteme müßten auch insoweit einbezogen werden, als sie einen Vorsorgenachteil ausgleichen. -Voraussetzung einer Einbeziehung von Versorgungsanrechten ist, daß sie in der Ehezeit erworben wurden. Überwiegende Gründe sprechen dagegen, für den Fall des Getrenntlebens einen vorzeitigen Versorgungsausgleich zuzulassen. Es könnte hingegen erwogen werden, die Zeiten, in denen nach dem Ende der Ehezeit, etwa wegen Kindererziehung, Vorsorgeunterhalt geschuldet wird, in die für die Berechnung des Versorgungsausgleichs maßgebliche Ehezeit einzubeziehen. Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, Anrechte in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, die vor dem Beginn oder nach dem Ende der Ehezeit erworben worden sind. 3. Für den Vollzug des Ausgleichs gibt es zahlreiche Alternativen. Sie sind alle mit einer Vielzahl von Problemen behaftet. So macht der auf die Hälfte der Wertdifferenz bezogene Ausgleich es wegen der Versorgungsausgleichsbilanz notwendig, die unterschiedlichsten Anrechte vergleichbar zu machen. Zudem muß die Rangfolge der auszugleichenden Anrechte und das Sicherungssystem bestimmt werden, dem der ausgleichsberechtigte Ehegatte zugeordnet werden soll. Die Lösungen des geltenden Rechts sind im Prinzip sachgerecht. Ein Korrekturbedarf besteht jedoch insoweit, als der ausgleichsberechtigte Ehegatte selbst dann der gesetzlichen Rentenversicherung zugeordnet wird, wenn er einem Sondersystem sozialer Sicherung (etwa Beamtenversorgung, berufsständische Versorgung) angehört. Überwiegende Gründe sprechen gegen eine Realteilung aller Anrechte. Für die Begründung einer zusätzlichen Sicherung für den 14°

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Franz Ruland

ausgleichsberechtigten Ehegatten fehlt es zumeist an der entsprechenden Vorsorgekapazität. Ein Vollzug des Ausgleichs durch den Ausgleichspflichtigen wäre eine unterhaltsähnliche Lösung, die ähnlichen Risiken wie eine Unterhaltszahlung ausgesetzt wäre. Die Rückabwicklung des Versorgungsausgleichs widerspricht dem Versicherungsprinzip. 4. Es ist - trotz aller Risiken - sachgerecht, daß der Gesetzgeber den Versorgungsausgleich zur Disposition der Ehegatten gestellt hat.

V. Der Gesetzgeber sollte seine Pläne aufgeben, den Versorgungsausgleich von Grund auf neu zu regeln. Dafür besteht keine Notwendigkeit. Es wäre sinnvoller, wenn der Gesetzgeber versuchte, die Probleme des vorhandenen Rechts ausräumen. Zusammenfassung Wegen der Risiken, denen die Eigenvorsorge und die unterhaltsrechtliche Sicherung des geschiedenen Ehegatten ausgesetzt sind, bedarf seine Sicherung ergänzender staatlicher Maßnahmen. Da den Familien zur eigenständigen Vorsorge auch für den haushaltführenden Ehegatten die finanzielle Kapazität fehlt, bleibt nur, ihn am Vorsorgepotential des Verdiener-Ehegatten zu beteiligen. Die Aufteilung seiner Versorgungsanrechte im Scheidungsfalle wird um so zwangsläufiger, je mehr ihr Eigentumscharakter anerkannt wird, je mehr sie damit dem übrigen Vermögen vergleichbar werden, das dem Zugewinnausgleich unterliegt. Zugewinn- und Versorgungsausgleich finden ihre Rechtfertigung in der mit der Heirat einander versprochenen Solidarität der Ehegatten auch und gerade im wirtschaftlichen Bereich. Der Versorgungsausgleich stellt zudem eine pauschale Abgeltung des Unterhaltsanspruches auf Vorsorge dar. Für den Zeitpunkt des Versorgungsausgleichs gibt es zahlreiche Alternativen (Rechtskraft der Scheidung, erster Versicherungsfall entweder bei dem Ausgleichsberechtigten oder dem -verpflichteten). Eindeutig vorzuziehen ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung, es sei denn, das auszugleichende Anrecht ist zu diesem Zeitpunkt noch verfallbar. Korrekturen werden dann in den Fällen notwendig, in denen durch rückwirkende Gesetzesänderungen eine in den Ausgleich einbezogenen Anwartschaft nach dessen Durchführung vermindert wird. Einen vorgezogenen Versorgungsausgleich im Falle des Getrenntlebens sollte es wegen ungünstiger sozialrechtlicher Konsequenzen nicht geben. Es könnte hingegen erwogen werden, die Zeiten, in denen nach dem Ende der Ehezeit, etwa wegen Kindererziehung, Vorsorgeunterhalt ge-

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schuldet wird, in die für die Berechtigung des Versorgungsausgleichs maßgebliche Ehezeit einzubeziehen. Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, solche Anrechte dem Versorgungsausgleich zu unterwerfen, die vor dem Beginn oder nach dem Ende der Ehezeit erworben worden sind. Die Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf Anrechte aus Vorsorgesystemen ist im Prinzip sachgerecht. Doch müßten auch Entschädigungssysteme insoweit einbezogen werden, als sie einen Vorsorgenachteil ausgleichen. Für den Vollzug des Ausgleichs ist vor allem zu entscheiden, ob jedes einzelne Anrecht oder ob nur die Hälfte der Wertdüferenz ausgeglichen werden soll. Überwiegende Gründe sprechen gegen eine Realteilung jedes einzelnen Anrechts. Allerdings macht der auf die Hälfte der Wertdifferenz bezogene Ausgleich es wegen der Versorgungsausgleichsbilanz notwendig, die unterschiedlichsten Anrechte miteinander vergleichbar zu machen. Zudem muß die Rangfolge der auszugleichenden Anrechte und das Sicherungssystem bestimmt werden, dem der ausgleichsberechtigte Ehegatte zugeordnet werden soll. Es ist - trotz aller sozialpolitischen Risiken - sachgerecht, daß der Gesetzgeber den Versorgungsausgleich zur Disposition der Ehegatten gestellt hat. Summary The problematic structure of the compensation of pension rights

The risks to which self-provision and the assurance of maintenance of the divorced spouse are exposed, require supplementary measures tobe taken by the state in view of the spouse's security. As the families do not have the financial capacity to also provide for an individual pension as regards the spouse keeping the household, the only possibility is to make him share in the provision accrued by the spouse earning the income. The apportionment of the pension rights of the latter in the event of divorce becomes the more inevitable the more their proprietary nature is acknowledged and the more they become thereby comparable to the property of the "statutory matrimonial property regime of the community of surplus". This property splitting and the compensation of pension rights is justified by the financial solidarity of the spouses promised by marriage. In addition the compensation of pension rights represents an overall settlement as regards the maintenance claim to provisions. There are numerous alternatives as regards the time of pension rights compensation (the moment when the divorce becomes effective, maturity of insurance either of the spouse liable to maintenance or of the spouse entitled to maintenance). Definite preference is to be given to the time

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Franz Ruland

when the divorce becomes effective unless the right which is to be adjusted is still subject to expiry. Corrections become necessary when, owing to the retroactive amendment of an act, pension rights covered by such compensation are diminished after its execution. For detrimental consequences in the field of social security law, an advanced compensation of pension rights in the case of separation should not be envisaged. The fact might, however, be considered to take into account the periods during which, after the termination of a marriage, maintenance claim to provisionsstill exists, e.g. due to education, and to include them in the marriage period decisive for the entitlement to the compensation of pension rights. Under constitutional law it would not be admissible to subject those pension rights to a compensation which have been accrued before or after the marriage period. It is, in principle, adequate to confine the compensation of pension rights to rights arising from pension schemes. However, compensation schemes should also be included in as far as they adjust disadvantages conceming provisions. A1?. to the execution of the compensation of pension rights it has to be decided in the first place whether each individual right should be compensated or only half of the düference in expectancies. There are

numerous arguments against an actual division of each individual right. In view of the pension rights compensation balance, compensation referring to half of the düference in expectancies requires, however, a comparability of the most varying rights. In addition, the order of priority of the rights subject to compensation has to be determined as weil as the pension scheme to which the spouse entitled to compensation is to be assigned. In spite of all socio-political risks it is adequate that the law gives room for special agreements as to a self-regulation of pension rights compensation by the spouses.

DISKUSSION ZUM REFERAT RULAND Herr Wannagat wies als erster Diskussionsredner gleich zu Beginn der Aussprache auf die Notwendigkeit hin, den Versorgungsausgleich in seinem Wechselverhältnis zwischen Privatrecht und Sozialrecht zu sehen. Damit warf er eine Frage auf, die wie ein roter Faden das gesamte Colloquium durchzog und die am Schlußtag im Zusammenhang mit den Thesen Eichenhafers intensiv und kontrovers diskutiert wurde. Hierzu wurde die These aufgestellt, der Versorgungsausgleich sei im Privatrecht angesiedelt und das Sozialrecht habe ihm gegenüber eine eher dienende Funktion. Sozialrechtliche Positionen würden nämlich durch den Versorgungsausgleich kaum berührt, sondern entwickelten sich fast völlig eigenständig. Aus diesem Grunde gebe es nur recht schwache Wechselwirkungen zwischen beiden Teilrechtsbereichen. Beleg dafür sei nicht zuletzt der Umstand, daß es kaum sozialgerichtliche Rechtsprechung zum Versorgungsausgleich gebe. Daraus erwachse die Gefahr einer Isolation des Sozialrechts, welches vom Privatrecht vereinnahmt werde und sich, was den Versorgungsausgleich unmittelbar angehe, kaum entwickeln könne. Für die Zukunft sei angesichts dieser getrennten Entwicklung der beiden Rechtsbereiche zu befürchten, daß sich das Sozialrecht insgesamt fortentwickeln werde, ohne den Versorgungsausgleich angemessen zu berücksichtigen und dem Anpassungsbedarf, den diese Institution zweifellos habe, Rechnung zu tragen (Wannagat). Dem Kern dieser These wurde im Verlauf der Aussprache von einer Reihe von Diskussionsrednern beigepflichtet. Zugleich wurden Ergänzungen angebracht und Relativierungen vorgetragen. Als Exempel für das "Auseinanderdriften" von Recht des Versorgungsausgleichs einerseits und Sozialrecht andererseits diente vor allem die Hinterbliebenenversorgung. Sie gehe nämlich andere Wege als der Versorgungsausgleich, wenn es - wie es derzeit den Anschein habe - grundsätzlich bei dem bisherigen Rechtszustand bleibe und die Regelung, die gegenwärtig für die Witwenrente gelte, lediglich auf die Witwerrente übertragen werde. Die Hinterbliebenenrente sei nämlich der typische Fall einer abgeleiteten Sicherung und stehe insofern dann im Gegensatz zum Versorgungsausgleich, der auf eine eigenständige Sicherung hin angelegt sei. Hier zeige sich deutlich, daß sich die Wege von "Versorgungsausgleich" und "Sozialrecht" trennten. Wannagat leitete aus dieser Ent-

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Diskussionsbericht

wicklungdie Befürchtung ab, daß der Versorgungsausgleich möglicherweise zu einer "quantite negligeable" werde und die damit angestrebten spezifischen Sicherungseffekte in Vergessenheit gerieten. Deshalb sei zu fordern, daß es zu einer stärkeren Kommunikation zwischen Privatrecht und Sozialrecht komme. Der Referent pflichtete diesem Postulat bei und wies zugleich darauf hin, daß der Versorgungsausgleich auch einen Beitrag zur Fortentwicklung der sozialrechtlichen Dogmatik liefern könne. Denn aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die Art. 14 GG auf sozialversicherungsrechtliche Positionen erstrecke, ergebe sich für den Versorgungsausgleich die Konsequenz, daß seine Verteilungsgüter "Eigentum" seien, und dieses Ergebnis sei auch auf die Hinterbliebenenrente übertragbar, die ja gleichfalls aus Beiträgen des Versicherten stamme. Im übrigen provoziere der Versorgungsausgleich die Frage, ob es sachlich gerechtfertigt sei, bei der Scheidung zu einer eigenständigen Sicherung der Ehegatten zu kommen, wenn es in der Hinterbliebenensicherung bei der abgeleiteten Sicherung bleibe. In diesem Zusammenhang warf der Referent die Frage auf, ob der Gegensatz zwischen Versorgungsausgleich einerseits und unterhaltsersetzender Hinterbliebenenrente andererseits wirklich sachwidrig sei, oder ob er nicht vielmehr sogar den unterschiedlichen Lagen der jeweils Betroffenen gerecht werde: Der geschiedene Ehegatte sei aus dem Unterhaltsverband ausgetreten: für ihn könne es deshalb keine unterhaltsersetzende Hinterbliebenenversorgung geben. Demgegenüber sei der verwitwete Ehegatte im Unterhaltsverband verblieben, und hier stelle sich deshalb das Problem des Unterhaltsersatzes. Bei einer solchen Betrachtungsweise seien die Unterschiede zwischen beiden Lösungen systemimmanent. Dies gelte es zu berücksichtigen, wenn die künftige Hinterbliebenenversorgung weiterhin der Konzeption des Unterhaltsersatzes folge. Insgesamt seien die Zusammenhänge zwischen Privatrecht und Sozialrecht bei der Gestaltung des Versorgungsausgleichs intensiver und auch ausgewogener, als dies in der Ausgangsthese zum Ausdruck komme. Das Sozialrecht sei keinesfalls nur auf eine Zubringerfunktion beschränkt. Vielmehr zeige bereits sein Grundmuster, nämlich der Umstand, daß die Verteilungsgegenstände sozialrechtlicher Natur seien, während der "Mechanismus der Verteilung" im Zivilrecht zu Hause sei, daß beide Rechtsbereiche mehr oder weniger gleichgewichtig an diesem Institut beteiligt seien.

Eichenhafer faßte die auch von mehreren anderen Diskussionsrednern vertretene Auffassung, daß das Sozialrecht einen gewichtigeren Part im Versorgungsausgleich spiele, als gemeinhin angenommen werde, in folgende Sentenz: Wenn man sage, der Versorgungsausgleich diene dazu, die soziale Sicherung Geschiedener zu verbessern, so sage man damit, daß der Versorgungsausgleich sozialrechtliche Umgestaltungen

Diskussionshericht

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aus Anlaß der Scheidung hervorbringen solle. Für die Bewältigung eines sozialrechtlichen Ordnungsproblems würden privatrechtliche Denkformen eingesetzt. Sozialrecht sei das Objekt, seien die Wirkungen, privatrechtlich seien die Denkformen, um diese Gestaltungsveränderungen zu produzieren. Dieser Zuspitzung des Verhältnisses von Privatrecht und Sozialrecht beim Versorgungsausgleich hielt der Referent entgegen, daß der Versorgungsausgleich keineswegs nur Instrument zur sozialen Sicherung des geschiedenen Ehegatten sei. Neben der Aufgabe, einen Beitrag zur sozialen Sicherung der Ehegatten zu leisten, stehe nämlich zugleich die Funktion, an der Aufteilung der in der Ehe erworbenen Versorgungsgüter mitzuwirken. Die privatrechtliehen Institute des Familienrechts seien deshalb im Gesamtzusammenhang des Versorgungsausgleichs nicht nur Denkformen, die verwandt würden, sondern sie seien Lösungsmechanismen, die das Familienrecht einsetze, um die neu definierten Vorsorgegüter als "Eigentum" aufteilen zu können. Das Familienrecht sei insofern nicht lediglich Instrument, sondern habe eine eigenständige Funktion. So würden etwa die Rentenanwartschaften, die man als "unfertiges Eigentum" bezeichnen könne, mit den Mitteln des Familienrechts verteilt. Ruland wies zugleich darauf hin, daß der Versorgungsausgleich nicht mit dem Gedanken des Vermögensausgleichs gerechtfertigt werden könne, sondern mit dem der Solidarität; dies werde besonders deutlich, wenn man berücksichtige, daß ja auch bei der Scheidung einer Doppelverdiener-Ehe ein Versorgungsausgleich stattfinde. An einer Reihe von Detailfragen wurde im Verlauf der Diskussion dann der Versuch unternommen, zu einer differenzierteren Sicht des Verhältnisses von Familienrecht und Sozialrecht zu gelangen. Hoffmann wies im Zusammenhang mit der "Rechtfertigungsproblematik" des Versorgungsausgleichs darauf hin, daß herkömmlicherweise die Gewichtung zu stark auf das Privatrecht gelegt werde. Dementsprechend würden vor allem Art. 6 GG und Art. 14 GG und mithin privtrechtliche Institute absichernde Normen zur Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs herangezogen. Demgegenüber sei daran zu erinnern, daß dem sozialrechtlichen Gehalt des Versorgungsausgleichs auf verfassungsrechtlicher Ebene auch dadurch entsprochen werden müsse, daß als verfassungsrechtliche Vorgaben Art. 3 Abs. 2 GG (Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau), das Sozialstaatsprinzip (Art. 20, 28 GG) und Art. 33 Abs. 5 GG (die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums) Berücksichtigung fänden. Es sei in diesem Zusammenhang zu überlegen, inwieweit durch diese die Fremdverantwortung des Staates (im Sinne des Referenten) betonenden Verfassungsbestimmungen nicht zugleich eine Art "öffentlich-rechtlicher Fürsorgegedan-

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Diskussionsbericht

ke", wie ihn das Bundesverfassungsgericht mitunter in familienrechtlichen Instituten (z. B. der Vormundschaft) manifestiert sehe, in den Versorgungsausgleich eingeführt werde. Aus österreichischer Sicht steuerte Marhold den Gesichtspunkt bei, daß stärker, als dies in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich geschehe, den unterschiedlichen Ehetypen Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. Das "Solidaritätsversprechen" der Ehegatten, auf das der Referent die Legitimation des Versorgungsausgleichs gründe, vermöge allein dessen Rechtsfolgen nicht zu rechtfertigen. Ein Solidaritätsversprechen bei Eheabschluß allein reiche nicht aus, vielmehr müsse die Ehe auch gelebt werden. Auch von MaydeZl nahm zur Position des Versorgungsausgleichs zwischen den Koordinaten "Privatrecht" und "Sozialrecht" Stellung und lokalisierte sie in der Mitte zwischen beiden. Der Versorgungsausgleich sei keinesfalls rein privatrechtlicher Natur. Dem Privatrecht sei vielmehr typischerweise das Unterhaltsrecht zuzuordnen. Auch eine rein sozialrechtliche Lösung sei der Versorgungsausgleich nicht. Dieser Vorstellung entspräche vielmehr allenfalls eine Art "totaler Staatsbürgerversorgung". Selbst diese Lösung mache allerdings nur auf den ersten Blick eine Anknüpfung an die Ehe überflüssig, weil sich auf Staatsbürgerversorgungssysteme in der Regel weitere ,,Sicherungsschichten" - Sozialversicherung, betriebliche Altersversorgung, Privatversicherung - aufbauten. Im Hinblick darauf stelle sich dann auch wieder die Aufgabe, einen Ausgleich zwischen den Ehegatten zu suchen. Selbst hier lasse sich das Privatrecht also nicht verdrängen. Im übrigen sei auch die in der bisherigen Diskussion sehr stark dem Sozialrecht zugeordnete Hinterbliebenenversorgung ein Mittelweg zwischen Privatrecht und Sozialrecht, da sie gleichfalls an die frühere Ehe anknüpfe. Kaltenbach zog die in verschiedenen Diskussionsbeiträgen vorgenommene starke Abgrenzung zwischen Versorgungsausgleich ( = Begründung eigener Anwartschaften?) und Hinterbliebenenversorgung ( = abgeleitete Anwartschaften?) in Zweifel. Charakteristisch für den Versorgungsausgleich-und dies sei zugleich ein Negativum- sei es, daß die Risikoperson ausgewechselt werde. Dennoch seien die Unterschiede zwischen der beim Versorgungsausgleich erfolgenden Konstituierung eigener Anwartschaften und der Sicherung durch abgeleitete Anwartschaften im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung in der Praxis nicht so bedeutsam, weil auch die abgeleitete Sicherung eben eine Sicherung darstelle. Der Hauptunterschied zwischen beiden Lösungen bestehe vielmehr darin, daß im Falle der Wiederverheiratung der Witwe die Witwenrente in Wegfall komme. Dieser Unterschied werde aber - letztlich aus ideologischen Gründen, die zu einer Überbetonung des Ziels der eigenständigen Sicherung der Frau führten - über-

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bewertet. In diesem Zusammenhang wurde ergänzend darauf hingewiesen, daß nach dem Tod des Ehemannes die Rechtsstellung der Witwe nicht mehr beeinträchtigt werden könne (Köbl). Unter Hinweis auf ein früheres Diktum von Kaltenbach- "Eine Versorgung ist ein Maßanzug, den man nicht einem anderen überstreifen kann" -unterstrich Bürgle die Schwierigkeiten, die sich daraus ergäben, daß es beim Versorgungsausgleich zu einem Austausch der Risikoperson komme. Er bezweifelte zugleich, daß es überhaupt möglich sei, "unter dem Dach des Familienrechts" eine befriedigende Lösung für alle Formen der Versorgung, die im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen seien, zu finden. Köbl wies auf die Gemeinsamkeiten hin, die "Familienrecht" und "Sozialrecht" bei aller Verschiedenheit ihrer jeweiligen Lösungswege aufwiesen. In beiden Fällen werde nämlich die Problemlösung einer Solidargemeinschaft übertragen, einmal der kleinen Solidargemeinschaft der Familie, zum anderen der großen Solidargemeinschaft der Sozialversicherung oder des Staates. Die Geschichte zeige, daß zwischen diesen Solidargemeinschaften dauemd "Wanderbewegungen" stattfänden. So sei beispielsweise der Kindesunterhalt in der jüngsten Vergangenheit von der Familie mehr und mehr in die große Solidargemeinschaft Staat "ausgewandert", wie sich an der Ausbildungsförderung illustrieren lasse. Deshalb ließen sich auch "Familienrecht" und "Sozialrecht" nie für die Zukunft, sondern immer nur für die Vergangenheit abgrenzen. Aus diesem Grunde solle man auch aus dieser Abgrenzung keine praktisch wichtigen Rechtsfolgen ableiten.

Friederici wamte aus der Sicht eines Praktikers der Familiengerichtsbarkeit davor, den Versorgungsausgleich allzusehr in Verbindung mit dem Unterhaltsrecht zu sehen und sich dadurch den Blick auf Spezifika des Versorgungsausgleichs- und hier namentlich des Versorgungsausgleichs unter Einbezug ausländischer Anwartschaften - zu verbauen. Während die frühere Geschiedenenhinterbliebenenrente Unterhaltsfunktion gehabt habe, sei der Versorgungsausgleich ein Novum, welches zugleich einen Bruch in der bisherigen sozialpolitischen Konzeption darstelle. Dieser Sehweise stimmte Beutler zu. Der "Bruch" bestehe eben darin, daß der Versorgungsausgleich eine eigenständige Sicherung des Ausgleichsberechtigten schaffe. Neben der sozialpolitischen Aufgabe, die ansonsten ungesicherte Hausfrau zu sichern, habe der Versorgungsausgleich de facto auch die Funktion, unterschiedliche Entgelte der Ehegatten, die auf der unterschiedlichen Entlohnung von Mann und Frau im Arbeitsleben beruhten, auszugleichen. Auf dem Hintergrund dieser sowie der bereits diskutierten sonstigen Aufgabenvielfalt, die

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Diskussionsbericht

diesem Institut übertragen sei, müsse man überlegen, ob man nicht durch ein Mehr an Flexibilität einiger Probleme besser Herr werden könne. Das gelte etwa für die Umrechnung ausländischer Anwartschaften und für die Möglichkeit, Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich zu treffen, insbesondere auch etwa im Zusammenhang mit dem Zugewinnausgleich. Interessant sei in diesem Zusammenhang die französische Regelung zum Ehegüterrecht, die der notariellen Vereinbarung der Parteien breiten Raum lasse, so daß das Gericht an sich nur subsidiär - insbesondere als Kontrollinstanz - tätig werde, die eigentliche güterrechtliche Auseinandersetzung aber vorgeschaltet sei. In der Bundesrepublik Deutschland bestehe .gegenwärtig die Gefahr einer "Oberregulierung", die das familienrechtliche Verfahren zunehmend belaste und die Gefahr in sich berge, daß der "grosso modo" von der Bevölkerung angenommene Versorgungsausgleich im gerichtlichen Verfahren teilweise an den Parteien vorbeilaufe und damit an Akzeptanz einbüße. Der Referent gestand zu, daß der Versorgungsausgleich in der Praxis in der Tat nicht zu "mathematisiert" werden dürfe. Vielmehr sei häufig eine "Bündelung von Rechten" gegeben, die aufzuteilen sei. Dabei müsse - notfalls auch zu Lasten eines Ehegatten - typisiert werden. Auch Rotax wies auf die Probleme der Praxis hin, die sich auch daraus ergäben, daß die mit der Problematik des Versorgungsausgleichs befaßte Berufsgruppe, also insbesondere die Richter der Familiengerichtsbarkeit, juristisch-interdisziplinär tätig sein müßten. Die Referate zum rechtsvergleichenden Teil des Colloquiums lieferten später reiches Anschauungsmaterial darüber, in welchem Maße ausländische Rechtsordnungen - z. T. allerdings auch um den Preis der Einzelfallgerechtigkeit (etwa wegen der Nichtberücksichtigung ausländischer Anwartschaften) - ein höheres Maß an Flexibilität erreichen. Bedauerlicherweise ließ es die Komplexität des Verhandlungsgegenstandes - Versorgungsausgleich in allgemein-rechtsdogmatischer I rechtspolitischer I rechtsvergleichender I kollisionsrechtlicher Sicht - nicht zu, diesen praktischen Alternativen nachzugehen und sie in Hinblick auf die Eignung, Denkanstöße für die deutsche Diskussion zu liefern, zu erörtern. Immerhin wurden durch die Diskussion und die Referate zu ausländischen Lösungen durchaus Möglichkeiten der "Flexibilisierun.g" des Versorgungsausgleichs und seiner Praxis aufgezeigt. So wurde etwa die Frage des "Richtigkeitszeitpunkts" des Versorgungsausgleichs bei der Ehescheidung, beim Leistungsbezug, oder .gar "permanent" von verschiedenen Diskussionsrednern angesprochen. Ausgelöst wurde dieser Teil der Debatte von der engagierten Stellungnahme des Referenten zum "Korrekturbedarf des Versorgungsausgleichs" und zum "Modell 1987" als Alternative zum geltenden Recht. Das Plädoyer Rulands für gesetzliche oder gar richterliche Änderungen des Versor-

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gungsausgleichs bei "Treue" zur grundsätzlichen Konzeption, für die Einbeziehung vorsorgeersetzender Entschädigungsleistungen u. a. wurde allerdings aus Zeitgründen sowie wegen des Sachzusammenhangs gleichsam als "vorweggenommener Diskussionsbeitrag" in die Diskussion über das Referat Lohr zum "Stand der Reform des Versorgungsausgleichs" überwiesen. Als "Merkposten" für die Weiterarbeit im Rahmen des Colloquiums stellt Zacher abschließend fest, daß bislang die Rolle des Familienrechts über- und die des Sozialrechts unterschätzt worden sei: In der Vergangenheit habe man die "prägende Kraft des Rechts der Vorsorgegüter" und dessen "eigenständige Verpflichtung" zu wenig beachtet. Das Recht der Vorsorgegüter gebe dem Familienrecht-und zwar, dies lehre die Rechtsvergleichung, in jeder Rechtsordnung in einer spezifisch anderen Weise - die Objekte vor, die zu verteilen seien. Originäre Aufgabe des Familienrechts sei es, ein "gemeinsames Vorsorgeregime" für die Zukunft zu errichten. Dabei müsse dann auch eine erträgliche Harmonie zwischen Unterhalt und Versorgungsausgleich hergestellt werden; in diesem Zusammenhang seien dann sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede beider Institute angemessen zu berücksichtigen. Die Aufgabe, eine solche "erträgliche Harmonie" herzustellen, bestehe naturgemäß auch zwischen einzelnen familienrechtlichen und sozialrechtlichen Instituten. Sie sei im übrigen eine der zentralen Aufgaben des gesamten Colloquiums. Bearbeiter: Bernd Schulte

B. Die Lösungen

Die deutsche Lösung: Das Familienrecht Von Günther Beitzke Inhaltsübersicht I. Die familienrechtliche Komponente des Versorgungsausgleichs

223

II. Versorgungswerte als Sondervermögen im Scheidungsfall . . . . . . . . . . 227 1. Unabhängigkeit vom Güterstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Die dem Ausgleich unterliegenden Versorgungswerte . . . . . . . . . . . . . 229 III. Die unterhaltsrechtliche Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unabhängigkeit von konkreter Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parallelen aus dem Schadensersatzrecht? . .. . ... . ... . .... . . .... . . 3. Anspruch auf Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formvorschriften für Vereinbarungen ... . . ........... . ... . .. . ... 5. Kein vorausgezahlter Versorgungsunterhalt . . ............ . ....... 6. Keine "Abgeltung" für geleisteten Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233 233 234 235 236 236 237

IV. Eheliche Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 V. Divergenz zwischen familienrechtlichem Ausgleichszweck und Versicherungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 VI. Ausgleich durch Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Thesen ...... . ............... . . .. ............. ... ... . ........... . ... . .. 243 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

I. Die familienrechtliche Komponente des Versorgungsausgleichs Das Industriezeitalter hatte zu einem erheblichen Funktionsverlust der Familie geführt; die Sozialversicherung hatte die dabei entstandenen Versorgungsdefizite für das Alter weitgehend durch abhängige Renten mit Unterhaltsersatzfunktion abgedeckt; ebenso die Beamtenpension.

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Günther Beitzke

Bei Freiberuflern blieb die Altersversorgung aus Eigenmitteln (ob ererbt oder erspart), mit Lebensversicherung, Zinserträgen aus Mietshaus oder Wertpapieren, z. T. verteilt nach ehelichem Güterrecht und Erbrecht, in der Landwirtschaft der Gegenwert aus Hofesübergabeverträgen im Vordergrund; neben Sozialversicherung oder Beamtenpension blieben derartige Versorgungen in ergänzender oder subsidiärer Funktion bestehen. Gleichwohl blieben erhebliche Versorgungslücken, insbesondere im Scheidungsfall- Lücken, die ihre Ursachen ebensosehr im Familienrecht wie auch im Sozialrecht (und Versorgungsrecht) hatten. Im Familienrecht ging der Ehegatte unterhaltsrechtlich leer aus, der an der Scheidung schuldig war, oder bei Mitschuld auch nach Billigkeit keinen Anspruch geltend machen konnte, oder der bei objektiver Ehezerrüttung die Scheidungsklage selbst erhoben hatte. Im Sozialversicherungs- und Versorgungsrecht war die Geschiedenenwitwenrente vom Unterhaltsanspruch abhängig. Die ohne Unterhaltsanspruch geschiedene Frau verlor den Anspruch auf die Geschiedenenwitwenrente, selbst wenn sie nur um des lieben Friedens willen oder wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung auf Unterhalt verzichtet hatte. Endlich blieben aber die Bedürftigsten ohne Rente, nämlich die, welche einen ihnen wegen eigener Bedürftigkeit an sich zustehenden Unterhaltsanspruch nur wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht hatten realisieren können. Hier hatten Versorgungs- und Sozialrecht angesichts der Unterhaltsabhängigkeit der Renten eine bedenkliche Lücke aufgewiesen. Es ist nur eine scheinbare Antinomie, daß der Ruf nach einer selbständigen, von der Unterhaltspflicht und der Rente des Verdieners (Ehemannes) unabhängigen Rente für den anderen Ehegatten (regelmäßig die Ehefrau) nun gerade zu der Zeit nachhaltig erscholl, als der Entwurf zum 1. EheRG sich daran machte, den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht mehr von der Scheidungsschuld oder der Klägerrolle im Prozeß, sondern in erster Linie von der scheidungsbedingten Bedürftigkeit abhängen zu lassen. Abgesehen davon, daß fraglich ist, ob Geschiedenenwitwenrenten überhaupt noch finanzierbar gewesen wären, wenn alle geschiedenen Frauen, die nach neuem Recht einen Unterhaltsanspruch haben, auch solche Renten bekommen sollten (die Zahl wäre bestimmt über die von Ruland1 genannten bisherigen 4 °/o der Witwenrenten hinausgegangen), blieben auch dann noch Versorgungslücken übrig: die schon genannten Fälle, in denen der Unterhaltsanspruch familienrechtlich wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des Partners entfiel oder gegen den Zahlungsunwilligen, der sich der Vollstreckung entzog, praktisch nicht durchsetzbar war. Auch endet der beste Unterhaltsanspruch mit dem Tod des Verpflichteten. Selbst 1

In seinem Grundsatzreferat zur Tutzinger Tagung.

Die deutsche Lösung: Familienrecht

225

wenn die Erben dem Geschiedenen auf den Unterhalt wenigstens bis zur Höhe eines Ehegatten-Pflichtteils haften2 , bleibt bei dieser Begrenzung oft genug ein Versorgungsdefizit, welches das Privatrecht nicht beseitigen kann. Ein Versicherungsträger wäre für den geschiedenen Ehegatten jedenfalls der bessere, sichere und dauerhaftere Unterhaltsschuldner. Daher ist schon aus diesen Gründen eine selbständige Rente des nicht (oder nur teilweise) am Erwerbsleben teilnehmenden Ehegatten wünschenswert - ganz abgesehen von der Frage, ob man den selbständigen Rentenanspruch des nicht verdienenden Ehegatten gar als sozialstaatlich geboten ansieht. Es kommt hinzu, daß der nicht mit am Erwerbsleben teilnehmende Ehegatte infolge einer entsprechenden Funktionsteilung in der Ehe die Chance verliert, sich eine eigene Rentenanwartschaft zu erwerben oder die bereits begründete Anwartschaft auszubauen. Ihm hier einen Ausgleich zu verschaffen, erscheint ebenfalls erwünscht; daß dies auf Kosten des Ehegatten geschieht, mit dem solche Funktionsteilung vereinbart ist und der seinerseits eine Rentenanwartschaft erwirbt, ist sachgerecht. Insoweit hätte aber mutmaßlich eine Lösung auch innerhalb der Sozialversicherung, des Beamtenrechts und entsprechenden öffentlich-rechtlichen Versorgungssystemen gefunden werden können, wie bisher auch die Geschiedenenwitwenrente und andere Versorgungen im Bereich des Beamtenrechts und Sozialrechts geregelt waren. Offenbar hat erst das Bestreben, auch bei anderen, privatrechtlich begründeten Versorgungsrechten (wie Betriebsrenten oder privaten Rentenversicherungen) ebenfalls einen Ausgleich zu schaffen und tunliehst einen Ausgleich aller einschlägigen Versorgungsrechte untereinander in einer Gesamtregelung der Scheidungsfolgen aufgehen zu lassen, zur Überwälzung der renten- und versorgungsrechtlichen Ausgleichsfragen ins Privatrecht und in das privatrechtliche Scheidungsverfahren geführt. Damit ist eine Verlagerung der Schwergewichte erfolgt. Während bisher das Sozialrecht sich allenfalls mit privatrechtliehen Vorfragen wie etwa der Unterhaltsberechtigung des geschiedenen Ehegatten beschäftigen mußte, hat jetzt der Familienrichter die Aufgabe der Renten-Umverteilung aufgeladen erhalten, obgleich der Anteil der auszugleichenden privatrechtliehen Versorgungsrechte die der öffentlichrechtlichen und der Sozialversicherungsrenten bei weitem nicht erreicht, vielmehr letztere überwiegen, und zur Vergleichbarkeit alle Rentenund Versorgungsrechte auf den Generalnenner der Rentenversicherung umzurechnen sind. Der Familienrichter ist damit insoweit in die Rolle des Bilanzbuchhalters gedrängt, der die ihm von den zuständigen Renten- und Versorgungsträgern übermittelten Versorgungswerte 2

§ 1586 I 2 BGB.

15 Versor gungsausgleich

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saldiert. Immerhin sind aber im Familienrecht Art, Umfang und Maßstäbe des Versorgungsausgleichs geregelt. Und die familienrechtlichen Grundlagen werden auch von der vielfältigen Kritik am Versorgungsausgleich3 nicht in Frage gestellt. Fraglich ist jedoch, ob die Funktionen von Familienrecht und Sozialrecht richtig gegeneinander abgesteckt sind. Ausgangspunkt des Gesetzgebers des 1. EheRG war es, daß es auch Aufgabe des Familienrechts sei, Versorgungsdefizite mittels familienrechtlicher Umverteilung von Sozialleistungen und anderen Versorgungsleistungen zu beseitigen oder wenigstens zu mildem. Allerdings kann das Familienrecht keine Einkommensquellen neu erschließen, sondern nur allenfalls Einkommen und Vermögen unter Familienmitglieder sachgerecht zu verteilen suchen; das Sozialrecht kann dagegen mindestens theoretisch zur Deckung von Versorgungslücken auf Beiträge der Versicherungsgemeinschaft oder auf die öffentlichen Haushalte zurückgreifen, Versorgungslücken also eher decken als das Familienrecht. Aber die ohnehin schon hohen Beitragslasten zur Sozialversicherung und die chronische Überbelastung der öffentlichen Haushalte haben dazu gedrängt, die Verteilung der Mangellagen ins Zivilrecht zurückzuschieben. Das Ziel, allen Frauen (auch Hausfrauen) eine selbständige Rente und damit geschiedenen Frauen eine bessere Sicherung zu verschaffen, war wegen der dann auf Familien zukommenden doppelten (oder mindestens stark erhöhten) Beitragslasten sozialrechtlich nicht erreichbar. So blieb nur eine der Ehezeit entsprechende Versorgungs- und Rententeilung als Ausweg. Daß auch eine solche nicht bei allen Versorgungsaussichten durchführbar sein würde, war von Anfang an ersichtlich, so daß als Ergänzungslösung der familienrechtlich zu qualifizierende schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorgesehen wurde. Dieser hat mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts4 zur Unzulässigkeit der Auferlegung einer nachträglichen Kapitalsumme zur Nachversicherung eines Ehegatten im Scheidungsfall noch an Bedeutung gewonnen. Diese Entscheidung war insofern nur folgerichtig, als man eine von Anfang an erfolgende Versicherung des Ehegatten in der Ehe als finanziell untragbar angesehen hatte, eine Nachversicherung bei Scheidung daher mindestens ebenso untragbar sein mußte. Damit ist dann eine bei nicht beamtenrechtlichen und nicht sozialversicherungsrechtlichen Versorgungen oder diesen gleichgestellten anderen Versorgungen unmögliche sozialrechtliche Lösung ebenfalls in 3 Vgl. am schärfsten jüngst Lang in FamRZ 1984, S. 317 ff. Kritisch in steter sachlicher Würdigung Gernhub er, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl. 1980, § 28. Vgl. vorher: Dieckmann, FS Bosch 1981, S. 134 ff.; Müller, NJW 1977, S. 1747. Vgl. ferner die bei Ruland/Thiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, 1977, S. 9, Anm. 55 Genannten. 4 Vom 27. 1.1983, NJW 1983, S.1417.

Die deutsche Lösung: Familienrecht

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den als Familienrecht zu qualüizierenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen worden. So stellt sich der Versorgungsausgleich als ein eigenartiger Zwitter dar. Es werden mit ihm öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Altersversorgungswerte teils mit Spaltung öffentlich-rechtlicher und sozialrechtlicher Werte, teils mit schuldrechtlicher Ausgleichsrente umverteilt. Die Rechtfertigung dafür wird aber nicht im öffentlichen Recht oder Sozialrecht, sondern im Familienrecht gesucht. ll. Versorgungswerte als Sondervermögen im Scheidungsfall Der maßgebliche Punkt scheint mir zivilrechtlich darin zu liegen, daß der Versorgungsausgleich wichtige Vermögenswerte der Eheleute einer abgesonderten Auseinandersetzungsregelung unterwirft. Rein äußerlich kommt dies in§ 1587 III BGB zum Ausdruck, welcher den Versorgungsausgleich einer ausschließlichen Sonderregelung unterwirft und damit güterrechtliche Vorschriften ausschaltet. 1. Unabhängigkeit vom Güterstand

Der Versorgungsausgleich ist vom Güterstand unabhängig, wird auch mit Vereinbarung der Gütertrennung nicht ausgeschaltet, sondern kann nur gesondert ausgeschaltet werden (§ 1408 II BGB); er gilt auch bei Gütergemeinschaft und entfällt nicht etwa dann, wenn im Scheidungsfall jeder Ehegatte das in die Gemeinschaft Eingebrachte nach § 1478 BGB zurücknimmt. Die gesonderte Auseinandersetzung hinsichtlich der Versorgungsanwartschaften und Versorgungsaussichten ist von jeder sonstigen Auseinandersetzung im Scheidungsfall unabhängig. Er findet auch statt, wenn kein Zugewinn auszugleichen oder keine Gütergemeinschaft auseinanderzusetzen ist. Er findet sogar zugunsten eines anders als mit Rentenanwartschaften versorgten Ehegatten statt, wenn z. B. der Ehemann seiner Frau ein Haus zugewendet hat, und es danach zur Scheidung kommt. Er findet sogar statt, wenn den von einem Ehegatten erworbenen Versorgungswerten ein Verlust an sonstigem Vermögen gegenübersteht und dieser Verlust gar den Wert von in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften übersteigt, somit bei einer Gesamtvermögensbilanz kein "Zugewinn" im Sinne des Güterrechts vorläge. Daß man unbillige Folgen mit der Härteklausel des § 1587 c BGB abfangen kann, ändert an der Grundstruktur des Versorgungsausgleichs nichts. Ihn als konsequente Fortsetzung des Zugewinnausgleichs zu bezeichnen, ist insofern falsch. Der Versorgungsausgleich hat zwar mit dem Zugewinnausgleich gemeinsam, daß eine Halbteilung 15*

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von in der Ehe erworbenen Werten stattfindet -

aber eben nur des

Zugewinns an Versorgungswerten. Mangels Zusammenrechnung mit

den übrigen Vermögenswerten, welche die Eheleute während der Ehe erworben haben, ist das jedoch eher eine Denaturierung des Grundgedankens der Zugewinngemeinschaft. Angesichts mancher Ungerechtigkeiten, welcher der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in seiner positivrechtlichen Ausgestaltung mit sich bringt5 , scheint es mir auch nicht gerade glücklich zu sein, sich zur Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs auf das System des Zugewinnausgleichs zu berufen. Im übrigen besteht ein grundlegender Unterschied gegenüber dem Zugewinnausgleich darin, daß beim Versorgungsausgleich auch "Anfangsvermögen" in die Ausgleichsrechnung einbezogen werden kann. Schon der Wortlaut des § 1587 BGB spricht für dieses Ergebnis, wenn beim Versorgungsausgleich nur solche Anwartschaften und Aussichten außer Betracht bleiben sollen, die weder mit Hilfe des Vermögens noch durch Arbeit des Ehegatten begründet worden sind; daß auch Anwartschaften aus vorehelichem Vermögen außer Betracht bleiben sollen, wird nicht gesagt; die Anwartschaft muß nur "in der Ehezeit" begründet oder aufrechterhalten worden sein, kann aber auch aus vorehelichem Vermögen stammen und muß daher nicht notwendig "Zugewinn" sein. Man denke etwa an den Freiberufler, der sein Vermögen mit im Beruf einsetzt, und wechselnd mal mit Gewinn, mal aber auch mit einem aus seinem Vermögen abgedeckten Verlust arbeitet, zwischenzeitlich aber zu seiner Lebensversicherung stets die fälligen Prämien zahlt: es wird sich schwerlich nachträglich feststellen lassen, welche Prämien er aus Erwerbseinkommen und welche er etwa aus Vermögen oder Vermögenszinsen bezahlt hat; der BGH6 sagt ausdrücklich, beim Vermögen werde "nicht weiter differenziert", weil dieses "nach dem Willen des Gesetzes generell geeignet ist, zu ausgleichspflichtigen Anrechten zu führen"; daher komme es auf seine "Herkunft im Einzelfall" nicht an; "eine andere Auslegung würde auch zu erheblichen Schwierigkeiten in der Praxis führen. So wird auch zu Recht nicht danach gefragt, ob es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte vor oder während der Ehe erworben hat". Folgerichtig wird daher auch der Ehegatte, der während der Ehe das ererbte elterliche Einfamilienhaus auf Rentenbasis verkauft, im Scheidungsfall die Rente mit seinem Ehegatten teilen müssen; anders, wenn er vor Eheschließung und nicht "in der Ehezeit" verkauft hätte7 • 5 Palandt/Diederichsen, Grundzüge vor § 1363 BGB Anm. 4 (mit Nachweisen); Beitzke, Familienrecht, 23. Aufl. 1983, § 14 IV; Gernhuber (Anm. 3), § 34 I. 6 FamRZ 1984, S. 570 ff. unter II. A 2 c (S. 571 Mitte rechts). 7 Vgl. Gernhuber (Anm. 3), § 28 III, S. 334; Palandt/Diederichsen, Anm. 2 zu § 1587.

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Der BGH8 erkennt zwar eine gewisse Parallelität des Versorgungsausgleichs mit dem Zugewinnausgleich an, meint aber m. E. mit Recht, die dem Zugewinnausgleich unterstellte Gemeinsamkeit des Erwerbs des Ehegatten aufgrund einer einvernehmlich beschlossenen Arbeitsteilung liege beim Versorgungsausgleich nicht in der gleichen, als "typisch" anzusehenden Situation vor, weil im Regelfall die Rente nicht durch die Mitarbeit des anderen Ehegatten verdient worden sei; als Lediger hätte der arbeitende Ehegatte die Rente oder Beamtenversorgung ebenso verdient. Die Beiträge zur Begründung von Rentenanwartschaften und ihre Höhe seien vom Familienstand nicht abhängig; es bestehe daher auch kein funktionaler Zusammenhang mit der Mitarbeit des anderen Ehegatten. Der damit vom BGH zerstörte Mythos von der angeblich gemeinsam erarbeiteten Altersversorgung der Ehegatten hatte gelegentlich dazu geführt, daß insoweit auch vom "gemeinsamen" Vermögen der Ehegatten gesprochen wurde. Das mag wirtschaftlich gesehen verständlich sein, kann aber vom Zivilrechtier nicht hingenommen werden. Ebenso wie beim Güterstand des Zugewinnausgleichs bleibt auch hinsichtlich der Versorgungswerte und Anwartschaften das Vermögen der Ehegatten bis zur Scheidung getrennt; die Versorgungsrechte stehen demjenigen Ehegatten zu, der sie begründet und erarbeitet hat - wie auch das Bundesverfassungsgericht9 mit dem aus Art. 14 GG abgeleiteten Eigentumsschutz zugunsten gerade dieses Ehegatten anerkennt, auch wenn die sozialen und familiären Bindungen diesen Eigentumsschutz dahin einschränken, daß im Scheidungsfall der andere Ehegatte an den Vermögenswerten beteiligt wird. Eigene Rechte oder Anwartschaften erwirbt der andere Ehegatte aber erst mit der Zuweisung durch Richterspruch oder der (auf Richterspruch beruhenden) Abtretung. 2. Die dem Ausgleich unterliegenden Versorgungswerte

Während der Zugewinnausgleich unterstellt, daß von beiden Ehegatten - wenn auch in Funktionsteilung - Erarbeitetes und Erspartes zu verteilen ist, teilt der Versorgungsausgleich unabhängig davon das für beide Ehegatten zur Altersvorsorge Erworbene oder Ersparte, selbst wenn es aus vorehelichem Vermögen stammt. Er verteilt insoweit vielfach gar nicht etwa schon vorhandenes Vermögen, sondern Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung. Er fällt damit eindeutig aus bisher gewohnten güterrechtlichen Kategorien heraus. Er läßt sich insofern weder güterrechtlich rechtfertigen noch auch als güterrechtlich im bisher gewohnten Sinne für Art. 15 EGBGB qualifizieren. 8 9

NJW 1979, S. 1291. BVerfG, NJW 1980, S. 692 ff.

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Günther Beitzke

Das bestätigen letztlich die Regeln des BGB über die vom Versorgungsausgleich erfaßten, sozusagen zum Sondervermögen zusammengefaßten Werte (§§ 1587 und 1587 a II BGB). Es geht nach dem Gesetzes-Text ja um "Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters- oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit", die für die Ehegatten oder einen von ihnen 10 in der Ehezeit begründet oder aufrechterhalten worden sind. Dabei wird der terminus von den "Anwartschaften" in einem durchaus untechnischen Sinn verwendet anders als wir es etwa vom Kauf unter Eigentumsvorbehalt her gewohnt sind11 • Zugleich werden hier weitaus mehrheitlich öffentlichrechtliche Versorgungsaussichten mit einigen privatrechtlichen, vornehmlich aus Versicherungsverträgen, zusammengefaßt. Davon hätten die öffentlich-rechtlichen als durchweg höchstpersönliche, übrigens auch nur beschränkt privatrechtlicher Verfügung zugängliche12 kaum Gegenstand eines ehegütergemeinschaftlichen Vermögens werden können. Auch die privatrechtliehen sind häufig nicht frei verfügbar, insbesondere wenn es um vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossene Versicherungen geht; am ehesten verfügbar sind die Rechte aus privatrechtlichen Lebensversicherungsverträgen. Mangelnde Disponibilität ist also vielen Versorgungsanwartschaften und Aussichten eigentümlich, aber sie ist nicht zwingendes Merkmal der zum Versorgungsausgleich gehörenden Werte. Allen gemeinsam ist nur der Versorgungszweck und ihre Umrechenbarkeit auf die Werte der Rentenversicherung. Es bleiben aber Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nicht alle dem Versorgungszweck dienenden Werte dem Versorgungsausgleich unterliegen. So unterliegen dem Versorgungsausgleich nicht Sachwerte, die mittelbar der Versorgung dienen, wie etwa das zinstragende Mietshaus, das die Wohnungskosten mindernde Eigenheim und zinstragende Wertpapiere; auch ihre Erträgnisse bleiben außerhalb des Versorgungsausgleichs; die Sachwerte sind nicht einfach in Rentenwerte umzurechnen, zumal die Erträgnisse erheblich schwanken können. Die Verteilung solcher Sachwerte bleibt der güterrechtlichen Teilung vorbehalten. Streitig sind indessen dem Versorgungszweck unmittelbar dienende regelmäßig wiederkehrende Sachleistungen wie betriebliche Deputate oder Naturalleistungen auf Hofesübergabeverträgen13 ; ihre 10 Die von einem Ehegatten privat zugunsten des behinderten Kindes abgeschlossene Rentenversicherung fällt also nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht in den Versorgungsausgleich. u Zur Abgrenzung von Anwartschaften und Aussichten vgl. Gernhuber (Anm. 3), S. 332; Rotland, Kommentar zum 1. Eherechtsgesetz, 2. Aufl. 1982, Anm. 3 ff.; MünchKomm- Maier , Rz. 9 zu§ 1587. 12 Vgl. dazu etwa Ruland, DRV 1980, S. 50 bei Anm. 13. 13 Nachweisungen zum Streitstand b ei Rotland, Anm. 12 zu § 1587. Vgl. auch v. Maydell, FamRZ 1977, S. 75 und 1981, S. 513 (mit Judikatur).

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Umrechnung in Rentenwerte ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen14, aber wohl auch nicht unmöglich. Nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes scheinen sie jedenfalls ursprünglich nicht den auszugleichenden Werten zugezählt worden zu sein. Die für 1987 vorgesehene Reform des Versorgungsausgleichsrechts könnte nützlicherweise die Zugehörigkeit oder Freistellung dieser Werte klarstellen. Keinesfalls unterliegen dem Versorgungsausgleich Rechte auf einmalige Kapitalleistungen, weil bei ihnen der Versorgungszweck nicht bindend feststeht und das Kapital auch anders verwertet werden kann. Für private Lebensversicherungsverträge hat das immer festgestanden; der BGH hat lediglich entscheiden müssen, daß dann, wenn dem Versicherungsnehmer ein Rentenwahlrecht vertraglich zustand, es darauf ankomme, ob dieses Wahlrecht mit Ende der Ehezeit bereits ausgeübt war - nur dann gehe es um einen ausgleichspflichtigen Versorgungswert; war dieses Wahlrecht noch nicht ausgeübt, bleibe es bei einer Kapitalversicherung, die in die güterrechtliche Auseinandersetzung falle 15• Für Kapitalversicherungen aus der betrieblichen Altersfürsorge, bei denen den äußeren Gegebenheiten nach der Versorgungszweck auf der Hand lag, ist vielfach angenommen worden, daß sie dem Versorgungsausgleich unterliegen müßten16• Der BGH17 hat unter eingehender Untersuchung der Gesetzesgeschichte anders entschieden - was möglicherweise im Zusammenhang des Versorgungsausgleichsrechts von 1987 korrigiert werden wird. Er hat außerdem klargestellt, daß ein auszugleichender Versorgungswert dem Arbeitnehmer auch so lange gar nicht zustehe, als bei der vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers genommenen Versicherung das Recht zum Rückkauf der Versicherung noch dem Arbeitgeber zustehe18• Ich halte es für symptomatisch, daß die hier zunächst genannten Abgrenzungsprobleme mehr den Bereich derjenigen Werte betreffen, die privatrechtlicher Natur sind und mit dem Versorgungsausgleichsrecht in den Gesamtausgleich der Versorgungsanwartschaften und -aussiebten einbezogen, damit aber zugleich auch der güterrechtlichen Auseinandersetzung entzogen worden sind. Aber eben um des Verhältnisses zu den Güterständen willen müssen diese Grenzfragen eindeutig geklärt werden. Auch nicht in der neuen BarwertVO v. 22. 5. 1984 (BGBI. I, S. 692). BGHZ 88, S. 386 = FamRZ 1984, S. 156 (ausdrücklich auch für solche Kapital-Lebensversicherungen, die zur Befreiung von der gesetzlichen Angestellten-Versicherungspflicht nach Art. 2 § 1 AnVNG abgeschlossen sind oder die im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung bestehen). 16 Nachweisungen bei Rolland, Anm. 9 zu § 1587 BGB. 17 Vgl. Anm. 15. 1s FamRZ 1984, S. 666. 14

15

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Abgrenzungsfragen bestehen aber auch da, wo es mit um das Sozialrecht geht. Fraglich war, wie Beitragsnachzahlungen für eine bestimmte Zeit anzurechnen seien; ob es darauf ankomme, daß sie "in" der Ehezeit oder etwa später "für" die Ehezeit nachgezahlt worden seien. Hier standen jeweils Zivilrechtier und Sozialrechtier in der Front der sich an den Wortlaut des Gesetzes "ln"-Haltenden und der das sozialrechtliche "Für-Prinzip"-Verteidigenden einander gegenüber. Der BGH19 hat anhand des Gesetzes und seiner Entstehungsgeschichte zugunsten des zivilrechtlich verankerten "In-Prinzips" entschieden, wlter eingehender Begründung dessen, daß diese gesetzliche Lösung auch gegenüber dem sozialrechtlichen "Für-Prinzip" durchführbar sei. Die Entscheidung ist ein Symptom dafür, in welchem Maße die Beurteilung sozialrechtlicher Fragen (sachwidrig?) auf die Zivilgerichte verlagert worden ist. Noch ein Punkt: Daraus, daß nach dem Gesetz solche Anwartschaften und Aussichten außer Betracht bleiben sollen, die weder mit Hilfe des Vermögens noch auch durch Arbeit der Ehegatten begründet oder aufrechterhalten worden sind, folgert die überwiegende Meinung2°, daß die wegen besonderer Opfer gewährten Renten mit Entschädigungs~ charakterdem Versorgungsausgleich nicht unterfallen, etwa Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Kriegsopferversorgung oder Schadensersatzrenten. Es ist jedoch zu bedenken, daß bei einem Teil dieser Renten (z. B. Unfallversicherung und Schadensersatz, nicht dagegen bei der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz) mit der Rente auch für den Verlust der Vorsorgefähigkeit entschädigt wird. Daher wird es gesetzgeberischer Prüfung bedürfen, inwieweit solche Renten in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind. Daß einzelne mißliche Folgerungen wie die, daß ein voll Entschädigter auch noch vom Ehegatten Versorgungsausgleich erhalten würde, gegebenenfalls mit der Härteklausel ausgeglichen werden können (§ 1587 c BGB)21 , klärt nur eine einzelne Folge aus der Gesamtproblematik. Ich werfe diese Fragen nur auf, weil es scheint, daß für den Versorgungsausgleich 1987 keine Regelung dieser Fragen vorgesehen ist, obgleich das Problem der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anwartschaften und Aussichten auch dann bestehen bleibt, wenn der Versorgungsausgleich künftig auf einen späteren Zeitpunkt als den der Ehescheidung verschoben werden würde.

19 20 21

BGHZ 81, S. 196 ff. Nachweisungen bei Rolland, Anm. 6, 12 b ff. zu § 1587 BGB. Vgl. darüber bei Rolland, Anm. 6 zu § 1587 und 11 zu § 1587 c BGB.

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111. Die unterhaltsrechtliche Komponente

Dem Versorgungsausgleich ist außer der Begründung aus dem Zugewinnausgleichsrecht schon in den Gesetzberatungen22 auch eine unterhaltsrechtliche Begründung gegeben worden, die vom BGH23 sogar für den Versorgungsausgleich für allein tragfähig gehalten worden ist, während das Bundesverfassungsgericht24 sie neben der güterrechtlichen Begründung verwendet. Es wird gesagt, die Ehegatten schuldeten einander Vorsorge fürs Alter; insbesondere der Alleinverdiener müsse aus unterhaltsrechtlichen Gründen für das Alter des Partners vorsorgen. Rentenanwartschaften, Aussichten auf Pension und dergleichen seien solche Altersvorsorge; auf sie habe der Partner Anspruch; deshalb müsse im Scheidungsfall geteilt werden. Diese auf den ersten Blick plausibel erscheinende Begründung bedarf näherer Prüfung auf ihre zivilrechtliche Stichhaltigkeit. Dem BGB ist ein solcher Unterhaltsanspruch ursprünglich unbekannt. In den älteren Lehrbüchern und Kommentaren von vor dem 2. Weltkrieg kommt davon kaum etwas vor, nicht bei Kipp-Wolff, nicht bei Planck- soweit ersichtlich erstmals im RGR-Kommentar in der 9. Auflage (1939) in der Bearbeitung von Hallamik in einem kurzen Satz25 • Dieser ist dann nach dem Krieg in die Judikatur des BGH zum Schadensersatzrecht bei § 844 Abs. 2 BGB eingegangen26 und von da aus auch weiter ins Familienrecht vorgedrungen. Lehrbücher und Kommentare dieses Fachs haben ihn freilich nur zögernd aufgenommen, Gernhuber7 z. B. erst in der letzten Auflage. Eben das nötigt dazu, diesen juristischen New-Comer etwas näher unter die Lupe zu nehmen. 1. Unabhängigkeit von konkreter Bedürftigkeit

Die Unterhaltsansprüche des BGB sind auch bei bestehender Ehe vom aktuellen Bedarf der Familie28, nach Scheidung von konkreter Bedürf22 Ausschußbericht (der Abg. Dr. Emmerlieh und Thürck), BT-Drucks. 7I 4361, S. 19. 23 BGH, NJW 1979, S. 1291, unter ausdrücklicher Betonung dessen, daß eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Altersvorsorge auch schon vor dem 30. 6. 1977 bestanden habe. 24 BVerfGE 53, S. 275 ff. = NJW 1980, S. 692. 25 § 1360 Anm. 1: "Pflicht eines guten Hausvaters, die dauernde Sicherung des Lebensunterhalts der Familie im Auge zu haben." 26 BGH in LM § 844 li Nr. 2 und 11; dann BGHZ 32, S. 246 = FamRZ 1960, S. 225 = NJW 1960, S. 1200. 27 Lehrbuch des Familienrechts, 3. Auf!. 1980, mit Bezugnahme auf Rotland, Kommentar zum 1. Eherechtsreformgesetz (jetzt 2. Aufl. 1982) Anm. 15 zu § 1360 a BGB (mit reichen Nachweisen). 28 §§ 1360 ff. BGB; 1360 a l i BGB (Familienunterhalt für angemessenen Zeitraum im voraus); § 1360 a II mit§§ 1614, 760 II BGB (Vorausleistung für mehr als 3 Monate befreit nicht).

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tigkeit abhängig29 • Der Versorgungsausgleich findet ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit statt. Die Hausfrau, die bis zur Scheidung vom Einkommen ihres Mannes gelebt hatte, dann aber - von allen ehelichen Zwängen befreit- ihre Persönlichkeit voll entfaltet und es zu hohem Einkommen und beachtlicher Altersversorgung bringt, behält gleichwohl den von ihrem Mann bezogenen Versorgungsausgleich. Ebenso profitiert der unabhängige Reiche von der Angestelltenrente seiner Ehefrau, und bekommt der mit einer Lehrerin verheiratete Student, der sich von ihr das Studium hat bezahlen lassen, nach Scheidung Anteile von der Versorgungsanwartschaft seiner Frau, selbst wenn er es später zu einer höheren Altersversorgung bringen sollte, als sie. Man mag dagegen die Härteklausel des§ 1587 c BGB ins Spiel bringen30 ; aber sie greift erst bei grober Unbilligkeit, und gerade das Maß der Unbilligkeit läßt sich oft kaum anhand einer unsicheren Prognose über die spätere Entwicklung der Versorgungsaussichten der Beteiligten feststellen. Es mag auch sein, daß die genannten Beispiele an Beweiskraft verlieren, wenn der Versorgungsausgleich auf einen späteren Zeitpunkt als den der Scheidung verlegt wird. Aber sie sind symptomatisch dafür, daß der gegenwärtige Versorgungsausgleich nicht von einer konkreten Bedarfslage ausgeht. 2. Parallelen aus dem Sdladensersatzrecht?

Auch bei dem Vorsorge-Unterhaltsanspruch aus dem Schadensersatzrecht, auf den der Bericht des Rechtsausschusses sich gestützt hat, geht es nicht um einen konkreten Unterhaltsbedarf. § 844 Abs. 2 BGB gibt der Witwe des durch Delikt Getöteten einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger nur insoweit, als der Getötete ihr während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen wäre. Der BGH31 hat die Ersatzpflicht auch darüber hinaus ausgedehnt auf die Altersversorgung, welche der Getötete seiner Witwe hinterlassen hätte - seien es die vom Freiberufler üblicherweise gebildeten Rücklagen, sei es die Sozialversicherungsrente, die der Getötete nach normalem Verlauf der Dinge erworben hätte, für die aber wegen seines verfrühten Todes die Voraussetzungen noch nicht voll erfüllt waren32• Vom konkreten Unterhaltsbedarf der Witwen ist in diesen Urteilen nicht die Rede. Es brauchte davon auch nicht gehandelt §§ 1569 ff. BGB. Ebenso Gernhuber (Anm. 3), § 28 V (S. 354) Fn. 17 für den Studenten, und VIII (S. 377) für den keine eigene Altersvorsorge aufbauenden Wohlhabenden. 31 Vgl. oben Anm. 26. aa Vgl. dazu die ältere, widersprüchliche Judikatur des RG RGZ 135, S. 372 einerseits, 155, S. 20 andererseits. 29

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zu werden, weil- wie der BGH selbst hervorhebt- es in diesen Fällen nicht um Unterhalt, sondern um Schadensersatz ging, letztlich also der Zustand herzustellen war, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 BGB). Mit solchem hypothetischen Schluß hätte auf die Rücklagen des Freiberuflers und auf eine mutmaßliche Witwenrente auch zurückgegriffen werden können, ohne daß es darauf angekommen wäre, ob eine Verpflichtung zu solcher Altersvorsorge bestanden hatte. So wird denn vom BGH auch nur incidenter darauf abgehoben, daß die Rücklagen des Freiberuflers entsprechend dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht für den Ehemann alleine bestimmt gewesen wären. 3. Anspruch auf Altersvorsorge

Unterstellt man also, wie der Ausschußbericht33, Gerichte und Schrifttum tun, einen Anspruch auf Altersvorsorge, so ist dies ein anderer Anspruch als es die sonstigen Unterhaltsansprüche des BGB sind. Es wäre ein Anspruch, der von konkreter Bedürftigkeit absieht und auf eine typische Vorsorgeabhängigkeit im Alter abstellt. Die Andersartigkeit dieses Anspruchs sollte man daher auch bei der Terminologie berücksichtigen und nicht von einem Unterhaltsanspruch, sondern von einem Anspruch auf Altersvorsorge sprechen. Die Andersartigkeit dieses Anspruchs wird besonders deutlich, wenn man sich überlegt, wie es mit der Anspruchsverwirklichung aussieht. Gesetzesbegründer, Judikatur und Schrifttum hatten es leicht, bei einer angeblich schon erfolgten Unterhaltsleistung in Form von Rentenbeiträgen dieser sozusagen nachträglich eine Unterhaltspflicht als Leistungsgrund zu unterstellen. Aber wie, wenn noch nicht geleistet ist? Auf was soll die Ehefrau des Freiberuflers, wenn es in der Ehe kriselt, etwa ihre Klage richten: auf schleunige Begründung einer Rentenversicherung? Meist käme sie damit zu spät: der Scheidungsantrag wäre vermutlich die Antwort. Der Erfüllungsanspruch ist unrealistisch. Das Problem der Altersvorsorge sollte insoweit der auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannten innerfamiliären Autonomie34 überlassen bleiben - ähnlich dem Taschengeldanspruch, dessen Art und Höhe manche Gerichte aus Gründen des Gläubigerschutzes glauben bestimmen zu können. Eher als an einen Erfüllungsanspruch wäre an Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu denken: dieser liefe auf die Gewährung einer der Ehezeit angemessenen Altersrente oder einer Kapitalsumme hinaus, mit der man sich eine solche Rente verschaffen kann. Wer das annimmt, gerät in Kollision mit dem vom Bundesgerichtshof immer wieder proklamierten Satz, daß Scheidungsfolgen im Gesetz abschließend geregelt, Schadensersatzaa 34

Vgl. oben Anm. 22. BVerfGE 53, S. 257 ff. = NJW 1980, S. 692 ff., 694 rechts oben.

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ansprüche daneben ausgeschlossen seien35• Wird der Schadensersatzanspruch gar von der kraft Scheidung vom Erbrecht nach ihrem früheren Ehemann ausgeschlossenen Witwe gegen dessen Erben gerichtet, so landet man bei dem Problem, ob der geschiedenen Frau denn mehr gewährt werden kann als der Pflichtteil einer Witwe. Ich habe bisher noch kein Urteil über die Folgen einer Verletzung der Pflicht zur Altersvorsorge finden können. Jedenfalls muß man sich aber über die Rechtsnatur und Folgen eines derartigen Anspruchs klar werden. 4. Formvorschriften für Vereinbarungen

Für die besondere Natur des angeblichen Anspruchs auf Altersvorsorge sprechen auch die besonderen Vorschriften über die Form von Vereinbarungen über Unterhalt. Während auf Unterhalt für die Zukunft überhaupt nicht verzichtet werden kann (§ 1614 BGB), für Unterhalt nach Scheidung Vereinbarungen frei und formlos getroffen werden können (§ 1585 c BGB), sind Vereinbarungen über die dem Versorgungsausgleich unterliegenden, den Altersvorsorgeunterhalt betreffenden Werte besonders strengen Formvorschriften unterworfen, mag es sich um künftige "Unterhaltsleistungen" (§ 1408 II BGB) oder schon geschaffene Vorsorgewerte (§ 1587 o BGB) handeln. 5. Kein vorausgezahlter Versorgungsunterhalt

Nimmt man einen Anspruch auf Altersvorsorge an, so trägt das m. E. noch nichts zur Erklärung des Versorgungsausgleichs bei. Der verdienende Ehegatte zahlt seine Beiträge zur Sozialversicherung gar nicht freiwillig und nicht auch zugunsten des anderen Ehegatten; vielmehr werden ihm die Beiträge ohne Rücksicht auf seinen Zahlungswillen angesichts seiner öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht vorweg vom Lohn abgezogen. Eigene Erfüllung eines Anspruchs des anderen Ehegatten auf Altersvorsorge ist das nicht. Auch Erfüllung durch den die Beiträge abführenden Arbeitgeber kann kaum vorliegen; auch er genügt nur seinen öffentlich-rechtlichen Pflichten und kümmert sich nicht um die Verpflichtungen, die Arbeitnehmer gegenüber ihren Ehegatten haben. Entscheidend dürfte schließlich sein, was der BGH38 gegenüber der güterrechtlichen Begründung für den Versorgungsausgleich gesagt hat, was aber ebenso schon für die von ihm vorweg behandelte unterhaltsrechtliche Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs gilt: der Verdienende zahlt als Lediger im allgemeinen ebensoviel wie ein Verheirateter an Sozialversicherungsbeiträgen, die nur vom Einkommen, nicht vom Familienstand abhängig sind; der Beamte leistet 35 BGH, NJW 1973, S. 991; BGHZ 57, S. 229 (mit weiteren Nachweisen) allerdings alle vor dem 1. EheRG. ae BGH, NJW 1979, S. 1291.

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überhaupt keine Beiträge im voraus, beide betreiben also insoweit überhaupt keine besondere Altersvorsorge für ihre Frauen; einschlägige Bemühungen sind ihnen längst durch gesetzliche Vorsorgesysteme abgenommen. Von vorausgezahltem Vorsorge-Unterhalt kann also kaum die Rede sein. 6. Keine "Abgeltung" für geleisteten Unterhalt

Man sollte daher auch nicht - wie dies in dem Ausschußbericht 37 geschehen - davon sprechen, daß, wenn der unterhaltspflichtige Ehemann alle Anwartschaften für sich behält, dies eine teilweise Rücknahme schon geleisteten Unterhalts sei. Das ist ein falsches Bild. Zivilrechtlich könnte es doch höchstens darum gehen, ob die Ehefrau einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Ehemann hätte. Aber wieso sollte er bereichert sein, wenn die Rentenanwartschaft ihm zusteht und er als Lediger auch den Anspruch auf die volle Rente gehabt hätte? Und wenn- wie eben dargelegt- auch noch gar kein Unterhalt vorausgezahlt ist, kann auch keiner zurückgenommen sein. Ich muß mich daher auch gegen die Kurzformel von der Abgeltung für geleisteten Unterhalt38 wenden, die offenbar die in den Gesetzesmaterialien verwendete Konstruktion wiedergibt. Diese Formel erweckt schon deshalb Bedenken, weil man sich unwillkürlich fragt, wieso schon geleisteter Unterhalt nochmals abgegolten werden muß. Ich meine, daß wir uns als Juristen möglichst eindeutiger Formeln bedienen sollten. Es geht doch in Wahrheit höchstens um einen Ausgleich für den Verlust der Aussicht auf eine abhängige Rente oder Pension, der mit der Scheidung eintritt. Allein der Rechtsgrund dafür muß geklärt werden. Er kann befriedigend weder im Prinzip des Zugewinnausgleichs noch in den Überlegungen über den Vorsorge-Unterhalt gefunden werden.

IV. Eheliche Solidarität Eine befriedigende Rechtfertigung findet der Versorgungsausgleich allein darin, daß die Eheleute mit der Eheschließung eine gegenseitige Verantwortung für ihre Zukunft übernehmen, damit auch eine Verantwortung für ihre Alterssicherung39• Ruland40 spricht insofern mit Recht von der ehelichen Solidarität, was wesentlich besser ist als der angebliche (und in der Ehe m. E. kaum einklagbare) Unterhaltsanspruch auf Altersvorsorge. Diese gegenseitige Verantwortung ist in der ehelichen s1 Vgl. oben Anm. 22. 38 Ruland, ZRP 1978, S. 108; DRV 1980, S. 50 und 56 (rechte Spalte Mitte). 39 Abweichend insbes. Gernhuber (Anm. 3), § 28 I, die "gemeinschaftliche

Lebensleistung" und "Zweck der Versorgung" als zwei sich verstärkende und gegenseitig ergänzende Gründe nennt. 40 DRV 1980, S. 50.

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Lebensgemeinschaft und ihrem Pflichtenkreis implicite enthalten. Wenn mit der Scheidung die eheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst wird, ergibt das einen Liquidationsanspruch hinsichtlich dessen, was für beide Eheleute gemeinsam - sei es auf den Namen des einen oder beider zusammen - an Altersvorsorge in der Ehe geschaffen worden ist. Es geht um den Auseinandersetzungsanspruch aus der nunmehr aufgelösten Versorgungsgemeinschaft, um die Liquidationsabfindung. Es wäre verfehlt, dafür Art. 6 GG als Grundlage heranzuziehen. Mein Rechtsgefühl sträubt sich dagegen, eine Eheschutzbestimmung zu verwenden, um die Liquidation der bereits gescheiterten Ehe zu regeln, wo es doch nicht mehr um den Schutz der ehelichen Gemeinschaft, sondern jetzt um die individuellen Interessen der Eheleute geht. Natürlich geht aber der Frage nach der Liquidation der Versorgungsgemeinschaft die Frage voraus, worauf diese Versorgungsgemeinschaft beruht hat41 • Hierfür läßt sich eher auf Art. 6 GG zurückgreifen. Er rechtfertigt jedenfalls die Versorgungsgemeinschaft ausreichend- und sie ist keinesfalls verfassungswidrig42 • Aber Art. 6 GG zwingt offenbar auch nicht zu dieser Versorgungsgemeinschaft, denn das Bundesverfassungsgericht hat die bis 1. 7. 1977 geltende Scheidungsfolgenregelung nicht für verfassungswidrig erklärt, und jedenfalls hat der Gesetzgeber Spielraum zur Reform innerhalb des Rechts des Versorgungsausgleichs. Den Rahmen dafür abzustecken, würde meine Kompetenzen als Zivilrechtler überschreiten. Daß das Bundesverfassungsgericht die Versorgungsgemeinschaft der Eheleute auch aus Art. 3 II GG rechtfertigt, ist wesentlich für die Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften und Versorgungsaussichten - auch wenn das Bundesverfassungsgericht nur sagt, daß der Gesetzgeber solche Halbteilung der Anwartschaften vornehmen durfte, nicht daß er es mußte43• Und die Halbteilung wird daraus gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber den Beitrag der Ehefrau bei Führung des Haushalts und bei Pflege und Erziehung der Kinder als Unterhaltsleistungen werten durfte, die gleichwertig neben den Unterhaltsleistungen des Mannes stehen44• Freilich mag man mit Gernhuber45 beklagen, daß der Versorgungsausgleich schematisch gewährt wird, ohne Rücksicht darauf, ob die Ehe wirklich eine - vom Gesetzgeber für den Versorgungsausgleich in 41 Sonnenberger, FS Beitzke 1979, S. 746 bemerkt treffend, Grund des Versorgungsausgleichs sei die einstige eheliche Lebensgemeinschaft, nicht ihre Auflösung. 42 BVerfGE 53, S. 257 ff. = NJW 1980, S. 692 ff., 694 links unten. 43 Weitergehend Ruland, DRV 1980, S. 56 dahingehend, daß der 50%ige Anteil jedes Ehegatten zwingend aus Art. 3 II GG folge. 44 Vgl. § 1360 S. 2 (auch § 1606 III S. 2) BGB. Dazu ausdrücklich das BVerfGE (Anm. 42), NJW 1980, S. 694 (rechts oben). 45 Vgl. dazu Gernhuber, § 28 I 3.

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erster Linie in Betracht gezogene - Hausfrauenehe ist, und ohne Rücksicht auf vielleicht unterschiedliche Rollenverteilung in verschiedenen Perioden der Ehe. Der Einheitsrahmen erfaßt die typischen Situationen; Elastizität gewährleistet nur die Härteklausel des § 1587 c BGB, die freilich - wenn man die vom Bundesverfassungsgericht in Betracht gezogene Rechtfertigung der Halbteilung der Rentenanwartschaften aus den Unterhaltsbeiträgen in Betracht zieht, erst zum Zuge kommt, wenn die Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt wurde. Andererseits gibt es keine "Aufbesserung" des Versorgungsausgleichs in der Doppelverdienerehe, in welcher die Ehefrau oft neben ihrer Berufstätigkeit auch noch den größeren Teil der Haushaltsführungslast trägt. Im übrigen wirkt die Notwendigkeit eines Versorgungsausgleichs in der Doppelverdienerehe nicht ebenso überzeugend wie in der Hausfrauenehe - denn hier hat die Ehefrau ohnehin Anwartschaften auf eine selbständige Rente; der Versorgungsausgleich nivelliert lediglich die Anwartschaften46. Ihn deshalb auszuschließen, ist nicht zwingend, denn es gibt so viele Abstufungen der zeitweisen oder auch ständigen beruflichen Arbeit der Frau, daß es schwer wäre, eine sachgerechte Grenze zu ziehen. Andererseits stellt sich die Frage, ob der Versorgungsausgleich nicht ausgeschlossen werden sollte, wenn beide Ehegatten in annähernd ähnlichen Verdienstsituationen gestanden haben und die Ehe nur kurze Zeit gedauert hat. Die Notwendigkeit des Versorgungsausgleichs erscheint hier ebenso wenig zwingend wie der Unterhalt wenngleich die Judikatur mit Recht darauf hingewiesen hat, daß es beim Versorgungsausgleich um bereits in der Ehe erworbene Positionen gehe- ganz im Gegensatz zum nachehelichen UnterhaW'. Daß die Versorgungsgemeinschaft nicht mehr recht überzeugt, wenn die Ehegatten getrennt leben, ist schon häufiger hervorgehoben worden48. Aber wenn der Versorgungsausgleich und die ihr zugrundeliegende Versorgungsgemeinschaft - wie vom Bundesverfassungsgericht - wesentlich mit auf die Zusammenarbeit der Eheleute, auf die Gleichwertung der Haushaltsführung und Kindererziehung mit dem Unterhalt seitens des Verdieners gestützt wird, reicht diese Begründung nicht mehr aus, wenn solcher Unterhaltsbeitrag der Frau nicht mehr geleistet wird, die eheliche Solidarität insoweit praktisch aufgehört hat. Ruland hat vor allem die Bedenken aufgezeigt, welche aus diesem Gesichtspunkt der fehlenden ehelichen Solidarität heraus dem Versorgungsausgleichsmodell '87 entgegenstehen, wenn sogar nachehelich Oder bringt sie sogar ins Mißverhältnis: BVerfG, NJW 84, S. 2147. BGH, FamRZ 1983, S. 32 ff., 34 links Mitte. 48 Vgl. Gernhuber (Anm. 3), § 28 I 4 mit § 28 V 8; Beitzke, Familienrecht, 23. Aufl. 1983, § 20 IV, S. 169. 48 47

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erworbene Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einbezogen werden49 • M. E. müßte aber im geltenden System eine Lösung des Problems des Getrenntlebens gefunden werden können - nicht nur mit einer vertraglichen Begrenzung der "Ehezeit" des § 1587 BGB, sondern auch mit einem einseitigem Wahlrecht seitens jedes der Ehepartner. Damit braucht der Scheidungsverbund nicht gesprengt zu werden, denn es wird der Versorgungsausgleich ohnehin immer nachträglich auf die schon vor einiger Zeit beendete Ehezeit berechnet; und die Beendigung der Ehezeit könnte künftig bei Getrenntleben von einseitiger (zweckmäßigerweise formgebundenen) Wahlrechtserklärung einer Partei abhängen. Ein Ausgleichsberechtigter, der sich ohnehin eine eigene Altersversorgung aufbauen kann, brauchte eine solche Erklärung nicht zu scheuen - ihm gegenüber brauchte mangels Unterhaltsbedürftigkeit auch kein Vorsorge-Unterhalt (der sonst erst ab Scheidungsantrag geschuldet wird) geleistet zu werden. Der Ausgleichsberechtigte, der sich nicht selbst eine Altersversorgung aufbauen kann, wird eine solche Gestaltungserklärung auf vorzeitige "Beendigung der für den Versorgungsausgleich maßgeblichen Ehezeit" schon nicht abgeben, wenn er befürchten muß, den erforderlichen Vorsorgeunterhalt nicht bekommen zu können. Der mutmaßlich Ausgleichsverpflichtete sollte aber nur dann eine einschlägige Wahlerklärung abgeben können, wenn er den Vorsorge-Unterhalt, wie er für die Zeit ab Scheidungsantrag gesetzlich vorgesehen ist, gleichzeitig anbietet und seine Leistung sicherstellt. Er wird sich das jedenfalls gründlich überlegen.

V. Divergenz zwischen familienrechtlichem Ausgleichszweck und Versicherungsprinzip Läßt sich der Versorgungsausgleich lediglich aus der Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten heraus rechtfertigen, so muß Mängeln begegnet werden, die sich aus der Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Renten- oder Versorgungsrechts heraus ergeben. Ist der Ausgleichsberechtigte gestorben, bevor er vom Sozialversicherungsträger ausgleichsbezogene Leistungen erhalten hat, so ist der familienrechtliche Ausgleichszweck verfehlt. Daß die abgetrennten und praktisch verfallenen Rentenanwartschaften der Versicherungsgemeinschaft zugute kommen, mag dem Wesen der Versicherung entsprechen, widerspricht aber dem familienrechtlichen Zweck des Versorgungsausgleichs. Das Bundesverfassungsgericht50 hat derartige Auswirkungen als verfas48 Die vorgesehene schematische Teilung nach Ehezeit im Verhältnis zur Gesamtversorgung ist aber in der Beamtenversorgung nach § 1587 a li Ziff. 1 BGB schon heute geltendes Recht und- soweit mir ersichtlich - bisher verfassungsrechtlich unangefochten. 50 NJW 1980, S. 692 ff., 695 rechts unten.

Die deutsche Lösung: Familienrecht

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sungswidrig beanstandet. Das bis 1986 befristete Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) hat in § 4 eine vermittelnde Lösung dahin getroffen, daß bei Tod des Ausgleichsberechtigten vor Empfang von Leistungen aus dem ihm übertragenen "Anrecht" die Versorgung des Verpflichteten ungekürzt bleibt, bei Tod vor Empfang von mehr als zweijährigen Leistungen aus dem übertragenen "Anrecht" die Leistungen an den Verpflichteten nur um die an den Berechtigten erbrachten Leistungen gekürzt werden. Erst dann erhält das Versicherungsprinzip Vorrang vor dem familienrechtlichen Ausgleichsprinzip. Wird in der für 1987 vorgesehenen Reform der Versorgungsausgleich auf den Zeitpunkt der Rentenberechtigung oder Versorgungsberechtigung eines der beiden Ehegatten hinausgeschoben, wird sich das hier aufgetretene Problem wohl weitgehend erledigen. Eine andere Divergenz zwischen familienrechtlichem Ausgleichszweck und Versicherungsprinzip ergibt sich, wenn der Berechtigte bedürftig ist, ohne die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch zu erfüllen. Ist er nach den §§ 1570 ff. BGB unterhaltsberechtigt, so ist die Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten geschiedenen Ehegatten durch den Versorgungsausgleich möglicherweise gemindert; eine ausreichende familienrechtliche Deckung des Unterhaltsbedarfs ist nicht möglich. Damit letztere den Vorrang vor dem Versicherungsprinzip behält, hat § 5 VAHRG vorgesehen, daß Versorgungsleistungen an den Ausgleichs.., verpflichteten solange und soweit nicht gekürzt werden, als seine Leistungsfähigkeit durch den Versorgungsausgleich beeinträchtigt ist. Damit ist dem familienrechtlichen Unterhalt Vorrang vor dem Versorgungsausgleich gegeben. Es wäre aber m. E. auch möglich, sozialrechtlich durch Verbesserungen bei den Anspruchsberechtigungen des Ausgleichsberechtigten aus den ihm übertragenen Anwartschaften zu helfen. Im übrigen wird auch dies Problem an praktischer Bedeutung einbüßen, sollte in einer künftigen Neuregelung des Versorgungsausgleichs der Zeitpunkt des Ausgleichs auf den Eintritt der Rentenberechtigung eines Ehegatten hinausgeschoben werden. Gegensätzlichkeiten der sozialrechtlichen und familienrechtlichen Komponenten des Versorgungsausgleichs würden dabei freilich eher überdeckt als wirklich ausgeglichen. Der Preis solchen Aufschubs läge auch in der Aufgabe des scheidungsrechtlichen Verbundprinzips, aus dem der Versorgungsausgleich wieder ausgeklammert würde, und in geringerer Gewißheit der Parteien hinsichtlich des Schicksals ihrer künftigen Altersversorgung.

16 Versorgungsausgleich

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Günther Beitzke VI. Ausgleich durch Parteivereinbarung

Dazu ein letzter Punkt: Dem Frieden zwischen den geschiedenen Ehegatten kann es dienen, wenn sie ihre vermögensrechtlichen Beziehungen auch hinsichtlich ihrer Altersversorgung vertraglich regeln können. Auch das Bundesverfassungsgericht51 hat die innerfamiliäre Autonomie gerade hinsichtlich der Altersversorgung ausdrücklich anerkannt. Die geltenden Bestimmungen des BGB befriedigen das bestehende Bedürfnis nur unzureichend. Es ist zwar sachgerecht, daß einschlägige vertragliche Regelungen formgebunden sind (§§ 1408 II, 1587 o BGB), damit Beratung und gründliche Überlegung gewährleistet werden. Aber es ist nicht sachgerecht, daß an den Ausschluß des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag die Folge der Gütertrennung angeknüpft wird; denn der Versorgungsausgleich ist nach seinem System nicht zwingend mit dem Zugewinnausgleich oder der Gütergemeinschaft verbunden 52• Im übrigen sind den im Zusammenhang mit der Scheidung getroffenen Vereinbarungen zu enge Grenzen gesetzt. Zwar sollte die vertragliche Ausgleichsregelung weiterhin der Genehmigung des Familiengerichts unterworfen bleiben, vor allem um Übervorteilung oder Manipulationen zu Lasten der Sozialhilfe zu vermeiden, die trotz der mit der notariellen Form verbundenen Beratung der Parteien vorkommen können53• Andererseits sollte die Genehmigung großzügiger erteilt werden dürfen5\ Auch unentgeltliche Verzichte auf den Versorgungsausgleich müssen möglich sein. Immaterielle Gründe oder Gegenleistungen können Verzichte rechtfertigen; auch die befriedende Wirkung von Verzichten sollte in Rechnung gestellt werden. Oft mag bei geringen Einkommensunterschieden der Ehegatten (Doppelverdienerehe), nach kurzer Ehezeit und in ähnlichen Fällen, in welchen das Ausgleichsergebnis voraussichtlich geringfügig sein würde (Bagatellfälle) eine Erledigung durch Verzicht angebracht sein55• Auch die Berücksichtigung langjähriger Trennungszeiten muß bei der Genehmigung eines nicht vollen Ausgleichs oder eines Verzichts mit ins Gewicht fallen dürfen. Halbierung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungswerte darf kein Dogma sein, höchstens Richtschnur, bei der nicht nur "Unterhaltsregelung und Vermögensauseinandersetzung" mit zu berücksichtigen sind (§ 1587 o II BGB), sondern auch die Tatsache, ob VersorNJW 1980, S. 694, rechts oben. Vgl. Gernhuber, § 28 II, S. 326 mit einer m. E. nicht zutreffenden Bezugnahme in Fn. 5 auf MünchKomm- Kanzleiter (Rz. 6 zu § 1414). 53 Das bedarf gegenüber den Reformplänen für 1987 der Hervorhebung. 5' Auf die zahlreichen Abgrenzungsfragen zur Zulässigkeit richterlicher Genehmigung konnte im Referat aus Gründen der begrenzten Vortragszeit nicht mehr eingegangen werden. 55 Vgl. BVerfG, NJW 1984, S. 2147. 51

52

Die deutsche Lösung: Familienrecht

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gungswerte etwa mit vorehelichem Vermögen und nicht durch eheliche Zusammenarbeit erworben sind56 • Thesen 1. Der Wunsch, im Scheidungsfall eine vollständige Auseinandersetzung

der Ehegatten auch hinsichtlich ihrer Alterssicherung herbeizuführen, hat zu einer Verlagerung öffentlich-rechtlicher Fragen ins Privatrecht geführt. Die Probleme der Umverteilung von Versorgungswerten wurden - trotz zahlen- und wertmäßigen Überwiegens öffentlich-rechtlicher Renten und Versorgungen, und trotz der Tendenz, die Auseinandersetzung tunliehst auf den Einheitsnenner der Rentenversicherung zu bringen- nicht nur den Zivilgerichten zugewiesen, sondern das Privatrecht wurde mit der Regelung der Abgrenzung des zweckgebundenen Versorgungsvermögens vom frei verfügbaren, güterrechtlich teilbaren Privatvermögen, mit der Regelung der Verteilungsmaßstäbe und schließlich auch noch mit dem Zwang einer Rechtfertigung des Ganzen befrachtet.

2. Mit der Eheschließung übernehmen die Ehegatten eine gegenseitige Verantwortung für ihre Altersversorgung. Ausschließlich diese Versorgungsgemeinschart rechtfertigt den Versorgungsausgleich im Fall der Scheidung als Liquidationsabfindung. 3. Art. 6 GG mag diese Versorgungsgemeinschaft rechtfertigen; er rechtfertigt aber nicht unmittelbar den Versorgungsausgleich. Eine Eheschutzbestimmung kann nicht mehr die Liquidation der gescheiterten Ehe regeln, in der es um die individuellen Interessen der Ehegatten geht. 4. Der Versorgungsausgleich ist nicht aus einem angeblichen Unterhaltsanspruch auf Altersfürsorge zu rechtfertigen. a) Ein solcher Anspruch ist dem BGB ursprünglich unbekannt. Unterhaltsansprüche des BGB sind von einem konkreten Bedarf abhängig; ein dem vom konkreten Bedarf nach einer Altersfürsorge unabhängiger Anspruch - und nur ein solcher könnte dem vom konkreten Unterhaltsbedarf unabhängigen Versorgungsausgleich unterstellt werden - ist kein solcher des BGB im herkömmlichen Sinne. b) Die Ableitung eines solchen Unterhaltsanspruchs auf Altersvorsorge aus dem Schadensersatzrecht (BGB § 844 Abs. 2) ist für das Familienrecht nicht vollauf überzeugend. 66

Vgl. dazu den Text oben bei Anm. 6.

244

Günther Beitzke c) Ein Anspruch auf Altersvorsorge setzt sich dem Vorwurf schwerer Konkretisierbarkeit beim Erfüllungsanspruch oder Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus. d) Die in § 1587 o enthaltenen Beschränkungen einer vertraglichen Regelung des Versorgungsausgleichs (auch die des § 1408 II 2) wären in Widerspruch zu§ 1585 c. e) Die Annahme, der Versorgungsausgleich sei "Abgeltung für geleisteten Unterhalt" (schon als Formulierung mißlich) läuft offenbar auf die Unterstellung eines Bereicherungsanspruchs hinaus, dessen Voraussetzungen nicht immer gegeben wären. f) Der verdienende Ehegatte zahlt seine Beiträge zur Sozialversicherung nicht als Altersvorsorge-Unterhalt für den anderen Ehegatten; vielmehr werden ihm die Beiträge ohne Rücksicht auf seinen etwaigen Leistungs- oder Erfüllungswillen wegen seiner öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht zwangsweise abgezogen. g) Der verdienende Ehegatte zahlt als Lediger (bis auf wenige Ausnahmen) ebensoviel wie als Verheirateter an Sozialversicherungsbeiträgen, die nur vom Einkommen, nicht vom Familienstand abhängig sind; der Beamte leistet überhaupt keine Beiträge im voraus; seine ruhegehaltsfähigen Bezüge sind vom Familienstand im Grundbetrag unabhängig.

5. Der Versorgungsausgleich ist - trotz Entsprechungen zum Zugewinnausgleich - auch nicht güterrechtlich zu rechtfertigen, und das unabhängig von§ 1587 III BGB, der für die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs nichts ergibt, sondern nur klarstellt, daß Versorgungsvermögen seiner Zweckbindung wegen anders zu verteilen ist als disponibleres Privatvermögen. a) Während der Zugewinnausgleich unterstellt, daß von beiden Ehegatten gemeinsam Erarbeitetes und Erspartes zu verteilen ist, teilt der Versorgungsausgleich unabhängig davon das für beide Ehegatten zur Altersvorsorge Zurückgelegte, auch wenn es aus eingebrachtem Vermögen stammt. b) Zweckgebundene Versorgungs-Vermögenswerte sind in ihrer großen Mehrzahl vor der Ehescheidung nicht ebenso frei disponibel wie das der güterrechtlichen Verteilung überlassene "Privat"-Vermögen. 6. Der Versorgungsausgleich ist also als Verteilung eines Sonderguts der Versorgungsvermögenswerte zu qualifizieren und daher auch kollisionsrechtlich einer von (ehelichem wie nachehelichem) Unterhaltsrecht wie vom Ehegüterrecht unabhängigen Norm zugänglich.

Die deutsche Lösung: Familienrecht

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7. Da Versorgungsvermögenswerte andere Grundlagen haben als güterrechtlich disponibles Privatvermögen und nach anderen Grundsätzen als dieses verteilt werden, ist die Koppelung beider aneinander in Eheverträgen- wie in § 1414 II BGB vorgesehen- sachlich nicht gerechtfertigt. 8. Privatrechtliche Korrekturen am Versorgungsausgleich sind zu erwägen. a) Versorgungsgemeinschaft überzeugt nicht mehr voll, wenn die Ehegatten getrennt leben. b) Versorgungsgemeinschaft überzeugt nicht mehr voll in der Doppelverdienerehe - schon gar nicht, wenn diese von nur kurzer Dauer war. c) Die Schwäche des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (Risiko vorzeitigen Versterbens des Ausgleichspflichtigen) sollte tunliehst gemildert werden. Die derzeit bei Betriebsrenten nach § 2 VAHRG v. 21. 2. 1983 ausgeschlossene Abfindung künftiger Ausgleichsansprüche (§ 1587 I BGB) sollte zugelassen werden.

Zusammenfassung Bis 1977 gab das deutsche Familienrecht der geschiedenen Frau nur unter verhältnismäßig engen Voraussetzungen einen Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Mann; die Versorgung nach Tod des Mannes hing vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs ab. Zum Aufbau einer eigenen Versorgung hatte die Frau als Hausfrau und Mutter mangels einer eigenen Berufstätigkeit meist keine Gelegenheit. Wenn zur Füllung solcher Versorgungslücken der 1977 eingeführte Versorgungsausgleich vorsieht, daß ein Ehegatte, der während der Ehe mehr Versorgungswerte als der andere erworben hat, diesem die Hälfte des Überschusses abzugeben hat, so werden hier- unabhängig vom Güterstand der Eheleute- privatrechtliche Versorgungsrechte mit öffentlichrechtlichen (insbes. auf Sozialversicherungsrente oder Beamtenversorgung) zu einem besonderen (nicht homogenen!) Versorgungsvermögen zusammengefaßt, das nach im Familienrecht geregelten Grundsätzen durch familiengerichtliche Entscheidung zwischen den Eheleuten geteilt wird. Ob angesichts des Vorwiegens öffentlich-rechtlicher Versorgungswerte die Aufgaben vom Familienrecht und öffentlichem Recht, Familiengerichten und Sozialgerichten richtig abgesteckt sind, bleibt fraglich. Die Halbteilung in der Ehe erworbener Versorgungswerte rechtfertigt sich aus der mit Eingebung der Ehe begründeten Versorgungsgemeinschaft, die auf Art. 6 und 3 Abs. II GG gestützt wird. Eine volle Entsprechung zur Zugewinngemeinschaft besteht dabei nicht, weil auch

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aus "Anfangsvermögen" erworbene Versorgungswerte mit umfaßt werden und die Fiktion gemeinsamen Erwerbs der Versorgungswerte sich angesichts der auf die Person des Verdieners abgestellten Versorgungswerte hier nicht halten läßt. Die Abgrenzung der im Versorgungsausgleich zu verteilenden Versorgungswerte von dem güterrechtlich zu verteilenden Vermögen macht noch einzelne Schwierigkeiten, die durch künftige gesetzgeberische Klarstellungen beseitigt werden können. Die schematische Halbteilung der Versorgungsvermögenswerte wird nur durch gesetzliche Härteklauseln aufgelockert, bei denen größere Konkretisierung wünschenswert sein kann. Der sogen. öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich ist in Regelungen und Ergebnissen von dem schuldrechtlichen sehr verschieden. Bei letzteren bedürfen Abfindungsmöglichkeiten und vertragliche Regelungen der Erleichterung. Summary The German solution: family law

Until 1977 German family law gave divorced women a claim to maintenance from their divorced husbands only under relatively limited conditions; pension rights depended on the claim to maintenance. Women as housewives and mothers usually had no opportunity to pay into a pension scheme of their own as they were not gainfully employed. As pension rights compensation, introduced in 1977 to fill such pension gaps, provides that a spouse who has acquired more pension rights than the other during marriage has to cede half of the surplus to the other spouse - regardless of the matrimonial property regime, pension rights under private law are combined with those under public law (especially regarding social insurance pensions or civil service pensions) as special (not homogeneous!) pension assets which are divided between the spouse upon divorce before the family court in accordance with principles of family law. It is questionable whether the roles of family and public law, family and social courts are correctly defined, considering the predominance of pension provisions under public law. The division in half of pension provisions accrued during marriage is justified by the concept of joint pension provisions supported by Art. 6 and 3 Para. II Grundgesetz (GG = Basic Law). This is not entirely the equivalent to a "statutory matrimonial property regime of the community of surplus" since pension provisions accrued from "initial assets" are included and the fiction of joint acquisition of the pension provisions does not hold good in this case in view of the pension rights oriented to the earnings of the person concerned.

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Defining the pension rights to be divided in pension rights compensation still causes problems which can be eliminated with future legislative clarüication. The scheme of division by half of the pension provision rights is eased only by statutory hardship clauses which preferably, should be more concrete. The so-called compensation of pension rights under public law differs greatly in stipulations and results from compensation under the law of obligations. In the latter case possibilities of lump-sum settlement and contractual arrangements should be facilitated.

Die deutsche Lösung: Das Sozialrecht und andere Instrumente sozialer Sicherheit Von Bernd von Maydell Inhaltsübersicht I. Vorbemerkungen: Zum Thema und seiner Abgrenzung

250

II. Die in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anwartschaften und Versorgungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Das Konzept der Vollständigkeit ...... .. ............. .. . .... . . 250 2. Institutionelle Abgrenzungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

III. Die Ermittlung und Berechnung der auszugleichenden Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Die unterschiedlichen Ausgleichsformen: Offentlieh-rechtlicher

und schuldrechtlicher Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Vergleichbarkeit der Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 IV. Vollzug des Ausgleichs und die Auswirkung auf die Beteiligten . .. 256 1. Die verschiedenen Formen des Ausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

2. Auswirkungen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs 257 V. Modifikation des Versorgungsausgleichs mit Hilfe gesetzlicher Härteklauseln und vertraglicher Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

VI. Korrekturmöglichkeiten

263

VII. Der Versorgungsausgleich im Gesamtsystem ........ .. ...... . ..... 264 1. Versorgungsausgleich und Geschiedenen- Witwenrente . ... . . . . . . 264 2. Versorgungsausgleich und Reform der Hinterblieb enenversorgung 264 3. Mangelnde Koordination zwischen Familienrecht und Sozialrecht 265

VIII. Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Thesen/Zusammenfassung .... . ... . . . . ........ . . .... . .... . . . . .. .. . ..... 266 Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

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I. Vorbemerkungen: Zum Thema und seiner Abgrenzung Das nachfolgende Referat 1 soll sich mit dem Versorgungsausgleich, wie er im geltenden Sozialrecht2 - im weiteren Sinne verstanden geregelt ist, befassen. Diese Aufgab€ bringt Abgrenzungsschwierigkeiten im Verhältnis zu den beiden bisher schon gehaltenen Referaten mit sich. Mit dem Grundsatzreferat3 ergeben sich Überschneidungen, weil dieses Referat - naturgemäß - auch auf die Problemlösungen im geltenden Recht eingehen mußte. Abgrenzungsprobleme ergeben sich aber auch zu dem Referat üb€r die familienrechtliche Komponente des Versorgungsausgleichs4 , denn der Versorgungsausgleich ist zwar im Familienrecht-überwiegend- angesiedelt, er ist dennoch ein Institut mit sozialrechtlicher Zielsetzung, wie der Wegfall der Geschiedenenwitwenrente deutlich zeigt. Bei einer solchen Doppelnatur lassen sich familienrechtliche und sozialrechtliche Charakterzüge nicht immer säuberlich trennen. Die Problematik der Zulässigkeit von Vereinbarungen belegt dies instruktiv5 • Ich werde so vorgehen, daß ich möglichst nahe am Gesetz die verschiedenen Stationen des Versorgungsausgleichs beleuchten und auf die Schwierigkeiten aufmerksam machen werde. Dabei werde ich mich im wesentlichen auf das bestehende Recht beschränken und nur gelegentlich Reformüberlegungen streifen. Das Modell '87 wird nachfolgend in einem besonderen Referat vorgestellt werden8 , im übrigen geht auch das GrundsatzreferaF ausführlich auf die verschiedenen Alternativen zum gegenwärtigen Recht ein.

II. Die in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anwartschaften und Versorgungsleistungen 1. Das Konzept der Vollständigkeit

Der Gesetzgeber ist in § 1587 BGB von dem Grundsatz ausgegangen, daß alle Versorgungsanwartschaften, die mit Hilfe der Arbeitskraft oder des Vermögens der Ehegatten begründet worden sind, in den 1 Bei der Weite des Themas ist eine auch nur annähernd vollständige Dokumentation von Rechtsprechung und Literatur nicht möglich. Die Fußnoten müssen sich daher auf einige weiterführende Hinweise beschränken. 2 Zum Begriff des Sozialrechts vgl. Zacher, Was ist Sozialrecht?, in: Festschrift für H. Schieckel, 1978, S. 371; ders., Einführung in das Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 9; F. Schmid, Sozialrecht und Recht der sozialen Sicherheit. Die Begriffsbildung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, 1980. 3 Ruland, Die Problemstruktur des Versorgungsausgleichs, s.o. S. 167 ff. 4 Beitzke, Die deutsche Lösung: Das Familienrecht, s.o. S. 223 ff. 5 Siehe dazu v. Maydell, Dispositionsmöglichkeiten der Ehegatten im Rahmen des Versorgungsausgleichs, FamRZ 1978, 749.

Die deutsche Lösung: Recht der sozialen Sicherung

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Versorgungsausgleich fallen sollen. Dieses Konzept der Vollständigkeit, bei dem sich Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich nahtlos ergänzen sollen (§ 1587 Abs. 3 BGB), bedingt die meisten Schwierigkeiten bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs8 • Das komplexe System unserer Alterssicherung mit sehr unterschiedlichen Einzelsystemen macht diffizile Wertungs- und Ausgleichsvorschriften notwendig, die bei einer Beschränkung auf die Regelsicherungssysteme nicht erforderlich gewesen wären. Gleichzeitig ergeben sich - trotz und teilweise gerade wegen dieses Prinzips der Vollständigkeit- eine Reihe von Abgrenzungsproblemen, die zum einen die Abgrenzung der Versorgungsanwartschaften von sonstigen vermögensrechtlichen Positionen betreffen, zum anderen die Berücksichtigung auch solcher Anwartschaften, deren Einbeziehung unter dem Gesichtspunkt des Versorgungszweckes nicht notwendig erscheint. Daß daneben auch die Frage Schwierigkeiten bereiten kann, welche Anwartschaften mit dem Vermögen eines Ehegatten begründet worden sind, soll hier nur am Rand erwähnt werden9 • 2. Institutionelle Abgrenzungsprobleme

Was die institutionellen Abgrenzungsprobleme anbelangt, so ist auf folgende Einzelfragen zu verweisen: a) Die Kapitallebensversicherungen sollen auch dann, wenn ihr Versorgungscharakter unbestreitbar ist, nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen werden10• Das ist insbesondere für solche Versicherungen, die im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung begründet worden sind, problematisch, denn diese Ansicht, der sich der BGH angeschlossen hat, führt dann zu Ungerechtigkeiten, wenn der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen ist11 • Im übrigen könnte dieser Aspekt im Zusammenhang mit anderen gesetzgeberischen Regelungen (z. B. Krankenversicherung der Rentner) dazu führen, daß in 6 7

Lohr, siehe nachfolgend S. 269 ff.

Ruland, s. o. S . 183 ff.

8 Zur Rechtsprechung über den Anwartschaftsbegriff vgl. v. MaydeH, Überblick über die bisherige Rechtsprechung zum Versorgungsausgleich, FamRZ

1981, s. 512.

BGH v. 29. 2. 1984, FamRZ 1984, S. 570. So die Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1984, S. 156); in der Literatur ist die Frage umstritten, zur Gegenansicht vgl. z. B. Zimmermann, Der Versorgungsausgleich bei betrieblicher Altersversorgung, 1978, S. 140 f . 11 Das gilt auch für die Befreiungsversicherungen trotz ihres Versorgungscharakters (zu dieser Versicherung vgl. BGHZ 67, S. 262), für die es zudem - anders als bei den Kapitallebensversicherungen, die der Arbeitgeber begründet hat - an einem gesetzlich vorgegebenen Weg für die Einbeziehung in den Versorgungsausgleich fehlt. 9

10

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einem immer stärkeren Maße externe Faktoren die Wahl zwischen Renten- und Kapitalversicherung beeinflussen. b) Abgrenzungsschwierigkeiten, die noch nicht endgültig geklärt sind, ergeben sich auch bei den landwirtschaftlichen Altenteilsrechten12 und den privaten Risikoversicherungen13, sofern der Versicherungsfall eingetreten ist. Außerdem vermag, worauf Ruland schon hingewiesen hat14, die vollständige Ausklammerung der Leistungen aus Ausgleichssystemen nicht recht zu überzeugen, soweit die Systeme Surrogate der individuellen Vorsorge darstellen. Die gesetzgebensehe Entscheidung ist allerdings in diesem Punkte eindeutig, es geht insoweit um eine Frage de lege ferenda. 3. Ausnahmetatbestände

Neben diesen institutionellen Abgrenzungsschwierigkeiten führt das Konzept der vollständigen Einbeziehung auch insofern zu Problemen, als im Einzelfall die Berücksichtigung von Anwartschaften überflüssig oder problematisch erscheinen kann. Hier ist auf zwei Fallgruppen zu verweisen: a) Fehlt es an einem ehebedingten Nachteil eines Ehegatten in seiner Versorgung, weil der bisherige Beruf ohne Einschränkungen fortgeführt worden ist (Ehe eines Staatssekretärs und einer Sekretärin, die beide ihren Beruf fortsetzen), so ist zu fragen, ob eine für die Ehezeit festgestellte Differenz in den beiderseitigen Anwartschaften überhaupt für den Versorgungsausgleich relevant sein kann. Das geltende Recht sieht für diesen Fall keine Ausnahme vor. Ob dieses Ergebnis mit der Zielsetzung des Versorgungsausgleichs vereinbar ist, wird man unterschiedlich beantworten, je nachdem, welches Ziel man in den Vordergrund rückt. b) Eine zweite Fallgruppe umfaßt die Bagatellfälle. Ist die Ehezeit sehr kurz oder die Differenz zwischen den beiderseitigen Anwartschaften aus anderen Gründen gering, so ist nach der gesetzlichen Konstruktion dennoch ein Versorgungsausgleich durchzuführen15• Auch wenn anzuerkennen ist, daß die Abgrenzung solcher Bagatellfälle Schwierigkeiten bereitet, da unter Umständen auch sehr geringe Anwartschaften für den Ausgleichsberechtigten bedeutsam werden können, etwa bei der Erfüllung der Wartezeit, so ist doch das Fehlen einer Bagatellregelung im Gesetz zu bedauern. Soweit nicht eine Verein12 Für eine Einbeziehung OLG Nürnberg v. 17. 9. 1979 (40 UF 130178), dagegen OLG Bamberg, FamRZ 1980, S. 168. 13 Vgl. dazu MünchKomm- Maier, Ergänzung zu § 1587 a Rdnr. 297 ff., 306 ff.

14 15

s. 0.

s. 190 ff.

Eine Bagatellklausel hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

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barung getroffen wird, helfen die Gerichte sich mit einer Heranziehung der Härteklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB 16, wobei allerdings nur schwer zu erkennen ist, worin für die beteiligten Ehegatten - auf das mit Arbeit belastete Gericht kann man es wohl kaum abstellen - die unbillige Härte zu erblicken ist.

111. Die Ermittlung und Berechnung der auszugleichenden Anwartschaften 1. Die unterschiedlieben Ausgleicbsformen: Offentlicb-recbtlicber und scbuldrechtlicber Versorgungsausgleich

Hat man den Kreis der in den Versorgungsausgleich grundsätzlich einzubeziehenden Anwartschaften abgesteckt, so ist zu entscheiden, ob die Anwartschaften im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind oder dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten bleiben. Bei Anwartschaften, für die nicht nach dem VAHRG grundsätzlich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich eingreift, ist das maßgebende Abgrenzungskriterium die Verfallbarkeit, die der Gesetzgeber in § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB ausdrücklich erwähnt. Maßgebend dafür ist die Überlegung, daß nur die Anwartschaften dem öffentlich-rechtlichen Wertausgleich überwiesen werden sollen, deren Bestand gesichert ist. Was im Einzelfall für das Vorliegen der Unverfallbarkeit zu fordern ist, dafür gibt es eine breite Kasuistik17• Ich möchte darauf im einzelnen nicht eingehen, sondern mich auf einen Hinweis auf den heute wichtigsten Fall beschränken. Nachdem die Betriebsrenten nach dem VAHRG, soweit keine Realteilung vorgesehen ist, dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich überwiesen worden sind, bleiben die Versorgungsrenten der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes als wichtigster Fall, bei dem es auf eine Abgrenzung der verfallbaren von den unverfallbaren Anwartschaften ankommt. Diese Versorgungsrenten werden nur gezahlt, wenn der Bedienstete den Versorgungsfall im öffentlichen Dienst erlebt, andernfalls wird nur eine Versicherungsrente gewährt, die nicht dynamisch ist. Der Bundesgerichtshof18 hat daher diese Anwartschaften auf Versorgungsrente, solange der Versorgungsfall nicht eingetreten ist, als noch verfallbar bezeichnet und daher nur den niedrigeren Anspruch auf die Versicherungsrente dem öffentlich-rechtlichen Wertausgleich unterworfen. Tritt später der Versorgungsfall ein 18 So BGH, FamRZ 1981, S. 944 für den Fall einer sehr kurzen Ehe; zur Rechtsprechung im übrigen, vgl. v. Maydell (Anm. 8), FamRZ 1981, S. 626. 17 Vgl. MünchKomm - Maier, § 1587 a Rdnr. 191 ff. und Ergänzungen zu § 1587 a Rdnr. 191 ff. 1s BGHZ 84, S. 158.

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und erhält der Ausgleichspflichtige die Versorgungsrente, so muß zusätzlich ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich erfolgen. Dadurch werden die dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich überantworteten Fälle wieder erheblich vermehrt, was in Anbetracht der Schwäche dieser Ausgleichsform bedenklich ist. Andererseits ist die Tendenz des Bundesgerichtshofes, bei Ungewißheiten über die Entwicklung der Anwartschaften in Anbetracht des Fehlens einer Korrekturmöglichkeit mit Hilfe des Begriffs der Unverfallbarkeit den Ausgleich zu beschränken, durchaus verständlich. Es fragt sich, ob über den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fall der Verfallbarkeit hinaus dieses Kriterium eine allgemeine Bedeutung hat. So kann sich auch bei Anwartschaften aus berufsständischen Versorgungswerken die Frage ergeben, ob die Anwartschaft bereits genügend verfestigt ist. Dasselbe Problem stellte sich früher, um ein seltenes aber plastisches Beispiel zu nennen, bei den Sozietätsrenten von Freiberuflern, wie z. B. Rechtsanwälten18• Dabei geht es um folgendes: In Sozietätsverträgen wird bisweilen vorgesehen, daß dem wegen Alters oder Invalidität ausscheidenden Sozius eine lebenslange Rente zu zahlen ist. Zur Zahlung sind die anderen Sozien verpflichtet. Häufig ist Voraussetzung für die Zahlung, daß die Sozietät als solche weiterbesteht. Insbesondere bei kleinen Sozietäten wird diese Erwartung bisweilen nicht in Erfüllung gehen. Auch hier kann daher, mangels genügender Verfestigung, nur der schuldrechtliche Versorgungsausgleich eingreifen. Dieses Ergebnis folgt heute aus dem VAHRG, meines Erachtens war der Fall aber vorher nicht anders zu entscheiden, da es an der Unverfallbarkeit fehlte. 2. Vergleichbarkeit der Anwartscllaften

Auf die technischen Berechnungsvorgänge soll hier nicht mehr eingegangen werden, wohl aber auf das sich dabei stellende Problem der Vergleichbarkeit, das bereits von Ruland20 angesprochen worden ist. Die Notwendigkeit, verschiedene Anwartschaften vergleichbar zu machen, ergibt sich dann, wenn eine Verrechnung erfolgen soll, um einen wechselseitigen Ausgleich zu vermeiden. Will man aber verschiedene Anwartschaften miteinander verrechnen, so ist es notwendig, daß sie zuvor vergleichbar gemacht werden. Darüber hinaus spielt die Vergleichbarkeit natürlich auch insoweit eine Rolle, als nach der Idee des Versorgungsausgleichs die auf den Ausgleichsberechtigten übertragenen Versorgungsanteile wertmäßig sich nicht von denen des dem Ausgleichspflichtigen verbleibenden Teils der ehezeitlich erworbenen 18 Siehe dazu im einzelnen v. Maydell, Versorgungsausgleich bei der Scheidung von Anwaltsehen, AnwB11980, S. 47. 20 s. o. s. 196 ff.

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Anwartschaften unterscheiden sollten. Entwickeln sich die im Versorgungsausgleich aufgeteilten Hälften nachträglich unterschiedlich, so wird dies - zumindest von den Betroffenen als ungerecht empfunden. Der Gesetzgeber hat nur einen Aspekt bezüglich der Vergleichbarkeit geregelt, nämlich die Dynamisierung. Nicht dynamische Anwartschaften sollen mit Hilfe der Barwertverordnung in dynamische Anwartschaften umgerechnet werden. Die bisherige Regelung, die nur dynamische und nicht dynamische Anwartschaften kannte, war offensichtlich ungerecht, wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich festgestellt hat21 • Der Gesetzgeber hat dem durch die Änderung der Barwertverordnung22 Rechnung getragen. Damit sind jedoch nicht alle Schwierigkeiten ausgeräumt23 • Der Gesetzgeber nennt als Vergleichspunkt für die Bewertung, ob dynamische oder nicht dynamische Anwartschaften vorliegen, die Dynamik der Renten und Pensionen. Diese beiden Dynamisierungsregeln sind jedoch nicht identisch, so daß schon beim Vergleichspunkt Unklarheiten bestehen. Vor allem aber: Ist wirklich die Dynamik einer Betriebsrente, die gemäߧ 16 BetrAVG alle drei Jahre an die Teuerung angepaßt wird, so unvergleichlich der Rentendynamik, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß die Steigerung der Durchschnittseinkommen heute nicht so eindeutig über der Teuerungsrate liegt, wie dies früher der Fall gewesen ist, und zudem der Anpassungssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Vergangenheit bisweilen unter der Steigerung der Durchschnittsentgelte gelegen hat? Neben der unterschiedlichen Dynamik können Anwartschaften sich auch in anderen Punkten unterscheiden, wie z. B. der Verfügbarkeit für den Inhaber der Anwartschaft, im Invaliditäts- und Krankenversicherungsschutz und in der Besteuerung der aus der Anwartschaft fließenden Renten. Insbesondere der letztere Punkt führt zu Ungereimtheiten, wenn man sich den Fall vergegenwärtigt, daß ein ehemaliger Beamter mit einer hohen Pension sich scheiden läßt und nach der Scheidung die ehemalige Ehefrau für die Rente, die ihr aus den bei der gesetzlichen Rentenversicherung begründeten Anwartschaften gezahlt wird, keine Steuern zahlen muß. Sicherlich kann man dieses Ergebnis, das wie eine Anleitung zur Steuereinsparung. für gutsituierte Pensionäre anmutet, auf die Unterschiede bei der Besteuerung zurückführen und sie damit dem Steuerrecht anlasten; in jedem Falle ist aber die Feststellung zu treffen, daß nach der gegenwärtigen Regelung im BGH, FamRZ 1983, S. 40. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verrechnung vom 22. Mai 1984, BGBl. I 1984, S. 692. 23 Kritisch auch Ellger/Glockner, Zur Berücksichtigung der Dynamik von .Versorgungsanwartschaften im Versorgungsausgleich und der geänderten Barwert-Verordnung, FamRZ 1984, S. 733. 21

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Rahmen des Versorgungsausgleichs keine Möglichkeit besteht, diese Unterschiede der verschiedenen Anwartschaften zu berücksichtigen. In Anbetracht der Vielzahl verschiedener Alterssicherungsanwartschaften und den fast unbegrenzten Möglichkeiten, wie sich die einzelnen Anwartschaften im Laufe der Zeit verändern können, ist die Annahme wohl eine Illusion, daß für alle Sachverhalte passende Regelungen geschaffen werden können. Es zeigt sich hier, wie an anderen Stellen, daß ein erheblicher Bedarf an Flexibilität durch entsprechende Modifikationsvorschriften besteht. IV. Vollzug des Ausgleichs und die Auswirkung auf die Beteiligten 1. Die verschiedenen Formen des Ausgleichs

Der bisherige Katalog der Formen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs ist durch das V AHRG modifiziert worden. Neben das Splitting, dem die Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, das Quasi-Splitting für Pensionsanwartschaften und nach dem V AHRG - auch für die Anwartschaften gegenüber sonstigen öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungsträgern2\ soweit eine Realteilung in ihrer Satzung nicht vorgesehen ist, tritt die Realteilung für die Versicherungs- und Versorgungssysteme, die diese Ausgleichsform ausdrücklich normieren. Die vor allem im Rahmen der Privatversicherung in Anbetracht der unterschiedlichen Versicherungsrisiken für die beiden Ehegatten auftretenden Schwierigkeiten bei der Realteilung sind bislang noch nicht abschließend geklärt25 • Schließlich kann auch ein Wertausgleich durch Beitragszahlung gemäß § 1587 b Abs. 3 BGB erfolgen, allerdings nur auf der Grundlage einer Vereinbarung gemäß § 1587 o BGB. Wünschenswert wäre, daß es daneben auch noch weitere Formen des Ausgleichs gäbe, wie insbesondere die Möglichkeit des Supersplitting. Vor allem bei Betriebsrenten würde dadurch ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich im Regelfall erst möglich werden28 • Den Bedenken, daß das Supersplitting zu Manipulationen Anlaß geben könnte, könnte Rechnung getragen werden. 24 Da der Gesetzgeber es auf die Rechtsform abgestellt hat, erscheint es zweifelhaft, ob eine analoge Anwendung des Quasisplitting gern. § 1 Abs. 3 VAHRG möglich ist, wie das OLG Köln (FamRZ 1984, S. 400) dies für eine staatlich anerkannte private Fachhochschule der Katholischen Kirche annimmt. 25 Vgl. dazu die Stellungnahme des Fünften Deutschen Familiengerichtstages (Brühler Schriften zum Familienrecht, Bd. 3), 1984, S.l17. 28 In diesem Sinne vor allem H. Bogs, "Erweitertes Splitting" Ein Gesetzgebungsprojekt zur Rettung des echten Betriebsrenten-Versorgungsaus-. gleichs, RdA 1984, S. 1.

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Neben dem öffentlich-rechtlichen Wertausgleich steht der schuldrechtliche Versorgungsausgleich, der nach der ursprünglichen gesetzlichen Konzeption nur subsidiäre Bedeutung haben sollte, gleichsam als Ergänzung und als Lückenbüßer. Der Anwendungsbereich des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ist durch die Rechtsprechung, indem die Anforderungen an die Unverfallbarkeit hochgeschraubt wurden27, und den Gesetzgeber, der im VAHRG den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich als regelmäßige Ausgleichsform z. B. für ausländische Anwartschaften und für Anwartschaften gegenüber privatrechtlich organisierten Versicherungs- und Versorgungsträgern, soweit sie keine Realteilung zulassen, angeordnet hat, ausgeweitet worden. 2. Auswirkungen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs

a) Splitting, Quasisplitting und Kapitalzahlung, soweit heute noch zulässig, führen dazu, daß mit Rechtskraft der Entscheidung bzw. mit Zahlung des Kapitals Anwartschaften zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten begründet werden. Diesen in Werteinheiten ausgedrückten Gutschriften werden auch Zeitfaktoren zugeordnet, die auf die Wartezeit angerechnet werden. Dieser Zeitfaktor wird durch die Ehezeit begrenzt, er ist aber niedriger, wenn pro Jahr weniger als 75 Werteinheiten übertragen oder begründet werden28• Diese Verkürzung des Zeitfaktors in den Fällen, in denen nur geringe Anwartschaften auszugleichen sind, ist nicht unproblematisch, hat allerdings durch die Verkürzung der Wartezeit auch für das Altersruhegeld auf 5 Jahre28 erheblich an Brisanz verloren. Zu beachten und ebenfalls umstritten ist die gesetzliche Regelung, wonach der durch den Versorgungsausgleich begründete Zeitfaktor nur auf die Wartezeit, nicht aber auf andere, im Rahmen der Sozialversicherung bedeutsame Zeitvoraussetzungen angerechnet wird. So bleibt der Zeitfaktor zum Beispiel bei der Frage der Halbdeckung unberücksichtigt, ebenso gelten die im Versorgungsausgleich übertragenen oder überwiesenen Anwartschaften nicht als Pflichtversicherungszeit im Sinne der neuen einschränkenden Voraussetzungen für den Bezug von Invaliditätsrenten. Schließlich ist es auch nicht möglich, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte eine Anwartschaft durch Kapitalzahlung aufstocken kann, wie dies für den Ausgleichsverpflichteten möglich ist. Im Einzelfall kann auch die Besitzschutzregelung des § 1304 a Abs. 4 RVO von erheblicher Bedeutung werden, wonach die bisherige Rente (oder Pension) weiter gezahlt wird, bis bei 27 Das wird insbesondere für Anwartschaften auf betriebliche Ruhegelder und auf Zusatzversorgungsrenten des öffentlichen Dienstes bedeutsam. 28 Zu diesem Verfahren vgl. Ruland/Tiemann, Der Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung, 1977, Rz. 374 ff. 29 Vgl. den Bericht "Mit dem Haushaltsbegleitgesetz '84 nicht zufrieden", DAngVers 1983, S. 448.

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dem Ausgleichsberechtigten ein Versicherungs- oder Versorgungsfall eintritt. Das bedeutet, daß ältere Ehepaare auf die richtige zeitliche Reihenfolge von Rentenfall und Scheidung zu achten haben, wenn sie nicht erhebliche Nachteile befürchten wollen. Durch das V AHRG sind die Auswirkungen des Splitting und Quasisplitting insoweit modifiziert worden, als entsprechend der Auflage des Bundesverfassungsgerichts eine Rückübertragung erfolgt, sofern sich der Versorgungsausgleich nicht zugunsten des Ausgleichsberechtigten auswirken kann, etwa wegen des Todes des Berechtigten. Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang vor allen Dingen § 5 V AHRG30, wonach eine ungekürzte Versorgung an den Ausgleichsverpflichteten gewährt wird, wenn der Ausgleichsverpflichtete zur Unterhaltszahlung verpflichtet ist und der Ausgleichsberechtigte noch keine Leistung aus dem Versorgungsausgleich erhält. Über die Kürzung entscheidet im Streitfalle zunächst der Versorgungsträger und danach das für ihn zuständige Gericht, also bei Sozialversicherungsrenten die Sozialgerichte. Ihnen ist damit die Entscheidung über das Bestehen einer Unterhaltspflicht übertragen. Wenn man sich die Schwierigkeiten vergegenwärtigt, die die Familiengerichte im Zusammenhang mit dem neuen Unterhaltsrecht haben, kann die Begründung einer zusätzlichen Kompetenz der Sozialgerichte zur Entscheidung über Unterhaltsfragen, auch wenn es sich nur um eine inzidenter zu prüfende Frage handelt, nur zu zusätzlichen Schwierigkeiten und Problemen führen. § 5 V AHRG ist damit zu einerneuen Nahtstelle zwischen Familienrecht und Sozialrecht geworden, die die Problematik einer Koordination beider Rechtsbereiche sehr deutlich macht. b) Zu den Auswirkungen der Realteilung hat Ruland31 bereits Stellung genommen. Praktische Erfahrungen liegen im übrigen insoweit noch nicht vor, so daß sich dazu weitere Ausführungen meinerseits erübrigen. c) Demgegenüber ist auf die Auswirkungen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs näher einzugehen. Nach der gesetzlichen Konstruktion handelt es sich dabei um eine schuldrechtliche Geldrente. Ähnlich wie beim Unterhaltsanspruch hat der Gläubiger dieser Rente das Risiko des Inkassos und des Todesfalles des Verpflichteten zu tragen. Das gilt selbst dann, wenn man eine Verpflichtung der Erben zur Zahlung der Rente bejaht32, denn der wirtschaftliche Wert einer 30 Zu diesem Gesetz vgl. u. a. Maier, Die Änderungen im Recht des Versorgungsausgleichs zur Regelung von Härtefällen, Die Rentenversicherung 1983, S.81; Michaelis/Sander, Auswirkungen des Versorgungsausgleichs in Härtefällen, DAngVers 1983, S . 104. 31 s. 0. s. 201 ff. 32 Vgl. dazu Rolland, 1. EheRG, 2. Aufl. 1982, § 1587 k Rz. 6.

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solchen Verpflichtung dürfte äußerst gering sein. Das Inkassorisiko läßt sich durch die Möglichkeit einer Abtretung ausschließen, während dem Todesfallrisiko durch eine Abfindung gemäß § 1587 1 BGB begegnet werden kann33• Die Abfindung hat praktisch keine große Bedeutung, weil es zumeist an dem notwendigen Kapital beim Ausgleichsverpflichteten fehlen dürfte. Dennoch ist die gegenwärtige Situation, wonach im Falle des § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 bei verfallbaren Anwartschaften eine Abfindung möglich sein soll, nicht aber nach § 2 V AHRG, wenn der schuldrechtliche Versorgungsausgleich anstelle der Kapitalzahlungspflicht bei unverfallbaren Betriebsrenten zur Anwendung gelangt, zu beanstanden. Daß bei dem schwächeren Recht, der verfallbaren Anwartschaft, die Rechtsposition des Berechtigten eine bessere sein soll, ist schwer einzusehen. Offensichtlich handelt es sich um ein Versehen des Gesetzgebers, das möglichst bald korrigiert werden sollte, wobei man sich allerdings fragen muß, ob diese Korrektur im Sinne einer weiteren Verschlechterung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erfolgen sollte. Das wäre aber der Fall, wenn man auch für - im Zeitpunkt des Ehezeitendes - verfallbare Anwartschaften die Möglichkeit einer Abfindung ausschließen würde 34 • Die gekennzeichneten Schwächen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs werden noch durch eine verfahrensrechtliche Schwierigkeit verschlimmert. Gemäß § 1587 g BGB setzt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich voraus, daß in der Person des Ausgleichsverpflichteten der Versorgungsfall und in der Person des Berechtigten zumindest ein Bedarfsfall eingetreten ist. Gleichgültig, ob man diese Regelung als eine solche der Fälligkeit oder des Entstehens des Anspruchs qualifiziert, in jedem Falle kann eine endgültige Bestimmung der schuldrechtlichen Versorgungsausgleichsrente erst erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 1587 g BGB vorliegen. Da dies im Zeitpunkt der Ehescheidung zumeist noch nicht der Fall sein wird, kann über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich in diesem Zeitpunkt auch noch nicht abschließend entschieden werden. Nur unter besonderen Umständen kann mit Hilfe eines Feststellungsantrages geholfen werden35, wobei allerdings eine neue Entscheidung des BGH38 auch die Grenzen für diesen Weg aufzeigt. Die Praxis des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, der inzwischen häufige Ausgleichsform geworden ist, zeigt, daß die ursprüngliche Prämisse von der endgültigen und abschließenden Trennung der Ehe33

Zu den Unklarheiten bei der Berechnung des Abfindungsbetrages vgl.

34

Der BGH (FamRZ 1984, S. 668) hat die Frage ausdrücklich offengelassen. So BGH, FamRZ 1982, S. 42. BGH, FamRZ 1984, S. 251.

Mü.nchKomm - Maier, § 1587 I Rdnr. 11 ff. 35

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gatten im Zeitpunkt der Scheidung eine Illusion ist. Man wird dies bei den Überlegungen, wann der Versorgungsausgleich erfolgen sollte, im Rahmen der Reform des Versorgungsausgleichs berücksichtigen müssen. V. Modifikation des Versorgungsausgleichs mit Hilfe gesetzlicher Härteklauseln und vertraglicher Vereinbarungen Der Versorgungsausgleich stellt trotz seiner Kompliziertheit und der Vielzahl der gesetzlichen Regeln ein relativ starres System dar, das nicht allen Anwartschaften und nicht allen individuellen Vorsorgesituationen gerecht werden kann; eine scheinbare mathematische Genauigkeit trifft zusammen mit offensichtlich kaum zu billigenden Ergebnissen. Es ist daher nur natürlich, daß den Vorschriften, die eine Modifikation gestatten, eine besondere Bedeutung zukommt; durch solche Vorschriften und Instrumente könnten die genannten Widersprüche zumindest zum Teil gemildert werden. 1. Gesetzliche Regelungen

Der Gesetzgeber hat, sieht man von dem Übergangsrecht 37 ab, drei Möglichkeiten vorgesehen, die eine Modifikation zulassen. Es geht zunächst einmal um die Härteklausel des § 1587 c und des § 1587 h BGB. Dagegen fehlt eine Vorschrift, die ein Absehen vom Vollzug des Versorgungsausgleichs im Falle von Bagatellanwartschaften vorsieht. Darauf ist schon hingewiesen worden. Aus der Vielzahl verschiedener Zweifelsfragen zu den beiden genannten Härteklauseln soll nur auf ein Problem eingegangen werden, nämlich die Frage, inwieweit persönliches Fehlverhalten eines Ehegatten mindernd auf die Verpflichtung des anderen zum Ausgleich wirken kann. In der Rechtsprechung hat sich insoweit ein gewisser Wandel vollzogen. Während zunächst- bisweilen fast krampfhaft - versucht wurde, ein persönliches Fehlverhalten auf die vermögensrechtlichen Dispositionen der Ehegatten zu projezieren, hat inzwischen eine gewisse Entkrampfung stattgefunden. Ein Beispiel für die ursprüngliche Rechtsprechung ist ein Urteil des OLG Saarbrücken38, das einen Versorgungsausgleich der Frau eines Bergmanns minderte, die in der Ehe mehrere Kinder geboren hatte, die - wie sich später herausstellte - alle von einem anderen Manne abstammten. Das OLG begründete die Minderung damit, daß der Berg37 Das Übergangsrecht des Art. 12 des 1. EheRG hat erhebliche Auslegungsprobleme mit sich gebracht, vgl. dazu v. Maydelt (Anm. 8), FamRZ 1981, S. 624, 626. Das liegt- abgesehen von dem unpräzisen Wortlaut- vor allem daran, daß die Übergangsregelungen teilweise dazu benutzt worden sind, die Problematik der Erstreckung des Versorgungsausgleichs auf die Altehen abzumildern. as NJW 1981, S. 403.

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mann ohne die Kinder höhere Anwartschaften hätte erwerben können und daher das Fehlverhalten der Frau sich auf seine Alterssicherungsdisposition ausgewirkt habe. Demgegenüber hat der BGH30 betont, daß zwar die Härteklausel des § 1587 c BGB andere Voraussetzungen hat als die des § 1579 BGB, daß aber eine unbillige Härte im Sinne des § 1587 c bei einem persönlichen Fehlverhalten dann anzunehmen sei, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte während der Zeit der Erwirtschaftung des Versorgungsvermögens seinen Aufgaben und Pflichten nicht gerecht geworden sei. Ein späteres Fehlverhalten könne nur ausnahmsweise beachtlich sein. Welche Bedeutung die Härteklausel für das Funktionieren des Versorgungsausgleichs haben kann, zeigt eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts40• Neben den beiden genannten Härteklauseln gestattet auch § 1587 b Abs. 4 BGB eine Modifikation im Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausgleich. Die relativ geringe Bedeutung dieser Vorschrift liegt vor allem darin begründet41 , daß sie das Vorhandensein anderer Möglichkeiten des Ausgleichs voraussetzt. Die Palette solcher Möglichkeiten ist relativ recht eng. Die Anordnung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hat der Gesetzgeber als Möglichkeit selbst genannt. Daneben könnte man auch an ein Realsplitting denken oder an eine vermögensrechtliche Regelung. Dagegen ist es wohl nicht möglich, daß das Familiengericht im Rahmen des § 1587 b Abs. 4 einen Ausgleich durch Beitragszahlung anordnet 42• Ebenso ist nach ganz herrschender Auffassung ein Supersplitting nicht möglich. Darunter versteht man den Ausgleich anderweitiger Anwartschaften durch einen erhöhten Splittingsatz in Bezug auf die Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung. Würde man das Supersplitting, zumindest in gewissem Rahmen, zulassen, so würde dadurch das Instrumentarium des anderweitigen Ausgleichs erheblich erweitert werden. 2. Vereinbarungen

a) Der Versorgungsausgleich kann nach geltendem Recht gemäߧ 1408 Abs. 2 BGB43 vollständig ausgeschlossen werden, sofern diese Vereinbarung mindestens ein Jahr vor dem Scheidungsantrag getroffen worZuletzt v. 28. 3. 1984, FamRZ 1984, S. 662. Beschluß v. 4. 4. 1984, FamRZ 1984, S. 653. 41 Allerdings wurden auch die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift von der Rechtsprechung eng interpretiert, vgl. z. B. BGH, FamRZ 39

40

1984, s. 667. 42 A. A. Gutdeutsch/Lardschneider, Probleme der neuen Ausgleichsformen

des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, FamRZ 1983, 43

s. 845, 846.

Zu dieser Vorschrift vgl. v . Maydell (Anm. 5), FamRZ 1978, S. 749.

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den ist. Es handelt sich dabei um eine offensichtlich nicht glücklich gefaßte Regelung. Der Gesetzeswortlaut läßt unklar, ob nur ein vollständiger Ausschluß oder auch eine teilweise Modifizierung möglich ist. Stellt man es auf die gesetzgeberische Ratio ab, so kann nur die letztere Auffassung zutreffend sein. Unglücklich ist auch die Koppelung mit § 1414 BGB, auch wenn der Ratio dieser Regelung durchaus zugestimmt werden kann. Schließlich ist offensichtlich, daß die in § 1408 Abs. 2 vorgesehene Jahresfrist ihr Ziel verfehlt. Dieser Frist lag der Gedanke zugrunde, daß Vereinbarungen nicht im Zusammenhang mit der Ehescheidung stehen sollten. Um dies zu erreichen, ist jedoch die Frist von einem Jahr zu kurz, da bereits die Trennungszeit mindestens ein Jahr beträgt. b) Vereinbarungen sind weiter gemäß § 1587 o BGB im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren möglich. Diese Vorschrift ist ursprünglich von den Gerichten sehr eng ausgelegt worden. Langsam hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, daß § 1587 o BGB eine wichtige Funktion im Rahmen des Versorgungsausgleichs hat. Nur durch diese Vorschrift wird sichergestellt, daß der Versorgungsausgleich den Besonderheiten im konkreten Falle augepaßt werden kann. Die Beteiligten sollten über diese Besonderheiten am besten Bescheid wissen und daher auch entsprechend disponieren können. Die Genehmigung des Familiengerichts hat daher nur die Funktion, Mißbräuche zu verhindern, es kann nicht um einen exakten Zahlenvergleich gehen. c) Die bisherige Praxis im Zusammenhang mit den Vereinbarungen, aber auch mit der Möglichkeit einer anderweitigen Regelung gemäß § 1587 b Abs. 4, krankt aber nicht nur an teilweise unglücklichen gesetzlichen Regelungen und Unsicherheiten bei ihrer Anwendung, sondern auch daran, daß ein vernünftiges und sachgerechtes Handhaben dieses Instrumentariums voraussetzt, daß die unmittelbaren Beteiligten ihre Versorgungssituation richtig einschätzen können. In Anbetracht der Kompliziertheit unseres Alterssicherungssystems fehlt es an den notwendigen Grundkenntnissen bei den betroffenen Ehegatten. Um so mehr kommt es darauf an, daß sie in dieser Situation richtig und umfassend beraten werden. Der natürliche Berater für die Ehegatten im Scheidungsverfahren sind die Anwälte. Sie haben sich mühselig in die Materie des Versorgungsausgleichs einarbeiten müssen. Nur wenige haben dabei gleichzeitig auch die notwendigen Kenntnisse unseres Alterssicherungssystems erworben. Ohne diese Kenntnisse läßt sich aber kaum wirksam und sinnvoll raten. Es soll nicht verkannt werden, daß im Laufe der Jahre sich dieser Zustand etwas verbessert hat. Dennoch wird man auch heute noch die Frage skeptisch beurteilen müssen, ob im Regelfall die Ehegatten die notwendige Beratung erhalten, die erforderlich ist, um wichtige Fragen der Alterssicherung zu

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entscheiden, soweit Prognosen bei den ständig sich ändernden gesetzlichen Gegebenheiten überhaupt möglich sind. Wenn der gekennzeichnete Zustand bislang weitgehend hingenommen worden ist, so liegt dies vor allem daran, daß Scheidungen zumeist in relativ jungem Alter der Ehegatten erfolgen; in diesem Stadium denken die Beteiligten aber noch nicht an ihre Alterssicherung. Welche Auswirkungen die gerichtlichen Entscheidungen oder auch Vereinbarungen haben, stellt sich erst nach Jahrzehnten heraus. VI. Korrekturmöglichkeiten Der Versorgungsausgleich im Zeitpunkt der Ehescheidung beruht auf einer Momentaufnahme, die sich allenfalls bis zum Termin der letzten mündlichen Verhandlung hinausschieben läßtu. Änderungen im Versorgungsrecht können dazu führen, daß sich die getroffene Entscheidung als falsch erweist, es können aber auch bei fortbestehender Rechtslage die der Entscheidung zugrunde gelegten Erwartungen nicht in Erfüllung gehen; dadurch können ebenfalls die Entscheidungen unrichtig werden. Sicherlich ist dieser Befund einer der zentralen Kritikpunkte am gegenwärtigen Versorgungsausgleich. Daraus ergibt sich, daß mangels einer befriedigenden Regelung der Druck auf eine Verlagerung der Entscheidung auf den Zeitpunkt des Versorgungsfalles kaum aufzufangen sein wird. Bei der Korrekturbedatte, die in Anbetracht der bereits gehaltenen Referate45 hier nicht im einzelnen geführt werden soll, wird es darauf ankommen, die Fälle herauszuarbeiten, in denen wirklich Korrekturbedarf besteht. Es geht vor allem um die rückwirkenden gesetzlichen Änderungen, die allein einen der beiden ehemaligen Ehegatten betreffen. Außerdem ist zu sehen, daß das Korrekturbedürfnis durch Änderungen im Versicherungsrecht eingeschränkt werden kann, so läßt sich insbesondere der Fall der Halbbelegung durch eine versicherungsrechtliche Reform entkrampfen. Schließlich möchte ich den Vorschlag des V. Deutschen Familiengerichtstages 198348 aufgreifen, der in Übereinstimmung mit Äußerungen in der Literatur die Schaffung einer Korrekturmöglichkeit durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich angeregt hat. Es bedürfte dazu einer Änderung und Erweiterung des § 1587 f BGB, der die Tatbestände des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, ergänzt durch das V AHRG, abschließend aufzählt.

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45 46

Zu dieser Problematik vgl. v. MaydeH (Anm. 8), FamRZ 1981, S. 514 f. Insbesondere Ruland, s. o. S. 206 ff. Brühler Schriften zum Familienrecht, Bd. 3 1984, S. 135 f.

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VII. Der Versorgungsausgleich im Gesamtsystem

Der Versorgungsausgleich als familienrechtliches Institut mit sozialrechtlicher Zielsetzung ist besonders auf eine funktionale Integration in das System unserer sozialen Sicherheit angewiesen, in die Betrachtung sind dabei flankierende Institute, wie der Vorsorgeunterhalt, mit einzubeziehen. 1. Versorgungsausgleich und Geschiedenen-Witwenrente

Der Versorgungsausgleich ist seit dem 1. 7. 1977 an die Stelle der Geschiedenen-Witwenrente getreten. Führt der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausreichenden Sicherung, weil die übertragenen oder begründeten Anwartschaften nicht ausreichen oder weil der schuldrechtliche Versorgungsausgleich in Anbetracht des Todes des Ausgleichsverpflichteten ins Leere geht, so gibt es kein sozialrechtliches Auffangnetz in Form einer subsidiären Geschiedenen-Witwenrente. Der Gesetzgeber hat sich darauf beschränkt, als flankierende Maßnahmen zum Versorgungsausgleich die Erziehungsrente des § 1265 a RVO, eine praktisch wenig bedeutsame Regelung, und - für das Beamtenrecht den Unterhaltsbeitrag für die frühere Ehefrau gemäß § 22 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz, die zum Zeitpunkt des Todes des früheren Ehegatten einen Anspruch auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich hatte, zu schaffen. Im Anschluß an diese aus den Besonderheiten des Beamtenrechts folgende Regelung wird man fragen müssen, ob nicht auch im Rahmen der Rentenversicherung eine ähnliche Bestimmung als subsidiärer Tatbestand eingeführt werden sollte und damit das Risiko des Todes des früheren Ehegatten wieder teilweise auf die Versichertengemeinschaft zurückverlagert würde. 2. Versorgungsausgleich und Reform der Hinterbliebenenversorgung

Ein weiterer Punkt, der das Verhältnis des Versorgungsausgleichs zu sozialrechtlichen Instituten betrifft, ist die Hinterbliebenenregelung der Sozialleistungssysteme. Bislang ist man von dem Grundsatz ausgegangen, daß die Sicherung in den Fällen der Beendigung der Ehe durch den Tod oder durch Scheidung nach dem gleichen Prinzip gestaltet werden sollte. Gegenwärtig - und dies entspricht auch nach den bekannt gewordenen Vorstellungen des Bundesarbeitsministeriums47 den Reformplänen- erhält der hinterbliebene Ehegatte eine abgeleitete Hinterbliebenenleistung, während der Versorgungsausgleich im Falle der Scheidung auf dem Prinzip der eigenständigen Anwartschaften aufbaut. Es ist Ruland48 und den Diskussionsrednern des heutigen Vor47 48

Vgl. den Bericht im Handelsblatt v. 3./4. 8. 1984, S. 1. s. o.

s. 182 f.

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mittags zuzustimmen, daß das Nebeneinander dieser beiden Prinzipien nicht schlechthin ausgeschlossen ist. Das ändert aber nichts daran, daß es sich um einen Systembruch handelt, der auch in der Rechtspraxis zu zahlreichen Schwierigkeiten führt und führen wird. Der Fall der Wiederverheiratung ist dafür ein besonders aussagekräftiges Beispiel, das aber nicht das einzige bleiben wird. Man denke nur an den Unterschied im Invaliditätsschutz. Es geht dabei nicht um die Frage, ob eine abgeleitete oder eine eigenständige Sicherung die bessere ist, sondern allein darum, daß das Nebeneinander verschiedener Prinzipien immer wieder zu Verwerfungen führen wird, in jedem Fall aber vom Gesetzgeber ständig erneut verlangt, daß er die für beide Prinzipien notwendigen Anpassungsregeln trifft. 3. Mangelnde Koordination zwischen Familienrecht und Sozialrecht

Abgesehen von dieser Grundsatzentscheidung gibt es eine Reihe weiterer Beispiele, die zeigen, daß das Zusammenspiel zwischen familienrechtlichen Instituten und sozialrechtlichen Regelungen nicht reibungslos funktioniert. Ich möchte nur zwei Beispiele aufführen: a) Gemäß § 1587 1 BGB gibt es die allerdings in ihrem Geltungsbereich nicht unbestrittene Möglichkeit, den Anspruch auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich abzufinden. Das Sozialrecht sieht jedoch, abgesehen von der Zahlung laufender freiwilliger Beiträge, keine Möglichkeit vor, einen Kapitalbetrag in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen und dadurch Anwartschaften zu erwerben. Die besondere Möglichkeit des § 1587 b Abs. 3 BGB i. V. m. § 1304 b RVO, wonach eine Sonderbeitragszahlung möglich ist, gilt nach richtiger Ansicht nicht für den Fall der Abfindung. Dies bedeutet, daß regelmäßig nur eine Einzahlung auf eine private Lebensversicherung in Betracht kommen wird. b) Der Vorsorgeunterhalt, der die durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaften praktisch ergänzen und damit die Sicherung weiterführen soll, kann nach den bestehenden sozialrechtlichen Möglichkeiten nur für freiwillige Beiträge oder im Rahmen privater Lebensversicherungsverträge verwendet werden. Häufig wird nur die letzte Möglichkeit wirtschaftlich sinnvoll sein, weil der Vorsorgeunterhalt nicht zur regelmäßigen Zahlung des Mindestbeitrages in der gesetzlichen Rentenversicherung ausreicht und daher dynamische Anwartschaften durch diese Beiträge nicht aufgebaut werden können. Hinzu kommt noch, daß seit dem 1. 1. 1984 - ich lasse die Übergangsregelung weg - auf der Grundlage von freiwilligen Beiträgen kein Invaliditätsschutz erworben werden kann'9 • 49 Siehe dazu Finke, Einschränkungen für Behinderte in der Sozialversicherung, DAngVers 1984, S. 65.

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Diese Beispiele zeigen, daß mangels ausreichender sozialrechtlicher flankierender Maßnahmen zivilrechtliche Institute teilweise ihre Funktion nicht erfüllen können. VIII. Abschließende Bemerkungen

Der Teppich, den ich vor Ihnen ausgebreitet habe, ist mehr ein Flickenteppich; er deckt auch nicht den ganzen Boden des Versorgungsausgleichs und ist zudem sehr locker geknüpft gewesen, er läßt daher zahlreiche weiße Flecken. Ich konnte nur eine begrenzte Anzahl von Fragen aufwerfen, die im gegenwärtigen Versorgungsausgleich Schwierigkeiten bereiten. Die Schwierigkeiten können, jedenfalls zu einem beachtlichen Teil, durch punktuelle Änderungen des bestehenden Rechts ausgeräumt oder jedenfalls gemildert werden. Eine grundlegende Umwandlung des Versorgungsausgleichs, wie sie geplant wird, ist aus dieser Sicht nicht zwingend geboten. Es ist auch zu berücksichtigen, daß die geplanten weitgehenden Änderungen neue Schwierigkeiten mit sich bringen werden. Thesen I Zusammenfassung 1. Der Versorgungsausgleich hat eine Doppelnatur. Es handelt sich um ein im Familienrecht angesiedeltes Institut mit starkem sozialrechtlichen Einschlag. Familienrechtliche und sozialrechtliche Komponenten lassen sich nicht säuberlich trennen.

2. Der Versorgungsausgleich als Ausgleichsinstrument erfährt seine Kompliziertheit durch die Ausgleichsobjekte, d. h. die Vielzahl unterschiedlicher Versorgungsanwartschaften, die grundsätzlich alle in den Ausgleich einbezogen werden sollen. 3. Bei der Berechnung und Bewertung der verschiedenen Anwartschaften wird ihre unterschiedliche Versorgungsqualität (Verfallbarkeit, Dynamisierung, Besteuerung, Verfügbarkeit etc.) nur zum Teil vom Gesetzgeber berücksichtigt. Die Änderung der Barwert-Verordnung verbessert den bisherigen Zustand und trägt der Rechtsprechung des BGH Rechnung. Im übrigen muß den Unterschieden mit Hilfe der im Gesetz vorgesehenen Modifikationsmöglichkeiten Rechnung getragen werden. 4. Bei den Ausgleichsformen hat der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durch das VAHRG weiter an Bedeutung zugenommen (insbesondere für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung und den ausländischen Anwartschaften), ohne daß seine evidenten Nachteile beseitigt worden wären.

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5. Die Ausgleichsformen des öffentlichen Versorgungsausgleichs sind durch das Realsplitting erweitert worden. Eine weitere Auffächerung wäre wünschenswert, so z. B. die Zulassung des sogenannten Supersplitting. 6. Den im Gesetz vorgesehenen Modifikationsmöglichkeiten, insbesondere den Vereinbarungen, kommt eine große Bedeutung zu. Dadurch kann vor allem eine Anpassung der insgesamt starren gesetzlichen Regelungen an die Vorsorgebedürfnisse des Einzelfalles unter Beachtung des Ausgleichsprinzips erreicht werden. 7. Das Interesse der Beteiligten an einer möglichst frühen Klärung ihrer Versorgungssituation spricht dafür, den bisherigen Entscheidungsverbund auch hinsichtlich des Versorgungsausgleichs beizubehalten. Allerdings macht dies eine Lösung des Korrekturproblems notwendig. 8. Der Versorgungsausgleich kann nur funktionieren, wenn er nahtlos in das Familienrecht und das Sozialrecht integriert ist. Insoweit bestehen im gegenwärtigen Recht erhebliche Defizite. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die aktuellen Pläne für eine Reform der Hinterbliebenenversorgung kritisch zu beurteilen.

Summary The German solution: sociallaw and other social security instruments 1. The compensation of pension rights is twofold in nature. It is an

institution of family law with a marked element of social law. Family and social law components are difficult to separate clearly.

2. The compensation of pension rights as a means of equalization is difficult because of the very nature of the object to be compensated, i. e. the large nurober of different rights to pension provisions which have to be included in the compensation as a matter of principle. 3. When calculating and assessing the various vested rights to pensions, their different qualities (possible forfeiture, index-link, taxation, availability, etc.) are only partly taken into account by the legislator. The amendment to the cash value regulation has improved former conditions and taken account of the established case law of the Bundesgerichtshof (BGH = Federal High Court of Justice). In addition, account must be taken of the differences with the help of the possible modifications as provided by the law.

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4. As regards forrns of compensation, the compensation of pension rights under the law of obligations has increased in significance owing to the V AHRG (Act relating to the settlement of hardship cases within the compensation of pension right.s) (especially for the field of company old age pension schemes and foreign pension rights) without obvious disadvantages being eliminated. 5. The forms of pension rigths compensation under public law have been extended by so-called "real splitting". Further diversification would be desirable, e.g. permitting so-called "super splitting". 6. Great importance is set by the modification possibilities provided by the law, especially the agreements. Thus, adaptation of the overallrigid statutory regulations to the pension needs of the individual can be achieved by following the compensation principle. 7. The interest of the parties concerned in clarification of their pension situation as soon as possible speaks in favour of keeping to the decisions made so far concerning pension rights compensation. However, this makes a solution to the problern of correction necessary. 8. The compensation of pension rights can function only ü it is integrated without "joins" into family and social law. In this respect, present law has considerable shortcomings. Seen this way, the current plans for r eform of dependents' pensions are also to be viewed critically.

Der Stand der Reform des Versorgungsausgleichs Von Bernhard Lohr

Inhaltsübersicht I. Notwendigkeit und möglicher Umfang einer gesetzlichen Neurege-

lung ..................................... . . . . . ............ . . . . .. .. 1. Gründe für die Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbesserung und nicht Abschaffung des Versorgungsausgleichs . . 3. Umfang einer Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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li. Grundsätze des im Bundesministerium der Justiz ausgearbeiteten Vorschlags für eine Neugestaltung ............ . ............... .. .. 271 111. Weitere Einzelheiten des Vorschlags .......... . .............. . ..... 274 IV. Verfahrensrechtlicher Teil des Vorschlags . . ........................ 274 V. Derzeitiger Stand der Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Erörterungen sind erst im Anfangsstadium .. .. . .... . . .. . ... . 2. Kritik an dem Vorschlag des Bundesministeriums der Justiz . .. .. 3. Mögliche Verbesserungen des Vorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thesen/Zusammenfassung

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Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

I. Notwendigkeit und möglicher Umfang einer gesetzlichen Neuregelung 1. Gründe für die Neuregelung

Über Änderungen im materiellen Recht des Versorgungsausgleichs wird schon seit Jahren nachgedacht. Zum Teil haben sich die Ergebnisse dieses Nachdenkens bereits in gesetzlichen Vorschriften niedergeschlagen, nämlich im Härteregelungsgesetz vom Februar 1983. Andere Arbeiten sind bis zu einem Gesetzentwurf gediehen, dann aber in diesem Zustand eingemottet worden. Ich darf insoweit vor allem an den heute bereits weitgehend vergessenen "Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung von Regelungen über den Versorgungsausgleich" (Bun-

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destags-Drucksache 9/1981) erinnern, den die Fraktionen der SPD und F.D.P. im September 1982 eingebracht haben und der deutlich mehr Regelungsbereiche enthielt, als das spätere Härteregelungsgesetz. Mit dem Härteregelungsgesetz konnte und sollte die Diskussion über Änderungen im Bereich des Versorgungsausgleichs nicht abgeschlossen sein. Dieses Gesetz ist ganz bewußt als eine nur bruchstückhafte und vorläufige Regelung geschaffen und erlassen worden. Den deutlichsten Hinweis auf seine provisorische Natur gibt das Gesetz selbst durch die sehr ungewöhnliche Begrenzung seiner Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 1986. Schon die Befristung des Härteregelungsgesetzes, aber auch weiterbestehende und neu aufgetretene offenkundige Mängel des Versorgungsausgleichs zwingen den Gesetzgeber in den nächsten Jahren zum Handeln. Im Bundesministerium der Justiz, das innerhalb der Bundesregierung für den Versorgungsausgleich federführend ist, wurde aus diesem Grund geprüft, in welchen Punkten und in welcher Weise das Recht des Versorgungsausgleichs ergänzt und verbessert werden muß. Diese Arbeiten haben ergeben, daß eine Korrektur in Einzelbereichen nicht ausreicht, um den Versorgungsausgleich auf die Dauer lebensfähig zu erhalten. Das Ergebnis dieser Arbeiten war vielmehr ein Vorschlag, der eine grundlegende Umgestaltung des Versorgungsausgleichs zum Ziel hat. 2. Verbesserung und nicht Abschaffung des Versorgungsausgleichs

Lassen Sie mich, bevor ich die Grundsätze dieses im Bundesministerium der Justiz erarbeiteten Vorschlags darstelle, vorweg eine mir sehr wichtig erscheinende Bemerkung machen: Die Einführung des Versorgungsausgleichs durch das 1. EheRG war eine rechts- und sozialpolitische Leistung von hoher Bedeutung. Der Versorgungsausgleich gehört zum gesicherten Bestand des Scheidungsfolgenrechts. Deswegen verlangt auch keine ernstzunehmende politische Kraft heute die Abschaffung des Versorgungsausgleichs. Bei der Neugestaltung des Versorgungsausgleichs muß einer Eigenart dieses Rechtsinstituts Rechnung getragen werden, die sonst in kaum einem anderen Rechtsgebiet bekannt ist: Viele, ja sogar die meisten der Entscheidungen über den Versorgungsausgleich, die heute getroffen werden, werden ihre Auswirkung erst nach der Jahrtausendwende haben. Wem der Versorgungsausgleich am Herzen liegt, wird nicht nur danach fragen, ob der Versorgungsausgleich im Augenblick handhabbar ist und ob er von den geschiedenen Ehegatten angenommen wird, er wird vor allem in seine Überlegungen einzubeziehen haben, wie es erreicht werden kann, daß dieses Institut mit Langzeitwirkung auch

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noch in mehreren Jahrzehnten zu einem gerechten Ausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten führt. 3. Umfang einer Neuregelung

Es ist nicht möglich, im Rahmen eines halbstündigen Referats die Gründe anzuführen, die uns im Bundesministerium der Justiz veranlaßt haben, eine grundlegende Neugestaltung des Versorgungsausgleichs vorzuschlagen. Dies wäre nur dann sinnvoll, wenn ich gleichzeitig Alternativen zu unserem Vorschlag, die es ganz sicherlich gibt, darstellen und als weniger erfolgversprechend ausschließen würde. Eine solche Erörterung würde nicht nur den Rahmen dieses Referats sprengen, sondern auch den Zeitplan dieser Veranstaltung insgesamt überfordern. Meine insoweit aus Zeitgründen erforderliche Zurückhaltung erscheint mir auch deswegen vertretbar, weil ich davon ausgehe, daß Sie alle den Artikel des Bayerischen Staatsministers der Justiz "Was wird aus dem Versorgungsausgleich?" gelesen haben, der in der Familienrechtszeitschrift 1984, Seite 317 ff., veröffentlicht worden ist. In dieser Abhandlung werden die Mängel des geltenden Rechts klar herausgestellt, der Regelungsbedarf umschrieben und aufgezeigt, warum der Versorgungsausgleich des geltenden Rechts nicht mehr durch Berichtigungen in Einzelbereichen in Ordnung gebracht werden kann.

II. Grundsätze des im Bundesministerium der Justiz ausgearbeiteten Vorschlags für eine Neugestaltung Der im Bundesjustizministerium erarbeitete Vorschlag geht von folgenden Grundsätzen aus: (1) Entscheidung über den Versorgungsausgleich nur bei Bedarf

Über den Versorgungsausgleich wird nur bei Bedarf entschieden, grundsätzlich also erst dann, wenn wenigstens beim berechtigten Ehegatten der Versicherungsfall eingetreten ist. Dies bedeutet, daß der Versorgungsausgleich in der Regel nicht schon bei der Scheidung durchgeführt wird. Allerdings sollen im Scheidungszeitpunkt bereits alle aber auch nur die - Entscheidungen getroffen werden, die bis dahin möglich und für die spätere Durchführung des Versorgungsausgleichs sinnvoll sind. So soll das Familiengericht bereits im Zeitpunkt der Scheidung auf Antrag feststellen, daß ein Versorgungsausgleich zugunsten eines Ehegatten nicht stattfindet, weil ein diesem Ehegatten hinsichtlich der Altersversorgung entstandener ehebedingter Nachteil offensichtlich geringer ist als ein entsprechender Nachteil des anderen Ehegatten, oder weil ein Versorgungsausgleich zugunsten dieses Ehegatten grob unbillig wäre. Gleichzeitig soll das Familiengericht die

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Versorgungsträger feststellen, bei denen die Ehegatten Anrechte erworben haben, auch soll es die für den Ausgleichsanspruch maßgebende Ehezeit festlegen. Einer späteren Entscheidung bleibt dagegen vorbehalten die rein rechnerische Ermittlung, ob und in welcher Höhe einem Ehegatten ein Ausgleichsanspruch zusteht. Diese Entscheidung obliegt weitgehend den Versorgungsträgern und erfolgt erst, wenn bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten der Versorgungsfall eingetreten ist. Einer späteren Entscheidung bleibt weiterhin vorbehalten die Herabsetzung oder der Wegfall des Versorgungsausgleichs wegen außergewöhnlicher, im Scheidungszeitpunkt nicht vorhersehbarer Umstände, bei deren Vorliegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs für einen Ehegatten eine unzumutbare Härte darstellen würde. Diese Entscheidung trifft allerdings das Familiengericht. (2)

Berechnung und Höhe des Versorgungsausgleichs

Der Berechtigte erhält für jeden Monat der Ehezeit einen bestimmten Anteil an der Differenz der Versorgungen, die jeder der Ehegatten insgesamt erworben hat. Die Berechnung des Versorgungsausgleichs orientiert sich daher nicht mehr ausschließlich am Wert der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften; sie wird durch eine vereinfachte, jedoch ebenfalls ehezeitbezogene Berechnungsmethode ersetzt. Hat ein Ehegatte ausnahmsweise nach der Scheidung Versorgungsanrechte in einer Höhe erworben, die nach seinem beruflichen Werdegang bis zur Scheidung nicht erwartet werden konnten, so kann er die Herabsetzung oder den Wegfall des Versorgungsausgleichs verlangen. Diskutiert wird im Augenblick, ob der Berechtigte für jeden Monat der Ehezeit 0,1 °/o der Differenz der Versorgungen erhalten soll. Dies würde bedeuten, daß der Ausgleichsberechtigte nach etwa 40 Ehejahren insgesamtgenauso viel Versorgungsleistungen erhalten würde, wie der andere Ehegatte. (3)

Ausgeglichen werden grundsätzlich nicht Anwartschaften, sondern Leistungen

Ausgeglichen werden nur Leistungen, die im Entscheidungszeitpunkt von den Versorgungsträgern tatsächlich an die Ehegatten erbracht werden. Ausgeglichen werden daher nicht mehr Anwartschaften oder Anrechte. Dadurch entfallen schwierige Bewertungsprobleme. (4)

Zahlungspflichtig ist der Träger der Versorgung des Verpflichteten

Der Berechtigte erhält in der Regel einen Anspruch gegen denjenigen Versorgungsträger, bei dem der Verpflichtete seine Versorgung erworben hat. Es wird nicht mehr angestrebt, daß sich der Anspruch grund-

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sätzlich gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung richtet. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte erwirbt auch nur einen Anspruch auf Geldleistungen und keinen Anspruch auf zusätzliche Vorteile, wie etwa auf Leistungen der Rehabilitation. (5) Versicherungsfall des Berechtigten vor dem des Verpflichteten

Solange nur beim Berechtigten der Versicherungsfall eingetreten ist, gelten spezielle Regelungen: Grundlage für den Ausgleich soll das Einkommen des Verpflichteten aus einer eine Versorgung begründenden Tätigkeit sein. (6) Versorgungsausgleich nach dem Tod des Verpflichteten

Nach dem Tod des Verpflichteten sollen ebenfalls spezielle Regelungen gelten, und zwar soll Grundlage der Ausgleichsforderung die in der betreffenden Versorgung vorgesehene Hinterbliebenenversorgung sein. (7) Umfassende Berücksichtigung nachträglicher Änderungen

Veränderungen, die sich nach der Scheidung in der Versorgungssituation der Ehegatten ergeben, werden umfassend berücksichtigt. Der Entwicklung der Versorgungsanrechte der Ehegatten nach der Scheidung wird bis zur rechnerischen Ermittlung, ob und in welcher Höhe einem Ehegatten ein Anspruch auf Versorgungsausgleich zusteht, ohnehin Rechnung getragen. Ferner unterliegt der Ausgleichsanspruch automatisch allen späteren Anpassungen, die für die Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten maßgebend sind. Sonstigen nachträglichen Veränderungen in der Versorgungssituation der Ehegatten kann durch einen Abänderungsantrag beim Versorgungsträger oder beim Familiengericht Rechnung getragen werden. (8) Tod des Berechtigten

Der Ausgleichsanspruch erlischt mit dem Tod des Berechtigten. (9) Wiederheirat des Berechtigten

Der Ausgleichsanspruch entfällt für die Dauer einer neuen Ehe des Berechtigten. (10) Kürzungen beim Verpflichteten nur bei Leistungen

an den Berechtigten

Der Entwurf beruht nicht auf dem "Versicherungsprinzip". Der Versorgungsträger darf die Versorgung des Ausgleichspflichtigen nicht eher und grundsätzlich auch nur solange kürzen, als er dem anderen Ehegattenaufgrund des Versorgungsausgleichs zur Zahlung verpflichtet ist. 18 Versorgungsausgleich

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(11) Vereinbarungen der Ehegatten über den Versorgungsausgleich

in weitem Umfang möglich

Vereinbarungen von Ehegatten über den Versorgungsausgleich sind in weitem Umfang möglich. Eine Genehmigung solcher Vereinbarungen durch das Familiengericht wird nicht vorgeschrieben. 111. Weitere Einzelheiten des Vorschlags Was Einzelheiten anbetrifft, möchte ich nur auf zwei Punkte des Vorschlags hinweisen, die mir wichtig erscheinen: (1) Tod des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten

vor Versicherungsfall des Ausgleichsberechtigten

Nach geltendem Recht bekommt eine Frau dann, wenn ihr unterhaltspflichtiger Mann gestorben ist, von dessen Tod bis zum Eintritt ihres eigenen Rentenfalles keine Leistungen aus dem Versorgungsausgleich. Diese Fälle sind nicht selten. Nach dem im Bundesjustizministerium erarbeiteten Vorschlag soll die Frau auch in diesem Zeitraum Leistungen vom Versorgungsträger erhalten, allerdings nach oben begrenzt durch den Unterhaltsanspruch, den sie hätte, wenn ihr geschiedener Ehemann noch am Leben wäre. (2) Nacheheliche Kindererziehungszeiten

Nach geltendem Recht wirkt sich die Zeit einer nachehelichen Kindererziehung nicht positiv aus auf den Versorgungsausgleichsanspruch. Nach dem Vorschlag soll die nacheheliche Kindererziehung zu einer Erhöhung des Ausgleichsanspruchs führen können. IV. Verfahrensrechtlicher Teil des Vorschlags Ein ganz wichtiger Bestandteil des Vorschlags ist sein verfahrensrechtlicher Teil. Nur wenn das Verfahrensrecht so gestaltet ist, daß später eine schnelle und richtige Entscheidung getroffen werden kann, sollte der Vorschlag verwirklicht werden. Im verfahrensrechtlichen Teil geht der Vorschlag davon aus, daß das Familiengericht bei der Scheidung einen Versorgungsträger bestimmt, der den Versorgungsausgleich betreut. Bei diesem "betreuenden" Versorgungsträger sollen alle Informationen zusammenlaufen, die später benötigt werden, um eine schnelle Entscheidung zu erreichen. Um es zu ermöglichen, daß der betreuende "Versorgungsträger" seinen Aufgaben nachkommen kann, ist es erforderlich, daß andere Versorgungsträger und auch die geschiedenen Ehegatten ihm die für die Durch-

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führung des Versorgungsausgleichs notwendigen Mitteilungen machen, etwa über die Höhe bezogener Versorgungsleistungen. Der "betreuende" Versorgungsträger unterrichtet die anderen Versorgungsträger darüber, daß ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt wurde und gibt ihnen gleichzeitig die Tatsachen bekannt, die für ihre Entscheidung wichtig sind. Entscheidungen, die über die rechnerische Ermittlung des Versorgungsausgleichs hinausgehen, trifft nicht der Versorgungsträger; sie bleiben dem Familiengericht vorbehalten. Dies gilt für alle Entscheidungen über den Versorgungsausgleich, die bereits im Scheidungszeitpunkt zu treffen sind; ferner für Entscheidungen über die Herabsetzung oder den Wegfall des Versorgungsausgleichs wegen einer sich nach der Ehezeit ergebenden unbilligen Härte sowie über die Unterhaltsberechtigung des überlebenden Ehegatten, sofern diese- ausnahmsweise- für den Versorgungsausgleich bedeutsam ist. Damit es der Berechtigte nicht aus VergeBlichkeit oder sonstigen Gründen unterläßt, den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zu stellen, soll der betreuende Versorgungsträger die Ehegatten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf die Möglichkeit des Versorgungsausgleichs hinweisen. Um mutwillige Verzögerung des Ausgleichsverfahrens zu vermeiden und um eine schnelle wirtschaftliche Absicherung des Ausgleichsberechtigten zu ermöglichen, sind einstweilige Maßnahmen erforderlich. Der Versorgungsträger, ggfs. auch das Familiengericht, kann anordnen, daß Leistungen an den Verpflichteten einbehalten werden; außerdem kann angeordnet werden, daß der Berechtigte Vorschüsse erhält. Soweit zum wesentlichen Inhalt des im Bundesjustizministerium erarbeiteten Vorschlags. V. Derzeitiger Stand der Arbeiten 1. Die Erörterungen sind erst im Anfangsstadium

Was den derzeitigen Stand der Arbeiten anbetrifft, kann man mit gutem Gewissen sagen, daß wir immer noch im Anfangsstadium sind. Der Vorschlag war zunächst in einem Rohentwurf des Bundesjustizministeriums vom 24. Oktober 1983 enthalten. Dieser Entwurf wurde mit den Bundesministerien und den Landesjustizverwaltungen erörtert. Aufgrund der Besprechungen wurde der Entwurf überarbeitet. Dieser überarbeitete Entwurf trägt das Datum vom 8. März 1984. Auch dieser Entwurf wurde wieder mit den Bundesressorts und den Landesjustizverwaltungen besprochen. Zur Zeit wird geprüft, wie den in den Er18•

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örterungen zum Teil sehr deutlich gemachten kritischen Bemerkungen und den ebenfalls angeregten Verbesserungen Rechnung getragen werden kann. 2. Kritik an dem Vorschlag des Bundesministeriums der Justiz

In diesem Zusammenhang erscheint es mir sachdienlich, kurz auf die Bedenken einzugehen, die gegen den Vorschlag geäußert worden sind. Die Kritik setzt überall dort ein, wo das Modell vom geltenden Recht abgeht. Das verwundert nicht. Das geltende Recht verwirklicht den Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in fast idealer Folgerichtigkeit. Der Versuch, diese Konsequenz mit der Vielgestaltigkeit unserer Versorgungssysteme zu harmonisieren und damit ein Ideal auf den Boden der Realität zurückzubringen, muß zwangsläufig Proteste auslösen. Gerügt wird, daß der Vorschlag die eigenständige Versorgung der geschiedenen Ehefrau beseitige; insbesondere erhalte sie keine Anwartschaft mehr, auf der sie aufbauen oder mit der sie Wartezeiten erfüllen könne. Dieser Einwand ist sehr ernst zu nehmen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Berechtigte nach dem Vorschlag im Grundsatz einen Anspruch gegen einen Versorgungsträger erhält, der von dem versorgungsrechtlichen Schicksal des anderen Ehegatten weitgehend unabhängig ist. Der Anspruch gegen den Versorgungsträger wird in der gleichen Weise dynamisiert wie alle Ansprüche in diesem Versorgungszweig. Es muß auch geprüft werden, ob es möglich ist, den Vorschlag durch eine Regelung zu ergänzen, die dem Berechtigten nach einem bestimmten Umrechnungsmodus Wartezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt. Gerügt wird auch die Abkehr vom Entscheidungsverbund. Meines Erachtens verliert dieser Einwand jedoch schon deswegen an Gewicht, weil die Unhaltbarkeit des Prinzips der "Momentaufnahme" inzwischen fast unbestritten ist: Schon nach wenigen Jahren des Bestehens des Versorgungsausgleichs gibt es zahlreiche Fälle, in denen Versorgungsanwartschaften, die in den Versorgungsausgleich einbezogen worden sind, nach dessen Durchführung erheblich an Wert verloren haben. Der Vorschlag beschränkt zweifellos die Möglichkeit des Ausgleichsberechtigten, vorherzusehen, welche Leistungen er später aus dem Versorgungsausgleich erhalten wird. Dieser Nachteil wird freilich für alle zukünftigen Versorgungs- und Rentenbezieher zunehmend selbstverständlich, da schon heute fast niemand verläßlich errechnen kann, welche Versorgung er in 20 Jahren beziehen wird. Beanstandet wird, daß der Vorschlag den Versorgungsausgleich nicht nur nach den in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften bemißt,

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sondern alle Versorgungsanrechte einbezieht, gleichgültig, ob sie vor, in oder nach der Ehe erworben worden sind. Zu dieser Kritik nur einige kurze Bemerkungen: -

Auch das geltende Recht fingiert mit Hilfe komplizierter Berechnungsvorschriften in vielen Fällen lediglich, daß eine Anwartschaft in der Ehezeit erworben worden ist.

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Der Vorschlag arbeitet ebenfalls mit einer Unterstellung: Unterstellt wird, daß die Entwicklung des Berufslebens und damit auch einer Versorgungsanwartschaft grundsätzlich linear verläuft. Das Berufsleben besteht nicht aus einzelnen voneinander losgelösten oder doch wenigstens trennbaren Abschnitten. In der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle baut ein späterer Abschnitt auf einem früheren auf. So ist zum Beispiel ein Ministerialrat kaum denkbar ohne seine Ausbildung als Referendar; für seine spätere Versorgung ist daher die Tätigkeit als Referendar ebenso bedeutsam wie seine Tätigkeit als Ministerialrat!

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Die in dem Vorschlag enthaltene Berechnungsmethode ist nicht nur einfacher, sie führt in vielen Fällen auch zu Sachgerechteren Ergebnissen als das geltende Recht. So bewirkt nach geltendem Recht das Abstellen auf die in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften eine Ungleichbewertung der Anrechte dann, wenn zwischen den Ehegatten ein größerer Altersunterschied besteht. Der ältere Ehegatte "erwirbt" in der Ehezeit relativ mehr Anwartschaften als der jüngere, der in der Regel noch einen geringer bezahlten Beruf ausübt, dieses "Weniger" aber später - und nunmehr ohne Schmälerung durch den Versorgungsausgleich- "aufholen" kann.

Gerügt wird, daß nach dem Modell die Ehegatten mit der Scheidung nicht voneinander "abgekoppelt" werden. Hierzu möchte ich nur bemerken, daß auch nach geltendem Recht die Ehegatten in vielen Fällen nach der Scheidung nicht voneinander "abgekoppelt" werden. Wegen der gemeinsamen Kinder und wegen des Unterhalts werden sie vielfach nachhaltig daran erinnert, daß sie früher einmal miteinander verheiratet waren. Selbst bei Aufrechterhaltung des geltenden Systems müßte die an sich erreichte Abkoppelung in vielen Fällen wieder rückgängig gemacht werden - nämlich dann, wenn wegen einer Veränderung von Anwartschaften nach der Scheidung eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eröffnet werden soll, wie es nahezu einhellig gefordert wird. 3. Mögliche Verbesserungen des Vorschlags

Die Kritik zeigt aber eindeutig, daß Verbesserungen notwendig sind, wenn der Vorschlag realisiert werden soll. Dies gilt insbesondere für

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die in dem Vorschlag vorgesehene Regelung, daß der Ausgleichsberechtigte dann, wenn der Verpflichtete noch keine Versorgung bezieht, nur einen Anspruch gegen diesen hat. Für diese Fallgruppe wird zur Zeit nach einer Lösung gesucht, die dem Berechtigten ebenfalls einen Anspruch gegen den Versorgungsträger gibt, was allerdings nur dann vorgeschlagen werden kann, wenn sich diese Regelung für den Versorgungsträger kostenneutral gestalten läßt. Hier zeichnen sich aber Lösungsmöglichkeiten ab. 4. Ausblick

Über den weiteren Gang der Arbeiten läßt sich im Augenblick wenig Verläßliches sagen. Für die Verwirklichung des Vorschlags steht nicht mehr allzu viel Zeit zur Verfügung. Anzustreben ist auf jeden Fall eine Regelung, die sich unmittelbar anschließt an das Härteregelungsgesetz, das am 31. Dezember 1986 außer Kraft tritt. Bevor die entsprechende Regelung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird, sind noch zahlreiche und zum Teil sehr schwierige Probleme zu lösen. Das ist die einzige sichere Prognose, die im Augenblick gemacht werden kann. Thesen I Zusammenfassung Der Versorgungsausgleich hat zahlreiche und erhebliche Mängel. Im Bundesministerium der Justiz wird daher geprüft, ob diese Unzuträglichkeiten durch eine Neuregelung beseitigt werden können. Ein im Bundesministerium der Justiz erarbeiteter Rohentwurf geht von folgenden Grundsätzen aus: - Das Familiengericht trifft im Scheidungszeitpunkt alle Entscheidungen über den Versorgungsausgleich, die bis dahin sinnvoll und möglich sind. Die rechnerische Ermittlung, ob und in welcher Höhe einem Ehegatten Anspruch auf Versorgungsausgleich zusteht, obliegt dem Versorgungsträger. Sie erfolgt erst, wenn beim ausgleichsberechtigten Ehegatten der Versorgungsfall eingetreten ist. Die Entscheidung des Versorgungsträgers kann beim Familiengericht angefochten werden. - Ein Ehegatte, der im Zeitpunkt des Versorgungsfalles eine geringere Versorgung als der andere Ehegatte bezieht, erhält für jeden Monat der Ehezeit 0,1 °/o - bei 40 Ehejahren also rund 50 Ofo - der Differenz der Versorgungen, die jeder der Ehegatten insgesamt, d. h. in und außerhalb der Ehezeit, erworben hat. Etwaigen Unbilligkeiten im Einzelfall wird durch eine Härteklausel Rechnung getragen. - Ausgeglichen werden grundsätzlich Leistungen, die im Entscheidungszeitpunkt von den Versorgungsträgern tatsächlich an die Ehegatten erbracht werden; Probleme bei der Bewertung bloßer Anwartschaften entfallen.

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Solange nur beim Berechtigten der Versorgungsfall eingetreten ist, gelten spezielle Regelungen: Grundlage für den Ausgleich ist das Einkommen des Verpflichteten aus einer eine Versorgung begründenden Tätigkeit. Nach dem Tod des Verpflichteten gelten ebenfalls spezielle Regelungen: Grundlage der Ausgleichsforderung ist die in der betreffenden Versorgung vorgesehene Witwen-/Witwerversorgung. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte erwirbt einen Anspruch auf Geldleistungen (nicht auf sonstige Versorgungsleistungen wie z. B. Rehabilitationsmaßnahmen), der sich grundsätzlich gegen den Träger der auszugleichenden Versorgung (also nicht grundsätzlich gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung) richtet. Der Versorgungsträger darf die Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten nicht eher und grundsätzlich auch nur solange kürzen, als er dem anderen Ehegatten aufgrund des Versorgungsausgleichs zu Zahlungen verpflichtet ist (Abgehen vom Versicherungsprinzip). Veränderungen, die sich nach der Scheidung in der Versorgungssituation der Ehegatten ergeben, werden umfassend berücksichtigt (Abkehr vom bisherigen Prinzip der "Momentaufnahme"). Für alle Versorgungsarten ist ein einheitlich ausgestalteter Ausgleichsanspruch vorgesehen. Die verschiedenen Ausgleichsformen des geltenden Rechts entfallen; Versorgungslücken des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs werden vermieden. Vereinbarungen von Ehegatten über den Versorgungsausgleich sind in weitem Umfang möglich; eine Genehmigungspflicht ist nicht vorgesehen. Summary Planned reform of tbe compensation of pension rights

The compensation of pension rights has both numerous and considerable shortcomings. The Federal Ministry of Justice is thus examining whether the negative aspects can be eliminated through reform. A rough draft has been elaborated by the Federal Ministry of Justice based on the following: - At the time of divorce the family court is to make all decisions on the compensation of pension rights which are expedient and possible until then. Mathematical determination of whether and to what extent a spouse has a claim to pension rights compensation is to be incumbent upon the pension fund. This is not to take place until the event giving rise to a pension occurs in respect of the spouse entitled to the compensation. The pension fund's decision can be contested at the family court.

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A spouse who at the time of the event giVmg rise to a pension receives less pension than the other spouse, is to receive for each month of the marriage 0.1 Ofo- in the case of 40 years of marriage, therefore, about 50 °/o - of the difference of the pensions that each of the spouses has acquired altogether, i.e. during and outside the marriage. A hardship clause is to take account of any inequities. - As a matter of principle, benefits are to be adjusted which the spouses actually receive from the pension funds at the time of the decision; problems concerning the assessment of rights to future pension payments are not applicable. - As long as the event giving rise to a pension has occurred only in the case of the person entitled, special regulations are to apply: the compensation is to be based on the income of the party liable from an occupation giving rise to a pension. - Special regulations are also to apply after the death of the party liable: the basis of the claim to compensation is to be the widow's or widower's pension provided in the pension concerned. - The spouse entitled to compensation is to acquire a claim to monetary benefits (not to other pension benefits such as, e.g., rehabilitation measures) which as a matter of principle is directed to the pension fund of the pension to be compensated (and not to a fund of the statutory pension insurance scheme as a matter of principle). - The pension fund must not curtail the pension of the spouse liable as regards compensation before, and, as a matter of principle, can curtail it only as long as it is obliged to pay the other spouse on the basis of pension rights compensation (departure from the insurance principle). - Changes that occur in the pension situation of the spouses after divorce are to be comprehensively considered (abandonment of the principle used hitherto of "instantaneous assessment"). - A unifonnly designed compensation claim is provided for all types of pension. The various forms of compensation of the law in force are to be dropped; pension gaps of the compensation of pension rights under the law of obligations are to be avoided. - Agreements by spouses on pension rights compensation are possible to a large degree; there are no provisions on an obligation to obtain authorization.

DISKUSSION ZU DEN REFERATEN BEITZKE, v.MAYDELL UND LOHR Im Anschluß an die Referate von Beitzke und v. Maydell wurde zunächst allgemeiner die Frage der systematischen Einordnung des Versorgungsausgleichs zwischen Familienrecht und Sozialrecht diskutiert. Anknüpfend an die Ausführungen von Lohr wurde sodann stärker auf das von ihm dargelegte Reformmodell '87 eingegangen. Friederici leitete die Diskussion aus der Sicht des Praktikers mit der Frage nach der Qualüizierung der richterlichen Entscheidungstätigkeit in den Tatsacheninstanzen in Fragen des Versorgungsausgleichs ein. Je nachdem, ob sie eher als sozialrechtlich oder aber als familienrechtlich bestimmt werde, müsse ihr ein unterschiedlicher Charakter zuerkannt werden. Betrachte man das geltende materielle Recht und Verfahrensrecht, so handele es sich beim Versorgungsausgleich wohl eher um ein familienrechtliches Rechtsinstitut mit sozialrechtlichen Vorfragen. Dafür ließen sich etwa die Rechtskraft der richterlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich anführen, die - anders als die Bestandskraft von Entscheidungen der Sozialverwaltungsträger späteren Veränderungen enge Grenzen setze; das Verfahren, das nicht dem das Sozialrecht beherrschenden Amtsermittlungsgrundsatz unterliege, sondern als Parteiverfahren ausgestaltet sei; aber auch etwa die in Fällen mit Auslandsberührung auftretenden Ausgleichsprobleme. Nach Auffassung von Friederici muß die Frage nach der Qualifikation des Versorgungsausgleichs auch die Reformvorstellungen leiten, da sich nur so eine klare Zuordnung der zu seiner Weiterentwicklung bereitstehenden rechtlichen Lösungsinstrumente erreichen lasse. v. Maydell gab zu bedenken, daß der Wunsch nach einer Klärung des Charakters des Versorgungsausgleichs und nach einer klareren Zuordnung zwischen dem Familien- und dem Sozialrecht zwar verständlich sei, daß damit jedoch nichts an der Tatsache geändert werde, daß es sich um ein Rechtsinstitut aus ihrem Überschneidungsbereich, nämlich um ein zivilrechtliebes Institut mit sozialrechtlichen Komponenten handele. Es ließen sich durchaus auch eine Reihe von Elementen des Versorgungsausgleichs anführen, die in die Richtung des Sozialrechts weisen. Zudem müsse getrennt werden zwischen dem materiellrechtlichen Institut und dem zu seiner Durchführung bereitgestellten Verfahren. Es könne durchaus daran gedacht werden, das Verfahren stärker den Verfahren des Sozialrechts anzunähern, ohne daß dadurch jedoch der Charakter des mate-

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riellrechtlichen Instituts als solchen verändert werden müsse. Auch Beitzke wies später, gegen Ende der Diskussion, noch einmal auf die Bedeutung der Verortung des Rechtsinstituts des Versorgungsausgleichs zwischen zivilrechtlicher und sozialrechtlicher Qualifikation hin, da diese insbesondere für die bei der international-privatrechtliehen Anknüpfung zu treffende Qualifikationsentscheidung von Bedeutung sei. Zacher unternahm den Versuch, den Versorgungsausgleich in allgemeinere Kategorien zwischen Zivilrecht und Sozialrecht einzuordnen. Die grundlegende Problematik dieses Rechtsinstituts sei darin zu sehen, daß in ihm verschiedene Rechtsgebiete zusammengeführt worden seien: das eheliche Güter- und das eheliche Unterhaltsrecht, aber auch das Vorsorgerecht seien mit ihren jeweils unterschiedlichen Sicht- und Denkweisen in ihm ohne hinreichende Abstimmung aufeinander verbunden worden. Zacher unterschied einmal zwischen retrospektiven und prospektiven Ordnungen. Das Unterhaltsrecht und das Recht der Vorsorgeanwartschaften seien ihrem Wesen nach prospektiv, in die Zukunft gerichtet; dagegen setze das Recht des Zugewinnausgleichs retrospektiv an der in der Vergangenheit erreichten Entwicklung an. Eine andere Unterscheidung lasse sich zwischen "weichem", dispositivem Recht und "hartem" Recht treffen, das der Gestaltung durch die Partei entzogen und unmittelbar gegen sie durchgesetzt werde. Der Versorgungsausgleich zeige insoweit eine Gemengelage. Der Gesetzgeber habe in ihm "weiches" und "hartes" Recht miteinander verbunden, in der Hoffnung, daß sich ein Ausgleich entwickeln werde. Dazu sei es jedoch nicht gekommen. Heute müsse davon ausgegangen werden, daß weithin das "harte Recht", wie insbesondere das Sozialversicherungsrecht, auch etwa das Beamtenrecht, dem "weichen Recht" seine Gesetzmäßigkeit aufpräge. Die entscheidende Frage müsse deshalb die Suche nach einer besseren Abstimmung beider aufeinander sein. Sie könne dann auch zu einer klareren Bestimmung der Rolle des Familienrichters beitragen. Auf den Einwurf von v. MaydeZl, der Bedenken gegen eine Gleichsetzung des "weichen Rechts" mit dem Privatrecht und des "harten Rechts" mit dem öffentlichen Recht geltend machte, präzisierte Zacher, daß eine solche Gleichsetzung sich in der Tat nicht vornehmen lasse, daß es vielmehr in beiden großen Rechtsdisziplinen unterschiedliche Abstufungen nach dem Grad der Dispositivität des Rechts gebe.

Zur Frage des Verhältnisses von Familienrecht und Sozialrecht wurde von Steindl allgemeiner darauf hingewiesen, daß damit kein eigentlicher Gegensatz bezeichnet werde, sondern daß beide Rechtsmaterien wechselseitig aufeinander bezogen seien. In der historischen Entwicklung seien beide letztlich in der Funktion der rechtlichen Ordnung der ökonomischen Verhältnisse der Eheleute aufeinander zu und miteinander zusammengewachsen.

Diskussionsbericht

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Rotax nahm demgegenüber kritisch zu dem Versuch Stellung, über, wie er es nannte, definitorische Zuordnungen rechtspolitische Fragen regeln zu wollen. Entscheidend müsse nicht so sehr sein, ob der Versorgungsausgleich eher als familienrechtlich oder aber eher als sozialrechtlich zu qualifizieren sei; den Ausschlag müsse vielmehr die Frage geben, wo das geltende Recht Schwächen aufweise. Diese Schwächen wurden von ihm insbesondere bei dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich angesetzt. Es müsse kritisiert werden, wenn diese Möglichkeit mit dem von Lohr vorgestellten Modell '87 noch erheblich erweitert werden solle. Ganz im Gegenteil müsse nach Wegen gesucht werden, um sie stärker einzugrenzen. De lege ferenda regte er an, die Möglichkeiten zu einer Abfindung der Eheleute stärker auszuschöpfen, insbesondere auch die Möglichkeiten des Richters zu einer Abfindungsentscheidung zu stärken. Er knüpfte damit auch an der Kritik von Friederici an, der den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zuvor als "Kellerentscheidung" gekennzeichnet hatte, da gerade bei der Scheidung von noch jungen Eheleuten in keiner Weise abzusehen sei, ob die Parteien vielleicht erst Jahrzehnte später jemals auf diesen zurückkommen würden. Rotax regte weiterhin an, in der Frage der Berücksichtigung späterer Veränderungen gegenüber den in der ursprünglichen Entscheidung zugrundegelegten Versorgungsverhältnissen den abschließenden Charakter der Entscheidung über den Versorgungsausgleich stärker zu betonen. Es sei besser, an einer ein für allemal getroffenen Entscheidung festzuhalten, als die Unsicherheit möglicher späterer Abänderung in das zukünftige Verhältnis der geschiedenen Ehegatten zueinander hineinzutragen. Die Diskussion wandte sich sodann stärker der Kritik des geltenden Rechts und den dazu vorgetragenen Reformvorschlägen zu. Bürgle stellte noch einmal die aus seiner Sicht bestehende Reformbedürftigkeit des geltenden Versorgungsausgleichsrechts dar. Er knüpfte insbesondere an der durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeigeführten Rechtsänderung an. Der Versorgungsausgleich habe durch diese Entscheidung gleich mehrere seiner tragenden Grundsätze verloren. Insbesondere habe sie dazu geführt, das Versicherungsprinzip verlorengehen zu lassen, was vor allem wegen der Unsicherheit über die damit verbundenen finanziellen Belastungen problematisch sei. Schätzungen gingen dahin, daß infolge des Härteregelungsgesetzes zusätzliche Kosten bis in die Größenordnung von 1 Mrd. DM auf die Versicherungsträger zukämen. Die derzeitige Lage müsse als eine Notsituation angesehen werden, aus der es gelte, mit möglichst geringem Schaden wieder herauszukommen. Problematisch sei es weiterhin, wenn das Prinzip des Sofortausgleichs im Einzelfall zu verfassungswidrigen Lösungen führen könne. Es sei damit der dem Versorgungsausgleich

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ursprünglich zugrundegelegte "Glaubenssatz" aufgegeben worden, daß mit der Scheidung ein für allemal alles erledigt sei. Ein verfassungsrechtliches Problem sah Bürgle auch in den neuerdings im Rentenversicherungsrecht eingefügten Zugangsbeschränkungen zur Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Versorgungsausgleich könne damit dazu führen, daß bei dem Berechtigten heute nur noch ein Teil der Sicherungsfunktion ankomme. Dem Verpflichteten werde gewissermaßen 100 genommen, während der Berechtigte möglicherweise nur 70 erhalte und die restlichen 30 bei den öffentlichen Leistungsträgern anfielen. Genau eine solche Regelung habe das Bundesverfassungsgericht jedoch für verfassungswidrig gehalten. Köbl stellte die Frage, inwieweit im Modell '87 geplant sei, die dispositiven Elemente, insbesondere im Hinblick auf die Verstärkung der Möglichkeiten des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs zu verstärken. Sollte dieser in Zukunft von keinerlei richterlicher Genehmigung mehr abhängig sein, so werde damit zu einer Situation zurückgekehrt, in der erneut der schwächere Teil in der Gefahr stehe, zu für ihn nachteiligen Lösungen gedrängt zu werden. Für die "Beratungsjuristen", d. h. für Anwälte und Notare, werde damit ein zu großer Gestaltungsspielraum eröffnet, wobei davon ausgegangen werden müsse, daß angesichts der langen Dauer bis zu dem Zeitpunkt, in dem die hier getroffenen Entscheidungen dann relevant werden können, auch die Haftung für eine schlechte Beratung kaum einmal zu realisieren sein dürfte. Lohr räumte auf diese Bedenken hin ein, daß das Modell '87 in dieser Frage noch keineswegs ausgereift sei, und daß hierfür noch viel diskutiert werden müsse.

Auf die Frage von Wannagat, welche finanziellen Folgerungen das Modell '87 haben werde, gab Lohr eine differenzierte Antwort. Zunächst müsse er allgemein sagen, daß Zahlen nicht vorlägen; es sei jedoch zu vermuten, daß sich nach Ablauf einer gewissen Zeit eine Verringerung der Kosten herausstellen werde. Im einzelnen seien unterschiedliche Fälle bzw. Phasen zu unterscheiden. Kostenneutral sei das Modell in der Phase, in der der Berechtigte genau das dem Verpflichteten Abgezogene erhalte. Für die Versicherungsträger kostenneutral sei weiterhin die Phase, in der sich die geschiedene Frau allein an ihren früheren Mann halten könne. Im Falle des Vorversterbens des Mannes, der neben seiner geschiedenen Frau auch eine Witwe hinterläßt, werde der Sicherungsanspruch der Witwe um den der Geschiedenen zugewandten Versorgungsaufwand gekürzt, so daß auch insoweit Kostenneutralität anzunehmen sei. Überlebe jedoch der geschiedene Ehegatte die Witwe oder sterbe der Mann ohne neue Heirat, so erhalte sie hingegen Leistungen, ohne daß diesen an anderer Stelle ein entsprechender Abzug gegenüberstehe; diese Lösung entspreche jedoch der ohne Scheidung

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eingetretenen Hinterbliebenenversorgung, so daß auch insoweit zu fragen sei, ob hier wirklich von einer Mehrbelastung der Versicherungsträger gesprochen werden solle. Insgesamt werde das Modell '87 kostenmäßig wahrscheinlich weitgehend der Lösung von 1977 entsprechen, während es sich gegenüber dem geltenden Recht voraussichtlich kostenneutraler, d. h. für die Versicherungsträger billiger darstellen werde. Auf ein besonderes "Reformproblem" wies Friederici hin. Er hob das Problem der sich durch immer neue Reformen des Versorgungsausgleichsrechts häufenden Übergangsregelungen hervor. Schon heute müsse unterschieden werden zwischen dem Recht des Versorgungsausgleichs bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dem Recht nach dieser Entscheidung bis zum Härteregelungsgesetz, sowie dem Recht nach dem Härteregelungsgesetz. Der Übergang zu einem neuen System werde eine erneute Übergangsproblematik mit sich bringen. Hier sei ernsthaft zu fragen, wie all dies in Zukunft in der Praxis sinnvoll bewältigt werden solle. Schulte hob die Rolle hervor, die den Sozialhilfeträgern im Zusammenhang mit dem Recht des Versorgungsausgleichs zukommen könne. Insbesondere was die Frage der Kostenneutralität der verschiedenen Modelle des Versorgungsausgleichs anbetreffe, sei es zu eng, wenn dabei allein die finanzielle Belastung der Versicherungsträger in Bezug genommen werde. Es müsse durchaus auch gesehen werden, daß eine unzulängliche Versorgungsausgleichslösung dazu führen könne, daß einer oder auch beide Ehegatten in den Leistungsbereich der Sozialhilfe gelangen und dort dann das Budget der Hilfeträger belasten könne. Kritisch merkte Schulte zum Modell '87 an, daß darin die Abkoppelung der Ehegatten voneinander verringert werde und auch die Selbständigkeit der Rechtsposition des Ausgleichsberechtigten zurückgenommen werde. Problematisch sei auch der Verlust der Vorhersehbarkeit der späteren Sicherung. Im Scheidungszeitpunkt sei für die Ehegatten noch keineswegs vorhersehbar, wie die Sicherung später einmal aussehen werde. Die Dispositionsmöglichkeiten für die einzelnen Ehegatten würden damit erheblich erschwert. Lohr nahm in einem abschließenden Beitrag noch einmal zu den geäußerten kritischen Bemerkungen Stellung. Zunächst hob er gegen den Einwand von Rotax hervor, daß das Modell '87 nicht nur mit dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich wenig gemein habe, sondern ganz im Gegenteil geradezu ein Kontrastprogramm zu diesem sein wolle. Er stimme mit der Kritik am schuldrechtlichen Versorgungsausgleich überein, da dieser nur eine höchst unzureichende Sicherung vor allem für die geschiedene Frau ermögliche. Auch andere Verbesserungsanregungen der Vergangenheit, wie etwa das erweiterte Splitting, die

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Realteilung oder die sog. "Verlängerung" des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, wie er im Entwurf der SPD-Fraktion vorgeschlagen werde, seien nicht geeignet, um als umfassend bessere Lösung die Nachteile des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auszugleichen. Dies werde hingegen mit dem von ihm vorgestellten Modell '87 erreicht. Als ein Schwachpunkt, in dem hier vielleicht noch eine Verbesserung möglich sei, sei die jetzt vorgeschlagene Gestaltung insoweit vielleicht noch einmal zu überdenken, als sich darin bislang der Anspruch des Berechtigten solange ausschließlich gegen den Ausgleichspflichtigen richte, als dieser das Rentenalter noch nicht erreicht habe. Bei weiterem Nachdenken müßte sich dafür jedoch sicherlich eine Lösung finden lassen. Was die Verlagerung des Ausgleichszeitpunkts auf den Versorgungsfall anbetreffe, so sei zu berücksichtigen, daß sich zwischen Scheidungszeitpunkt und Versorgungseintritt sehr grundlegende Veränderungen einstellen könnten. Es sei zwar richtig, daß darunter die Vorhersehbarkeit der künftigen Sicherung leide. Diese sei jedoch allgemein im Recht der sozialen Sicherung nur sehr bedingt gegeben. Eine Ausnahme stelle nach heute geltendem Recht gerade die geschiedene Frau dar, die beispielsweise heute schon zumindest annähernd abschätzen könne, was sie in etwa 20 Jahren erhalten werde. Schon die verheiratete Ehefrau könne dagegen keineswegs vorhersehen, wie die Ansprüche aussehen werden, die ihr im Falle einer Witwenschaft einmal zustehen werden. Es müsse gefragt werden, ob es wirklich unabdingbar sei, der geschiedenen Ehefrau hier ein Mehr an Vorhersehbarkeit zuzubilligen. In ihrem letzten Abschnitt wandte sich die Diskussion dann noch einmal allgemeineren Fragestellungen zu. Schulerbestimmte das Wesen des Versorgungsausgleichs in zwei Funktionen: der Funktion des Ausgleichs von Versorgungsanwartschaften zwischen den Eheleuten; und der Funktion der Verselbständigung der einzelnen Versorgungsanwartschaften, um sie individuell zuordnen zu können. Danach müsse zunächst davon ausgegangen werden, daß der schuldrechtliche Versorgungsausgleich keine echte Form des Versorgungsausgleichs darstelle. Allgemeiner müsse gefragt werden, ob es nicht sinnvoll sei, den Ausgleich allein auf solche Rechte zu beschränken, bei denen eine Verselbständigung und individuelle Zuordnung überhaupt möglich ist. Dagegen sollten andere Rechte, die sich dazu nicht eignen, dem Unterhaltsrecht überlassen bleiben. Eichenhafer stellte noch einmal heraus, daß Leistungen im Abstand langer Zeiträume nicht hinreichend prognostizierbar seien. Hier liege eine der entscheidenden Schwierigkeiten für jede Gestaltung eines Versorgungsausgleichs. Kritisch sei zur Reformmethode anzumerken, daß diese weitgehend ohne den rechtsvergleichenden Blick auf die im Ausland für die gleiche Problematik der sozialen Sicherung des geschiedenen Ehegattens anzutreffenden Lösungen ent-

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warfen worden sei. Rotax hob noch einmal hervor, daß in der derzeitigen Lage der Richter letztlich zum Lückenbüßer für die im politischen Raum nicht durchsetzbaren klaren gesetzgeberischen Lösungen herhalten müsse. Es sei zu fordern, dem Richter klare gesetzliche Vorgaben zu setzen und seine richterliche Funktion stärker von der politischen Diskussion darüber, was politisch, finanziell etc. machbar sei, abzuheben. Zum geltenden Recht sei zu bemerken, daß das erste Eherechtsreformgesetz gerade auch im Hinblick auf den Versorgungsausgleich eher ein "Schönwettergesetz" gewesen sei, das in einer Situation erlass~m worden sei, in der "man es sich leisten konnte". Rotax wandte sich schließlich gegen die Äußerung von Lohr, das Modell '87 sei das einzig machbare ReformmodelL Bereits seit zwei Jahren liege etwa der vom Familiengerichtstag verabschiedete Vorschlag vor, das Problem durch eine Ausgleichskasse zu lösen. Es könne erwartet werden, daß zumindest eine Auseinandersetzung mit derartigen anderen Lösungsvorschlägen erfolge, bevor gesagt werde, alles andere außer dem Modell '87 sei nicht durchführbar. v. Maydell nahm abschließend noch einmal zu einigen im Laufe der Diskussion berührten Fragen Stellung. Zunächst wurde von ihm die Feststellung Bürgles relativiert, das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung die Grundlagen des Versorgungsausgleichs beseitigt. So sei es beispielsweise nicht richtig, daß das Versicherungsprinzip in toto beseitigt worden sei und daß damit ein Element in den Versorgungsausgleich hineingebracht worden sei, das mit diesem nicht in Einklang stehe. Auch sonst sei ja im Sozialversicherungsrecht das Versicherungsprinzip in vielfacher Form durch Ausgleichselemente modifiziert, ohne daß deshalb sogleich von einer vollständigen Eliminierung gesprochen werde. Gegenüber dem Beitrag von Schuler machte v. Maydell ein methodisches Bedenken geltend: Es sei darin nur eine der Zielsetzungen des Versorgungsausgleichs herausgenommen worden, um daraus Konsequenzen für die methodische Einordnung des Rechtsinstituts abzuleiten. In Wahrheit verfolge der Versorgungsausgleich jedoch ein ganzes Bündel von Zielsetzungen. Es müsse deshalb auch Bedenken unterliegen, wenn Gestaltungsvorschläge allein an einer einzigen Zielsetzung angeknüpft würden. In der Sache habe er jedoch durchaus Sympathien für eine stärkere Differenzierung unter den einzelnen Versorgungsarten im Hinblick auf die für sie angezeigte Form der Herbeiführung des Versorgungsausgleichs.

Bearbeiter: Thomas Simons

Die Lösungsansätze im internationalen Vergleich Von Erik Jayme*

Inhaltsübersicht I. Zur Methode des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 II. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Eheliches Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Scheidungsbedingte Ausgleichsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Unterhaltsrechtlicher Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 IV. Sozialrechtliche Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 V. Zwischenergebnis

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VI. Durchführung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 VII. Fälle mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 VIII. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Thesen ... . . . ... . ... .. ................................................. 309 Zusammenfassung

311

Summary ................... . . . ... . . . . ... .. ..... . . . .. .... ......... . .. . 312

* Für wertvolle Mithilfe bei der Zusammenstellung und Sichtung des Materials danke ich meinem Assistenten, Herrn cand. iur. Valentin BolZ. Die in den Fußnoten verwendeten ausländischen Abkürzungen werden vorab erklärt:

A.2d = Atlantic Reporter, Secend Series; B.c.s.c. = British Columbia, Supreme Court; Cal.2d = Californla Reports, Secend Series, Cal.Rptr. = California Reporter, C.c. = Code civil/Codice civile etc. Cornell L.Rev. = Cornell Law Review, Ct.App. = Court of Appeal; D.L.R. = Dominion Law Reports; ERISA = Employee Retirement Income Security Act; Fla. = Florida, Foro it. = Fore italiano, Raccolta generare di giurisprudenza; Giur.lt. = Giurisprudenza ltaliana; J.Bl. = Osterreichische Juristische Blätter; La. = Louisiana, L.Ed. 2d = Lawyers' Edition Supreme Court Reports, Secend Series; Mich. = Michigan, Mo. = Missouri; N.J. = New Jersey Supreme Court Reports, N.W.2d = Northwestern Reporter, Secend Series, N.Y. = New York; P.2d = Pacific Reporter, Secend Series; R.F.L. = Reports of Family Law, R.S.O. = Revised Statutes of Ontario; S.C.N.S. = Supreme Court of Nova Scotla, S.Ct. = Supreme Court, SJZ = Schweizerische Jurlstenzeltung, So.2d = Southern Reporter, secend serles, ssv = Entscheidungen des OLG Wien Im Leistungsstreitverfahren zweiter Instanz der Sozialversicherung, S.W.2d = South Western Reporter, Secend Series ; UCLA L.Rev. = University ot Callfornia Los Angele s Law Review, U.S. = Un ited States Supreme Court Reports; Wash. = Washington; ZGB = Schweizerisches Zivilgesetzbuch. 19 versorgungsausgleich

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I. Zur Methode des Vergleichs Der Versorgungsausgleich erscheint im Schrifttum nicht selten als eine Originalschöpfung des deutschen Rechts1 • Gerichte und Autoren sprechen im kollisionsrechtlichen Zusammenhang immer wieder vom Versorgungsausgleich als einem Rechtsinstitut, das den ausländischen Rechten unbekannt seF. Ausländische Gerichte meiden den Versorgungsausgleich, selbst wenn nach dem ausländischen internationalen Privatrecht deutsches Recht anwendbar ist3 • Da erscheint eine Bestandsaufnahme der Lösungsansätze im internationalen Vergleich ein gewagtes Unterfangen, das einige Vorbemerkungen zur Methode nahelegt. Der Vergleich muß bei den Bedürfnissen, bei der Ordnungsaufgabe ansetzen, welche dem Versorgungsausgleich des deutschen Rechts zugrunde liegen. Dabei sind zwei Ziele vorherrschend, zum einen der Gedanke, daß in den nachehelichen Vermögensausgleich auch die Anwartschaften auf eine Versorgung einbezogen werden sollen, da man annimmt, daß sie auf einer gemeinsamen Lebensleistung beruhen oder aber zumindest aus Gründen der ehelichen Verantwortung und Solidarität ausgeglichen werden sollen; zum anderen ist es der Gedanke der Versorgung der geschiedenen Hausfrau im Wege einer eigenständigen sozialen Sicherung. Wenn man nun ausländische Lösungsansätze aufspüren und vergleichen möchte, dann lautet die Frage, wie die ausländischen Rechte jene Bedürfnisse befriedigen. Dabei wird als Hypothese vorausgesetzt, daß jene Ordnungsaufgabe auch im Ausland wenigstens latent vorhanden ist. Auf der anderen Seite darf man m. E. die Lösungsansätze nicht zu weit fassen. Es geht immer darum, daß Familienrecht und Sozialrecht 1

320.

Vgl. z. B. Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl. 1980, S. 319-

2 Nachweise bei Jayme, Versorgungsausgleich in Auslandsfällen, NJW 1978, S. 2417 ff., 2419; OLG Bamberg, 2. 8. 1979, FamRZ 1979, S. 930 ff., 931; OLG Hamm, 26. 9. 1979, FamRZ 1979, S. 449, 450 (Portugal); BGH, 11. 1. 1984, IPRax 1984, S. 208 ff., 210 (Angola, Sowjetrußland); vgl. auch Bürgle, Zum Versorgungsausgleich bei Scheidungen mit Auslandsberührung, FamRZ 1978, S. 388 ff., 390-391; Firsching, FamRZ 1978, S. 903 f.; von Bar, Der Versorgungsausgleich in der !PR-Reform, IPRax 1984, S. 7 ff., 8. 3 Vgl. hierzu Suhr, Versorgungsausgleich bei Scheidungen deutscher Staatsangehöriger in der Schweiz, SJZ 1984, S. 16; Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts, 1982, S. 215; vgl. aber Sturm, Deutsche vor dem Schweizer Scheidungsrichter, Festschrift Beitzke, 1979, S. 787 ff., 799, dort Fn. 56; zur "Berücksichtigung" eines Versorgungsausgleichs, der Inhalt einer

in einem deutschen Verfahren getroffenen Vereinbarung war und der Ansprüche aus der Österreichischen Arbeiterrentenversicherung betraf, vgl. OLG Wien, 28. 1. 1982, SSV 22 / 8 (den Hinweis verdanke ich Herrn Univ.Doz. Dr. Marhold, Wien); vgl. jetzt Marhold, Zur Berücksichtigun-"' des deutschen Versorgungsausgleichs bei der Gewährung einer Österreichischen Witwenrente, IPRax 1985, S. 58 f., ferner Thomashausen, Some Problems in the Application of South African Private International Law, The Comparative and International Law Journal of Southern Africa 17 (1984), S. 78 ff., 86.

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verbunden bleiben. Somit scheiden jene Länder aus der Betrachtung aus, die ausschließlich familienrechtliche Mittel oder rein sozialrechtliche Lösungen einsetzen. Es würde ein eigenes Referat darstellen, die Gründe zu erforschen, warum einzelne Länder nichts Äquivalentes zum deutschen Versorgungsausgleich kennen, oder warum benachbarte Rechtsordnungen so verschiedene Antworten geben. Spanien etwa hat eine Art sozialrechtlicher Versorgung der geschiedenen Witwe in die Zusatzbestimmungen zum Scheidungsgesetz aufgenommen4 ; Portugal dagegen, das ebenfalls jüngst sein Scheidungsrecht reformiert hat5, kennt überhaupt keinen derartigen Lösungsansatz. Spricht man mit portugiesischen Juristen, so stehen sie dem Versorgungsausgleich des deutschen Rechts fassungslos gegenüber. Fragt man nach der Versorgung der geschiedenen Hausfrau, so wird man auf ein Unterhaltsrecht ("apanagio") verwiesen, das aus den Einkünften des Nachlasses zu befriedigen istG. Hinzu kommt, daß in Portugal die Sicherung der Witwe stets über die Gütergemeinschaft, also durch eine dingliche Beteiligung der Frau am Vermögen des Mannes erfolgt, auch wenn heute die früher den gesetzlichen Güterstand bildende "allgemeine Gütergemeinschaft" durch eine Art der Errungenschaftsgemeinschaft ersetzt wurde7 • Solche rein familienrechtlichen Lösungen sollen außer Betracht bleiben. Auf der anderen Seite zeigt sich das Bedürfnis in vielen Ländern, z. T. auch in den islamischen Staaten. Nachdem das neue tunesische Personenstandsgesetz vom 18. 2. 1981 die Rechtslage der geschiedenen Ehefrau durch die Einführung von Entschädigungen durch den Ehemann verbessert hatte, kam es allerdings dort zu Unruhen: "Die Busfahrer des öffentlichen Dienstes traten in einen wilden Streik und protestierten dagegen, daß von ihrem Gehalt in den letzten Monaten Geld einbehalten worden war und daß davon, wie das Gerücht umging, durch die Regierung ein Fonds, aus dem die Renten für die geschiedenen Frauen bezahlt werden sollten, geschaffen würde8." 4 Piltz, Versorgungsausgleich nach spanischem Recht durch deutsche Gerichte? IPRax 1984, S. 193 f. 5 Artt. 1773 ff. C.c. port. in der Fassung des Gesetzes Nr. 496/77 vom 25. 11. 1977; vgl. hierzu Lopez Atarcon, EI divorcio en Portugal, in: Derecho y Proceso - Estudios Juridicos en Honor del Prof. A. Martinez Bernal, Universirlad de Murcia 1980, S. 353 ff.; Pereira Coetho, Div6rcio e separa!;äo judicial de pessoas e bens na Reforma do C6digo Civil, in: Reforma do C6digo Civil, Lissabon 1981, S. 25 ff.; Antunes Varela, Direito da familia, Lissabon 1982, s. 390 ff. 8 Art. 2018 C.c. port. Die Bestimmung gilt offenbar auch für die .,geschiedene Witwe". 7 Vgl. Jayme, Betrachtungen zur Reform des portugiesischen Ehegüterrechts, Festschrift Zajtay, 1982, S. 261 ff. 8 Forstner, Neuerliche Änderungen im tunesischen Personenstandsgesetz, StAZ 1982, S. 17 ff., 19, dort Fn. 22.

19°

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Nicht einbezogen werden sollen ferner ausschließlich sozialrechtliche Lösungen, wie siez. B. in Systemen zu finden sind, die eine Volksrente vorsehen, die eine eigenständige Versorgung darstellt und die Sicherung der geschiedenen Hausfrau weniger dringlich erscheinen läßtP. Hinzu kommen rein sozialrechtliche Lösungen, die etwa dahin gehen, daß Ehezeiten, in denen der geschiedene Ehegatte nicht berufstätig war, angerechnet werden10• Solche Sicherungen des im Haushalt tätigen Ehegatten sollen nicht behandelt werden. Einbezogen werden also nur solche Systeme, die bei der Auflösung der Ehe durch Scheidung einen Ausgleich von Anwartschaften vorsehen, der zugleich zu einer eigenständigen Versorgung des bisher nur über die Ehe versorgungsberechtigten Ehegatten führt, wobei der Scheidungsrichter über die sozialrechtlichen Anwartschaften entscheidet. In Kauf genommen wird dabei, daß vielleicht einzelne Elemente dieser zur Abgrenzung gewählten Definition nur rudimentär in den einzelnen Systemen verwirklicht sind. Noch eine Einschränkung ist vorzunehmen. Es sollen nur diejenigen Lösungsansätze einbezogen werden, welche sich aus Gesetz und Rechtsprechung ergeben, nicht aber die bunte Vielfalt vertraglicher Sicherungen unter den Ehegatten. Es bleibt ein Desiderat der Forschung, den Einfluß der Scheidungsvereinbarungen und ähnlicher Abmachungen auf die jeweiligen gesetzlichen Lösungsansätze zu untersuchen. Koppelt man z. B. die Geschiedenenwitwenrente an die frühere Existenz eines Unterhaltsanspruchs, dann ist die Durchschlagskraft dieser Sicherung auch davon abhängig, ob Unterhaltsverzichte in Scheidungsvereinbarungen zulässig und üblich sind. Die Klärung solcher Fragen bedarf allerdings einer eigenen Feldforschung. Schließlich fällt aus dem Rahmen dieser Bestandsaufnahme der Fakten die Fülle alternativer Vorschläge der GesetzgebungskommissioD Es ist aufschlußreich, daß z. B. das schwedische Recht offenbar keine dem Versorgungsausgleich vergleichbare Lösung entwickelt hat. Zwar werden privatrechtliche Versicherungsrechte - von betrieblichen Altersversorgungen abgesehen - in den güterrechtlichen Ausgleich einbezogen; vgl. hierzu Beckman/Högtund, Svensk familjerättspraxis (Loseblattsammlung), Stockholm 1984, A II 12-13). Die öffentlichrechtlichen Versorgungen werden nicht ausgeglichen. Im schwedischen Recht geht man mit Kap. 11 § 14 EheG davon aus, daß nach der Ehescheidung jeder Ehegatte für seine Versorgung selbst verantwortlich ist. Der Staat hilft durch eine Volksrente (Altersrente) oder mit Hilfe der Generalklausel des § 6 des Sozialgesetzes (in Kraft 1. 1. 1982), wenn die eigene Versorgung nicht ausreicht. Ein Gesetzentwurf von 1983 (proposition 1983/ 84: 73) zielte sogar auf die Abschaffung aller Witwenrenten, wurde aber wieder zurückgezogen. Die Hinweise zum schwedischen Recht verdanke ich Herrn Universitätslektor Dr. Dr. H.-H. Voget, Lund. Zu schwedischen Rentenanwartschaften im deutschen Versorgungsausgleich vgl. OLG Bamberg, 24. 9. 1979, FamRZ 1980, S. 62. 10 Zu einer solchen Rentenberechnung in der Schw eiz vgl. Monot, Der Versorgungsausgleich bei Scheidungen mit Auslandsberührung dargestellt am deutsch-schweizerischen Recht, Diss. Göttingen 1981, S. 74 f.; vgl. auch OLG Karlsruhe, 22. 3. 1982, IPRax 1982, S. 245 ff., 247.

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nen und der Wissenschaft, die in Modellen - die nicht selten das Utopische streifen - das Grundbedürfnis einer Versorgung der Hausfrau zu verwirklichen suchten11 • Es läßt sich aber festhalten, daß der Versorgungsausgleich bei der Scheidung offenbar als einerseits so dringlich und andererseits als finanziell so tragbar angesehen wurde, daß er sich als selbständige Lösung empfahl und nunmehr auch - rechtsvergleichend gesehen - ein Eigenleben entfaltet hat, das es rechtfertigt, ihn gesondert zu untersuchen. Dabei steht in diesem Referat die Scheidung im Vordergrund. Die gleichen Probleme können auftauchen, wenn die Versorgungsgemeinschaft durch die Nichtigerklärung, Aufhebung oder Trennung der Ehe ohne Auflösung des Ehebandes erfolgt. Auch die Beendigung nichtehelicher Lebensgemeinschaften wirft ähnliche Fragen auf. Soweit hier Lösungen entwickelt wurden, lehnen sie sich an das Paradigma der Scheidung an12• Dies rechtfertigt es, allein die Scheidung zu betrachten. II. Lösungsansätze 1. Eheliches Güterrecllt

Prüft man nun die einzelnen Lösungsansätze, so ist auffallend, daß Rechtsordnungen, die eine Art der Gütergemeinschaft als gesetzlichen Güterstand kennen, in der Lage waren, den Versorgungsausgleich auf güterrechtlichem Wege durch die Rechtsprechung zu entwickeln. Dies gilt vor allem für die amerikanischen community-property-Staaten13• Die Leitentscheidung ist "In re marriage of Brown" aus dem Jahre 197614• Das Gericht war der Supreme Court of California. Es ging um 11 Vgl. z. B. Martin, Social Security Benefits for Spouses, Cornell L.Rev. 63 (1978), s. 789 ff. 12 Vgl. zum Begriff "dependent female" sec. 59 des australischen Social Security Act 1947, zitiert in: Baron v . Director-General of Soci al Security, 48 AustraUen Law Reports, S. 345, 347 (1983); den Hinweis auf diesen deutschaustralischen Fall verdanke ich Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Wengler, Berlin. Zum kanadischen Recht vgl. Pettkus v. Becker (1980) 19 R.F.L. (2d), S. 165, 182 (Supreme Court of Canada) : "I see no basis for any distinction in dividing property and assets, between marital relationships and those more informal relationships which subsist for a lengthy period." (zitiert nach Carr/Greenberg, Manitoba, M-18, in: Bisset-Johnson and Holland, Matrimonial Property Law in Canda (1983). 13 Vgl. hierzu Bürsch, Aufteilung von Versorgungsansprüchen nach Scheidung in den USA, ZVgiRWiss 79 (1980), S. 191 ff. 14 In re Marriage of Brown, 15 Cal. 3d, S. 838; 544 P.2d, S. 561; 126 Cal. Rptr., S. 633 (1976); vgl. hierzu Bruch, Neuere Entwicklungen des Ehescheidungsrechts: Das Beispiel Kalifornien, StAZ 1980, S. 9 ff., 14 ff.; V erralll Bird, Cases and Materials on California Community Property, St. Paul, Minn. 1983, S. 124; Reppy, Community and Separate Interests in Pensions and Social Security Benefits after Marriage of Brown and ERISA, UCLA L.Rev. 25 (1978), s. 417 ff.

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die Verteilung des Gesamtgutes, das nach kalifornisehern Recht bei Auflösung der Ehe zu gleichen Teilen an die Ehegatten verteilt wird. Dabei tauchte die Frage auf, ob die Anwartschaft des Ehemannes auf eine Rente aus dem "non-contributory pension plan" der General Telephone Company als "property interest" anzusehen war, das bei der Aufteilung zu berücksichtigen war. Der Ehemann hatte im November 1973, als das Scheidungsverfahren begann, durch seine Arbeit bereits 72 "Punkte" der für eine Rente von $ 310,94 monatlich notwendigen 78 Punkte erlangt. Das Gericht entschied - und zwar unter Aufhebung einer entgegenstehenden Entscheidung aus dem Jahre 1941 - 15, daß Pensionsanwartschaften ein vertragliches Recht (contractual right} darstellen und deshalb einen Vermögensgegenstand bilden, der in das zu verteilende community property fällt. Würden solche Anwartschaften nicht einbezogen, so würde dies zu einer ungleichen Aufteilung des Vennögens führen. Betrachtet man die Gründe für diese Schwenkung der Rechtsprechung, so sieht man, daß das Gericht Anwartschaften, die so nahe vor der Verwirklichung stehen, als das wichtigste Vermögensgut ansehen: "As the date of vesting and retirement approaches, the value of the pension right grows until it often represents the most important asset of the marital community."18 Ferner finden wir - wie z. T. im deutschen Recht - das Argument der gemeinsamen Lebensleistung, wenn das Gericht die Anwartschaft als "a valuable asset built up by 24 years of community effort"17 bezeichnet. Die Entscheidung wurde dadurch erleichtert, daß Vollrechte in Kalifornien bereits als Teil des Gesamtguts angesehen wurden18• Auf der anderen Seite tauchten viele der aus der deutschen Diskussion bekannten Gegenargumente auf, so z. B. die Frage der Bewertung von Anwartschaften, welche zudem möglicherweise durch den Tod des Berechtigten erlöschen. Solche Bewertungen fielen allerdings dem Trial Court zu. Der Supreme Court sprach sich aber bei unsicheren Maßstäben für den Vorrang des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs aus: "But if the court concludes that because of uncertainties affecting the vesting or maturation of the pension that it should not attempt to divide the present value of pension rights, it can instead award each spouse an appropriate portion of each pension payment as it is paid." 19 15

18 17

1s 10

French v. French, 17 Cal. 2d, S. 775; 112 P.2d, S. 235 (1941). In re Marriage of Brown, 126 Cal. Rptr., S. 633, 638 (Supreme Court 1976).

Ebd. Vgl. Bruch (Anm. 14). Oben Anm. 16, S. 639.

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Den Brown-case kann man als Modellfall ansehen. Zwar hatte der Staat Washington schon früher eine Art schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entwickelt20 ; aber vor allem die kalifornisehe Rechtsprechung führte dazu, daß die anderen community-property-Staaten diese Gedanken übernahmen21 • Die Frage war allerdings, ob jede Anwartschaft für eine Aufteilung geeignet war. Problematisch ist dies bei bundesrechtlichen Rentenanwartschaften. Der amerikanische Supreme Court hatte 1979 in Hisquierdo v. Hisquierdo darüber zu entscheiden, ob die Aussichten auf eine Rente nach dem Railroad Retirement Act (1974) in das community property fielen22 • Der von der Ehefrau angestrebte Ausgleich sollte darin bestehen, daß die Rente ganz beim Ehemann verbleiben, sie aber dafür das Haus erhalten sollte. "As petitioner's counsel bluntly put it, respondent wants the house." 23 Der California Court of Appeals und der Supreme Court of California hatten entschieden, daß die Anwartschaften in das gemeinsame Vermögen fielen. Der Supreme Court der Vereinigten Staaten hob die Entscheidung des Court of Appeals auf. Die Leistungen nach dem Railroad Retirement Act 1974 seien allein für den Eisenbahnangestellten gedacht; eine Anordnung im Scheidungsurteil, daß der Ehemann einen Teil dieser Leistungen seiner Frau zu zahlen habe, sei - wie es in der Zusammenfassung heißt - 24 .,improper". Das Gericht gab als dogmatische Begründung, daß solche Leistungen (" benefits") nicht vertraglicher Natur seien, sondern jederzeit durch den Kongreß geändert werden könnten. Eine Vorwegnahme solcher Leistungen sei ausgeschlossen; man würde auch in die Freiheit der Legislative eingreifen, wenn bloße Erwartungen zum Gegenstand des Ausgleichs würden. Hinzu kam das Verhältnis von Bundesrecht und Einzelstaatenrecht. Zwar gehört das Familienrecht zur Kompetenz der Einzelstaaten, der Supreme Court kann aber durch die "Supremacy Clause" der Verfassung bundesrechtlichen Interessen zum Durchbruch verhelfen, was in diesem Fall geschah25. Zwei Richter verfaßten abweichende Voten, und auch die Mehr20 De Revere v. De Revere, 491 P.2d, S. 249 (Ct.App. Wash. 1971). 21 Nachweise bei Jayme, Versorgungsausgleich in Auslandsfällen, NJW 1978, S. 2417 ff., 2420, dort Fn. 36. 22 Hisquierdo v. Hisquierdo, 439 U.S., S. 572; 59 L.Ed.2d, S. 1; 99 S.Ct., S. 802 (1979). 23 99 S.Ct., S. 811. 24 Ebd., S. 803. 25 Vgl. hierzu auch Mennen, Community Property in a Nutshell 1982, S. 400 ff.; zu den Besonderheiten des Versorgungsausgleichs, wenn der geschiedene Ehemann, der von Beruf Richter ist, vom "State Court" zum "Federal Court" wechselt, vgl. In re marriage c;f Alarcon, 196 Cal.Rptr., S. 887 (Ct. App. 1983).

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heit erkannte die Notwendigkeit einer Versorgung der geschiedenen Frau an, die keine Anwartschaften besitzt. Auf der anderen Seite erscheint hier als Grenze des Ausgleichs das Bundesrecht In dem 1981 entschiedenen Fall McCarty v. McCarty wurden bundesrechtliche Anwartschaften auf eine Versorgung für Offiziere der Armee vom Ausgleich ausgenommen28 • Der güterrechtliche Ansatz kann nun auch in anderen Systemen funktionieren, die eine Errungenschaftsgemeinschaft kennen. So hat der niederländische Hoge Raad in einer Entscheidung vom 27. November 1981 die Auffassung entwickelt, daß Pensionsansprüche in die aus beiden Ehegatten bestehende Gemeinschaft fallen und deshalb bei der Scheidung aufzuteilen sind27• Festzuhalten bleibt, daß die niederländische Lösung sehr flexibel gehalten ist. Es gibt Schranken des Ausgleichs aus Gründen der Billigkeit, auch der Rechtsmißbrauch wird in der Entscheidung angesprochen. Dem deutschen Recht am nächsten kommt das kanadische Recht, dessen Einzelheiten auf dieser Tagung ausführlich behandelt werden. Der Ansatz ist auch hier ein güterrechtlicher gewesen, wobei bundesrechtliches Sozialrecht und die Güterrechtsreform der Provinzen und Territorien ineinandergreifen28• Einerseits sieht der Canada Pension Plan Act vor, daß im Fall der Scheidung auf Antrag eines Ehegatten die Rentenanwartschaften geteilt werden, was durch eine Verwaltungsbehörde erfolgt. Andererseits gingen die common law Provinzen von der Gütertrennung in Stufen zu einer Art der Errungenschaftsgemeinschaft über; auch Quebec, das bereits die Fahrnisgemeinschaft des französischen Rechts als gesetzlichen Güterstand kannte, führte jenen Güterstand ein. In den neuen Güterrechtsgesetzen einiger Provinzen finden sich nun Bestimmungen über die Zusammensetzung des Gesamtgutes, der sogenannten "family assets". So heißt es in Section 1 (2) c und d des Manitoba Property Act (1982): Family assets shall include "c) Rights under a life or fixed term annuity policy. d) Rights under a pension or super-annuation scheme or plan". 26 McCarty v. McCarty, 453 U.S., S. 210; 69 L.Ed.2d, S. 589; 101 S.Ct., S. 2728 (1981); als Reaktion auf diese Entscheidung ist offenbar der "Uniformed Services Former Spouses' Protection Act", abgedruckt in The United States Law Week vom 21. 12.1982, zu sehen (diesen Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Steinmeyer, Bonn); vgl. neuestens Steinmeyer, Strukturfragen der Alterssicherung der Frau in den USA, ZVglRWiss 83 (1984), S. 329 ff. 27 Nederlandse Jurisprudentie 1982, Nr. 503. 28 Vgl. hierzu Steinmeyer, Der Versorgungsausgleich in Canada, FamRZ 1982, S. 335 ff. ; ders., Die Reform der sozialen Sicherung des nicht erwerbstätigen Ehegatten in Kanada, Deutsche Rentenversicherung 1984, S. 601 ff.

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Und diese Rechte fallen in das Gesamtgut - um die Manitoba Queen's Bench zu zitieren - 28 "whether or not the rights are present, future or contingent, and even if they have not been realized, and it is not ascertainable whether they ever will be realized or to what extent ..." Solche Rechte werden bei der Auflösung der "family assets" durch die Scheidung zu gleichen Teilen aufgeteilt. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs geschieht in Manitoba durch ein Doppelsplitting; d. h . die jeweiligen Rentenanwartschaften jedes Ehepartners werden geteilt; man kann aber auch die Rechtsfigur eines "trust" zur Hilfe nehmen. Der Inhaber der Anwartschaft wird "trustee"; er ist also in seiner Verfügung beschränkt, während "beneficiary" der ausgleichsberechtigte Ehegatte wird. Ähnliche Lösungen haben andere Provinzen mit Hilfe der Rechtsprechung entwickeW0 • Die Einführung des Versorgungsausgleichs in Kanada zielte auf die Verbesserung der Versorgungslage der Frau, wobei sich aber nur der Ausgleich bei der Ehescheidung durchsetzte 31 • Wenn man von güterrechtlichen Lösungen spricht, ist eine Unterscheidung zu treffen, es geht nämlich entweder um den "großen" oder um den "kleinen" Ausgleich. Entweder wird der Wert der Versorgungsanwartschaften ausgeglichen oder aber es werden nur die gezahlten Prämien zwischen den Gütermassen (Gesamtgut - Eigengut) bei der Aufteilung verrechnet. Der "kleine" Ausgleich ist als Problemansatz in einigen romanischen Systemen erkannt, wie z. B. in Belgien und Quebec32• Das interessante Ergebnis der güterrechtlichen Betrachtung ist, daß ein Rechtsbereich, der ursprünglich die Aufteilung von in der Ehe erworbenen Gütern zum Gegenstand hat, nunmehr in die Zukunft gerichtete Aufgaben der Vorsorge übernimmt33• Downey v . Downey, 36 R.F.L., S. 169, 172 (Manitoba Queen's Bench 1983). Alberta vgl. Herchuk v . Herchuk (1984) 150 D.L.R., S. 366 (Ct. App. Alberta, 4. 8.1983); Moravcik v. Moravcik (1984) 37 R.F.L. (2d), S.102 (Ct. App. 29

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Alberta). at Vgl. Steinmeyer (Anm. 28). 32 Vgl. hierzu die Referate von Pintensund Hering. 33 Ein ähnlicher Durchbruch bei der Berücksichtigung zukunftsbezogener Vermögensgüter im Rahmen des Vermögensausgleichs bei der Ehescheidung scheint sich in den USA für die Frage anzubahnen, ob eine Ausbildung auszugleichen sei; "education" mag zwar noch überwiegend nicht als ausgleichspflichtiges Vermögensgut (community property) angesehen werden, die vermögensrechtliche Auseinandersetzung wird jedoch vielfach betroffen, zum Streitstand vgl. Wisner v. Wisner, 631 P.2d, S. 115, 121-124 (Ct. App. Arizona 1981); die Staaten der "equitable distribution" haben es leichter, eine positive Lösung zu finden; vgl. z. B. Mahoney v . Mahoney, 419 A.2d, S. 1149 (Sup. Ct. N.Y. 1980). Eine juristische Ausbildung als solche wurde nicht als ausgleichspflichtiges Vermögensgut angesehen, in: In re marriage of Aufmuth, 152 Cal.Rptr., S. 668, 677-698 (Ct.App. 1979).

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ErikJayme 2. Scheidungsbedingte Ausgleichsleistungen

Den nächsten Lösungsansatz möchte ich unter der Überschrift "Scheidungsbedingte Ausgleichsleistungen" zusammenfassen. Besonderes Gewicht hat hier die Rechtsprechung vieler amerikanischer separateproperty-Staaten34. Die Gerichte verteilen hier das Vermögen der Eheleute nach der Scheidung "in equity", d. h. der Richter hat einen Ermessensspielraum, wie er das Vermögen der Eheleute verteilt und welche Unterhaltsleistungen er festsetzt. In diesem Rahmen werden auch Rentenanwartschaften berücksichtigt, d. h. es wird auch insoweit ein Versorgungsausgleich durchgeführt, der allerdings flexibel ist. Diese Lösung - sei es in Gesetzen oder durch Fortbildung der Rechtsprechung - taucht nun etwa gleichzeitig mit den güterrechtlichen Ansätzen der anderen Staatengruppe auf, beruht aber auf dem gleichen Gedanken, daß nämlich Anwartschaften, sobald sie eine gewisse Verfestigung erreicht haben, in das zu verteilende Familienvermögen fallen. Was nun diese Lösung von derjenigen der community-propertyStaaten unterscheidet, ist, daß auch ein Versorgungsausgleich für Kinder möglich wird. Der Michigan Court of Appeals vertrat in Vaclav v. Vaclav 1980 die Auffassung, daß der Ehemann und Vater seine beiden minderjährigen Kinder zu Begünstigten einer Lebensversicherung einzusetzen habe; er wurde verurteilt, die Prämien weiterzuzahlen, bis das jüngste Kind das 18. Lebensjahr erreicht habe 35• Jeder Schematismus liegt dabei den Gerichten fern, und es kommt auf die einzelnen Versorgungsrechte an. Der Missouri Court of Appeal entschied in dem Fall eines Zahnarztes, daß es für die Kinder und die Ehefrau am besten sei, wenn der Ehemann seine Rechte aus dem "retirement program" behalte, wobei steuerliche Gesichtspunkte eine Rolle spielten36. Die community-property-Gerichte sind da z. T. anderer Auffassung. Der Louisiana Court of Appeal sprach der Ehefrau 5/24 des "military retirement pay" des Ehemannes zu und meinte: "any dispute about tax burden on retirement benefits was between the parties and the taxing authorities. Taxation issues were not properly before the court in divorce proceedings."37 Ist die "equitable distribution" den Wirkungen nach eine dem Versorgungsausgleich voll vergleichbare Lösung, so kann man dies von 34 Vgl. hierzu Bürsch (Anm. 13), S. 192. Besonders eindringlich ist die Rechtsprechung des Staates Michigan; vgl. z. B. Hateher v. Hatcher, 343 N.W.2d, S. 498, 503 (Ct.App. Mich. 1984): "Defendant errs, however, in his assertion, that the uncertainties attending the payment of his pension benefits rendered it undistributable." 35 Vaclav v. Vaclav, 293 N.W.2d, S. 613 (Ct.App. Mich. 1980). 36 Hilger v. Hilger, 570 S.W.2d, S. 736 (App.Ct. Mo. 1978). 37 Moon v . Moon, 345 So.2d, 8.168, 176 (App.Ct. La. 1977).

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den europäischen Lösungen mit ähnlichem Ansatz kaum sagen. Es gibt in verschiedenen Systemen scheidungsbedingte Ausgleichszahlungen, die aber meist Entschädigungscharakter haben und deshalb im Regelfall nur dem unschuldigen Ehegatten zustehen. Betrachten wir das französische Recht. Die Scheidungsreform von 1975 führte bei Scheidung wegen Verschuldens eine "prestation compensatoire" ein, wobei der Ausdruck sich an dem deutschen Begriff "Ausgleichsleistung" orientierte38• Diese Ausgleichszahlung hat den Zweck, die Disparität auszugleichen, welche für die Ehegatten nach der Scheidung entsteht. Dabei wird auch die zukünftige Entwicklung der Vermögenslagen einbezogen. Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Lage spielen die "droits previsibles" eine Rolle. Anwartschaften aus der Sozialversicherung sind insoweit von Bedeutung, als ihr scheidungsbedingter Verlust auszugleichen ist39• Dies kann in Form einer einmaligen Zahlung geschehen oder in der Form der Übertragung von anderen Vermögensgegenständen; der Richter kann auch anordnen, daß die Einkünfte aus Wertpapieren dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zufallen, und schließlich, wenn kein Kapital vorhanden ist, wird eine Ausgleichsrente festgesetzt. Grundsätzlich steht der Ausgleich nur dem unschuldigen Ehegatten zu; er wird aber auch bei beiderseitigem Verschulden durchgeführt und im Ausnahmefall auch aus Billigkeitsgtiinden dem allein schuldigen Ehegatten gewährt, wobei man hier z. T. den Gedanken der ungerechtfertigten Bereicherung heranzieht40• Schließlich spielt die prestation compensatoire eine Rolle bei der einverständlichen Ehescheidung. Bei der Zerrüttungsscheidung finden solche Ausgleichsleistungen nicht statt. Allerdings ist das französische Recht dadurch charakterisiert, daß die Sicherung der geschiedenen Hausfrau über das Sozialrecht erfolgt, wobei man bemüht ist,